Gesamtes Protokol
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Beratungen zu Tagesordnungspunkt I fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998
- Drucksachen 13/8200, 13/8883 -
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1997
- Drucksachen 13/8199, 13/8803 -
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft - Drucksachen 13/9009, 13/9025 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dankward Buwitt Dr. Wolfgang Weng Manfred Hampel
Antje Hermenau
Es liegen sieben Änderungsanträge der Fraktion der SPD, drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Manfred Hampel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle mir vor: Wir haben einen Wirtschaftsminister, einen richtigen,
einen, der keine pessimistischen Horrorszenarien ausmalt, einen, der die wirtschaftspolitischen Probleme rechtzeitig erkennt, der in seinem Haus Lösungsansätze erarbeitet, der, falls dafür Geld notwendig ist, dies in trauter Einheit mit dem Finanzminister lockermacht, um wirtschaftspolitisch gegenzusteuern,
der damit eine kräftige Belebung der Wirtschaft erreicht, Arbeitslosenzahlen deutlich senkt und so dem Finanzminister wieder Geld in die Kasse schaufelt. Leider ist das nur eine Illusion,
wie Bundesminister Rexrodt mit seinem Wirken und mit seinem Haushalt Jahr für Jahr beweist.
Sein Einzelplan für 1998 steht voll in der Tradition seiner Haushalte der letzten Jahre.
Man kann Herrn Rexrodt also eine Menge vorwerfen, nicht aber mangelnde Kontinuität.
Kontinuierlich haben Sie mehr oder weniger machtlos zugesehen, wie aus Ihrem Haushalt die Luft rausgeht. Sie haben es nicht verhindert, daß Ihr Haushalt allein in dieser Legislaturperiode um mehr als ein Drittel zusammengestrichen wurde. Von ge-
Manfred Hampel
staltender Wirtschaftspolitik konnte und kann bei Ihnen, Herr Rexrodt, wirklich keine Rede sein.
- Die Kohle habe ich dabei herausgerechnet. Dieser Aufwuchs ist mir durchaus bekannt. Rechnen Sie mal nach! Sie brauchen bloß einen spitzen Bleistift und einen Taschenrechner.
Anstatt Impulse für wirtschaftliches Wachstum zu setzen und innovative Bereiche und Investitionsförderung auszuweiten, beugen Sie sich dem Waigelschen Druck und nehmen im Durchschnitt weitaus höhere Kürzungen hin als viele Ihrer Ministerkollegen. Erneut ist festzustellen, daß im Haushalt 1998 ausreichende, erkennbare Lösungsansätze für die wirtschaftspolitischen Zukunftsaufgaben und den Aufbau und die Entwicklung der Wirtschaft vor allem in den neuen Bundesländern - aber nicht nur dort - völlig fehlen.
In ihrem Herbstgutachten prognostizieren die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute lediglich einen leichten Konjunkturaufschwung für den Westen; der Osten muß sich dagegen auf ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum einstellen. Die Schere zwischen Ost und West öffnet sich weiter.
Der Arbeitsplatzabbau in den neuen Ländern setzt sich fort. Die offizielle Arbeitslosenquote steigt dort auf 20 Prozent. In vielen Regionen hat sie diesen Wert schon deutlich überschritten. Dennoch wurde von der Bundesregierung die wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern ständig schöngeredet. Dabei sprechen die konkreten Zahlen eine ganz andere Sprache: Pro Einwohner im Osten beträgt die Wirtschaftsleistung gerade einmal die Hälfte, die der Industrieproduktion sogar nur ein Drittel von der im Westen. Die Produktionslücke, das heißt die Lücke zwischen dem, was erzeugt, und dem, was verbraucht wird, liegt bei weit über 200 Milliarden DM und muß durch Bezüge vor allem aus den alten Bundesländern geschlossen werden. Nur zur Verdeutlichung: Der Osten geht für mehr als 200 Milliarden DM pro Jahr im Westen einkaufen. Hier sehen Sie, wer von wem profitiert.
Auf überregionalen Märkten ist die ostdeutsche Industrie kaum vertreten. Weiterhin gibt es eine unzureichende Eigenkapitalsituation vieler Unternehmen, eine unbefriedigende Ertragslage und erschwerte Marktzugangsbedingungen, von Standortnachteilen durch im Vergleich höheren Energiepreisen, öffentlichen Gebühren, Entsorgungskosten usw. ganz zu schweigen.
Wie reagiert die Bundesregierung auf diese seit langem bekannte Situation? Gar nicht. Im Gegenteil, sie findet das alles offenkundig nicht so dramatisch. Als ich den Bundeskanzler in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses fragte, wie er denn seiner grundgesetzlichen Verpflichtung zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse nachkommen könne,
wenn die Schere zwischen Ost und West immer weiter auseinandergeht, kamen als Antwort nur: „Es
wird schon werden" und das altbekannte Gerede von Zuversicht.
- Nur die „blühenden Landschaften" hat er sich diesmal verkniffen; das ist richtig. - So darf man als Bundeskanzler einfach nicht mit den existentiellen Problemen Deutschlands umgehen.
Die Bundesregierung weiß aber offenkundig nicht nur keine Antworten auf die wirtschaftspolitischen Herausforderungen, sie scheint noch nicht einmal darüber nachzudenken.
Wie anders kann man sich die Bemerkung des Bundeswirtschaftsministers erklären, man müsse sich auf etwas längere Zeithorizonte einstellen, bis die ostdeutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig werde und ohne Transfers auskomme?
„Längere Zeithorizonte" - hört man da schon wieder eine Sprechblase? Herr Minister, Sie sollten nicht nur heiße Luft verpusten, sondern einmal richtig Dampf machen,
andernfalls wird der Osten noch auf Jahre hinaus wirtschaftliches Notstandsgebiet bleiben.
Wenn wir uns die Antworten des Rexrodtschen Haushaltsentwurfs ansehen, wird klar, wohin die Reise geht: weg von leistungsstarken kleineren und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat unserer Volkswirtschaft bilden, hin zu großen, global agierenden Unternehmen, die in Deutschland kaum noch Steuern zahlen und auch noch stolz darauf sind.
Jeder, der sich ernsthaft um die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland Sorgen macht, muß doch dagegen Sturm laufen.
Herr Minister, nur ein paar Punkte möchte ich beispielhaft aus Ihrem Haushalt zum Verdeutlichen meiner Ausführungen auf greif en.
Stichwort: Förderung von Forschung und Entwicklung. Die Förderung von Technologietransfers zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmen und das Sonderprogramm Forschung und Entwicklung neue Länder wird von Ihnen zusammengestrichen. Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sind für die Innovationskraft unserer hochentwickelten Industriegesellschaft unverändert von höchster Bedeutung. Die Einführung neuer hochtechnologischer Verfahren und Produkte ist im harten internationalen Wettbewerb für viele
Manfred Hampel
kleine und mittlere Unternehmen die beste Chance zum Überleben.
Anstatt diesen Prozeß zu unterstützen, werden die Mittel für den Technologietransfer gekürzt.
Noch drastischer ist der Einschnitt beim Sonderprogramm Forschung und Entwicklung neue Länder. Hier wird mit minus 50 Millionen DM richtig zugelangt. Für einen selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung, von dem wir noch meilenweit entfernt sind, sind Forschung, Entwicklung und Innovation jedoch wichtigste Voraussetzungen. Erst im Mai dieses Jahres hat die Bundesregierung versprochen, daß in ihrem mittelfristigen Förderkonzept für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern die Förderung bis zum Jahre 2001 auf dem bisherigen Niveau fortgesetzt wird. Zwei Monate später wird kräftig der Rotstift angesetzt. So kann man sich auf Ihre Worte verlassen. Heute hü und morgen hott.
So werden Sie verhindern, daß Forschungsförderung zum Motor einer wirtschaftlichen Belebung wird.
Stichwort: Absatz ostdeutscher Produkte. Die Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte wird um ein Drittel zurückgefahren. Dabei ist der überregionale Umsatz in den neuen Bundesländern noch immer sehr schwach entwickelt. Ostdeutsche Unternehmen, insbesondere solche, die Güter für überregionale Märkte herstellen, sind oftmals zu Preiszugeständnissen gezwungen, um sich auf diesen Märkten Zutritt zu verschaffen.
Diese nicht neue Feststellung bekräftigt der Sachverständigenrat erneut in seinem Jahresgutachten. Da die Ertragslage vieler ostdeutscher Unternehmen unzureichend ist, sind derartige Preiszugeständnisse oftmals existenzbedrohend. Die Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte ist deshalb nach wie vor dringend notwendig.
Mit falsch verstandener Sparwut und bunten Heftchen, die in Parteizeitungen beigelegt werden, ist es nicht getan; das ist nicht ausreichend. Mit kräftigen Hilfen dagegen tragen Sie dazu bei, daß die ostdeutsche Industrie auf die Beine kommt und die viel zu große Produktionslücke schneller geschlossen wird.
Stichwort: Sanierung der Wismut GmbH. Dringend notwendige Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen bei der Wismut GmbH werden in die Zukunft verschoben. Schon im Vollzug des 97er Haushalts mußte die Wismut GmbH Kürzungen von zirka 50 Millionen DM hinnehmen. In diesem Haushalt werden nochmals 50 Millionen DM zusammengestrichen.
Dies führt zu einer Verschiebung von Sanierungsarbeiten und Investitionen auf die Folgejahre. Darunter leiden die betroffenen Regionen ganz erheblich. Denn die Planungen von Gemeinden und Landkreisen sind natürlich mit dem Sanierungsfortschritt bei der Wismut auf das engste verbunden.
Anschaulich geht dies aus dem Brief des Landkreises Aue-Schwarzenberg hervor, den alle Kollegen des Haushaltsausschusses bekommen haben. Dort hat sich die Gemeinde Schlema mit der Entwicklung zum staatlich anerkannten Radiumbad, ihren Anträgen zur Beteiligung an der Expo 2000 und der Ausrichtung der Landesgartenschau im Jahre 2002 ehrgeizige Ziele gesetzt, die eng mit dem Sanierungsfortschritt bei der Wismut GmbH verbunden und durch die Kürzung erheblich gefährdet sind. Nicht zuletzt hat es auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Privatisierung und Vermarktung von Flächen für Gewerbeansiedlungen. Die wirtschaftlichen Nachteile dieser Region werden mit dem Verzögern der Sanierung erheblich verschärft.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie nicht wollen, daß diese verschandelte Landschaft noch auf Jahre verschandelt bleibt, dann stimmen Sie unserem Antrag auf Erhöhung der Sanierungsmittel zu.
Es ist aber nicht nur der Osten, bei dem die Schere angesetzt wird. Auch im Westen werden drastische Einschnitte vorgenommen.
Stichwort: GA-West. Die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" der alten Bundesländer werden fast auf die Hälfte gekürzt. Jedoch erfordert der Strukturwandel im Schiffbau, in der Montanunion und in der Textilindustrie - um nur einige Beispiele zu nennen - alle Anstrengungen, um bewältigt werden zu können.
Die vorgesehene Mittelkürzung läßt die betroffenen Regionen im Regen stehen. Aber im Westen gibt es inzwischen Städte, die mit ihrer Arbeitslosenquote über der mancher Stadt des Ostens liegen. Darüber hinaus macht sich die Bundesrepublik bei der EU unglaubwürdig, wenn sie dort Hilfen einfordert, die sie im eigenen Land nicht zu geben bereit ist. Das Instrument der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wird damit insgesamt gefährdet.
Manfred Hampel
Stichwort: Venture-capital. Zusätzliches Venture-capital für junge innovative Unternehmen und zur Stärkung der Eigenkapitalbasis kleiner und mittlerer Unternehmen wird seitens des Bundes nicht zur Verfügung gestellt.
Wichtige und wirksame Potentiale zur Schaffung von Arbeitsplätzen werden dadurch verschenkt.
Wir haben eine Reihe von parlamentarischen Initiativen gestartet, um eine wirksame Unterstützung von Existenzgründern und Unternehmenswachstum in den neuen Technologiebereichen anbieten zu konnen, bisher leider immer erfolglos. Meine Damen und Herren, Sie wissen doch selbst, daß kaum eine Bank Kredit auf eine gute Idee gibt. Dadurch gehen Chancen für Unternehmensgründungen im Hochtechnologiebereich und hochqualifizierte Arbeitsplätze für Deutschland verloren. Sie wandern in Länder mit günstigeren Bedingungen ab.
Dabei gibt es in Nordrhein-Westfalen positive Erfahrungen mit diesem Instrument. Sie müßten einfach nur einmal über den Tellerrand sehen, Herr Rexrodt,
die guten Erfahrungen aufgreifen und einen Wagniskapitalfonds des Bundes ins Leben rufen.
Ich bin sicher, daß ein Run darauf mit vielfältigen Chancen für Unternehmensgründungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen im Hochtechnologiebereich einsetzen wird. Nicht nur reden, sondern auch handeln!
Andernfalls werden Sie bald keinen Wissenschaftler mehr finden, der bereit ist, in Deutschland ein Unternehmen zu gründen.
Stichwort: Handwerk, kleine und mittlere Unternehmen. Die kaum nennenswerte Förderung von Handwerk, Klein- und Mittelbetrieben wird schlicht auf dem Vorjahresniveau gehalten. Gerade aber die kleinen und mittleren Unternehmen sind Innovationsträger, wie zahllose Beispiele in den vergangenen Jahren bewiesen haben. Ein Mittelständler aber, der sich um seinen Betrieb kümmern muß, hat oft nicht die Zeit, sich in das komplizierte Regelwerk von Förderprogrammen und bürokratischen Verfahren der Beantragung hineinzufinden. Deshalb ist es dringend notwendig, die Programme der Mittelstandförderung zusammenzufassen, zu koordinieren und zu vereinfachen.
Dies gilt insbesondere für das Programm der Außenhandelsförderung und den Zugang zu ausländischen Märkten. Die Außenhandelskammern leisten hierzu einen hervorragenden Beitrag. Sie zu stärken, um auf außereuropäischen Märkten mehr Hilfe für
kleine und mittlere Unternehmen anbieten zu können, ist eine dringende Aufgabe.
Dies waren nur einige Beispiele, die beliebig fortgesetzt werden könnten. Mit unseren Anträgen, die wir bei der Beratung des Einzelplans 09 in der Bereinigungssitzung oder zum Teil auch heute stellen, kann der Haushalt des Bundeswirtschaftsministers nicht grundsätzlich umgestaltet werden. Sie sind vielmehr Ansatzpunkte für Schritte in die richtige Richtung, für Schritte, die geeignet sind, die Wirtschaft zu stärken.
Sie, Herr Bundesminister Rexrodt, betreiben dagegen nichts anderes als Mangelverwaltung. Wir brauchen aber eine innovative und gestaltende Wirtschaftspolitik. Wir brauchen einen Neuanfang, der den Strukturwandel nicht als Bedrohung, sondern als einmalige Chance empfindet.
Wir brauchen auch eine Regierung, die diese Chance nutzt. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert brauchen wir Leistungsträger, auch und vor allem in der Regierung.
Sie schaffen das nicht mehr. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich auf der Ehrentribüne den Präsidenten der Knesset, Herrn Dan Tichon, mit seiner Delegation ganz herzlich begrüßen. Wir heißen Sie im Deutschen Bundestag herzlich willkommen.
Herr Präsident, Sie haben Gelegenheit genommen, Frankfurt, Schwerin, Berlin und Bonn aufzusuchen, und dort politische Gespräche geführt.
Ganz herzlich möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus zu der hohen Auszeichnung gratulieren, die Ihnen der Bundespräsident gestern für die Pflege der israelisch-deutschen Beziehungen auch in schwierigen Zeiten, der Beziehungen zwischen Knesset und Bundestag, verliehen hat: das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
Wir wünschen Ihnen von hier aus - das ist unser eigenes Anliegen -, daß der Friedensprozeß konsequent weitergeführt wird und es im Nahen Osten zum Frieden kommt. Herzlich willkommen!
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Dankward Buwitt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte beginnen mit einem Dank an die Führung und an die Mitarbeiter des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums
für die gute Zuarbeit.
- Herr Fischer, Sie haben sich schon bei meiner letzten Rede hervorgetan. Damals haben Sie sechs Zwischenrufe gemacht; Sie können sich noch steigern.
Ich beginne trotzdem mit dem Dank für die gute Zuarbeit, oft für Dinge, bei denen man davon ausgehen konnte, daß die Ergebnisse unserer Beratung nicht nur Freude auslösen würden.
Meine Damen und Herren, wer würde es bestreiten: Wir sind nicht gerade in einer komfortablen Situation.
Auf die größte Herausforderung, nämlich Menschen, die ohne Arbeit sind, haben wir keine Antwort,
und dies in einem Land mit den besten Voraussetzungen, so zum Beispiel zentraler Lage, guter Infrastruktur und gut ausgebildeten Menschen. Andere Länder haben es uns vorgemacht, daß Veränderungen möglich sind, Länder mit bedeutend schlechteren Voraussetzungen.
Sie hatten und haben allerdings eines: den Konsens in der Gesellschaft und in der Politik.
Deutschland ist blockiert
durch eine Finanzverfassung, die es dem Bundesrat mit seiner SPD-Mehrheit ermöglicht, wichtige Reformvorhaben zu verhindern.
Aus wahltaktischen Überlegungen hat Herr Lafontame den Weg in eine bessere Zukunft verstellt.
Diese Taktik hat Herrn Voscherau, den Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, seine Position gekostet.
Die Wähler haben nicht honoriert, daß einer gegen seine Überzeugung diese Blockadepolitik vertreten hat, und wir haben guten Grund, auch in der Zukunft optimistisch zu sein. Der Bürger hat kein Verständnis für diese egoistische Taktiererei.
Nun ist ja das Jahresgutachten 1997/98 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schon mehrmals zitiert worden.
Wie man es zum Credo erheben kann, das werden Sie sich noch überlegen. - Natürlich ist es ein gutes Gutachten, Herr Fischer, aber das, was Sie zitiert haben, ist der Zustand, der durch das, was Sie hier blockiert haben, erreicht wurde - um es ganz deutlich zu sagen.
- Keine Angst, ich werde Ihnen das schon noch beweisen.
Das Gutachten ist 394 Seiten lang, und jeder findet darin natürlich etwas für sich, so Herr Fischer, so Herr Metzger, so Herr Hampel und Herr Diller. So etwas erinnert an das Bild des Ganoven, der anderen „Haltet den Dieb! " hinterherruft.
Dabei ist das Gutachten eindeutig. Auf den Seiten 280 bis 285 beschäftigt es sich unter Ziffer IV mit dem, was heute geboten ist. Da steht in der Textziffer 315 zum Beispiel etwas über die Mitverantwortung der Tarifpartner. Nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Arbeitsuchenden wird diese Mitverantwortung reklamiert. Und es steht in Textziffer 314 etwas über die Finanzverfassung und die Verflechtung von Bundes- und Landeskompetenzen, die die Blockadepolitik der SPD erst ermöglichen.
In der Textziffer 312 wird ausgeführt, welche Anforderungen für die Wiedergewinnung der Wachstumsdynamik und der Überwindung der Beschäftigungskrise gestellt werden.
Da heißt es im zweiten Spiegelstrich
- nein, Herr Fischer, im zweiten; aber Sie haben so weit ja nicht gelesen; Sie sind ja nur bis zur Seite 12 gekommen -:
Eine Steuerreform muß sich vorrangig an dem
Ziel orientieren, die Anreize für Leistung, für Investitionen und für unternehmerische Aktivität
Dankward Buwitt
zu stärken. Demgegenüber müssen verteilungspolitische Gesichtspunkte zurücktreten; auch hier wäre wenig gewonnen mit Steuersenkungen, die nur dazu dienen, mehr Kaufkraft für den privaten Konsum zu schaffen. Durch verteilungspolitische und nachfrageorientierte Erwägungen darf das Ziel, von der Angebotsseite her bessere Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung herzustellen, nicht verwässert werden.
- Herr Fischer hat ja erwähnt, daß es ein gutes Gutachten ist, Herr Weng.
Und um es gleich noch nachzuschieben - etwas später heißt es:
Reformen im Bereich der Sozialversicherung müssen den Bereich kollektiver Zwangsvorsorge auf das notwendige Maß beschränken
und zugleich mehr Raum lassen für selbstverantwortliche Eigenvorsorge; nur so läßt sich auch zugleich die Höhe der zur Finanzierung des Systems notwendigen Abgaben begrenzen. Wenig nützt hingegen die Reduzierung der Sozialabgaben durch Verschiebung der Finanzierungslast auf den Steuerzahler unter der irreführenden Bezeichnung „Senkung der Lohnnebenkosten".
Ein wahrlich gutes Gutachten! Eine bessere Anleitung kann man sich gar nicht wünschen.
Hier liegt allerdings auch der Beweis vor, daß die Neidkampagne der SPD, das Spiel mit der Angst der Bevölkerung, das Gerede von der Umverteilung und der sozialen Schieflage Worthülsen aus dem Wahlkampfarsenal der SPD sind und keinen Beitrag zur Lösung der vorhandenen Probleme leisten.
Meine Damen und Herren von der SPD, geben Sie Ihre Blockadepolitik auf! Nehmen Sie unser Angebot an! Finanzminister Waigel hat es vorgestern in dem Angebot zusammengefaßt: Wir könnten in 24 Stunden eine Steuerreform und eine Rentenreform beschließen, die ein Investitionsfeuerwerk auslösen würden.
- Ja, da lachen Sie, meine Damen und Herren. Statt daß wir den Menschen gemeinsam Mut machen zu mehr Investitionen, zu mehr Existenzgründungen, zu mehr Arbeit für die Menschen - die Bürger würden es uns danken -, haben Sie nur ein Lachen dafür.
Herr Buwitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hendricks?
Bitte sehr, ja.
Herr Kollege Buwitt, ist Ihnen bekannt, daß alle Sachverständigen in den Anhörungen zu den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfen zur Steuerreform - von ihnen war vorgesehen, es in zwei Teile zu gliedern: 1998 und 1999 - übereinstimmend ausgesagt haben, daß, wenn es dazu kommt, allenfalls in mittelfristiger Perspektive durch die von Ihnen beabsichtigte Steuerreform Arbeitsplätze geschaffen würden? Sind Sie bereit, mit mir zuzugestehen, daß es unredlich ist, den Bürgerinnen und Bürgern Versprechungen zu machen, die Sie, selbst wenn Sie Ihre Steuerreform unverändert durchsetzen könnten, keinesfalls halten können?
Frau Kollegin, halten Sie es nicht für richtig, wenn nur mittelfristig etwas zu erreichen ist, schnellstens damit anzufangen? Haben wir nicht schon viel zuviel Zeit durch Ihre Blockaden verloren?
Meine Damen und Herren, all die Probleme, die wir heute haben - zu geringe Steuereinnahmen, knappe Kassen bei Krankenversicherungen und Renten, Geld für Forschung und Bildung -, wären leichter zu tragen, wenn mehr Menschen in der Bundesrepublik Arbeit hätten. Zufriedene Menschen würden der Politik dann vielleicht Politik auch aufgeschlossener gegenübertreten.
Viele Faktoren stellen sich positiv dar, so die Zahlen im Export, die Preisstabilität mit einer Preissteigerungsrate von 1,8 Prozent, das Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent. Wir haben ähnlich gute Prognosen für 1998. Was fehlt? Der Staat will seinen Anteil am Wachstum, und zwar gezielter als bisher, und die Menschen wollen ihren Anteil an Arbeit.
Viele Veränderungen der Vergangenheit, wie die Gesundheitsreform, die Änderungen im Kündigungsschutz oder bei der Lohnfortzahlung, die Möglichkeit der befristeten Arbeitsverträge, die Veränderungen bei der Unternehmensbesteuerung könnten durch die Steuerreform eine noch wesentlich breitere Wirkung erzielen.
Der Einzelplan 09, meine Damen und Herren, ist - wie auch der gesamte Haushalt - sparsam angelegt. Ich halte es allerdings für unehrlich, wenn man auf der einen Seite den Subventionsabbau ständig einklagt und auf der anderen Seite immer mehr Geld für
Dankward Buwitt
Subventionen und andere Dinge einfordert. Sie alle wissen, daß ein großer Teil nach wie vor von der Kohlehilfe in Anspruch genommen wird. Wir hätten uns gern noch verständigen können, dieses Geld innovativeren Dingen zuzuführen. Doch Sie sind ja als erste auf die Barrikaden marschiert, als Ihnen der erste Wind ins Gesicht blies.
Aber besprochene Regelungen sind nun einmal einzuhalten. Wir haben die Hilfe für die Kohle bis zum Jahre 2005 in einem Gesetz beschlossen, um dem Bergbau verläßliche Grundlagen für seine notwendigen Maßnahmen zu geben.
Die industrielle Gemeinschaftsforschung ist in der Bundesrepublik eine hervorragende Einrichtung. Viele andere Länder beneiden uns darum.
Deshalb haben wir Wege gefunden, dies ungeschmälert fortzusetzen, dabei aber die Beteiligung der Wirtschaft in Zukunft transparenter zu gestalten.
Der Nachholbedarf der neuen Bundesländer ist nicht zu bestreiten, obwohl es manchem alten Bundesland nicht leichtfällt, diese Aussage mitzutragen. Wenn wir uns allerdings vor Augen führen, daß wir auch noch im nächsten Jahr Transferleistungen von netto 148 Milliarden DM haben werden, dann muß man feststellen, daß es am Geld allein nicht liegen kann.
Das Klagelied, das Sie, Herr Hampel, hier singen, wird auch Ihrer Arbeit in den neuen Bundesländern nicht gerecht. In der FAZ von heute können Sie nachlesen, was der Vorsitzende des Sachverständigenrates, von dem Sie ja - zu Recht - so viel halten, gesagt hat: Es
werde übersehen, daß das Niveau der Investitionen in den neuen Bundesländern vergleichsweise hoch sei.
Diese Investitionsaktivitäten stärkten den Kapitalstock und damit das Produktionspotential, das der Sachverständigenrat als die aussagekräftigere Meßlatte für das Wachstum einer Volkswirtschaft ansehe.
An einer anderen Stelle heißt es:
Der Exportanteil in Ostdeutschland wachse weiter ... Alles in allem sei die Konjunktur in Ostdeutschland deutlich robuster, als das vielfach angenommen werde.
Herr Hampel, stellen Sie doch Ihre eigene Arbeit nicht unter den Scheffel! Sagen Sie den Leuten doch, daß sich etwas bewegt und daß die Lage besser wird!
Trotzdem haben wir uns alle gemeinsam zum Ziel gesetzt, die Regionalförderung ,,Gemeinschaftsaufgabe Ost" auf hohem Niveau fortzusetzen. Nach schwierigen Verhandlungen wurde der Baransatz für 1998 um 200 Millionen DM auf 2,938 Milliarden DM
und die Verpflichtungsermächtigung um 309 Millionen auf 2,4 Milliarden DM erhöht. Angesichts dieser Zahlen kann man wirklich nicht davon reden, daß kein Geld zur Verfügung gestellt wird. Vielmehr dürfte dies ein guter Beitrag zur Unterstützung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern mit dem Ziel einer Angleichung an das wirtschaftliche Niveau der gesamten Bundesrepublik sein.
Auch im Falle der Wismut GmbH sieht es so aus, daß sich der Bund seiner Aufgabe gestellt hat. Er hat die Länder Thüringen und Sachsen von den Kosten der Sanierung für die Uranbergbauflächen in Thüringen und Sachsen bis zu einer Größenordnung von 13 Milliarden DM freigestellt. Diese Beseitigung einer unerfreulichen Hinterlassenschaft der Sowjetunion und der DDR ist nicht nur zum Schutz der Bürger und zur Beseitigung der Umweltschäden unerläßlich, sondern - Herr Hampel hat das schon erwähnt - sie stellt auch eine wesentliche Arbeitsmöglichkeit in diesem strukturschwachen Gebiet dar.
Herr Buwitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Warnick?
Ja, bitte sehr.
Herr Kollege Buwitt, Sie haben soeben ein sehr optimistisches Bild der wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland gezeichnet. Dabei sind Sie auch auf den Export zu sprechen gekommen. Ich frage Sie ganz konkret: Wie hoch ist derzeit der Anteil Ostdeutschlands an den Ausfuhren der Bundesrepublik Deutschland?
Dankward Buwitt .: Herr Kollege, erstens muß ich Sie korrigieren. Nicht ich habe dieses Bild gezeichnet, sondern der Vorsitzende des Sachverständigenrates, den Sie ja ständig zitieren. Zweitens ist es richtig, daß der Exporterfolg der neuen Bundesländer natürlich auf einem sehr niedrigen Niveau angefangen hat. Wichtig ist aber, daß er sich positiv entwickelt und daß wir diese positive Entwicklung unterstützen und nicht klein- und kaputtreden.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein, ich möchte mit meiner Rede fortfahren.
Da ich gerade bei der Wismut GmbH bin, möchte ich noch folgendes sagen: Man sollte anerkennen, daß das Wirtschaftsministerium 1997 alles in seiner Macht stehende getan hat, um Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Das ist gelungen. Dieses ist auch das Ziel für 1998. Dafür
Dankward Buwitt
werden wir im Haushalt 540 Millionen DM zur Verfügung stellen.
Es ist auch wichtig, einmal festzustellen, daß Verbraucherberatung Ländersache ist. Daran hat sich nichts geändert. Trotzdem haben wir noch einmal Geld bereitgestellt, um die Verbraucherzentralen in den neuen Bundesländern lebensfähig zu erhalten und ihnen die Möglichkeit zu geben, für eine gewisse Übergangszeit eine größere Selbstfinanzierung mit Unterstützung der Länder zu erhalten.
Bei der Struktur der Wirtschaft in der Bundesrepublik bleibt die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen ein besonders Anliegen. Sie sind für die Stabilität und die Arbeitsplätze in der Bundesrepublik von besonderer Bedeutung, und zwar nicht erst jetzt. Wir haben uns dieser Sache schon verschrieben, als Sie den Mittelstand und diese Unternehmen noch bekämpft haben.
Für die Förderung werden im Haushalt 1,95 Mil-harden DM vorgesehen. Es ist richtig, daß es eine geringfügige Absenkung der Fördermittel gibt. Diese kommt allein daher, daß das Eigenkapitalhilfeprogramm ausfinanziert wird. Es ist 1997 in das ERP-Sondervermögen überführt worden. Diese Übernahme hat es möglich gemacht, daß dieses Programm auch in Zukunft mit Mitteln in der bisherigen Höhe von 2 Milliarden DM pro Jahr fortgesetzt werden kann und langfristig gesichert ist. Darum muß es uns eigentlich gehen.
Aber für die kleinen und mittleren Betriebe ist unter anderem die Möglichkeit der Beteiligung an Auslandsmessen wichtig, auch für die neuen Bundesländer. Da die Mittel im Jahre 1998 ungewöhnlich hoch mit besonderen Maßnahmen wie der Weltausstellung in Lissabon, der Konsugerma in Shanghai und der Vorbereitung der Technogerma 1999 in Jakarta belastet sind, haben wir hier eine Aufstockung um 5 Millionen DM vorgenommen, um dem Mittelstand und den kleineren Betrieben zu helfen.
Das gleiche gilt für die Außenhandelskammern, deren Präsenz in immer mehr Ländern notwendig wird. Gerade sie helfen auch den kleinen und mittleren Betrieben, dort Fuß zu fassen.
- Sehr richtig, Herr Weng.
Wir freuen uns, daß der größte Personenschiffsauftrag in diesen Tagen an eine deutsche Werft gegangen ist. Sich dem Wettbewerb unter gleichen Bedingungen und weitgehend ohne staatliche Hilfe zu stellen, ist unser Ziel auch bei den Werften in Deutschland. Einen Schritt näher sollte uns und die Weilten weltweit das OECD-Schiffbauabkommen bringen. Leider haben die USA dieses Abkommen nicht ratifiziert. So konnte es nicht in Kraft treten.
Um keine Nachteile für die deutsche Wirtschaft entstehen zu lassen, haben wir bei den Haushaltsberatungen bei den Wettbewerbshilfen für deutsche Schiffswerften eine Verpflichtungsermächtigung von 80 Millionen DM für kommende Jahre eingesetzt. Wir gehen davon aus, daß sich die betroffenen Länder mit 50 Prozent an den Zinszuschüssen beteiligen.
Leider ist meine Redezeit zu Ende. Eigentlich müßte man noch etwas zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, zu den 610-Mark-Jobs und zu der Regulierungsbehörde sagen. Ich komme also zum Schluß: Partei- und Blockadepolitik schaden nur der Sache und lohnen sich nicht. Die Förderung des Wirtschaftsstandortes Deutschland muß von uns allen gemeinsam betrieben werden, damit wir ein noch größeres Wachstum und mehr Beschäftigung für die Menschen in Deutschland bekommen.
Haben Sie recht herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wie jedes Jahr: Auch dieser Haushalt baut auf der Hoffnung auf, daß alles besser wird. Herr Rexrodt, wir hatten früher in der DDR ein sehr beliebtes Bonmot. Dieses Bonmot lautete: Alles wird besser, aber nichts wird gut.
Herr Buwitt, das ist genau das, was Sie am Anfang hätten sagen sollen: Schönen Dank für die Zuarbeiten aus dem Haus. Sie waren sehr gut. Aber Sie haben nichts daraus gemacht. Das ist das Problem.
Wenn Sie von Blockadepolitik sprechen: Wie Sie es schaffen, sich innerhalb der Koalition von CDU/CSU und F.D.P. selber zu blockieren - dafür brauchen Sie uns als Opposition gar nicht.
Sie stecken in einer babylonischen Gefangenschaft, meine Damen und Herren von der Koalition. Verändern Sie etwas, kommen Sie über kurz oder lang bei den meisten unserer Vorschläge raus. Das wäre ein politischer Gesichtsverlust. Den können Sie sich nicht leisten. Verändern Sie nichts, verlieren Sie Ihr Gesicht auch. Das werden wir nächstes Jahr sehen.
Sie haben hier gestern mit der Koalition den Eurofighter beschlossen. Sie sagen hü und hott beim Euro. Lauter europolitische Sprecher mit bayerischem Akzent verwirren die Gesellschaft.
Dann wundern Sie sich, wenn niemand mehr investieren will. Wenn Sie selber keine Klarheit darüber
Antje Hermenau
schaffen, wie die Situation in den nächsten Jahren sein wird, hat auch niemand Lust, sein Geld zu riskieren.
Sie wollen unbedingt den Solidaritätszuschlag senken. Sie reden immer noch - jedenfalls manchmal hinter vorgehaltener Hand, aber nicht mehr öffentlich - von einer Nettoentlastung bei der Steuerreform. Davon verabschieden Sie sich jetzt peu à peu.
Aber was Sie alles machen, läßt die Einnahmesituation des Bundes gar nicht zu. Sie sind selbst schuld daran, daß Sie nicht das Geld haben, um das zu finanzieren, was Sie für politisch richtig halten.
Um den zu erwartenden alljährlichen etwas larmoyanten Entschuldigungen des Herrn Rexrodt betreffs der Steinkohlesubventionen, die seinen ganzen Haushalt auffressen, vorzubeugen, möchte ich sagen: Ich erinnere mich sehr genau, nachgelesen zu haben, daß das damals gesellschaftlicher Konsens war und von einem F.D.P.-Wirtschaftsminister eingetütet worden ist. Insofern wäre ich an Ihrer Stelle sehr vorsichtig, mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Die Diskussion vor einem Jahr, in der der Kompromiß gefunden wurde, von dem der Kollege Buwitt gesprochen hat, war vor allem dadurch gekennzeichnet, daß es eine berechtigte Sorge darüber gab, wie man zusätzliche Mittel für den Strukturwandel überhaupt noch auftreiben und einstellen könnte. Das hat die rotgrüne Koalition in NRW jetzt geschafft: Die Solarzellenproduktion wird in Gelsenkirchen angesiedelt.
- Ich komme jetzt zum Mittelstand; das paßt gut. Ich habe mir sogar aufgeschrieben: Zwischenfrage des Herrn Hinsken erwarten.
Der Berg bewilligter Beratungsförderungsanträge sollte abgetragen werden. Darum haben Sie sich in Ihrem Haus bemüht, Herr Rexrodt. Dafür haben Sie 11 Millionen DM umgeschichtet. Im Oktober 1997 hat Herr Bohl da noch mitgemischt. Dann kam die Waigelsche Haushaltssperre, und weg waren die 11 Millionen DM. Die Förderanträge werden nicht abgearbeitet.
Sie, Herr Rexrodt, sitzen doch im selben Kabinett wie Herr Waigel. Können Sie sich nicht ein bißchen aufeinander abstimmen? Sie gehören derselben Regierung an.
Was aber schreibt die Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte? Sie hat festgestellt, es sei
ein Skandal, wenn Instrumente, deren Effizienz und hohe Wirksamkeit für die Förderung von Existenzgründung und Existenzfestigung bewiesen ist, durch undifferenzierten, blinden finanz- und haushaltspolitischen Aktionismus paralysiert werden. Mit dieser Politik nimmt sich die Bundesregierung auch die Reste noch verbleibender wirtschaftspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten.
Wie gesagt: Theoretisch sitzen Sie im selben Kabinett. Aber wir sehen auch an dem Gerangel um den Verkauf des 40prozentigen Bundesanteils an der Deutschen Ausgleichsbank an die KfW, daß Sie sich nicht abstimmen: Herr Waigel will ihn, Herr Rexrodt will ihn nicht.
Wie hält diese Regierung es denn nun mit der Mittelstandsförderung, Herr Hinsken? - In meinem Manuskript steht noch einmal: Zwischenfrage von Herrn Hinsken. Wo bleiben Sie denn? - Welchen Stellenwert hat die Mittelstandsförderung in Ihrer Koalition? Erklären Sie mir das einmal.
Wer fordert hier wen auf?
Herr Hinsken.
Herr Hinsken, ich gebe Ihnen in immer eine Chance.
Frau Kollegin, ich bedanke mich sehr, daß Sie mir die Möglichkeit geben, in Form einer Zwischenfrage richtigzustellen und festzustellen, daß gerade für den Mittelstand von dieser Bundesregierung in den letzten Jahren so viel gemacht wurde, wie niemand geglaubt hat.
Ich muß Sie deshalb fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß zum Beispiel das Existenzgründungs- und Eigenkapitalhilfeprogramm auf die alten Bundesländer ausgeweitet wurde, daß darüber hinaus auch die Bundesregierung bestrebt war, weil wir mehr selbständige Existenzen haben wollen, die Grundlage dafür zu schaffen, daß auch Betriebsübernehmer zum Beispiel auf solche Programme zurückgreifen können, und daß weiterhin über einen Mittelstands-TÜV die Voraussetzungen geschaffen wurden, in Zukunft mehr für den Mittelstand zu tun und das Ganze kompakter zu sehen, als das früher der Fall war.
Ich habe Ihre Frage gehört, Herr Hinsken. Es war zwar mehr eine Feststellung, aber ich versuche, diese als Frage aufzufassen.
Herr Hinsken, Sie haben mir nicht zugehört. Wenn sich der Verband der Berater, der gerade mit Existenzgründungsberatung beschäftigt ist, beschwert, daß es nicht möglich ist, den Antragsstau abzuarbei-
Antje Hermenau
ten, weil das Geld nicht zur Verfügung gestellt worden ist, dann können Sie mir nicht erzählen, daß Ihnen gerade die Existenzgründungs- und die Existenzfestigungsphase am Herzen liegt; denn genau dafür wäre das Geld gebraucht worden.
- Nun ist es gut.
Herr Hinsken, keine weitere Zusatzfrage.
Nicht nur die Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte hat Grund zur Kritik. Sogar der DIHT - man merke auf! - wird deutlich. Herr Stihl läßt öffentlich verlautbaren, daß sinnlose Einsparungen im Haushalt keine vernünftige Basis für Wirtschaftspolitik sind.
Da hätten wir nach Ihrem berühmten Spruch, Herr Rexrodt, die Wirtschaft fände in der Wirtschaft statt, Ihr Ministerium damals eigentlich schließen sollen; das wäre das beste gewesen. Sie haben in diesem Kabinett als erster Amtsmüdigkeit erkennen lassen.
Weil soviel von Exportgeschäften und von der Exportwirtschaft gesprochen wird, sage ich: Natürlich weitet sich das Exportgeschäft im Moment zügig aus. Das hat auch etwas mit der Expansion der Weltkonjunktur zu tun.
Das erste Mal haben sogar die Ostfirmen etwas davon, daß sie im Export nicht so gut sind; denn die Erschütterungen in Asien sind am ostdeutschen Wirtschaftsteil vorbeigegangen, weil der dortige Exportanteil so gering ist. Das erste Mal haben sie also einen Vorteil davon.
Kommen wir einmal auf die Exportfähigkeit der ostdeutschen Länder zu sprechen. Um auf den überregionalen Märkten bestehen zu können, ist eine bestimmte Kompetenz nötig, zum Beispiel in bezug auf die Vertriebsorganisation. Dafür braucht man eine bestimmte Unternehmensgröße. Alle, die hier sitzen, wissen ganz genau, daß die durchschnittliche Unternehmensgröße in den fünf neuen Ländern deutlich geringer ist als im Altbundesgebiet. Das heißt, sie können sich zwar schneller an veränderte Produktionsbedingungen anpassen, aber sie haben eine lokale Anbindung.
Angesichts dessen kann man schlecht mit dem Vorwurf argumentieren, die Betriebe der ostdeutschen Länder seien nicht in der Lage, genug zu exportieren. Gerade in jenen Branchen, die vorzugsweise Produkte für den überregionalen Absatz herstellen, gibt es kaum Großbetriebe. Betriebe aus Branchen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, chemische Industrie oder Straßenfahrzeugbau haben im
Durchschnitt weniger als die Hälfte der Beschäftigten der Unternehmen in Westdeutschland. Sie sind also durch einen ausgesprochen kleinbetrieblichen Charakter geprägt. Das gilt insbesondere für den Straßenfahrzeugbau.
Sie können nicht erwarten, daß diese als Global Player auftreten. Es ist auch ganz normal - denn die meisten agieren als Tochterfirmen von Westunternehmen -, daß bestimmte Produktionskapazitäten im Altbundesgebiet erhalten worden sind, die aus „guten Gründen" nicht in das Gebiet Ostdeutschlands verlagert wurden.
Kommen wir noch einmal zum Sachverständigenrat. Denn es ist äußerst selten, daß man ein Gutachten des Sachverständigenrates bekommt, das eine amtierende Regierung derart deutlich vorführt.
Auch dort wird der Reformstau bemängelt und deutlich dargestellt: Die Reformgesetze der Bundesregierung zur Renten- und Krankenversicherung stellen in der Substanz keinen Fortschritt dar.
Das ist eine klare Feststellung. Die Lage am Arbeitsmarkt wird durch die Versäumnisse der Bundesregierung bei der Senkung der Lohnnebenkosten weiter verschlimmert.
Auch das ist Inhalt dieses Gutachtens. Die Binnennachfrage bleibt gering, so daß der zarte Aufschwung am Arbeitsmarkt völlig vorbeigeht.
Und jetzt kommt das Witzige: Die Tarifpartner haben ihre Hausaufgaben gemacht: Die fünf Weisen loben die moderate Tarifpolitik. Die Forderung nach Bescheidenheit hat bei den Tarifpartnern Anklang gefunden. Aber Sie selbst verhalten sich ganz anders.
Wir werden noch etwas zur Regulierungsbehörde hören und sicher auch noch einmal darüber sprechen, welche Dotierungen für den Präsidenten und seine beiden Vize, von denen einer inzwischen wieder abgesprungen ist - vielleicht hat es ihm nicht genug Geld gebracht; er war von der F.D.P. -, angemessen sind. Sie schaffen ein Präjudiz, indem Sie Gehälter festsetzen, die weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Positionen einer oberen Bundesbehörde liegen.
Frau Hermenau, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buwitt?
Aber sicher.
Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen, ob Sie in dem Gutachten auch folgenden Satz gelesen haben:
Nur allzuoft sieht sich der Bund in der Situation, entweder den Forderungen der Länder nachzugeben oder beabsichtigte Reformmaßnahmen aufzugeben oder endlose Streitigkeit zwischen Bund und Ländern zu riskieren.
Auf dieser Basis hat der Sachverständigenrat seine Schilderung der gegenwärtigen Situation aufgebaut.
Herr Buwitt, erstens hat es einen guten Sinn, daß die Länder ihre Interessen - genauso wie der Bund - selbst formulieren dürfen. Ich finde, das ist ein vernünftiges demokratisches Prinzip.
Zum zweiten ist die Entwicklung, die Sie hier aufzeigen, auch nicht neu. Das ist Ergebnis einer fünfzehnjährigen Regierungspolitik. Wenn Sie jetzt auf einmal merken, daß es irgendwo klemmt, dann haben Sie im Dialog mit den Ländern in den letzten 15 Jahren etwas versäumt. Wir werden ja heute dazu noch jemanden aus den Ländern hören.
Daß die Länder die Rechte ihrer Bevölkerung wahrnehmen und sich dagegen wehren, wenn der Bund versucht, Aufgaben den Ländern und Kommunen aufzudrücken, ohne das Geld beizugeben, kann ich verstehen. Übrigens wehren sich auch CDU-regierte Länder.
Zurück zur Regulierungsbehörde. Wie gesagt, für den Präsidenten und seine zwei Vize der Regulierungsbehörde werden Gehälter gezahlt werden, die im Prinzip jede Norm sprengen. Man begründet das mit den „besonderen Aufgaben" dieser Regulierungsbehörde. Der Bundesrechnungshof hat klargestellt, daß er keine besonderen Aufgaben erkennen kann. Insofern ist die besondere Entlohnung am Ende eher ein Bonbon.
Hätten Sie statt dessen lieber, wie Sie seit 1994 selber in Ihrem Regierungsprogramm gefordert haben, endlich einmal die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen durchgesetzt! Das haben Sie 1994 gefordert;
1995 und 1996 war diese Forderung Bestandteil des 50-Punkte-Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung. Aber passiert ist nichts. - Der Kollege Fischer kann sich an weitere Vorgänge erinnern.
Sie können natürlich ständig durch das Land laufen und den Leuten erzählen, was Sie alles Gutes vorhaben. Aber Sie müssen es auch einmal umsetzen.
Es ist ganz logisch - bei uns allen besteht darüber Klarheit -, daß es dann, wenn man den Faktor Arbeit entlasten will, darum gehen muß, Anteile am Kapitalzuwachs zu erwerben und zu verteilen. Das ist eine ganz logische Sache; da braucht man auch nicht ideologisch zu diskutieren.
Sie haben gestern auch gehört, daß wir uns vorstellen können, dadurch eine weitere Säule für die Finanzierung der Renten zu schaffen, so daß die Rentenfinanzierung auf mehreren Säulen ruht.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß im Prinzip jetzt nur noch Reformkonzepte greifen können, die den Faktor Arbeit deutlich entlasten. Alles andere halte ich für Quatsch.
Wir werden von Minister Rexrodt sicher gleich zu hören bekommen, daß er - wie jedes Jahr - der Meinung ist, die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt stehe bevor. Ich möchte Sie davor warnen; das wird natürlich nicht eintreten.
Er wird das wieder behaupten; er ist übrigens der einzige.
Weder der Sachverständigenrat noch die Forschungsinstitute, die von einem Wachstum der Beschäftigung in Höhe von Null ausgehen, können irgendwelche Trendwenden erkennen. Das heißt, die Forschungsinstitute rechnen nicht damit, daß weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich denke, wenn es trotzdem neue Arbeitsplätze geben sollte, dann wird es sich bei ihnen um solche handeln, die nicht dazu beitragen können, die Sozial- und die Rentenversicherung zu finanzieren. Auch das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, doch realistische Zahlen anzusetzen, die auf Daten basieren. Ihre Zahlen sind immer viel zu geschönt.
Herr Rexrodt, ich sage es Ihnen noch einmal: Merken Sie sich das Bonmot: Diejenigen, die behaupten, daß immer alles besser wird, sind die, bei denen nie etwas gut wird.
In der Debatte spricht jetzt der Kollege Paul Friedhoff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte über den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers bietet
Paul K. Friedhoff
traditionell die Gelegenheit, die wirtschaftspolitischen Konzepte von Regierung und Opposition gegenüberzustellen. Doch leider - das muß man feststellen - ist eine solche Konzeption in der SPD bei dem Wirrwarr der vielen Einzelstimmen überhaupt nicht erkennbar.
Was wir statt dessen seit Monaten geboten bekommen, ist eine gigantische Showveranstaltung, und der Regisseur dieser Showveranstaltung heißt Oskar Lafontaine. Sein Ziel ist es, die ökonomischen Zusammenhänge bewußt zu vernebeln, um die Menschen in unserem Land zu täuschen.
Erstens. Der einfachste Weg, um mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit zu drängen, sind undifferenzierte Lohnerhöhungen. Oskar Lafontaine hat lauthals das Ende der Bescheidenheit bei den kommenden Lohnrunden gefordert. Die Gewerkschaften haben darauf insgesamt sehr zurückhaltend, teilweise ablehnend reagiert. Ich will das an dieser Stelle ausdrücklich betonen.
Die Ausnahme war wieder einmal Herr Zwickel, der ganz offen bekennt, sein politisches Ziel sei die Ablösung dieser Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, die Lohnstückkosten in den alten Bundesländern sind in dem Zeitraum von 1989 bis 1996 um 20,1 Prozent gestiegen, in den USA sind sie im gleichen Zeitraum um 11 Prozent gesunken. Dort ist die Arbeitslosigkeit im letzten Monat auf die Quote von 4,7 Prozent abgefallen.
Die Amerikaner, die Neuseeländer, die Briten und die Niederländer haben uns vorgemacht, wie man durch Lohnzurückhaltung Arbeitsplätze schafft.
Seit 1993 sind in den Vereinigten Staaten rund 13,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen worden; ich wiederhole: 13,5 Millionen neue Jobs.
Die Löhne steigen dort inzwischen rapide. Der durchschnittliche Stundenlohn lag in den USA im September um 4,2 Prozent über dem Vorjahresniveau. Dies ist die Frucht der Lohnzurückhaltung, die man vorher geübt hat.
In einer solchen Situation muß man auf die Inflation achten. In den Vereinigten Staaten wird diese Gefahr von der Notenbank seit Monaten mit festem Blick beobachtet, und es wird dagegengesteuert.
Die Niederlande sind im übrigen ein von denjenigen gern zitiertes Beispiel, die für die Aufteilung von
Arbeit plädieren. In der Tat ist der Anteil der Teilzeitarbeitsplätze überproportional hoch. Aber dort sind nicht nur Teilzeitarbeitsplätze entstanden,
sondern auch Vollzeitarbeitsplätze. Aber in den Niederlanden sind ebenfalls die Lohnstückkosten von 1989 bis 1996 nur um 3,5 Prozent gestiegen und eben nicht um mehr als 20 Prozent wie bei uns.
Das ist die zentrale Grundlage für das niederländische Jobwunder: Arbeit ist bezahlbar und wettbewerbsfähig geworden. Wer die Menschen in unserem Land jetzt auffordert, für Lohnerhöhungen zu streiten, der vernichtet Arbeitsplätze.
Zweitens. Die SPD erklärt unermüdlich, sie wolle die Lohnzusatzkosten senken. Das ist eine dreiste Irreführung. Die SPD denkt überhaupt nicht daran, die Kosten zu senken. Das Ganze ist nur ein gigantischer Verschiebebahnhof. Die Kosten sollen nur verschleiert und verlagert werden.
Der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer gleich um 3 Prozentpunkte zu erhöhen. Die Mehrheit der SPD will eine Erhöhung der Mehrwertsteuer u n d eine Erhöhung der Mineralölsteuer.
Wir Freien Demokraten haben die Mineralölsteuererhöhung bislang verhindern können.
Wissen Sie eigentlich, was Sie dem Mann auf der Straße da zumuten wollen?
Sagen Sie den Menschen in diesem Land endlich klipp und klar, was sich hinter dem schönen Begriff Ihrer ökologischen Steuerreform verbirgt.
Die Grünen sind bisweilen ehrlicher. - Gut, daß Sie aufgewacht sind, Herr Fischer. - Sie haben deutlich gemacht, daß sie den Benzinpreis,
wie ich vor kurzem gelesen habe, auf 4,30 DM erhöhen wollen. Aber in Ordnung; Sie sprechen jetzt wieder von 5 DM.
Paul K. Friedhoff
Was passiert dann eigentlich mit den Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie?
Drittens. SPD und Grüne haben die Steuerreform abgelehnt. Wir haben einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent vorgeschlagen.
Die Reform wäre allen Bürgern, gerade den Beziehern kleinerer Einkommen, zugute gekommen. Wir Liberalen wollen mehr Geld in den Taschen der Bürger belassen.
Die Blockade der Steuerreform war und ist das Herzstück der sozialdemokratischen Blockadepolitik. Bundesbank, OECD, G 7, Sachverständigenrat und Wirtschaftsinstitute, alle haben sie immer und immer wieder die große Steuerreform angemahnt. Selten ist ein Reformprojekt von unabhängigen Sachverständigen im In- und Ausland so einvernehmlich begrüßt worden wie die große Steuerreform der Koalition.
Viertens. Die Zauberformel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik lautet derzeit: Stärkung der Binnennachfrage. Das Konzept dafür ist von Keynes im Anschluß an die große Depression der 30er Jahre entwickelt worden. Dahinter verbergen sich staatliche Beschäftigungs- und Konjunkturprogramme,
ein Strohfeuer. Die Asche, die schließlich übrigbleibt, besteht aus höheren Staatsschulden und höheren Steuern. Es gäbe gar keine bessere Methode, um den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu ruinieren.
Dieser Meinung ist im übrigen nicht nur die Bundesbank, sondern auch Altbundeskanzler Schmidt. Er hat dies der jetzigen SPD-Führung schon zu Beginn des Jahres eingehend dargelegt; die Wirtschaftspresse hat darüber ausgiebig berichtet.
Was wir Freien Demokraten wollen, sind Steuersenkungen, damit sich Investitionen in Deutschland lohnen und beim einzelnen Bürger mehr Geld für Konsum und Eigenvorsorge verbleibt. Das ist der Weg, den alle erfolgreichen Reformländer beschritten haben. Dazu gibt es keine Alternative.
Fünftens. Ebenso gibt es keine Alternative zur Deregulierung des Arbeitsmarktes. Unsere Wirtschaft ist stark und nicht schwach, meine Damen und Herren. Wir haben fast 3 Prozent Wirtschaftswachstum. Wir werden den Außenhandelsüberschuß von 100 Milliarden DM in 1996 in diesem Jahr noch einmal deutlich übertreffen. Das heißt auch, daß der Wirtschaftsminister seine Hausaufgaben gemacht hat.
Der Faktor Arbeit aber ist in Deutschland zu teuer geworden und nicht flexibel genug.
Es ist doch unglaublich, daß die Sozialdemokraten dann auch noch auf die Idee kommen, die 610-DM-Beschäftigungsverhältnisse ganz zu verbieten.
Ich sage hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir Freien Demokraten werden die 610-DM-Jobs verteidigen. Sie abzuschaffen wäre familienfeindlich und unsozial.
Herr Friedhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Matthäus-Maier?
Natürlich.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, warum Sie hier wahrheitswidrig behaupten, die Sozialdemokraten wollten die 610-DM-Jobs völlig abschaffen, obwohl wir doch mehrfach gesagt haben, daß uns zum Beispiel die Aushilfsjobs der Studenten in den Semesterferien oder der Hausfrauen bezüglich einer Abschaffung oder Einschränkung nicht interessieren, daß es uns ausschließlich darum geht, dagegen vorzugehen, daß zum Beispiel große Handelsketten Vollzeitarbeitsplätze systematisch in 610-DM-Jobs aufteilen, um Sozialversicherungsbeiträge einzusparen?
Frau Matthäus-Maier, ich habe einige Debatten, die auf Ihren Antrag oder auf einen Antrag der Grünen hin - ich weiß es nicht mehr genau - zu den 610-DM-Jobs im Deutschen Bundestag stattgefunden haben, verfolgt. Wenn Sie die Protokolle nachlesen, werden Sie sehen, daß das, was ich hier gesagt habe, nicht wahrheitswidrig ist, sondern daß das der Tenor vieler Ihrer Reden war.
Sie bestätigen damit, daß man bei Ihnen sowohl für dieses als auch für jenes immer die richtige Antwort im Schrank hat. Jetzt wollen Sie hier den Eindruck vermitteln, als wollten Sie die 610-DM-Jobs gar nicht einschränken.
- Sie müssen aufhören. Sie müssen mich ausreden lassen.
Paul K. Friedhoff
- Frau Matthäus-Maier, Sie müssen sich einen Satz auch zu Ende anhören. Aber Sie sind ja dafür bekannt, daß Sie schon schreien, bevor Sie den Satz zu Ende gehört haben.
Den Beweis für die Behauptung, die Sie wahrheitswidrig aufstellen, daß in großen Ketten systematisch 610-DM-Jobs geschaffen werden, müssen Sie einmal antreten.
- Ja, Sie wissen das alles.
Die Gespräche mit den Ketten, von denen Sie hier reden, haben ergeben, daß dort sehr wohl zusätzliche 610-DM-Jobs, aber auch Vollzeitarbeitsplätze geschaffen worden sind. So wie Sie das behaupten, stimmt es nicht.
Herr Friedhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwanhold?
Ja.
Herr Kollege Friedhoff, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ein Gewerbe, über das wir heute morgen noch verhandelt haben, nämlich das Gewerbe der Gebäudereiniger, nach eigenen Angaben 60 Prozent der Beschäftigten in 610-DM-Arbeitsverhältnissen beschäftigt, dabei aber überhaupt nicht im internationalen und im Globalisierungswettbewerb steht?
Würden Sie weiterhin zur Kenntnis nehmen, daß Handelsketten - ich will sie jetzt nennen: Rewe und Schiecker - über 60 Prozent der Mitarbeiter ebenfalls in 610-DM-Jobs beschäftigen und daß dieses nichts damit zu tun hat, daß man sich an der Finanzierung der Sozialsysteme beteiligt, sondern damit, daß man sich zu Lasten derjenigen entlastet, die Vollzeitbeschäftigte haben? Die Gebäudereiniger selbst wollen das abschaffen.
Herr Schwanhold, wenn Sie damit sagen wollen, daß das, was Sie bei Rewe bemängeln, eine Entwicklung der letzten Monate oder Jahre ist, ist das falsch. Dies ist eine Entwicklung, die sich seit langem vollzieht
und die eine ganze Menge damit zu tun hat, daß wir in der Zwischenzeit zu hohe Lohnnebenkosten und
eine große Differenz zwischen den Netto- und Bruttolöhnen haben. Diese Entwicklung geht in eine solche Richtung, weil diese Beschäftigungsverhältnisse von den Menschen gewollt werden.
Ich darf Ihnen, Herr Schwanhold, einen Brief vorlesen, den mir eine alleinerziehende Mutter geschrieben hat:
Ich bin alleinerziehende Mutter einer vierjährigen Tochter und hätte ohne die Möglichkeit des 610-DM-Jobs teilweise nicht gewußt, wie ich unseren Lebensunterhalt finanzieren sollte.
Deshalb bin ich auf jeden Fall für den Erhalt dieser Regelung, da gerade alleinerziehende Mütter hier eine Chance haben, Geld zusätzlich zum gesetzlichen Unterhalt zu verdienen, ohne daß sie dadurch in Schwierigkeiten kommen.
Ich sage Ihnen: Wer 610-DM-Jobs so behandelt wie Sie, handelt familienfeindlich und unsozial.
Sechstens. Es ist im Moment groß in Mode gekommen, vor den verhängnisvollen Konsequenzen der Globalisierung und einem entfesselten Kapitalismus zu warnen. Die SPD versucht, sich die Angste nutzbar zu machen, die in Zeiten rapiden industriellen Wandels nur zu verständlich sind.
Die liebsten Prügelknaben der Sozialdemokraten sind immer noch der Unternehmer und der Shareholder Value. Die profitgierigen Unternehmen, die Sie von der Opposition so gern in Klassenkampfmanier geißeln, sind allesamt von den Wünschen ihrer Kunden abhängig, und nur dann, wenn sie diese Wünsche zu einem günstigen Preis erfüllen, können sie im Wettbewerb überleben. Das ist die Realität, aber diese wollen Sie den Menschen nicht mitteilen; denn dann würde die Blockadepolitik von Lafontaine entlarvt werden.
Einzelne Kollegen von der SPD möchte ich von diesem Vorwurf ausdrücklich ausnehmen.
Darf ich einmal nachfragen: Es besteht noch der Wunsch nach zwei Zwischenfragen der Abgeordneten Weiermann und Schönberger. Gestatten Sie diese?
Ich möchte das jetzt zu Ende bringen.
Ich darf zum Schluß zitieren, was der Kollege Jens von der SPD am 17. Juni dieses Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben hat:
Auch das brennende Problem der hohen Arbeitslosigkeit wird nur dann einer Lösung näherge-
Paul K. Friedhoff
bracht, wenn die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft endlich so gestaltet werden,
daß es sich für alle Unternehmen wieder lohnt, in Deutschland zu forschen und zu investieren. Das zeitweilige Schimpfen einiger Politiker über den neu aufkommenden Neoliberalismus ist unangebracht. Es kann sich dabei nur um die Folge eingefahrener Vorurteile oder um das Ergebnis hartnäckiger Fehlinformationen handeln.
Oder, so könnte man hinzufügen, um eine Strategie zum politischen Machtgewinn auf dem Rücken der Arbeitslosen.
Zum Schluß möchte ich noch eine nicht so überraschende Mitteilung machen: Die F.D.P.-Fraktion wird dem Einzelplan 09 zustimmen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Roll Kutzmutz.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Abschluß der Beratungen des Wirtschaftsetats, um den es jetzt hier geht, fehlt mir die Redezeit, um eine ausführliche Danksagung an die Führung, wie Herr Buwitt das betont hat, abzulassen.
Ich will aber zwei erfreuliche Ergebnisse des Verhandlungsmarathons wenigstens erwähnen.
Erstens - damit greife ich das auf, was Frau Kollegin Hermenau vorhin gesagt hat -: Zu Beginn kritisierten wir die Selbstbedienung, mit der Wirtschafts- und Finanzministerium Postenschacher um das Erbe des Postministers betrieben haben. Konkrete Änderungsanträge kamen zunächst nur von den Demokratischen Sozialisten. Nun haben sich die Ministerien tatsächlich mit über einem Drittel weniger Stellen im höheren Dienst zufriedengegeben. Auch bekommt der Präsident der Portokontrolleure und Lizenzvergeber weniger als sein Minister. Ob er weniger verdient, wird sich zeigen. Überhaupt offenbaren erst die nächsten Monate, wie das erklärte Deregulierungsministerium mit seiner Regulierungsbehörde auskommen wird.
Zweitens: Anfang September habe ich hier die im Etat fehlenden 265 Millionen DM Einnahmen aus Strafen des Starkstromkabelkartells angesprochen. Die haben Ihre Haushälter, Herr Minister Rexrodt, inzwischen gefunden, und, oh Wunder, es waren sogar fast 280 Millionen DM. 240 Millionen davon sind gleich zum Stopfen von Löchern im laufenden Etat genommen worden. Schließlich tauchen 24,5 Millionen DM auch in diesem Etat nicht auf. Wir müssen wahrscheinlich gemeinsam weitersuchen. Der Etat bleibt, wie zu Beginn der Beratungen, unseriös. Dabei sind vergessene Einnahmen noch das kleinste Übel.
Denn Wirtschaftspolitik findet mittlerweile nicht mehr im Wirtschafts-, sondern mehr und mehr im Finanzministerium statt. Oder wie soll ich es mir sonst erklären, daß in Herrn Waigels Haus buchstäblich über Nacht nahezu zwei Drittel des BvS-Etats, 800 Millionen DM, gestrichen werden können, und das ohne vernehmbares Aufbegehren von Minister Rexrodt? Das gibt es wenigstens noch hinsichtlich der Tatsache, daß ihm die Zuständigkeit für die Existenzgründerbank des Bundes entzogen werden soll. Ob er sich durchsetzt, darf angesichts seiner dauernden Ohnmacht bezweifelt werden.
Minister Rexrodt dämmert allerdings mittlerweile - dafür ist er gestern vom Bundeskanzler zum Propheten ernannt worden -, daß er es als verantwortlicher Wirtschaftspolitiker der Republik im Winter 1998 mit 5 Millionen Arbeitslosen zu tun haben könnte.
Aber womit geht er in diese in mehrfachem Sinne kalte Zeit? Mit einem Etat, der ihn nicht als Bundeswirtschaftsminister, sondern als Kassenwart der Ruhrkohle AG sowie als Kontrolleur von Telefonlizenzen ausweist. Damit wir uns hier richtig verstehen: Ich habe nichts gegen den Kassenwart; denn ich kenne die Probleme der Kohle und der Kumpel. Aber daß keine weiteren Spielräume vorhanden sind, ist auch der Schwäche des Wirtschaftsministers gegenüber dem Finanzminister zuzuschreiben.
Es bleibt auch bei diesem Etat ein vorprogrammiertes Loch von mittlerweile 230 Millionen DM. Amtlich heißt das „globale Minderausgabe". Es gibt auch ein neueres, offensichtlich schöneres Wort: „Effizienzrendite". Ich nenne das glatt so: von Maastricht-Manie befallen.
Wenn einem Buchhalterlehrling die Bilanz nicht auf den Pfennig aufgeht, bekommt er bei der Prüfung eine Fünf oder eine Sechs, je nachdem, in welchem Bundesland er arbeitet. Und was bekommen die Haushälter der Bundesregierung? Danksagungen von CDU/CSU und F.D.P.
Meine Damen und Herren von der Koalition, ehe Sie mit Ihren Huldigungen fortfahren, erwarte ich noch etwas Arbeitseifer in einem ganz konkreten Fall: Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister haben bekanntlich bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" die Landeswirtschaftsminister regelrecht weichgeredet: deutlich weniger Geld 1998 gegen die Hoffnung auf mehr Mittel in den Jahren 1999 bis 2001. Während dieser an sich schon aberwitzige Kompromiß bei der GA Ost Gesetz werden soll, findet sich in der Gemeinschaftsaufgabe West - konkret in Kapitel 09 02- nach wie vor der Haushaltsvermerk: „Die Verpflichtungsermächtigungen sind gesperrt".
Rolf Kutzmutz
Kollege Uldall, Kollege Friedhoff oder wer auch immer von der Koalition, stellen Sie hier und jetzt den Änderungsantrag, den Vermerk zu streichen, um diese Schlamperei des Ministeriums oder gar einen geplanten Vertrauensbruch zu tilgen! Sonst - das will ich sehr deutlich sagen - werden wir das tun.
Wenn Sie dann, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, aus Prinzip gegen diesen Antrag stimmen, dann behaupten Sie niemals wieder, die PDS sei die Partei der Spaltung. Dann übernehmen Sie die Verantwortung für dieses unverantwortliche Handeln.
Sie sind es auch, die kalkulierbare regionale Wirtschaftsförderung zu Grabe tragen. Die Gemeinschaftsaufgabe schrumpft im Westen auf eine Größe, daß der Verwaltungsaufwand bald größer als die zu vergebenden Zuschüsse sein dürfte. Da gebe ich Herrn Kollegen Hampel völlig recht, was diese Probleme betrifft. Mindestens 150 Millionen DM mehr sind dort nötig. Das meinen nicht nur wir, sondern Landesminister von CDU und CSU, F.D.P. und SPD und sicher auch der hier anwesende Herr Minister Clement.
Im Osten wird zwar nachgelegt. Es fehlen aber noch immer 152 Millionen DM zu jener Summe, die den Ostländern in den letzten drei Haushalten für 1998 gesetzlich verbrieft waren. Diese Investition in die Gemeinschaftsaufgabe West und Ost brächte, legt man die Effizienzstatistik der Bundesregierung zugrunde, rund 10 000 dauerhafte Arbeitsplätze.
Eine weitere Chance: Seit dem jüngsten Subventionsbericht wissen wir, daß sich im Wirtschaftsministerium schon Ende Juli 1997 Anträge auf Zuschüsse für den Einsatz erneuerbarer Energien in Höhe von 480 Millionen DM stapelten. Im Ende 1998 auslaufenden Programm werden aber nur 90 Millionen DM bewilligt sein. Wenn Sie statt der geplanten lächerlichen 18 Millionen DM im neuen Jahr 500 Millionen DM einsetzten, dann wären das nicht nur wirkungsvolle Impulse für den ökologischen Umbau unseres Landes, sondern dann entstünden mindestens 20 000 hochqualifizierte und dauerhafte Arbeitsplätze.
Ich weiß, an dieser Stelle kommt immer der Zwischenruf des fehlenden Geldes. Ich denke, wir sollten uns über eines klar sein: Allein die erwähnten 30 000 Jobs brächten mindestens 300 Millionen DM mehr Steuern im Jahr - und dies wirklich cash, weil als Lohnsteuer -, die niemand - unter tatkräftiger Mithilfe der Steuergesetzgebung der Koalition - an den Staatskassen vorbeischleusen könnte.
Außerdem: Die PDS riet seit September 1995 dauernd zum Verkauf der Bundesrohölreserve. Das war angeblich nicht zu machen. Seit Juni 1997 verkaufen Sie nun. Dann tun Sie es aber bitte schön richtig! Einen besseren Tausch als fossiles Öl gegen erneuerbare Energien und zukunftsfähige Arbeitsplätze kann es überhaupt nicht geben.
Das brächte nächstes Jahr weitere 450 Millionen DM und würde 1999 zugleich Ausgaben für die Öllager in Höhe von 20 Millionen DM ersparen. Daß Sie aber über das Jahr 1998 nicht hinausdenken wollen, das scheint mir erklärbar. Denn 1999 werden Sie offensichtlich nicht mehr an der Macht sein.
Nur am Rande möchte ich noch erwähnen, daß wir nach dem Offenbarungseid der vergangenen Woche natürlich auch beantragen, den Bund aus der Expo-Beteiligung zurückzuziehen. Ein solches absehbares milliardenschweres Desaster ist für seinen Haushalt beim besten Willen nicht mehr verkraftbar.
Bei Ihrer Vorliebe für Prestigeobjekte rechne ich auch in diesem Fall nicht mit Ihrer Zustimmung.
Deshalb ein Vorschlag zur Güte: Anfang der Woche las ich, der Kanzler erwäge, Minister Rexrodt in den Aufsichtsrat der Expo GmbH zu entsenden.
Schicken Sie ihn - das ist mein Vorschlag - gleich hauptamtlich als Kontrolleur dorthin.
Das hätte mindestens drei Vorteile: Erstens. Herr Rexrodt müßte sich hinsichtlich der Größenordnung seiner Entscheidungskompetenzen nicht gewaltig umstellen. Zweitens. Mit ihm und Frau Breuel wären zwei ausgewiesene Experten im Umgang mit Pleite-unternehmen wieder einmal in einem solchen vereint.
Drittens. Ich greife da einen Vorschlag von Herrn Friedhoff und Frau Babel vom Sommer dieses Jahres auf. Dieser könnte endlich über die Bühne gebracht werden, ohne ein großes Koalitionstheater zu veranstalten. Die beiden hatten angeregt, das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium zusammenzulegen. Denn diese künstlich getrennten Politikfelder gehören wirklich vereint, wenn Arbeit für alle nicht auf Ewigkeit eine Illusion bleiben soll.
Es spricht jetzt in der Debatte der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es vergeht kaum eine Sitzungswoche, wo wir uns nicht erbittert über die Grundpositionen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik streiten.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Es ist ja auch verständlich vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit.
Schließlich haben wir noch die Haushaltsdebatte. Da werden Zahlen zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen, die kein Mensch versteht.
Da wird mit Zitaten gearbeitet. Das beste Beispiel, was den Sachverständigenrat angeht, ist Frau Hermenau, die die Botschaft dessen, was dieser sagt, genau in das Gegenteil verkehrt.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen einmal: Die Menschen draußen haben es satt, daß wir uns fortwährend über Grundpositionen streiten und daß wir uns gegenseitig den Willen absprechen, mit der Arbeitslosigkeit fertig zu werden.
Die Menschen wollen konkrete Maßnahmen sehen, wie die Barrieren beseitigt werden können, die neuen Arbeitsplätzen und mehr Beschäftigung entgegenstehen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Arbeitslosigkeit sagen. Bei 4,3 Millionen gibt es gar nichts zu beschönigen.
- Augenblick, nicht so schnell, Frau Fuchs, ich komme gleich darauf.
Da gibt es nichts zu beschönigen. Es ist katastrophal, und dahinter stehen menschliche und persönliche Schicksale.
Aber nun wieder zur Redlichkeit. Natürlich wird es in diesem Winter noch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit - saisonal bedingt - geben. Aber, Frau Hermenau, die Institute und der Sachverständigenrat sowie die Bundesregierung sagen, daß die Arbeitslosigkeit saisonal bereinigt im Verlauf des Jahres 1998 nicht mehr zunehmen wird. Das ist eine Trendwende. Setzen Sie sich einmal damit auseinander, was eine Trendwende ist.
Das heißt nämlich nicht befriedigende Ergebnisse oder befriedigende Verhältnisse. Das heißt einfach, daß wir im Verlauf des Jahres keinen Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit mehr haben werden. Daß wir sie angesichts ihrer Ursachen nur langsam zurückführen können, das ist nun einmal eine Tatsache. Da wird man entweder als Schönredner bezeichnet oder als jemand, der Horrorszenarien beschreibt.
Ich sage Ihnen einmal mit aller Deutlichkeit: Die Prognosen und Aussagen, die der Wirtschaftsminister und das Wirtschaftsministerium zum Wirtschaftswachstum und zur Arbeitslosigkeit gemacht haben, sind grosso modo eingetroffen. Machen Sie sich einmal sachkundig über die Verhältnisse. Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage zunächst des Kollegen Schwanhold und dann der Kollegin Luft?
Eine Zwischenfrage, dann möchte ich zu dem kommen, was ich eigentlich gerne vortragen wollte, nämlich den Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, im Zusammenhang besprochen.
Herr Minister Rexrodt, ist es richtig, daß die Arbeitslosigkeit ein uns alle bedrückendes Problem ist? Würden Sie dann die Freundlichkeit haben, mir zu erklären, warum zwischen der Prognose des Sachverständigenrates für das Jahr 1998 und der Prognose des Wirtschaftsministeriums die Differenz von fast 100 000 Arbeitslosen liegt? Der Sachverständigenrat schätzt für 1998 4,47 Millionen Arbeitslose. Sie sagen, es werden 4,38 Millionen Arbeitslose sein. Würden Sie mir dann noch ausdrücklich erklären, warum Sie abweichende Schätzungen gegenüber dem Sachverständigenrat in den Monaten September, Oktober und Juni haben, während Sie am Anfang und am Ende des Jahres mit den Prognosen des Sachverständigenrates sehr übereinstimmen?
100 000 Arbeitslose mehr oder weniger, das ist eine enorme Zahl, gemessen an dem, was dahintersteht. Es betrifft persönliche Schicksale und geht die Menschen an. Das ist sehr richtig.
Aber bezogen auf das, was statistisch erfaßbar ist, handelt es sich um Dimensionen, die sich in einer Größenordnung bewegen, die man so oder so einschätzen kann, je nachdem, wie man die Datenlage und die Entwicklung wertet.
Das Entscheidende ist - das habe ich ja eben rübergebracht, Herr Schwanhold -, daß der Sachverständigenrat, die Institute und die Bundesregierung unabhängig von ihrer unterschiedlichen Einschätzung der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit davon ausgehen, daß wir im Verlauf des Jahres 1998 einen Rückgang haben werden.
- Das ist so richtig.
Ich hoffe, daß es eintritt. Das ist die Botschaft, und das sind nicht die Horrorszenarien, aber das ist auch nicht Schönrednerei und Leute Verrücktmachen. Wir müssen das durchsetzen, was notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür haben wir ein
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Konzept, und Sie haben kein Konzept. Das ist der Unterschied.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Tatsache, daß sich die Lage in Deutschland zum Besseren hin entwickelt, auch ein Ergebnis der Reformpolitik ist, die zu greifen beginnt. Der Tanker Deutschland ändert langsam seinen Kurs.
Ja, Rentenreform und Steuerreform stocken, und das in einer Zeit - das haben wir heute gerade erfahren -, in der England eine Senkung der Körperschaftsteuer von 31 auf 30 Prozent vornimmt. Aber jeder - das will ich eigentlich versuchen rüberzubringen -, der unvoreingenommen auf unser Land sieht, der wird erkennen: Es gibt nicht nur Grund zum Klagen und zum Lamentieren - das möchte ich herausstellen -, sondern es hat in den letzten Jahren enorm viele Veränderungen zum Positiven gegeben.
Wer das verneint, der übersieht die Reformen,
die Ergebnis politischer Arbeit sind und die sich in der Gesetzgebung niederschlagen, der übersieht, daß viele Unternehmen umgebaut wurden und wieder wettbewerbsfähig sind, der übersieht, daß viele Menschen in diesem Land den Schritt in die Selbständigkeit gewagt haben - wir haben Hunderttausende von Existenzgründern, auch im Saldo, insbesondere in den neuen Ländern; die Selbständigenquote ist von 1981 bis 1996 von gut 6 auf knapp 10 Prozent gestiegen -,
und der übersieht die Bereitschaft der meisten Gewerkschaften in diesem Land, mitzuziehen, wenn es darum geht, die Arbeit neu zu organisieren und die Arbeitswelt neu zu gestalten.
Herr Minister, bleibt es bei Ihrer Aussage, nur eine Zwischenfrage zuzulassen?
Ja, bitte. - Mehr denn je steht der Mittelstand für Wachstum und Beschäftigung, für Qualifikation und Innovation in unserem Land.
Konkrete Initiativen der Bundesregierung zur Privatisierung und zum Abbau der Bürokratie, beispielsweise bei Genehmigungen, sind auf fruchtbaren Boden gefallen.
Hierzu will ich Ihnen Beispiele nennen, die wir nicht übersehen dürfen, wenn wir dieses Land betrachten, über dessen Lage Sie nur klagen und lamentieren.
Der Mobilfunkboom steht beispielhaft für das, was in der Informationstechnologie geschieht.
In der Biotechnologie werden in Deutschland wieder Produktionsstätten gegründet, und es werden Risikokapitalfonds aufgelegt, auch von ausländischen Investoren.
Im Bereich der Dienstleistungen werden neue Ideen umgesetzt. Das gilt für das Handwerk, für die freien Berufe, für den Gesundheitsbereich, für den Handel und für den Tourismus. Wer will denn das negieren?
Alles das hat dazu beigetragen, daß die Konjunktur wieder anzieht und daß die Wachstumspessimisten von Anfang 1997 widerlegt sind. Die deutsche Wirtschaft ist stark und robust.
Leider geht aber vieles noch am Arbeitsmarkt vorbei.
Meine Damen und Herren, ein Land, in dem sich dieses tut, ist kein Land, das sich in Erstarrung befindet, wie immer behauptet wird. Es ist, wie ich meine, ein Land, das dabei ist, sich auf seine Stärken zu besinnen.
Nehmen Sie dazu, ganz beliebig herausgegriffen, einmal nur die letze Woche. Da gab es den Luxemburger Gipfel mit einem Kompromiß, der unsere Handschrift trägt. Zum Abbau der Arbeitslosigkeit werden auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene Initiativen ergriffen. Jeder ergreift die, die er umsetzen kann, die Aussicht auf Erfolg haben und an den Realitäten orientiert sind.
Ich nenne Ihnen Beispiele, die die Frage beantworten, ob sich unser Land in der Erstarrung befindet, wie Sie immer behaupten, oder nicht.
In der letzten Woche haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr intensiv über den Flächentarif gesprochen, leider noch nicht bis zum Ende.
Hier muß ein dickes Brett gebohrt werden.
In der letzen Woche haben der Forschungsminister und der Wirtschaftsminister ein Programm für die Förderung von Innovationen in kleinen und mittleren
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Betrieben vorgelegt. Zugleich hat die Wirtschaft ihre Selbstverpflichtung erneuert, den CO2-Gehalt zu reduzieren.
In der letzten Woche ist bekanntgeworden, daß die Lehrstellenlücke nahezu geschlossen ist und geschlossen werden kann. In Brüssel haben wir uns geeinigt, wie die Euromünzen eingeführt werden.
Morgen wird in zweiter Lesung im Bundestag das Energiewirtschaftsgesetz diskutiert. Das neue Recht bringt den Haushalten und den Unternehmen Strom zu konkurrenzfähigen Preisen.
Meine Damen und Herren, herrscht da Stillstand in unserem Land? Das ist kein Stillstand. In diesen Tagen und heute morgen wurde darüber gesprochen, wie die Handwerksordnung novelliert werden soll. Die KfW hat mir in einem Brief mitgeteilt, daß sie aus Eigenmitteln jeweils 1 Milliarde DM mehr für Infrastruktur und Risikokapital zur Verfügung stellt. Das sind aktuelle Entscheidungen. Die neue Regulierungsbehörde steht organisatorisch und personell und wird ihre Arbeit aufnehmen. Außerdem werden wir die Reform des Kartellgesetzes, des Grundgesetzes der Wirtschaft, voranbringen.
Meine Damen und Herren, wenn ich das hier sage, weiß ich sehr wohl, daß dies nicht das ganze Land beschreibt. Es gibt auch viel Negatives, das uns behindert: beispielsweise die ausstehende Steuerreform und die Probleme im Bildungsbereich, bei denen zwar auch der Bund, aber primär die Länder gefordert sind. Das ist aber auch ein Teil unseres Landes. Auch diesen Teil muß man wahrnehmen. Ich sage noch einmal: Wir sind ein Land, das sich auf seine Stärken zurückbesinnt. Besonders da geht es voran, wo Sie uns keine Knüppel zwischen die Beine werfen.
Bundesregierung und Koalition liegen auf dem richtigen Kurs. Marktwirtschaftliche Reformen, Steuersenkungen, Reform der Sozialversicherung, Privatisierung und Deregulierung sind der richtige Weg zur Arbeitslosigkeit.
- Zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. - Im übrigen
ist das auch die Botschaft des Sachverständigenrates.
Der Sachverständigenrat ist eindeutig und klar angebotsorientiert. Wenn er die Bundesregierung tatsächlich oder in einem größeren Zusammenhang kritisiert, dann kritisiert er, daß wir bestimmte Reformen, die wir für richtig erkannt haben, nicht weit genug vorangebracht haben. Es ist nicht seine Aufgabe, zu sagen, warum es so passiert,
aber jeder weiß, daß es an Ihrer Blockadepolitik liegt. Das ist die Botschaft des Sachverständigenrates und nicht das, was Herr Fischer und Frau Hermenau und andere aus dem Zusammenhang gerissen zitieren.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Einzelplan 09 sagen. Ich danke zunächst einmal den Berichterstattern aus allen Parteien. Der Einzelplan fügt sich in den finanzpolitischen Kurs der Bundesregierung auf Konsolidierung und den wirtschaftspolitischen für Wachstum und Arbeitsplätze ein. Wenn ich hier Ihre Ausführungen zur Förderung im Osten aufgreifen darf, Herr Hampel: Wer bestreitet denn, daß wir die steuerliche Förderung neu geregelt haben und mittelfristig kalkulierbar gemacht haben?
Wer will denn von Ihrer Seite bestreiten, daß es gelingt, die Gemeinschaftsaufgabe Ost auf hohem Niveau weiterzuführen und daß wir einen Kompromiß gefunden haben,
der auch von Ihnen gelobt wurde? Das sind hervorragende Ergebnisse; diese geben den Menschen im Osten Zuversicht. Das soll auch so sein.
Daß die Situation nicht den Horrorszenarien entspricht, die Sie schildern, das beweist die heutige Aussage von Herrn Hax, des Vorsitzenden des Sachverständigenrates, daß die Investitionen überdurchschnittlich hoch sind
und daß die Dinge im verarbeitenden Gewerbe besser, als wir erwartet haben, vorankommen. Die Reformpolitik und die Umstrukturierung beginnen zu greifen - viel zu langsam, aber es gibt zu diesem Weg keine Alternative. Auch das sehen wir an den Ergebnissen.
Einen weiteren wichtigen Bereich betonen wir: Das ist die Mittelstandspolitik und die damit zusammenhängende Förderung von Existenzgründungen. Hierbei geht es um Lehrstellen, Dienstleister und Selbständige im Handwerk. Dabei geht es auch um die Weiterförderung der Betriebsberatung. Daß sich die Betriebsberater noch mehr Mittel wünschen, kann ich nachvollziehen, aber nicht allen können wir gerecht werden. Das ist nun einmal so.
Es geht auch um die Förderung von Maßnahmen im Bereich der Außenwirtschaftspolitik. Wir müssen
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
aber ebenso unsere Hausaufgaben im Innern machen. Das ist Reformpolitik. Es muß eines nach dem anderen getan werden, so wie wir das vorschlagen.
Wir müssen auch Weichenstellungen in die Richtung vornehmen, daß unsere kleinen und mittleren Unternehmen auf die Weltmärkte gehen, wo sie willkommen sind, wo sie leistungsfähig sind. Das machen wir mit einer klaren und eindeutigen Betonung der Außenwirtschaftsförderung. Das machen wir durcl eine Förderung von Auslandsmessen und Auslandshandelskammern. Das machen wir mit dem Instrumentarium der Hermes-Garantien und unserer Handelspolitik. Auf vielen Delegationsreisen öffnen wir die Türen für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere die aus den neuen Bundesländern. Das machen wir mit Erfolg. Ob dieses Erfolges werden wir von unseren Nachbarn beneidet.
Das Land ist in Bewegung. Die Wirtschaft entwikkelt sich gut. Das geht an den Arbeitslosen noch vorbei. Aber je eher die noch ausstehenden Reformen, vor allem bei Steuern und bei den Sozialsystemen, kommen, desto größer sind die Chancen auf mehr Arbeit.
Die Menschen im Land haben im übrigen keine Geduld mehr. Sie sind motiviert und wollen nach vorne gehen, auch auf unkonventionellen Wegen. Wir sind gut beraten, dies mit einer Politik zu begleiten, die den Menschen ausreichend Spielraum läßt und ihnen zur Seite steht, wenn es darauf ankommt. Das ist liberale Wirtschaftspolitik.
Dieses Land ist, gemessen an dem, was wir in der Welt - auch bei vielen unserer Nachbarn - sehen, ein erfolgreiches Land. Das lassen wir uns nicht kaputtreden. Es ist viel zu tun und viel zu verändern. Werfen Sie uns keine Knüppel zwischen die Beine, dann werden wir auch das schaffen!
Diese Politik hat in diesem Land viel bewegt. Deutschland ist ein Land, das die Zukunft meistern will und - davon bin ich überzeugt - mit unserer Politik auch meistern wird.
Schönen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Margareta Wolf.
Herr Minister, ich freue mich, daß Sie Optimismus verbreiten. Aber ich glaube, dieser Optimismus korrespondiert mitnichten mit der Stimmung in der Bevölkerung, weder bei Investoren noch bei den Menschen in diesem Land.
Es hilft uns auch nicht weiter, Herr Minister, wenn Sie nach der gestrigen Debatte und auch nach den
Debatten in den letzten Monaten nach wie vor den Vorwurf der Blockade erheben. Seitens der SPD und seitens unserer Fraktion wurde gestern - wie wir es bereits seit Monaten tun - gesagt, daß wir in Sachen Steuerreform verhandlungsbereit sind. Sie sind doch diejenigen, die eine Nettoentlastung wollen. Sie sind der eigentliche Faktor für die Blockade innerhalb der Koalition. Die Ablenkungsmanöver, die dann bestehen, immer die Opposition in Haftung zu nehmen, glaubt Ihnen auch niemand mehr.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, Herr Minister. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß wir ein starkes Land sind, was die mittelständische Struktur angeht. Aber warum sagen Sie denn nichts zu den neuesten Statistiken? Heute morgen um 8.32 Uhr teilte dpa mit: mehr Pleiten als erwartet - 25 000 Insolvenzen im September, und dies genau im Mittelstand. Die Zahlen sind folgende: Im Westen ist die Zahl der Insolvenzen gegenüber September um 4,6 Prozent, im Osten um 9,5 Prozent gestiegen. Angesichts dessen erwarte ich von einem Minister, daß er nicht nur Optimismus verbreitet, sondern daß er mir und der deutschen Öffentlichkeit einmal erklärt, was es zu tun gilt.
Dann, Herr Minister Rexrodt, haben Sie gesagt, die Euromünzen seien da, und es gebe eine hohe Akzeptanz für den Euro in diesem Land. - Richtig, die gibt es. Aber es gibt auch ein hohes Potential an Verunsicherung in diesem Land, und zwar genau bei den kleinen und mittleren Unternehmen.
Sie sollten uns einmal erklären, warum das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium nicht in der Lage sind, die öffentliche Verwaltung zum 1. Januar 1999 auf Parallelwährung umzustellen, warum wir auch in diesem Punkt wieder Schlußlicht in Europa sind. Die Tatsache, daß wir erst zum 1. Januar 2002 umstellen, zieht nicht nur Wettbewerbsnachteile für die kleinen und mittleren Unternehmen nach sich, sondern sie führt auch nicht zu mehr Akzeptanz des Euro bei den kleinen und mittleren Unternehmen.
Ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen. Der zuletzt genannte Punkt liegt mir ganz besonders am Herzen.
Herr Minister.
Frau Kollegin Wolf, Sie haben mir geradezu Vorlagen gegeben. Zunächst einmal habe ich zu vermitteln versucht, daß in diesem Land viel in Bewegung ist und viel vorangekommen ist, daß es auf der anderen Seite aber noch Barrieren, Hemmnisse und ausstehende Reformen gibt. Ich habe gesagt, wir wären mit der Umstrukturierung noch viel weiter, als wir es ohnehin sind, wenn man uns keine Knüppel zwischen die Beine werfen würde. Das ist doch ein Faktum, das niemand abstreiten kann. Sie können doch nicht verlangen, daß wir Ihre Vorstellungen zu bestimmten
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Reformen übernehmen. Kompromisse haben wir immer angeboten.
Ja, wir wollen die Nettoentlastung - das ist es ja gerade; gut, daß Sie es erwähnt haben - entsprechend den Vorbildern in anderen Ländern: Großbritannien, Holland, die skandinavischen Länder. Nur eine Nettoentlastung bringt auch in Ihrem Sinne, im keynesianischen Sinne, mehr Nachfrage, mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze. Das ist unser Konzept. Ich bedanke mich sehr, daß ich Gelegenheit hatte, das noch einmal zu sagen.
Zu den Insolvenzen: Es gibt viele Insolvenzen, und ihre Zahl nimmt zu. Ich will das nicht bagatellisieren und auch nicht darüber hinweggehen, als sei das nichts, weil ja auch Menschen und Arbeitsplätze dahinterstehen. Aber für mich als Wirtschaftspolitiker ist zunächst wichtig, festzuhalten, daß der Saldo bei den Unternehmensgründungen, also die Differenz zwischen dem, was gegründet wird, und dem, was wieder ausscheidet - Insolvenzen sind dabei ja nur ein kleinerer Teil; der größere Teil sind stille Liquidationen -, ein positiver ist. Jedes Jahr entstehen in Deutschland im Schnitt netto 60 000 zusätzliche selbständige Existenzen. Wir hatten 1981 eine Selbständigenquote von 8,1 Prozent und sind jetzt bei 9,6 Prozent. Das ist, volkswirtschaftlich gesehen, eine enorm befriedigende Entwicklung. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren, auf nichts anderes.
Zum dritten sprachen Sie den Euro an. Ich freue mich, daß wir einer Auffassung darin sind, daß der Euro schnell kommen muß und daß sich die kleinen und mittleren Unternehmen vorbereiten müssen. Wenn Sie mich jetzt fragen, warum wir bedauerlicherweise nicht schon zum 1. Januar 1999 auch bei den öffentlichen Verwaltungen, also im Finanzbereich und bei den Kraftfahrzeugämtern, auf den Euro umstellen können, dann sage ich Ihnen: Der einzige Grund - er ist nachweisbar - ist, daß die Landesfinanzverwaltungen und die Kommunen nicht klarkommen.
Gerade in großen Kommunen, die am meisten klagen, tragen Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren. Ich bedauere das sehr und wünsche mir, daß zur Erhöhung der Akzeptanz des Euro auch der öffentliche Bereich eher einen Wahlmodus zwischen D-Mark und Euro anbieten kann. Die Einführung des Euro erfolgt aber nach dem Prinzip des schwächsten Gliedes, und da sind die Kommunen und die Länder in einer schlechten Verfassung. Mich würde es freuen, wenn es trotzdem gelänge - sprechen Sie einmal mit den Ländern, in denen Sie Mitverantwortung haben -, daß wir es schneller hinbekommen.
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat die Kollegin Luft.
Herr Minister, Sie haben gesagt, die Menschen seien es satt, immer nur von Klagen und ungelösten Problemen zu hören. Ich weiß nicht, mit welchen Menschen Sie sich unterhalten. Wenn ich mit Menschen in den neuen Bundesländern, die zum x-tenmal arbeitslos geworden sind, zusammentreffe, dann höre ich sie nicht nur klagen. Vielmehr überlegen sie immerzu, wie sie sich qualifizieren und wieder in den Arbeitsmarkt hineinkommen können. Ich habe vor diesen Menschen einen unerhörten Respekt.
Zweitens treffe ich auf Menschen in den alten und in den neuen Bundesländern, die es satt haben, daß die Arbeitslosenzahlen speziell von Ihnen immer wieder anders interpretiert werden und daß Sie Gesundbeterei betreiben. Die Menschen wollen nicht mehr neue Interpretationen von Arbeitslosenzahlen, sie wollen endlich Veränderungen.
Zum einen sagen Sie, es seien saisonale Gründe, zum anderen hat es der harte Winter verursacht, und dann wieder ist es die Blockadepolitik der SPD. Es gibt noch eine Fülle anderer Gründe, die Sie benennen.
Sie sagen, Sie haben viel gemacht, um Veränderungen herbeizuführen, aber dies schlage sich leider auf dem Arbeitsmarkt nicht nieder. Ich frage Sie: Woran messen Sie dann den Erfolg Ihrer Politik?
Woran messen Sie den Erfolg Ihrer Politik, wenn die Wirtschaft für die Menschen keine Ergebnisse mehr bringt?
Die Arbeitslosenzahl wird auf fünf Millionen klettern - Sie selbst bestreiten das inzwischen nicht mehr -, aber nur für 4,38 Millionen Arbeitslose ist ein Bundeszuschuß in den Haushalt 1998 eingestellt. Heute hätte ich von Ihnen erwartet, daß Sie noch vor Verabschiedung des Haushalts 1998 eine Aufstockung die- ses Bundeszuschusses beantragen.
Die Pleitewelle rollt; Frau Kollegin Wolf hat eben die Zahlen genannt. Auf diesem Gebiet haben wir einen Höhepunkt in diesem Lande. Sie nennen das Flexibilisierung am Arbeitsmarkt; das sei Marktbereinigung, und das gehöre eben zur Marktwirtschaft. - Was dort an Vermögen vergeudet wird, was dort auch an Hoffnungen kaputtgeht, das bleibt einfach unbenannt.
Im übrigen: Natürlich kommt es zu Neugründungen, aber diese befinden sich doch immer auf viel geringerem Niveau. Wenn heute ein Achtmannbetrieb Pleite macht, dann gründet dieser sich übermorgen mit zwei Mann wieder. Dadurch bekommen wir eine Zersplitterung.
Letzte Bemerkung: Sie haben abermals die Stärkung der Inlandsnachfrage als Weg zur Schaffung
Dr. Christa Luft
von Beschäftigung diffamiert. Ich möchte Sie fragen: Was tun Sie denn nun eigentlich, wenn angesichts der Turbulenzen in Südostasien auch der Export dieses Landes Schaden nimmt? Das ist eine Frage, der Sie sich zuwenden müssen.
Was veranlassen Sie gegenüber dem Bundesbildungsminister, damit er sich stärker macht, um im Haushalt mehr Mittel für die Stärkung von Ausbildung, Bildung, Forschung und Wissenschaft zu bekommen? Das wäre der Weg zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes.
Heute um zwölf werden wir in Bonn erleben, -
Frau Luft, die Redezeit ist beendet.
- was die jungen Leute dazu sagen.
In den neuen Bundesländern haben wir zur Stunde noch ganze 77 Unternehmen mit mehr als 250 Millionen DM Jahresumsatz. Das ist das Korsett, das wir dort für die kleinen und mittleren Unternehmen haben. Das ist also ein sehr löchriges Korsett.
Frau Luft, die Redezeit ist beendet.
Sie persönlich waren leider daran beteiligt, daß die Zergliederung der Unternehmen in den neuen Ländern -
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Schluß jetzt!
- ein solches Ausmaß angenommen hat.
Danke.
Herr Minister.
Frau Kollegin Luft, Sie unterstellen mir, daß ich gesundbete und schönrede. Herr Kollege Hampel hat mir eben eingangs vorgeworfen, daß ich Horrorszenarien schildere. Was ist denn nun?
Ich stelle eine realistische Prognose, und ich sage noch einmal: Wenn Sie sich die Mühe machen und wenn Sie fair genug sind, dann sehen Sie, daß Prognosen und Realität im großen und ganzen übereinstimmen. Das ist ein Faktum, und darauf kann ich mit Recht verweisen.
Sie fragen mich zweitens, woran wir unsere Erfolge messen, wenn nicht am Arbeitsmarkt.
Ich sage Ihnen, daß es am Arbeitsmarkt so ist, wie es ist. Das wurde ausführlich dargestellt. Das ist beklagenswert, aber wir müssen die Ursachen angehen.
Ich habe in meinem gesamten Beitrag darauf hingewiesen, was da passiert ist und was noch zu geschehen hat. Faktum ist, daß unsere Unternehmen - viele Unternehmen, insbesondere die großen - wieder wettbewerbsfähiger, international konkurrenzfähig geworden sind, daß der Abbau der Beschäftigtenzahl dort zum Stillstand gekommen ist und sich der arbeitsmarktbezogene Abbau sogar umkehrt.
Wir haben noch sehr zögerliche Dispositionen im Mittelstand, aber auch da zeichnet sich zumindest im industriellen Bereich eine Besserung ab.
Ich messe unseren Erfolg daran, daß privatisiert worden ist, daß Genehmigungsverfahren beschleunigt worden sind und daß wir bei Forschung und Technologie wieder interessant sind und in vielen Bereichen aufgeschlossen haben. Das sind die Ursachen dafür, das sind die Voraussetzungen dafür, daß wir wieder mehr Beschäftigung haben.
Zum dritten Punkt, zur Aufstockung der Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt. Das ist doch nun auch ausführlich besprochen worden. Der zweite Arbeitsmarkt, die Förderung über bestimmte Maßnahmen wie Fortbildung oder Arbeitsbeschaffungsprogramme kann Härten mildern und Situationen in bestimmten Regionen überbrücken.
Wer aber seine Beschäftigungspolitik darauf konzentriert, den zweiten Arbeitsmarkt zum Ersatz für den ersten zu machen, der betreibt eine total falsche Politik. Der zweite Arbeitsmarkt ist subsidiär. Der erste Arbeitsmarkt muß gefördert werden. Die Voraussetzungen dafür sind zu schaffen, daß auf dem ersten Markt wieder ohne Subventionen eingestellt wird, meine Damen und Herren.
Vierter Bereich: Es ist nicht wahr, daß ich die Inlandsnachfrage diffamiere. Es ist doch abwegig, so etwas zu sagen. Natürlich gehört zu einer florierenden Wirtschaft auch eine starke Inlandsnachfrage. Die Frage ist doch nur, wie wir sie steigern: Steigern wir die Inlandsnachfrage, indem wir unsere Unternehmen übermäßig mit Kosten belasten, weil 100 DM zusätzliche Nachfrage 300 DM Kosten bereiten, oder stärken wir sie durch staatliche Programme? Das ist der falsche Weg!
Herr Minister, die Redezeit ist beendet.
Wir können die Inlandsnachfrage dadurch stärken, daß wir die Differenz zwischen brutto und netto geringer machen.
Der fünfte und letzte Punkt - -
Nein, nein.
- Immer mit der Ruhe. Wir haben bei Kurzinterventionen identische Spielregeln für Abgeordnete und Minister. Es kommt noch eine dritte Kurzintervention. Es ist die letzte bei dieser Zwischendebatte. Herr Minister, Sie können anschließend noch einmal das Wort nehmen, falls Sie es wollen.
Frau Saibold, bitte.
Herr Minister, Sie haben hier die stabile Wirtschaftssituation dargestellt, Sie haben auch den Tourismus als Hoffnungsträger und insbesondere die Mittelstandspolitik angesprochen. Ich möchte darauf hinweisen: Sie nehmen offensichtlich nicht zur Kenntnis, daß wir im touristischen Bereich Einbrüche von fünf bis sechs Prozent haben, daß wir gerade auch in den Kurbereichen in strukturschwachen Gebieten Wegbrüche von über 40 000 Arbeitsplätzen haben, daß das Reisebilanzdefizit immer größer wird. Es beträgt über 50 Milliarden DM. Im Klartext heißt dies, daß der Außenhandelsüberschuß von zirka 100 Milliarden DM zur Hälfte aufgebraucht wird, weil die Touristen das Geld gleich wieder ins Ausland tragen.
Selbst Ihr Ministerium muß zugeben, daß die Nutznießer der bisherigen Politik die Großstrukturen im touristischen Bereich sind, die Hotelketten, die großen Veranstalter. Es gibt von Ihnen keinerlei Vorschläge, wie man das verändern könnte. Offensichtlich ist auch keine Änderung erwünscht. Es gehen Milliardenbeträge in die Förderung des Tourismusbereiches, ohne daß es Bewertungen und Überprüfungen der Zielsetzungen gibt.
Deshalb haben wir zum Beispiel außerordentlich hohe Überkapazitäten. Trotzdem gibt es von Ihrem Haus kein Konzept, keine Vorstellung, wie es weitergeht. Selbst die Wirtschaft fordert mittlerweile ein Konzept, damit sie ungefähr weiß, was die Regierung vorhat. Aber ich glaube, darauf wartet sie sowieso vergeblich.
Dann wurde auch noch in einer ideologischen Anti-EU-Haltung das „Philoxenia"-Programm abgelehnt, was überhaupt nicht mehr verständlich ist.
Ich möchte von Ihnen gern wissen, wie Sie sich in diesem Bereich die zukünftige Politik vorstellen und was beim gestrigen Tourismusministertreffen in Brüssel beschlossen worden ist.
Frau Kollegin Saibold, das überrascht mich nun wirklich. Gerade im Tourismusbereich, wo wir jedes Jahr Steigerungsraten in der Größenordnung von acht bis neun Prozent haben, der ein Wachstum aufweist wie kaum ein anderer Bereich, der mittlerweile sechs Prozent unseres Sozialproduktes erwirtschaftet, wo die Wirtschaft heilfroh ist, daß diese Bundesregierung konzeptionell die Weichen neu gestellt, die Verbände zusammengeführt, die DZT gestärkt hat, eine ganz gezielte Vermarktung Deutschlands als Bäderstandort, als Standort für Gesundheitsdienstleistungen vornimmt, wo wir das DIRG-Abrechnungssystem mit einer Menge Geld fördern, gerade in diesem Bereich, Frau Saibold, mahnen Sie Aktivitäten der Regierung an. In kaum einem anderen Bereich ist so erfolgreich sektorale Politik gemacht worden wie im Tourismusbereich. Aussagen aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen und aus den neuen Bundesländern beweisen das.
Liebe Frau Saibold, Sie haben hier - entschuldigen Sie bitte den Ausdruck - eine Show veranstaltet. Das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen haben, ist richtig.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß ich dieser Debatte beiwohnen kann und daß ich Ihre Antworten, Herr Kollege Rexrodt, habe hören können. Im Rahmen Ihrer Kurzintervention - Kurzinterventionen halte ich für ein interessantes Instrument der Debattenführung - haben Sie gesagt, die Umstellung auf den Euro scheitere daran, daß bei den Ländern nicht genügend Bewegung vorhanden sei. Die Tonlage scheint also zu sein, zu behaupten, daß die Länder die Verantwortung tragen.
- Sicher haben Sie das sinngemäß gesagt. Ich habe die ganze Zeit dabeigesessen und zugehört. Ich sitze doch nicht hier, um mir die Ohren zuzuhalten!
Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Rexrodt, sagen - damit wir uns klar verstehen -: Die Länder, speziell die Finanzverwaltungen der Länder, sind dabei, alles zu tun, um zum 1. Januar 1999 die Umstellung auf den Euro hinzubekommen.
Das sage ich Ihnen, damit Sie keinen Grund haben, über die Länder Krokodilstränen zu vergießen, und damit Sie wissen, was dort passiert.
Ich habe mit großem Interesse gehört, wie Sie über die Entwicklung bei den Existenzgründungen gesprochen haben. Heute morgen habe ich die Insolvenzzahlen noch nicht gehört. Aber ich habe die Zahlen in bezug auf die Existenzgründungen in Deutschland für das Jahr 1996 im Kopf. Diese Zahlen möchte ich Ihnen für die westliche Bundesrepublik
Minister Wolfgang Clement
sagen: Der Saldo ist zur Zeit negativ, außer in einem einzigen Land in Westdeutschland. Das ist Nordrhein-Westfalen.
Herr Kollege Rexrodt, schauen Sie sich für 1996 die Zahlen der Existenzgründungen im Verhältnis zu den Insolvenzen für die klassischen Länder des Mittelstandes Bayern, Baden-Württemberg und Hessen an. In diesen Ländern ist der Saldo negativ. Es gibt nur ein Land, in dem er positiv ist. Das ist Nordrhein-Westfalen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja sicher, mit Vergnügen.
Herr Minister Clement, Sie stellen sich in der Öffentlichkeit sehr medienwirksam als wirtschaftsfreundlicher Politiker dar. Sie sagen heute, daß Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland mit Zuwachs bei der Selbständigenquote sei. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß Wirklichkeit und Anspruch bezüglich Ihrer Politik in Nordrhein-Westfalen sehr weit auseinanderklaffen? Hat nicht gerade Nordrhein-Westfalen in der Wirtschaftspolitik besondere Lücken? Schauen Sie sich einmal die Lücke im Bereich der Selbständigen an. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die einzigen Bundesländer, die vermehrt etwas für die Selbständigen tun, Baden-Württemberg und Bayern sind?
Ich kann Ihnen die Originalzahlen nennen: Nordrhein-Westfalen hat 28 Prozent bzw. 44 Prozent weniger Selbständige als Bayern und Baden-Württemberg. Das sind die wahren Zahlen, die Sie hier verschweigen. Sollten Sie diese Zahlen nicht richtigstellen? Ihr Land hat nicht den größten Zuwachs, sondern die größten Lücken in der Wirtschaftspolitik.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, mit solchen Daten und Äußerungen muß man vorsichtig umgehen. Man muß sich einmal die Situation in Nordrhein-Westfalen anschauen. Es gibt keine Rede, in der ich nicht darstelle, daß Nordrhein-Westfalen bezüglich der Selbständigenquote aufholen muß.
- Hören Sie doch einmal zu! Stellen Sie doch nicht immer die Ohren auf Durchzug, und denken Sie nicht immer nur an sich!
Nordrhein-Westfalen hat im Vergleich zu Bayern, Baden-Württemberg und Hessen 80 000 Unternehmen zuwenig. Deshalb bin ich stolz darauf, daß wir jetzt aufholen. Daß wir zuwenig Unternehmen haben, hat mit der Geschichte einer Industrie zu tun, von der Sie über viele Jahrzehnte hinweg gelebt haben.
Die heutige Situation hat mit der Großindustrie, über die Sie hier nur lamentieren, mit dem Bergbau und der Stahlindustrie zu tun. Diese Industrie hat natürlich die Wirtschaft dieses Landes über Jahrzehnte bestimmt. Wie sollte denn da der Mittelstand entstehen? Jetzt entsteht er mit hohem Tempo. Wir werden diesen Aufholprozeß sportlich betreiben und damit Erfolg haben. Beruhigen Sie sich!
Ich möchte klar sagen: Wir befinden uns in einem wunderbaren Wettbewerb, was positiv ist. Ich lege nur Wert darauf, daß die Daten bekannt sind. Ich lege ferner Wert darauf - darauf werde ich gleich noch kommen -, festzustellen, daß in Bonn keine überzeugende, in sich geschlossene Mittelstandspolitik gemacht wird.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Tourismus machen, Herr Kollege Rexrodt. Ich bin überrascht, daß Sie die Situation so positiv darstellen. Das Wachstum in der Tourismusbranche explodiert in der ganzen Welt. Aber die Daten für die Bundesrepublik sind nun wirklich nicht so, daß wir uns deshalb vor Begeisterung auf die Schenkel schlagen müßten. Es gibt keinen Grund dazu, das zu tun.
Die internationale Vermarktung des deutschen Tourismus ist alles andere als beispielhaft. Wir stecken in den ersten Anfängen, zu überlegen, wie wir - Sie und wir - dort besser werden können. Aber von Ihrer Darstellung, wir Deutschen seien die besten Verkäufer der Welt, sind wir nun wirklich weit entfernt.
Herr Kollege, damit Sie klar sehen, daß ich über Fakten in Nordrhein-Westfalen rede, will ich unsere Situation deutlich machen. Ungeachtet der Probleme, mit denen wir es in Nordrhein-Westfalen zu tun haben, tragen wir zu gut einem Fünftel zur gesamtwirtschaftlichen Leistung der gesamten Bundesrepublik bei, mehr als jedes andere Land.
Minister Wolfgang Clement
Aber bei uns ist es wie in allen anderen Ländern der Bundesrepublik auch: Die Arbeitslosigkeit, die wir haben, droht alle wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu ersticken. Ich glaube, es ist ganz gut, sich einmal eine Zahl vor Augen zu führen: Zur Zeit sind in Nordrhein-Westfalen 822 000 Menschen ohne Arbeit. In Nordrhein-Westfalen sind von den unter 25jährigen 100 000 junge Leute arbeitslos. Das sind über 13 Prozent, mehr als in den anderen Jahrgängen. Dies gilt nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern dies gilt überall. Deshalb will ich Ihnen deutlich sagen, daß ich wie viele andere Menschen in Deutschland zutiefst bestürzt bin über das, was ich als wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Stillstand der Politik der Bundesregierung bezeichne.
Herr Kollege Rexrodt, Herr Kollege Friedhoff, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Jeder Tag dieses Stillstandes oder - um es noch konkreter zu sagen - jeder Tag des Verzichts auf eine mögliche Senkung der Lohnnebenkosten kostet Arbeitsplätze. Sie blockieren die Senkung der Lohnnebenkosten.
Herr Kollege Rexrodt, Sie haben recht damit, daß dieses Land nicht in Erstarrung ist. Dieses Land hat auch durchaus positive Entwicklungen. Dieses Land hat aber auch gewaltige Probleme. Eines ist für mich klar und wird mir in diesen Diskussionen, in denen es um die Bekämpfung des Hauptübels, der Arbeitslosigkeit, geht, noch klarer: Dieses Land wird unter seinen Möglichkeiten, wird unter Niveau regiert. Das ist das Problem.
Sie werden wie jede Regierung daran gemesssen: Regieren heißt, auch unter schwierigen politischen Umständen zu gestalten und Probleme zu lösen. Davon sind Sie weit entfernt.
Es ist erstaunlich, wie Sie, Herr Friedhoff, immer wieder die gleichen Argumente herunterbeten, immer wieder die gleichen Angebote machen, von denen Sie angesichts der Daten vom Arbeitsmarkt wissen müßten, daß sie nicht ausreichen. Das müßten Sie doch wenigstens gelernt haben.
Statt dessen bieten Sie Ihre Koalitionsdiskussionen. Es ist fein, zuzusehen und zuzuhören - ich komme gleich noch auf einen besonderen Aspekt -, wie sich die Diskussionen zwischen CDU/CSU und F.D.P. im Kreise drehen. Das ist das Kernproblem unseres Landes.
Ich habe jetzt einige Male gehört, daß Sie wieder, Herr Kollege Friedhoff, die große Steuerreform fordern. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Schauen Sie sich einmal die Haushalte des Landes Nordrhein-Westfalen, von Bayern und anderen Ländern an. Sie haben den Bundeshaushalt ruiniert, und jetzt sind Sie dabei, die Länderhaushalte zu ruinieren. Sie sind nicht in der Lage, mit dieser großen Steuerreform bzw. mit dem, was Sie als große Steuerreform bezeichnen, den finanzpolitischen Problemen gerecht zu werden.
Gestern ist - deshalb wundere ich mich, daß Sie hier mit der großen Steuerreform antreten; ich habe den Eindruck, Sie haben nicht zugehört oder wollen nicht zuhören - von Herrn Lafontaine und Herrn Scharping für alle Sozialdemokraten dargelegt worden: Wir sind zu konkreten Gesprächen über die Steuer- und die Sozialpolitik, über die Senkung der Rentenbeiträge - fragen Sie doch Herrn Blüm, ob er dies will oder nicht - und über erste Schritte in der Steuerreform bereit, die selbstverständlich zuallererst den Beziehern unterer Einkommen zugute kommen müssen.
Wir sind zu Gesprächen übel Maßnahmen gegen die ausufernde Entwicklung bei en 610-Mark-Jobs bereit. Ich bin gespannt, wie Sie darauf reagieren, ob es wieder die gleiche Situation gibt, die Sie schon mehrfach herbeigeführt haben.
Wir sind - so haben Herr Lafontaine und Herr Scharping es gestern dargestellt - zu vertraulichen Gesprächen bereit. Nun reden Sie endlich, kann ich Ihnen nur sagen, statt die Schuld immer nur bei anderen zu suchen. Die Verantwortung für dieses Land tragen zur Zeit noch Sie.
Wir können gern über die Steuerreform diskutieren und auch darüber, was Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Gewerkschaften zumuten. Wie wollen Sie denn erreichen, daß die Gewerkschaften moderate Tarifabschlüsse vorlegen,
wenn Sie nicht in der Lage sind, die Abgaben, die Lohnnebenkosten zu senken?
Warum gehen Sie nicht endlich darauf ein? Wie wollen Sie sich in dieser Situation verhalten? Wie wollen Sie erreichen, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diesen Kurs überhaupt durchhalten können?
Minister Wolfgang Clement
Das Kernproblem ist mir - ich sage es noch einmal - in dieser Debatte deutlich geworden: Das ist, daß die Mitglieder dieser Koalition ganz offensichtlich nicht mehr die Kraft haben, sich untereinander sachorientiert zu einigen. Das ist Ihr Problem.
Bevor Sie sich aufregen, Herr Kollege Friedhoff, möchte ich Ihnen sagen: Es ist immer ganz gut, sich auf die eigene Wahrnehmung zu stützen. Deshalb möchte ich dieses Kernproblem an einem konkreten Fall verdeutlichen, nämlich an den Beratungen zum Postgesetz, Herr Kollege Friedhoff. Das ist ein ganz kleines, aber ein ganz interessantes Beispiel.
- Auch über Garzweiler können wir gerne reden, Herr Kollege Ost, wenn Sie wollen. Mit dem größten Vergnügen! Mein tägliches Garzweiler habe ich. Darüber können wir gerne reden, damit Sie Ihren Kollegen endlich beibringen - Sie kennen das ja -, worum es geht, wenn wir über Kohle reden.
Jetzt rede ich über das Postgesetz. Herr Kollege Friedhoff, Herr Kollege Rexrodt, beim Postgesetz können wir, wollen wir und sollten wir meines Erachtens gemeinsam verhindern, daß auch noch die gelbe Post zu einer 610-Mark-Job-Veranstaltung wird.
Ganz klar: Das ist ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Feld, über das Sie geredet haben. Hier geht es ausschließlich um die gelbe Post. Wir können durch gesetzgeberisches Handeln, durch schlichten gesetzgeberischen Akt verhindern, daß auch noch dieser Bereich komplett den 610-Mark-Jobs ausgeliefert wird. Das ist - um es mit Ihrer liberalen Philosophie zu sagen - auch im Wettbewerb möglich. Das gilt dann für alle Wettbewerber.
Ich darf darauf hinweisen, daß genau das bei UPS in den USA - ich war zu dieser Zeit zufällig dort - im umgekehrten Sinne bewirkt worden ist.
Die Gewerkschaften haben dafür gesorgt, daß ein paar der ungesicherten befristeten Jobs bei UPS abgeschafft worden sind. Das können wir hier im Vorwege über das Postgesetz erreichen. Es ist in Wahrheit kein Problem. Es ist ein schlichter gesetzgeberischer Akt.
Was erleben wir? Wir wollen das.
Wenn ich es richtig sehe: Herr Blüm will das. Wenn ich es richtig sehe: Herr Bötsch will das. Wenn ich den Kanzler richtig verstehe: Der Kanzler will es. Dann sitzt Ihr Repräsentant da
und sagt: Njet. - Das ist Blockadepolitik.
Prompt findet nichts statt.
Es geht nicht darum - damit wir uns hier klar verstehen, damit Sie zumindest meine Position klar verstehen -, die 610-Mark-Jobs generell abzuschaffen. Sie sind nicht generell abzuschaffen. Darüber brauchen Sie mit mir gar nicht zu diskutieren.
Wir sind für differenzierte Lösungen. Ich denke, auch Liberale sind für differenzierte Lösungen. Aber eines ist klar: Da, wo man verhindern kann, daß diese Jobs in Massen eingeführt werden, da müssen wir es auch verhindern.
Ich erwarte von Ihnen, Herr Kollege Rexrodt - Sie sind in Zukunft dafür zuständig -, daß Sie hier mitmachen: Wir müssen verhindern, daß es bei der gelben Post noch mehr 610-Mark-Jobs gibt, da, wo es wirklich nicht notwendig ist.
Herr Minister Clement, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schauerte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gerne, ja.
Bitte, Herr Schauerte.
Herr Minister, ich finde es ja in Ordnung, daß Sie sagen, wir müßten an der Stelle sehr, sehr aufpassen. Auch halte ich es für richtig, wenn Sie sagen, wir sollten nicht immer auf andere zeigen, sondern bei uns selber nachsehen.
In dem Zusammenhang frage ich, warum Sie sich als staatlicher Arbeitgeber nicht schon einmal überlegt haben, beim Land Nordrhein-Westfalen - da, wo Sie es ohne jede gesetzliche Veränderung könnten - die Zahl der 610-Mark-Jobs zu reduzieren oder diese Jobs gar abzuschaffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihnen die Frage jetzt nicht beantworten, Herr Kollege Schauerte, wie viele 610-Mark-
Hartmut Schauerte
Jobs es beim Land Nordrhein-Westfalen gibt. Die Zahl ist sicherlich minimal.
- Regen Sie sich nicht so auf! Ich will hier jetzt keine falsche Auskunft geben, aber prinzipiell gibt es in der Landesverwaltung von Nordrhein-Westfalen natürlich keine 610-Mark-Jobs. Sie mögen irgendwo irgendein Unternehmen finden, das im Auftrag des Landes tätig ist und in dem es solche Jobs gibt. Ansonsten glaube ich dies nicht. Also lassen Sie diesen Soupçon bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Rexrodt, ich habe sehr aufmerksam zugehört, als Sie über die Situation auf dem Arbeitsmarkt gesprochen haben. Sie sprechen ja seit Monaten von der Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Vor wenigen Tagen haben Sie nun gesagt, daß Sie einen Anstieg der Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 5 Millionen im kommenden Winter leider nicht ausschließen können. Das ist die Realität. Jetzt haben Sie versucht, das zu erläutern, indem Sie die Hoffnung wekken, im nächsten Jahr werde es dann aber keinen weiteren Anstieg geben. Das nennen Sie „Trendwende" - und das sollen Menschen glauben!
Das ist nacktes angebotsorientiertes Denken, mit dem man auf jegliche Gestaltung von Politik verzichtet.
Damit mutet man den Menschen zu, zu glauben, die Arbeitslosigkeit werde sich gewissermaßen von selbst zurückentwickeln. Das ist Ihre Vorstellung. Das ist der Verzicht auf aktive Gestaltung dessen, was notwendig ist - welch ein Eingeständnis.
Nach diversen 10-, 20-, 50-Punkte-Aktionsprogrammen, die Sie vorgelegt haben, Herr Kollege Rexrodt - nichts davon hat gewirkt -, stehen Sie jetzt vor der 5-Millionen-Grenze. Das ist die Realität, und das betrachte ich - nach all den Ankündigungen, welche Auswirkungen Ihre Programme auf den Arbeitsmarkt haben würden - als die heutige Bankrotterklärung dieser Bundesregierung schlechthin.
Für mich ist Ihre Reaktion auf solche Situationen bezeichnend. Da protestieren die Studentinnen und Studenten, und Sie sagen: Na ja, das liegt in der Verantwortung der Länder. - Das Phlegma, das Sie an den Tag legen, kennzeichnet die Orientierungslosigkeit, die hier zum Markenzeichen zu werden scheint.
- Mehr als Sie, Herr Kollege Ost. Die Steigerung der Ausgaben für die Wissenschaft geht bei uns unverändert weiter, ungeachtet aller gewaltigen Haushaltsprobleme - ein Minus von 2 Milliarden DM -, die wir Ihnen zu verdanken haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hinsken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Herr Minister, Sie haben eben darauf verwiesen, daß nichts von dem 50Punkte-Programm der Bundesregierung gewirkt habe. Sie sprechen heute als Mitglied des Bundesrates vor dem Plenum des Deutschen Bundestages. Sie sind Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir bekannt.
Mich würde deshalb interessieren,
worauf Sie es zurückführen, daß 1995 zum Beispiel die ausländischen Direktinvestitionen pro Einwohner in Bayern dreimal so hoch waren wie in Ihrem Land.
Haben Sie vielleicht nicht die richtige Wirtschaftspolitik gemacht?
Worauf, meinen Sie, ist das zurückzuführen? Könnten Sie sich hier nicht ein Beispiel nehmen an dem bayerischen Wirtschaftsminister Wiesheu, der gestern sogar mit der Böckler-Medaille ausgezeichnet wurde, weil auch seitens des Gewerkschaftsbundes erkannt wurde, daß, wenn vernünftige Wirtschaftspolitik in einem Land gemacht wird, dort auch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, Sie werden überrascht sein: Ich schätze den Kollegen Wiesheu sehr. Ich habe am letzten Samstag an einem Empfang für Roland Berger in Bayern teilgenommen, bei dem eine ganze Menge Menschen waren. Dort habe ich mit einigem
Minister Wolfgang Clement
Vergnügen gehört, daß der bayerische Ministerpräsident Stoiber erklärt hat, die Nordrhein-Westfalen - die dort durch mich repräsentiert waren - seien eigentlich gar nicht so schlecht.
Nachher hat er mich beiseite genommen und zu mir gesagt: Verdammt noch mal, Sie holen bei uns die ganzen Medienunternehmen weg.
Kollege Hinsken, beantworten Sie mir doch jetzt einmal die Frage, warum die Medienunternehmen aus dem In- und Ausland alle nach Nordrhein-Westfalen kommen.
Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze wir im Bereich Medien und Kommunikation in Nordrhein-Westfalen inzwischen haben? Nehmen Sie das mit nach Bayern - sagen Sie einen schönen Gruß -: 197 000!
Das ist das Dreifache, Vierfache dessen, was wir an Arbeitsplätzen im Bergbau haben. Nur Sie werden nicht müde, die Kohle in Ihrem Kopf zu behalten.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hinsken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber mit Vergnügen, ja sicher.
Herr Minister Clement, ich möchte Sie schlicht und einfach bitten, meine Ihnen gestellte Frage zu beantworten
und ihr nicht dadurch auszuweichen, indem Sie etwas anderes in den Vordergrund stellen. Vielleicht fühlen sich die Medien bei Ihnen in Nordrhein-Westfalen wohler als bei uns,
aber wir werden das schon so in die Reihe bringen, daß ein Abwandern, wie Sie es wünschen, nicht in dem Maß stattfindet, wie es gegebenenfalls sein könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Hinsken, ich habe kein Problem damit - das habe ich ja deutlich zu machen versucht -, anzuerkennen, daß Bayern eine sehr gute Standortpolitik macht, klarzustellen, daß wir in einem wunderbaren Wettbewerb zueinander stehen, und Bayern zu den Investitionen zu beglückwünschen.
Auch wir versuchen, Investitionen in unser Land zu
holen - und das bei schwierigsten Rahmenbedingungen, die wir der Bundesregierung zu verdanken haben.
- Ja, die Kohlesubventionen. Das habe ich schon fünfmal gehört. Sie hätten einmal bei Herrn Strauß nachlesen müssen; das müssen Sie wirklich tun. Es gibt einen Satz, den er unserer ganzen Generation „eingebimst" hat - diesen Satz verdanke ich wirklich ihm -, er lautet - ich zitiere ihn jetzt aus der Erinnerung -: Pacta sunt servanda. Sie haben mit uns Verträge geschlossen; nun halten Sie sich daran. Jammern Sie nicht täglich einmal über die Verträge, die Sie in bezug auf die Kohle abgeschlossen haben. Das ist doch lachhaft.
Wir schließen Verträge ab; die waren schlecht genug, oder, vorsichtiger gesagt: das war schwierig genug. Dann jammern Sie doch nicht ständig über diese Verträge!
Im übrigen lade ich Sie ein: Gehen Sie mit mir einmal in die Stadt Herten. Der Kollege Blüm kennt das. Gehen Sie mit mir einmal in die Stadt Bergkamen, und schauen Sie sich einmal an, wie das in einer Stadt mit über 20 Prozent Arbeitslosigkeit aussieht. Dann sagen Sie den Leuten: Wir streichen die Kohlesubventionen. Haben Sie den Mut dazu! Gehen Sie mit mir dorthin und hören sich das an. Das ist die reale Lage; das ist die Lage, die wir sehen müssen, wenn wir über Arbeitslosigkeit sprechen.
Sie können hier nicht einfach sagen: Wir bauen das mit einem Federstrich ab. In Nordrhein-Westfalen werden wir - wir alle kennen die Zahlen - die Arbeitsplätze im Bergbau von 84 000 auf 36 000 zurückfahren. Das ist die reale Situation in mittleren Städten mit 20 oder 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Beschäftigen Sie sich einmal damit, und kämpfen Sie dafür, damit fertig zu werden. Dann sagen wir den Leuten: Hier gründen wir jetzt Schritt für Schritt neue Unternehmen mit durchschnittlich 3,4 Arbeitsplätzen pro Unternehmen. Das ist der Job, den wir zur Zeit machen müssen. Wir machen ihn ja mit Vergnügen. Nur, man muß sich wenigstens auf ein paar Grundlagen verständigen können, an denen man sich orientieren kann. Das war unter anderem die Kohlefinanzierung. Ich gehe davon aus - das können wir hier jedes Jahr diskutieren -: Das gilt, wie es der Bundeskanzler unterschrieben hat, bis zum Jahr 2005.
Sie wollen ja immer wissen, was bei einer anderen Regierung hier in Bonn anders werden wird. Ich will
Minister Wolfgang Clement
Ihnen nur in ganz wenigen Stichworten sagen, was es da geben wird. Es wird eine klare Priorität für Qualifikation, Bildung und Weiterbildung und für Forschung und Entwicklung geben.
Es wird, anders als heute, eine Verständigung zwischen Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Verwaltung und Politik über die Felder der neuen Technologien geben, bei denen wir auf dem Weltmarkt überhaupt noch gewinnen können. Dazu werden wir Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft an einen Tisch bringen.
Es wird, Herr Kollege Rexrodt, eine schlüssige Mittelstandspolitik mit einer Gründungsoffensive in der ganzen Bundesrepublik geben. Es wird auch eine Förderung von - darauf warten wir, Herr Kollege Rexrodt, jetzt seit langer Zeit - Wagniskapital
etwa durch Gewährung einer steuerlich abzugsfähigen Prämie geben.
Es muß Schluß damit sein, daß in Deutschland immer noch die Abschreibung von totem Kapital - inzwischen ist es wirklich totes Kapital - bessergestellt wird als eine Investition in innovative Unternehmen. Damit muß Schluß sein.
Das ist es, was wir leisten müssen; darauf haben wir lange gewartet. Das brauchen wir für unsere Gründungsoffensive.
Es wird eine Außenwirtschaftspolitik geben - ich will in dieser Beziehung wirklich fair sein, Herr Kollege Rexrodt; wir reden darüber; wir koordinieren das -, deren erste Aufgabe darin besteht, nicht mehr länger hinzunehmen, daß der gute Ruf des Standorts Deutschland international zerredet wird. Dadurch ist mehr Schaden angerichtet worden als durch manches andere.
Es wird eine Europapolitik geben, die sich nicht in der Euro-Diskussion erschöpft, die sich auch nicht darin erschöpft - wie das Herr Ministerpräsident Stoiber und Sie mit ihm betreiben -, zu sagen: „3,0; 3,1" und täglich einmal „Unser Euro! " herunterzubeten. Vielmehr wird es eine Politik geben, die das Ziel einer politischen Einbettung der Europäischen Währungsunion verfolgt und die verhindert, daß sich die europäischen Staaten - ich, der ich aus einem Nachbarland der Niederlande komme, weiß, wovon ich rede - steuerrechtlich, sozial oder ökologisch kaputtkonkurrieren.
Das ist eines der Kernversäumnisse der Europapolitik der Bundesregierung.
Wenn Sie, Herr Kollege Rexrodt, vorhin gesagt haben, auf dem Beschäftigungsgipfel habe die Bundesregierung prägend gewirkt, kann ich nur entgegnen: Sie mußten ja beinahe zu diesem Beschäftigungsgipfel getragen werden.
Ich bin froh, daß auf diesem Gipfel ein paar konkrete Leitlinien formuliert wurden, an denen Sie in Zukunft - jedenfalls in den noch vor Ihnen liegenden Monaten - gemessen werden können.
Das ist es, was die Bürger von uns erwarten können, meine Damen und Herren: einen entschlossenen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Nichts ist wichtiger, als alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, an einen Tisch zu bringen zu einer konzertierten Aktion für Wachstum, Beschäftigung und Innovation.
Es ist oft über die Niederlande gesprochen worden, ein kleines Land, ein gut organisiertes Land, ein im internationalen Wettbewerb glänzend dastehendes Land. Herr Kollege Friedhoff, ich empfehle Ihnen, sich in den Niederlanden anzusehen, wie man vernünftige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gestaltet und vor allen Dingen ein Klima gesellschaftlichen Aufbruchs schafft.
Dazu muß man die Gruppen nicht auseinandertreiben, sondern zusammenbringen. Das ist die Grundlage einer solchen Verständigung.
Wir in Deutschland müssen weg vom Monopoly-Denken, das diese Regierung gefördert hat - das ist das, was ich Ihnen im Kern anlaste -, wonach der eine immer gewinnt, was der andere verliert.
Die letzten Jahre haben schmerzlich gezeigt, daß bei diesem alten Denken letztlich wir alle verlieren: Wir verlieren Investoren, Arbeitsplätze und Einkommen. Damit muß Schluß sein.
Ich danke Ihnen.
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Abgeordneten Hartmut Schauerte das Wort.
Herr Minister Clement, eine Rede, die den anderen sagen will, was sie falsch machen, und die behauptet, daß man selber alles richtig macht, sollte man am besten an der Wirklichkeit überprüfen,
und zwar am besten an der Wirklichkeit in dem Bereich, in dem Sie nun seit vielen Jahren - Ihre Partei seit 30 Jahren - die entscheidende politische Verantwortung tragen. Ich will nur ganz wenige Punkte erwähnen.
Sie haben unter anderem vorgetragen, daß Wissenschaft und Innovation so wichtig seien. Stellen wir doch einmal einen Ländervergleich an. Bezogen auf die Einwohnerzahl gibt Nordrhein-Westfalen im Bereich Wissenschaft und Forschung pro Kopf 354 DM aus, Baden-Württemberg 455 DM und Bayern 445 DM. Weniger als Nordrhein-Westfalen geben nur die „erfolgreichen" Länder Rheinland-Pfalz und Brandenburg aus - eine miserable Bilanz für Wissenschaft und Forschung.
Bezüglich der Ausbildungsplätze, bezogen auf 100 000 Einwohner, wurden in Bayern 808 Plätze gemeldet, in Nordrhein-Westfalen 672. Sie haben eine deutlich negative Bilanz.
Ich könnte eine Vielzahl anderer Beispiele nennen. Beim Export liegen wir pro Kopf weit abgeschlagen hinter Bayern, Baden-Württemberg und vielen anderen Ländern. Sie aber gehen raus in die Welt und sagen: Nordrhein-Westfalen ist Spitze.
Das machen Sie mit dem ganz einfachen, unglaublichen Trick, nur die Gesamtzahl zu nennen. Natürlich müssen 18 Millionen fleißige Nordrhein-Westfalen mehr exportieren als 10 Millionen fleißige Baden-Württemberger. Sie müssen die Zahlen auf die Einwohnerzahl umrechnen, und dann kommen Sie zu vernichtenden Ergebnissen.
Ich nenne eine andere Zahl. Vor zehn Jahren hatte Bayern beim Bruttosozialprodukt einen Vorsprung in Höhe von 500 DM pro Kopf. Heute beträgt das Verhältnis zu Nordrhein-Westfalen in etwa 49 000 DM zu 44 000 DM; das ist ein Vorteil von 5000 DM. Kaufkraft, Geld, Innovationen, Beschäftigungsmöglichkeiten pro Bürger im Land, all das fehlt nach 30 Jahren sogenannter erfolgreicher Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen.
Aber ich habe mich eigentlich nur deswegen gemeldet, weil Sie mit dem Kollegen Michelbach in einer Weise umgegangen sind, die ich für schlimm gehalten habe.
Die Zahlen, die der Kollege Michelbach genannt hat, waren richtig, und Ihre Aussage ist absolut falsch. Sie haben vor dem Plenum erklärt, NordrheinWestfalen habe eine gute Bilanz der Selbständigenentwicklung. Sie bezogen das nicht auf die Vergangenheit; die Zahlen kann ich Ihnen aber auch nennen: Wir haben einen Selbständigenanteil an der Bevölkerung von 3,3 Prozent -
Herr Schauerte, die Redezeit Ihrer Kurzintervention ist abgelaufen.
- ich komme sofort zum Schluß, Herr Präsident -, die Baden-Württemberger haben 4,2 Prozent, und die Bayern haben 4,7 Prozent. Das sind schon Unterschiede.
Ich komme jetzt zu der Zahl, die Sie genannt haben. Sie haben gesagt, Nordrhein-Westfalen habe die einzig positive Bilanz.
Herr Kollege Schauerte, Sie müssen zum Schluß kommen. Es tut mir leid.
Sofort.
Nein, nicht sofort, sondern jetzt.
In Nordrhein-Westfalen gibt es 10 000, in Bayern 42 000 plus und in Baden-Württemberg 16 000 plus. Nordrhein-Westfalen hat auch hier eine schlechte Entwicklung.
Herr Minister Clement, Sie haben die Möglichkeit, nach der Geschäftsordnung drei Minuten und nach der Verfassung unbegrenzt zu reden, aber das hat dann Folgen.
Bitte, Sie haben das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin für diese Möglichkeit sehr dankbar. Ich habe meines Erachtens keinen Satz zu Lasten Bayerns gesagt. Bayern ist objektiv selbstverständlich in einer besseren Lage als Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es eine ganz andere wirtschaftsstrukturelle Entwicklung. In einzelnen bayerischen Regionen ist das natürlich sehr unterschiedlich.
Minister Wolfgang Clement
Machen Sie sich die Mühe und schauen Sie sich einmal Ostwestfalen, den Hochsauerlandkreis oder andere Regionen - Herr Schauerte kennt das genau - an. Vergleichen Sie die mit Baden-Württemberg, sie sind absolut deckungsgleich. Natürlich hat Nordrhein-Westfalen durch das Ruhrgebiet mit Kohle und Stahl gewaltige Probleme, die zur Zeit mit den bayerischen völlig unvergleichbar sind.
Wir sind dabei, diese Probleme aufzuarbeiten. Wir werden dann eine Phase erreichen, in der wir vermutlich auch auf dem Sektor des Arbeitsmarktes absolut konkurrenzfähig mit Bayern sind.
Ich kann jetzt nicht jede Zahl nachvollziehen, die Sie, Kollege Schauerte, genannt haben. Ich will Ihre Kurzintervention aber klar beantworten. Ich weiß nicht, welche Statistik Sie haben. Wir können unsere Daten gern miteinander vergleichen. Mein Kenntnisstand über die Selbständigenquote, und zwar über den Saldo der Selbständigen - Gründungen minus Insolvenzen -, besagt, daß Nordrhein-Westfalen das einzige Land ist, das im Jahre 1996 einen positiven Saldo von rund 23 000 Unternehmen aufwies.
Herr Kollege, das weise ich Ihnen gerne nach und führe es gern vor.
Ihr zweiter Punkt betraf die Ausbildungsplätze. Es ist mit der Statistik immer das gleiche Problem: Einmal rechne ich pro Kopf, dann rechne ich einmal nicht pro Kopf, gleich rechne ich Ihnen vor, daß wir in Nordrhein-Westfalen die billigste politische Verwaltung haben etc.
Mich interessiert, was die Zahl der Ausbildungsplätze angeht, nur eine einzige Angabe: Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land gewesen, das ein Wachstum - ich weiß nicht mehr, in welchem Monat, ich vermute, es war August/September - im Angebot von Ausbildungsplätzen hat. Im Vergleich mit anderen Ländern ist das ein klares Plus gegenüber 1996.
- Herr Schauerte, nun regen Sie sich doch nicht auf. So ist das.
Ich bin auf dieses Plus einigermaßen stolz. Das ist nämlich ein Ergebnis des Ausbildungskonsenses aller Kräfte aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Verwaltungen, die in Nordrhein-Westfalen zusammenwirken.
Wenn Sie den Export pro Kopf berechnen, ist die Lage eine andere. Aber dieser Vergleich macht mir Vergnügen, weil solche Vergleiche immer Spaß machen. Wenn Sie Nordrhein-Westfalen nur eine Sekunde lang als Freistaat wie Bayern, aber als richtigen Freistaat betrachten würden, dann wäre Nordrhein-Westfalen die elftgrößte Exportnation der Welt. Das ist doch herrlich.
Schönen Dank.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Gunnar Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen hat der Ministerpräsident von Niedersachsen mitgeteilt, daß er für eine Position als Wirtschaftsminister im Schattenkabinett von Oskar Lafontaine nicht zur Verfügung stehen würde. Heute wissen wir, wer sich auf diesen Platz drängeln will. Das war der Grund dafür, daß wir in diesem Hause einmal einen seltenen Gast begrüßen können.
Die Rede war laut, aber hat nicht viel gebracht.
Wenn man mit sowenig Konzeption an den Start geht, dann, kann ich nur sagen, wird es keine Änderung in der Regierung geben und dann wird der Minister Clement in seinem Düsseldorf bleiben müssen.
Der einzige Punkt, in dem Sie, Herr Minister Clement, konkret geworden sind, war der: Als Sie sagten, was Sie machen würden, sprachen Sie von einer Gründungsoffensive. Da greife ich gern die Zahlen auf, die hier genannt worden sind. Eine Gründungsoffensive ist in Nordrhein-Westfalen mehr als notwendig, was Sie jetzt einmal zur Kenntnis nehmen sollten. Wenn Sie nur den Bundesdurchschnitt erreichen würden, würde das bedeuten, daß Sie in Nordrhein-Westfalen 100 000 Arbeitsplätze mehr hätten. Sie wollen sich ja nicht an Bayern messen lassen. Deswegen sage ich nur einmal ergänzend: Wenn Sie die gleiche Quote erreichen würden wie Bayern, dann hätten Sie 250 000 Arbeitsplätze mehr. Das ist die Realität, und darüber können Sie nicht einfach in einem Kasernenhofton gegenüber dem Kollegen Michelbach hinweggehen.
Sie beklagen die Strukturschwächen Ihres Landes. Genau das Gegenteil ist der Fall: Sie sind bereits Industrieland gewesen, als Bayern noch ein Agrarstaat war. Aber die Bayern haben es geschafft, zu einem modernen Industriestaat zu kommen. Das ist der Vorteil.
Sie haben in Nordrhein-Westfalen für Ihre Strukturen eine Konservierungspolitik betrieben. Sie haben geglaubt, durch Mehrheitsbeschlüsse auf Parteitagen und auf Gewerkschaftsversammlungen den Strukturwandel einfach aufhalten zu können. Das ist
Gunnar Uldall
rigoros gescheitert, und jetzt haben Sie die Quittung dafür bekommen.
Wenn Sie hier am Podium das Wort Kohle in den Mund nehmen, dann hätte ich eigentlich geglaubt, daß Sie auch einmal würdigen würden, daß Millionen Steuerzahler in Deutschland Jahr für Jahr Milliardenbeträge an Ihr Bundesland überweisen. Nichts dergleichen haben Sie getan. Sie reden nur davon, daß das schlechte Verträge gewesen seien.
Wenn Sie von 25 Prozent Arbeitslosigkeit in einzelnen Standorten in Ihrem Lande sprechen, dann sage ich: Auch die Menschen in Ostdeutschland müssen - auch dort, wo 25 Prozent Arbeitslosigkeit herrschen - durch ihre Steuern Milliarden DM finanzieren, damit die Kohle in Ihrem Bundesland entsprechend unterstützt werden kann. Hier wäre ein Wort des Dankes gerechtfertigt gewesen.
Ich hatte geglaubt, wenn sich ein Aspirant für den Posten des Wirtschaftsministers im Schattenkabinett Lafontaine auf den Weg macht, dann würde er irgendeine positive Botschaft vermitteln können. Nichts dergleichen.
Hier wurde nur Pessimismus verbreitet.
Dabei wäre es für den Standort Deutschland, für die Wirtschaftspolitik in Deutschland prima gewesen, wenn Sie nur diesen einen Satz gesagt hätten: Die größte Investition im größten Bundesland, Garzweiler II, wird - das hat die Landesregierung heute einhellig beschlossen - jetzt auf den Weg gebracht. - Nichts dergleichen ist geschehen. Das wäre eine positive Botschaft für unser Land gewesen!
Die Debatte über Wirtschaftspolitik wird immer durch zwei Gesichtspunkte geprägt, erstens durch die Aussage: Die Globalisierung ist eine Gefahr für unseren Standort, und zweitens durch die Aussage: Die Standortbedingungen in Deutschland sind schlecht. Beides klang auch bei den Reden meiner Kolleginnen und Kollegen von der Opposition heute morgen durch. Beide Ansichten sind falsch. Ich möchte zunächst zeigen, welche Chancen die Globalisierung mit sich bringt. Wir sollten nicht immer das Negative sehen, sondern wir sollten das Positive sehen und herausstellen.
Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei und andere Länder in Osteuropa werden wegen ihrer niedrigen Löhne bei uns im allgemeinen als harte Konkurrenz gefürchtet. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Die Wirklichkeit sieht so aus, daß Deutschland im Handel mit diesen Ländern einen hohen Überschuß erzielt, der über das hinausgeht, was wir mit der größten Handelsnation, den USA, erreichen können. Das zeigt: Freie Weltmärkte nützen vor allem den leistungsfähigen Volkswirtschaften - vorausgesetzt, sie passen sich den neuen Marktgegebenheiten an. Nutzen wir diese Chancen, indem wir uns dem internationalen Wettbewerb selbstbewußt stellen.
Nun zu der Behauptung, Deutschland sei ein schlechter Standort. Ich möchte vorweg eine Bemerkung machen: Standorte, die als dauerhaft schlecht oder als dauerhaft gut zu bezeichnen sind, gibt es in der Zeit der Globalisierung nicht mehr. Es gibt nur noch Standorte, die die Fähigkeit haben, sich auf den weltweiten Wandel einzustellen, und solche Standorte, die diese Fähigkeit, diese Reaktionskraft nicht haben. Deswegen ist eine Wirtschaftspolitik auch daran zu messen, ob sie in der Lage ist, auf Wandlungen einzugehen oder ob sie sich strukturkonservierend auswirkt. Unsere Politik geht auf die weltwirtschaftlich geänderten Bedingungen ein.
Sie dagegen plädieren für ein Beibehalten der bisherigen Strukturen. Dies wurde heute morgen in Ihrer Rede, Herr Clement, mit der Sie die Strukturen in Ihrem Bundesland verteidigt haben, deutlich.
Ich stelle fest: Wir können heute mit Stolz eine Bilanz vorlegen,
die ausweist, was alles in den letzten drei Jahren von uns erreicht worden ist, um Deutschland an die weltweiten wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen. In der Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit hat es noch nie eine Periode gegeben, in der so viele wirtschaftspolitische Reformen durchgesetzt worden sind.
Ich nenne die Liberalisierung der Post und der Telekommmunikationsmärkte, die Privatisierung der Bundesbahn, die Flexibilisierung des Arbeitsrechts, die Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die Entlastung im Rahmen der Erbschaftsteuer bei Betriebsvermögen kleiner Betriebe, wenn sie vererbt werden, und den morgen zu fassenden Beschluß der Liberali-
Gunnar Uldall
sierung der Energiemärkte. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Wenn in so kurzer Zeit soviel erreicht worden ist, dann kann man nicht von einem Reformstau in Deutschland sprechen. Allerdings sind noch zwei große Reformen auf der Tagesordnung, die dringend einer Lösung zugeführt werden müssen: die Rentenreform - das wird sehr schnell passieren - und die Steuerreform. Hier habe ich - auch nach dem, was Oskar Lafontaine hier gestern gesagt hat - nicht den Eindruck, als ob wir noch vor den Wahlen zu einem Ergebnis kämen.
Denn seien wir doch einmal ehrlich: Es sind nicht sachliche Gründe gewesen, die die Sozialdemokraten im Vermittlungsausschuß davon abgehalten haben, unserem Paket zuzustimmen.
Nein, es ist der Wahltermin gewesen. Dieses „Argument", dieser Grund entfällt erst im September nächsten Jahres. Dann werden wir eine großartige Steuerreform durchführen.
Meine Damen und Herren, wer den Strukturwandel in Deutschland beklagt und meint, wir kämen nicht schnell genug voran, muß aufpassen, daß im Ausland nicht der Eindruck hervorgerufen wird, als ob sich in Deutschland nichts mehr bewege. Dieser Eindruck ist falsch! Dennoch: Dieses Argument hört man bereits in den USA. Deswegen betone ich: Wir dürfen nicht vergessen, daß die USA zur Durchführung ihrer Steuerreform fünf Jahre gebraucht haben. Die Amerikaner haben hinsichtlich der Reform ihres Gesundheitssystems mehrere Anläufe unternommen, und ohne bis heute erfolgreich gewesen zu sein, während wir unser Gesundheitssystem den veränderten Bedingungen schon angepaßt haben.
Es stimmt: Wir haben Schwierigkeiten, uns an das anzupassen, was weltweit vor sich geht. Aber lassen Sie uns erkennen: Auch die anderen Länder haben diese Probleme. Deswegen sollten wir unseren Standort nicht schlechtermachen, als er ist.
Meine Damen und Herren, das Bild, das die Sozialdemokraten während dieser Haushaltsberatungen von einer notwendigen Wirtschaftspolitik gezeichnet haben, ist eine schlichte Katastrophe.
Oskar Lafontaine ist aufgestanden und hat gesagt: Lohnzurückhaltung ist nicht mehr das Gebot der Stunde; wir müssen höhere Löhne haben. Es wird von Ihnen bestritten, daß wir hinsichtlich der Kürze der Arbeitszeit im Vergleich zu den USA, Japan und anderen Ländern eine Spitzenposition einnehmen.
Es wird in der Bevölkerung - fälschlicherweise - der Eindruck hervorgerufen, als ob man nur die Arbeitszeit weiter verkürzen müsse und damit alle Beschäftigungsprobleme zu lösen seien. Verheerende Aussagen, verheerende Signale, die von den Sozialdemokraten auf die deutsche Öffentlichkeit ausgehen.
Es ist schlichtweg ein kindliches Bild, das hier von Wirtschaftspolitik verbreitet wird: Wenn ihr SPD wählt, dann braucht ihr weniger zu arbeiten; wenn ihr SPD wählt, dann bekommt ihr alle höhere Löhne. - Eine solche Politik wird sehr schnell in sich zusammenbrechen.
So schön, Frau Fuchs, ist die Welt am Beginn eines neuen Jahrtausends nicht mehr. Das wissen die Bürger, und deswegen werden sie der SPD nicht auf den Leim gehen.
Wir weisen den Weg, wie durch Arbeit und innovatives Verhalten auf die Globalisierung reagiert werden muß, auch dann, wenn es in den Augen mancher Zeitungskommentatoren kurzfristig unpopulär sein sollte.
Ich möchte die Frage stellen: Ist die SPD, von ihrem Selbstverständnis her, eigentlich in der Lage, unsere Wirtschaft schnell auf den Wandel zur Globalisierung hin auszurichten? Die Sozialdemokraten sind vor 100 Jahren mit dem Ziel angetreten, die Position der deutschen Arbeitnehmer stetig zu verbessern und ihnen einen größeren Anteil am Sozialprodukt zu sichern. Dieses Ziel hat die SPD in den letzten 100 Jahren sehr erfolgreich durchgesetzt; das räume ich ein. Doch spätestens seit 10 Jahren muß klar sein, daß es nichts mehr zu verteilen gibt. Können sich die Sozialdemokraten auf diese völlig neue Situation mit nur noch geringen volkswirtschaftlichen Zuwachsrat& n einstellen? Ernsthafte Zweifel sind da angebracht. Wer 100 Jahre lang seine politische Funktion darin sah, immer mehr und mehr zu fordern, wird kaum zum Vorkämpfer für Zurückhaltung werden können. Die SPD ist nicht die Partei, die den Standort Deutschland für das nächste Jahrhundert fit machen wird.
Meine Damen und Herren, daß unsere Politik der beharrlichen Reform am Wirtschaftsstandort Deutschland bereits von Erfolg gekennzeichnet ist, kann man inzwischen ständig in den Zeitungen lesen.
Herr Kollege Uldall, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Blunck?
Ja, bitte.
Bitte schön.
Herr Uldall, wenn es nichts zu verteilen gibt, wie Sie gerade gesagt haben, können Sie mir dann erklären, wie Sie dazu kommen, bezüglich der Vermögensteuer 12 Milliarden DM zu verteilen?
Liebe Frau Kollegin, Sie sind hier völlig falsch informiert und Opfer Ihrer eigenen Halbwahrheiten geworden. Als die Vermögensteuer abgeschafft wurde, wurden in einem Zug die Erbschaftsteuer und die Grunderwerbsteuer entsprechend erhöht. Das Aufkommen ist also gleichgeblieben.
Es hat eine Vereinfachung des Systems stattgefunden, nämlich bei der Steuer, die das ungünstigste Verhältnis von Erhebungsaufwand und Aufkommen insgesamt aufwies. Hier hat es eine deutliche Verbesserung gegeben.
Aber die Belastung ist die gleiche geblieben. Die Steuereinnahmen sind dadurch nicht zurückgegangen, Frau Kollegin. Es war für uns vielmehr Conditio, daß es zu einer entsprechenden Belastung der gleichen Zielgruppe durch andere Steuern kommt. Aber wir haben damit erreicht, daß die Betriebe, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, nicht mehr gezwungen sind, in einer Verlustsituation, in der sie die Löhne nicht mehr zahlen können, trotzdem noch Vermögensteuer aus der Substanz zu zahlen. Ich kann nur sagen: Dies war eine gute Reform.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Poß?
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Poß.
Herr Kollege Uldall, können Sie erstens bestätigen, daß die Vermögensteuer nicht abgeschafft wurde, sondern die Erhebung ausgesetzt ist, was einen erheblichen Unterschied, auch im Blick auf die Zukunft, ausmacht?
Zweitens. Können Sie bestätigen, daß das Auf kommen aus den Gegenfinanzierungsmaßnahmen, die Sie erwähnt haben und die übrigens nicht unproblematisch sind, weil die Anhebung der Grunderwerbsteuer das Häuslebauen nicht einfacher gemacht und damit ökonomischen Schaden in der Bauindustrie hervorgerufen hat, wesentlich hinter dem Aufkommen aus der Vermögensteuer zurückgeblieben ist?
Lieber Herr Kollege Poß, wie Sie als langjähriges Mitglied des Finanzausschusses genau wissen, gibt es immer eine Betrachtung über das Anfangsjahr und die folgenden Jahre. Wenn Sie einen solchen Wandel vornehmen, werden die Steuern erst später vereinnahmt. Sehen Sie sich bitte einmal die Steuerstatistik des laufenden Jahres an. Dabei werden Sie sehen, daß sich das anfänglich niedrig veranschlagte Erbschaftsteueraufkommen und das anfänglich niedrig veranschlagte Grunderwerbsteueraufkommen im Laufe dieses Jahres deutlich erhöht haben. Aber ich freue mich, daß Sie hier das bestätigt haben, was ich in meiner Antwort auf die Zwischenfrage Ihrer Kollegin Blunck gesagt habe, nämlich daß es eine entsprechende Anhebung bei anderen Steuern gegeben hat. Dies war - das kann ich nur wiederholen - eine sehr gute finanzpolitische Maßnahme. Sie sollten jetzt einmal über Ihren ideologischen Schatten springen!
Meine Damen und Herren, unsere Politik zeigt bereits Erfolge.
Wir wollen nicht nur immer tiefen Pessimismus hören, sondern wir wollen auch über die optimistischen Entwicklungen sprechen. Wer in die Zeitung schaut, der sieht, daß täglich über Unternehmen berichtet wird, die Deutschland verlassen haben und wieder zurückgekommen sind. Ich nenne hier den Autositzhersteller Bertrand Faure, der von Tschechien nach Regensburg zurückgegangen ist; die Firma Elektroakustik Sennheiser geht von Shanghai zurück nach Wedemark bei Hannover; der Batterienhersteller Varta schließt sein Werk in Singapur. Umgekehrt kommen ausländische Industriebetriebe nach Deutschland, die vor einiger Zeit um Deutschland als Investitionsstandort noch einen Bogen gemacht haben. So betreibt zum Beispiel Marion Roussell die Genforschung in München; 3 M errichtet eine große Produktionsanlage in Hilden; Motorola baut seine neue Handy-Fabrik in Flensburg. Wem das noch nicht reicht, der möge sich heute einmal die „Wirtschaftswoche " kaufen.
Einen Augenblick, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keinen Anwesenheitszwang im Deutschen Bundestag.
Ich bitte Sie, sich etwas zu mäßigen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Im übrigen, Herr Kollege Uldall, nutze ich die Gelegenheit, um Sie zu fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kutzmutz zulassen wollen.
Ich lasse sie gerne zu, möchte jedoch bemerken: Herr Minister Clement - es ist gut, daß Sie zurückkommen -, ich wollte mit diesen - -
Gestatten Sie zuerst die Zwischenfrage?
Nein. Denn es paßt besser in den Kontext, wenn ich mich erst an Herrn Clement wende.
Herr Minister Clement, ich wollte Sie mit diesen Nachrichten, mit diesen Informationen motivieren. Es sind gute Nachrichten für den Standort Deutschland. Und in einem solchen Augenblick wollen Sie den Saal verlassen. Verschließen Sie sich bitte nicht den objektiv guten Wahrheiten, Herr Minister!
Nun kommt die Zwischenfrage des Kollegen Kutzmutz.
Herr Kollege Uldall, ich bedanke mich für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Ich halte sie ganz kurz, weil ich die Debatte nicht verlängern möchte.
Weil Ihre Redezeit gleich zu Ende geht - ich habe das aufmerksam verfolgt -, möchte ich Sie fragen: Werden Sie hier namens der Koalition den Antrag stellen, daß im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" die Verpflichtungsermächtigung entsperrt wird, ja oder nein?
Wir werden dem Antrag der PDS nicht zustimmen. Mein Kollege Buwitt hat in seiner Rede sehr ausführlich zu dem ganzen Komplex Förderung in Ostdeutschland Stellung genommen. Dem habe ich beim besten Willen nichts hinzuzufügen, Herr Kutzmutz.
Meine Damen und Herren, man kann mit Recht sagen: Wir haben in Deutschland die wirtschaftspolitischen Weichen wieder richtig gestellt.
Es muß noch viel getan werden; aber wir sind auf einem guten Weg. Deswegen können wir mit Optimismus an die weiteren Aufgaben herangehen. Nur wer mit Optimismus den Weg in das nächste Jahrhundert geht, wird die weiteren Probleme meistern. Deswegen mein Appell an die SPD: Hören Sie auf mit dem Pessimismus! Wer Pessimismus verbreitet,
wird die Chancen der nächsten Jahre nicht nutzen können und wird auch nicht gewählt werden. Wir sind die Optimisten, wir werden gewählt werden.
Vielen Dank.
Nun gebe ich das Wort zu einer Kurzintervention dem Abgeordneten Kutzmutz.
Herr Kollege Kalb, Sie müssen mir gestatten, daß ich zumindest versuche, Herrn Kollegen Uldall aufzuklären, wenn er nicht in der Lage ist, etwas zu lesen und zu verstehen.
- Ich habe eine Frage gestellt, und die ist falsch beantwortet worden. Mir ging es keineswegs generell um die Förderung im Osten, sondern es ging mir darum, ob der Haushaltsvermerk, wonach Haushaltsmittel für Westländer gesperrt sind, gestrichen wird. Diese Sperrung führt nämlich zu einer neuen Diskussion zwischen Ost und West darüber, wer wen ausspielt. Wenn Sie hier sagen, den PDS-Antrag unterstütze ich nicht, verhindern Sie erstens die Förderung im Westen, und zweitens riskieren Sie eine neue Debatte über die Verteilung dieser GA-Mittel im Osten und im Westen. Im Sommer war Herr Rexrodt in Leipzig noch sehr glücklich darüber, daß man sich zwischen Ost und West über die Verteilung dieser Mittel geeinigt hatte. Es wird jetzt eine neue Debatte geben, wenn Mittel nicht ausgezahlt werden. Das ist das Problem. Wenn Sie diesen Antrag hier nicht stellen, stellen wir ihn. Wenn Sie ihn ablehnen, müssen Sie überall erläutern, warum sowohl im Osten wie auch im Westen diese GA-Mittel nicht freigegeben werden.
Herr Kollege Uldall.
Herr Kollege, ich lege Wert auf die Feststellung, daß das sehr hohe Niveau der Förderung der Wirtschaft in Ostdeutschland erhalten bleibt. Wir können froh sein, daß es gelungen ist, diesen hohen Ansatz in den Haushaltsberatungen zu sichern. Sie machen es sich aber ein wenig zu leicht, wenn Sie sich hier hinstellen und noch mehr fordern. Die Forderung nach immer mehr ist leicht zu erheben. Aber das Ganze muß in sich schlüssig bleiben, und die Förderung in unserem Konzept ist insgesamt schlüssig.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen zunächst über sieben Änderungsanträge der Fraktion der SPD ab.
Zunächst rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9220 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich rufe den zweiten Änderungsantrag auf Drucksache 13/9221 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Dann rufe ich den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9222 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß auch dieser Änderungsantrag mit demselben Stimmenverhältnis abgelehnt worden ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9223 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt worden ist.
Dann rufe ich den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9224 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Dann rufe ich den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9225 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Nun rufe ich den siebenten Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9226 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß auch dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Nun kommen wir zur Abstimmung über drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich rufe zunächst den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9164 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9165 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit demselben Stimmenverhältnis wie bei der vorhergehenden Abstimmung abgelehnt worden ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9166 auf. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Dann rufe ich den Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9227 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich rufe dann einen mir schriftlich vorgelegten weiteren Änderungsantrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft und der Gruppe der PDS zum Einzelplan 09 auf, der nicht verteilt werden konnte und den ich deshalb wie folgt verlese:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
Im Kapitel 09 02 - Allgemeine Bewilligungen - wird in Titelgruppe 12 - Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" - beim Titel 882 82 - Zuweisungen an Bayern, Bremen, Hessen, Saarland, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen für betriebliche Investitionen und wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen - der Haushaltsvermerk „Die Verpflichtungsermächtigung ist gesperrt. " gestrichen.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Bevor wir zur Abstimmung über den Einzelplan 09 in der Ausschußfassung kommen, gebe ich dem Abgeordneten Elmar Müller das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. Januar 1998 geht die Kompetenz für Regulierung vom bisherigen - und bis dahin bestehenden - Postministerium
Elmar Müller
auf das Wirtschaftsministerium über. Ich gebe nach § 31 der Geschäftsordnung eine Erklärung zu Einzelplan 09, Kapitel 09 10, ab. Ich tue das auch im Namen meiner Bundestagskollegen Dr. Wolfgang Bötsch, Dr. Paul Laufs, Dr. Christian Schwarz-Schilling, Renate Blank, Renate Diemers, Klaus Brähmig, Dr. Hermann Pohler und Dr. Michael Meister.
Der Personalhaushalt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hatte bereits im Regierungsentwurf einen Umfang, der an der untersten Grenze dessen war, was vertretbar ist. Durch den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages wurden weitere zirka 10 Prozent des Personalhaushalts mit kw-Vermerken versehen. Damit wird der gesetzliche Auftrag der Regulierungsbehörde, wie er im Telekommunikationsgesetz und selbstverständlich auch im neuen Postgesetz beschrieben ist, gefährdet. Dieser Zusammenhang wurde in seiner ganzen Tragweite nicht ausreichend erkannt.
Da wir uns für die Politikbereiche Telekommunikation und Post sachlich verantwortlich fühlen, sehen wir uns veranlaßt, dies zu Protokoll zu geben. Da wir aber ebenso in der politischen Gesamtverantwortung für diese Koalition und die sie tragenden Fraktionen stehen, werden wir dem Haushaltsgesetz 1998 selbstverständlich zustimmen.
Danke sehr.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 09 in der Ausschußfassung. Wer dem Einzelplan 09 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Einzelplan 09 in der Ausschußfassung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Ich rufe auf: Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksachen 13/9011, 13/9025-Berichterstattung:
Abgeordnete Ina Albowitz Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Hermann Kues
Antje Hermenau
Dr. Konstanze Wegner
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsauschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1997
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 12 Titel 681 01
- Arbeitslosenhilfe -
- Drucksachen 13/8547, 13/8594 Nr. 1.6, 13/ 8877 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Dr. Hermann Kues
Antje Hermenau
Ina Albowitz
Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Abgeordneten Konstanze Wegner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit seinen enormen Ausgaben für die Bezahlung der Arbeitslosigkeit ist ein Spiegel der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt.
Er ist zugleich ein Beleg des Versagens der Regierung Kohl vor der Massenarbeitslosigkeit.
Die geschönten und auf Optimismus frisierten Zahlen der Regierung zum Arbeitsmarkt in den Haushalten 1996 und 1997 haben keinerlei Bestand gehabt; sie wurden jeweils von der Realität eingeholt und mußten korrigiert werden. Dies wird sich, wenn auch in geringerem Umfang, mit Sicherheit im Haushalt 1998 wiederholen; denn auch 1998 wird es nach Aussage des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Jagoda, sowie der Wirtschaftsinstitute keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt geben. Wir müssen vielmehr mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen.
Die Jugendarbeitslosigkeit steigt. Das ist ein Alarmsignal, meine Damen und Herren; denn jungen Leuten auf dem Arbeitsmarkt überhaupt keine Chancen zu geben ist die größte Ungerechtigkeit und zugleich eine enorme Verschleuderung von Humankapital.
Die Langzeitarbeitslosigkeit steigt dramatisch. Je länger sie dauert, desto mehr verringern sich die Chancen der betroffenen Langzeitarbeitslosen auf Wiedereingliederung, desto höher werden auch die Kosten.
Alle materiellen und gesetzgeberischen Bonbons, mit denen die Regierungskoalition die Arbeitgeber locken wollte, etwa die Kürzung sozialer Leistungen oder die Lockerung des Kündigungsschutzes, haben nichts gebracht.
Die Großindustrie baut im Inland weiter ungerührt
Hunderttausende von Arbeitsplätzen ab, sie mi-
Dr. Konstanze Wegner
nimiert ihre Ausbildungspflicht und optimiert die ihr von der Regierung eingeräumten Steuerschlupflöcher, was dazu führt, daß sie im Inland praktisch keine Steuern mehr zahlt.
Neue Arbeitsplätze, meine Damen und Herren, entstehen zur Zeit nur noch in kleinen und mittleren Betrieben.
Deshalb sollten wir Politiker die staatliche Förderung auf diese kleinen und mittelständischen Betriebe konzentrieren, weil sie in Deutschland bleiben, weil sie noch ausbilden, weil sie noch Arbeitsplätze schaffen und weil sie Steuern zahlen.
Ganz gewiß besitzt keine Partei ein Geheimrezept gegen die Arbeitslosigkeit. Wir von den Sozialdemokraten haben jedoch immer wieder Maßnahmen vorgeschlagen, die zumindest eine Rückführung der Arbeitslosigkeit bewirkt hätten, wenn Sie nicht alles abgelehnt hätten. Ich erinnere an unseren detaillierten Gesetzentwurf für ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz, der eine Stabilisierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, ihre Dezentralisierung und Verzahnung mit regionaler Strukturpolitik vorsieht. Die Regierung hat aber abgelehnt. Statt dessen hat sie 1997 die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie für Fortbildung und Umschulung um 3,2 Milliarden DM gekürzt, was nichts anderes als 200 000 neue Arbeitslose erbracht hat.
Ich erinnere an unsere Vorschläge zur Steuerreform - vielfältig angesprochen -, mit denen vor allem untere und mittlere Einkommen entlastet werden sollen
- doch, das wird geschehen -, weil das die Binnenkonjunktur anheizen und damit auch Arbeitsplätze schaffen wird.
Sie haben es statt dessen vorgezogen, den Beziehern großer Einkommen ein Steuergeschenk in Höhe von 4 Milliarden DM privater Vermögensteuer zu machen, und Sie haben gleichzeitig - ich bitte das nicht zu vergessen - die Arbeitslosenhilfe, die ohnehin im Schnitt nur zwischen 800 und 1000 DM beträgt, jährlich um 3 Prozent gekürzt.
Seit Jahren versucht die Opposition, den Etat für Forschung, Bildung und Technologie aufzustocken, weil auch dort mit entschieden wird, welche Berufschancen unsere Kinder haben und welche Produkte Deutschland einmal auf dem Weltmarkt des 21. Jahrhunderts anzubieten haben wird. Die Regierung Kohl hat statt dessen diesen Haushalt, der diesmal ganze mickrige 15 Milliarden DM umfaßt, ständig weiter heruntergefahren. Laut mittelfristiger Finanzplanung beabsichtigen Sie, das auch in der Zukunft weiter zu tun.
Wir versuchen seit Monaten, eine Senkung der Lohnnebenkosten durch eine maßvolle Erhöhung der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer durchzusetzen. Auch das ist bisher an der Selbstblockade der Koalition gescheitert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts einer derartigen Politik kann sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht bessern. Vor diesem Hintergrund wird auch der Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales für 1998 den Realitäten wiederum nicht gerecht. Der vorgesehene Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit von 14,1 Milliarden DM wird angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt wiederum nicht ausreichen. Der Vorstand der Bundesanstalt selbst rechnet mit einem Defizit von 16,5 Milliarden DM.
In der mittelfristigen Finanzplanung ist allerdings, liebe Ina Albowitz, für das Jahr 2000 ein Zuschuß Null vorgesehen.
Das heißt also, bis zur Jahrhundertwende haben Blüm und Waigel dann die Arbeitslosigkeit besiegt, allerdings nur auf dem Papier.
Wir fragen die Regierung, ob sie auch 1998 gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit ihren Knebelbeschluß aufrechterhalten will, wonach alle Mehrausgaben bei den Pflichtleistungen bei den freiwilligen Leistungen, das heißt also bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik eingespart werden sollen. Wenn das geschieht, dann werden nämlich bei weiter steigender Arbeitslosigkeit die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und für Fortbildung und Umschulung erneut schrumpfen, und die unsäglichen Verschiebemanöver, wie wir sie bei den Mitteln für die berufliche Rehabilitation in diesem Jahr erlebt haben und weiter erleben, werden sich dann fortsetzen. Das geht immer zu Lasten der Betroffenen.
Der Beschluß der Regierungskoalition im Haushaltsausschuß, wonach die Bundesanstalt für Arbeit ihren Haushalt vor der Genehmigung künftig dem Haushaltsausschuß vorlegen muß,
Dr. Konstanze Wegner
bedeutet neben dem berüchtigten Knebelbeschluß einen weiteren Eingriff in die Selbstverwaltung dieser Institution.
Ich denke, es wäre wirklich sinnvoller, allmählich die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, statt der Bundesanstalt für Arbeit ständig Schwierigkeiten zu machen.
Ein weiteres Haushaltsrisiko liegt im Ansatz für die Arbeitslosenhilfe, der auf Druck des Finanzministers entgegen den Wünschen des Fachministeriums auf lediglich 28,5 Milliarden DM festgesetzt wurde; eine an sich enorme Summe, die jedoch angesichts des dramatischen Anstiegs der Langzeitarbeitslosigkeit nicht ausreichen wird.
An die neugeschaffene Möglichkeit, Dritte gegen Zahlung von Prämien bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen einzubeziehen, sollte man meines Erachtens nicht zu hohe Erwartungen richten. Man kann es versuchen. Man muß beobachten, was es bringt, aber ich bin der Auffassung: Hätten die Arbeitsämter mehr Geld für Vermittlung zur Verfügung, könnten sie auch mehr Arbeitslose vermitteln.
Ein Ärgernis im Haushalt bleiben die sogenannten produktiven Lohnkostenzuschüsse nach § 272 SGB III. Dieses Programm hat einen miserablen Mittelabfluß, was daran liegt, daß die Kommunen und die sonstigen freien Träger in Ostdeutschland die notwendigen Komplementärmittel einfach nicht aufbringen können. Auch bei westdeutschen Arbeitsämtern wird übrigens kritisiert, daß dieses Programm an bestimmten Zielgruppen, wie Älteren und Schwerbehinderten, vorbeigeht. Der Eigenanteil für die Beschäftigungsträger ist einfach zu hoch. Deshalb sollten die Konditionen geändert werden.
Bisher hat dieses Programm wegen seiner fragwürdigen Klassifizierung als Investition vor allem dazu gedient, den schwindsüchtigen Investitionsanteil im Bundeshaushalt etwas hochzuhieven.
Erfreulicherweise - und man soll ja auch etwas Erfreuliches berichten - ist es bei den Berichterstattergesprächen gelungen, die Modellversuche im Bereich Pflege, die der Finanzminister erst um 10 Millionen DM gekürzt hatte, wieder aufzustocken.
Die Koalition hat auch eine großzügige Aufstockung der Modellprojekte „Neue Wege der Arbeitsmarktpolitik" um 70 Millionen DM beschlossen,
natürlich mit dem Hintergedanken, ihren Abgeordneten im Wahljahr in den Wahlkreisen entsprechende Projekte zu ermöglichen.
Wir haben zugestimmt, weil solche Modelle in der Tat die Chance bieten, neue Wege zur Verminderung der Arbeitslosigkeit zu prüfen, vorausgesetzt, die Projekte werden vorurteilslos und kritisch darauf überprüft, inwieweit sie wirklich neue Wege weisen und nicht nur altbekannte bestätigen.
Ich komme zwangsläufig wieder zum Unangenehmen, denn die chaotische Rentenpolitik der Regierung findet auch in diesem Haushalt ihren Niederschlag.
Erst hieß es, der Beitrag werde nur von 20,3 auf 20,6 Prozent steigen. Dann wurde auf 21 Prozent erhöht, und inzwischen hört man, der Verband Deutscher Rentenversicherer habe geraten, den Beitrag lieber gleich auf 21,3 Prozent festzusetzen.
Der politische Hickhack um Blüms sogenannte Rentenreform ist ein anschauliches Beipiel für die Selbstblockade der Regierungskoalition. Für uns als Opposition besteht dennoch kein Anlaß zur Schadenfreude. Die Folgen dieser Politik müssen wir alle tragen. In der Bevölkerung sinkt das Vertrauen in die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme allmählich auf den Nullpunkt. Ich bin überzeugt, das beschädigt die sozialen Grundstrukturen dieses Staates.
Zum Schluß noch ein Wort zur Öffentlichkeitsar-belt. Abgesehen von den üppig veranschlagten Mitteln für die Veröffentlichung von Dokumentationen, Lehr- und Lernmitteln, Informationen für Behinderte und Langzeitarbeitslose
stehen noch rund 25 Millionen DM zur Verfügung; ein nettes und rundes Sümmchen.
- Es waren 27 Millionen DM. Ihr habt knapp 2 weggenommen, 25 stehen noch zur Verfügung. Ich habe es nachgerechnet, es stimmt.
Natürlich ist Öffentlichkeitsarbeit in diesem Ministerium unabdingbar. Ich erkenne durchaus an, daß auch nützliches und vernünftiges Informationsmaterial aus Ihrem Hause kommt, Herr Minister.
Aber wenn man zum Beispiel bedenkt, daß zu der geplanten Rentenreform, die ja noch gar nicht Gesetz geworden ist, weil Sie sich nicht einigen können,
Dr. Konstanze Wegner
in diesem Jahr bis Juli allein vier verschiedene Broschüren erschienen sind, dann, meine ich, wird deutlich, Herr Minister, daß in Ihrem Hause neben einem gewissen Missionstrieb für diesen Bereich einfach zuviel Geld vorhanden ist, vor allem im Wahljahr.
Abschließend danke ich dem Ministerium und meinen Mitberichterstattern für die durchaus korrekte und gute Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen.
Die Massenarbeitslosigkeit bleibt für alle in diesem Haus vertretenen Parteien die größte Herausforderung. Ich glaube, wir können nicht die Augen davor verschließen, daß sie beginnt, die demokratischen Grundlagen unseres Staates zu unterminieren.
Die Regierung Kohl hat vor der Massenarbeitslosigkeit versagt. Insofern ist auch der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung letztlich nichts als ein Dokument der Hilflosigkeit. Wir werden ihm nicht zustimmen.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Joachim Fuchtel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der sozialpolitischen Debatte nimmt regelmäßig unser Kollege Rudolf Dreßler teil. Diesmal kann er es nicht, weil er erkrankt ist. Deshalb übermitteln wir ihm von dieser Stelle aus die herzlichsten Genesungswünsche.
Diese Wünsche können mich aber nicht davon abhalten, Kritisches zur Opposition zu sagen.
Zu Beginn möchte ich feststellen, daß der Bund im Jahr 1998 immerhin 150,4 Milliarden DM für Arbeit und Sozialordnung aufbringen wird. Wer dennoch ständig vom Abbau des Sozialstaates und von sozialer Kälte spricht, der tut unseren Steuerzahlern, die dieses Geld aufbringen müssen, unrecht.
Zum Vergleich: Im Haushalt 1998 sind nicht weniger als 86,5 Milliarden DM aus der Steuerkasse als Zuschuß an die Rentenversicherung vorgesehen.
Wenn man sich einmal den letzten Haushalt der
DDR-Regierung anschaut, dann kann man feststellen, daß dort nur 1,7 Milliarden Ostmark für die Finanzierung der Renten in der DDR vorgesehen waren. An diesem Beispiel sieht man - was selten vorkommt - den großen qualitativen Sprung zum Guten. Dies alles war nur durch die Wiedervereinigung möglich. Das möchte ich einmal deutlich sagen.
Zu diesen Leistungen aus dem Bundeshaushalt kommen noch die Leistungen aus dem Sozialsystem: 300 Milliarden DM aus der Rentenversicherung, 100 Milliarden DM aus der Arbeitslosenversicherung, 25 Milliarden DM aus der Unfallversicherung und 30 Milliarden DM aus der Pflegeversicherung. Das sind also zusätzliche 455 Milliarden DM aus Beitragsmitteln.
Wenn dies alles nicht reicht, dann kann es nicht nur am Geld liegen, dann müssen Besitzstandsdenken und Verhaltensweisen weiter untersucht und verändert werden. Die Grenzen der Finanzierbarkeit des Sozialstaates sind in Deutschland nicht nur erreicht, nein, sie sind schon überschritten. Deswegen führt an den Reformwerken der Koalition kein Weg vorbei.
Auch unter Haushaltsgesichtspunkten macht uns die Arbeitslosigkeit natürlich die größte Sorge. Es handelt sich um strukturelle Arbeitslosigkeit. Da die Kollegin Wegner gerade bezweifelt hat, ob die angesetzten Summen realistisch sind, möchte ich darauf hinweisen, daß wir im Nachtragshaushalt 1997 die zunächst etatisierten 15,1 Milliarden DM auf 12 Milliarden DM absenken konnten. Das ist die Realität. Sie sollten diese in Ihre Betrachtungen einbeziehen und nicht eine Krisenstimmung erzeugen, Frau Dr. Wegner.
Die strukturelle Arbeitslosigkeit kann nicht durch eine Erhöhung der Kaufkraft in Form von höheren Löhnen oder durch Grundsicherungssysteme à la Grüne beseitigt werden. Die These „Nicht die Arbeit ist zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit", wie sie von Frau Matthäus-Maier immer wieder vertreten wird, ist falsch. Wir brauchen ein besseres Investitionsklima durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen. Dann werden wir eine Entlastung in diesen Bereichen erreichen und bessere globale Zahlen erhalten.
Nichts zeigt die Lage besser als das folgende Beispiel. Sie von der Opposition blockieren die Steuerreform wegen der angeblich nicht gelösten Gegenfinanzierung von 30 Milliarden DM.
Sie finden aber nichts dabei, zur gleichen Zeit für die Verwaltung von Arbeitslosigkeit 42,6 Milliarden DM neue Schulden zu machen. Unsere Antwort darauf heißt ganz klar: Nicht den zweiten Arbeitsmarkt verwalten, sondern den ersten Arbeitsmarkt gestalten ist die Zukunftsaufgabe.
Herr Kollege Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Büttner?
Bitte.
Herr Kollege Fuchtel, Sie haben vorhin erklärt, unser Sozialsystem sei überfordert. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung am 2. Oktober 1997 eine Analyse unseres Sozialversicherungssystems vorgelegt hat und zu dem Ergebnis kommt: Ohne die Kosten der deutschen Einheit - Übertragung der Finanzierungskosten - hätten die Rentenversicherungsträger Westdeutschlands in dem Zeitraum von 1991 bis 1997 71,1 Milliarden DM Überschuß erzielt. Ähnliches gilt für die Arbeitslosenversicherung.
Es kommt weiter zu dem Ergebnis:
Durch das Verlagern von Teilen der finanziellen Vereinigungsfolgen in den Bereich der Sozialversicherung wurde das System der solidarischen Absicherung über Gebühr beansprucht und damit in Mißkredit gebracht. In keiner Versicherung ist es möglich, nach Eintritt des Schadens Mitglied der Versicherungsgemeinschaft zu werden.
Nachdem der gesetzlichen Sozialversicherung dieses aber zugemutet wurde und sie in finanzielle Engpässe gekommen ist, wird das System der sozialen Absicherung in Frage gestellt. Dies heißt aber, den Sachverhalt auf den Kopf zu stellen.
Würden Sie mir nicht bei Anwendung von ein wenig wirtschaftlichem Sachverstand zustimmen, daß Ihre Aussage, die Sie gemacht haben, falsch ist und daß es notwendig wäre, endlich diese vereinigungsbedingten Kosten nicht mehr dem Sozialversicherungssystem anzulasten, sondern über Steuern zu bezahlen, und endlich davon loszukommen, unser Sozialversicherungssystem, das stabiler ist als jedes andere, ständig zu diskreditieren?
Lieber Kollege, schon ein altes Sprichwort sagt: Wenn das Wörtchen „wenn" nicht wär', wär' mein Vater Millionär.
Wir haben heute ein System mit einer gemischten Finanzierung durch Steuermittel und durch Beiträge. Wir alle waren uns darin einig. Wir haben dem alle zugestimmt. Deswegen bitte ich Sie, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden und jetzt nicht im nachhinein zu versuchen, das Rad zurückzudrehen. Dies wäre überhaupt keine Politik, die eine Konzeption hat. Dies wäre eine Politik, die sich außerhalb der Realitäten stellt.
Meine Damen und Herren, es ist falsch, wenn man denkt - wie das oft geschieht -, daß man mit Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik strukturelle Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen könnte. Wer alle Menschen bei der Bundesanstalt für Arbeit beschäftigen will, der macht den gleichen Denkfehler wie diejenigen, für die der Strom nur aus der Steckdose kommt. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik muß ihrem Namen gerecht werden. Sie muß unter allen Umständen auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sein.
Eines der wichtigsten Vorhaben auf diesem Gebiet ist die Innovation der Arbeitsvermittlung direkt am Nerv des Arbeitsmarktes. 3,4 Millionen Vermittlungen sind eine beachtliche Leistung. Aber die durchschnittliche Vermittlungsdauer von über 30 Tagen ist zu lang. Während unsere Kinder schon lange mit dem Tamagotchi-Ei spielen. findet die Arbeitsvermittlung noch bei Fred Feuerstein in der Felsenhöhle statt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich deswegen nachhaltig dafür eingesetzt, daß der Sprung in die High-Tech-Kommunikation auch auf diesem wichtigen Gebiet stattfindet.
Wir danken dem Präsidenten er Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda. Er hat einem Amt eine riesige Kraftanstrengung verordnet:
Ab März 1998 werden alle Arbeitssuchenden über das Internet vermittelbar sein.
Das hat weitreichende Konsequenzen. Erstens. Die Verkürzung der Vermittlungsdauer und ihre Folgewirkung kann Einsparungen von weit mehr als 4 Mil-harden DM bringen. Zweitens. Arbeitgeber können erstmals rund um die Uhr vom Schreibtisch aus auf das gesamte Stellenpotential zugreifen. Drittens. Frei werdende Personalkapazitäten können endlich für das eingesetzt werden, was wir vom Arbeitsamt 2000 erwarten, nämlich frühzeitiges Training von Arbeitssuchenden, Ausrichtung der Vermittlertätigkeit auf Stellenakquirierung in Wachstumsbranchen und auf maßgeschneiderte Angebote, Überstundenabbau durch operative Nutzung der Beschäftigungsförderung.
Dies ist der Weg, auf dem wir mit den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik aus 1,5 Milliarden Überstunden neue Beschäftigung erreichen, mehr Teilzeitjobs organisieren und auch Langzeitarbeitslose verstärkt in Arbeit bringen können. Dies ist viel besser, als wenn wir an den alten Methoden festhalten würden. Ich sehe bei Ihnen überhaupt keine Konzeption.
Unmißverständlich muß bei all diesen Bemühungen aber gesagt werden: Die Entscheidungen fallen auf dem ersten Arbeitsmarkt und nicht auf dem zweiten. Wenn wir es jetzt allerdings hinbekämen, die
Hans-Joachim Fuchtel
Weichen richtig zu stellen - wobei wir die Prognosen für die Zukunft, die eben in der Zwischenfrage angesprochen wurden, zugrunde legen -, dann würde der Bundeshaushalt auf Grund der sinkenden Arbeitslosigkeit eine riesige Entlastung erfahren. Die jährliche Nettoverschuldung würde sehr schnell um 20 bis 25 Milliarden DM auf das Niveau von 1989 oder darunter absinken.
Meine Damen und Herren, wenn Sie von der Opposition Ihre Blockade endlich aufgeben, dann wird im nächsten Jahr sehr schnell deutlich werden, daß diese Regierung mit Theo Waigel weit besser gewirtschaftet hat, als manche glauben.
Ich möchte noch ein Wort zur Pflegeversicherung sagen. Die Pflegeversicherung wird in dieser Diskussion überhaupt nicht erwähnt. Immerhin hat sie sehr viel mehr Humanität für die Pflegebedürftigen und in der Zwischenzeit annähernd 100 000 neue Jobs gebracht. Frei nach Manfred Rommel möchte ich hier sagen, lieber Minister Blüm: Wenn nicht kritisiert wird, ist das schon ein großes Lob. In einer schwierigen Lage ist ein entscheidender Durchbruch auf einem wichtigen Gebiet erfolgt. Das verstehen wir unter Umbau des Sozialstaates.
Natürlich wünschen wir uns, lieber Minister Blüm, ähnliche Erfolge auch bei der Beschäftigungsinitiative, die wir für Arbeitskräfte im Privathaushalt gestartet haben.
Meine Damen und Herren, zum Rentenrecht ganz kurz. Vieles, was von der SPD in den letzten Tagen gesagt wurde, kann zu den Hasen gegeben werden. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat schon in der ersten Lesung des Haushalts ein äußerst faires Angebot gemacht: Wir nehmen Ihre Agitation im Zusammenhang mit dem Reformwerk im Interesse der Arbeitnehmer und der Rentner auf uns, und Sie können durch Zustimmung zur Mehrwertsteuererhöhung als Retter der Beitragszahler auftreten. Ein besseres Angebot können wir Ihnen eigentlich gar nicht machen. Wir werden im Vermittlungsausschuß die Möglichkeit haben, darüber näher zu verhandeln.
Ansonsten rate ich Ihnen sehr: Stimmen Sie dieser Reform bitte bald zu. Von Tag zu Tag stellen wir durch öffentliche Äußerungen Ihrer Spitzenleute fest, wie unterschiedlich die Meinungen in Ihrer Partei sind. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was Sie hier im Bundestag vertreten, und dem, was zum Beispiel Herr Clement vertritt.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Auf der einen Seite hat Herr Clement gesagt, daß die Regelung hinsichtlich der 610-Mark-Jobs seiner Meinung nach auf keinen Fall ganz abgeschafft werden dürfe. Auf der anderen Seite wurden hier Anträge eingebracht - und sollen noch eingebracht werden -, in denen Sie fordern, daß alle Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig werden müssen.
Herr Kollege Fuchtel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluß.
Vor diesem Hintergrund empfehle ich Ihnen sehr - damit Sie sich der Öffentlichkeit durch Ihren Spagat nicht noch weiter preisgeben -: Stimmen Sie der Rentenreform zu, damit wenigstens an diesem Punkt ein Stück Politik im Interesse der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemacht wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Abgeordneten Matthäus-Maier.
Herr Kollege Fuchtel, ich versuchte, eine Zwischenfrage zu stellen; da waren Sie aber schon am Ende Ihrer Rede.
Sie haben sich, wie ich finde, ein bißchen über unseren Vorschlag lustig gemacht, daß wir uns gemeinsam für die Senkung der Lohnnebenkosten einsetzen könnten. Ich möchte Sie hier fragen - weil die Bürgerinnen und Bürger erwarten, daß wir uns im Zuge dieser Haushaltsdebatte in einigen Punkten einigen -: Was können Sie dagegen haben, daß wir die Lohnzusatzkosten um zwei Punkte senken, einen Punkt bei der Rentenversicherung - dann steigt der Beitrag nicht auf die völlig verrückten 21 Prozent -, einen Punkt bei der Arbeitslosenversicherung, die versicherungsfremden Leistungen rausnehmen, und das über die allgemeinen Steuern finanzieren? Wir schlagen Ihnen vor: zur Hälfte über die ökologische Steuerreform und zur Hälfte über eine Mehrwertsteuererhöhung.
Ich weiß, daß Sie sich furchtbar über die Mineralölsteuer - sprich: über die ökologische Steuerreform - zanken. Darf ich Ihnen dazu einen Satz vorlesen?
Der Einsatz des Faktors Arbeit muß durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden, beides muß zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden - so lautet die Aufgabe.
Dieser Satz stammt aus der Rede von Herrn Schäuble in Ingolstadt.
Ingrid Matthäus-Maier
Angesichts dessen frage ich Sie: Warum können wir uns nicht zusammen auf diesen Kompromiß einigen: runter mit den Lohnzusatzkosten,
gegenfinanziert je zur Hälfte über die Öko- und die Mehrwertsteuer.
Herr Kollege Fuchtel, Sie können antworten.
Zunächst einmal: Die Rede des Fraktionsvorsitzenden war hervorragend; wir haben von ihr nichts zurückzunehmen.
Sie reden hier immer nur von den schöngeistigen Dingen; die schlimmen kommen hinterher, wenn man das Kleingedruckte liest. Es geht nicht um ein Hin oder Her von 2 Prozent, sondern darum, daß Sie im Köcher noch Forderungen haben, die zusätzlich Geld kosten. Über die reden Sie erst, wenn die Situation bereits eingetreten ist. Das merken die Leute erst später, und dann denken sie, das gehe auf die Bundesregierung, und die Koalition zurück. Das wollen wir nicht.
Deswegen müssen Sie mit uns schon Kompromisse schließen, die tatsächliche Entlastungen beinhalten. Diese Entlastungen machen nur Sinn, wenn sie aus dem System selber kommen. Wir müssen umfinanzieren und sparen, nicht nur umfinanzieren. Das ist die Parole. Wenn Sie sich darauf verständigen können, dann können wir vielleicht einig werden.
Zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich das Wort dem Abgeordneten Grund.
Der Herr Kollege Büttner hat in seiner Zwischenfrage an den Kollegen Fuchtel ausgeführt, daß die Rentenversicherung keine Probleme hätte, wenn die Lasten der deutschen Wiedervereinigung anderweitig verteilt worden wären.
Des weiteren hat er ausgeführt, es sei in keiner Versicherung möglich, nach Schadenseintritt die Mitgliedschaft einzuklagen.
Dazu ist folgendes festzustellen: Erstens. Der regionale Ausgleich ist eines der Grundprinzipien in der Sozialversicherung.
Niemand kam bisher auf die Idee, zu hinterfragen, ob es Sinn macht, daß ein großer Teil der Beiträge zur Sozialversicherung in strukturschwache Regionen der alten Bundesländer fließen. Ich bitte darum, daß wir damit aufhören, die neuen Bundesländer für Probleme der Sozialversicherung verantwortlich zu machen. Diese Diskussion tut uns in den neuen Bundesländern nicht besonders gut.
Zweitens. Die deutsche Wiedervereinigung ist kein Schadenseintritt, sondern ein Glücksfall und eine ständige Herausforderung an uns alle.
Ich bin mir nicht ganz klar darüber, ob sich diese Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Fuchtel bezog. Dennoch haben Sie die Möglichkeit, dazu noch etwas zu sagen, Herr Fuchtel. - Das wird nicht gewünscht.
Dann gebe ich der Abgeordneten Petra Bläss das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einem Ansatz von 150 Milliarden DM ist der Einzelplan 11 des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung erneut der größte Brokken des Haushalts. Doch selbst die Aufstockung um 3,3 Milliarden DM bietet keinerlei Anlaß zum Jubeln. Denn dieser Mehransatz war infolge Ihrer auf die Kürzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik bauenden unsozialen Politik nötig, nämlich für die Pflichtleistung Arbeitslosenhilfe.
„Ich kann gar nicht soviel sparen, wie die Arbeitslosigkeit Löcher in die Sozialkassen schlägt", lautete kürzlich die von Bundesarbeitsminister Blüm selbst gegebene Bankrotterklärung. „Das A und O des Sozialstaats" - wieder Zitat Blüm - „ist eine höhere Beschäftigung." Nur zeigt ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen des Vormonats, wie schlecht es um den Sozialstaat hierzulande steht: 4,29 Millionen Menschen waren im Oktober 1997 offiziell als erwerbslos registriert; das sind 424 000 mehr als ein Jahr zuvor. Trotz Halbierungsversprechen, Exportboom und Konjunkturbeschwörung - der Beschäftigungsabbau hat 1997 unvermindert angehalten. Und die Kette derer, die vor einem neuen Rekord der Arbeitslosenzahlen im Wahljahr 1998 warnen, reicht inzwischen bis zu den fünf Weisen und Bundeswirtschaftsminister Rexrodt.
Der für den Winter vorhergesagte Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf 5 Millionen wird die öffentlichen Finanzen durch Mehrausgaben und Minderein-
Petra Bläss
nahmen mindestens mit weiteren 32 Milliarden DM belasten. Damit sind die Haushaltsansätze im Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine katastrophale Fehleinschätzung, und die Handlungsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit ist zunehmend in Frage gestellt.
Fest steht jedenfalls, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit mit 14,1 Milliarden DM viel zu niedrig angesetzt ist. Erst gestern forderte der Nürnberger Verwaltungsrat eine Erhöhung des Bundeszuschusses um 2,5 Milliarden DM zur Aufstockung der Mittel für beschäftigungspolitische Maßnahmen - zu Recht, wie ich meine; denn gerade sie sollten die Brücken in den ersten Arbeitsmarkt aufbauen.
Daß Ostdeutschland mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von mittlerweile 19,5 Prozent immer mehr abgehängt wird, ist doch unmittelbare Folge des drastischen Abbaus arbeitsmarktpolitischer Instrumente. 190 000 Menschen waren 1997 weniger in Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Die Regelungen zum Altersübergangsgeld laufen aus, und die als Beschäftigungspuffer wirkende Kurzarbeit wird reduziert. All das ist auch Hauptursache für die besorgniserregende Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit Ost.
Einmal mehr sind es die Frauen, auf deren Rücken dieser Umstrukturierungsprozeß ausgetragen wird. Es ist noch gar nicht so lange her, da rühmten Sie sich mit dem hohen Frauenanteil in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Dieser Anteil ist im übrigen ein deutliches Signal für die ungeheure Flexibilität von Ost-Frauen.
Mit dem neuen Arbeitsförderungs-Reformgesetz und Ihren Haushaltsansätzen hauen Sie doch gerade dieses wichtige Standbein weg. Frauen im Osten sind überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Ich fürchte, an die Tatsache, daß mittlerweile 70 Prozent der Arbeitslosen im Osten Frauen sind, haben Sie sich schon längst gewöhnt. Durch Ihre von Sozialabbau und Deregulierung geprägte Politik werden die Frauen zunehmend in unterbezahlte und ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse und damit in die Armut gedrängt.
Ich halte es nach wie vor für ein starkes Stück, daß die Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. hier immer noch davon sprechen, daß der Einsatz für eine Versicherungspflicht dieser Beschäftigungsverhältnisse „familienfeindlich" und „unsozial" sei.
Auf jeden Fall - das kann ich Ihnen versichern - werden sich die Frauen nicht damit abfinden, daß Sie die Arbeitsmarktprobleme damit lösen wollen, daß Sie sie zurück an Heim und Herd schicken.
Mit welcher Arroganz - es ist die der Macht - die Bundesregierung den vielfältigen Herausforderungen begegnet, ist schon erschreckend. Da stellt sich Bundesarbeitsminister Blüm hin und behauptet, die
Bundesregierung habe ihren Teil zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beigetragen, und verweist dreist auf die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Eine solche Bilanz Ihres unsozialen Aktionsprogramms für Investitionen und Arbeitsplätze zu ziehen, nenne ich skandalös. Es war Ihre Rotstiftpolitik, die die Arbeitslosenzahlen in diesem Jahr so hat in die Höhe schnellen lassen. Ich verweise nur auf die massiven Einschnitte im Bereich der Rehabilitation. Die haben allein im Kurwesen 40 000 Arbeitsplätze gekostet.
Richtig wütend haben mich auch die Vorsätze gemacht, mit denen Bundeskanzler Kohl zum Europäischen Beschäftigungsgipfel nach Luxemburg gefahren ist: Alles weitermachen wie bisher; Beschäftigungspolitik sei eine nationale Angelegenheit; nur kein zusätzliches Geld bereitstellen. Es war die Bundesregierung, die die Leitlinien einer gemeinsamen europäischen Beschäftigungspolitik abgebremst hat. Sie haben dafür gesorgt, daß der Beschluß, arbeitslosen Jugendlichen spätestens nach sechs Monaten und Erwachsenen spätestens nach einem Jahr einen neuen Start zu ermöglichen, erst in fünf Jahren umgesetzt werden muß. Sie haben dafür gesorgt, daß nicht, wie ursprünglich vorgesehen, 25 Prozent, sondern nur 20 Prozent aller Arbeitslosen in Förderungsmaßnahmen untergebracht werden müssen. Was Wunder: Heute beträgt die hiesige Förderquote 22 bis 23 Prozent, und Sie sind gerade dabei, sie drastisch zu senken.
Was nötig ist, um die Krise des Sozialstaats und die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich nicht noch weiter zu verschärfen, ist eine Kehrtwende in der Politik. Deshalb fordert die PDS für 1998 erstens die Einrichtung eines Fonds für soziale und ökologische Gemeinschaftsaufgaben bei der Bundesanstalt für Arbeit, aus dem dauerhaft neue, zukunftsträchtige Tätigkeiten im soziokulturellen Bereich und im Umweltbereich finanziert werden.
Mit den Mitteln dieses Fonds soll mit dem Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors im regulären Arbeitsmarkt begonnen werden.
Dieser Sektor soll zwischen gewinnorientierter Wirtschaft und öffentlichem Dienst angesiedelt werden.
1998 könnten damit 100000 neue Arbeitsplätze finanziert werden. Allerdings bedarf es dazu tatsächlich eines Kurswechsels in der Arbeitsmarktpolitik. Denn die arbeitsmarktpolitischen Instrumente des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors richten sich auf die Entwicklung von Projekten mit sozialer, ökologischer und infrastruktureller Zielstellung. Arbeitsmarktpolitik bekäme damit eine gesamtgesellschaftliche Grundlage und würde sich aus den Entwicklungserfordernissen einer nachhaltigen und zukunftsträchtigen Wirtschaftspolitik ableiten.
Petra Bläss
Die PDS fordert für das kommende Haushaltsjahr zweitens die Erstattung der Sozialhilfeausgaben für Langzeitarbeitslose durch den Bund an die Kommunen. Bekanntlich haben im letzten Jahr die Sozialhilfeausgaben beständig zugenommen. Die Kommunen werden überproportional zur Finanzierung von sozialen Transferleistungen an erwerbslose Bürgerinnen und Bürger herangezogen.
Was wir fordern, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als die zweckgerichtete Verbesserung der finanziellen Handlungsspielräume der Kommunen. Dazu müßte der Bund zumindest die finanziellen Folgen der Kommunalisierung der Arbeitslosigkeit ausgleichen.
Drittens und schließlich fordert die PDS für 1998 die Sicherung der Qualifikation für die Zukunft. Für junge Menschen muß ein Recht auf Erstausbildung verwirklicht werden. Solange eine Ausbildungsumlagefinanzierung nicht per Gesetz auf den Weg gebracht ist und die Wirtschaft ihren Ausbildungspflichten nicht nachkommt, muß ein mittelfristiges Ausbildungsprogramm für 100 000 junge Menschen aufgelegt werden.
Meine Damen und Herren, der Bundesarbeitsminister hat mit der Vorlage des Einzelplans 11 in der Tat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Mit ihm wird eine Politik der Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt, die die soziale Polarisierung der Gesellschaft weiter verschärft.
Herr Minister Blüm, ich möchte Ihnen einen Rat geben: Statt ein Märchenbuch zu schreiben, hätten Sie hier und heute ein Programm zum wirksamen Abbau der Massenarbeitslosigkeit vorlegen sollen.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie müssen zum Ende kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme zum Schluß. - Der Problemberg, den Ihre Regierungspolitik zu verantworten hat, ist nicht mit einer „Glücksmargerite" zu lösen.
Ich gebe der Abgeordneten Ina Albowitz das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fuchtel hat es eben schon gesagt: Auch 1998 wird der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung mit rund 150 Milliarden DM der weitaus größte Einzeletat des Bundes sein. Das heißt: Nach wie vor wird jede dritte Mark unseres Etats für Soziales ausgegeben.
Dies belegt zweierlei. Es belegt zum einen, daß die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen ihre soziale Verantwortung ernst nehmen und ihr gerecht werden. Zum anderen sind diese Zahlen ein Spiegelbild der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Dabei sind wir in einen gefährlichen Kreislauf geraten: Hohe Steuern und Abgaben belasten den Faktor Arbeit und damit die einzelnen Arbeitsplätze. Unternehmen, die ihre Kosten senken müssen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, haben gerade in den letzten Jahren auf Personalabbau gesetzt. Das hat die Kosten für die verbleibenden Arbeitsplätze wieder in die Höhe getrieben. Im Ergebnis hat der Gesamtbeitrag zu den sozialen Sicherungssystemen seit 1992 um rund 5,5 Prozent zugenommen.
Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen, meine Damen und Herren, wenn wir im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit Erfolg haben wollen. Notwendig ist zweifellos und an erster Stelle eine Steuerreform. Notwendig ist aber auch eine Senkung der Abgaben. Inzwischen ist jeder Arbeitsplatz mit mehr als 40 Prozent an gesetzlichen Lohnzusatzkosten belastet. Das darf nicht so bleiben; das höre ich auch immer wieder in diesem Hause. Wir müssen wieder unter die 40-Prozent-Marke kommen.
Ich räume ein, daß es im Moment nicht danach aussieht. Aber es war die Koalition, die in dieser Wahlperiode alle sozialen Sicherungssysteme auf den Prüfstand gestellt hat. Wir haben grundlegende Strukturreformen gegen den Widerstand der Opposition in diesem Hause durchgeführt, die zum Teil erst in späteren Jahren wirken werden, weil lange Übergangszeiten notwendig sind und gemäß Art. 14 Grundgesetz geschützte Eigentumspositionen gewahrt bleiben müssen.
Dennoch haben wir dringend erforderliche und schwierige Weichenstellungen vorgenommen. Mittel- bis langfristig werden die Lohnzusatzkosten sinken, wenn die getroffenen Beschlüsse ihre volle Wirkung entfaltet haben.
Meine Damen und Herren, die Rentenreform 1999 ist dabei ein wichtiger Meilenstein. Mit ihr steht die gesamte Rentenversicherung nach wie vor im Zentrum der öffentlichen Debatte und leider auch des parteipolitischen Streits. Der Anstieg des Beitragssatzes auf voraussichtlich 21 Prozent im Jahre 1998 hat jetzt alle in unserem Land aufgeschreckt.
Die F.D.P. warnte aber schon lange vor dieser Entwicklung und hat mit ihrer Forderung nach einer Strukturreform leider allzulange gegen die Wand der Besitzstandswahrenden geredet.
Herr Kollege Schreiner, ich weiß, daß Sie immer dazwischenreden müssen. Aber ich habe bereits vor
Ina Albowitz
vier Jahren zum Haushalt geredet und Sie auf genau dieses Problem aufmerksam gemacht.
Die Hintergründe des Anstiegs sind vielfältig, aber die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sind garantiert nicht der Grund dafür, auch wenn das manche in diesem Hause und anderswo immer wieder behaupten. In Wahrheit - das wissen alle - stellt die demographische Entwicklung die Rentenversicherung vor riesige Probleme, und die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit lastet wie ein Mühlstein auf der Rentenkasse. Das sind Probleme, die wir bekämpfen müssen, und zwar gemeinsam. Daran müssen wir gemeinsam mit Hochdruck arbeiten.
Natürlich - auch das muß gesagt werden - gibt es Belastungsfaktoren für die Rentenversicherung, die wir zugunsten wichtiger Ziele in anderen Politikbereichen in Kauf genommen haben. Dazu gehört zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie wurde zwar in viele Tarifverträge nicht aufgenommen, dies ist aber von den Gewerkschaften mit Zugeständnissen an anderer Stelle erkauft worden. Die deutsche Wirtschaft hat dadurch erhebliche Milliardenbeträge gespart. Das ist auch gut so;
denn es stärkt die Wettbewerbsfähigkeit.
Aber - auch das müssen wir sagen - sie fehlen in der Rentenkasse.
Nicht nur die Einnahmen der Rentenkassen werden geringer, sie haben nach wie vor hohe Zusatzbelastungen, beispielsweise infolge der Frühverrentung. Die Übergangsregelungen bei der Abschaffung der alten Form der Frühverrentung war außerordentlich großzügig, und das wissen wir auch. Das bürdet den Rentenkassen nach wie vor jedes Jahr Hunderttausende von Frührentnern auf, die im Alter von 60 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen. Allein in diesem Jahr werden es rund 240000 Männer und Frauen sein.
Diese Zahl und die Diskussion über die Zukunft unseres Rentenversicherungssystems belegen: Die Rentenreform 1999 ist wichtiger denn je. Schon jetzt fragen junge Leute in unserem Land, ob und was sie aus der Rentenkasse erwarten können. Alterssicherung braucht langfristige Planung. Die Jungen haben einen Anspruch darauf, reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. Wir müssen ihnen nämlich sagen, daß private Vorsorge nötig ist, um den Lebensstandard im Alter abzusichern.
Wer das heute nicht sagt, führt die junge Generation doppelt hinters Licht: Er mutet ihr heute hohe
Beiträge und später geringe Renten zu, gleichzeitig nimmt er ihr die Möglichkeit, dies rechtzeitig, das heißt, jetzt, auszugleichen.
Meine Damen und Herren, noch ein kurzes Wort zur Umfinanzierung der Rentenversicherung. Es ist wirklich eine abenteuerliche Diskussion über die Erhöhung der Mehrwertsteuer entbrannt: Mal soll sie um einen Prozentpunkt, mal um zwei erhöht werden, und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz forderte am Sonntag sogar eine dreiprozentige Erhöhung,
was die organisierte Meinungsvielfalt namens SPD - Frau Kollegin, ich weiß ja, wie das geht - sofort zurückweist. Aber Sie sollten aufpassen, Frau Matthäus-Maier: Der Ministerpräsident eines Bundeslandes ist in den Augen der Öffentlichkeit qualitativ anders zu bewerten als ein Abgeordneter, der möglicherweise nicht immer in der vordersten Reihe steht. Darin sind wir nicht ganz uneinig.
Das alles kommt mir vor wie eine Buchung von der rechten Tasche in die linke Tasche. Bezahlen muß das aber wie immer der Bürger. Um es ganz klar zu sagen: Wir wissen, daß die Rentenstrukturreform nur langfristig wirkt. Daher hat die Koalition in diesem Hause vor noch nicht einmal einem Monat beschlossen, die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zu erhöhen, um die Rentenkasse in diesem Umfang zu entlasten.
Ich kann Sie von der Opposition heute nur noch einmal bitten, dem Konzept im Bundesrat zuzustimmen. Aber dabei sollte es bitte schön bleiben; denn es können weder die Steuerzahler noch die Autofahrer über eine Erhöhung der Mineralölsteuer ständig zum Stopfen der Löcher in den Sozialsystemen herangezogen werden.
Es geht auch nicht an, daß die Fehlbeträge in der Rentenversicherung dadurch ausgeglichen werden, daß ständig neue Personenkreise zum Schröpfen erschlossen werden.
Damit sind wir wieder einmal - weil es heute morgen bereits eine Rolle gespielt hat, will ich es noch einmal ansprechen - beim Thema der geringfügig Beschäftigten.
Für die F.D.P. ist es ganz klar: Sinn und Zweck der 610-DM-Jobs ist nicht, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aufzuspalten und in
Ina Albowitz
610-DM-Jobs zu zerlegen. Darüber gibt es heute aber noch keine gesicherten Erkenntnisse.
- Ach, meine Damen und Herren! Da wir gestern so viel von Bildung geredet haben, lese ich Ihnen etwas aus dem „Handelsblatt" von heute vor:
Das Kölner Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik hat seine 1992 vorgelegte Studie zum Thema Geringverdienerjobs im Auftrag des Ministeriums wiederholt. Die Einzelheiten werden voraussichtlich erst im April nächsten Jahres veröffentlicht werden. Die unterschiedlichen Zahlenabgaben, die heute schon da sind, belegen eine alte Statistikerweisheit: Das Ergebnis einer Erhebung hängt immer von den Fragen ab, die man stellt.
Wenn wir uns in diesem Hause noch einen Hauch von Seriosität zumuten wollen, dann müssen wir das Gutachten und die statistischen Erhebungen abwarten. Dann, Herr Büttner, reden wir weiter.
Aber auch die Verteuerung dieser Arbeitsverhältnisse würde dazu führen, daß gerade diese Jobs wegrationalisiert, ins Ausland verlagert und in die Schattenwirtschaft gedrängt würden. Bislang liegt keine Lösung auf dem Tisch, die genau dies verhindert. Viele Branchen brauchen das flexible Instrument der 610-DM-Jobs, um Nachfragespitzen abzufedern. Vor allem Frauen, Studenten, Schüler und Rentner brauchen diese Arbeit auch in Zukunft, um etwas hinzuzuverdienen. Daher steht meine Fraktion ohne Wenn und Aber zur Beibehaltung dieser Beschäftigungsverhältnisse.
Noch etwas in diesem Zusammenhang: Für die Rentenversicherung bedeutet die Erschließung neuer Versicherter, das heißt, der geringfügig Beschäftigten, im übrigen kein Geschäft. Was heute möglicherweise hilft, belastet in Zukunft, wenn die neuen Versicherten ihre Ansprüche in Form von Erwerbsunfähigkeitsrenten oder vorgezogenen Altersrenten geltend machen, die Kassen, und das dann ausgerechnet in einer Zeit, in der die Rentenversicherung auf Grund der demographischen Entwicklung ohnehin in schwierige Fahrwasser gerät. Das ist für uns keine Lösung.
Ich möchte an dieser Stelle gern etwas zum Thema Regionalisierung der Sozialversicherungen sagen. Die Forderung kam zunächst vor allem von einer bedeutenden Partei des tiefen Südens. Da der Populismus leider keine Grenzen kennt, wird diese absurde Idee nun auch von Herrn Biedenkopf mitgetragen.
Ich kann dazu nur sagen: Wer vermeintliche Länderinteressen so einseitig in den Vordergrund stellt, erweist dem Föderalismus einen Bärendienst.
Wir - das hat uns in diesem Hause immer geeint - wollen eine Angleichung der Lebensbedingungen in ganz Deutschland. Diesem Ziel dient auch die einheitliche Sozialversicherung. Offensichtlich hat man in Süddeutschland völlig vergessen, daß die dortige Wirtschaftskraft auch den Hilfen der ehemals reichen Nordländer zu verdanken ist. Aber in Sachsen scheint selbst das Kurzzeitgedächtnis inzwischen abhanden gekommen zu sein.
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik soll belohnt werden; auch wir wollen das. Aber dieser Weg ist der falsche.
Ich darf der Kollegin Stamm in Bayern einen guten Rat geben - schade, daß sie heute nicht hier ist -: Kümmern Sie sich lieber um die Zusammenlegung von sage und schreibe fünf Landesversicherungsanstalten,
die sich allein in Bayern um die Renten der Arbeiter kümmern. In Nordrhein-Westfalen - darauf bin ich sogar richtig stolz - kommt man mit zwei aus. Reformen beginnen auch vor der eigenen Haustür.
Bei über 4 Millionen Arbeitslosen bleibt die Bekämpfung dieses Mißstandes die zentrale Aufgabe der Politik. Ein besonderes Problem ist natürlich - es ist eben schon davon gesprochen worden - die Langzeitarbeitslosigkeit. Jeder dritte Arbeitslose ist inzwischen länger als ein Jahr ohne Arbeit. Das ist nicht nur für die Betroffenen selbst ein unerträglicher Zustand, sondern es belastet auch die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit, der Rentenversicherer und die Sozialhilfekassen der Kommunen. Jeder weiß: Je länger dieser Zustand dauert, desto schwieriger ist der Weg zurück ins Arbeitsleben.
Deshalb brauchen diese Menschen unsere besondere Hilfe. Das erfordert Phantasie und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Deswegen haben wir das Programm zur Erprobung neuer Wege aus der Arbeitslosigkeit auf den Weg gebracht und im Haushalt 1998 von 70 Millionen DM auf 120 Millionen DM aufgestockt.
Ein letztes Wort zur Bundesanstalt. Ich bin sehr froh, daß es uns - auf Drängen meiner Fraktion - gelungen ist, im Haushalt der Bundesanstalt eine wichtige Veränderung herbeizuführen. Ab 1998 ist das sogenannte Überbrückungsgeld mit dem Arbeitslosengeld deckungsfähig. Das heißt, ein Existenzgründer kann jetzt während der anfänglichen Durststrecke, bis sich das neue Geschäft trägt, Arbeitslosengeld,
Ina Albowitz
auf das er aus früheren Beitragszahlungen einen Anspruch hat, in Form von Überbrückungsgeld erhalten.
Wir wollen auch vereinbaren, daß die Arbeitsämter bei der Verwaltung dieser Gelder freie Hand haben. Das erleichtert den Weg in die Selbständigkeit, hilft den jungen Existenzen und entlastet natürlich auch die Kassen, einschließlich der unseres Bundesfinanzministers.
Sozialpolitik als sehr lebendiger Rechtsbereich, in dem sich viele zu Hause fühlen, aber von dem nicht immer alle etwas verstehen. Ich fordere die Opposition dieses Hauses auf - ich meine das wirklich ernst, auch als Gesprächsangebot -: Bitte beteiligen Sie sich an den Reformen. Das sind wir den Menschen in Deutschland schuldig.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe der Abgeordneten Renate Jäger das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über den Arbeits- und Sozialhaushalt 1998 sprechen, so kann man feststellen, daß er mit seinem Ansatz der Realität etwas näherkommt als der 1997er Haushalt. Das gilt auch für den Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit.
Beim genaueren Hinsehen jedoch relativiert sich diese Nähe zur Wirklichkeit. Das wird besonders deutlich, wenn wir einen Blick auf die neuen Bundesländer werfen. Die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland betrug im Oktober dieses Jahres 18,2 Prozent. Sie ist fast doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. Von dem Zuwachs von 420000 Arbeitslosen innerhalb eines Jahres entfielen auf den Westen zirka 150000, auf den Osten 270000. Setzt man diese Zahlen dann auch noch in Relation zur Anzahl der Erwerbspersonen, bedeutet dies, daß die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern um mehr als das Siebenfache gestiegen ist als in den alten Bundesländern. Wer dabei noch von Angleichung der Lebensverhältnisse spricht, hat jeden Blick für die Realität verloren.
Herr Fuchtel, wenn das Ihr Ergebnis ist, den Arbeitsmarkt zu gestalten, anstatt ihn zu verwalten, wie Sie das in Ihrer Rede gesagt haben, dann ist das für meine Begriffe schon eine erschreckende Bilanz.
Eher müßte man hier doch die Frage stellen, ob eine solche Politik überhaupt noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Feilcke?
Ja.
Herr Kollege Feilcke.
Frau Kollegin Jäger, könnten Sie uns, nachdem Sie über die Arbeitslosenquoten gesprochen haben, netterweise mitteilen, wie die Beschäftigungsquoten im Vergleich zwischen Ost-Berlin und West-Berlin bzw. zwischen den östlichen Bundesländern und den westlichen Bundesländern sind?
Ich werde im weiteren Verlauf meiner Rede einige Zitate aus der Presseerklärung der Bundesanstalt für Arbeit vom 5. November dieses Jahres anführen.
Wenn Sie diese einmal genau betrachten, dann finden Sie ähnliche Relationen, wie sie für das Arbeitslosenverhältnis angegeben worden sind, auch für die Beschäftigung und den Abbau von Beschäftigung.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Frau Kollegin? - Bitte schön, Herr Feilcke.
Frau Kollegin Jäger, ist Ihnen bekannt, daß die Arbeitslosenquoten in den östlichen Berliner Bezirken erheblich niedriger sind als in den westlichen Berliner Bezirken, und - um zum ersten Teil meiner Frage zurückzukommen - ist Ihnen bekannt, daß die Beschäftigtenquoten - übrigens auch bei Frauen - im Osten wie im Westen Deutschlands etwa auf dem gleichen Stande sind, das heißt, daß die Arbeitslosenquote sehr häufig deshalb so hoch ist, weil die Beschäftigung in der früheren DDR sehr hoch war?
Ich habe die jeweiligen Arbeitslosenzahlen für Ost- und West-Berlin nicht im Kopf. Ich wüßte sie eher für Sachsen und andere ostdeutschen Länder. Aber eines liegt bei Ihrer Frage doch sehr nahe: Der sächsische Ministerpräsident spricht insbesondere im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit von Frauen immer gern von der hohen Erwerbsneigung der Frauen, die er als negativ hinstellt. Ich denke, in diesem Sinne ist auch Ihre Frage zu verstehen.
Die drastischen Einbrüche, die der unzureichende Haushalt 1997 bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik verursacht hat, haben zu der ungleichen Entwicklung in erheblichem Maße beigetra-
Renate Jäger
gen. Auch wenn sich die Kollegen der Koalition gern damit brüsten, daß in den neuen Ländern einzelne arbeitsmarktpolitische Instrumente wie zum Beispiel die Lohnkostenzuschüsse für Wirtschaftsunternehmen in den neuen Ländern zunehmend und positiv in Anspruch genommen werden, kann das die Negativtendenzen nicht verdecken.
Ich zitiere aus der Pressemitteilung, die ich schon eben angekündigt habe:
In den neuen Ländern ... wirkt sich die Rückführung der Arbeitsmarktpolitik belastend aus. Alles in allem haben die ungünstigen Tendenzen am Arbeitsmarkt angehalten.
Oder an anderer Stelle:
Daß die Arbeitslosigkeit nach wie vor beträchtlich über dem Niveau des Vorjahres liegt, hängt weiterhin vor allem mit der geringen Entlastung durch Arbeitsmarktpolitik zusammen.
Diese kontraproduktive Politik muß ein Ende haben.
Im Oktober dieses Jahres wurden durch arbeitsmarktpolitische Instrumente 240 000 Maßnahmen weniger gestützt als noch vor einem Jahr. Abgesehen von den Folgen für die Arbeitslosen, frage ich: Haben Sie sich denn überhaupt schon einmal Gedanken darüber gemacht, welche Folgen das für die Trägerlandschaft in Ostdeutschland hat? Die in einzelnen Regionen recht gut entwickelten Trägerstrukturen sind durch Ihre Kürzungspolitik zu großen Teilen wieder weggebrochen. Die Schwierigkeiten mit der Kofinanzierung taten das Ihrige dazu.
Es ist also zu befürchten, daß durch die zerstörten Strukturen die eingestellten Mittel nicht entsprechend den Notwendigkeiten abgerufen werden können. Ich höre schon jetzt, wie diese Regierung dann verkünden wird: Was wollt ihr denn? Wir haben doch alles getan. - In Wirklichkeit hat aber Ihre chaotische Politik die Möglichkeiten für kontinuierliche und verläßliche Arbeit zerstört. Das ist die Wahrheit.
Selbst wenn dies nicht eintritt, gesetzt den Fall, der Abfluß der Gelder ist also gewährleistet, dann würden die vorgesehenen Mittel höchstens dazu reichen, den alten Stand von Ende 1996/Anfang 1997 wiederherzustellen, der aber schon damals unzureichend war. Angesichts der letzten Schätzungen des Sachverständigenrates von 5 Millionen Arbeitslosen, die wir im kommenden Jahr zu erwarten haben, entfernt sich dieser Mittelansatz weiter von der realen Situation am Arbeitsmarkt.
Nach Meinung der Sachverständigen ist ein weiterer Einbruch insbesondere in der ostdeutschen Bauindustrie zu erwarten. Wenn jedoch der Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Michael Knipper, in diesem Zusammenhang von mehr als 20 Prozent Überkapazitäten in der ostdeutschen Bauwirtschaft spricht und daher eine erhebliche Zunahme der Arbeitslosigkeit erwartet, dann ist das doch nicht als Naturereignis hinzunehmen.
Es war doch gut, daß sich die Ostförderung positiv auf die Entwicklung der Baubranche im Osten auswirkte und sich dort entsprechende Strukturen entwickelten. Wenn aber insgesamt die Förderung zurückgefahren wird, dann ist diese Bundesregierung doch wohl auch dafür verantwortlich, diesen Anpassungsprozeß in der Branche mitzugestalten. Wenn Sie das über wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht schaffen, dann, bitte schön, subsidiär durch Begleitung mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluß. - Meine Damen und Herren, die wirkliche Situation auf dem Arbeitsmarkt und die dort zu erwartende Entwicklung wird in diesem Haushalt verschleiert. Mit den Worten des Schriftstellers Frank Thieß möchte ich sagen:
Die Wahrheit ist eine unzerstörbare Pflanze. Man kann sie ruhig unter einen Felsen vergraben, sie stößt trotzdem durch, wenn es an der Zeit ist.
Und das wird spätestens beim nächsten Nachtragshaushalt der Fall sein. Mit dieser Hinterlassenschaft müssen sich dann voraussichtlich aber andere beschäftigen.
Danke schön.
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Hermann Kues das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Frau Dr. Wegner hat heute morgen gesagt, der Einzelplan 11 und hier speziell das Kapitel 11 12, zu dem ich reden will, sei ein Spiegelbild der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht. Es ist nur die Frage, welche Schlußfolgerung man daraus zieht.
Wenn ich mir die Schlußfolgerung ansehe, die Sie angesprochen haben, etwa daß Sie den Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit und den Arbeitslosenhilfetitel kritisieren, dann muß ich feststellen, daß das nicht ganz zu den Änderungsanträgen paßt, die Sie gestellt haben. Vielleicht hat sie jemand anderes gestellt; jedenfalls hat Herr Scharping sie unterzeichnet. In diesen Änderungsanträgen steht - das ist Ihr Deckungsvorschlag für andere Maßnahmen, die Sie gerne wollen -, daß der Arbeitslosenhilfetitel um 214 Millionen DM gekürzt werden soll. Dort steht desgleichen, der Zuschuß zur Bundesanstalt für
Dr. Hermann Kues
Arbeit soll um 514 Millionen DM gekürzt werden. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen.
Wenn Sie sich für die Steuergroschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verantwortlich fühlen - das ist unsere Aufgabe, wenn wir haushaltspolitisch verantwortlich darangehen -, können Sie sich nicht damit zufriedengeben, daß etwa die Selbstverwaltung sagt: Wir hätten gerne 2 oder 3 Milliarden DM mehr. Wir wissen, daß 1997 41,6 Milliarden DM aufgewandt worden sind und daß es 1998 45,6 Milliarden DM sein werden. Unsere Aufgabe ist es daher - das zeigen auch die Zahlen in Kapitel 11 12 -, uns zu überlegen, was man mit diesem Geld anfangen soll. Deswegen sagen wir: Wir müssen uns die Strukturen ansehen, damit wir mit dem vorhandenen Geld mehr zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit tun können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie ein Zwischenfrage des Abgeordneten Schreiner? - Sie machen keinen Punkt und kein Komma, so daß man gar nicht dazwischenkommt.
Ich habe auf die Uhr geschaut und gedacht, ich muß zügig reden. - Bitte sehr.
Herr Kollege, Sie haben den Eindruck erweckt, als ob Änderungsanträge mit dem Ziel gestellt hätten, auf den beiden von Ihnen genannten Feldern Kürzungen durchzusetzen. Das wäre aber geradezu paradox.
Ich frage Sie, ob es richtig ist, daß wir gerade auch in der Nachfolge des Beschäftigungsgipfels von Luxemburg einen Änderungsantrag gestellt haben, wonach wir ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit mit einem Bruttokostenvolumen von etwa 1,3 Milliarden DM fordern und dann gesagt haben, das führe, da wir die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik deutlich sinnvoller und umfänglicher einsetzen, als dies die Bundesregierung beabsichtigt, natürlich umgekehrt zu Ersparnissen bei den Lohnersatzleistungen, die wir dann auch quantifiziert haben?
Sie wollen zweifelsohne damit ein bestimmtes Programm finanzieren. Aber ich sage Ihnen auch, was Sie damit im wesentlichen machen wollen. Sie wollen damit die klassischen Instrumente, nämlich Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse usw., ausweiten. Davon erhoffen Sie sich, daß der Ansatz für Arbeitslosenhilfe und der Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit gesenkt werden können. Das halte ich aber für völlig unrealistisch und auch für abwegig.
Es gibt für mich zwei Kernaussagen, die sich auch in unserem Zahlenwerk niederschlagen. Zum einen sagen wir: Es muß stärker Arbeit organisiert werden, anstatt daß Arbeitslosigkeit finanziert wird. Zum anderen sagen wir, daß die Gewährung staatlicher Fürsorgeleistungen, soweit es sich nicht um Versicherungsleistungen handelt, an eine Gegenleistung gebunden wird, wenn dies irgendwie zumutbar ist.
Das erfordert der sparsame Umgang mit den Steuergroschen. Wir sagen also: Zunächst muß Arbeit organisiert werden, und dann kann man sehen, ob man Geld dazugibt, weil das Geld, das mit der Arbeit verdient wird, nicht ausreicht.
Dazu haben wir einen einfachen, aber, wie wir hoffen, wirkungsvollen Vorschlag gemacht. Wir haben nämlich gesagt, daß beim Kapitel 11 12 ein Leertitel eingefügt werden soll, der einen Verstärkungsvermerk zu Lasten des Arbeitslosenhilfetitels erhält. Darüber können Honorare für Dritte bezahlt werden, die Langzeitarbeitslose erfolgreich vermitteln. Denn wir meinen, daß wir das, was die Kommunen im Bereich der Sozialhilfe teilweise sehr gut hinbekommen haben, auch auf die Arbeitslosenhilfe übertragen können, so daß nicht vom Staat und vom Steuerzahler immer mehr Geld gefordert wird, sondern mit dem vorhandenen Geld mehr Arbeit geschaffen wird.
Ich will Ihnen ein ganz konkretes Beispiel nennen. Ich vermag überhaupt nicht einzusehen, daß wir einem 27jährigen Langzeitarbeitslosen Arbeitslosenhilfe von im Schnitt 1200 DM netto - das bedeutet einen Aufwand für den Steuerzahler in Höhe von 1800 DM - ohne jede Gegenleistung geben.
Ich finde, das gebietet auch der Respekt vor demjenigen, der diese Kosten aufzubringen hat; das sind die steuerzahlenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich habe den ganzen Morgen von Ihnen - ich habe sehr genau zugehört - eigentlich immer nur Vorschläge dazu gehört, wie man die Einnahmenseite erhöhen kann. Sie machen sich aber selten Gedanken über die Ausgabenseite.
Deswegen ist das nicht überzeugend.
Gestern hat der Ministerpräsident des Saarlandes gesagt, wir müßten erst einmal gucken, wieviel Geld wir bräuchten, und hat dann irgendwo eine Durchschnittsrente genannt. So kann man vielleicht vorgehen, wenn es irgendeine andere Instanz gibt, vielleicht die Bundesebene, die notfalls nachschießt. Diese Chance haben wir aber nicht; wir müssen vielmehr mit dem klarkommen, was wir als Steuern und Beiträge einnehmen.
Dr. Hermann Kues
Ich sage auch ganz deutlich: Wenn wir Dritte für die Vermittlung einschalten - ich persönlich denke dabei an engagierte Kommunen, die im Bereich der Sozialhilfeempfänger erfolgreich gearbeitet haben -, dann müssen wir auch die Listen der Arbeitslosenhilfebezieher diesen Dritten zur Verfügung stellen. Der Kollege Fuchtel hat das im Zusammenhang mit dem Internet schon angesprochen. Die Beziehung zwischen demjenigen, der das Geld aufbringt, und demjenigen, der es bekommt, muß über die Anonymität des Bankkontos hinausgehen.
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir es so schaffen, die vorhandenen Mittel stärker auf diejenigen zu konzentrieren, die es wirklich nötig haben. Das Ganze rechnet sich, wenn es vernünftig gemacht wird. Selbst wenn wir 2 000 DM für den Vermittler ausgeben, kommt es zu einer durchschnittlichen Einsparung von 9 000 DM im Westen und von 7 000 DM im Osten, wenn ein Arbeitsloser für ein halbes Jahr vermittelt wurde.
Ich finde es auch gut und begrüße es - das ist bei uns durchaus kontrovers diskutiert worden -, daß wir für die zusätzlichen Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik den Etat auf immerhin 120 Millionen DM aufstocken, weil ich der Auffassung bin, gute Haushaltspolitik muß klar sagen, wo gespart werden soll, sie muß aber auch klar sagen, wo sie Akzente setzen will.
Wir wollen Akzente bei der Strukturveränderung und bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit setzen. Wir wollen Arbeit organisieren, anstatt lediglich Geld auszugeben.
Das kann man auch dem Zahlenwerk im vorgelegten Einzelplan 11 und speziell im Kapitel 11 12 entnehmen. Wir haben ja einen Anstieg der Ausgaben und keine Reduzierung, wie Sie es deutlich zu machen versuchten, Frau Jäger. Die Ausgaben steigen ja.
Wir glauben, daß wir sehr innovativ gewesen sind und Veränderungen angebracht haben, die uns eine dreifache Schwerpunktsetzung gestatten: Erstens werden die Anreize auf dem Arbeitsmarkt verändert; Arbeit muß sich lohnen. Zweitens wollen wir Arbeit stärker organisieren, anstatt nur Geld zu zahlen. Drittens wollen wir eine wirksame Arbeitsvermittlung und durch sie am besten auch noch Geld sparen.
Das ist sozial- und arbeitsmarktpolitisch vernünftig und haushaltspolitisch notwendig.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Andrea Fischer, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von diesen engagierten Bemühungen zum Abbau der Arbeitslosigkeit war wenig zu spüren, als es im Vorfeld des europäischen Beschäftigungsgipfels um die Frage ging, was sein Sinn und Nutzen sein könnte.
Inzwischen haben sich die Mitgliedstaaten der EU in Luxemburg zu einer beschäftigungsfördernden Politik verpflichtet.
Daß es aber ein so derartig mühevoller Weg bis hin zu diesem Ergebnis war und daß diese Verpflichtung eher zögerlich und kleinmütig eingegangen wurde, geht eindeutig auf das Konto der Bundesregierung. Wäre es nach Helmut Kohl gegangen, so wäre aus Luxemburg nichts anderes als tiefes Bedauern über 18 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union gekommen.
- Nein, das ist wirklich ziemlich grotesk: Die neue britische Regierung gibt die jahrelange Blockadepolitik ihres Landes endlich auf, aber Helmut Kohl wandelt auf den Spuren John Majors.
Großbritannien ist endlich auf dem Weg nach Europa. Deutschland soll gleichzeitig in sozialpolitische Kleinstaaterei zurückfallen. Die Bayern und Baden-Württemberger huldigen fröhlich dem Wohlstandschauvinismus und haben immer noch nicht gemerkt, daß Sindelfingen nicht überall ist.
Unterdessen nimmt es unser Bundeswirtschaftsminister mit einer geradezu erstaunlichen Gelassenheit hin, daß es bei uns demnächst vielleicht 5 Millionen Arbeitslose geben könnte. Mir hat sich die Frage aufgedrängt, ob man diesem Problem mit einem schlichten Dreisatz beikommen kann: Wenn wir bis zum Jahre 2000 4 Millionen Arbeitslose halbieren können, wie lange dauert es dann, bis wir 5 Millionen Arbeitslose halbiert haben?
Oder glaubt die Bundesregierung: Je mehr Arbeitslose, desto mehr gebe es zu halbieren, und man könne das alles auch noch beschleunigen? Darüber hätte ich gerne heute noch einmal Auskunft.
Unser Land hat eine schwere Krise zu meistern und ist dabei geschlagen mit einer reformunfähigen Regierung. Wir wollen von Ihnen keine leeren Versprechungen mehr hören. Wir brauchen keine großspurigen Zielvorgaben für Helden der Arbeit, wir brauchen eine Politik, die die Umbrüche der Erwerbsgesellschaft versteht und gestaltet. Es gibt nämlich kein Zurück zu einer Vollbeschäftigung nach dem Muster der 70er Jahre. Auch wenn Sie uns durch noch so viele Täler der Tränen schicken, werden Sie die Verhältnisse der 70er Jahre nicht wiederbekommen.
Andrea Fischer
Sie verkaufen uns als Ihr spezielles Tal der Tränen die Deregulierung als den richtigen Weg zu mehr Beschäftigung. Aber diese Politik betreiben Sie doch jetzt seit Jahr und Tag, ohne daß sie den von Ihnen beschworenen Erfolg hat. Da stellt sich der Bundesarbeitsminister hin und sagt mit treuherzigem Augenaufschlag, daß die Unternehmer schuld seien, weil sie ja schließlich nicht eingestellt hätten.
Was heißt das? Offenbar löst die Angebotspolitik nach dem Muster der Bundesregierung nicht starke wirtschaftspolitische Impulse aus, sondern sie muß mit moralischen Appellen an die Unternehmen hantieren. Es stellt doch Ihre ganze Politik der letzten Jahre in Frage, daß alle grausamen Maßnahmen, die Sie uns mit dem Argument der Beschäftigungsförderung verkauft haben, nur das glatte Gegenteil erreicht haben.
Den Strukturwandel der Erwerbsgesellschaft zu gestalten erfordert eine positive Idee von der Zukunft dieser Erwerbsgesellschaft, eine Idee von einer Gesellschaft, in der die Teilhabe am Erwerbsleben unverzichtbar ist. Diese Teilhabe kann die verschiedensten Formen annehmen. Oberste Bedingung muß sein, daß niemand dauerhaft von Erwerbstätigkeit ausgeschlossen wird. Das heißt, der Arbeitsmarkt muß durchlässig sein und Optionen eröffnen. Alte Normen müssen radikal über Bord geworfen werden.
Daß wir Arbeit umverteilen müssen, ist nicht schlecht, sondern eine Riesenchance. Es ist doch ein Unding, daß Eltern ausgerechnet dann, wenn ihre Kinder klein sind und sie am meisten brauchen, die längsten Arbeitszeiten haben. Wieso nehmen wir es eigentlich immer noch hin, daß Väter ihre Kinder bestenfalls am Wochenende sehen, während die Mütter keine Chance erhalten, neben der Kindererziehung erwerbstätig zu sein?
Warum leisten wir uns immer noch in großem Stil die Absurdität, daß wir auf die Erfahrung einer ganzen Generation, nämlich der, die Mitte fünfzig ist, verzichten, indem wir sie in den vorzeitigen Ruhestand schicken, anstatt Teilzeitarbeitsplätze für sie zu schaffen?
Die Neugestaltung der Arbeitswelt erfordert soziale Phantasie und ein soziales Netz, das dieser tiefgreifenden Veränderung einen Rahmen gibt.
Sie von der Regierungskoalition beklagen immer wieder, die Menschen würden Besitzstandswahrung betreiben, sie hätten Angst vor Veränderung, und deswegen wären sie gegen Ihre Maßnahmen. Das ist falsch; denn die Menschen verändern sich doch längst. Gucken Sie sich doch die jungen Leute an, die sich heute auf vielfältig verschlungenen Wegen in das Arbeitsleben einfädeln. Millionen junger Paare mit Kindern handeln täglich die Arbeitsteilung untereinander aus. Immer mehr Menschen arbeiten in Beschäftigungsverhältnissen, die der alten Norm des Regelarbeitsverhältnisses längst nicht mehr entsprechen.
Das, was da passiert, bedeutet oftmals einen Zugewinn an Freiheit und neuen Möglichkeiten. Genausohäufig ist es allerdings voller Risiken und verlangt unglaublich viel an Flexibilität und Verzicht. Für diese neuen Risiken brauchen wir neue Sicherungsformen. Das haben Sie nicht verstanden, und deshalb fühlen sich die Menschen von Ihrer Politik nicht mehr verstanden und in unserem Sozialstaat immer schlechter aufgehoben.
Die Hypothek, mit der wir ein solch verändertes Netz gestalten müssen, ist allerdings gewaltig. Da ist der jüngste Bundesbankbericht, der wirklich dramatische Zahlen dafür nennt, wie wir die künftigen Generationen belasten werden, nur eines von vielen Signalen. Ich weiß um all die methodischen Einwände dagegen. Aber die Größenordnung ist gewaltig. Es ist alarmierend, wenn die Anforderungen an die nächsten Generationen dermaßen steigen, daß sie das Gefühl haben müssen, ausschließlich im nachhinein für das damals gute Leben ihrer Eltern und Großeltern zahlen zu müssen.
Vor solch einem Hintergrund wächst die Skepsis, ob sich der Sozialstaat noch lohnt. 21 Prozent Rentenversicherungsbeitrag sind da ebenfalls eine fatale Botschaft.
Es wäre zu einfach, den wachsenden Verdruß der jungen Generation einfach mit dem Vorwurf zu parieren, hier sei eine Generation von selbstsüchtigen Yuppies herangewachsen, die von Solidarität nichts mehr verstünden. Auch die Bereitschaft zur Solidarität hat ihre Grenzen. Diese Grenzen werden erreicht, wenn Leistung und Gegenleistung in ein zu krasses Mißverhältnis geraten. Das gilt um so mehr für einen Sozialstaat, der in einem so starken Maße auf dem Versicherungsprinzip aufbaut wie der unsere; denn dort ist die Frage nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis von sozialer Sicherung ein zentrales Moment für die Zustimmung zu diesem System.
Wir können nicht zuletzt an der Debatte über die Umfinanzierung der Sozialversicherungen sehen, daß der Preis, den wir für unseren Sozialstaat zu zahlen haben, zur Zeit nicht gesenkt werden kann. Man kann dadurch, daß man andere Finanzierungsquellen nimmt, positive ökonomische Impulse, insbesondere für den Arbeitsmarkt, auslösen. Für die Bürgerinnen und Bürger aber wird es dadurch erst einmal überhaupt nicht billiger.
Ich sehe auch nicht, wie angesichts der wachsenden Anforderungen an unsere sozialen Sicherungssysteme der Preis für den Sozialstaat dauerhaft gesenkt werden könnte. Wir sollten das nicht versprechen. Die Umgestaltung der Erwerbsgesellschaft
Andrea Fischer
ebenso wie der demographische Wandel werden von uns auch in Zukunft ein Netz verlangen, das die Menschen auffängt.
Aber wir müssen über eine Begrenzung des Preises für den Sozialstaat durch eine veränderte Ausgabenstruktur nachdenken. Da sind Sie in meinen Augen überhaupt nicht zu vorwärtsweisenden Reformen in der Lage gewesen. Ich nenne dafür drei Beispiele.
Erstens. Aus ideologischen Gründen können Sie sich immer noch nicht vom Ehegattensplitting verabschieden. Wir Bündnisgrünen sehen aber gerade dort den Finanzierungsspielraum für eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs.
Zweitens. Sie mußten die Pflegeversicherung unbedingt wieder als Sozialversicherung konstruieren. Wir Bündnisgrünen hätten ein steuerfinanziertes System, das den Bedarf viel besser nach oben wie nach unten berücksichtigen kann, dem Gießkannenprinzip vorgezogen.
Drittens. Sie sparen in der Rente nur durch die Absenkung des Rentenniveaus. Darauf werden Sie mit dem richtigen Verweis konfrontiert, daß das bei vielen Personen zu zu niedrigen Alterseinkommen führen kann. Wären Sie nicht so ideologisch verbohrt, so würden Sie Mindestsicherungselemente in die Rentenversicherung einführen und dadurch verläßlich der Altersarmut entgegenwirken.
Dazu haben Sie nicht die Kraft und den Gestaltungswillen, genausowenig wie dazu, endlich eine eigenständige Altersversorgung für Frauen einzuführen und das überholte System der Hinterbliebenenrenten dafür abzuschaffen.
An diesen Beispielen für Strukturreformen wird deutlich, daß die Begrenzung des Preises für soziale Sicherung nur dann gelingt, wenn man zugleich eine Idee davon hat, welche Leistungen damit gesichert werden sollen. Hier sind grundlegende Neuorientierungen für die soziale Sicherung gefordert. Ein immer riskoreicheres Leben, das sich nicht in die alten Muster der Erwerbsarbeit einfügt, braucht andere, neue Sicherungssysteme.
Damit komme ich zur gestern hier schon geschmähten Grundsicherung, für die wir Bündnisgrünen gerade ein Konzept beschlossen haben. Ich sage es jetzt wirklich noch einmal ganz deutlich:
Damit ist keine Grundrente gemeint. Grundrente bedeutet eine gleiche Rente aus Steuermitteln für alle, unabhängig von ihrer sonstigen Einkommenslage. Das lehnen wir Bündnisgrünen aus Gerechtigkeitsgründen ab.
Die Grundsicherung hingegen ist ein Instrument zur Bekämpfung der Armut. Sie soll ein modernes, bürgerrechtlich organisiertes letztes Netz der sozialen Sicherung sein, das nach einer Prüfung des Bedarfs greift, wenn das eigene Einkommen - aus welcher Quelle auch immer es stammen mag - nicht zur Bestreitung des Existenzminimums reicht.
Es liegt doch längst auf der Hand, daß wir ein modernisiertes letztes Netz der sozialen Sicherung brauchen.
Knapp 1 Million Kinder leben von der Sozialhilfe. Das aber ist, Frau Babel, ein anachronistisches System aus dem Geist der Fürsorge und der Armenpolizei von vorgestern, mit dessen Verwaltung und Finanzierung die Kommunen zunehmend überfordert sind. Hier ist eine radikale Reform längst überfällig.
Unsere Grundsicherung steht neben den Sozialversicherungssystemen und macht sie armutsfest. Aber wir werden in Zukunft immer stärker auch in der Sozialversicherung darüber reden müssen, ob das bislang geltende oberste Prinzip der Lebensstandardsicherung in der bisherigen Form haltbar ist oder ob dessen Erfüllung den kommenden Generationen nicht zuviel abverlangt.
Die Leistung des Sozialstaats muß in Zukunft darin bestehen, gut auf die veränderten Risiken zu reagieren. Er muß flexibel sein, so wie die Menschen, die auf ihn angewiesen sind. Dann besteht das Angebot der Sozialpolitik an die skeptische junge Generation darin, daß sie für ihren Beitrag sicher sein können, gut aufgefangen zu werden, wenn sie mit den Brüchen im Erwerbsleben, mit den Wechselfällen des Lebens, mit den großen Anforderungen an Pflege und Betreuung konfrontiert werden.
Integration durch Teilhabe an der Erwerbsarbeit, eine konsequente Politik gegen eine Massenarbeitslosigkeit, die Millionen Menschen dauerhaft an den Rand drängt, braucht eine Neugestaltung des Arbeitsmarktes. Damit untrennbar verbunden ist eine Reform des Sozialstaats.
Der Kollege Fuchtel hat vorhin wieder gesagt, es könne nicht von Sozialabbau die Rede sein, wir gäben ja soviel Geld für den Sozialstaat aus. Der Sozialstaat ist nicht um so besser, je mehr Geld man dafür ausgibt.
Der Sozialstaat braucht keine Tonnenideologie. Er braucht Gestalter, die die Veränderungen begriffen haben und neue Ideen haben. Die haben Sie nicht, und deswegen lehnen wir Ihre Politik ab.
Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Kollegin Fischer gerade davon sprach, daß es bei der Koalition eine ideologische Blockade gebe, dann will ich ganz deutlich sagen: Ich habe seit vielen, vielen Jahren den Eindruck, diese ideologische Blockade gibt es beim Linksbündnis hier im Deutschen Bundestag.
Wir haben uns in dieser Wahlperiode bei der Reform des Gesundheitswesens, bei der Reform des Arbeitsförderungsrechtes, bei der jetzt so heftig diskutierten Rentenreform nun wirklich alle Mühe gegeben, Veränderungen, die mit Kosten in der Arbeitswelt und damit auch mit Arbeitsplätzen zu tun haben, herbeizuführen. Zu all diesen Reformen hat es von den Grünen, von der SPD und von der PDS immer nur die Antwort Nein, Nein und nochmals Nein gegeben. Das nenne ich ideologische Blockade beim Linksbündnis.
Liebe Kollegin Fischer, wenn man sich dann hier hinstellt und im Deutschen Bundestag sagt, in Deutschland leben 1 Million Kinder von der Sozialhilfe, dann ist es die Wahrheit, daß dieses auch mit der Gastfreundschaft in Deutschland zu tun hat, denn es ist eine Tatsache, daß zwei Drittel von ihnen Kinder von Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen sind, die sich aus gutem Grund in diesem Land aufhalten.
Ich meine also, daß man das dann auch einmal so darstellen sollte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
Gilt das für die ganze Rede?
Das gilt jetzt für die ganze Rede.
Wenn man, Frau Kollegin Fischer, dann davon redet, in diesem Land eine Grundsicherung einführen zu wollen, dann sollte man aber ehrlichkeitshalber dabei auch sagen, daß wir in dieser Republik bereits eine Grundsicherung haben. Die Sozialhilfe nämlich ist eine Grundsicherung, auf die die Menschen in diesem Land einen Rechtsanspruch haben.
Ich glaube, wir tun uns überhaupt keinen Gefallen, indem wir die Sozialhilfe immer als etwas Schlechtes darzustellen versuchen, die Sozialhilfe immer stärker in Mißkredit zu bringen versuchen. Ich sage Ihnen vielmehr ganz offen: Ich halte es für eine riesige soziale Leistung, daß wir jedem Menschen, der in Deutschland lebt - auch wenn er zum Beispiel als Asylbewerber nur vorübergehend in unserem Land lebt - über eine Sozialhilfe ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Ich glaube, man sollte dann auch keinen Etikettenschwindel betreiben. Eine solche Grundsicherung - nennen wir es Sozialhilfe; früher haben wir es einmal Fürsorge genannt - muß doch immer vermögensabhängig gewährt werden. Es kann doch nicht angehen, daß derjenige, der 30000, 40000 oder 100 000 DM auf dem Sparbuch hat, aber derzeit kein Einkommen bezieht, von den Steuergeldern der Zeitungsfrau, die morgens um 4 Uhr aufsteht und die Zeitungen durch die Gegend fährt, eine Sozialhilfe bezahlt bekommt.
Das kann nicht der Sinn der Bemühungen sein.
Frau Kollegin Fischer, die Frage der Grundsicherung hat schon etwas mit Rente zu tun, denn wenn Sie als Grüne vorschlagen, daß die Grundsicherung rund 800 DM betragen soll, wie ich das aus den Zeitungen erfahren habe,
dann ist die Wahrheit auch, daß heute ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer mit seinen Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung pro Jahr Beitragsleistung eine Rente von gut 44 DM pro Monat erwirbt.
Das heißt, um die Grundsicherung von 800 DM zu erreichen, muß ich rund 17 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung bezahlen, wenn ich ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer bin.
Ich glaube, wenn dieser Anreiz nicht mehr vorhanden ist, mit Arbeit und Beiträgen zur Rentenversicherung auch Altersabsicherung in diesem Umfang zu verbinden, dann würde durch eine zu hohe Grundsicherung folgendes passieren: Das Interesse gerade auch bei den Teilzeitkräften, sozialversicherungspflichtig zu arbeiten, würde nachlassen.
Deswegen, glaube ich, sollten wir an dem bewährten Prinzip der Sozialhilfe festhalten und dieses nicht in ein schlechtes Licht rücken, denn dies hängt auch
Karl-Josef Laumann
mit dem Solidaritätsgedanken zusammen. Diese Politik der Solidarität und auch der Nächstenliebe ist in diesem Land von Christdemokraten seit über 50 Jahren in der Sozialpolitik entscheidend geprägt worden.
Man muß doch eines ganz deutlich sehen: Wenn Sie hier vom Linksbündnis des Deutschen Bundestages in all den Debatten immer die Gefahr an die Wand malen, hier ginge der Sozialstaat zu Ende, dann wissen Sie doch ganz genau, daß das nicht stimmt.
Da muß ich auch der SPD einen ganz bitteren Vorwurf machen - in dem Punkte sind die Grünen ja ganz vernünftige Leute -, wenn es um die Frage geht, wie wir es in der Zukunft etwas anders austarieren können, daß die Belastungen der aktiven Generation nicht zu hoch werden und auf der anderen Seite die älteren, in Rente befindlichen Menschen natürlich eine Rente erhalten müssen, die sie vor Altersarmut schützt. Darüber sind wir uns doch auch einig.
Im übrigen hat das unser jetziges Rentensystem hervorragend geschafft. Nur 1,5 Prozent der Menschen in Westdeutschland, die älter als 65 Jahre sind und nicht in Einrichtungen wie Pflegeheimen usw. leben, sind von der Sozialhilfe abhängig.
Nennen Sie mir einmal ein Alterssicherungssystem auf der Erde, das es geschafft hat, für 98,5 Prozent der Menschen in einem Land eine Altersabsicherung über die Grundsicherung hinaus zu bewerkstelligen!
Daß das so ist, damit haben, glaube ich, die Volksparteien in diesem Land eine Menge zu tun. Damit hat auch die SPD eine Menge zu tun. Es gab nämlich bis vor einem Jahr in unserem Land einen Konsens in der Rentenpolitik. Den haben wir leider nicht mehr.
- Ja, aber wir konnten den Kompromiß mit Ihnen nicht mehr machen, weil Sie nur umverteilen, aber keine Strukturreform machen wollten.
Jetzt muß man die Dinge einfach mal beim Namen nennen. Heute sind in unserem Land 15 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt, und im Jahre 2022 - ich nenne das Jahr deswegen immer in meinen Reden, weil ich dann 65 werde - werden nach Vorausberechnungen knapp 30 Prozent der Menschen, die in Deutschland leben, 65 Jahre und älter sein. Wir wissen sehr genau, daß die Lebenserwartung, die wir ab dem 60. Lebensjahr messen, in den letzten 20 Jahren - Gott sei Dank; es ist ja schön, länger zu leben - um fünf Jahre angestiegen ist. Das hat Folgen für die Rentenlaufzeiten.
Wenn wir dann sagen, daß die Hälfte dieser Kosten dadurch erbracht werden muß, daß die Renten langsamer steigen, dann hat das nichts mit einem Kahlschlag und mit einem Absenken der Renten zu tun; denn das, was wir machen, hat folgende Wirkung: Wenn im nächsten Jahr die Renten um 0,8 Prozent steigen sollten, dann werden auf Grund der demographischen Formel die Renten tatsächlich um 0,5 oder 0,4 Prozent steigen. Keine andere Auswirkung hat das, was wir hier beschlossen haben, und das halte ich für zumutbar.
Meine Damen und Herren, ich habe nur noch wenig Zeit, aber einen Punkt möchte ich noch einmal ansprechen, und ich hätte auch gern eine Antwort darauf in dieser Debatte. Was meine Position angeht, so bin ich hinsichtlich der Entwicklung bei den 610-DM-Jobs nicht sehr weit auseinander mit Überlegungen von Kollegen der SPD und der Grünen. Das sage ich ganz deutlich. Die Umwandlung von sozialversicherungspflichtiger Arbeit in 610-DM-Jobs muß gestoppt werden, sonst wird die Arbeit für die Menschen, die sozialversicherungspflichtig tätig sind, immer teurer, und das können wir nicht wollen.
Aber eine Frage möchte ich einmal beantwortet haben: Wie rechtfertigen Sie es, daß Sie uns bei der Diskussion um die Steuerreform hier im Bundestag und auch draußen in den Versammlungen, in Betriebsversammlungen und überall - in den Kreisen verkehre ich ja auch noch - bei dem Thema verhauen haben, daß wir die Schichtzuschläge steuerpflichtig und damit sozialversicherungspflichtig machen wollen? Wie begründen Sie es, daß der Schichtzuschlag eines Chemiearbeiters, der im Monat schnell 1000 Mark erreichen kann, nicht steuerpflichtig, nicht sozialversicherungspflichtig sein soll, aber die Zeitungsfrau, die um 4 Uhr aufsteht, mit dem Fahrrad durch die Wohnstraßen fährt und uns die Zeitung bringt, die wirklich für ihr Geld schwer arbeitet, wohl sozialversicherungspflichtig werden soll und Steuern zahlen soll? Ich bin dafür, daß es so kommt, daß auch sie sozialversicherungspflichtig wird, aber dann bitte keine Privilegien bei den Gewerkschaftsfunktionären in der Chemieindustrie.
Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Ottmar Schreiner, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal auf einige Bemerkungen des Kollegen Laumann eingehen.
Der Kollege Laumann hat im Bereich der Sozialhilfe darauf hingewiesen, daß wir etliche Kinder ausländischer Familien in Deutschland hätten, die Sozialhilfe beziehen. Diese Argumentation versucht, gewisse Assoziationen zu wecken.
Mein Nachbar, der Kollege Küster, hat mich eben darauf hingewiesen, daß in der Stadt Magdeburg bei
Ottmar Schreiner
einem sehr geringen Ausländeranteil 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen von der Sozialhilfe abhängig sind.
Meine Damen und Herren von der Koalition, es hat in Deutschland nicht nur den Generationenvertrag zwischen den Erwerbstätigen und den Rentnerinnen und Rentnern gegeben. Es hat immer auch unausgesprochen einen zweiten Generationenvertrag gegeben, nämlich den Generationenvertrag, daß die Eltern ihren Kindern eine möglichst unbeschwerte Kindheit und Jugend gewährleisten. Wenn Kinder in dieser Zeit auf die Frage „Wovor fürchtet ihr euch?" ganz überwiegend antworten: Wir haben Angst, später arbeits-, perspektiv- und berufslos zu werden, dann muß man feststellen, daß ein glatter Bruch dieses zweiten Generationenvertrages vorliegt.
Wir haben sieben Monate lang händeringend gebeten: Lassen Sie uns über ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit reden! Bis zur Stunde ist die Bundesregierung die einzige Regierung in Europa, die auf diesem Feld trotz stündlich wachsender Probleme nichts tut.
Über eine halbe Million junge Menschen in Deutschland sind ohne Ausbildung und ohne Beruf. Diese
Tendenz verstärkt sich stündlich. Aber Sie tun nichts.
Der Kollege Laumann hat über die Alternativen von der Opposition - oder wie er sie nennt: vom Linksbündnis - gesagt: Arbeitsförderung - nein; Gesundheit - nein; Rente - nein. Herr Kollege Laumann, das ist eine falsche Darstellung: Wir haben im letzten Jahr mit einem alternativen Gesetzentwurf zur Arbeitsförderung operiert. Wir haben im Rahmen der Gesundheitsreform mit alternativen Vorschlägen operiert. Wir haben in Sachen Rentenreform bis zur Stunde ebenfalls mit alternativen Vorschlägen operiert. Sie können nicht sagen, die Opposition sage nein, ohne selbst Alternativen präsentiert zu haben. Wir haben zu allen zentralen Politikfeldern in den letzten Jahren eigene Alternativen im Deutschen Bundestag präsentiert.
Das mit der Arbeitsförderung ist ein Jammer. Ich bin einmal sehr gespannt, wie Sie die von Ihnen in der Tat verwässerten Vorgaben des Luxemburger Beschäftigungsgipfels ohne Rückgriff auf die sozialdemokratischen Vorstellungen zur Arbeitsförderung einhalten wollen.
Wie wollen Sie denn in den nächsten Jahren - das ist ja eine zentrale Vorgabe von Luxemburg, die gegen Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt wurde - dafür sorgen, daß jeder arbeitslose Jugendliche in Deutschland eine Perspektive erhält, ohne daß die Arbeitsförderinstrumente deutlich ausgeweitet werden? Wie wollen Sie das denn machen?
Wenn Sie im vorigen Jahr den Vorschlag der SPD angenommen und Ihren Vorschlag in die Mottenkiste gelegt hätten, hätten wir heute in Deutschland auf Grund dieser anderen Arbeitsmarktpolitik 800 000 Arbeitslose weniger, als wir zur Zeit haben,
800 000 Arbeitslose weniger nur auf Grund einer anderen Arbeitsmarktpolitik angesichts einer dramatisch hohen Arbeitslosigkeit.
Ein weiterer Punkt. Der Kollege Fuchtel sagt, die Grenzen des Sozialstaates seien überschritten - Kollegin Albowitz hat ganz ähnlich argumentiert -, und wir müßten ständig neue Löcher stopfen. Ich glaube, daß hier von einem ganz zentralen Zusammenhang abgelenkt wird. Die Koalition lenkt von zwei Mechanismen ab, die von ihr in den letzten Jahren in Gang gesetzt worden sind. Jeder dieser Mechanismen ist für sich hochproblematisch. Im Zusammenwirken der beiden Mechanismen ergeben sich geradezu verhängnisvolle Konsequenzen.
Der erste Mechanismus ist: Wir finanzieren eine ganze Reihe von gesellschaftspolitisch wünschenswerten Aufgaben über die Sozialkassen. Wir finanzieren sie nicht, wo sie ordnungspolitisch hingehören, über den Bundeshaushalt. Das ist eine ganz verhängnisvolle Entwicklung. Es geht nicht darum, lieber Kollege Grund, die notwendigen Transferleistungen nach Ostdeutschland zu diskreditieren. Ich gehöre zu denen, die immer und überall die notwendigen Transferleistungen nach Ostdeutschland bedingungslos verteidigt haben.
Aber es gibt Anlaß, darüber nachzudenken, ob die Finanzierungsströme ordnungspolitisch richtig und ob sie mit grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit vereinbar sind. Auch darüber muß diskutiert werden. Die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Bossi Stoiber, Chef der Lega Süd, den bisherigen Konsens in der Bundesrepublik Deutschland, daß es im Rahmen der Sozialversicherung zu Ausgleichsmaßnahmen kommen muß, aufzukündigen, kann man zum Anlaß für eine Diskussion nehmen. Stoiber weiß genau, daß dies, wenn es so käme, die ostdeutschen Länder innerhalb kürzester Zeit in die komplette Zahlungsunfähigkeit treiben würde.
Der entscheidende Punkt ist ein anderer: Wir dürfen legitimerweise nicht darüber diskutieren, ob die Transferleistungen nach Ostdeutschland erfolgen. Das scheint mir selbstverständlich zu sein. Wir müssen vielmehr darüber diskutieren - das ist die Alternative zu Stoiber -, ob die Finanzierungsströme so, wie sie seit Jahren laufen, ordnungspolitisch richtig und sozial einigermaßen gerecht sind. Auf diese Frage antworten wir mit einem klaren Nein.
Ich möchte Ihnen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit für dieses Jahr nennen. Im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit fließen aus westdeutschen Beitragsaufkommen 28 Milliarden DM nach Ostdeutschland.
Ottmar Schreiner
Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherungen sind es rund 18 Milliarden DM.
Ich zitiere aus einem Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom Oktober 1997 - also brandaktuell - mit der Überschrift „Vereinigungsfolgen belasten Sozialversicherung": Für den Zeitraum von 1991 bis 1997 ergeben sich für die Rentenversicherungsträger im Westen Überschüsse in Höhe von 71 Milliarden DM. Für die Jahre 1991 bis 1997 ergibt sich eine Unterdeckung der Ausgaben in Ostdeutschland etwa in der gleichen Höhe.
Das heißt, daß wir bei den Rentenversicherungsträgern in dem Zeitraum von 1991 bis 1997 einen Transferfluß aus westdeutschen Sozialversicherungsaufkommen in einer Größenordnung von über 70 Milliarden DM haben. Die Zahlen für die Arbeitslosenversicherung für den gleichen Zeitraum werden vom DIW auf knapp 120 Milliarden DM beziffert. Jetzt kommt die Schlußfolgerung dieses wissenschaftlichen Instituts:
Daher wäre die zur Zeit diskutierte Finanzierung eines Teils der versicherungsfremden Ausgaben der Sozialversicherung durch Steuermittel ein erster
- dringend benötigter -
Schritt in die richtige Richtung. Verfolgt man diesen Weg konsequent weiter, könnte auf einen weiteren Abbau von Leistungen verzichtet werden, mit dem ohnehin das soziale Absicherungssystem in seiner Gesamtheit in Frage gestellt würde.
Dieser Einschätzung stimme ich ohne Bedenken zu.
Meine Damen und Herren, Sie verhalten sich wie ein Bankräuber, der die Bank plündert, und sich am anderen Tag darüber beklagt, daß der Tresor leer sei. Genau das ist Ihr Verhalten.
Sie haben die Sozialversicherungskassen seit Jahren zu Zwecken mißbraucht, zu denen sie nie und nimmer erfunden worden sind. Nun jammern Sie über die Löcher und darüber, daß die Sozialkosten zu hoch seien. Sie haben es versäumt, rechtzeitig umzufinanzieren. Sie haben es versäumt, eine Finanzierung für die deutsche Einheit zu finden, die allen entgegengekommen wäre. Sie finanzieren die deutsche Einheit nach wie vor in hohem Maße über die Lohnnebenkosten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Laumann?
Bitte schön.
Kollege Schreiner, was Sie zu den versicherungsfremden Leistungen in den Sozialversicherungen sagen, ist natürlich so. Wir wollen auch eine Umfinanzierung. Aber sagen Sie doch bitte dazu, daß auch die SPD im Deutschen Bundestag zumindest allen versicherungsfremden Leistungen bei der Rentenversicherung zugestimmt hat. Es hat versicherungsfremde Leistungen gegeben, als Sie die Mehrheit hatten und wir mitgestimmt haben. Es hat nach der Wiedervereinigung versicherungsfremde Leistungen gegeben, zum Beispiel das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, das ich als eine versicherungsfremde Leistung ansehe. Dem haben Sie und dem haben auch wir zugestimmt. Ich finde, daß dies zur Redlichkeit in der politischen Diskussion dazugehört.
Lieber Kollege Laumann, das ist leider Gottes nicht die Wahrheit. Seit den frühen 90er Jahren hat die SPD darauf hingewiesen, daß die Finanzierung der deutschen Einheit über die Sozialversicherungen der falsche Weg ist.
Ich möchte Sie an folgenden Vorgang erinnern: Sie haben im Frühjahr 1991 die Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung um 2,5 Beitragspunkte angehoben. Dies sind viele Milliarden DM. Ich vermisse jetzt noch den Aufschrei der Arbeitgeberverbände über die dadurch erfolgte dramatische Anhebung der Lohnnebenkosten. Diese Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ist auschließlich zu dem Zweck erfolgt, Mittel zur Finanzierung der deutschen Einheit freizubekommen.
Sie hatten auch gar keine andere Möglichkeit mehr, weil der Bundeskanzler ein Jahr zuvor, im Spätsommer 1990, gesagt hat: Im Westen wird niemand auf etwas verzichten müssen. Er hatte also damals schon jeden Weg für eine moderate Steuererhöhung zur Finanzierung der deutschen Einheit blokkiert. Er hat sich selbst für eine saubere Lösung zur Finanzierung der deutschen Einheit blockiert. Im Gefolge sind die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Sozialversicherung als Hauptfinanziers zur Finanzierung der deutschen Einheit herangezogen worden - mit dem Ergebnis, daß weder Sie mitfinanzieren noch der Bundeskanzler mitfinanziert, noch ich mitfinanziere, noch Rechtsanwälte mitfinanzieren, noch Staatssekretäre mitfinanzieren, deren Einkommen deutlich höher sind als das durchschnittliche Einkommen der Arbeitnehmerschaft.
Es besteht ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage, Herr Abgeordneter.
Ich bin noch bei der Antwort auf die Zwischenfrage von Herrn Laumann. Er hat sich aber schon gesetzt.
Herr Laumann hat sich schon hingesetzt. Daraus habe ich geschlossen, daß Ihre Antwort beendet ist.
Ich habe nur versucht, etwas Luft zu holen. - Wenn es der Wahrheitsfindung dient: Bitte sehr, Herr Kollege.
Bitte schön.
Herr Kollege Schreiner, stimmen Sie mir zu, daß bei einer ehrlichen Diskussion über sogenannte versicherungsfremde Leistungen gefragt werden müßte, in welchem Umfang auch Leistungen, die rein formal, rein technisch Leistungen der Versicherung sein müßten, aus dem Bundeshaushalt finanziert werden? Ich meine damit nicht nur die hohen Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung der letzten Jahre, sondern auch die Leistungen, die der Haushalt im Bereich der Rentenversicherung - zum Beispiel für die Knappschaft, zum Beispiel für die Alterssicherung der Landwirte - übernommen hat, obwohl man das genausogut über die Versicherung hätte machen können.
Das ist falsch. Sie können die Zuschüsse des Bundes, insbesondere bei der gesetzlichen Rentenversicherung, begründen als vom Gesetzgeber gewollte Regelungen des Sozialausgleichs, gewissermaßen als zweites Standbein neben dem sogenannten Äquivalenzprinzip, also dem Prinzip, daß ein Entsprechungsverhältnis zwischen eingezahltem Beitrag und später zu erhaltender Versicherungsleistung bestehen muß. Das Prinzip des Sozialausgleichs ist also die zweite tragende Säule der Rentenversicherung.
Bei den versicherungsfremden Leistungen geht es um etwas völlig anderes. Da geht es um Leistungen an sogenannte Außenstehende, die - aus welchen Gründen auch immer; die sind nicht vorwerfbar - keine eigenen Beiträge in diese Versicherung eingezahlt haben. Das sind nach dem Versicherungsprinzip eindeutig versicherungsfremde Leistungen.
Es besteht noch ein Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von dem Abgeordneten Schemken.
Das ist eine besonders richtungsweisende Zwischenfrage. Bitte.
- Da freue ich mich jetzt schon, ja.
Es gibt bei der Bundesanstalt für Arbeit den Ausgleich. Der Bundeszuschuß ist doch die Bezeichnung für das, was der Steuerzahler in die gesetzliche Rentenversicherung einbringt. Dieser Bundeszuschuß ist in dem gleichen Zeitraum, den Sie eben angesprochen haben, von 40 Milliarden DM auf 90 Milliarden DM angewachsen. Ich unterstelle, daß mit diesem dramatischen Anwachsen auch gewisse Teile der versicherungsfremden Leistungen, wie Sie sie bezeichnen, abgegolten wurden - wenn das Zahlenspiel, das Sie eben angesprochen haben, dagegengestellt wird. Sie haben versucht, das darzustellen.
Wir können uns einigen, auf was wir wollen. Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zum Beispiel rechnet Ihnen jederzeit vor, daß bei der gesetzlichen Rentenversicherung über den jetzigen Bundeszuschuß hinaus eine große Summe von zusätzlichen Leistungen erfolgt,
die ebenfalls eindeutig versicherungsfremd sind. Der Bundeszuschuß müßte also weitaus höher sein, als er gegenwärtig ist.
Das ist die Argumentation des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger. Das ist die Argumentation von Herrn Professor Schmähl. Herr Professor Schmähl ist Vorsitzender des Sozialbeirates der Bundesregierung.
Schmähl hat vor wenigen Wochen in einem Interview mit der „Zeit" die Regierung ausdrücklich davor gewarnt, das Nettorentenniveau auf 64 Prozent abzusenken, weil er meint, daß damit die Akzeptanz eines Beitragssystems zerstört werde; denn in wachsendem Maße werden Menschen trotz jahrelanger und jahrzehntelanger Beitragszahlungen ein Rentenniveau erhalten, das sich kaum noch von der steuerfinanzierten Sozialhilfe unterscheidet. Das ist unser Argument, warum wir diesen Weg nicht mitgegangen sind.
Wir haben Ihnen in den letzten Monaten zahllose Vorschläge gemacht, um Ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, aus der selbstverursachten Blockade herauszufinden. Zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, daß
Ottmar Schreiner
die Höhe der Lohnnebenkosten ein nicht mehr akzeptables Ausmaß erreicht hat. Dafür sind Sie aber ausschließlich alleine verantwortlich. Der sogenannte Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung ist von 34 Prozent im Jahre 1982 auf jetzt annähernd 43 Prozent gestiegen. Das entspricht einem Anstieg der gesetzlich verursachten Sozialversicherungsbeiträge um fast zehn Beitragspunkte.
Wir haben Ihnen vor wenigen Wochen vorgeschlagen, zum 1. Januar nächsten Jahres eine Umfinanzierung vorzunehmen, um zu verhindern, daß der Beitrag zur Rentenversicherung auf die von vielen Menschen als dramatisch empfundene Höhe von 21 Prozent ansteigt. Bis zur Stunde ist die Koalition in dieser Frage nicht gesprächsfähig. Wir haben Ihnen auch erste Einstiegslösungen bei dem Problem angeboten, wie wir den Mißbrauch der 610-DM-Arbeitsverhältnisse eindämmen können, und wollten dies ebenfalls in eine solche Absprache einbeziehen. Auch in dieser Frage ist die Koalition nicht gesprächsfähig.
- Was heißt das denn?
Der Kollege Laumann hat hier - wie der Kollege Louven und der Staatssekretär Kraus vom Bundesarbeitsministerium in der ersten Lesung - zugegeben, es gebe massiven Mißbrauch bei den sozialversicherungsfreien 610-DM-Arbeitsverhältnissen. Sie von der F.D.P. bestreiten jedweden Mißbrauch.
Der Bundesarbeitsminister sagt, es müsse dringend etwas getan werden, genauso wie der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Schäuble, der das vor drei Wochen erklärt hat. Und der Bundeskanzler - man höre und staune - tappst zur Frauen-Union und erklärt dort, es sei ganz und gar unerträglich, was in diesem Bereich passiert. Wer blockiert hier eigentlich wen?
- Sie sind die Oberblockierer der Nation.
Zur Frage der Rentenversicherung. Wir haben vorgeschlagen, die Umfinanzierung ein Jahr vorzuziehen, mit dem zentralen Ziel, zu vermeiden, daß der Beitrag im nächsten Jahr auf 21 Prozentpunkte ansteigt. Daraufhin gab es Zustimmung von der F.D.P. und der CDU, aber Ablehnung von der CSU, weil die Koalition zusätzlich vorgeschlagen hatte, auch das Rentenreformgesetz auf 1998 vorzuziehen. Also: Die CSU ist dagegen, die F.D.P. und CDU sind dafür.
Herr Abgeordneter, es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.
Nein, ich komme zum Schluß. - Vor einigen Monaten hat die SPD den bis heute aufrechterhaltenen Vorschlag gemacht, zwei Beitragspunkte umzufinanzieren: über eine maßvolle Anhebung der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer. Diesem Vorschlag folgte vor 14 Tagen der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Schäuble. Aber er folgte leider Gottes alleine; der Rest ließ ihn im Regen stehen.
Ich kann Ihnen also Beispiel für Beispiel belegen, meine Damen und Herren von der Koalition: Sie blockieren sich in jeder zentralen gesellschaftspolitischen Frage selbst. Das ist das eigentliche Elend dieser Regierung.
Sie sind nicht mehr handlungsfähig. Das Land muß Probleme lösen, hat aber eine Regierung, die in sich blockiert und nicht mehr in der Lage ist, vernünftige Vorschläge zu machen, geschweige denn die Probleme zu lösen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention nun der Abgeordnete Manfred Grund.
Der Kollege Schreiner hat den Kollegen Laumann - der vorher ausgeführt hat, daß von den eine Million Kindern, die in Deutschland Sozialhilfe beziehen, ein Großteil Kinder von Asylbewerbern sind, die hier nur Gastfreundschaft genießen - in eine Ecke gestellt, in die er nicht hineingehört. Ich finde so etwas nicht in Ordnung.
Man muß ein Zweites richtigstellen. Der Kollege Schreiner hat gesagt, in der Stadt Magdeburg bezögen 40 Prozent der Kinder Sozialhilfe. Dieser Wert hat mich doch ein bißchen erschreckt. Ich habe mir daraufhin die Zahlen besorgt, auch für die Stadt Erfurt.
In der Stadt Erfurt gab es im ersten Halbjahr 8000 Sozialhilfefälle. Von diesen 8 000 Fällen sind 30 Prozent Kinder unter 18 Jahren betroffen - wohlgemerkt 30 Prozent von den 8 000 Fällen! Hier dagegen wurde der Eindruck erweckt, es handele sich um 40 Prozent aller Kinder in Magdeburg.
Die Stadt Magdeburg hat zur Zeit 275 000 Einwohner. Im ersten Halbjahr gab es 5 860 Sozialhilfefälle. Ich halte noch einmal fest: 275 000 Einwohner, 5 860 Sozialhilfefälle. In diesen 5 860 Fällen sind die Bedarfsgemeinschaften mit Kind mit 43 Prozent vertreten. Also: Nicht 40 Prozent der Kinder beziehen Sozialhilfe. Das wäre wirklich eine Wahnsinnszahl. Das
Manfred Grund
muß klargestellt werden. Richtig ist vielmehr: Bei einer Gesamtzahl von 5 860 Fällen sind rund 40 Prozent Bedarfsgemeinschaften mit Kindern.
Jetzt hat das Wort Frau Albowitz.
Herr Kollege Schreiner, ich habe Ihnen eben sehr aufmerksam zugehört; ich bin eigentlich davon ausgegangen, daß auch Sie mir aufmerksam zugehört haben, zumindest habe ich Ihrer Mimik entnommen, daß Sie es getan haben. Ich möchte Sie bitten, noch einmal zur Kenntnis zu nehmen und mir das hinterher zu bestätigen - damit es keine Legendenbildung gibt -, daß ich eben in der Debatte für meine Fraktion erklärt habe: Sinn und Zweck der 610-DM-Jobs ist sicher nicht, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aufzuspalten und in 610-DM-Jobs zu zerlegen. Aber es liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse und Zahlen vor. Ich habe Sie dann mit dem Bericht des „Handelsblatts " von heute konfrontiert, wonach das Kölner Institut für Sozialforschung erst im April nächsten Jahres dazu gesicherte Daten vorlegen kann. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das bestätigen würden. Dann können wir uns die ganze Aufregung und Sie sich die Arie „Die F.D.P. ist immer an allem schuld" sparen.
Herr Abgeordneter Schreiner, möchten Sie antworten? - Bitte schön.
Ich möchte sehr gern antworten, Frau Präsidentin. Zunächst, lieber Kollege Grund: Ich habe eben in meinem Beitrag darauf hingewiesen, daß der Kollege Küster seinerseits mich darauf hingewiesen hat - im Anschluß an die Bemerkungen des Kollegen Laumann -, daß in der Stadt Magdeburg 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Sozialhilfeleistungen berührt werden.
- Moment.
- Beruhigen Sie sich. Ich kann diese Zahl jetzt nicht verifizieren. Ich habe auf den Kollegen Küster verwiesen, der sich zu diesem Vorgang gemeldet hat. Reicht das aus, damit Sie wieder zu Ihrer gewohnten Sanftmut zurückfinden? - Gut, das reicht anscheinend aus.
Jetzt zu den 610-DM-Arbeitsverhältnissen und zu dem, was die Kollegin Albowitz dazu ausgeführt hat. Liebe Frau Kollegin Albowitz, das Problem der 610-DM-Arbeitsverhältnisse ist ja nicht neu. Wir haben seit Jahren dazu mehrere gesetzliche Initiativen eingebracht und haben gesagt: Hier muß dringend etwas geschehen,
weil die stürmische Zunahme dieser Arbeitsverhältnisse den Eindruck geradezu aufzwingt, daß reguläre Arbeitsverhältnisse aus Kostengründen kleingestükkelt werden sollen - und genau dies ist in einem beträchtlichen Umfang der Fall.
Es gibt eine Fülle von Anhaltspunkten dafür, daß reguläre Beschäftigungsverhältnisse kleingestückelt werden, daß hier ein massiver Mißbrauch stattfindet und daß Bundesregierung und Koalition dem nachgehen wollen. Bis zur Stunde ist nichts geschehen. Vor einigen Wochen ist offenbar der Kollege Schauerte beauftragt worden, der Sache nachzugehen, nachdem die Koalition anderthalb Jahre auf ihren Ohren gesessen hat und vor sich hin-geschlafen hat.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Uwe Küster. Sagen Sie bitte, auf welchen Redebeitrag Sie sich beziehen.
Ich möchte mich auf den Redebeitrag meines Freundes Ottmar Schreiner beziehen.
- Natürlich geht das. Schauen Sie in die Geschäftsordnung; Sie erlaubt das in eindeutiger Weise. Wir sollten, glaube ich, hier nicht über die Geschäftsordnung diskutieren, sondern über die Zahlen.
Ich wiederhole ganz klar: In der Stadt Magdeburg sind in dem Erhebungszeitraum - 1996 - 40 Prozent der Kinder direkt von der Sozialhilfe betroffen gewesen.
Diese Zahl können Sie gern nachrecherchieren. Ich habe sie auch nicht glauben wollen und habe nachgefragt. Es handelt sich um eine Erhebung der Sozialbeigeordneten. Ich habe die Zahl selber nachrecherchiert, weil ich sie persönlich für unglaublich
Dr. Uwe Küster
hielt. Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis: Das sind die Fakten der Sozialpolitik, die Sie seit Jahren gegen die Interessen der neuen Länder betreiben.
Abhängig!
Das Wort hat jetzt Bundesminister Dr. Norbert Blüm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser rhetorische Schlagabtausch ist ja das Salz in der Suppe. Eine Suppe kann aber auch versalzen werden, nämlich wenn sie nur noch aus Schlagabtausch besteht.
Ich will zur Frage zurückkehren, wo die eigentlichen Alternativen liegen. Können wir uns einmal über den Begriff „Reform" verständigen? Reform ist ja ein großer Hoffnungsträger wie die Morgenröte einer neuen Zukunft. So ist der Begriff der Reform gerade von Ihnen geprägt worden. Ich frage: Was heißt Reform? Heißt Reform „immer mehr, immer höher, immer weiter"? Dann war der Turmbau zu Babel der größte gescheiterte Reformversuch der Weltgeschichte. Reform kann doch nicht nur „immer mehr, immer weiter" heißen.
Gestern hat Ihr Parteivorsitzender gesagt: Reform heißt, wenn es den Menschen nachher besser gehe als vorher. Darauf können wir uns verständigen. Bessergehen kann aber doch nicht heißen „mehr Ausgaben", wenn das mehr Arbeitslosigkeit, mehr Inflation, mehr Beiträge, mehr Steuern bedeutet. Insofern können Sie doch die Qualität einer Reform nicht allein davon abhängig machen, wieviel ausgegeben wird. Die ganze sozialpolitische Debatte am Vormittag bestand von Ihrer Seite nur aus dem einzigen Einwand, wir würden zuwenig ausgeben.
Dann stellen wir doch einmal die Frage, wer das Ganze bezahlen soll. In der Sozialversicherung sind es, neben den Bundeszuschüssen, immer die Versicherten. Es ist aber doch das Wesen einer Sozialversicherung, eine solidarische Selbsthilfe zu sein.
Deshalb meine Frage an Sie, Herr Schreiner: Wann hat die SPD eine Reform mitgetragen, die mit Einschränkungen verbunden war? Haben Sie jemals den Reformbegriff damit verbunden?
- Also gut, wenn Sie die Umstellung als Einschränkung bezeichnen, dann will ich es akzeptieren. In dieser Legislaturperiode aber kenne ich keinen Vorschlag, der mit Einschränkungen verbunden war.
Herr Bundesminister, jetzt gibt es auch schon die erste Frage.
Bitte schön, Herr Schreiner.
Bitte schön, Herr Schreiner.
Herr Bundesminister, Sie haben mich soeben gefragt, ob mir eine Reform bekannt sei, die mit Einschränkungen verbunden war und von der SPD mitgetragen worden ist. Diese Frage unterstellt wieder, die SPD wolle nur immer mehr, immer höher und immer länger.
Ich will Sie ausdrücklich darauf hinweisen, daß die SPD-Bundestagsfraktion der Rentenreform 1992 einstimmig zugestimmt hat und an ihrer Erarbeitung wesentlich mitgewirkt hat. Diese Reform bedeutete in einer ganzen Reihe von Bereichen Rückschnitte.
Ich will Sie darauf hinweisen, daß wir die Pflegeversicherung mitgetragen und in wesentlichen Grundzügen mit erarbeitet haben. Damals haben wir alle darüber hinausgehenden Anträge gemeinsam mit der Koalition abgelehnt.
Sie können sich doch nicht hierhinstellen und sagen: Die Opposition macht es sich ganz einfach; sie verlangt einfach nur mehr. Wir, die Koalition, machen es richtig. Das erweckt einen grundfalschen Eindruck.
Wir haben in allen zentralen Politikfeldern mit alternativen Vorschlägen gearbeitet, die allesamt besser waren als Ihre. Schauen Sie sich Ihre Schlußbilanz an: höchste Arbeitslosigkeit - das ist dramatisch -, höchste Abgabenquote und höchste Staatsverschuldung. Es ist Zeit; Sie können gehen.
Jetzt brauchen wir aber noch die Frage, Herr Schreiner. Das war eher eine Kurzintervention.
Also gut, die Debatte soll ja ein Dialog sein.
Ich will ausdrücklich anerkennen, daß es bei der Rentenreform 1989 das letzte Mal war, daß die SPD einer einschränkenden, einer auch die Ausgaben einschränkenden Reform zugestimmt hat. Die Pflegeversicherung würde ich aber nicht als ein Vorschlag mit Einschränkungen bezeichnen.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Mit Einschränkungen hat das nichts zu tun. Da verwechseln Sie die rote mit der schwarzen Farbe: die rote ist immer negativ, ist Rückschritt, die schwarze ist Ausweitung.
Herr Schreiner, wir leben in einer Zeit, in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber an die Grenze der Belastbarkeit gestoßen sind. Es kann nicht unsozial sein, Reformen zu machen, die Beitragszahler, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, entlasten. Das kann nicht unsozial sein. Und wenn man sie entlasten will, dann kann man keinen Reformvorschlag mit Mehrausgaben machen.
Ihr Rentenreformvorschlag, Herr Schreiner, besteht aus Mehrausgaben. Sie wollen die Einschränkungen, die bereits vorgenommen wurden, zurücknehmen, nämlich die Einschränkungen bei den Ausbildungszeiten und die Anhebung der Altersgrenze. Zusätzlich wollen Sie in die Kasse der Bundesanstalt zur Finanzierung der Erwerbsunfähigkeit, die arbeitsmarktbedingt ist, und in die Kasse der Unfallversicherung greifen. Kein Mensch kann so viele Hände haben, wie er bräuchte, um in die vielen Töpfe zu greifen, die Sie vorgesehen haben.
Das ist rechnerisch nachzuweisen: Die Mehrausgaben, die Sie in Ihrem Rentenreformkonzept vorschlagen, betragen im Jahre 2010 18 Milliarden DM.
- Soll ich es noch einmal langsam wiederholen? Sie winken ab, aber das können Sie nachrechnen. Ihre Reform bedeutet immer Mehrausgaben, und das kann nicht die Antwort auf die drängenden Fragen dieser Zeit sein.
Gestern wurde wieder einmal mit dem Begriff der Durchschnittsrente gearbeitet.
Herr Minister, es besteht seitens des Kollegen Dreßen der Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Nein, ich will im Zusammenhang vortragen.
Gilt das für die ganze Rede?
Ja, für die ganze Rede. Ich möchte im Zusammenhang vortragen.
Der Begriff der Durchschnittsrente sagt über den Lebensstandard der Rentner gar nichts aus. Darin sind die kleinen Renten enthalten, die auf nur wenigen Beitragsjahren basieren und die durch eine Beamtenpension oder durch die Absicherung der Selbständigenexistenz ergänzt werden. Und siehe da: Männer, die weniger als 500 DM Rente beziehen, leben nach unserer Untersuchung von einem Gesamtnettohaushaltseinkommen in Höhe von 3230 DM. Frauen, die weniger als 500 DM Rente beziehen, haben ein Gesamthaushaltseinkommen im Westen in Höhe von 2510 DM netto und in den neuen Ländern in Höhe von 1780 DM. Witwen, die weniger als 300 DM Rente beziehen, haben ein Gesamthaushaltseinkommen im Westen in Höhe von 1830 DM netto und im Osten in Höhe von 1520 DM netto.
40 Prozent der Ehepaare im Westen und 77 Prozent der Ehepaare im Osten haben zwei Alterseinkommen. 44 Prozent der alleinstehenden Männer im Westen und 26 Prozent der alleinstehenden Männer im Osten, 47 Prozent der alleinstehenden Frauen im Westen und 69 Prozent der alleinstehenden Frauen im Osten haben zwei Alterseinkommen. Sie können die Rente nicht als Maßstab für den Lebensstandard heranziehen.
Die Solidaritätswaage scheint in der Tat außer Balance zu sein; das entnehme ich allen Diskussionen um die Sozialhilfe. Es sind nicht die Älteren in Bedrängnis - Gott sei Dank, sage ich; denn sie haben ein hartes Leben hinter sich, sie haben viel mitgemacht. Aber die Rentenversicherung hat gewirkt und sie vor Altersarmut bewahrt.
Es sind vielmehr die kinderreichen Familien in Bedrängnis. Deshalb kann eine Reform nur bedeuten, daß man die Beitragszahler entlastet. Eine Reform kann nicht nur an die Rentner denken, sondern muß auch an die Beitragszahler denken. Das hat etwas mit Gerechtigkeit und Solidarität zu tun.
Deshalb: Wenn die Renten länger bezogen werden, weil die Menschen Gott sei Dank länger leben, dann können das nicht nur die Jüngeren bezahlen. Das wäre doch ungerecht. Es wäre ungerecht, wenn diejenigen, die heute länger Renten beziehen - sie haben in ihren jungen Jahren als Beitragszahler kürzere Rentenbezugszeiten ihrer Vorgänger bezahlen müssen -, bei der Reform unberücksichtigt blieben. Das ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit.
Die Formulierung vom Absenken des Rentenniveaus verzeihe ich Ihnen, Herr Schreiner, nicht. Ich verzeihe Ihnen vieles, aber das nicht. Ich verzeihe Ihnen nicht, daß Sie von der Rentenkürzung sprechen. Sie machen den älteren Mitbürgern Angst.
- Sie wissen das. Deshalb muß ich noch einmal sagen, daß ich das für unverantwortlich halte; denn die, die uns zuhören, glauben, ihre jetzt ausgezahlte Rente würde gekürzt. Kein Wort davon ist wahr! Sie steigt nur nicht so schnell.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Wenn Sie ein Haus statt um zwei Stockwerke nur um ein Stockwerk aufstocken, so ist das keine Verkleinerung.
Wenn Sie bei einer Lohnerhöhung nicht 2 DM, sondern nur 1 DM herausholen, dann ist das keine Lohnkürzung.
- Um es noch einmal zu sagen: 64 Prozent drückt das Verhältnis der Nettoeinkommen der Rentner zu den Nettoeinkommen der Arbeitnehmer aus. Ich weise es mit allem Nachdruck als Verteufelung und als Angstmacherkampagne zurück, wenn Sie sagen, unsere Reform hätte etwas mit Rentenkürzung zu tun! Jetzt ist aber Feierabend!
Das können Sie bei den Jungsozialisten oder sonstwo erzählen, aber nicht den Rentnern. Das haben sie nicht verdient.
Im übrigen: Herr Schmähl, den Sie zitiert haben, will eine Absenkung auf andere Weise erreichen. Er will die Beitragsjahre, die die Eckrente bestimmen, anheben; dann kann jeder individuell bestimmen.
Die Anhebung der Altersgrenze erfolgt asymmetrisch. Sie betrifft nur die Rentenzugänge, aber nicht die, die heute schon in Rente sind. Deshalb halte ich unsere demographische Formel für ein Gebot der Gerechtigkeit.
Noch einmal kurz etwas zu den Fremdleistungen. Wir waren uns 1989 schon einig, daß dieser Begriff für den Bundeszuschuß untauglich ist. Wo sind die Grenzen? Eine Solidarkasse hat immer Leistungen zu erbringen, die nicht von Beiträgen gedeckt sind. Im Grunde muß das auch jede Versicherung. Insofern ist der Gedanke, den ich immer höre: Was habe ich eingezahlt? - auch bei Ihnen, Frau Fischer, klang das an -, falsch. Die Frage nach der Rendite ist ein nicht solidarischer Ansatz. Die Rentenversicherung ist keine Sparkasse, aus der man das gleiche herausholt, was man eingezahlt hat. Wenn jemand mit 30 Jahren erwerbsunfähig wird, dann bekommt er eine Rente, als hätte er bis 60 Jahre Beitrag gezahlt. Das ist - wie Sie das hoffentlich auch sehen; Herr Schreiner sieht es so - doch keine Fremdleistung. Das ist eine originäre Solidarleistung der Rentenversicherung. Dabei soll es auch bleiben.
Nun gibt es andere Leistungen, die als Fremdleistungen bezeichnet werden können. Sie gehen alle zurück. Der Erstattungsvorschlag, den Sie machen - ich weiß nicht, wie ein vernünftiger Rentenpolitiker so einen Vorschlag machen kann -, wird auch von den Rentenversicherungsträgern, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern abgelehnt.
Mobilisieren Sie nicht dauernd irgendwelche Egoismen zwischen West und Ost! Als erstes muß ich dazu sagen: Es ist das Glück derjenigen, die im Westen gelebt haben, daß sie nicht mitmachen mußten, was die Rentner im Osten erleiden mußten, die von Honecker betrogen worden sind.
16 Milliarden Mark, das war die ganze Rentenzahlung im Osten. Die Rentner dort waren nicht fleißiger und nicht fauler als die Rentner im Westen. Das sind unsere Landsleute, und deshalb: Solidarität und keine Buchhalterei!
- Ich wußte nicht, daß Sie Stoiber unterstützen wollen. Sie bieten doch nur eine Variante des Stoiberschen Regionalisierungsvorschlags. Haben Sie noch gar nicht gemerkt, wen Sie da unterstützen?
Schreiner und Stoiber fangen an, die Rentenversicherung buchhalterisch aufzulösen.
Wenn Sie schon an die Buchhaltung kommen: Wie bringen Sie denn eigentlich die Pendler unter, die in den Westen kommen? Wie bringen Sie die unter, die umgesiedelt sind? Die Rentner sind drüben geblieben. Wie bringen Sie die Tatsache unter, daß es im Westen dank der deutschen Einheit eine Sonderkonjunktur gab? Fangt nicht mit dieser Buchhalterei an! Es widerspricht den besten Traditionen der SPD, so zu rechnen, wie Sie rechnen.
Zu dem Thema Arbeitslosigkeit nur soviel: Wir führen unsere Arbeitsmarktpolitik fort. Unsere Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik liegen im europäischen Vergleich im oberen Drittel. Aber es bleibt dabei: Die Arbeitsmarktpolitik kann nicht das ersetzen, was auf dem ersten Arbeitsmarkt geschehen muß. Die Lösung kann auch nicht sein, nach immer mehr Staat zu rufen. Wo wären eigentlich 1945 unsere Eltern hingekommen, wenn sie nur nach dem Staat gerufen hätten? Den gab es gar nicht.
Wir brauchen unternehmerische Initiative. Wir brauchen auch Arbeitsmarktpolitik, aber sie kann nicht unternehmerische Initiative, nicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze ersetzen. Dafür schaffen wir Rahmenbedingungen.
Das Arbeitsförderungsgesetz ruft die Selbstverwaltung verstärkt zur Verantwortung. Ab 1. Januar nächsten Jahres gibt es mehr Entscheidungsspielraum vor Ort. Da können all diejenigen vor Ort, Gewerkschaften wie Arbeitgeber, zeigen, wie man bessere Arbeitsmarktpolitik machen, wie man neue Wege gehen kann. Ich sage doch nicht, daß wir Patentrezepte haben; die gibt es nicht. Laßt uns auf vielen Wegen den Versuch unternehmen, aus der Arbeitslosigkeit herauszufinden.
Ich möchte mich abschließend ausdrücklich bei den Berichterstattern aller Fraktionen für die konstruktive, sachliche Zusammenarbeit bedanken, die
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
wir uns auch weiterhin erhalten wollen. Es bleibt dabei: Hier geht es nicht um den Ruin des Sozialstaates, sondern hier geht es um eine vernünftige Weiterentwicklung mit Augenmaß. Dafür steht eine Politik der Mitte.
Ich erteile dem Abgeordneten Peter Dreßen das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Bundesarbeitsminister, ich weiß nicht, warum man in dieser Debatte nicht ehrlich sein kann. Es ist doch so, daß Sie mit Ihren sogenannten Reformgesetzen die Rente von 70 auf 64 Prozent absenken und daß sich das im Moment für diejenigen, die jetzt Rente beziehen, natürlich noch nicht auswirkt, daß aber diejenigen, die ab 1999 Rente erhalten, eine geringere Rente haben werden. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt wirkt sich dies aus. Man darf also in diesem Zusammenhang mit Fug und Recht behaupten, daß Sie im Vergleich zum alten System die Renten kürzen.
Herr Bundesarbeitsminister, ein zweites Problem: Wenn die Jugend, die wirklich Angst hat, ob sie im Alter eine noch einigermaßen hohe Rente erhält, heute diese Debatte über die Renten verfolgt, werden ihre Ängste größer statt kleiner.
Sie haben nie erklärt, wie Sie angesichts der 610Mark-Jobs, der Scheinselbständigkeit, der Schwarzarbeit usw. die Erosion auf dem Arbeitsmarkt beseitigen wollen. Sie haben nichts dazu gesagt, wie man die personalintensiven Betriebe bei den Lohnnebenkosten etwas entlasten könnte, nämlich indem man die kapitalintensiven Betriebe etwas mehr belastet - Stichwort: Wertschöpfungsabgabe.
Kann man denn in Ihrem Ministerium nicht einmal kreativ über neue Wege der Finanzierung nachdenken? Das vermisse ich. Ich bedaure es sehr, daß Sie in dieser Hinsicht überhaupt nichts beigetragen haben.
Herr Minister Blüm, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Ich spreche deshalb, weil ich es einfach nicht durchgehen lassen will, unsere Reform als Rentenkürzung zu bezeichnen.
Wenn Sie es tausendmal wiederholen, widerspreche ich Ihnen tausendundeinmal, und zwar mit Rücksicht auf die Rentner, die mit diesen Parolen in Angst und Schrecken versetzt werden.
Jetzt erkläre ich es noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben:
Wenn ein Durchschnittsverdiener ein Jahr Beiträge zur Rentenversicherung zahlt, erwirbt er heute für dieses eine Beitragsjahr einen Rentenanspruch von 47 DM. Er wird nach den Modellberechnungen in 30 Jahren, im Jahre 2030, von 47 auf 109 DM gewachsen sein. Nach dieser Reform wird er nicht auf 109, sondern auf 103 DM wachsen.
- Wenn Sie diese 6 DM als Kürzung bezeichnen, wie erklären Sie dann, daß aus einem Rentenanspruch von 47 DM in 30 Jahren ein Anspruch von 103 DM wird?
- Schreien Sie doch nicht so dazwischen! Denn dann muß auch ich nicht so schreien.
Nochmal - je öfter Sie dazwischenschreien, desto mehr wiederhole ich es -: Aus 47 DM werden durch diese Reform in 30 Jahren 103 DM.
Liebe Leute draußen, entscheidet jetzt, ob die Erhöhung von 47 auf 103 DM eine Kürzung ist oder eine Verdoppelung der Rente. Richtig ist - dazu bekenne ich mich; darum rede ich nicht herum -: Sie wäre ohne diese Reform noch stärker gewachsen. Aber sie wächst. Dies ist keine Rentenkürzung. Die Rente ist sicher, allerdings nicht als ein vom Himmel gefallenes Wunderwerk. Sie bleibt nur sicher, wenn wir für die Zukunft handeln und wenn wir den Jungen keine Beiträge zumuten, die sie nicht zahlen wollen und nicht zahlen können.
Ich fasse zusammen: Die SPD hat nur zu bieten: draufsatteln, draufsatteln, draufsatteln!
Das ist keine Reform. Das ist verantwortungslos gegenüber der Zukunft der Alten und der Jungen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9228. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Regierungskoalition gegen die Opposition abgelehnt.
Jetzt stimmen wir über zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Einzelplan 11 ab. Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9167. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Regierungskoalition bei Enthaltung
Vizepräsidentin Michaela Geiger
der SPD und Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9168. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 11 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -Dann ist der Einzelplan 11 mit den Stimmen der Regierungskoalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu einer überplanmäßigen Ausgabe im Haushaltsjahr 1997 - Arbeitslosenhilfe -, Drucksachen 13/8547 und 13/8877. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Drucksachen 13/9015, 13/9025 -Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart Kuhlwein Dr. Wolfgang Weng Arnulf Kriedner
Kristin Heyne
Es liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der SPD und vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie zwei Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Eckart Kuhlwein, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesumweltministerin wird in der kommenden Woche auf dem Klimagipfel in Kioto wieder, wie wir das kennen, flammende Bekenntnisse zu einer nachhaltigen Entwicklung ablegen. Das ist gut so.
Aber noch besser wäre es, wenn sie dabei die erste nationale Erfolgsbilanz vorlegen könnte.
Besser wäre es auch, wenn sie beweisen könnte, daß ihr Heimatland quer durch alle Politikbereiche die Botschaft von Rio 1992 begriffen hat und Schritt für Schritt dabei ist, die Wirtschaft ökologisch umzubauen. Das würde überzeugender wirken als ihr ungefähr 27. Appell auf internationalem Parkett, in der nun dreijährigen Amtszeit der Ministerin.
Wo die Nachhaltigkeit in praktische Politik umgesetzt werden muß, wo die Neuordnung der Politik notfalls auch im Konflikt mit den Vertretern anderer Interessen erkämpft werden müßte, gibt es bei ihr vor allem Halbherzigkeit und Beruhigungspillen. Das gilt sowohl für die Eiertänze um den Einstieg in eine ökologische Steuerreform oder die CO2-Steuer. Das gilt aber auch für das Energiewirtschaftsrecht, das morgen mit den Stimmen der Koalition in eine falsche Richtung verabschiedet werden soll. Das gilt ferner für die Agrarpolitik, und das gilt für die Betonideologie in der Verkehrspolitik. Das gilt leider auch für die eigenen Vorhaben des Umweltministeriums wie die untaugliche Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz oder das zahnlose Kreislaufwirtschaftsgesetz. Halbherzigkeit und Beruhigungspillen!
Der Einzelplan 16, den wir heute zu verabschieden haben, ist ein getreues Spiegelbild dieser Als-obPolitik, eines Hauses, das, wenn man will, drei Gesichter hat: einmal als Gesetzgebungsministerium, das zuviel Rücksicht auf die Zwänge einer neoliberalen Wirtschaftspolitik nimmt;
ein anderes als ökologisches Pionierministerium, das es eigentlich sein sollte, dem aber der Schneid abhanden gekommen ist, neue Antworten zu suchen; und schließlich als Spagatministerium, das die Vorzüge der Atomindustrie genauso unbefangen preist wie den Vogel des Jahres. Mit dieser Umweltpolitik, mit diesem Umwelthaushalt ist kein Staat zu machen.
Nun ist es Chronistenpflicht, nach dieser Gesamtbewertung auch einige Absonderlichkeiten des Einzelplans vorzutragen. Dazu gehören zum Beispiel die Investitionen in die Endlager für radioaktive Abfälle. Im Nachtragshaushalt für 1997 sind 190 Millionen DM bei den Endlagern für radioaktive Abfälle gestrichen worden, weil sie nicht verbaut werden konnten. Wir haben das vorher gesagt. Als Gegner der Atomenergie freue ich mich natürlich darüber, daß in diesen Bereichen nicht so viel Geld ausgegeben wird. Aber als Haushälter frage ich mich, wie seriös denn nun die Annahmen für das nächste Jahr sind und warum Jahr für Jahr die entsprechenden Beträge viel zu hoch veranschlagt werden. Frau Merkel, ist das als politische Demonstration der Atompolitik der Bundesregierung gemeint, oder zeigt es nur ganz einfach die Unfähigkeit der zuständigen Behörde, realistische Berechnungen anzustellen?
Wir stellen heute Kürzungsanträge, weil wir wiederum nicht glauben, daß Sie, selbst wenn Sie Ihre Pläne umsetzen, im nächsten Jahr 225 Millionen DM für das Endlager Gorleben ausgeben werden.
Vor zwei Wochen hat der Bundestag die Novelle zum Atomgesetz verabschiedet. Die Koalition hat dabei so getan, als könne sie sich in einer zentralen Zukunftsfrage über erhebliche Widerstände in der Gesellschaft hinwegsetzen.
Eckart Kuhlwein
Die Änderung des § 57 a will entgegen dem Einigungsvertrag die Betriebszeit des maroden Endlagers Morsleben um fünf Jahre bis zum Jahre 2005 verlängern, obwohl der Sicherheitsstandard dieser Anlage bei weitem nicht den Anforderungen genügt, die Sie selber 50 Kilometer westlich davon für Schacht Konrad formuliert haben. Es geht - das ist vor zwei Wochen auch festgestellt worden - der Bundesregierung vor allem um weitere Einlagerungen von radioaktivem Material über das Jahr 2000 hinaus in Morsleben. Dadurch erscheinen auch die rund 70 Millionen DM, die 1998 in Morsleben verbaut werden sollen, in einem ganz anderen Licht.
Im Berichterstattergespräch hat Staatssekretär Jauck noch versichert, im Haushalt seien keine Investitionen zum Weiterbetrieb des Endlagers über das Jahr 2000 hinaus veranschlagt. Ich möchte jetzt gerne von der Regierung wissen, warum sie glaubt, mit solchen - ich drücke es einmal so aus - Flunkereien über die Runden kommen zu können. Wir stellen deshalb heute hier den Antrag, den Ansatz auf einen Betrag für die Vorbereitung der Stillegung zu kürzen.
Die Bundesregierung hat im Haushaltsentwurf für 1998 erneut die Mittel für Umweltschutzpilotprojekte Inland um 3,5 Millionen auf 46,5 Millionen DM gekürzt. Wir treten mit einem Antrag dafür ein, daß dieser Titel aufgestockt wird. Ich möchte daran erinnern, was aus diesem Titel finanziert wird: zum Beispiel Modellprojekte mit gasbetriebenen Fahrzeugen in Kommunen, naturnahe Regenwasserbewirtschaftung, Aufbereitung von kontaminiertem Altholz, CO2-Nutzung im Gewächshaus, ein cyanfreies Verkupferungsverfahren usw., alles Projekte, die sinnvoll und notwendig sind, wenn wir unsere Volkswirtschaft ökologisch umbauen
und Arbeitsplätze in neuen Bereichen, auch für neue Produkte und Verfahren, schaffen wollen.
Wir waren als Berichterstatter einigermaßen darüber schockiert, daß das Haus trotz der vielen Anträge im vergangenen Jahr und in diesem Jahr nicht in der Lage ist, die Mittel zeitgerecht auszugeben. Ich finde es schon erstaunlich, daß die Leitung des Hauses die Probleme bei der Abwicklung des Programms nicht früher entdeckt hat, obwohl sie wußte, daß das Parlament quer durch die Fraktionen die Pilotprojekte immer besonders engagiert unterstützt hat. Meine Fraktion wird jetzt sorgfältig darauf achten, daß bei der geplanten Änderung des Verfahrens das Umweltbundesamt den entscheidenden Einfluß auf Auswahl und Auswertung der Projekte behalten wird.
Aber das Umweltbundesamt scheint Ihnen ja, Frau Merkel, wie man weiß, nicht so besonders am Herzen zu liegen. Ich erinnere an einen Vorgang - ich habe Ihnen dazu auch geschrieben -, bei dem es darum ging, ob das Umweltbundesamt eine kritische und freche Broschüre für junge Menschen zum Thema nachhaltige Entwicklung herausgeben sollte. Frau Merkel hat den Druck dieser Broschüre gestoppt, die im Tenor durchaus optimistisch war. „Alles ist möglich", hieß eine der Unterüberschriften auf der ersten Seite. Ich habe sie von einem jungen Umweltaktivisten auf Jugendverträglichkeit hin durchsehen lassen. Er fand sie gut. Aber Frau Merkel war sie offenbar zu kritisch. Sie hätte wahrscheinlich lieber Erfolgsbroschüren mit dem Foto der Ministerin.
Frau Merkel, daß Sie so kleinlich sind, hätte ich nicht gedacht. Schade, daß Sie nicht den Mut zu etwas frecheren Publikationen haben, um der Sache zu dienen, um die es uns angeblich gemeinsam geht, über die Sie draußen immer öffentlich reden und über die Sie auch in Kioto wieder sprechen werden, nämlich junge Menschen an eine nachhaltige Entwicklung heranzuführen, die auch ihnen eine lebenswerte Zukunft auf dieser Erde sichert.
Als Nachtrag zum UBA bleibt noch die leidige Frage nach der Verlagerung von Teilen des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene - Kürzel: WaBoLu - nach Bonn. Die Berichterstatter halten das nach wie vor für Unsinn, auch und gerade unter Kostengesichtspunkten. Der Umzug ist weder durch das Berlin/Bonn-Gesetz noch durch die Empfehlungen der Föderalismuskommission gedeckt. Der Kollege Oswald müßte sich, wenn er denn wirklich Nachfolger von Herrn Töpfer als Berlin-Umzugsminister werden will, eine andere Kompensation aussuchen.
Mit besonderer Liebe widmen wir uns immer den gesamtstaatlich-repräsentativen Naturschutzvorhaben. Für die geplanten Projekte werden die veranschlagten 42 Millionen DM nicht reichen. Der Bund leistet hier, auch mit den Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben, einen notwendigen Beitrag zur Erhaltung wichtiger großflächiger Biotoptypen.
Das Bundesamt für Naturschutz betreut die Projekte fachlich und administrativ. Diese Arbeit ist sehr lobenswert.
Deshalb wollen wir - Herr Kollege Kampeter, Sie werden uns da zustimmen - die Mittel für den Naturschutz um 10 Millionen DM erhöhen.
Dies sind alles reale Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung.
Eckart Kuhlwein
Ich könnte mir allerdings noch ein deutlicheres Signal des Bundes für den Naturschutz vorstellen.
Wir haben am Beispiel des Hainich in Thüringen erlebt, wie schwierig es ist, dem Bund selbst land- oder forstwirtschaftlich überhaupt nicht nutzbare ehemalige Militärübungsplätze abzubetteln. Dabei macht es doch keinen Sinn, wenn der Bund Flächen behält, die unter Naturschutz gestellt werden und deren Pflege ihm dauerhaft rote Zahlen beschert. Das hat selbst der Bundesrechnungshof im Grundsatz so gesehen.
Ich meine, daß sich die Bundesministerin für Naturschutz an die Spitze der Bewegung stellen und gemeinsam mit den Ländern bei Theo Waigel vorstellig werden könnte, um akzeptable Konditionen für die Schaffung neuer Naturschutzgebiete auszuhandeln.
Das wäre ein deutlicher Beitrag der Bundesregierung und auch der dafür zuständigen Ministerin zur Umsetzung des EU-Programms NATURA 2000.
Zum Schluß komme ich noch auf die Grundsatzfrage der Zurechnung von Ausgaben auf die einzelnen Haushalte zu sprechen. Der Weltwirtschaftsgipfel von Denver im Juni 1997 hat ein internationales Programm zur Sanierung des Sarkophargs des durchgebrannten Reaktors in Tschernobyl beschlossen. Meine Fraktion findet das gut und hält es für notwendig. Von den Kosten entfallen auf den Bundeshaushalt 42 Millionen DM. 1998 werden davon 9 Millionen DM fällig.
Das ist für einen Haushalt mit steuerfinanzierten Ausgaben von gut 700 Millionen DM nicht gerade wenig. Wenn es nicht der Teufel gewollt hätte, daß die Ausgaben für den Neubau des Umweltbundesamtes in Dessau noch nicht im nächsten Jahr fällig werden, weil man es dort mit kontaminierten Böden zu tun hat, hätte die Bundesumweltministerin überhaupt nicht gewußt, woher sie diese 9 Millionen DM nehmen sollte.
Die Berichterstatter waren sich darin einig, daß dieser deutsche Beitrag ab dem Jahr 1999 auf den Gesamthaushalt verteilt werden muß. Tschernobyl ist nicht nur ein Problem des Ministeriums für Reaktorsicherheit, sondern geht alle politischen Bereiche und den gesamten Bundeshaushalt an.
Tschernobyl - das füge ich noch als Anmerkung hinzu - macht deutlich, wie teuer die Atomenergie für die Menschheit werden kann.
Wir sind mit der Umweltpolitik der Bundesregierung bei weitem nicht zufrieden. Die Ministerin handelt halbherzig, das Kabinett ist in keiner Weise problembewußt, und in der Atompolitik bewegen sich beide kongenial in Richtung vorgestern.
Der Einzelplan 16 ist da nur wenig besser. Wir lehnen ihn deshalb ab. Trotzdem danken wir allen, die uns bei seiner Entschlüsselung geholfen haben.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Peter Paziorek, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rede von Herrn Kuhlwein macht es doch noch einmal nötig, auf das fast abgelaufene Jahr 1997 zurückzuschauen. 1997 war ein erfolgreiches Jahr für die Umweltpolitik in Deutschland.
Erstens. Das Bundesnaturschutzgesetz ist
am 5. Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden, aber mit fadenscheinigen finanziellen Argumenten verweigert der Bundesrat im Augenblick seine Zustimmung.
Zweitens. Ebenfalls im Juni hat der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung dem Bundesbodenschutzgesetz zugestimmt. Auch insoweit läuft leider mit völlig fadenscheinigen Argumenten die Verhinderungsstrategie im Bundesrat.
Drittens. Wiederum im Juni dieses Jahres hat der Bundestag dem Entwurf zur Neufassung der Verpakkungsverordnung und der Altauto- und Batterieverordnung zugestimmt. Das ist aus unserer Sicht eine wichtige Weichenstellung für die Umsetzung der Produktverantwortung nach dem Kreislauf wirtschaftsgesetz.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Caspers-Merk?
Ich möchte erst meine fünf Punkte vortragen. Danach ist das vielleicht möglich.
Viertens. Auf Grund von Initiativen der Umweltpolitiker der Regierungskoalition sind in den Regierungsentwurf zum Energiewirtschaftsgesetz und zum Stromeinspeisungsgesetz verstärkt Umweltziele aufgenommen worden. Gerade durch diese Neufassung wird künftig der Strom aus Biomasse generell stärker begünstigt, wobei auch auf die Förderung von Windkraft nicht verzichtet wird.
Fünftens. Anfang dieses Monats hat die Bundesregierung in dem vierten Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „CO2-Reduktion" Empfehlungen und Maßnahmen für weitere Klimaschutzmaßnahmen vorgegeben und damit einen wichtigen Schritt zur Verwirklichung des nationalen Klimaziels unternommen.
Dies sind fünf Erfolge deutscher Umweltpolitik, fünf Erfolge der Bundesumweltministerin, Frau Merkel, die Sie mit Ihrer Blockadepolitik leider verhindern wollen. Das werden wir nicht zulassen.
Wird der Haushaltsplan 1998 im nächsten Jahr umgesetzt, dann kann das Jahr 1998, Frau Hustedt, für den Umweltschutz genauso erfolgreich werden wie dieses Jahr.
Zunächst müssen wir uns natürlich darüber klarwerden, in welchem politischen Umfeld wir heute über die Umweltpolitik und den Umwelthaushalt beraten. Jede Diskussion in Deutschland über die Bedeutung des Umweltschutzes muß zunächst einmal die Frage beantworten: Was ist bisher in der Umweltpolitik in Deutschland erfolgreich bewältigt worden? Von welchem Sockel aus machen wir Umweltpolitik? Dann muß gefragt werden: Was kann bei deutlich veränderten finanziellen und sozialen Rahmenbedingungen im Umweltschutz tatsächlich noch erreicht werden?
Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß die Umweltpolitik in Deutschland auf einem hohen Niveau betrieben wird. International ist unsere Umweltschutzpolitik hoch angesehen. Sie bietet somit für die Umwelttechnologie der deutschen Wirtschaft die Chance, ein Exportschlager zu werden. Dadurch bekommt die Umweltpolitik auch eine positive Bedeutung für den heimischen Arbeitsmarkt.
Andere Länder, die zum Teil über ein geringeres Umweltschutzniveau verfügen, sehen diese Perspektive natürlich auch und werden somit zu Konkurrenten für die deutsche Umweltindustrie.
Das ist ein Gesichtspunkt, den Sie, Frau Hustedt, im Umweltausschuß andauernd beklagen. Dies zu beklagen reicht jedoch nicht. Das kann doch politisch für uns in Deutschland nur die Konsequenz haben, daß der Bundesrat endlich seine Blockadehaltung zu einzelnen Umweltgesetzen aufgibt, um in diesen Teilbereichen der deutschen Umweltschutzpolitik, der heimischen Umweltschutzindustrie neue und sinnvolle Aufgabengebiete zu eröffnen.
Herr Abgeordneter, sind die fünf Punkte jetzt vorgetragen?
Ja.
Bitte schön, Frau Caspers-Merk.
Herr Kollege Paziorek, ich wollte mich in Geduld üben, damit Sie Ihre fünf Punkte zu Ende entwickeln können. Da Sie aber gerade schon wieder die Themen Blockade und Bodenschutzgesetz angesprochen haben, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß dort derzeit Verhandlungen laufen, die kurz vor einem positiven Abschluß stehen, und daß es, wenn es einen solchen nicht gibt, nicht an unserer Seite liegt.
Offensichtlich sind Sie über Koalitionsinterna nicht ausreichend informiert. Daher bitte ich Sie, das hier nicht zu wiederholen.
Liebe Frau Caspers-Merk, wenn mein und Ihr Beitrag dabei mithelfen können, daß ein solcher Kompromiß zustande kommt, dann, glaube ich, haben wir heute nachmittag ein ganzes Stück erreicht.
Wenn ich an die Anhörung zum Bodenschutzgesetz denke, lieber Herr Kuhlwein, dann habe ich bei manchen das Gefühl, daß es nur um den Boden geht und daß die Menschen von diesem Boden verschwinden müssen.
- Doch, das ist in der Anhörung von vielen Leuten
eindeutig so vorgetragen worden. Deshalb ist es
wichtig, daß wir die Akzente richtig setzen. Über
Dr. Peter Paziorek
manche finanzielle Frage können wir uns sicherlich an anderer Stelle noch in Ruhe unterhalten.
Wer also Umweltgesetze in Deutschland blockiert, darf sich zukünftig nicht über die Verluste beim Export deutscher Umwelttechnologie beklagen.
Umweltpolitik kann zukünftig auch nicht mehr so isoliert und eigenständig definiert werden, wie es von der Opposition in vielen umweltpolitischen Sonntagsreden immer wieder getan wird. Wer sich Ihre umweltpolitischen Beiträge hier im Deutschen Bundestag einmal anschaut, wird unschwer zu dem Ergebnis kommen, daß zwar immer große Rhetorik und großes Wehklagen angesagt sind, aber keine schlüssige Antwort darauf, wie sich die Umweltpolitik bei veränderten Rahmenbedingungen heutzutage noch neben der Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik behaupten kann.
Die Umweltpolitik kann nämlich nicht mehr die Augen davor verschließen, daß in Sachen internationaler Wettbewerbsfähigkeit neue Probleme für Deutschland aufgetreten sind und daß die finanziellen Möglichkeiten keine unbegrenzten Spielräume für die Umweltpolitik eröffnen. Deshalb müssen wir sagen, daß Umweltpolitik heute mehr denn je gefordert ist, Prioritäten zu setzen, Schwerpunkte zu bilden und Handlungsziele so zu formulieren, daß sie auch von anderen Politikbereichen akzeptiert werden können. Dieser Aufgabenstellung wird der Haushaltsplan 1998 unter allen Gesichtspunkten voll gerecht.
Wenn sich der Gesamthaushalt - wir müssen natürlich vergleichbare Haushalte heranziehen - dem Sparen öffnen muß, dann gilt das auch für den Umwelthaushalt. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen für den Haushalt 1998 ist es mit diesem Umwelthaushalt aber möglich, in umweltpolitisch wichtigen Bereichen sogar noch Erhöhungen vorzunehmen.
Hervorzuheben ist zum Beispiel die Steigerung bei den Umweltforschungsmitteln um 2 Millionen DM auf 55 Millionen DM. Das ist eine Erhöhung um 3,8 Prozent.
Die Fördermittel für Naturschutzprojekte konnten
ebenfalls auf nun 42 Millionen DM erhöht werden.
Durch dieses Förderprogramm kann ein wichtiger Anstoß für den Naturschutz in den Ländern gegeben werden.
Allerdings sollte Nordrhein-Westfalen von seinen Kürzungsabsichten im Landeshaushalt abgehen. Tun Sie doch bitte nicht so, als gebe es nur im Bundeshaushalt Schwierigkeiten. Schauen Sie sich einmal die aktuelle Diskussion zum Landeshaushalt in Nordrhein-Westfalen an. Die Kürzungsrate im Umweltbereich ist in Nordrhein-Westfalen viel höher als die Rate, über die wir hier im Augenblick diskutieren. Das aber verschweigen Sie.
Besonders erfreulich ist die Steigerung bei den Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf anderen Gebieten des Naturschutzes.
Natürlich gebe ich zu, Herr Kuhlwein, daß diese Erhöhungen nur möglich gewesen sind, weil sich im Berichterstattergespräch des Haushaltsausschusses hierfür eine Mehrheit ergeben hat. Den Kollegen im Haushaltsausschuß sei an dieser Stelle ausdrücklich dafür gedankt.
Noch andere Punkte müssen hier aus meiner Sicht besonders herausgestellt werden. Für die Sanierung des Sarkophags in Tschernobyl ist zum Beispiel ein völlig neuer Titel mit einer Größenordnung von 9 Millionen DM in den Umwelthaushalt 1998 aufgenommen worden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, welche finanzielle Belastung weiterhin auf uns zukommt: Wir werden wohl aus nationalen Mitteln insgesamt einen Betrag von 23,7 Millionen Dollar für die Sanierung in Tschernobyl zur Verfügung stellen müssen, wobei wir davon ausgehen, daß das natürlich nicht aus dem Stammhaushalt bezahlt werden kann. Herr Kuhlwein, da sind wir völlig einer Meinung; das sollte an dieser Stelle auch einmal verbindlich herausgestellt werden.
Ich gebe natürlich auch zu, daß die Umweltschutzpilotprojekte im Inland eine deutliche Kürzung um 7 Prozent hinnehmen mußten. Das tut umweltpolitisch weh. Aber letztlich muß der Umwelthaushalt auch einen Beitrag zu den bei allen Ressorts notwendigen Einsparungen leisten. Die Kürzungen sind allerdings schwerpunktmäßig hier konzentriert, weil in diesem Bereich ein Weniger an Fördermitteln am ehesten vertretbar erscheint. Die Wirtschaft ist nämlich mehr und mehr selbst bereit, ohne staatliche Förderanreize in moderne Umwelttechnologie zu investieren, weil dies für sie selbst mittel- und langfristig Wettbewerbsvorteile bringt.
Die Kürzung bei Pilotprojekten im Inland ist umweltpolitisch auch deshalb hinnehmbar, weil in diesem Bereich durch die Kreditförderprogramme des Bundes ein hervorragender Ausgleich geschaffen worden ist,
denn insgesamt wird 1998 auf Bundesebene ein Volumen in Höhe von mehr als 12 Milliarden DM an
Dr. Peter Paziorek
zinsgünstigen Umweltschutzkrediten zur Verfügung stehen.
Damit werden die Fördermöglichkeiten im Umweltschutz durch diesen Bundeshaushalt noch erweitert.
Zusammenfassend läßt sich feststellen: Die Schwerpunkte im Umwelthaushalt 1998 sind richtig gesetzt.
Trotz unvermeidbarer Kürzungen im Bundeshaushalt gibt es damit eine hervorragende finanzielle Grundlage für die weitere erfolgreiche Arbeit unserer Bundesumweltministerin.
Ich meine, die Opposition sollte auch eines einmal berücksichtigen. Die Höhe der staatlichen Ausgaben für den Umweltschutz - bezogen auf den Bundeshaushalt - ist, meine Damen und Herren von der Opposition, kein tauglicher Maßstab zur Beurteilung der Umweltpolitik in Deutschland.
Eine gute Umweltpolitik schlägt sich nicht nur in hohen Umweltschutzausgaben im Bundeshaushalt nieder, im Gegenteil. Wer das System der deutschen Umweltpolitik verstanden hat, wird der Aussage zustimmen müssen, daß nach dem Verursacherprinzip der Großteil der Ausgaben im Umweltschutz bei den Privatunternehmen und eben nicht beim Staat zu liegen hat, weil wir keinen staatlichen Umweltschutz im Sinne einer Planwirtschaft leisten. Es gilt in Deutschland immer noch das Verursacherprinzip.
Hinzu kommt: Beim Vollzug und bei der Finanzierung der umweltpolitischen Maßnahmen handelt es sich in Wirklichkeit um wesentliche Aufgaben der Länder. Der Bund ist nämlich größtenteils nur für die Gesetzgebung, nicht aber für den Vollzug zuständig.
Soweit zum Beispiel Umweltschutzinvestitionen - nehmen wir einmal den gesamten Bereich der Abwasserbeseitigung - dort stattfinden und finanziert werden müssen, fallen diese Ausgaben bei den Ländern und bei den Kommunen an und nicht beim Bund. Dies müssen Sie berücksichtigen, wenn Sie die deutsche Umweltschutzpolitik umfassend und richtig bewerten wollen.
Wer die umweltpolitischen Leistungen des Bundes und auch der Bundesumweltministerin beurteilen will, der kann letztlich auch den Bundeshaushalt nur an dem messen, was die verfassungsrechtliche Ordnung vorgibt. Wer etwas anderes tut, der verkennt die verfassungsrechtlichen Aufgaben in einem föderalen Staat.
Ich glaube, dieser differenzierten Aufgabenstellung wird auch unsere Klimaschutzpolitik auf Bundesebene voll gerecht. Zwischen 1990 und 1996 sanken die CO2-Emissionen in Deutschland um 10,3 Prozent.
Das wollen Sie nämlich nicht zur Kenntnis nehmen.
Zwischen 1990 und 1996 ist zudem das Verhältnis der energiebedingten CO2-Emissionen zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um sage und schreibe 19 Prozent gesunken. Dies zeigt, daß sich eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen fortgesetzt hat.
Zwischen 1990 und 1996 haben sich somit die CO2-Emissionen pro Einwohner in Deutschland um 13,3 Prozent vermindert. Ich führe bewußt den Vergleich zwischen 1990 und 1996, nicht - wie Sie es immer tun - den Vergleich von 1987 mit 1996 an, um Veränderungen in den neuen Bundesländern mit einzufangen. Die Entwicklung ist auch seit 1990 positiv, meine Damen und Herren.
Natürlich sind auch bei diesen Ergebnissen noch zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um das CO2-Minderungsziel der Bundesregierung zu erreichen.
- Das ist doch eine gute Perspektive; das meine ich doch auch, Herr Staatssekretär.
Die noch ausstehende Reduzierungsmenge von 80 bis 100 Millionen Tonnen CO2 kann aus unserer Sicht erreicht werden, wenn wir eine Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft erzielen, wenn die Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energien, wie zuletzt im Stromeinspeisungsgesetz beschlossen, fortgesetzt, die Wärmeschutzverordnung und die Heizungsanlagenverordnung mit dem Ziel der Energieeinsparung zu einer Energieeinsparungsverordnung novelliert werden und eine verstärkte Nutzung der industriellen und kommunalen Kraft-Wärme-Kopplung erfolgt.
Meine Damen und Herren, genau das sind Punkte, die die Bundesregierung in ihrem Beschluß Anfang dieses Monats festgelegt hat. Deshalb bin ich der Ansicht, die Entscheidung der Bundesregierung war gut, sie war richtig und ein geeigneter Baustein für eine erfolgreiche CO2-Politik in Deutschland.
Natürlich sind wir auch der Ansicht, daß wir eine CO2-Energie- und Steuerpolitik benötigen, aber wir
Dr. Peter Paziorek
sagen ganz deutlich: nicht im nationalen Alleingang, sondern mindestens EU-weit.
Wir können immer wieder feststellen: Die Opposition ist in vielen Fragen nicht bereit, den notwendigen Neuerungen im Bereich der Umweltpolitik aufgeschlossen gegenüberzutreten. Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten bei der Umsetzung des Investitions- und Genehmigungserleichterungsgesetzes in den Ländern feststellen können. Dazu wird jetzt in Nordrhein-Westfalen erst eine Fachtagung durchgeführt, damit das, was wir im letzten Jahr im Bundestag beschlossen haben, jetzt auch in den Ländern vollzogen werden kann.
Da erlebt man auf einmal, daß in der rotgrünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen darüber diskutiert wird, ob man eventuell vermeintliche Naturschutzgebiete so melden solle, daß der notwendige Ausbau des Flughafens Münster-Osnabrück verhindert wird.
Wer Umweltpolitik und Diskussion zu Umweltfragen nur so versteht, daß in Wirklichkeit damit Blockadeentscheidungen in anderen Fachbereichen der Politik hervorgerufen werden, soll sich nicht wundern, daß der gute gesellschaftliche Konsens zur Umweltpolitik in Deutschland immer mehr zerbröselt. Bei einer solchen Entwicklung haben Sie mit völlig überzogenen und falschen Akzenten in der Umweltpolitik dann eine große Verantwortung.
Sie schaden mit einer solchen Politik, diese Erfolge nicht zu akzeptieren, einer sinnvollen Umweltpolitik mehr, als Sie ihr nützen.
Deshalb habe ich die große Bitte: Stimmen Sie diesem Bundeshaushalt zu! Überdenken Sie Ihre Strategie im Bundesrat im Sinne einer effizienten Umweltschutzpolitik in Deutschland!
Ich will dieser Debatte hier überhaupt keinen rituellen Charakter verleihen. Ich sage ganz klar und deutlich, es gibt natürlich auch in der Umweltpolitik Bereiche - Verkehr und Umwelt -, wo wir deutlich sagen müssen, hier gibt es auch noch Probleme für unsere Umweltpolitik, und dort werden wir gemeinsam stark gefordert sein.
Aber es wird wichtig sein, daß wir hierbei deutlich machen, daß wir nicht einseitig nach dem Motto argumentieren dürfen: Verkehr ist alles. Und wir dürfen nicht umgekehrt argumentieren: Umweltschutz ist alles. Hier wird es darauf ankommen, eine sinnvolle, abgestimmte Politik zu finden, die beiden Gesichtspunkten gerecht wird.
Deshalb sage ich: Eine einseitige Politik, die nur den einen oder anderen Gesichtspunkt betont, wird scheitern. Dies geht dann letztlich nur zu Lasten des Umweltschutzes.
Dieser Haushaltsplanentwurf macht diesen Fehler nicht. Er setzt vielmehr für 1998 die richtigen Akzente, und deshalb wird die Unionsfraktion dem Umwelthaushalt ihre volle Zustimmung erteilen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Jürgen Rochlitz, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder bei den Haushaltsberatungen dieselbe Posse: Auch am Umweltetat darf gezupft werden. Fe-dem lassen mußte er schon seit langem. Ganze 1,2 Milliarden DM - noch nicht einmal 3,5 Promille des Bundeshaushaltes - ist dem Bundeskanzler und seinem Finanzminister dieses ökologische Feigenblatt wert, das lediglich anzeigt, wie tief in der Kabinettshierarchie die Umweltpolitik gesunken ist. Herr Paziorek, Ihr Gesundbeten der Bilanz von 1997 und das Scheitern Ihrer Gesetzesnovellen sind ein weiteres Zeichen dafür.
Die Frau Umweltministerin versteckt sich jedoch hinter 8,9 Milliarden DM Umweltschutzausgaben im Gesamthaushalt und dem Begriff der Querschnittsaufgabe. Sie meint damit, daß die Ökologie nach dem Motto „Überall ein bißchen, aber nirgendwo richtig" zum Zuge kommen soll, und sie hat Umweltschutz lediglich als End-of-the-pipe-Lösung und nicht als strategische Aufgabe begriffen.
Doch ich möchte hier keine Kostendebatte über den Umwelthaushalt führen. Es ist schlimm genug, daß die Lösung von Umweltproblemen immer öfter an Kostenargumenten scheitert. Die Frage nach dem Erhalt unserer natürlichen Lebensbedingungen darf nicht zur Kostenfrage degenerieren. Es geht immerhin um eine ethische Dimension der Politik, die dafür zu sorgen hat, daß künftige Generationen nicht durch unser Fehlverhalten belastet oder gar geschädigt werden. Das wissen Sie, Herr Kampeter, und vor allem der Herr Bundeskanzler ganz genau, der vor kurzem hier in Bonn ausgeführt hat:
Wir müssen die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen so gestalten, daß die natürlichen Lebensgrundlagen auch für unsere Kinder und Enkel erhalten bleiben. ... Diese ethische Dimension des Umweltschutzes verpflichtet uns heute
- der Herr Bundeskanzler sprach von heute -
zu handeln. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Hausaufgaben, die wir in unserem Lande zu erledigen haben, als auch hinsichtlich der globalen Herausforderungen des Umweltschutzes.
Soweit der Bundeskanzler. Nur: Von diesem Wissen ist im Haushalt herzlich wenig und in der hausgemachten Umweltpolitik noch weniger übriggeblieben.
Dr. Jürgen Rochlitz
Es ist ja richtig, daß unter dem Eindruck der erheblichen Belastungen von Luft und Gewässern und unter dem Druck der Öffentlichkeit mit den klassischen Mitteln der Ordnungspolitik deutliche Verbesserungen erreicht worden sind, aber „wahr ist auch, daß wir bis heute noch keine Umkehr der globalen Umweltbelastung erreichen konnten". So hat Herr Kohl die Lage auf der UN-Konferenz in New York richtig eingeschätzt.
Wahr ist außerdem - so muß man, basierend auf den Jahresgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, hinzufügen und ganz im Gegensatz zur Einschätzung von Herrn Paziorek ausdrücklich betonen -, daß auf vielen umweltpolitischen Sektoren die Trends zur Verschlechterung ungebremst sind. Ich erwähne hier nur folgende Punkte: Die defizitäre Situation von Naturschutz und Landschaftspflege, die Gefährdung und der Verlust von Lebensräumen und der damit einhergehende Artenrückgang bleiben mehr als bedenklich. Unvermindert werden Pläne geschmiedet und in die Tat umgesetzt, um letzte Freiräume der Natur und Landschaft zu zerschneiden, zu zerstören oder ganz verschwinden zu lassen.
Die Flächenversiegelung setzt sich unvermindert fort. Gegen eine fortschreitende Versauerung der Böden, an vorderster Stelle der Waldböden, wird nichts, aber auch rein gar nichts, unternommen. Damit nimmt die Bundesregierung in Kauf, daß der Charakterbaum der Deutschen, die Eiche, auf die rote Liste der gefährdeten Arten kommt.
Die Grundwasserqualität hat sich flächendeckend verschlechtert, so das Technikfolgenbüro des Bundestages, und mit einer Fortsetzung dieses Trends ist zu rechnen, wenn nicht den Verursachern aus Landwirtschaft und Verkehr Einhalt geboten wird.
Die Emissionen aus dem Verkehr hätten sich ähnlich reduzieren lassen, wie dies alleine beim Blei durch den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung verbleiten Kraftstoffs geschehen ist.
Doch noch hält die Bundesregierung an einer Politik des Bleifußes fest.
So nimmt nicht nur die mittlere Belastung der Bevölkerung mit Lärm zu, sondern auch die Luftbelastung mit Dieselrußpartikeln. Die Konzentrationen der damit gekoppelten krebserregenden Kohlenwasserstoffe zeigen steigende Tendenzen, während die Gefährdung durch Benzol und Ozon dauerhaft auf einem viel zu hohen Niveau verbleibt. Wer wie die Bundesregierung diese Entwicklungen tatenlos hinnimmt oder mit einem Haushalt ohne Gestaltungsspielraum wirkungslos bekämpfen will, betreibt Umweltpolitik nach dem Motto: nach uns die Sintflut. In dieser Hinsicht können sich Finanzminister und Umweltministerin als gemeinsam Verantwortliche für die Zerstörung der Zukunft der jüngeren Generationen die Hände reichen.
1992 bot sich in Rio die Gelegenheit, a11 die herausragenden Belastungen in einer genialen Kombination zusammen mit den treibhausrelevanten Spurengasen einem Reduktionsprogramm zu unterziehen. 150 Staatsoberhäupter, allen voran unser Bundeskanzler, ließen sich für ihr erwachtes Weltgewissen feiern. Es gab - leider bisher nur für einen Moment der Weltgeschichte - die Chance, mit Deutschland als selbstapostrophiertem Vorreiter, ähnlich wie bei den Szenarien des Ausstiegs aus den FCKW, die überlebenswichtigen Schritte zur Reduktion der Treibhausgase vorzunehmen. Doch so unvermittelt wie bei einem Börsencrash setzte die internationale Staatengemeinschaft dann auf den schnellen ökonomischen Gewinn im internationalen Wettrennen. Die Rettung der Zukunft wurde erst einmal verschoben.
Es ist die alternde, heute politisch und ökonomisch aktive Generation, die sich plötzlich gegen die elementarsten Interessen der jungen und jüngsten Folgegenerationen durchgesetzt hat. Dies gilt nicht nur weltweit, sondern auch ganz besonders für Deutschland. Der bald 68jährige Bundeskanzler findet sich wieder in Gemeinschaft mit Greisen aus China, Rußland und anderswo,
für die Vorsorge für die Zukunft offenbar ein Fremdwort ist.
Die Aussichten sind also düster geworden angesichts des wahrscheinlichen Fehlschlagens der Konferenz von Kioto. Helfen könnte nur ein nationaler oder ein europäischer Schwung heraus aus der ökologischen Lethargie. Deutschland könnte dabei immer noch eine herausragende Rolle spielen, wenn endlich die wegweisenden, visionären Konzepte entwickelt würden, mit denen der Einstieg in das nächste Jahrtausend gestaltet wird. In diesem Haushalt ist davon nichts zu finden. Es ist ein reiner Verwaltungshaushalt ökologischer Mißwirtschaft. Von Gestaltungswille keine Spur!
Nehmen wir die hormonartige Wirkung von Umweltchemikalien,
immerhin angeblich einer der Forschungsschwerpunkte des Umweltministeriums: Angesichts der Gefährdung durch endokrin wirksame Chemikalien wäre die Bundesregierung dem Bürger eine Politik der Vorsorge schuldig.
Wie ein Menetekel steht die Klimaveränderung überdeutlich mit „Buchstaben aus Feuer", um Heine zu zitieren und um an den indonesischen Tropenwald zu erinnern, vor der Tür. Obwohl sich auch Deutschland verpflichtet hat, die weltweite Umweltzerstörung zu bremsen, zeigt sich von Haushalt zu Haushalt, daß die Kluft zwischen dem, was getan werden soll, und dem, was getan wird, immer größer wird. Der bundesdeutsche Umwelthaushalt bleibt immer
Dr. Jürgen Rochlitz
noch ein Atomhaushalt. Von einem Haushalt der Nachhaltigkeit ist er weiter denn je entfernt.
Bündnis 90/Die Grünen fordern dagegen einen Haushalt der Nachhaltigkeit und damit einen Gestaltungshaushalt, der die ökologische Modernisierung wieder in den Mittelpunkt stellt.
Wir fordern, die Ökologie im Verbund mit der Sozial- und der Wirtschaftspolitik wieder in das Zentrum der Politik zu stellen.
Nehmen Sie sich deshalb ein Beispiel an Tony Blair und Lionel Jospin, die der Umweltpolitik in ihren Kabinetten einen neuen Rang eingeräumt haben. Auch für Deutschland ist es Zeit, das Umweltministerium aus dem End-of-the-pipe-Zeitalter herauszuführen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie müssen zum Schluß kommen.
Angesagt ist eine ressortintegrierte Umweltpolitik im Sinne des Leitbildes der Nachhaltigkeit zur Bewältigung der Vielfalt der Umweltprobleme. Dazu brauchen wir ein die schlimmsten Umweltsünder erfassendes Ministerium. Das alte mit seinem Haushalt der Peanuts sollte spätestens im Herbst 1998 ausgedient haben.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Wolfgang Weng, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war doch auffällig, daß der Herr Vorredner bei allem Wehklagen zwar an einer ganzen Reihe von Stellen global geklagt hat, aber die nationale Umweltpolitik der Koalition gelobt hat. Ich finde das gut.
Ein solches Umdenken bei den Grünen ist wirklich gut. Allerdings hat er am Schluß doch wieder klarzumachen versucht, daß der Umfang des Umweltetats irgend etwas mit dem Umfang des umweltpolitischen Engagements zu tun hätte. Dieser Eindruck ist falsch.
Ich möchte deshalb das umweltpolitische Engagement der Koalition an einigen großen umweltpolitischen Fortschritten darstellen, auch wenn ich Gefahr laufe, daß der Kollege Kampeter dann immer fragt, an welcher Haushaltsstelle das jeweils vermerkt sei. Aber das Risiko muß ich wohl eingehen.
Wir wollen nämlich über diese großen umweltpolitischen Erfolge nicht zu schnell zur Tagesordnung übergehen; wir wollen diese umweltpolitischen Erfolge nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Die Wälder in Deutschland befinden sich immer noch in einem kritischen Zustand. Zweifelsfrei jedoch ist die Atmosphäre wesentlich besser geworden, weil die Koalition unter dem Eindruck der Probleme, unter dem Eindruck des Waldsterbens konsequent gehandelt hat.
Insbesondere haben wir für die Entgiftung der Abgase aus den Kraftwerken gesorgt.
Es ist noch gar nicht so lange her, daß die Kraftwerksbetreiber versucht haben, sich vor der notwendigen Entschwefelung und Entstickung der Abgase, die dann als direkte Umweltbelastung in Form des sauren Regens auf uns niedergegangen sind, zu drükken. Heute gibt es keinen Kraftwerksbau in Deutschland mehr, bei dem nicht schwefelhaltige wie stickoxidhaltige Gase in großem Umfang herausgefiltert sind.
Man erinnere sich auch daran: Lange Jahre haben die Kraftwerksbetreiber versucht, die Entstickung als technisch praktisch unmöglich cerzustellen. Heute haben alle nachgerüstet.
Das ist notwendige und richtige Umweltpolitik der Koalition aus Union und F.D.P. Die kann sich sehen lassen.
Vergleichbares Handeln haben wir bei der Beseitigung von Schadstoffen aus den Autoabgasen gezeigt. Wie lange hatten die Kraftfahrzeughersteller nicht versucht, sich vor der Einführung des Katalysators in Deutschland zu drücken; sie haben davor gewarnt und alle möglichen Probleme in den Raum gestellt. Das hatte natürlich nicht nur Auswirkungen auf Deutschland, sondern als Konsequenz der Bedeutung der deutschen Autoindustrie auch auf Europa.
Welchen Druck hat die Koalition auch bei der Umstellung der Tankstellen auf bleifreies Benzin ausüben müssen! Heute ist es Vergangenheit. Es ist fast vergessen. Es bleibt aber eine große umweltpolitische Leistung der Koalition.
Lassen Sie mich, Frau Kollegin Hustedt, ein weiteres umweltpolitisches Highlight der Koalition, verbunden mit einer gelungenen Privatisierungspolitik, in aller Kürze darstellen: Wir haben den Erlös aus der Salzgitter-Privatisierung als Kapital in die Deutsche Bundesstiftung Umwelt eingebracht. Diese Einrich-
Dr. Wolfgang Weng
tung kann wirklich in jeder Hinsicht als umweltpolitisches Vorbild und Vorzeigeobjekt genannt werden.
Da kommen Sie an einem Lob kaum vorbei.
Die Förderung von Umwelttechnologie im Bereich des Mittelstands, die Vermittlung von Wissen über die Umwelt, die Verleihung des Deutschen Umweltpreises an Persönlichkeiten und Unternehmen, die besonders herausragende Leistungen in diesem Bereich vorweisen können - dies alles ist Erfolg von CDU/CSU und F.D.P.
Ich will zu dieser Stiftung, deren Generalsekretär Brickwedde mit seiner Mannschaft ein vorbildliches Engagement an den Tag legt, aus Sicht des Haushälters zusätzlich sagen - das ist da, wo mit öffentlichem Geld umgegangen wird, nicht völlig selbstverständlich -: Dort wird durch angemessene Rückstellungen das Kapital für künftige Generationen erhalten.
Die Geschäftsstelle in Osnabrück, Herr Kollege Kampeter, ist ein unter Umweltaspekten - aber auch optisch, hinsichtlich der Einpassung in die dortige Landschaft und hinsichtlich der Einbindung der alten Bausubstanz in den Neubaubereich - wirklich vorbildlicher Bau. Ich kann jedem Kollegen nur raten, sie mal zu besichtigen. Das lohnt sich.
Daß in der ersten Phase, Frau Kollegin Hustedt, nach der Wiedervereinigung ein Schwerpunkt auf die modellhafte Erhaltung und Restaurierung von Kulturgütern in den neuen Bundesländern gelegt wurde, unter anderem auch mit bedeutender Unterstützung des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche, gehört mit zu einem Gesamtbogen erfolgreicher Umweltpolitik der Koalition.
Zu den Aufgaben des Umweltministeriums gehört auch die Entsorgung von Kernkraftwerken. Hier versucht die Opposition ständig, zu blockieren - Herr Kollege Kuhlwein hat das mit der ihm eigenen Blokkiererart deutlich gemacht -, wie dies in rechtswidriger Weise mit großem finanziellen Schaden für das Land Niedersachsen unter der politischen Verantwortung von Herrn Schröder durch die Niedersächsische Landesregierung versucht wird.
Die schwachsinnige Logik, die Herr Kuhlwein hier wieder dargelegt hat, ist folgende:
Man will die Entsorgung nicht, denn wenn die Entsorgung klappen würde, Herr Kollege Kuhlwein,
gäbe es keinen Grund mehr, die friedliche Nutzung der Kernenergie abzulehnen. Eine solche Logik kann wirklich nur in der Atmosphäre roter und grüner Parteitage gedeihen.
Die F.D.P.-Fraktion trägt bei der Entsorgung von radioaktivem Abfall weiterhin alle notwendigen Weichenstellungen mit. Wir werden hier unserer Verantwortung gerecht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als letztes auf ein Flaggschiff unserer Umweltpolitik verweisen, auch deshalb, weil es seine Existenz der F.D.P. verdankt. Die jährlich über 40 Millionen DM, die wir zur Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft ausgeben, sind eine gute Geldanlage für die Zukunft.
Hierdurch werden Flächen und Gebiete gesichert, die national oder international besonders schützenswert sind - und dies zusätzlich mit Blick auf die Erhaltung der Pflanzenwelt und der Tierarten in diesen Bereichen. Sie wissen, daß die Roten Listen gefährdeter Natur viel zu umfangreich geworden sind. Das muß geändert werden. Dazu tragen wir mit diesem Haushaltsansatz bei.
Meine Damen und Herren, indem ich das hohe Engagement der Umweltministerin und ihrer Mitarbeiter im Ministerium ebenso wie in den zugehörigen Ämtern lobe, signalisiere ich die Zustimmung der F.D.P.-Fraktion zum vorliegenden Einzelplan des Umweltministeriums in der Fassung des Haushaltsausschusses.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte jetzt über das weitere halbe Prozent reden, um das der Haushalt des Einzelplans 16 im Rahmen der Haushaltsberatungen geschrumpft ist. Ich könnte weiter über die lächerlichen 0,3 Prozent reden, die der Umwelthaushalt am Gesamtetat des Bundes ausmacht, oder darüber, daß jede zweite Mark des Umweltbudgets letztlich der Atomwirtschaft dient. Darüber ist hier schon ein paarmal diskutiert worden. Das alles will ich mir aber schenken.
Dafür möchte ich die Haushaltspolitik der Bundesregierung an einem Beispiel aus dem Kernbereich des Umweltschutzes illustrieren, dem Naturschutz. Was sich hier, insbesondere in den neuen Bundesländern, im Augenblick abspielt, ist ein Skandal allererster Ordnung. Es ist derartig absurd, daß ich mich frage, ob Frau Merkel demnächst auf internationalen Konferenzen vor Scham in den Boden versinken wird.
Eva Bulling-Schröter
Die Bundesrepublik läßt keine Gelegenheit aus, sich als Vorreiterin für den Umweltschutz zu preisen. Nun wissen wir, daß dies maximal für bestimmte Emissionen, für die Gefahrenabwehr und für Teile der Umweltindustrie gilt. Daß der Ressourcenverbrauch und der Verkehr ständig weiter steigen, ist genauso klar wie die ungebrochene Versiegelungswut der deutschen Wirtschaft.
Daß sich aber die Bundesregierung in ihrem manischen Hang zum Verscherbeln tatsächlich an das Tafelsilber der deutschen Einheit, die ostdeutschen Großschutzgebiete, wagt, erschien unmöglich,
und Herr Weng lobt diese Privatisierungen auch noch.
Nur sieben Jahre, nachdem es in den letzten Tagen der DDR gelang, die wertvollsten Naturräume in einem System von Nationalparks, Biosphärenreservaten und Naturparks zu sichern, will die Bundesrepublik ihre Grundstücke in den Schutzgebieten verkaufen, und zwar an Leute, die in der Regel eher ein Jagd- bzw. Anlageinteresse als einen Sinn für Flora und Fauna haben.
Ob es nun Bodenreform- oder Staatsland ist - Ertrag soll es bringen, also möglichst viel Geld möglichst schnell in die Kassen des Bundesfinanzministeriums spülen.
In anderen Ländern werden seit Jahren vom Staat Flächen aus privater Hand aufgekauft, um großräumige Schutzgebiete zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es unfaßbar, daß sich in der reichen Bundesrepublik ein genau entgegengesetzter Prozeß vollzieht.
Deutschland, das lediglich einen Anteil von 2,4 Prozent Naturschutzgebieten und 3,4 Prozent Biosphärenreservaten an der Bundesfläche hat, privatisiert aus fiskalischen Gründen Naturschutzflächen, während beispielsweise Jakutien in Ostsibirien unter ungleich komplizierteren ökonomischen Bedingungen bis zum Jahre 2000 ein Fünftel seiner Fläche in Staatsbesitz hält und unter strengen Schutz stellt.
Würde die ultraliberale USA ihren Yellowstone-Nationalpark verkaufen oder das bitterarme Tansania die Serengeti? - Unvorstellbar, richtig. Deutschland glaubt es sich aber leisten zu können, über die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH Kerngebiete des Naturschutzes, zum Beispiel im MüritzNationalpark oder im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, an vermögende Jäger und Spekulanten zu verhökern, nur um den Bundesetat ein wenig aufzumöbeln. Wertvolle Buchen-TraubeneichenWälder, Waldmoore und Kranichbrutplätze sind zum Verkauf angeboten. Zwei Waldpakete haben bereits den Besitzer gewechselt.
Übrigens müssen Naturschutzverbände oder -vereine, die hochsensible Flächen zum Zwecke des Naturschutzes kaufen wollten, bis zu zehnmal höhere Preise zahlen als Alteigentümer oder Wiedereinrichter. Was macht eigentlich deutlicher, welchen Wert die Koalition dem Erhalt der natürlichen Umwelt beimißt? Schauen wir in den Bundesumweltetat. Das Elend ist hier in Zahlen gegossen. Dort stehen lediglich 42 Millionen DM im Titel „Zuweisungen zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung". Demgegenüber stehen allein für den Grunderwerb zum ressourcenfressenden, naturzerschneidenden Bau neuer Autobahnen und Bundesfernstraßen 547 Millionen DM, also dreizehnmal soviel, zur Verfügung.
Doch selbst die mageren 42 Millionen DM für Schutzgebiete sind teilweise in den Sand gesetzt; denn viele Großschutzgebiete werden jetzt erst geschaffen, besitzen also noch keinen rechtlichen Schutzstatus. Dazu gehören insbesondere die Kerngebiete der Großprojekte des Bundesumweltministeriums zur „Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung", die mit den 42 Millionen DM finanziert werden sollen. Aber diese Gebiete sowie andere geplante Totalreservate gelten nach der Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen als nicht für den Naturschutz festgesetzt oder als lediglich einstweilig gesichert. Damit ist ein privater Erwerb dieser naturschutzrelevanten Flächen nicht ausgeschlossen. Am Ende verkauft der Finanzminister, was die Umweltministerin gerade unter strengsten Schutz stellen wollte - ein Witz! Der Fiskus sitzt anscheinend auch hier am längeren Hebel.
Danke.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Lennartz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das übliche Spiel: Die Ministerin
hat deutlich gemacht, daß sie als vorletzte sprechen will, so daß die Opposition keine Möglichkeit hat, darauf etwas zu entgegnen. Das ist pure Angst - wir kennen das ja mittlerweile -, pure Angst und sonst nichts.
Klaus Lennartz
- Wir hätten auch gem eine Antwort der Frau Ministerin auf unsere drängenden Fragen gehört.
Meine Damen und Herren, in Deutschland herrscht Stillstand. Statt auf die großen Herausforderungen der Zukunft vorbereitet zu sein, treibt unser Land ziellos dahin. Statt unser Land mit neuen Ideen zukunftsfähig zu machen, kennt die Bundesregierung nur verstaubte Ladenhüter aus vergangenen Jahrzehnten. Ihnen, auch Ihnen persönlich, Herr Kollege Kampeter, fehlt der Mut zu Veränderungen. Sie sind im schlechten Sinne konservativ; Sie sind der Hüter uralter Rezepte. Da mag das Fossil der Atompolitik nur ein Punkt sein.
Unseren heutigen Wohlstand können Sie mit dieser Politik nicht bewahren - von mehren ganz zu schweigen.
Dies sieht bei der Umweltpolitik von Frau Merkel nicht anders aus. Jahr für Jahr verschreiben Sie die immer gleichen Medikamente für den Patienten Umwelt, die nur einen einzigen Effekt haben, den Placebo-Effekt. Die Umwelt aber krankt weiter. Jahr für Jahr streicht Ihnen Ihr Finanzminister Millionen aus dem ohnehin spärlichen Umweltetat, und er streicht damit auch zukunftsträchtige und zukunftsfähige Arbeitsplätze.
Drängende Umweltfragen werden deshalb nicht gelöst. Dieser Regierung geht nicht nur die Luft aus; dieser Regierung fehlen auch die Ideen, mit denen sie Zukunft gestalten könnte.
Sie fahren Deutschland an die Wand - ohne Gurt und ohne Airbag. Das ist ein Faktum.
Meine Damen und Herren, Wandel ist erforderlich, jedoch nicht als pure Vision. Wir brauchen die konkrete Tat. Doch diese Bundesregierung denkt nur in Kategorien der alten Schlachtordnung: Wer sich zuerst bewegt, ist tot. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Nur wer sich bewegt, wird überleben. Das gilt auch für die Umweltpolitik.
Das ist die Strategie, wenn Deutschland auf dem globalen Markt konkurrenzfähig werden soll.
Wenn Sie etwas möchten, Herr Kollege, können Sie eine Zwischenfrage stellen. Ich bin gerne bereit, darauf einzugehen.
Aber dazu fehlt Ihnen wahrscheinlich der Mut.
Der Stand-Ort Deutschland muß zum BewegungsRaum Deutschland werden. Unser Land braucht eine neue Aufbruchstimmung zur Verknüpfung von Umweltschutz und technischem Fortschritt, um durch Innovationen zu Investitionen zu kommen. So werden neue Arbeitsplätze geschaffen.
Wenn das richtig ist, ist es natürlich völlig falsch, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung abzusenken, wie die Bundesregierung es getan hat.
Ich brauche mir nur die Namen vor Augen zu halten: Borchert, Rüttgers, Rexrodt, Wissmann. Sie alle sind so weit von ökologischen Zielen entfernt wie die Pinguine von der Sahara. Das ist Fakt.
Es wird hier und außerhalb dieses Plenums keiner ernsthaft bestreiten wollen, daß Ihre Umweltpolitik immer mehr in die Bedeutungslosigkeit abdriftet.
Diese Bundesregierung findet sich damit ab. Herr Kollege Kampeter, man kann aber auch Kreativität beweisen und neuen Ideen nachgehen. Man kann auch nach vorne schauen, führen, Vorbild sein und andere überzeugen.
Ich weiß, daß das für Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, ein verwirrender Gedanke ist.
Ich nenne Ihnen jetzt einmal fünf Technologiefelder, die in der Vernetzung mit der Umweltpolitik zur Entlastung der Umwelt beitragen. Das sind die Biotechnologie/Bionik, die Chemie,
Klaus Lennartz
die Verkehrstechnik, die Energietechnik und die gesamte Informations- und Kommunikationstechnik.
- Ich komme noch zu Ihnen, lieber Herr Staatssekretär.
Der eigentliche Skandal ist, daß durch Ihr Betondenken, durch Ihre Untätigkeit die großen Möglichkeiten, die es in unserem Land gibt, nicht genutzt werden. Allein die Senkung des CO2-Ausstoßes um 25 Prozent hätte zirka 700 000 bis 800 000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Dies sind Fakten. Einige hunderttausend Arbeitslose gehen auf Ihr persönliches Konto, Frau Merkel, weil Sie sich in der Umweltpolitik bei Innovationen und Investitionen nicht durchgesetzt haben.
Meine Damen und Herren, Umweltprobleme sind internationale Probleme. Sie gehen uns alle an. Das aber macht nationales Handeln weder überflüssig noch unmöglich, Frau Merkel. Warum führen Sie die EU nicht zu den, wie Sie sagen, hohen deutschen Umweltstandards? Warum tun Sie nichts dafür, daß die Weltbank nur solche Ausschreibungen vergibt, die unseren Umweltstandards entsprechen?
Es darf doch nicht wahr sein, daß wir die modernste und beste Kraftwerkstechnologie der Welt haben, uns aber nicht dafür einsetzen, daß sie anderswo genutzt werden kann, weil die Weltbank Mittel vergibt, ohne - und das wissen Sie - auf diese Umweltstandards zu schauen. Wo ist denn Ihr Handeln, ob auf EU-Ebene oder wo auch immer?
Beim Durchsetzen versagen Sie! Reden können Sie; das ist aber auch alles.
So würde nämlich sichergestellt werden, daß Umweltverträglichkeit und Umweltschutz zu den entscheidenden Wettbewerbsvorteilen werden und nicht niedrige Löhne wie in anderen Ländern, mit denen wir nicht konkurrieren können und auch nicht konkurrieren wollen.
Wir müssen die weniger entwickelten und aufholenden Länder in die Lage versetzen, eine umweltgerechte und tüchtige Energieversorgung aufzubauen.
Ein wichtiger deutscher Beitrag zum Klimaschutz könnte darin bestehen, für Technologietransfer in die schnell wachsenden Entwicklungsländer zu sorgen, ohne die Verbesserung der eigenen Energieeinsparungen zu vernachlässigen. Sie aber lassen zu, daß wir immer stärker unter den Druck aus fernöstlichen Ländern geraten, die in einem hohen Maße instabil sind, weil sie auf soziale Ungleichheit und auf Naturzerstörung aufbauen.
Die ökologische Modernisierung ist eine Gewinn-, man könnte auch sagen: Gewinnerpolitik. Sie ist keine Belastung, sondern bietet die Chance zur positiven Veränderung, die Chance, unser Land wieder an die Spitze zu bringen, auch an die Spitze der Umweltschutztechnologie.
Das haben Sie bis zum heutigen Tage nicht. begriffen.
Sie haben es versäumt, ökologische Vorteile in ökonomische Gewinne umzumünzen. Warum denn wird hier bei uns auf dem Gebiet der Energiegewinnung durch Sonne, Wind und Wasser nicht intensiver geforscht, damit wir unser Wissen, unsere Produkte in andere Länder exportieren können, wo diese Technik effizient angewandt werden kann?
- Stellen Sie doch einmal eine Frage!
- Sie sind ein Feigling.
Das schafft neue Arbeitsplätze in Deutschland und garantiert in anderen Ländern eine umweltverträgliche Energie- und Klimapolitik, die schließlich allen Menschen zugute kommt.
Meine Damen und Herren, wir müssen Zukunftsfelder besetzen, vernetzt denken. Wir müssen eine Brücke von der Kohle ins Solarzeitalter bauen. Nur, dazu fehlt Ihnen die Phantasie.
Wir müssen den Wandel als Chance begreifen; denn die Erneuerung der Produktionskapazitäten durch moderne Technologien in Schlüsselsektoren bewirkt zweierlei: Sie sind erstens umweltfreundlicher und eröffnen zweitens neue Marktchancen für den Export von Umweltschutztechnologien.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Schlüssel zum Erfolg liegt in der Chemie. Wir stehen am An-
Klaus Lennartz
fang eines Jahrhunderts, in dem sich die Chemie mit der Physik und der Biologie überlagert und neue Dimensionen eröffnet. Die Hälfte der wichtigsten Basisinnovationen in den nächsten zehn, zwanzig Jahren werden mit von der Chemie abhängen. Bei diesem dynamischen Wachstumsprozeß muß Deutschland zum Mutterland vieler chemischer und pharmazeutischer Erfindungen werden, ohne daß dabei unüberschaubare Risiken für die Umwelt bestehen.
Wir brauchen daher nicht weniger, sondern mehr Innovationen in der Chemie, um die Gesundheit von Mensch und Umwelt zu schützen.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Zukunftsfeld liegt in dem gesamten Bereich der Informations-und Kommunikationstechnik. Heute - das wissen wir - verschlingt die Herstellung eines 22 Kilogramm leichten Computers rund 19 Tonnen an Material. Zum Vergleich: Der Materialverbrauch zur Herstellung eines Autos liegt bei zirka 25 Tonnen. Hier liegen Kapazitäten für Innovationen. Hier können wir im Wettbewerb die Nummer eins werden. Auch die Kreislaufwirtschaft ist geeignet, uns zu helfen, weltweit die Nummer eins zu werden, nicht aber die dummen Replikate, von denen Sie hier dauernd reden. Hier liegen auch Einsparpotentiale für Ressourcen. Unser Land hat nur drei Ressourcen: Braunkohle, Steinkohle und Salz. Das Wichtigste aber ist doch das Humankapital. Das müßten Sie nur einsetzen, sonst nichts!
Wir müssen eine Öffentlichkeit herstellen, die sich umweltbewußt in die Diskussion um die Gestaltung der Informationsgesellschaft einschaltet. Wir müssen dafür sorgen, daß keine Technikphobie entsteht, die das Gegenteil von dem erzeugt, was wir inhaltlich politisch, insbesondere umweltpolitisch, wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie den Redner doch bitte ein paar Sätze in Ruhe sagen. Die Zwischenrufe sind schon zu einer Dauereinrichtung geworden.
Ich bin das von den Kolleginnen und Kollegen der rechten Seite dieses Hauses gewöhnt, Frau Präsidentin. Ich freue mich darüber, daß sie ab und zu wach werden, wenn sie merken, daß ihnen jemand in seiner Rede die Wahrheit sagt.
Wir haben kein Defizit an Projekten und Ideen. Wir haben ein Defizit an Politik. Ihnen fehlt ganz einfach der Pioniergeist für neue Zukunftswege. Sie haben weder die Vorstellungskraft noch das Durchsetzungsvermögen, um die Zukunft unseres Landes neu zu gestalten. Sie sind ausgebrannt, Sie sind abgebrannt.
Wir brauchen ein neues Bündnis für neue Arbeit,
neue Arbeit durch eine neue Umweltpolitik. Deutschland braucht eine neue Regierung. Unser Volk ist besser als seine Regierung. Deshalb verdient dieses Volk eine andere Regierung als die, die von Ihnen heute in der Umweltpolitik repräsentiert wird.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Angela Merkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte als erstes meinen Dank an die Berichterstatter unseres Haushalts richten. Denn bei all dem, was wir heute gehört haben, glaubt man gar nicht, daß es doch recht konstruktive Gespräche über den Umwelthaushalt gegeben hat. Man merkt es auch an manchen Stellen. Herzlichen Dank!
Herr Kuhlwein, nach diesem Dank muß ich allerdings mein leichtes Erstaunen zum Ausdruck bringen. In einem sehr offenen Gespräch habe ich Ihnen von meinen Überlegungen erzählt, eine Jugendbroschüre über nachhaltige Entwicklung herauszugeben. Ich finde es gut, daß Sie sich dafür interessieren. Aber mir daraus, daß dies letztlich nicht geschehen ist, einen Strick drehen zu wollen und mir vorzuwerfen,
ich würde dem UBA nicht genügend Aufmerksamkeit widmen, ich würde mich scheuen, kritische Publikationen herauszugeben, finde ich nicht richtig. Ich hätte Ihnen das auch verschweigen können.
Ich war einmal Jugendministerin und habe ein wenig Ahnung von der Materie; auch glaube ich, daß es in solchen Fragen Ermessensspielräume gibt. Im übrigen: Eine Broschüre mehr aus dem UBA wäre eine Chance mehr gewesen, mein Bild unter die Leute zu bringen. So gesehen habe ich noch nicht einmal in meinem eigenen Interesse gehandelt.
Meine Damen und Herren, ich denke, das Thema „nachhaltige Entwicklung" sollte uns in der Tat in diesem Hause und in unserer Gesellschaft umtreiben. Ich will heute darauf verweisen, Herr Lennartz, weil man es sonst vielleicht vergißt.
Alles, was seit 1982 an Fortschritten auf dem Gebiet der Umweltpolitik erreicht und an Bundesgesetzen verabschiedet wurde, hat diese Regierungsmehrheit zustande gebracht:
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
das Stromeinspeisungsgesetz, die emissionsorientierte Kfz-Steuer, das Kreislaufwirtschaftsgesetz und Gesetze, durch die in unserer Republik 1 Million Arbeitsplätze im Umweltschutzbereich geschaffen wurden.
Ich will Sie an etwas erinnern, Herr Lennartz: Kurz bevor die SPD die Regierungsmehrheit verloren hat, hat Helmut Schmidt die Großfeuerungsanlagen-Verordnung in der Schublade verschwinden lassen, und Herr Zimmermann, der damalige Innenminister, hat sie wieder herausgeholt. So ist die Realität, und so haben wir SO2 und andere Umweltgifte in Deutschland reduziert. Das muß man einfach einmal sagen.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ganseforth?
Ja.
Frau Ministerin, daß Sie sich mit allem schmücken, was nur halbwegs in den Rahmen paßt, kann ich ja verstehen. Ist Ihnen jedoch bekannt, daß das Stromeinspeisungsgesetz keineswegs von der Regierung ausgegangen ist, sondern daß es auf Grund einer parlamentsübergreifenden Initiative, die erfolgreich gewesen ist und die durch die Regierung allenfalls zerstört oder abgebaut wird, entstanden ist?
Erstens wird nichts abgebaut. Zweitens mag es sein, daß auch andere daran beteiligt waren. Aber gegen die Mehrheit dieser Koalition hätten Sie überhaupt kein Stromeinspeisungsgesetz zustande gebracht; das ist doch vollkommen klar.
- Ich sage nur, daß die Regierung diesem Gesetz zugestimmt hat. Ich freue mich, wenn es eine parteiübergreifende Initiative war. Das ist in Ordnung; das gab es doch schon öfters. Damit Sie sich nicht so aufregen müssen, wiederhole ich es noch einmal: Ich habe gesagt, gegen die Stimmen der Regierungsmehrheit hätten Sie dieses Gesetz nicht durchbekommen.
- Natürlich habe ich das eben gesagt. Sie müssen hinhören und dürfen nicht schon schreien, bevor ich mit dem Sprechen fertig bin.
Herr Lennartz, wir fahren im Dezember wieder nach Kioto: ich als Umweltministerin, Abgeordnete aller Parteien und Länderminister, also eine ganze Delegation. Ich kann Ihnen nur sagen: International sind wir natürlich aktiv. Wenn das SPD-Präsidium mich auffordert, dort konstruktiv zu verhandeln, brauchen Sie keine Sorge zu haben, daß ich das nicht tue. Ich sage Ihnen ganz klar, daß wir uns bei der Weltbank für mehr Umweltschutz einsetzen. Daß es dort erhebliche Veränderungen gegeben hat, wissen Sie. Bei der WTO kämpfen wir in dem Ausschuß Umwelt und Entwicklung hart dafür. Ich sage Ihnen aber auch, daß wir erheblichen Widerstand von ungefähr 140 Entwicklungsländern erfahren, die sagen: Wenn wir die deutsche Umwelttechnologie einführen müssen, auf dem hohen Standard und mit den Kosten, dann kommen wir nie auf die Beine. Genau diese Ängste müssen wir abbauen. Hier müssen wir pragmatische Lösungen bieten.
Deshalb, Herr Lennartz, lassen Sie uns doch wirklich nicht über Dinge streiten, bei denen wir gar nicht auseinander sind.
Frau Ministerin, es besteht der Wunsch des Kollegen Rössel nach einer Zwischenfrage.
Nein, jetzt möchte ich erst einmal weitersprechen.
Lassen Sie uns doch über Dinge sprechen, die wir voranbringen müssen, auch international. Warum haben wir denn, Herr Lennartz, das ITUT gegründet? Doch genau deshalb, um den Chancen deutscher Umwelttechnologie mehr Raum zu geben. Warum haben wir denn die Area-Manager eingesetzt? Um die Probleme lösen zu können. Genau auf dem Gebiet werden wir weitermachen. Wenn Sie mich auffordern, für die Biotechnologie im Umweltschutz zu sein, kann ich nur sagen: Kommen Sie zu unseren Symposien; Sie waren jedesmal herzlich eingeladen. Wir tun etwas. Das ist eine Zukunftsbranche. Wir brauchen uns das von Ihnen nicht sagen zu lassen; denn wir machen das seit Jahr und Tag, und genauso werden wir das auch weiterhin tun.
Wenn Sie sagen, ich sei dafür verantwortlich, daß in der Bundesrepublik Deutschland nicht neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien: Herr Lennartz, nehmen Sie wenigstens zur Kenntnis, daß aus dem Programm in Höhe von 25 Milliarden DM zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen allein 2 bis 3 Milliarden DM Umweltschutzinvestitionen den alten bzw. neuen Ländern zugute kommen. Frau Hustedt, auch das Wärmedämmprogramm im Altbaubereich ist dabei.
Wir haben bei unseren nächsten Schritten zum Klimaschutz ganz klar gesagt, daß wir diese Programme kontinuierlich weiterführen werden. Wir wissen, wie schwierig das bei der augenblicklichen Finanzlage ist; denn wenn kein Geld reinkommt, kann man nur schwer etwas ausgeben. Trotzdem wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau dies weiterhin machen.
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Wenn wir in den alten Bundesländern 2 Milliarden DM und in den neuen Bundesländern 3 Milliarden DM für Investitionen im Umweltschutz ausgeben, dann ist dies ein Beitrag zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen und zu mehr Umweltschutz, und zwar zu einem modernen Verständnis von Umweltschutz, wie wir es wollen.
Ein weiteres Beispiel ist das ERP-Sondervermögen mit Umweltschutzkrediten in Höhe von 2,7 Milliarden DM 1998. Beide bundeseigenen Banken, die Deutsche Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, haben ihre Investitionen in den Umweltschutz in den letzten Jahren in erheblichem Maße verstärkt. Genau das wollten wir, das wollen wir weiterhin, und das werden wir weiterhin tun.
Herr Rochlitz, zu Ihren Ausführungen heute über die Frage der Luftverschmutzung: Wenn uns irgend jemand aus irgendeinem anderen Lande zuhören würde, würde er wirklich nicht verstehen, wovon wir sprechen.
Wir haben in Europa die Abgasnorm für die Jahre 2000 und 2005, Euro 3 und Euro 4, festgelegt. Wir werden im Verhältnis zum Pkw der 80er Jahre nur noch ein Dreißigstel des Ausstoßes der Emissionen haben, die wir damals hatten. Natürlich haben wir Probleme; das weiß ich. Wir haben noch immer Probleme mit der Versauerung im Waldbereich und Probleme im Ozonbereich, und wir brauchen bessere Kraftstoffe. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, daß die Mineralölindustrie bessere Kraftstoffe macht. Das wird im übrigen auch von der Automobilindustrie inzwischen dringend gefordert. Aber malen Sie doch nicht ein Bild an die Wand, nach dem es so aussieht, als würden wir in ein Zeitalter kommen, in dem die Luft viel schlechter ist. Wir haben eine viel bessere Luftqualität, als wir sie vor Jahr und Tag hatten.
Eine Umweltpolitik muß verschiedene Instrumente nutzen. Ich bin sehr dafür, daß wir weiter Gesetze machen. Ich sage nur: Wir brauchen dafür auch Mehrheiten.
Frau Caspers-Merk, auch ich glaube, daß wir beim Bundesbodenschutzgesetz auf einem guten Weg sind. Aber ich muß ebenso feststellen, daß wir zum Beispiel bei der Novelle zur Verpackungsverordnung nicht vor- und nicht zurückkommen. Es geht natürlich nicht, daß man fordert, man müsse ein System wie den Grünen Punkt reformieren bzw. verbessern, und daß man dann im Länderbereich unter den verschiedenen Parteien niemals eine Mehrheit zustande bekommt, weil jeder noch eine Lieblingsidee verwirklichen will. Da ist also nicht auf der Bundesebene die Frage zu stellen, wie wir zu einer Mehrheit kommen, sondern wegen der ganz unterschiedlichen Vorstellungen der Länder, muß ich sagen: Auch hier sollte für manche Entscheidung eine Mehrheit zustande kommen. Das wäre außerordentlich wichtig.
Meine Damen und Herren, unser Haushalt hat ganz besondere Schwerpunkte. Ich will ein Wort zu den Ausgaben im Naturschutzbereich sagen. Trotz angespannter Haushaltslage, trotz schwieriger Verhältnisse haben wir unser Programm für gesamtstaatlich repräsentative Projekte im Naturschutzbereich erhöht auf 42 Millionen DM; außerdem fast ein Viertel mehr an Aufwendungen für Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben. Ich kann Ihnen zusichern, daß wir natürlich darauf achten werden, was mit den Flächen im Naturschutzbereich passiert. Es ist nicht so, daß wir die Flächen aufkaufen, damit sie anderweitig wieder verkauft werden. Dies geht bei diesem Bundesprogramm sowieso nicht. Das ist vollkommen klar.
Nur, es hat sich noch kein einziger Landesminister, die ja nun für den Naturschutz verantwortlich sind, bei mir gemeldet und darüber geklagt, daß Flächen unentwegt verkauft und privatisiert würden, die für den Naturschutz dringend gebraucht würden. Daher kann ich auch nicht zur BVVG gehen, um dies zu klären. Wir werden diesen Fällen jetzt nachgehen. Ich habe damit überhaupt kein Problem.
Sie können aber nicht fordern, daß jedes Landschaftsschutzgebiet und jeder Naturpark in staatlicher Hand bleiben muß und nicht mehr privatisiert werden darf. Was ist denn dagegen einzuwenden, wenn jemand privat einen Wald besitzen will in der Kenntnis, daß es sich hierbei auch um einen Teil des Biosphärenreservats - ich vermute einmal, die Kernbereiche des Biosphärenreservats lassen sich nicht so gut privatisieren - handelt?
Derjenige, der es kauft, weiß, daß er keine Baugenehmigung erhält. Er kann höchstens etwas verändern. Wenn er dann sagt, die Natur gefällt mir trotzdem so gut, daß ich unter diesen Randbedingungen das Ganze nehme, dann ist dies doch in Ordnung.
Frau Bulling-Schröter, ein Höhepunkt ist wirklich dann erreicht, wenn Sie sagen, nun bekämen die Wiedereinrichter und die Alteigentümer das Land billiger. Genau das ist es, womit Sie versuchen, in den neuen Bundesländern Polemik zu machen, daß nämlich die Wiedereinrichter, vielleicht die früheren LPGs, keine Möglichkeit bekommen, Billigboden zu erwerben. Sie können doch nicht sagen: Wenn wir denen das Land geben wollen - dies ist mit vielerlei politischen Diskussionen verknüpft -, nehmen wir es anderen wieder weg. Wir können nicht 20 Prozent der Flächen von Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr zur landwirtschaftlichen Nutzung freigeben, weil dort eine bestimmte Kategorie des Naturschutzes besteht. Da würden Sie Zeter und Mordio schreien und klagen, die früheren LPGs hätten keine Existenzchance mehr. So geht es nicht.
Im Augenblick - lassen Sie mich das noch sagen - ist die Diskussion von viel Polemik geprägt. Es werden wenig Beispiele für diese Vorwürfe gebracht. Ich
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
will Beispiellisten sehen. Dann gehen wir die Sache Fall für Fall durch. Ich bin ganz sicher, daß auch die BVVG dazu bereit ist. Mit Pauschalvorwürfen erreichen wir nichts.
Ein letztes Wort, Herr Kuhlwein, zum Thema Endlager und zum Sarkophag von Tschernobyl. Wir sind uns ja einig: Dies ist eine gute Investition. Ich will noch einmal betonen: Diesmal konnten wir sie aus dem Haushalt des BMU bezahlen. Wenn wir dies nicht können, dann werden wir für diese Zahlungen Wege und Möglichkeiten finden. Daß aber die für das Endlager vorgesehenen Mittel zum Teil nicht so ausgegeben wurden, wie wir uns das vorgestellt hatten, liegt natürlich zum Teil an der nicht gerade zügigen Bearbeitung der Genehmigungsvorlagen durch die entsprechenden Länder. Sollte sich in Niedersachsen etwas ändern - dafür gibt es ja Anzeichen -, ist es mir recht.
Dies ist keine faule Ausrede. Dies ist leider die traurige Wahrheit unserer Kooperation mit den Ländern im Bereich der Atomenergie.
Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Abgeordnete Bulling-Schröter.
Frau Ministerin, Sie haben sich zu meinen Argumenten für die Nichtprivatisierung von Wäldern in Naturschutzgebieten in den neuen Bundesländern geäußert. Ich möchte zunächst einmal einen Vergleich anführen: In den neuen Bundesländern ist genausoviel Wald in Kommunal- und Landesbesitz wie zum Beispiel in meinem Heimatland Bayern. Mich würde interessieren: Warum privatisiert zum Beispiel Bayern nicht, obwohl es eine CSU-Staatsregierung hat, während in den neuen Ländern privatisiert wird? Dies wird doch sicher Gründe haben. Es ist klar, daß dann, wenn privatisiert wird, das Ganze auch wirtschaftlich genutzt wird. Ich weiß nicht, ob das den Vorstellungen entspricht.
Zu den weiteren Argumenten, die Sie gebracht haben: Mir ging es darum, zu beweisen, daß Naturschutzverbände, wenn sie bereit sind, Flächen zu kaufen, das Zehnfache dessen zahlen müssen, was zum Beispiel frühere Besitzer, in der Regel Barone - ich habe die Namen jetzt nicht parat; sie standen gestern in einer Zeitung -, zu zahlen haben. Dazu gab es gestern eine Beratung zwischen Naturschutzbund und BVVG. Sie konnten sich nicht äußern; vielleicht wissen Sie Näheres darüber. Aber ach wie vor ist es so, daß weiter verscherbelt werden soll. Ich denke, im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes ist es nicht sinnvoll, alles zu privatisieren, wie auch heute von Herrn Weng wieder diskutiert wurde.
Frau Bulling-Schröter, ich muß noch einmal darauf hinweisen: Die verbilligte Abgabe von Flächen an Alteigentümer und Wiedereinrichter ist deshalb ermöglicht worden, weil es sich um einen Ausgleichstatbestand handelt. Auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht es hier nicht um eine komplette Entschädigung, sondern um Ausgleich. Deshalb haben bestimmte Gruppen bis zu 6 000 Bodenpunkten die Möglichkeit, Flächen zu einem verbilligten Preis zu erwerben. Dies ist im Verhältnis zu europäischen Gegebenheiten schwierig zu diskutieren. Deshalb kann ich nur sagen: Naturschutzverbände müssen das Land natürlich zu ortsüblichen Marktpreisen erwerben, weil sie nicht unter die Ausgleichstatbestände fallen. Ich glaube, das sollte man redlicherweise dazusagen.
Wir sind am Ende dieser Debatte. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über drei Änderungsanträge der Fraktion der SPD ab.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9229. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9230. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9231. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden.
Jetzt stimmen wir über vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9169. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD abgelehnt worden.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9170. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD abgelehnt worden.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9171 . Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD abgelehnt worden.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9172. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9232 ab. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und mehreren Stimmen der Grünen gegen die Stimmen von PDS und zwei Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/ 9233. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Einzelplan 16 in der Ausschußfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 16 ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden.
Ich rufe nunmehr Einzelplan 12 auf: Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr - Drucksachen 13/9012, 13/9025 -Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner Bartholomäus Kalb
Jürgen Koppelin
Kristin Heyne
Außerdem rufe ich Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zusasmmenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen
- Drucksache 13/8685 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Zum Einzelplan 12 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie zwei Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat der Abgeordnete Hans Georg Wagner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Dienstag um 11 Uhr versuche ich, die Debatte im Plenum zu verfolgen. Ich bin erstaunt, wie die Koalition und die Bundesregierung auf die drängenden Fragen unseres Landes reagieren. Es ist bestürzend zu wissen, daß am vergangenen Wochenende in Luxemburg der europäische Beschäftigungsgipfel stattgefunden hat und die Bundesregierung zusammen mit der spanischen Regierung im Bremserhäuschen saß. Angesichts der mageren Erfolge im eigenen Lande ist das sehr verwunderlich.
Ich denke daran, daß diese Bundesregierung und diese Koalition als ihre Bilanz 5 Millionen Arbeitslose haben, daß diese Bundesregierung und diese Koalition als ihre Bilanz, als ihren nationalen Erfolg die höchsten Schulden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut haben und daß diese Bundesregierung und diese Koalition als ihren nationalen Erfolg vorweisen können, daß noch niemals so viele Jugendliche ohne Ausbildungsplatz waren wie in diesem Jahr.
Als nationalen Erfolg können diese Bundesregierung und diese Koalition auch verzeichnen, daß die Pleitenwelle in Deutschland noch nie so hoch war wie in diesem Jahr. Das ist ein nationaler Erfolg Ihrer Regierung. Ein weiterer nationaler Erfolg Ihrer Regierung ist das, was Sie als Koalition beschlossen haben, nämlich die Renten von 70 Prozent auf 64 Prozent zu senken, und zwar möglichst schnell. Damit versauen Sie den Menschen, die hart gearbeitet haben, ihren Lebensabend!
Als nationalen Erfolg können Sie es verkaufen, daß Sie es geschafft haben, Ende des Jahres 1997 die höchste Zahl an Sozialhilfeempfängern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu haben, nämlich 3,7 Millionen Menschen. Das ist ein Erfolg Ihrer Politik, die Sie national betreiben wollen, weil Sie nicht in der Lage oder bereit waren, eine europäische Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten zu betreiben.
Das ist ein Ergebnis Ihrer falschen nationalen Politik.
Betrachten wir einmal, was auf dem Gebiet des Verkehrs in Europa geschieht. Es ist an dieser Bundesregierung gescheitert, den transeuropäischen Verkehrsnetzen einen Schub nach vorne zu geben. Dieser Bundesverkehrsminister hat es, weil der Bundesfinanzminister stärker war, nicht geschafft, daß die Europäische Kommission die Mittel in die trans-
Hans Georg Wagner
europäischen Netze investieren kann, die im Landwirtschaftsbereich übriggeblieben sind.
Ihre Aktivitäten gehen also auch in dem Bereich der transeuropäischen Netze gegen Null, Herr Zwischenrufer. Das gilt für den Flugverkehr genauso wie für die Wasserstraßen und vornehmlich für die Schiene. Bei der Straße funktioniert es einigermaßen, da der Straßenbau eine Passion von Ihnen ist.
Die Netze in Europa sind nicht miteinander kompatibel; das wissen wir. Die Franzosen haben andere Züge als die Deutschen, die Polen und die Russen wiederum andere. Transeuropäische Netze können also offenbar auf der Schiene nicht hergestellt werden, wenn sie denn überhaupt gewollt sind. Ich bezweifle, daß die Bundesregierung dazu überhaupt bereit ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Transrapid ansprechen. Wir haben ja immer wieder darüber diskutiert. Diese Strecke ist eine Insellösung, es ist eine Straßenbahn von Hamburg nach Berlin, die mit keinem Netz in Europa vereinbar ist.
- Ihr Anblick hat mich eben etwas verwirrt.
Warum muß eigentlich die Bundesrepublik Deutschland den Unternehmen, die diesen Transrapid irgendwann einmal exportieren wollen - sofern überhaupt weltweit irgendein Interessent vorhanden ist, was bisher nicht der Fall ist -, die Exportrisiken abnehmen? Das ist nicht einzusehen. Wenn die Firmen Gewinne machen wollen, sollen sie bitte auch die Risiken tragen, die vorher mit diesen Gewinnen verbunden sind.
Ich frage Sie, Herr Minister - das ist ja auch ein Punkt in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gewesen -, warum die Finanzierungsvereinbarungen so zögerlich behandelt werden. Dazu gibt es zwei Versionen. Die eine Version lautet: Die Bundesbahn legt falsche oder nicht vollständige Pläne vor, die nicht genehmigungsfähig sind.
- Natürlich Deutsche Bahn AG, Herr Kollege Friedrich. Als wenn das das Weltbewegendste wäre; das wäre dann wirklich sehr schlimm.
Auf den Vorwurf, die Deutsche Bahn AG lege unvollständige Unterlagen und Berechnungen vor, hört man von Bahnseite, daß das Eisenbahnbundesamt die Genehmigungsverfahren verzögere
und sich nicht bemühe, möglichst schnell die Genehmigungen zu erteilen. Deshalb kämen die Finanzierungsvereinbarungen nicht zustande. Ich habe die Beteiligten im Einvernehmen mit den anderen Berichterstattern und dem Ministerium - Herr Staatssekretär Lammert hat sich einverstanden erklärt - für Februar 1998 ins Ministerium eingeladen. Ich will jetzt endlich einmal wissen, woran es denn wirklich hapert. Liegt es am Eisenbahnbundesamt? Dann würde ich dem Kollegen Koppelin,
der im Berichterstattergespräch sagte, er wolle es auflösen, und dem Verkehrsminister aus Sachsen-Anhalt folgen wollen, der diesen Vorschlag auch unterstützt. Oder liegt es an der Deutschen Bahn AG? Dann müssen wir denen die Leviten lesen. Es kann nicht angehen, daß wichtige Investitionsentscheidungen in Milliardenhöhe, die nicht nur Arbeitsplätze in Deutschland sichern, sondern auch schaffen, ständig verzögert werden.
In der Bereinigungssitzung sind ja in die Verpflichtungsermächtigung nach 1999 praktisch Investitionen in Höhe von 7 Milliarden DM verschoben worden. Einen Tag nach dieser Bereinigungssitzung gibt der Verkehrsminister zehn Projekte mit Milliardenkosten bekannt, für die mittlerweile die Finanzierungsvereinbarungen vorliegen, und erweckt bei der Bevölkerung den Eindruck, es täte sich etwas, obwohl er genau weiß, daß mit seinem Haushalt gar nichts mehr geht. Von diesen Maßnahmen werden nur marginale Bruchstücke verwirklicht werden können; alles andere muß auf Jahrzehnte verschoben werden.
Der Bevölkerung aber wird vorgegaukelt, hier werde etwas bewegt und irgendwann werde eine Schienenverbindung fertiggestellt oder eine Schnellzugverbindung geschaffen.
Das gleiche gilt natürlich auch für die Straßenbauprojekte. Ich habe dem „Spiegel" entnommen, daß Sie Listen für die Kolleginnen und Kollegen der Koalition anfertigen, damit sie zu Hause sagen können, welche Straßen und Ortsumgehungen gebaut werden sollen. Sie wissen ganz genau, daß das alles nicht finanziert ist; denn um alles zu finanzieren, bräuchte man einen Finanzierungszeitraum bis zum Jahre 2050.
Hans Georg Wagner
Das ist eine Verhohnepipelung der Menschen - wie wir im Saarland sagen -, wenn dann vor Ort behauptet wird, es werde dort eine Straße gebaut oder eine Ortsdurchfahrt verändert. Das ist alles nicht wahr.
- Im Saarland haben wir zusammen mit dem Verkehrsministerium die erste privat finanzierte Straße gebaut. Wir sind also fortschrittlicher als die Bayern.
- Sie ist aber gebaut worden, egal ob Widerstand war oder nicht.
Liebe Kollegen, wir haben gerade heute im Ältestenrat Einvernehmen darüber erzielt, daß keine Zwiegespräche zwischen Regierungsbank und Plenum stattfinden sollen.
Ich mache noch ein paar Bemerkungen zu Europa. Wie stellen Sie sich, Herr Minister, eigentlich eine europäische Verkehrspolitik vor? Sie sollten sich dazu einmal äußern, denn wir stehen ja an der Schwelle zu engerer Zusammenarbeit in Europa. Das ist auch gut so. Aber es muß auch in der Verkehrspolitik erkennbar sein, daß man bestrebt ist, zusammenzuarbeiten. Denn durch den Verzicht auf transeuropäische Verkehrsnetze werden auch Bundesländer benachteiligt, die davon in ihrer Wirtschaftsentwicklung profitieren könnten. Wenn der Schnellzug von Paris über Metz und Saarbrücken nach Mannheim käme, dann wäre das eine Verbesserung der Situation in der Westpfalz, in Lothringen, in Luxemburg, aber auch im Saarland.
Dies würde zu einer wesentlichen Verbesserung der Infrastruktur in diesen Gebieten führen. Sie machen alle möglichen Dinge, aber das, worum es eigentlich geht, machen Sie leider nicht.
Ich möchte noch etwas zur Seeschiffahrt sagen. Wie behandeln Sie eigentlich die Menschen? Mit Ihrer Politik werden Sie erreichen, daß es in ein paar Jahren keine deutsche Handelsflotte mehr geben wird; denn der Prozeß der Ausflaggungen geht weiter. Sie haben ursprünglich gesagt, der jährliche Bedarf, um Ausflaggungen größeren Umfangs zu verhindern, liege bei 100 Millionen DM. Die Zahl ging dann auf 40 Millionen DM herunter. Die Koalition hat sie zusammen mit uns wieder auf 100 Millionen DM erhöht. Der Vorschlag der Regierung für 1998 belief sich auf 50 Millionen DM. Die Koalition hat den Betrag wiederum auf 40 Millionen DM gesenkt, obwohl jeder in der Seeschiffahrt sagt, daß das absolut nicht reicht, um weitere Ausflaggungen zu verhindern. Wir haben beantragt, den Betrag wieder auf 80 Millionen DM zu erhöhen, damit wenigstens nicht in dem Umfang Ausflaggungen stattfinden, wie zu befürchten ist. Ihr Verhalten bedeutet wirklich eine Veräppelung der deutschen Seeschiffahrt. Es ist nicht mehr hinnehmbar, daß sie so von Ihnen behandelt wird. Auch dort sind Menschen beschäftigt
Sie werden es also zu verantworten haben, wenn es in absehbarer Zeit keine deutsche Handelsflotte mehr gibt.
Aber auch die Binnenschiffahrt ist nicht besser dran. Ich gebe gerne zu, daß es dort, was den Abfluß der Mittel angeht, durch die Europäische Union Sand im Getriebe gibt. Aber gerade die Binnenschiffer, bei denen es sich vielfach um Familienbetriebe handelt, sind die Ärmsten der Armen. Sie bedürfen einer besonderen Fürsorge des Staates. Ihnen muß man gerade mit Blick auf die Konkurrenz mit unseren Nachbarn, die, weil es auf dem Rhein nichts kostet, bei uns wesentlich günstiger fahren als unsere Binnenschiffer etwa auf holländischen Kanälen, helfen, über die Runden zu kommen.
Ich komme dann zur Privatisierung der Flughäfen. Sie wollen mit Hamburg beginnen; dafür stehen im Haushalt schon Zahlen.
- Wir haben da eher einen Interessenten gefunden als in Hamburg. Das ist auch bekannt, Herr Friedrich. Da geht das dann halt schneller.
Jedenfalls sind die Renditen daraus wohl schon alle verfrühstückt. Ich hätte dazu gern das eine oder andere gewußt.
Herr Minister, für den Verkauf der nicht eisenbahnnotwendigen Liegenschaften waren unsprünglich 13,4 Milliarden DM angesetzt. Mittlerweile ist der Verkauf für etwa 1,4 Milliarden DM realisiert worden. Das liegt also weit unter dem Limit, das Sie sich selbst gesetzt haben und das Sie vor allem schon als Ausgaben im Bundeshaushalt veranschlagt haben; denn die Einnahmen, die Sie erzielen, fließen in den Haushalt des Finanzministers, und die Ausgaben müssen Sie finanzieren. Das Kuriosum an dem Einzelplan 12 ist ja, daß alles das, was an Einnahmen
- Gott sei Dank - verbucht werden kann, beim Finanzminister verschwindet und Sie die Ausgaben finanzieren dürfen.
Das gleiche gilt für die Eisenbahnerwohnungen. Hier ist eine Gesellschaft gegründet worden. Ich bin darüber informiert, daß sehr viele der Einzelgesellschaften im Aufsichtsrat nein zu dieser Konstruktion gesagt haben, auch weil sie Kredite zugunsten der großen Organisation, dieser Holding, aufnehmen müssen. Jetzt versucht man, die Beschlüsse der Aufsichtsräte, die der Mitbestimmung durch die Gewerkschaften, die Arbeitnehmer unterliegen, dadurch zu umgehen, daß man die Anteilseigner zu Be-
Hans Georg Wagner
schlössen veranlaßt, die das Gegenteil dessen bedeuten, was die Aufsichtsräte der Einzelgesellschaften beschlossen haben.
Ich meine, das ist kein guter Umgang mit den Arbeitnehmern und ihren Vertretern. Sie waren bisher immer darauf stolz, Herr Minister, daß Sie - das ist auch richtig - vieles in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern und ihren Organisationen lösen konnten. Warum wird jetzt im Wohnungsbau, wo es wirklich an das Eingemachte geht, mit den Menschen in dieser Form verfahren?
Der letzte Coup, den diese Koalition gelandet hat, ist die Aussetzung der Tilgung beim Bundeseisenbahnvermögen. Mit dem Gesetz vom 27. Dezember 1993 haben wir beschlossen, daß 1996 und 1997 jeweils 300 Millionen DM und ab 1998 jeweils - mindestens, steht im Gesetz -2,8 Milliarden DM zu zahlen sind. Sie setzen die Zahlungen für 1998 und 1999 zunächst einmal aus. Im Jahre 2000 wollen Sie nur 300 Millionen DM zahlen. Damit verschieben Sie die Tilgung auf das Jahr 2001. Das führt zu einer ganz erheblichen Belastung der nachfolgenden Generationen, unserer Kinder und Enkelkinder.
Der Bundesrechnungshof hat große Bedenken dagegen geäußert. Auch der Sachverständigenrat hat kritische Bemerkungen dazu gemacht; das ist auf Seite 298 nachzulesen.
Die Argumentation ist beim Erblastentilgungsfonds eine andere als beim Bundeseisenbahnvermögen. Beim Erblastentilgungsfonds behauptet die Bundesregierung, daß sie zweimal Sondertilgungen vorgenommen habe, so. daß sie die i 1 Milliarden DM sehr gut verschieben könne. Das stimmt zwar nicht; denn sie hat gleichzeitig 8,4 Milliarden DM Altschulden der Kommunen der ehemaligen DDR in den Erblastentilgungsfonds übernommen; aber lassen wir das einmal sein. Hier ist das etwas ganz anderes: Der Bund hat sich verpflichtet, die Schulden aus dem Bundeseisenbahnvermögen zu tilgen, und zwar in den gesetzlich festgeschriebenen Raten. Sie schieben das nun hinaus. Das bedeutet nicht wie beim Erblastentilgungsfonds, daß eine frühzeitige Zurückzahlung ausgeglichen wird. Hier wird es gerade umgekehrt gemacht: Man zahlt später, als es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Ich halte diese Verschiebung von Lasten auf die nachfolgende Generation nicht für gut. Vor allen Dingen läuft das unter dem Motto „Nach uns die Sintflut" . So können Sie wohl nicht mit den Menschen umgehen, die darauf vertrauen, daß die Verkehrspolitik in Deutschland menschengerecht gestaltet wird und nicht Verunsicherungen, Verschiebungen und Belastungen hervorruft.
Wir sollten gerade auch im Verkehrshaushalt versuchen, die Investitionen so hoch wie möglich zu halten. Sie sind von der Koalition permanent gesenkt worden; das wissen Sie, Herr Friedrich. Und die Einnahmen, die es gegeben hat, sind im Bundeshaushalt verschwunden, aber nicht dorthin, wohin sie hätten fließen sollen, meinetwegen zu den Investitionen in die Schiene in Deutschland. Ich möchte wissen, wer an der Misere schuld ist, daß das Geld, das wir für die Eisenbahn zur Verfügung gestellt haben und das auch im Interesse der Bahn möglichst schnell ausgegeben werden sollte, nicht ausgegeben werden kann.
Ich weiß allerdings von vielem Bahnfahren, daß sich die Serviceleistungen, insbesondere was die Reinigung der Züge angeht, verschlechtert haben, weil man überall spart.
- In der Tat. - Auch sonst sind die Maschinen veraltet, und eine Erneuerung kann nicht stattfinden, weil die Bahn das Geld, das sie verdient, jetzt in die Schiene stecken muß, was gesetzeswidrig ist. Deshalb können wir diesem Haushalt auch nicht zustimmen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bartholomäus Kalb.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn der Rede des Kollegen Wagner hatte ich schon gedacht, wir hätten jetzt wieder die Generalaussprache eröffnet oder die Beratungen über den Einzelplan 11 fortgesetzt. Er hat auch nicht versäumt, gleich wieder schwarz in schwarz zu malen. Mit Schwarzmalerei aber werden wir in diesem Land nichts bewegen. Wir brauchen etwas mehr Optimismus und müssen deutlich machen, daß wir die Zukunft gemeinsam gestalten wollen. Wir dürfen nicht alles, was sich tut, her-unterreden.
Im übrigen bin ich der Meinung, Herr Kollege Wagner, daß das Spiel nicht so geht, daß für die Arbeitslosigkeit der Bund und für die schönen Dinge im
Bartholomäus Kalb
Lande die Landes- und Kommunalpolitiker zuständig sind.
- Nein, ich denke hier auch daran, daß wichtige Zukunftsinvestitionen unterbleiben, weil sie behindert werden. Denken Sie beispielsweise daran, daß der Elbausbau, der für die Zukunftsfähigkeit des Hafenstandortes Hamburg dringend notwendig ist, gerade von Schleswig-Holstein behindert wird. Denken Sie an den Flughafen in Düsseldorf. Dort sind Sie über Jahre hinweg nicht in der Lage, die Startbahn zu verlängern,
obwohl Sie wegen der Konkurrenz zu Amsterdam diese Infrastrukturverbesserung für den Standort Düsseldorf unbedingt bräuchten. In Frankfurt trauen Sie sich gar nicht mehr, darüber zu reden, daß eine weitere Startbahn notwendig ist. Auch sind Sie und die Grünen massiv gegen das Projekt 17 Deutsche Einheit, den Ausbau des Binnenwasserstraßennetzes.
Sie müssen sich dann schon anrechnen lassen, was Sie an wichtigen Infrastrukturmaßnahmen und damit auch an Arbeitsplätzen verhindern. Auch müssen Sie sich hinzurechnen lassen, was alles durch Mißwirtschaft in den von SPD und Grünen geführten Ländern und Kommunen nicht erfolgt, weil die Investitionsquote dort massiv zurückgegangen ist.
Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeitsplätze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ein leistungsstarkes Verkehrssystem
- so schreibt der Bundesverband der Deutschen Industrie in seinem kürzlich vorgelegten Positionspapier -
ist ein strategischer Faktor im globalen Wettbewerb und zugleich eine Grundvoraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung. Verkehrspolitik ist deshalb auch Standortpolitik. Die Wirtschaft braucht für ihre Konkurrenzfähigkeit eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur.
Genau aus diesem Grunde kommt dem Verkehrsetat als größtem Investitionshaushalt besondere Bedeutung zu. Was hier mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit ausgeführt wird, gilt in gleicher Weise für die Entwicklung der verschiedenen Landesteile und Regionen innerhalb unseres Landes.
Die wichtigste Voraussetzung für eine gute regionalwirtschaftliche Entwicklung ist nach meiner festen Überzeugung - die praktischen Erfahrungen bestätigen dies - die Bereitstellung einer guten Infrastruktur und selbst im Zeitalter von Datenautobahnen der schnelle Zugang zu leistungsfähigen Verkehrsträgern. Insofern ist die Frage, wie wir mit den Verkehrsprojekten in den neuen Ländern vorankommen, wie wir periphere Gebiete an nationale, europäische und internationale Markt- und Absatzzentren anbinden und wie wir Engpässe in Ballungsgebieten beheben, von ganz entscheidender Bedeutung.
Gestern hat der Bundeskanzler auf die Leistungen bei der Versorgung mit Telefonanschlüssen in den neuen Ländern hingewiesen.
Ich darf auch heute darauf aufmerksam machen, daß seit 1990 in den neuen Ländern über 5000 Schienenkilometer entweder neu gebaut oder generalsaniert worden sind,
daß über 11000 Straßenkilometer und Autobahnkilometer beziehungsweise Fernstraßenkilometer gebaut worden sind, daß in diesen wenigen Jahren annähernd 80 Milliarden DM zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur aufgewandt wurden. Ich denke, das ist eine ungeheuer beachtenswerte Leistung.
In diesem Zusammenhang - ich darf diesen Zwischenruf aufgreifen - ist dem Bundesverkehrsministerium, an der Spitze Matthias Wissmann, seinen Mitarbeitern, aber auch den Leuten vor Ort, der DEGES und den vielen anderen Planern und Ausführenden vor Ort ebenfalls besonders herzlich zu danken;
denn es ist eine gewaltige Leistung, die hier vollbracht worden ist.
- Und den Eisenbahnern, Herr Kollege Dr. Riedl; sie schließe ich gerne mit ein.
Der enorme Strukturwandel, in dem sich unsere Volkswirtschaft befindet und dem wir uns weiter stellen müssen, erfordert sowohl von jedem einzelnen als auch von der Wirtschaft insgesamt ein immer größeres Maß an Mobilität und Flexibilität. Insofern sind die Investitionen im Verkehrsbereich Zukunftsinvestitionen zur Verbesserung der Standortbedingungen beziehungsweise unserer Wettbewerbsfähigkeit und damit auch ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Es kommt allerdings nicht nur auf die Bereitstellung und das Vorhandensein von Verkehrswegen an, sondern auch auf den möglichst ungehinderten Zugang und deren Nutzung zu bezahlbaren Preisen beziehungsweise tragbaren Kosten.
Bartholomäus Kalb
Mit Mineralölpreisen in der Nähe von 5 DM pro Liter,
worüber selbst innerhalb der Grünen zwischenzeitlich massiv gestritten wird, ist diesen Erfordernissen nicht Rechnung zu tragen. Derartige Maßnahmen würden dem Bemühen, Arbeitslosigkeit abzubauen, Arbeitsplätze zu schaffen, volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, diametral zuwiderlaufen.
Herr Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Albert Schmidt?
Gern.
- Er will mich jetzt auf Schäuble ansprechen; ich weiß.
Ach wo, das würde ich nie tun.
Herr Kollege Kalb, ich möchte eine Frage zum Benzinpreis und zur Mineralölsteuer stellen. Sind Sie damit vertraut, daß dieser Vorschlag, der Benzinpreis in Deutschland müßte eigentlich schon heute - wenn alle Infrastruktur- und Umweltkosten in diesen Preis eingerechnet würden - 4,60 DM betragen, bereits 1994 vom Sachverständigenrat für Umweltfragen dieser Bundesregierung unterbreitet wurde?
Sie wissen ganz genau, daß schon heute das Aufkommen der Mineralölsteuer weit mehr ausmacht, als für den Verkehr ausgegeben wird. Auf diese Schein- und Trickrechnungen, die Sie anstellen, falle ich nicht herein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus den vorhin von mir genannten Gründen wäre es wünschenswert - die SPD wird mir hier nur eingeschränkt zustimmen, und die Bündnisgrünen werden garantiert widersprechen -, wenn wir noch mehr Mittel für Verkehrsinvestitionen bereitstellen könnten.
Bei der allgemein bekannten Lage war und ist das in größerem Umfang nicht möglich. Gleichwohl ist es uns im Straßenbaubereich gelungen, Verbesserungen vorzunehmen, so daß mit den Beschlüssen, die wir im Haushaltsausschuß gefaßt haben, und mit den schon im Regierungsentwurf vorgesehenen Verbesserungen 1998 230 Millionen DM mehr für den Straßenbau zur Verfügung stehen werden.
Damit wollen wir zumindest teilweise dem Umstand
Rechnung tragen, daß zwischenzeitlich dank des
neuen Planungsrechtes mehr baureife Projekte zur
Realisierung anstehen und es die Menschen, die oft seit Jahrzehnten auf die Entlastung von innerörtlichem Durchgangsverkehr oder die Beseitigung von sonstigen Engpässen warten, nicht mehr verstehen würden, wenn sich nun weitere jahrelange Verzögerungen ergäben.
Im Bereich der Schienenwege wird es darauf ankommen, die eigenen Ressourcen sowohl beim Eisenbahnvermögen als auch bei der Deutschen Bahn AG selbst verstärkt zu mobilisieren. Durch die Bereitstellung von zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen ist aber auch von Bundesseite sichergestellt, daß die ohnehin meist langfristig und mehrjährig angelegten Schienenbauprojekte realisiert werden können.
Der Verkehrsetat ist nicht unwesentlich von den Privatisierungsmaßnahmen betroffen. Ich denke hier an die Tank- und Rast-AG, an die Lufthansa und die Flughäfen. So wurden in diesem Etat erst die Voraussetzungen - etwa die Übernahme von Versorgungsverpflichtungen - für eine erfolgreiche Privatisierung geschaffen. Die durchgeführten bzw. angestrebten Privatisierungsmaßnahmen mögen von dem einen oder anderen bedauert oder kritisiert werden.
Es gab bestimmt Zeiten, in denen es richtig, ja, sogar notwendig war, daß die öffentliche Hand solche Einrichtungen geschaffen und als Träger fungiert hat. Es kommt aber auch darauf an, die rechte Zeit zu finden, solche Unternehmen aus der öffentlichen Obhut zu entlassen, wenn die zu erfüllenden Aufgaben notwendigerweise nicht mehr als staatliche Aufgaben gesehen werden müssen oder weil es gar für die Unternehmen selbst und deren Positionierung im Wettbewerb von Vorteil sein kann, wie das Beispiel Lufthansa beweist.
Es muß das Ganze ja nicht schon deshalb schlecht sein, weil es für den Staatshaushalt gut ist. Letztlich handelt es sich um staatliches Vermögen, das in früheren Zeiten aufgebaut wurde, und es ist gerechtfertigt, daß es jetzt wieder für die Bewältigung neuer Aufgaben, insbesondere für die Bewältigung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, der voranschreitenden europäischen Integration und den Herausforderungen der Globalisierung eingesetzt wird.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kristin Heyne.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kalb, ich kann gut verstehen, daß Sie sich angesichts dieses Haushalts lieber auf das rotgrüne Ge-
Kristin Heyne
spenst und allgemeine Verkehrspolitik als auf die speziellere Finanzpolitik bezogen haben.
Man muß eingestehen, daß dieser Haushalt kreative Qualitäten hat. Das zielt im wesentlichen darauf, daß bei diesem Einzelplan bestellt und abgefeiert, aber später gezahlt wird.
Das gilt zum Beispiel für die Bahnreform. Sie ist bekanntlich schon im Jahre 1994 realisiert worden. Der Minister Wissmann und auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dürr haben sich hinreichend dafür feiern lassen.
Es gibt inzwischen einen zweiten Vorstandsvorsitzenden bei der DB AG, aber die Folgen dieser Reform, nämlich die Altschulden, werden von Jahr zu Jahr im Haushalt weitergeschoben, und zwar nicht so, wie es sich gehört, im Einzelplan 32, bei den Schulden, wo man das auch sehen kann, sondern die sind gut versteckt im Einzelplan 12 unter diesem merkwürdig blumigen Begriff „Bundeseisenbahnvermögen" aufgehoben. Der richtige Begriff wäre „Bundeseisenbahnschuldenberg " .
Die Zuweisung an dieses Bundeseisenbahnvermögen erweckt noch den Anschein, daß man etwas für die Bahn tun würde. In Wirklichkeit werden nur Zinsen gezahlt.
Nun sollte ja im kommenden Jahr endlich ernsthaft damit begonnen werden, diese Altlasten zu tilgen. Aber wir haben heute eine Gesetzesänderung vorliegen, die die Belastung noch einmal weiter hinausschiebt. Der Kollege Wagner hat schon darauf hingewiesen.
In bezug auf die Hinausschiebung der Tilgung gibt es noch einen weiteren, ziemlich interessanten Aspekt. Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, daß allein dadurch, daß Geld weiterhin über das Bundeseisenbahnvermögen und nicht allgemein über die Bundesschulden aufgenommen wird, schon in den nächsten drei Jahren zusätzliche Kosten von 70 Millionen DM entstehen. Das liegt daran, daß der Bund ein höheres Vertrauen genießt und sich daher günstiger verschulden kann.
Dadurch, daß er eine konkrete Zahl auf den Tisch gelegt hat, ist der Bundesrechnungshof endlich bis zur Bundesregierung durchgedrungen. Er hat dieses Problem schon im Jahre 1993 benannt. Jetzt endlich - das muß man als einen Erfolg des Bundesrechnungshofes ansehen - hat die Koalition reagiert und hat noch in der Bereinigungssitzung eine Anderung im Haushaltsrecht eingebracht, die zuläßt, daß die Schulden für das Bundeseisenbahnvermögen direkt vom Bund aufgenommen werden dürfen. Man kann an diesem Vorgang sehen, wieviel Resistenz diese Regierung gegenüber den Empfehlungen hat, die vom Sachverständigenrat, vom Bundesrechnungshof oder von ähnlichen Institutionen kommen.
Wir haben uns einmal die Mühe gemacht, zurückzurechnen, was uns das Verstecken der Verschuldung im Bundeseisenbahnvermögen bisher gekostet hat. Die Differenz der Zinsen für Schulden des Bundes und des Bundeseisenbahnvermögens liegt bei etwa 0,83 Prozentpunkten. Das hat zur Folge, daß wir allein für das Bundeseisenbahnvermögen schon eine halbe Milliarde DM unnötig Zinsen gezahlt haben.
Zum Vergleich will ich sagen: Für den gesamten Gesundheitsbereich haben wir jedes Jahr 700 Millionen DM zur Verfügung. Diesen Bereich hätten wir von dem Geld fast ein Jahr lang finanzieren können.
Diese Kosmetik im Bundeshaushalt ist den Steuerzahler ziemlich teuer zu stehen gekommen. Da ich weiß, daß der Herr Minister Wissmann in seiner Rede gleich noch einmal darauf hinweisen wird, daß es notwendig ist, die Verschuldung in den Einzelplan 12 aufzunehmen, damit nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren die DB AG recht sparsam mit den Kosten für das Personal, das sie übernommen hat, umgeht, sage ich gleich: Herr Minister, dieses Argument der kommunizierenden Röhren wurde wirklich ad absurdum geführt, nachdem Sie dermaßen willkürlich bei den Zuschüssen für das Bundeseisenbahnvermögen wie auch bei den Investitionen gekürzt haben.
Das Motto „bestellt, aber noch nicht bezahlt" gilt auch nach der Bahnreform. Es war explizites Ziel dieser Bahnreform, eine entschuldete Bahn AG wirtschaftlich loslegen und arbeiten zu lassen. Jetzt können wir beobachten, wie von Haushalt zu Haushalt der Bund seine Investitionen bei der Bahn zunehmend zurückfährt. 1995 sind wir mit einem Zuschuß von 10 Milliarden DM angefangen. 1996 waren es nur noch 7,7 Milliarden DM. Damals hat man noch die Hoffnung geweckt, über nicht notwendige Liegenschaften bei der Bahn mehr Geld hereinzuholen. Im Jahre 1997 ging es schon auf einen Betrag von 7,2 Milliarden DM herunter. Im Jahre 1998, also im jetzt zu beschließenden Haushalt, sind es nur noch 6,7. Milliarden DM. Es wird inzwischen ganz unverblümt gesagt, daß man davon ausgeht, daß die DB AG weitere Schieneninvestitionen aus Eigenmitteln bezahlen kann.
In der Bereinigungssitzung wurde en passant noch einmal eins draufgesetzt: Es wurden nochmals Zuschüsse in Höhe von 550 Millionen DM, also rund einer halben Milliarde DM, an das Bundeseisenbahnvermögen gekürzt. Das hat zur Folge, daß gemäß den kommunizierenden Röhren die DB AG dieses Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst aufbringen muß.
Hinzuzählen muß man natürlich noch die ICE-Luxusstrecke Nürnberg-München; denn diese „privat
Kristin Heyne
finanzierte" Strecke wird von der DB AG vorfinanziert.
Dies alles geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem die DB AG eigentlich Pläne hatte, Züge zu modernisieren. Wer öfter mit der Bahn fährt, weiß, wie dringend nötig das ist.
Diese Modernisierungen werden deutlich zurückgeschraubt. 1,5 Milliarden DM werden aus finanziellen Gründen in den nächsten Jahren nicht investiert werden. Die Bahn wird weniger in rollendes Material investieren. Davon wird besonders die Neigezugtechnik betroffen sein, die es ermöglicht hätte, auf bestehenden Gleisen deutlich schneller zu fahren, das heißt, die Bahn schneller und attraktiver zu machen. Dies wird nicht stattfinden können.
Der Bund zahlt immer weniger, und die Deutsche Bahn AG wird in eine immer höhere Verschuldung getrieben. Die angebliche Vorrangpolitik für die Bahn rollt immer weiter aufs Abstellgleis.
Durch die Bahnprivatisierung wurde eine Grundgesetzänderung notwendig und durchgeführt. Der Bund hat den Auftrag, für den Ausbau und den Erhalt der Schienen zum Wohl der Allgemeinheit und auch für die Durchführung des Verkehrs auf diesen Schienen Sorge zu tragen. Herr Minister, dieser Aufgabe werden Sie nicht gerecht.
Im Zusammenhang mit den steigenden Schulden bei der Bahn muß man inzwischen leider auch vom Transrapid reden. Es hat im letzten Jahr viel Rechenakrobatik gegeben. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind bei weitem nicht wasserdicht. Wesentliche Fragen sind offengeblieben. Eines aber ist inzwischen klar: Die Bundesbahn soll das Risiko tragen, und das, obwohl man noch nicht einmal sagen kann, welcher Teil der Bundesbahn dadurch belastet sein wird. Denn im Jahre 2005, wenn der Transrapid fahren soll, wird es die DB AG, wie wir sie heute haben, nicht mehr geben. Es werden fünf unabhängige Gesellschaften sein, unter anderem eine für den Fernverkehr und eine für den Fahrweg. Welche AG welche Belastungen tragen soll, wer vor allen Dingen für die Trassenpreise, die von der EU zwingend vorgegeben werden, aufkommen muß, ist überhaupt noch nicht geklärt. Hier wird zwar geplant und gefeiert, aber sogar in diesem Fall ist offen, wer zahlen soll.
Ganz anders sieht es bei den Straßeninvestitionen aus. Die Großzügigkeit bezüglich der Belastungen der Bahn kann man bei den Straßeninvestitionen nicht finden. Hier wird sehr kleinteilig und genau gearbeitet. Man hat zum Beispiel sogar kleinere Mittelverschiebungen als lohnend angesehen. Bisher war es üblich, daß die Mittel für Schienenkreuzungen, also Brücken oder Tunnel über oder unter den Eisenbahnen, im Straßenbauplan angesiedelt waren.
Das macht man jetzt anders, allerdings nicht in der Form, daß man die Belastungen deutlich zum Bahnetat hinüberschiebt. Vielmehr gibt es jetzt kleine Haushaltsvermerke, die sagen, daß der Bau von Schienenwegkreuzungen mit Kosten von bis zu 200 Millionen DM aus dem Etat für Schieneninvestitionen finanziert werden kann. Wenn man sich also den Haushaltsplan ansieht, sieht es so aus, als ob auch die Mittel für den Straßenbau in Zeiten, in denen weniger Geld vorhanden ist, moderat zurückgeführt würden. Wenn man sich dann aber die kleinen Tricks genau ansieht, wird deutlich, daß die Mittel für den Straßenbau noch einmal ein wenig erhöht worden sind.
Dies alles hat aber den Haushältern der Regierungsparteien noch nicht gereicht. Wir hatten in diesem Jahr die merkwürdige Situation, daß in der Bereinigungssitzung sehr viele Änderungsanträge direkt vom Finanzministerium kamen. Nicht einmal mehr pro forma stand darauf, daß sie von der Koalition kämen. Aber es gab einige wenige Anträge, die tatsächlich von der Koalition kamen. Einer davon bezog sich auf die Straßeninvestitionen. Trotz knapper Mittel, wurden noch einmal 100 Millionen DM auf die Mittel für den Straßenbau draufgelegt.
Dies zeigt, daß offensichtlich noch vor der Listenaufstellung für die Bundestagswahl die eine oder andere Erfolgsmeldung in den Wahlkreis gegeben werden mußte.
Herr Minister, vielleicht sollten Sie Ihre Wahlkampfliste auf das eine oder andere Schienenprojekt ausdehnen, damit es von den Wahlkampfzeiten profitieren kann.
„Bestellt und nicht bezahlt" gilt im Straßenbau aber auch nach wie vor für die sogenannte private Vorfinanzierung. Allein in diesem Jahr sind noch einmal privatfinanzierte Projekte in Höhe von mehr als 3 Milliarden DM bewilligt worden. Das heißt, daß die private Vorfinanzierung inzwischen ein Volumen von 10 Milliarden DM hat.
Bei einer seriösen Haushaltsführung hätte man dafür in diesem Jahr Investitionen von über den Daumen gepeilt 1,5 Milliarden DM einstellen müssen. Das wollte man angesichts der Maastricht-Kriterien offensichtlich nicht. Ich muß leider zugeben, daß der Haushaltsposten der privaten Vorfinanzierung maastrichtresistent ist. Sie zählt bei der Verschuldung nicht mit. Sie wird aber natürlich durch zukünftige Haushalte zu bezahlen sein.
Eine weitere Verletzung des Haushaltsrechtes durch die Privatfinanzierung kommt jetzt zum Tragen: Wir fangen jetzt an, das Geld für die privatfinanzierten Strecken zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungen werden in Investitionstiteln angesiedelt, obwohl dies neben Investitionskosten auch Finanzierungskosten sind. Hier wird der Verschuldungshöchstrahmen gemäß Art. 115 des Grundgesetzes zu Unrecht durch Finanzierungskosten ausgeweitet.
Kristin Heyne
Herrn Waigel ist - wahrscheinlich mehr oder weniger aus Versehen - herausgerutscht, daß er zur Leitung seines Ressorts eigentlich keine Lust mehr hat. Herr Minister Wissmann läßt ähnliches erwarten. Wenn man sich seinen Einzelplan ansieht, sieht man, daß in absehbarer Zeit keine ungebundenen Gelder mehr vorhanden sein werden. Es wird nicht mehr die Möglichkeit geben anzukündigen. Es wird nur noch die Möglichkeit gegeben sein zu zahlen. Man darf gespannt sein, welche Wünsche dieser Minister dann äußern wird. Allerdings sollten wir alle darauf hoffen, daß eine kluge Wählerentscheidung diese Wahl unnötig macht.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die bisherigen Redebeiträge angehört hat, dann muß man sagen: Einige haben ihre Hausaufgaben anscheinend nicht richtig gemacht,
insbesondere Frau Kollegin Heyne.
Sie sollten sich die Bestimmungen der Bahnreform einmal genau anschauen. Teilweise ist das, was Sie hier vorgelesen haben, zwar nur knapp, aber trotzdem an der Wahrheit und an dem, was im Gesetz steht, vorbeigegangen.
Als Beispiel nenne ich die Auflösung der Bahn AG. Zunächst ist eine sogenannte Als-ob-Lösung vorzusehen, und zwar zum 1. Januar 1999.
Das bedeutet noch lange nicht, daß sie tatsächlich aufgelöst wird; denn im Gesetz steht sehr dezidiert, daß eine Auflösung nur per Gesetz, und zwar mit Zustimmung der Länder, möglich ist. So lange wird die Holding, die Bahn AG, die Richtlinien bestimmen.
Eines ist allerdings richtig - da gebe ich Ihnen recht -: Geklärt werden muß die Einführung einer Benutzungsgebühr, aber nicht in Deutschland. Wenn eine Bahnpolitik tatsächlich Erfolg haben will - das, was Sie mit Ihrer Politik wollen, nämlich eine endgültige Verlagerung von Verkehr auf die Schiene -, dann muß diese Frage in Europa gelöst werden. Deutschland hat als einziges Land in Europa die Hausaufgaben in diesem Bereich vorbildlich gemacht. Darauf sollte man auch einmal hinweisen. Alle anderen haben hier Nachholbedarf.
Sie müssen sich mit Ihrer Forderung direkt an Brüssel wenden; denn das muß jetzt in Europa entschieden werden.
Meine Damen und Herren, der bereinigte Einzelplan 12 des Haushaltsjahres 1998 umfaßt rund 43 Milliarden DM. Es gibt gegenüber dem ursprünglichen Ansatz einige Kürzungen, Gott sei Dank - füge ich hinzu - überwiegend nicht im investiven Bereich. Wenn es aber Kürzungen im investiven Bereich gibt - 50 Milliarden DM -, dann beim Eisenbahnkreuzungsgesetz, aber nur deswegen, weil die anderen mitfinanzierenden Körperschaften, nämlich Länder und Kommunen, nicht in der Lage waren, ihren Investivanteil aufzubringen - und das, meine Damen und Herren, obwohl der letzten Steuerschätzung zu entnehmen ist, daß die Steuereinnahmen für die Länder steigen, erstmals über den Einnahmen des Bundes liegen, und daß auch die Kommunen steigende Steuereinnahmen haben und deswegen das Märchen vom Ausbluten der Länder zumindest unter diesem Gesichtspunkt mit Sicherheit falsch ist.
Ansonsten gibt es im investiven Bereich Gott sei Dank keine Kürzungen, im Gegenteil: Die Straßenbaumittel wurden um 230 Millionen DM aufgestockt. In den nächsten fünf Jahren werden wir zusätzlich 1 Milliarde DM zur Verfügung stellen können.
Ich will nur darauf hinweisen: 1 Milliarde DM zusätzliche Ausgaben im investiven Bereich entscheidet auch über 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze. Das ist in dieser Zeit mit Sicherheit auch ein Argument, über das nachzudenken ist.
Man kann also feststellen, daß trotz aller Konsolidierungsmaßnahmen im Einzelplan 12 das hohe Niveau der beschäftigungswirksamen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur insgesamt erhalten bleibt.
Logischerweise - das ist schon angesprochen worden - liegt auch 1998 der Schwerpunkt unserer Erneuerung in den neuen Bundesländern. Rund 70 Milliarden DM sind schon in die Verkehrsinfrastruktur investiert worden. Die 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit befinden sich alle im Bau, sind entsprechend weit fortgeschritten. Auch hier ist sowohl der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit als auch der DEGES sehr für ihre Leistungen zu danken. Es zeigt sich, daß das von der Koalition geschaffene Planungsrecht durchaus in der Lage ist, auch in Deutschland Verkehrsprojekte in fünf Jahren nicht nur zu planen, sondern auch noch umzusetzen, und in einigen Bereichen können sie dem Verkehr sogar schon übergeben werden.
Auch bei den neuen Schienenwegen sind vor kurzem Finanzierungsvereinbarungen zu rund 11 Mil-harden DM unterschrieben worden, 9 Milliarden DM
Horst Friedrich
für den Bund, 2 Milliarden DM Zusatzfinanzierung für die Bahn. Das schafft ebenfalls Arbeitsplätze in einer Größenordnung zwischen 100 000 und 150000. Die Arbeiten werden in großer Zahl mit Sicherheit noch in diesem Jahr begonnen. Spätestens werden sie 1998 begonnen werden können.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?
Gerne.
Herr Friedrich, zu den Finanzierungsvereinbarungen für die zehn Schienenbauprojekte, die Sie jetzt angesprochen haben, frage ich: Ist Ihnen bekannt, daß diese sogenannte Finanzierungsvereinba - rung, die als Sammelvereinbarung abgeschlossen wurde, das Wesentlichste überhaupt nicht regelt, nämlich die Verteilung der Kostenlast zwischen Bundeszuschüssen einerseits und andererseits dem Darlehensanteil, der von der Bahn AG dann zu erwirtschaften ist? Daraus ist zu schließen, daß diese Finanzierungsvereinbarung keine echte Finanzierungsvereinbarung ist, das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt ist. Es ist eine reine Absichtserklärung, sonst nichts.
Da kann man, Herr Kollege, unterschiedlicher Meinung sein. Ich habe gerade ausgeführt, daß 9 Milliarden DM von diesen elf Milliarden Bundesleistungen und 2 Milliarden DM Zuschußleistungen und Investitionsleistungen der Bahn sind. Damit ist diese Aufteilung geklärt.
Was im Detail geklärt werden muß, ist - da gebe ich Ihnen gerne recht -, ob die jeweiligen Strecken in Form von verlorenen Zuschüssen oder von rückzahlbaren Darlehen zu finanzieren sind. Im Detail ist das aber wiederum etwas anderes.
- Ich verstehe die Aufregung nicht. Wenn das nicht geklärt gewesen wäre, hätte das Eisenbahnbundesamt hierzu gar nicht seine Zustimmung gegeben.
All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Investitionen für den Standortfaktor Verkehrsinfrastruktur nur auf einem gerade noch hinnehmbaren Niveau befinden - leider! Jeder, der die Zusammenhänge zwischen der Verkehrsinfrastruktur und unserem auf Mobilität angewiesenen Wirtschaftsstandort vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation kennt und um die Zusammenhänge weiß, der wünscht sich selbstverständlich mehr Investitionen. Wir müssen also - über das, was wir bisher geleistet haben, hinaus - Anstrengungen unternehmen, auch in Richtung der Konzessionsmodellfinanzierung, die hier schon angesprochen worden ist. Die Zeit gibt es nicht her, darauf im Detail einzugehen. Gerade weil wir ja wissen, daß eine Ausweitung dieser Finanzierung die Verkehrshaushalte der Zukunft einschränken würde, hat diese Koalition festgelegt, daß dieses Finanzinstrumentarium nur in einer bestimmten Höhe möglich ist.
Hierunter fallen ausschließlich Projekte, die unter dem Aspekt „Zeit einkaufen" ausgewählt worden sind, weil sie Investitionen angeregt haben, die zu diesem Zeitpunkt nicht geleistet werden können.
Frau Kollegin Heyne, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, daß Sie zum erstenmal Ihrerseits darauf hingewiesen haben, daß die Finanzierung über den Haushalt des Bundes bisher immer nicht eingeflossen ist, weil die Zinsbelastung in einem anderen Haushalt eingestellt wurde und immer nur die Kosten für Konzession, Finanzierung und Bau verglichen wurden.
Jetzt weisen Sie das erste Mal darauf hin, daß dieser Vergleich falsch war. Wir haben immer gesagt: Wenn man vergleicht, muß man davon ausgehen, daß sich auch der Bundesfinanzminister die Mittel zunächst am Geldmarkt beschaffen muß.
Wenn man schon vergleicht, muß man sowohl die Baukosten als auch die Finanzierungskosten einbeziehen. Dafür sind wir ja immer belächelt worden. Ich danke Ihnen, daß Sie wenigstens hierbei beweisen, daß Sie bereit sind, Ihre Denkweise zu ändern.
Die Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur nimmt nicht etwa ab, sondern sie nimmt zu. Angesichts der prognostizierten Entwicklungen - Globalisierung der Märkte, Just-in-time, Europäische Union, Öffnung der Ostmärkte, Erweiterung der Wirtschaftsräume usw. - sind notwendigerweise im hauptsächlich betroffenen Transitland Deutschland Verkehrsinvestitionen notwendig, und eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine zweckgerechte Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, vor allen Dingen auch für eine Stabilisierung des hiesigen Arbeitsmarkts.
Die öffentlichen Kassen vermögen derzeit auf allen Ebenen keine höheren Leistungen zu erbringen.
Horst Friedrich
Deswegen sind Überlegungen gefragt, was in Zukunft mit der Finanzierung der Infrastruktur geschehen muß.
Das muß man deutlich ansprechen.
Selbst die Europäische Union hat ja im Rahmen der Finanzierung der Transeuropäischen Netze darauf hingewiesen, daß die Mobilisierung privaten Kapitals notwendig ist, um den Auf- und Ausbau der Transeuropäischen Netze sicherzustellen. In der FAZ vom 22. Oktober kann man lesen, daß Portugal seine Autobahnen privatisiert.
Das muß auch bei uns zumindest dazu führen, daß man in sich schlüssige Überlegungen anstellt.
- Ach, Herr Kollege Wolf, Ihre Zwischenrufe zeugen in aller Regel von wenig Sachverstand.
Auch bei uns muß über das Thema nachgedacht werden. Dabei muß eines klar sein: Der Staat kann, muß und darf sich auch in der Verkehrsinfrastruktur auf seine wirklich hoheitlichen Aufgaben zurückziehen. Das ist die Sicherstellung der Planung. Alles andere ist für mich dispositiv.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolf?
Ich möchte meinen Gedankengang zu Ende bringen.
Dabei ist die Einbindung privaten Kapitals und privaten Know-hows in sämtlichen Verkehrsbereichen denkbar und geboten. Daß das etwas bringt, zeigen die DEGES und die Erfahrungen, die man dort gemacht hat. Wenn man Fachwissen konzentriert an einem Punkt einsetzt, plant und konsequente Überlegungen anstellt, wird das in allen Bereichen zu positiven Ergebnissen führen. Was bei der Bahnreform, der Privatisierung der Lufthansa, der Privatisierung der Flugsicherung und bei der Tank + Rast funktioniert hat, wird auch beim Ausbau der Infrastruktur klappen.
Was spricht zum Beispiel langfristig - das ist ja schon für den Lkw-Bereich angedacht worden - für eine streckenbezogene Gebühr - nicht zusätzlich zu den jetzigen Belastungen der Autofahrer, sondern aus Sicht der Freien Demokraten das jetzige Finanzierungssystem ersetzend?
Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das
kann im Endeffekt auch nicht jetzt als Lösung beschlossen werden. Aber wir sollten wenigstens ernsthaft darangehen, über dieses Thema nachzudenken und eine Lösung zu finden.
Der von Ihnen kommende Vorschlag, die Mineralölsteuer auf einen Betrag zwischen - je nachdem, wer es fordert - 4,30 DM und 5 DM zu erhöhen, bringt mit Sicherheit nicht die Lösung des Problems.
- Herr Kollege Schmidt, auch wenn Sie erst in fünf Jahren bei 5 DM ankommen wollen,
ändert das nichts an der Tatsache, daß der deutsche Autofahrer von Ihnen mit 5 DM pro Liter Sprit zur Kasse gebeten werden soll. Diese Summe muß man tatsächlich im Raum stehenlassen und sich auf der Zunge zergehen lassen, damit der Wähler auch weiß, was er tut, wenn er Sie vielleicht wählt.
Allein im Fernstraßenbereich sind derzeit Projekte mit einem Volumen von 5 Milliarden DM baureif, die nicht abgewickelt werden können. Auf absehbare Zeit müssen wir zwei Drittel unseres Fernstraßennetzes dringend sanieren. Das alles sind Probleme, die konsequent einer Lösung zugeführt werden müssen. Allein über eine Diskussion um die Vignette können diese Probleme mit Sicherheit nicht gelöst werden.
Lassen Sie mich noch einen Satz zur deutschen Schiffahrt sagen. Der Kollege Wagner hat diesbezüglich vorhin geklagt. Wenn ich mich recht erinnere, hat diese Koalition im Rahmen der Steuerreform die Tonnagesteuer für die deutsche Seeschiffahrt beschlossen und im Bundestag auch mit Mehrheit durchbringen können. Das hat die große Zustimmung der deutschen Schiffahrt erfahren. Es ist doch richtig, daß genau diese Tonnagesteuer damals von Ihnen abgelehnt worden ist, auch von den von Ihnen regierten Küstenländern.
Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und auf die großen Tränendrüsen drücken, wo Sie doch gleichzeitig bei der Tonnagebesteuerung das Gegenteil beschlossen haben, so ist das schon ein starkes Stück, Herr Kollege Wagner.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Faße?
Ich bin am Ende meiner Redezeit, Herr Präsident.
Ich möchte auch schließen.
- Das Problem ist natürlich: Die Reden, die Sie jetzt halten, haben wir vor vier Jahren schon einmal gehört. Das Ergebnis war genau das Gegenteil von dem, was Sie erwartet haben. Warten Sie es doch ab! Wir haben einen langen Atem.
Eines ist jedenfalls richtig: Wer wie die Grünen bereits auf dem Bauch in Koalitionsverhandlungen schleicht, der kann zumindest nicht umfallen.
Wenn ich mir die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Hamburg anschaue und zur Kenntnis nehme, was da im Verkehrsbereich passiert ist, dann kann ich nur sagen: Wenn das Ihre Standfestigkeit ist, dann gute Nacht, Deutschland.
Danke sehr.
Das Wort hat der Kollege Dr. Wolf, PDS.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Friedrich! Ich wollte Ihnen nur sagen: Ich bin ein Freund des Urlaubslandes Portugal. Ich habe mich gewundert, daß Sie dieses Land als Beispiel anführen. Eine noch größere Finanznot als bei uns zwingt dort den Staat, die Autobahn zu privatisieren. Wir haben aber gesehen, daß mehrere Länder, die zunächst privatisiert haben - wie Mexiko -, die Auto-bahne. dann hinterher zu dem Dreifachen dessen, was sie mit der Privatisierung erlöst haben, zurückgekauft haben.
Anfang dieses Jahres äußerte sich der oberste Repräsentant unserer Republik, Bundespräsident Roman Herzog, anläßlich des 50. Jubiläums des Magazins „Der Spiegel" wie folgt:
Gott sei Dank ist es ja nur ein kurzer Fußweg von der Villa Hammerschmidt hierher.
- Ins Bonner Haus der Geschichte.
Offenbar kurz genug, daß Sie, Herr Augstein, ihn mir zugetraut haben, denn ich habe nicht vergessen, daß der Spiegel mir im Frühjahr 1994 attestiert hat: „Der korpulente Kandidat neigt zum Watschelgang." Aber vorsichtshalber bin ich dann doch mit dem Wagen hier vorgefahren.
Anzumerken ist: Der Fußweg von der Präsidentenvilla zum Haus der Geschichte macht rund 300 Meter aus. Damit ist bereits ausgesprochen, was Roman Herzog mit Matthias Wissmann gemeinsam hat: den Dauerdurchblick durch die Windschutzscheibe.
Das Zitat eröffnet uns einen Blick auf den Einzeletat 12, genauer: darauf, was nicht in ihm steht. Stellen wir diesen hinsichtlich der Investitionen und der Lebensqualität wichtigen Ausgabenposten in den gesellschaftlichen Zusammenhang der Alltagsmobilität, dann bitte ich Sie, folgendes festzuhalten:
Die Mobilität hat in den letzten 100 Jahren nicht wesentlich zugenommen. Der Durchschnittsmensch legte 1897 ebenso seine tausend Wege zurück wie im Jahr 1997. Eine Zunahme gibt es nur bei den Entfernungen je Weg und je zu befriedigendes Mobilitätsbedürfnis. Diese haben sich rund verzehnfacht. Diese Verkehrssteigerungen nennen wir seit dem Jahre 1954 gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Städteplaner Martin Wagner „erzwungenen Verkehr", „künstlichen Verkehr", „Verkehrsinflation".
Sodann: Zwischen 30 und 40 Prozent aller Wege, die der Durchschnittsmensch zurücklegt, legt er nicht motorisiert zurück. Weiter gilt: Bei den motorisiert, mit Pkw zurückgelegten Wegen liegt ein Drittel im Entfernungsbereich unter 3 Kilometern. Bei der Bahn liegen 90 Prozent aller Fahrten im Bereich unter 50 Kilometern Entfernung.
Im Schienenfernverkehr - alle Fahrten unter 50 Kilometer ausgeklammert - liegt die durchschnittliche Reiseweite inzwischen bei 216 Kilometer, und, Herr Wissmann, sie sinkt. Vor vier Jahren noch lag sie laut Ihren Zahlen bei 230 Kilometer.
Schließlich: Selbst im Güterverkehr auf Schienen werden derzeit ein Drittel der Transporte unter 50 Kilometer und knapp 50 Prozent im Bereich bis zu 100 Kilometer abgewickelt.
Das sind, ausweislich Ihrer Statistiken, Herr Wissmann, die objektiven Rahmenbedingungen im Verkehrs- und Transportsektor.
Doch die Ausgaben im Einzelplan 12 setzen völlig andere Prioritäten. 90 Prozent der Gelder fließen in Fernverkehre; das gilt abgeschwächt auch dann, wenn die Kommunal- und die Länderetats mit einbezogen werden. Wenn es Widerstand gegen Großprojekte im Fernverkehr gibt, dann diffamieren Sie, Herr Wissmann - so in der ersten Lesung dieses Haushalts - dies als „unseliges Müslidenken" .
Dr. Winfried Wolf
Nichtmotorisierter Verkehr, Mobilität auf den klassischen Verkehrsträgern Füße und Pedale - das gibt es für Herrn Verkehrsminister Wissmann erst gar nicht. Gehen ist zwar olympische Disziplin, doch Gehen als die republikanischste Fortbewegungsart, nämlich Aufrechtgehen, taucht im Etat 12 nicht auf.
Dasselbe gilt für Radfahren oder InlineSkating.
Eine Gesetzgebung zur Bevorzugung des nichtmotorisierten Verkehrs in Städten und Siedlungen - Fehlanzeige. Ein Bund-Länder-Projekt zur Rückgewinnung von Straßenraum für Gehen, Radeln, InlineSkating, Kommunikation, Revitalisierung der Städte - Fehlanzeige.
All das hat Methode. Soeben hat Mannesmann die traditionsreiche Firma Fichtel & Sachs in Schweinfurt aufgekauft, weltweit berühmt für ihre Fahrradproduktion und -technik. Als erstes verordnete das neue Management, die Fahrradproduktion komplett einzustellen. Begründet wurde dies nicht mit Verlusten. Statt dessen hieß es laut „Süddeutscher Zeitung": Fahrradproduktion passe nicht in die „MannesmannUnternehmensphilosophie als Autozulieferer". Just dieser nichtmotorisierte Verkehr paßt nicht in die Verkehrsphilosophie von den Herren Wissmann, Kohl und Herzog. Daher: 300 Meter per Pkw, statt im aufrechten Gang oder im Watschelgang.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin in medias res, auch wenn sich dieser „goldene Schnitt" der Verkehrspolitik nicht im Einzelplan 12 widerspiegelt. Ich will das Gesagte nur noch mir vier Anmerkungen abrunden.
Erstens. Bereits nur vom motorisierten Verkehr sprechend, behaupten Sie, Herr Wissmann, in diesem Bereich wenigstens lege die Schiene zu. Das ist, von Haushalt zu Haushalt, die Unwahrheit. Jahr für Jahr nehmen nur die Anteile des Straßen- und Luftverkehrs zu - auf Kosten der Schiene. In diesem Jahr wird erstmals über deutschem Boden mehr geflogen, als Personenkilometer im Schienenfernverkehr gezählt werden.
Der heutigen „Deutschen Verkehrs-Zeitung" entnehme ich, daß Stinnes-Schenker die Mehrheit an Bahntrans übernehmen wollen. Hier heißt es wörtlich:
Der Anteil der Schiene am Bahntrans-Aufkommen dürfte damit noch stärker ... auf die Straße abwandern.
Am 22. November brüsteten Sie, Herr Wissmann, sich noch in der „Deutschen Verkehrs-Zeitung", im kommenden Jahr durch Umschichtungen zusätzliche 230 Millionen DM im Straßenbau zu investieren. Gleichzeitig haben Sie im Nachtragshaushalt noch in diesem Jahr die Darlehen für Investitionen in die Schienenwege um eine halbe Milliarde DM gekürzt. Dazu haben Sie von der ABC-Lobby - das heißt: Asphalt-, Beton- und CO2-Lobby - geklatscht.
Zweitens. Sie bürden mit diesem Haushalt der DB AG das Finanzierungs- und Betreiberrisiko für den Transrapid auf. Diese Finanzierungsmethode ist skandalös: Die Transrapid-Milliarden tauchen im Waigelschen Etat als Plus, als Forderung gegenüber der Deutschen Bahn AG auf. Sie werfen fremder Leute Geld für ein Gerät hinaus, das den „Elchtest" nie und nimmer bestünde, es sei denn, der Test liefe ab wie vor zwei Tagen im „Wall Street Journal" vorgestellt: Die Elche lachen sich auf Grund des bloßen Anblicks der Stelzenbahn bereits tot, so daß das Fahrzeug den eigentlichen Test gar nicht mehr bestehen muß.
- Herr Wissmann, Sie können nicht darüber lachen - das ist mir schon klar -, wenn dafür 5 Milliarden DM bezahlt werden müssen.
Drittens. Sie, Herr Wissmann, haben vor einigen Tagen vor dem Bundesverband Spedition und Logistik kundgetan, wie Sie die Deutsche Bahn auf die Wegstrecke des Siechtums zu bringen gedenken. Sie sagten dort,
daß mit dem nächsten Schritt der Bahnreform die Geschäftsbereiche Fahrweg, Güterverkehr, Personenfern- und Personennahverkehr in selbständige Aktiengesellschaften ... umgewandelt
werden und daß sich diese neuen selbständigen AGs
mit wachsender Erfahrung am Markt von der Holding lösen könnten
und daß dann
einige der AGs börsenfähig gemacht werden.
Herr Friedrich, es heißt nicht „als ob", sondern sie stehen so da: so da im Regen und so da im Automarkt.
Die Zerschlagung der Bahn wird zum Todesstoß für den Schienenverkehr als Bürgerbahn und .Flächensystem werden.
Viertens. Die autofixierte Verschlagenheit von Herrn Wissmann und die finanzpolitische Verschlamptheit von Herrn Finanzminister Waigel kulminieren in dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf zur Änderung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes. Frau Heyne und Herr Wagner haben darauf bereits hingewiesen.
Just zu dem Zeitpunkt, wo erstmals Altschulden von Bundesbahn und Reichsbahn in relevantem Umfang beim Bundeseisenbahnvermögen getilgt werden müßten, wird geltendes, erst vier Jahre altes Recht geändert, um scheinzusparen und nicht zu tilgen, exakt wie es bei Japan National Railways gemacht wurde und heute ein unkalkulierbares Finanzierungsrisiko in Japan darstellt.
Es war der Sachverständigenrat, der Ihnen dies in den Einzelplan 12 hineinschrieb. Diese - Ihre - Gutachter formulierten: Mit diesem Änderungsantrag zerstört der Bund
Dr. Winfried Wolf
seine Glaubwürdigkeit, wenn er die sich selbst gesetzten Regeln nach Belieben ändert, um aktuellen Finanzierungsschwierigkeiten zu begegnen.
Wissen Sie, was gänzlich unerträglich ist? Das ist, daß auf Seite 1 dieses Gesetzentwurfs steht:
D. Kosten der öffentlichen Haushalte
1. Haushaltskosten ohne Vollzugsaufwand
Keine
2. Vollzugsaufwand
Keine
Tatsache ist, daß der öffentlichen Hand dadurch natürlich zusätzliche Zinskosten entstehen, wenn auch erst im Jahre 2000 oder danach fällig werdend, also dann, wenn Sie - gemeinsam mit der PDS - das Oppositionsgestühl drücken.
In den nächsten drei Jahren, bis erstmals relevant abbezahlt werden soll, entstehen rund 1 Milliarde DM neuer Zinskosten, so jedenfalls die Rechnung meiner Kollegin Gila Altmann. Herr Wissmann läßt aber drucken: keine Kosten.
Ich komme zum Schluß.
Das ist sehr gut.
Wir haben dann gewissermaßen die Steigerung des Volksmundes: Gelogen, wie als Bundestagsdrucksache gedruckt.
Im Grunde muß der Bundestag die Regierung auffordern, den erwähnten Gesetzesantrag zur Änderung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes zurückzuziehen. Er enthält objektiv falsche Tatsachenbehauptungen, mit denen Parlament und Öffentlichkeit betrogen werden.
Aus all diesen Gründen stimmen wir dem Einzelplan 12 nie zu. Wir geben als Parteilinie aus: Lieber Müsli im Mund als Beton im Kopf.
Danke schön.
Das Wort hat Herr Bundesminister Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eindrucksvoll, daß in der PDS - ich zitiere wörtlich - „Parteilinien" ausgegeben werden.
Ich muß Ihnen, Herr Wolf, sagen: Die schlimmsten Kommunisten waren schon zur DDR-Zeit nicht diejenigen, die in der DDR mitgelaufen sind,
sondern diejenigen, die in Westdeutschland unter freien Verhältnissen den dogmatischen Unsinn der DDR mitgetragen haben.
Sie als ein in Westdeutschland Geborener erinnern mich ganz stark an diese Zeiten.
Meine Damen und Herren, ich möchte zuerst den Berichterstattern - man muß auch einmal öffentlich sichtbar machen, was sie leisten - für die parteiübergreifende konstruktive Zusammenarbeit bei der Gestaltung des Verkehrshaushaltes für 1998 danken.
Natürlich gibt es Differenzen. Aber ich kann nicht bestreiten - das sage ich auch für unser ganzes Verkehrsministerium -, daß wir glauben, daß wir auch diesmal effizient und gut für einen tragfähigen Haushalt 1998 zusammengearbeitet haben.
Tragfähig heißt für mich, daß wir hart eingespart haben - über 3 Prozent - und daß wir trotzdem, was angesichts hoher Arbeitslosigkeit und eines weiteren Bedarfs an modernen Verkehrswegen wichtig ist, die Investitionen für 1998 sogar steigern können.
Das ist also genau die richtige wirtschaftspolitische Linie, mit der wir den schwierigen Herausforderungen dieser Zeit begegnen.
Wir werden 1998 19,7 Milliarden DM für Investitionen zur Verfügung stellen. Das ist der höchste Investitionshaushalt überhaupt in Deutschland. Es ist auch der höchste öffentliche Investitionshaushalt in Europa. Natürlich wird jeder Verkehrsminister froh sein, wenn er noch zusätzliche Investitionsgelder bekommt. Aber daß wir in Zeiten knappster Kassen nicht den Fehler machen, bei den Investitionen zu kürzen, sondern - das sage ich auch persönlich an den Finanzminister gewandt - daß der Finanzminister eine Linie mitträgt, durch die in Zeiten so knapper Kassen die Investitionen gesteigert werden, ist genau das richtige Signal für mehr Arbeitsplätze und eine bessere Zukunft.
Das kann man auch in der Sache letztlich nicht bestreiten.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kollegen aus Europa zu mir kommen, auch die Minister Tony Blairs aus Großbritannien, und mich dazu beglückwünschen, daß ich für einen Haushalt geradestehe, der praktisch der einzige große Verkehrshaus-
Bundesminister Matthias Wissmann
halt in Europa ist, dessen Investitionen nicht gekürzt worden sind, sollten auch Sie im Bundestag etwas maßvoller mit dem Thema umgehen. Die Investitionen für Schiene, Straße und Wasserstraße werden nicht nur auf hohem Niveau gehalten, sondern sie werden 1998 sogar gesteigert. Ich möchte das hier ausdrücklich sagen.
Auch zum Schienenhaushalt kann man die Zahlen klar auf den Tisch legen. Vor der von uns durchgesetzten Bahnreform - Anfang der 90er Jahre - haben wir pro Jahr 5,8 Milliarden DM in die Schieneninvestitionen gesteckt.
Heute, 1997 und i998, stecken Bahn und Bund zusammen 9 Milliarden DM pro Jahr in die Modernisierung der Schieneninfrastruktur.
Nie zuvor in der Geschichte Deutschlands ist mehr in die Schieneninfrastruktur investiert worden.
Ich meine nicht nur den Fernverkehr. Ich war in der letzten Woche bei der Länderverkehrsministerkonferenz. Da sitzen bedauerlicherweise mehr Sozialdemokraten als Christliche Demokraten am Tisch.
Bei der Länderverkehrsministerkonferenz haben wir über den Nahverkehr gesprochen. Infolge der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs, die ein Kernstück der Bahnreform war, am 1. Januar 1996 durchgesetzt, haben wir die Entscheidung getroffen, jetzt 12 Milliarden DM pro Jahr zur Modernisierung des Nahverkehrs an die Länder zu überweisen.
Das Ergebnis ist, daß mir die Länderverkehrsminister, auch die sozialdemokratischen, berichten können, daß sie in wichtigen Teilen der Bundesrepublik zusätzliche Angebote für den Nahverkehr gestalten können, und zwar nicht deswegen, weil sie Geld aus dem Landeshaushalt freimachen, sondern weil sie Geld aus dem Bundeshaushalt bekommen.
Das ist doch ein gutes Zeichen für die Zukunft und für die Verbesserung der Schienenwege.
Meine Damen und Herren, ich bin gefragt worden - ich will diese Fragen gerne beantworten -, wie es denn mit der Finanzierungsvereinbarung hinsichtlich der Schienenprojekte aussieht. Es ist richtig: Wir konnten in den letzten Tagen für zehn große Schienenprojekte in Deutschland die Finanzierung sicherstellen, so daß der Bau in den nächsten Wochen und Monaten beginnen kann.
Herr Kollege Schmidt, ich kann Ihnen sagen - denn Sie haben diese Frage gestellt -: Wir haben mit der Bahn und dem Bundesfinanzministerium inzwischen präzise abgestimmt, was Baukostenzuschüsse und was zinslose Darlehen sind.
Sie können also ganz unbesorgt sein: Alles ist unter Dach und Fach. Ich könnte Ihnen das ja gar nicht sagen, wenn ich nicht Klarheit in dieser Frage hätte.
Dann war es die Weisheit der Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuß, daß wir zusätzliche Verpflichtungsermächtigungen für die Schieneninvestitionen in einem Wert von 9 Milliarden DM eingestellt haben.
Herr Minister, darf ich zwischendurch fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt zulassen?
Wenn ich den Gedanken zu Ende bringen darf, gerne.
Auf Grund dieser Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 9 Milliarden DM können wir nicht nur 1997 und 1998 die Investitionen für die Schienenwege auf hohem Niveau weiterführen. Wir können sogar mittelfristig, also im Fünfjahresplan für den Bereich der Schiene -42,4 Milliarden DM geben wir in fünf Jahren für die Strecken aus -, sicherstellen, daß es bei diesem hohen Niveau der Investitionen für die Schiene bleibt.
An die Bürger gerichtet will ich sagen: Das betrifft beispielsweise die Strecken Köln-Rhein-Main-Gebiet, München-Nürnberg, Nürnberg-Erfurt-HalleLeipzig, München-Augsburg und Gröbers-Leipzig.
Das heißt, wir sprechen hier nicht von abstrakten Zahlen. Wir sprechen von Arbeitsplätzen und von der Konkurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße im 21. Jahrhundert, die wir durch eine entsprechende Modernisierung stärken müssen.
Herr Kollege Schmidt.
Herr Bundesminister, wenn Sie jetzt vor dem Bundestag darauf insistieren, die besagte Finanzierungsvereinbarung - es geht dabei um zehn Schienenprojekte; darunter sind unter anderem die von Ihnen aufgezählten -, die in den letzten Tagen und Wochen unterzeichnet worden ist - der Finanzminister sitzt ja auch hier; er hat ja auch mit unterschrieben - enthalte exakt die Aufteilung zwischen Baukostenzuschüssen und Darlehensanteil, wie erklären Sie sich dann, daß mir der Referatsleiter Ihres Hauses - Referat E 13 - gestern noch am späten Abend am Telefon gesagt hat - ich zitiere wörtlich -: „Diese Finanzierungsvereinbarung läßt die endgültige Regelung" - also die Regelung der Aufteilung zwischen Baukostenzuschüssen und Darlehen - „offen". Ich zitiere weiter: „Die endgültige Regelung ist noch abzustimmen". Diese Antwort habe ich nicht spontan erhalten, sondern erst, nachdem im BMV beraten wurde, ob man mir überhaupt eine Antwort gibt. Wie erklären Sie sich diesen offenkundigen Widerspruch?
Herr Kollege Schmidt, zwischen uns ist es ein bißchen wie zwischen Hase und Igel. Sie haben zwar manchmal gute Informationen, aber selten die letzten und aktuellsten.
Gestern abend haben wir auf der Ebene der Staatssekretäre zwischen Finanzministerium, Bundesverkehrsministerium und dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn die letzten offenen Einzelheiten geklärt.
- Herr Schmidt, ich bin sehr dankbar, daß Sie diese Frage stellen. Wie gesagt, Sie sind teilweise gut informiert, aber nicht schnell genug, um ganz aktuell zu sein. Herzlichen Dank für diese Nachfrage.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Höll?
Ja, bitte.
Herr Minister, ich möchte in diesem Zusammenhang nachfragen. Sie erwähnten ja die S-Bahn-Strecke Halle-Leipzig und das Investitionsvolumen für die Schiene zur Herstellung von deren Konkurrenzfähigkeit. Wie vereinbart sich das damit, daß Sie für eine 32 Kilometer kurze Strecke zwischen Planung, Baubeginn und Beendigung vier Jahre veranschlagen? Ich weiß nicht, ob das im Rahmen einer Nahverkehrsstrecke Konkurrenzfähigkeit bedeutet.
Frau Kollegin, wir haben ja vor, die gesamte Strecke München-Nürnberg-Erfurt-Leipzig-Berlin - das muß man den Bürgern immer wieder klarmachen - bis Mitte bzw. Ende des nächsten Jahrzehnts als leistungsfähige transeuropäische Achse gegenüber der Straße und dem Luftverkehr vollständig konkurrenzfähig zu machen.
Man kann natürlich nicht überall gleichzeitig bauen, sondern man muß Zug um Zug vorgehen. Aber wir haben jetzt sichergestellt, daß gerade an den kritischen Abschnitten zügig gebaut werden kann und wir zwischen 2005 und 2010 fertig sind. Das ist das letzte große Schienenprojekt Deutsche Einheit, das wir fertiggestellt haben. Bereits jetzt haben wir drei fertiggestellt. Auch dieses ganz große werden wir dann fertiggestellt haben.
Meine Damen und Herren, ich will darauf hinweisen, daß die letzten Zahlen bedeuten, daß wir von den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit bereits 25 Milliarden DM realisiert und seit 1990 72 Milliarden DM in die Verkehrswege der neuen Bundesländer investiert haben. Die Zahlen sind vorhin genannt worden: 11000 Kilometer Straße aus- und neugebaut, 5 000 Kilometer Schiene. Der Schienenkilometer ist bekanntlich teurer als der Straßenkilometer. Da kann man dieses oder jenes kritisieren, und manches muß noch schneller gehen. Aber letztlich können wir auf diese Aufbauleistung stolz sein, weil sie mithilft, die neuen Bundesländer auch in der Wirtschaftsdynamik zu stärken.
Es ist doch klar: Zu den Standortfragen des 21. Jahrhunderts gehört die Frage: Wie gut sind die Infrastruktur, die Telekommunikation, ISDN-Anschlüsse, Verkehrswege, Schiene, Straße und Wasserstraße? Es ist eine einmalige Erfolgsgeschichte, daß wir so vorankommen.
Ich sage Ihnen eines zu: Wir werden auch 1998 und in den kommenden Jahren den Schwerpunkt auf den Ausbau der Verkehrswege in den neuen Bundesländern legen, weil wir nur damit jene Dynamik in der Wirtschaftsentwicklung dort schaffen, die wir dringend brauchen, um einen selbsttragenden Aufschwung zu ermöglichen.
Das Investitionsvolumen für die Verkehrswege sichert unmittelbar 250 000 bis 300 000 Arbeitsplätze. Jede Milliarde an Investitionen - es sind fast 20 Mil-
Bundesminister Matthias Wissmann
harden DM - bedeutet unmittelbar 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze und in Regionen, die strukturschwach sind, noch einmal indirekte Effekte von 3 000 bis 5 000 Arbeitsplätzen. Das heißt, wir reden nie - dessen sollten wir uns bewußt sein - über irgendwelche abstrakten Milliardenzahlen, sondern wir reden darüber, daß der Bundeshaushalt gegenwärtig den einzigen stabilen Tiefbauinvestor in Deutschland darstellt.
Ich konnte in der Verkehrsministerkonferenz mit den Bundesländern in der letzten Woche beispielsweise nachweisen, daß man bedauerlicherweise von vielen Bundesländern, von Kreisen, Städten und Gemeinden nicht dasselbe sagen kann. Natürlich brauchen wir auch im Bundesfernstraßenbau noch mehr Geld.
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Bund und Ländern: Die Länder haben zwischen 1990 und heute die Mittel für den Landesstraßenbau von 2,9 Milliarden auf 2 Milliarden DM zurückgenommen. Der Bund hat in der Zwischenzeit, wenn man die eigentlichen Investitionen nimmt, die Mittel von knapp 8 Milliarden auf 8,3 Milliarden DM gesteigert. Ich bin nicht der Meinung, daß alles in den Straßenbau fließen muß -
wir lassen entsprechende Anstrengungen für die Wasserwege und für die Schiene im Haushalt ganz konkret aufleuchten -, aber ohne einen modernen Straßenbau können wir die Probleme der Mobilität im 21. Jahrhundert nicht lösen. Ich will das hier deutlich sagen.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Mattischeck?
Ja, bitte.
Bitte.
Herr Minister Wissmann, wenn Sie heute nacht so fleißig waren, um die angesprochenen Finanzierungsvereinbarungen im Detail zu treffen, damit Sie heute mehr wissen als der Kollege Schmidt - was ich eigentlich auch erwarte -, sind Sie dann bereit, uns diese detaillierten Vereinbarungen noch heute abend - ich wäre bereit, das noch heute abend zu lesen - zur Kenntnis zu geben? Denn wir werden von den Bürgern und Bürgerinnen angesprochen, wie es darum steht. Mich würde das Ganze sehr interessieren. Sind Sie bereit und in der Lage, uns das noch heute oder spätestens morgen mitzuteilen?
Selbstverständlich, Frau Kollegin. Ich will allen Kollegen, auch denen der Opposition, sagen: Das Bundesverkehrsministerium ist jederzeit bereit, jedem Kollegen die Informationen zu geben, die er braucht. Ich bin seit langer Zeit Parlamentarier. Ich habe mich als Parlamentarier manchmal geärgert, wenn Ministerien nicht kooperativ waren. Deswegen ist das Verkehrsministerium gegenüber Kollegen der Regierungskoalition wie der Opposition jederzeit gesprächsoffen. Auch in dieser Sache gilt: So schnell wie möglich, also spätestens morgen.
Ich will auf die Straßenbauinvestitionen zu sprechen kommen. Wir sollten eines nicht vergessen: 80 Prozent der Straßenbauinvestitionen in den alten Bundesländern gehen in Ortsumgehungen und in konkreten Lärm- und Menschenschutz. Ich bin sehr für Tierschutz. Ich bin auch sehr dafür, daß wir bei neuen Verkehrswegen Krötentunnel bauen. Das tun wir auch. Wir bauen so umweltverträglich wie nie zuvor. Ich verstehe aber manchmal nicht, daß einige in der Opposition zwar immer von Tierschutz reden, aber selten - wenn es um das Geld für Ortsumgehungen geht - von konkretem Menschenschutz. Ortsumgehungen sind Menschenschutz.
Wenn wir jetzt aufgrund der gesteigerten Straßenbauinvestitionen 20 bis 25 zusätzliche Baubeginne von wichtigen Projekten vor Ort ermöglichen können, dann hat das mit nichts anderem als damit zu tun, lärmgeplagte Menschen mit der Zuversicht auszustatten, daß ihr Problem bald gelöst wird und dann keine 20 000 Fahrzeuge pro Tag mehr durch einen Ort donnern, die das Leben fast unmöglich machen.
Herr Minister, ich muß Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Faße zulassen.
Herr Präsident, ich möchte jetzt gerne im Zusammenhang vortragen.
Lassen Sie mich fortfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen habe ich es sehr bedauert - leider muß ich das immer wieder auch außerhalb dieses Hauses öffentlich sagen -, daß die SPD im Haushaltsausschuß eine Kürzung des Straßenbauetats um 200 Millionen DM und die Grünen sogar eine Kürzung um 3,5 Milliarden DM vorgeschlagen haben.
Wer solche Vorschläge macht, muß wissen, daß er dann bestehende Baustellen stillegen muß und daß er wichtige Ortsumgehungs- und andere Straßenbaumaßnahmen nicht mehr finanzieren kann. Meiner Ansicht nach ist das gegenüber den Menschen,
Bundesminister Matthias Wissmann
aber auch gegenüber einem Wirtschaftsaufschwung
unverantwortlich und auf gar keinen Fall akzeptabel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich sagte es: Wir setzen auf die Bahn als einen modernen Verkehrsträger für das 21. Jahrhundert. Denn wir brauchen eine leistungsstarke Bahn; wir brauchen eine leichte Bahn mit geringem Energieverbrauch und Verschleiß; wir brauchen eine saubere Bahn mit schadstoffarmem Betrieb; wir brauchen eine energiesparende Bahn; und wir brauchen eine effiziente Bahn mit integrierten, automatisierten Prozessen in allen Bereichen.
Ich hatte vorhin gesagt, daß wir zusammen mit der Bahn 9 Milliarden DM pro Jahr für die Fernverkehrswege investieren. Im Rahmen des Mitteltransfers an die Bundesländer investieren wir 12 Milliarden DM pro Jahr für den Nahverkehr. Das sind übrigens Mittel, die gar nicht im Verkehrshaushalt, sondern an anderer Stelle auftauchen. Wir erhalten damit die Struktur im Nahverkehr und modernisieren. Beides gehört zusammen.
Da es vorhin von Frau Kollegin Heyne gefragt worden ist, will ich es klar beantworten: Die Gerüchte, die Bahn wolle ihre Nei-Tech-Investitionen zurückstellen, stimmen nicht. Die Bahn wird ihre Nei-TechInvestitionen mit Kraft vorantreiben, weil der Einsatz moderner Neigetechnikzüge eine der Bedingungen dafür ist, daß wir auf wichtigen Strecken zu einer besseren Bedienung kommen, daß sich die Leute in den Zügen wohler fühlen und daß sie schneller von A nach B kommen können. Nehmen Sie also nicht die Gerüchte, nehmen Sie die Wahrheit! Die Bahn wird weiterhin gewaltig investieren, um die Menschen mit modernen Zügen statt mit den alten Silberlingen und besser als bisher befördern zu können.
Wir unterstützen die Bahn bei ihrer weiteren Restrukturierung. Der nächste Schritt, den wir über Koalitionsgrenzen hinweg vereinbart haben, wird 1999 kommen, nämlich die Aufgliederung der Bahn in Einzelgesellschaften unter einer Holding. Es ist richtig: Danach - also Anfang bis Mitte des nächsten Jahrzehnts - wird es möglich sein, rentable Gesellschaften an die Börse zu bringen. Ich hatte nie die Illusion gehabt, daß die Fahrweg AG der erste Teil sei, den man erfolgreich an der Börse plazieren könne. Wir gehen also den Weg der Bahnreform, wie wir ihn vereinbart haben, konsequent weiter.
Ich lege ganz besonderen Wert darauf, daß wir nichts auf dem Rücken der Mitarbeiter tun, sondern alles zusammen mit den Personalvertretungen, den Gewerkschaften und den Mitarbeitern. Ich bin durchaus stolz darauf, daß die großen Reformen, die wir in den letzten Jahren im Verkehrsbereich durchsetzen konnten, mit den Gewerkschaften und den Personalvertretungen realisiert werden konnten: die Bahnreform mit den Gewerkschaften, die Privatisierung der Lufthansa mit den Gewerkschaften und die Reform der Wasser- und Schiffahrtsverwaltungen mit der Personalvertretung. Wenn man auf aufgeschlossene Gewerkschafts- und Arbeitnehmervertreter trifft, sollte man deren Offenheit nutzen. Es ist immer besser, mit den Mitarbeitern Reformen durchzusetzen als gegen sie.
Diesen Weg will ich auch in Zukunft gehen, beispielsweise bei der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen. Er ist in der Sache richtig, die Menschen müssen mitgehen. Sie müssen im Kopf und im Herzen begreifen, wie wichtig die Veränderungen sind. Dann sind die Veränderungen auf lange Sicht tragfähig und wirken sich positiv auf den Kunden aus, wie beispielsweise bei der Bahn.
Sie können natürlich zu Recht aufzählen, was alles bei der Bahn noch besser werden muß. Auch ich bin mit manchem Fortschritt bei der Güterbahn noch nicht zufrieden. Wenn Sie aber heute mit der Bahn fahren, finden Sie meistens einen freundlichen Schaffner,
der zwar weiß Gott nicht viel Geld verdient, Ihnen aber selbstverständlich den Kaffee bringt.
Das ist ein besseres Beispiel für das Dienstleistungsunternehmen Bahn als jede Rede, die wir hier irr Bundestag zur Bahnreform halten können.
Ich will diese Veränderung in den Köpfen hin zu einem Dienstleistungsunternehmen ganz besonders würdigen, weil wir ohne die Mitarbeiter nicht so weil wären.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir setzen weiterhin auf solche Strukturreformen; wir setzen auf hohe Investitionen; wir setzen auf moderne Technologien. Wir sind in Europa bei der Verwirklichung moderner Verkehrstechniken im Bereich der Telematik und der Magnetschwebebahntechnik die führende Nation. Das ist für uns auch eine gute Chance, um auf den Weltmärkten erfolgreich mit Verkehrstechnik agieren zu können. Wer Technik nicht im eigenen Land anwendet, kann sie nicht auf dem Weltmarkt verkaufen. Deshalb können wir, wie ich glaube, in der Verkehrspolitik eine wirkliche Erfolgsbilanz vorzeigen. Den eingeschlagenen Weg werden wir deshalb auch 1998 weitergehen.
Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte zunächst einmal ein paar Worte zu dem sagen, was Kollege Friedrich zum Schluß seiner Rede gesagt hat. Sich bei diesem unsäglichen Steuerreformpaket, das die Koalition beschlossen hat, ausgerechnet ein winziges Teilstück, nämlich die Tonnagesteuer, herauszugreifen
und das Scheitern jetzt der SPD anzulasten, ist nun wirklich etwas billig.
Mit Ihrer Steuerreform wäre es sicherlich noch zu weiteren Einbrüchen auf dem Arbeitsmarkt gekommen. Wir sind froh, daß der Spuk Ihrer Koalition im September nächsten Jahres vorbei sein wird.
Sie, Herr Wissmann, tun ja geradezu so, als seien die Mittel für die regionalen Bahnbetriebsgesellschaften eine Morgengabe des Bundes an die Länder.
- Nein, das sind sie nicht. Sie wissen ganz genau und so gut wie ich, daß Sie ohne einen Transfer dieser Mittel in die Regionen keine Bahnreform bekommen hätten.
Sie wollten den Ländern nämlich die Regionalisierung aufdrücken, ohne ihnen dafür einen Pfennig zu geben.
Dieses Vorgehen, Herr Brunnhuber, ist auch der Grund dafür, daß die Investitionsquote bei den Gemeinden und den Ländern zurückgegangen ist; Sie engen den Ländern und Gemeinden mit der ständigen Überwälzung aller Lasten nämlich die Möglichkeiten ein. So ist das mit Ursache und Wirkung. Sie haben es nicht begriffen. Dafür werden Sie im nächsten Jahr abgestraft werden.
Ihre Verkehrspolitik, Herr Wissmann, ist keine Erfolgsstory, wie Sie das eben weismachen wollten, sondern Ihre Verkehrspolitik ist gescheitert. Sie ist genauso gescheitert wie die gesamte Politik der Bundesregierung. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und auch auf der Regierungsbank, sind mit Ihrem Latein schlicht am Ende.
Sie wursteln sich von Haushaltsloch zu Haushaltsloch und hoffen auf ein Wunder. Ihre Devise ist:
„Was schert mich mein Geschwätz von gestern!" und
„Nach uns die Sintflut!". So wird hier Politik gemacht.
Sie versprechen das Blaue vom Himmel und glauben, daß niemand Ihren permanenten Wortbruch bemerkt. Aber Sie täuschen nur sich selbst. Die Bevölkerung läßt sich nicht mehr täuschen; denn jeder hat inzwischen gemerkt, daß Ihre Politik nicht mehr auf das Wohl des ganzen Volkes ausgerichtet ist, was zu tun jeder Minister bei Leistung seines Amtseids geschworen hat, sondern Ihre Politik dient nur noch einem einzigen Ziel. Dieses Ziel heißt purer Machterhalt. Sie opfern auf diesem Altar restlos alles, koste es, was es wolle.
Herr Wissmann, Sie machen keine Verkehrspolitik für die Zukunft, sondern Sie betreiben eine Politik der verbrannten Erde. Damit verspielen Sie die Zukunft. Wenn es nur um die Zukunft der Koalition ginge, würde das wahrscheinlich niemanden so besonders interessieren. Aber das Schlimme ist, daß Sie die Zukunft unseres Landes verspielen. Das finde ich unerträglich.
Es gibt zumindest einen in der Bundesregierung, der sich ernsthaft Sorgen um seine persönliche Zukunft macht. Das ist der beamtete Staatssekretär Henke, der sich jetzt um ein Bundestagsmandat in Baden-Württemberg bewirbt.
Warum sollte er das tun, wenn er nicht Angst davor hätte, seinen Job im nächsten Jahr möglicherweise los zu sein?
Ihre Politik, Herr Brunnhuber, ist ein finanzpolitischer und verkehrspolitischer Offenbarungseid. Ich habe bei der Haushaltsdebatte in dieser Woche den Eindruck gewonnen, daß der gesamten Bundesregierung und auch den Koalitionsfraktionen von dem Strudel, den die chaotische und unseriöse Finanzpolitik erzeugt hat, so schwindelig geworden ist, daß sie allesamt die Orientierung verloren haben.
Herr Wissmann erklärt, er macht eine Schienenvorrangpolitik. Aber auf die Vorgaben des Finanzministers hin fällt ihm nichts Besseres ein, als den Straßenbautitel zu schonen und beim Schienenbautitel zu kürzen. Das, Herr Wissmann, ist nicht nur eine Strategie von vorgestern, sondern das hat auch Auswirkungen weit über den Einzelplan 12 hinaus. Damit ziehen Sie nämlich die Bahn in Ihren Abwärtsstrudel hinein.
Sie haben es in wenigen Jahren, nämlich von 1994 bis jetzt, geschafft, die Schienenbaumittel dramatisch zu kürzen. Im Haushalt 1994 standen 6,7 Milliarden DM plus 3,7 Milliarden DM für die investiven Altlasten der früheren Reichsbahn. Sie haben es geschafft, das bis zum Jahre 1998 nominal auf 3 Milliar-
Elke Ferner
den DM herunterzukürzen. So sieht Ihre Schienenvorrangpolitik aus.
Daran ändert auch die Aussage von Herrn Ludewig nichts, daß es bei der Schiene keine Kürzungen gibt. Ich habe in der Schule immer noch gelernt, daß 3 kleiner ist als 3,5; kleiner als 6,7 ist es allemal. Ihre Schienenvorrangpolitik ist nichts anderes als Augenwischerei;
denn die Bahn muß jetzt den Infrastrukturauftrag, den wir alle im Zuge der Bahnreform ins Grundgesetz hineingeschrieben haben, mehr und mehr aus eigenen Mitteln erfüllen.
Für die zehn Projekte, die eben in Rede gestanden haben, muß die Bahn 2 Milliarden DM aus Eigenmitteln beisteuern. Man kann natürlich aus anderer Leute Leder gut Riemen schneiden. Deshalb haben Sie jetzt gesagt: Wir und die Bahn. Der Infrastrukturauftrag ist für den Bund in das Grundgesetz hineingeschrieben worden und nicht für das Unternehmen Deutsche Bahn AG. Das ist der Unterschied.
Sie verschieben Ihre Aufgaben auf ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen.
Auffällig ist auch, daß bei diesen zehn Projekten, bei denen es sich um lang versprochene und international vereinbarte Projekte handelt - dazu gehört beispielsweise die Strecke, die der Kollege Wagner eben schon angesprochen hat -, der TGV S nicht dabei ist. Angesichts dessen bin ich der Ansicht, daß das Versprechen, das heute gegeben worden ist, nämlich daß die Nord-Süd-Tangente in fünf oder zehn Jahren fertig sein wird, auch nur Augenwischerei ist. Mir liegen noch Antworten der Bundesregierung aus den Jahren 1991 und 1992 vor, in denen es heißt, daß der TGV S im Jahre 1998 fahren wird.
An dieser Strecke ist noch nicht einmal ein Spatenstich gemacht worden, geschweige denn, daß es eine Finanzierungsvereinbarung gibt oder im nächsten Jahr ein Zug fahren wird.
Insofern bleibt es auch hier mit Sicherheit bei den Ankündigungen, falls Sie nicht im nächsten Jahr aus der Regierung hinausgejagt werden.
Mit einer solchen Politik machen Sie die Bahn zum Sparschwein von Herrn Waigel. Aber das ist leider noch nicht genug. Herr Wissmann, Sie setzen bewußt die gesamte Bahnreform aufs Spiel; denn Sie rauben der Bahn die Möglichkeit, dringend notwendigen Aufgaben nachzukommen. Es interessiert ihn offensichtlich nicht. Dann erkläre ich es den Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum.
Sie verhindern damit, daß die Bahn die maroden Bahnhöfe, die es landauf, landab gibt, saniert. Sie verhindern damit die konsequente Erneuerung des überalterten Fahrzeugparks. Sie verhindern damit den Substanzerhalt, was auch die Bauwirtschaft beklagt. Sie verhindern damit zusätzliche Investitionen in eine moderne und zukunftsfähige Fahrleittechnik. Das könnte man noch unendlich fortsetzen.
Aber es kommt noch schlimmer - Frau Kollegin Heyne hat das eben schon gesagt -: Die Zuschüsse zum Bundeseisenbahnvermögen sind in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses von den Koalitionsfraktionen um weitere 550 Millionen DM gekürzt worden, obwohl Sie genau wissen, daß das BEV keine eigenen Kredite mehr aufnehmen darf und daß die Aufgaben des BEV, zu denen unter anderem gehört, die Pensionslasten für die im Ruhestand befindlichen Beamten, aber auch einen Teil der Personalkosten für die an die Bahn ausgeliehenen Beamten abzudecken, nicht erledigt sind. Was heißt das denn im Endeffekt, wenn Sie einfach einmal um 550 Millionen DM kürzen, um unter dem Strich alles irgendwo optisch glattzubügeln, es auf der anderen Seite aber einen Deckungsvermerk vom Bundeseisenbahnvermögen zur Schiene, aber auch umgekehrt gibt? Das heißt im Ergebnis, daß die 550 Millionen DM, die Sie im Haushaltsausschuß gekürzt haben, den Investitionsmitteln bei der Schiene auch noch entzogen werden. Wenn man dann noch die 200 Millionen DM dazunimmt, die nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz bei der Straße landen, sind wir schon bei einem Minus von 750 Millionen DM.
Im Ergebnis werden Sie also nicht mehr als 2,2 Mil-harden DM im nächsten Jahr ausgeben. So sieht Ihre Schienenvorrangpolitik aus.
Sie produzieren damit auch Arbeitslose, Herr Wissmann, wenn Sie einfach Investitionsmittel zur Dekkung von Verwaltungsaufgaben verschieben. Aber diese Verschiebebahnhöfe haben bei Ihnen ja Konjunktur.
Wenn das dann alles noch nicht reicht, wird wahrscheinlich das Eisenbahnbundesamt so freundlich sein, andere Finanzierungsvereinbarungen zu strekken, damit sie nicht unterschrieben werden und damit auch kein Geld eingestellt werden muß, so daß das übrige Geld bei Herrn Waigel im großen Loch verschwinden wird, das ja mit Sicherheit auch im nächsten Jahr wieder auftauchen wird.
Sie haben das Maß nun mit dem Transrapid endgültig voll gemacht.
- Da können Sie lachen, Herr Wissmann.
Elke Ferner
Ich finde es nicht zum Lachen, daß Sie die Industrie vollkommen aus dem Risiko entlassen haben und das Risiko alleine beim Bund und bei der Bahn liegt. Dieses Abenteuer wird die Bahn nachher wirklich herunterziehen, und das haben Sie zu verantworten.
Auch zur Lärmsanierung an Schienenwegen haben wir heute zum wiederholten Male nichts gehört. Hin und wieder versteigt sich eines der Koalitionsmitglieder dazu, zu sagen, es werde etwas gemacht. Aber bei den Haushaltsberatungen hatten Sie wiederum kein Geld. Glauben Sie wirklich ernsthaft, Herr Bauer und andere, daß die Menschen, denen immer wieder auch von den Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuß Hoffnung gemacht wird, indem die Petitionen zur Berücksichtigung empfohlen werden, indem versprochen wird, etwas zu machen, indem das Ministerium aufgefordert wird, Geld einzustellen, das vergessen, was wir ihnen hier versprechen, nur weil Sie im Endeffekt diese Sachen blockieren? Glauben Sie das ernsthaft?
Ich glaube, es wird mit Sicherheit auch nicht vergessen werden, daß Sie den Straßenbau durch Umschichtungen nicht nur um 270 Millionen DM, sondern - wie ich errechnet habe - um 300 Millionen DM noch weiter mästen.
- Ja, mästen.
Das ist wirklich keine Schienenvorrangpolitik, sondern eine Straßenvorrangpolitik.
Das kann man ja wollen, und man kann sich auch trefflich darüber streiten, aber dann soll man es auch sagen.
Es geht noch weiter. Wenn das alles wäre, wäre es vielleicht noch zu ertragen, aber es geht noch weiter.
Die Mindesttilgung bei den Altschulden Bahn setzen Sie auf weitere zwei Jahre aus. Das bedeutet - Frau Heyne hat das eben schon gesagt - ungefähr 70 Millionen DM vermeidbare Zinsmehrbelastung in den nächsten drei Jahren, und es kommt noch eine halbe Milliarde DM in den Folgejahren hinzu.
Ich sage Ihnen: Wenn sich ein Privatmann so verhalten würde, dann bekäme er nicht einmal einen Termin bei der Schuldnerberatung. So, wie Sie sich hier verhalten, ist ganz klar: Sie können mit Geld nicht umgehen, und deshalb kann das, was Sie hier machen, so nicht weitergehen.
Es geht noch eine weitere Aktion Geldbeschaffung, die in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen worden ist. Sie verticken nämlich jetzt die nicht benötigten Eisenbahnerwohnungen und -grundstücke.
Diese werden jetzt vom Bundeseisenbahnvermögen auf die Wohnungsbaugesellschaften Eisenbahn übertragen. Das führt zunächst einmal zur Zahlung von Grunderwerbsteuern und Notargebühren. Dann müssen diese Wohnungsbaugesellschaften im Gegenzug noch in diesem Jahr 1,3 Milliarden DM bei Theo Waigel abliefern, und da sie das nicht aus der Portokasse bezahlen können, werden sie zu Banken gehen, um Kredite aufzunehmen.
Dafür entstehen allein im ersten halben Jahr rund 50 Millionen DM Zinsbelastung. Wenn es in diesem halben Jahr nicht gelingt, die Anteile an den Wohnungsbaugesellschaften zu veräußeren, führt das natürlich zu einer Wertminderung der Gesellschaften, weil sie dann ans Eingemachte gehen müssen.
Das heißt also, Sie sind mittlerweile so in Panik geraten, daß Sie das Tafelsilber völlig kopflos verscherbeln, und eine private Beraterfirma hat für diesen Unsinn noch Millionen zusätzlich erhalten. Das ist Finanzpolitik von der Hand in den Mund und hat mit vorausschauender Politik und mit Verantwortung nichts mehr zu tun.
Sie schaffen es sogar, ein erhebliches Immobilienvermögen so zu verwalten, daß sich vor allem Rechtsanwälte, Notare, Banken und Beraterfirmen eine goldene Nase verdienen. Ich sage Ihnen: So, wie Sie mit dem Geld der Steuerzahler umgehen, würde Sie kein vernünftiger Mensch zum Nachlaßverwalter einsetzen.
Alles das macht deutlich: Ihnen kann man weder Steuergelder noch Bundesvermögen anvertrauen, und Ihnen kann man auch nicht die Zukunft unseres Landes anvertrauen.
Für die Verkehrspolitik stellt sich die Frage: Was kann man denn vor diesem Hintergrund überhaupt noch tun? Was kann man verändern? - Das wahre Ausmaß Ihrer Taschenspielertricks kann man sicherlich erst nach einem Kassensturz erkennen, aber es sind noch Spielräume vorhanden, die von Ihnen nicht genutzt werden. Wir wollen mit unseren Anträgen aufzeigen, welche Spielräume dies sind.
Es gibt Spielräume, durch deren Nutzung man auch Arbeitsplätze schaffen und mit deren Hilfe man notwendige Schritte für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik wenigstens einleiten kann.
Wir wollen den Ausbau des kombinierten Verkehrs nicht nur mit einem Leertitel, sondern mit einem echten, wenn auch bescheidenen Haushaltsansatz.
Elke Ferner
Wir wollen eine Aufstockung des Schienenetats, wir wollen Investitionen in die Fahrleittechnik ermöglichen, und wir wollen auch den Einstieg in die Lärmsanierung an bestehenden Schienenstrecken.
Was wir nicht wollen, das ist die Übertragbarkeit der Schienenbaumittel auf den Straßenbautitel, weil neue Verschiebebahnhöfe hierbei keinen Sinn machen. Wir wollen auch einen weiteren Beitrag zur Linderung der von Ihnen verursachten Ausbildungsplatzmisere leisten, indem wir mit Bundeszuschüssen bei der Bahn noch zusätzliche Ausbildungsplätze für junge Männer und Frauen mobilisieren wollen.
Wir haben Ihnen im Ausschuß auch nachgewiesen, daß diese Vorhaben im Rahmen des Etats selbst zu finanzieren sind, aber Sie haben alle Punkte abgelehnt. Deshalb glaube ich auch, daß das, was Sie sich hier in den letzten Jahren geleistet haben - insbesondere die F.D.P., die ja schon seit über 20 Jahren in der Regierung ist
und an nichts schuld hat -, ein Ende haben muß.
Die Arroganz Ihrer Macht wird aber deutlich durch das, was diese Woche im „Spiegel" zu lesen war. Herr Wissmann hat zwar eben angekündigt, jeder bekäme die gleiche Information, aber ich habe vor drei Wochen in Ihrem Haus angerufen, um eine Information über die Neuregelung der StVO zu bekommen, und auf diese Information warte ich heute noch. Das ist keine faire Informationspolitik, und ich bin gespannt, wie Sie auf meinen Brief, der mittlerweile bei Ihnen eingegangen sein müßte, reagieren, was die Zurverfügungstellung bereits vorhandener Informationsmaterialien betrifft.
Sie stehen mit Ihrer Politik auf dem Abstellgleis, haben es aber offensichtlich selber noch nicht bemerkt. Ich glaube, daß am Wahltag, am 27. September, auch Zahltag ist, Sie dann Ihre Quittung bekommen und wir endlich eine Politik für die Menschen machen können, nicht eine Politik des bloßen Machterhalts.
Deshalb, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, das war Ihre letzte Haushaltsberatung in diesem Haus auf lange Zeit, bei der Sie die Mehrheiten gehabt haben.
Das Wort hat der Kollege Dr. Bauer, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Zeit ist fortgeschritten, aber einige Bemerkungen müssen, glaube ich, doch noch gemacht werden.
Ich möchte zunächst auf das eingehen - weil ich persönlich angesprochen worden bin -, was die Kollegin Ferner gesagt hat.
Frau Kollegin, Sie kritisieren, wenn wir uns bemühen, neue Finanzquellen zu erschließen, egal wie. Es wird alles kritisiert,
wenn wir die Haushaltsmöglichkeiten ausschöpfen, die sich bieten. Zugegebenermaßen versuchen wir alles, weil wir wissen, daß nicht genug Geld da ist. Saubere Lösungen werden immer angestrebt, und die werden auch durchgeführt.
Auf der einen Seite stellen Sie permanent Forderungen, was alles gemacht werden muß, und auf der anderen Seite kritisieren Sie, daß wir uns bemühen, Geld dafür zur Verfügung zu stellen.
Sie haben wieder den Lärmschutz an Schienen angesprochen. Sie wissen genau, daß wir vor Jahren erklärt haben, wir würden gern den Einstieg finden,
aber es ist im Moment keine Finanzmasse vorhanden, und deswegen können wir es nicht machen. Es ist doch redlicher, nichts zu versprechen, was wir nicht leisten können, sondern zu sagen, es tut uns leid, wir können das im Moment nicht machen.
- Ich komme gleich noch auf den Straßenbau zu sprechen.
Ich möchte ganz kurz ein paar Schwerpunkte der Verkehrspolitik anführen. Verkehrspolitik muß heutzutage - das ist bereits mehrfach angesprochen worden - ihren Beitrag zum Ausbau und zur Sicherung des Standortes Bundesrepublik Deutschland leisten. Insofern möchte ich auf das eingehen, was unser Bundesminister vorhin gesagt hat. Er hat die Berichterstatter und die Arbeit gelobt, die zu diesem Verkehrsetat geführt haben. Ich möchte ein herzliches Dankeschön unserem Verkehrsminister sagen,
daß es ihm gelungen ist, diesen Haushalt mit seinem hohen Investitionsgrad zu erhalten, was für die Standortfrage, die wir im Moment zu bewältigen haben, unheimlich wichtig ist.
Es ist mit sein Verdienst, daß zum Beispiel die Investitionsquote von 44,1 auf 46,2 erhöht werden konnte.
Es sind noch viele hier im Haus, die sich daran erinnern können, daß zu Zeiten der SPD-geführten Regierung genau im investiven Bereich immer wieder gekürzt worden ist, auch im Verkehrsetat. Das war die verkehrte Politik, und deswegen müssen wir mit unserer Politik weitermachen.
Dr. Wolf Bauer
Es ist über die Verkehrspolitik gesprochen worden und die Aufgabe, die sich für Deutschland als das Transitland, das es geworden ist, ergeben hat. Ich meine, gerade weil hier Kritik an den transeuropäischen Netzen geübt worden ist, es ist unheimlich wichtig, daß wir mit den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit weitermachen, weil sie auch ein Teil dieser Ost-West-Relationen sind, die wir ausbauen wollen. Es ist wichtig, daß wir hier auch für die neuen Länder weiterkommen. Das sollte man in dieser Form dann auch anerkennen.
Es wäre natürlich gut, jetzt über umweltgerechte Mobilität zu reden und über das, was wir hier getan haben. Auch in diesem Punkt ist der Haushalt ein Zeugnis dafür, daß zukunftsorientierte Politik verfolgt wird. Nehmen Sie doch zum Beispiel das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, da finden Sie genau die richtigen Ansätze.
Wer heutzutage Verkehrspolitik betreiben will, kann sich nicht einzelne Dinge herauspicken. Er muß vielmehr die gesamte Komplexität einer modernen Verkehrspolitik erkennen und unter Einsatz entsprechender Ressourcen so effektiv wie möglich an die Probleme herangehen.
Wir müssen nach wie vor drei Punkte verfolgen: Wir brauchen einen weiteren Ausbau eines leistungsstarken Straßensystems,
auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das permanent kritisieren.
Frau Ferner, ich frage Sie: Wie wollen Sie denn die Tatsache nach draußen verkaufen, daß volkswirtschaftlich gesehen pro Jahr 2 Milliarden DM in Staus vergeudet werden?
Wie wollen Sie denn erklären, daß jeder Arbeitnehmer, der mit dem Auto zur Arbeit fährt, pro Jahr 65 Stunden im Stau steht?
- Nein, das ist genau die richtige Politik. Das wissen auch Sie.
Ich will auf der anderen Seite gar nicht abstreiten, daß wir auch zu einem weiteren Ausbau moderner Schieneninfrastrukturen kommen müssen. Wir müssen unser Wasserstraßennetz ausbauen. Das ist alles wichtig. Nur wenn wir alle artspezifischen Vorteile unserer Verkehrsträger fördern und einsetzen, werden wir dazu kommen, daß wir unsere Verkehrsprobleme in den Griff bekommen, einen Verkehrskollaps verhindern und die Probleme der Bundesrepublik Deutschland als Transitland lösen.
Dazu gehört natürlich - das sage ich, weil das heute noch nicht angesprochen worden ist - auch der folgende Punkt: Wir müssen zu einer besseren Vernetzung und zu intelligenteren Lösungen kommen.
Ausbau der Schnittstellen und kombinierter Verkehr sind verkehrspolitische Akzente, die wir setzen müssen und die sich in diesem Haushalt wiederfinden. Sie werden in entsprechender Weise gefördert. Das ist richtig.
Nehmen Sie allein die Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen. Es wird uns in den nächsten Jahren gelingen, daß wir 3 200 Kilometer Autobahn mit diesen Anlagen ausgestattet haben. Das ist eine vernünftige, zukunftsorientierte und umweltgerechte Verkehrspolitik, die wir weiter verfolgen müssen.
Wir werden dazu übergehen, streckenbezogene Straßenbenutzungsgebühren für Lkws anzustreben. Sie wissen alle, daß die entsprechenden Vorbereitungen schon angelaufen sind.
- Diese Überlegung ist im Moment nicht aktuell. Die Zukunft wird es zeigen. Laßt uns doch Schritt für Schritt weitergehen!
Wir streben zunächst ein Ziel an - das ist richtig -: Wir wollen die Lkws auf der Grundlage der von ihnen verursachten Verkehrsbelastung auf gerechte Weise finanziell belasten. Es handelt sich um ein gutes System, das wir möglichst schnell erreichen wollen. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Ich habe eine Bitte und weiß, daß ich dazu die Unterstützung meiner Kollegen habe. Es wäre natürlich schön, wenn man auf Dauer noch mehr dieser speziell von den Verkehrsteilnehmern aufgebrachten Finanzmittel wieder in den Verkehr stecken könnte.
Das muß uns auf Dauer gelingen. Wenn wir eines Tages mit einer streckenbezogenen Maut genau die Abschnitte herausfiltern können, auf denen besonders starke Verkehrsbelastungen herrschen, können wir anfangen, noch mehr für Umweltsanierung und Lärmbekämpfung zu tun. Ich habe ein Beispiel in meinem Wahlkreis: die A 61 im Bereich von Erftstadt. Nach der derzeitigen Rechtslage ist es nicht möglich, diesbezüglich etwas zu unternehmen. Vorausgesetzt, wir können eines Tages über diese Möglichkeiten Gelder hereinholen, dann wäre es für die Akzeptanz einer streckenbezogenen Gebühr besser, wenn man dieses Geld an solchen Brennpunkten einsetzen würde.
Dr. Wolf Bauer
In der heutigen Debatte wird wieder lang gestritten, ob im Haushalt mehr Investitionsmittel für die Bahn oder für die Straße zur Verfügung gestellt werden. Wichtig und ausschlaggebend ist, daß wir die Steuermittel so einsetzen, daß wir die höchste Effizienz erreichen
und daß wir unsere Verkehrsprobleme lösen. Das muß doch an erster Stelle stehen und nicht irgendwelche Ideologien.
Ich habe in unserer Lokalpresse von einer Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gelesen, daß sie eine zweite Eisenbahnrevolution will. Ich weiß zwar nicht, was das ist; aber ich weiß, daß wir die anstehenden Verkehrsprobleme lösen müssen. Das muß die Aufgabe dieses Hauses sein, und das findet sich in dem Verkehrsetat wieder.
- Ich habe Sie leider nicht verstehen können. Sie müssen schon etwas lauter sprechen.
In diesem Zusammenhang möchte ich die besonderen Leistungen der Bahn AG herausstellen und den Mitarbeitern der Bahn Respekt und Anerkennung zollen.
Weil immer wieder Kritik laut wird, sage ich: Gerade in bezug auf den investiven Bereich haben sie in den letzten Jahren Enormes geleistet. Das Investitionsvolumen, das heute zum Einsatz kommt, die Mittel, die heute bei der Bahn investiert werden, sind verdoppelt worden. Man sollte das Ganze positiv sehen und nicht nur permanent kritisieren.
Wenn immer wieder behauptet wird, daß die Straße gegenüber der Schiene in bezug auf die Höhe der Haushaltsmittel bevorzugt würde, so ist es nicht richtig.
Auch nach der Bereinigung im Haushalt stehen 8,9 Milliarden DM für die Schiene und 8,3 Milliarden DM für die Straße zur Verfügung.
- Gehen wir zur Sache über: Wenn im Haushaltsansatz 1998 für Investitionen bei der Bahn 500 Millionen DM weniger als für 1997 aufgeführt sind, so liegt das einzig und allein an einer von der Bahn gewünschten Systemumstellung von der bisherigen Darlehenspraxis auf echte Baukostenzuschüsse.
Ausschlaggebend ist doch, daß die Finanzbeteiligung des Bundes dadurch nicht verringert wird, daß der Bund seine Finanzhilfen nicht zurücknimmt.
- Natürlich stimmt es. Er zahlt genau das gleiche.
- Wir treffen uns privatissime, und dann rechnen wir das gern noch einmal durch.
- So ist es. Es hat im Moment auch wenig Sinn, darauf einzugehen. Wenn Sie in der Öffentlichkeit sprechen, können Sie nicht permanent die Fakten auf den Kopf stellen und verdrehen.
Ich gebe zu, daß es sicher nicht das Beste ist, was man zur Zeit machen kann, dem Antrag unter 4 b zuzustimmen. Wir haben uns hier auch andere Möglichkeiten vorgestellt. Aber dies ist doch eine saubere Lösung, um die Möglichkeiten des Haushaltes auszuschöpfen.
Hier wird immer kritisiert, daß der Bundesrechungshof eingegriffen hat. Die Kritik liegt auch daran, daß hier unterschiedliche Darlehensformen zur Geltung gekommen sind und miteinander verglichen werden. Hier werden kurzfristige und langfristige Darlehen miteinander verglichen. Hier gibt es natürlich Unterschiede. Diese muß man sauber auseinanderhalten, dann kommt man auch zu vernünftigen Ergebnissen.
An Hand der wenigen aufgezeigten Punkte ist unschwer zu erkennen, daß die Bundesregierung auch in der Verkehrspolitik den volkswirtschaftlich richtigen Kurs fährt. Der Verkehrshaushalt macht deutlich, daß unter den gegebenen Umständen - sprich: der schwierigen Haushaltssituation - die richtigen Zeichen für Investitionen, Arbeitsplätze und die Modernisierung unserer Infrastruktur gesetzt werden. Wir werden deshalb als Fraktion diesen Haushalt mittragen und unterstützen.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9234. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Jetzt stimmen wir über vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab. Änderungsantrag auf Drucksache 13/9173. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS abgelehnt.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9174. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9175. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 13/9176 ab. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Bündnisses 90/ Die Grünen und der PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9235. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt.
Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9236. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.
Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/9279. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 12 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 13/8685 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe auf: Einzelplan 25
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
- Drucksachen 13/9020, 13/9025 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Pützhofen
Jürgen Koppelin Dr. Rolf Niese
Oswald Metzger
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD, zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie fünf Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht Fall. Dann ist so beschlossen.
Dann eröffne ich die Aussprache. Ich darf diejenigen, die sich nicht an der Debatte beteiligen wollen, bitten, das Plenum zu verlassen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Niese, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wann immer der Bauminister in der Vergangenheit sozialdemokratische Positionen übernommen hat, ist er gut damit gefahren, zum Beispiel bei der Anhebung und Neugestaltung der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau, beim Eigenheimzulagengesetz oder beim Mietenüberleitungsgesetz. Allerdings waren dabei erhebliche Anstrengungen und viel Überzeugungsarbeit notwendig, um den Minister schließlich auf diesen vernünftigen politischen Kurs zu bringen. Man könnte auch sagen: Der Minister hatte eine lange Leitung.
Ich komme auf dieses Bild am Schluß noch einmal zurück.
Der vorliegende Einzelplan 25 ist insgesamt allerdings erneut ein Beweis für die verfehlte Politik dieser Bundesregierung.
Da weist die Bundesregierung m ihrer Begründung zum Nachtragshaushaltsgesetz 1997, das mitberaten wird, auf die anhaltende Investitionsschwäche hin; doch anstatt Anreize für Investitionen zu geben, plant sie mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 1998 genau das Gegenteil. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau werden gegenüber 1997 um weitere 30 Prozent gekürzt. Insgesamt geht die Förderung von 2,01 Milliarden DM auf weniger als 1,4 Milliarden DM zurück. Dies ist die konsequente Fortsetzung einer Politik, die auf die Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus zielt.
Herr Minister, es hat auch gar keinen Zweck, auf den leicht erhöhten Barmittelansatz zu verweisen. Vielmehr geht es darum, daß der Verpflichtungsrahmen - für das, was Sie für die Zukunft planen, zurückgefahren wird.
Herr Kollege Dr. Niese, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rönsch?
Ich habe sie erwartet.
Herr Kollege Dr. Niese, da wir von Ihnen erwartet haben, daß Sie das Zurückführen der Mittel im Bundeshaushalt ansprechen, habe ich mir einmal angeschaut, wie es in meinem Bundesland Hessen aussieht. Ich will Ihnen zum Vergleich die Zahlen nennen.
- Danke schön. - Kennen Sie die Zahlen aus dem Bundesland Hessen, Herr Dr. Niese?
Ich kenne die Zahlen aus dem Land Hessen; ich kenne aber vor allem auch die aus meinem eigenen Bundesland. Die möchte ich Ihnen vortragen. Von Konservativen kann man nichts anderes erwarten, als daß sie immer wieder auf die Vergangenheit verweisen.
Sie werfen den Ländern ja immer vor, daß sie ihre Verantwortung nicht wahrnehmen.
- Sie fürchten die Antwort. Deswegen quatschen Sie dazwischen.
Ich will Ihnen einmal die Entwicklung der Zahlen aufzeigen. Der Verpflichtungsrahmen betrug in meinem Bundesland Hamburg 1990 525 Millionen DM, wovon der Bund rund 50 Millionen DM, das Land Hamburg 475 Millionen DM übernommen hat.
Im Jahre 1996- wir wollen ja die Entwicklung sehen
- betrug der Verpflichtungsrahmen in Hamburg 1,934 Milliarden DM, wovon der Bund 34 Millionen DM übernommen hat.
Jetzt kommen Sie mir noch einmal mit der Frage, warum die Bundesländer nicht ihre Verantwortung wahrnehmen, warum sie nicht die Lasten, die ja auch aus den Entwicklungen nach der deutschen Einheit erwachsen sind - zum Beispiel Lasten durch Zuzug aus ganz Europa -, tragen! Der Verpflichtungsrahmen 1996, der in Hamburg finanziert wird, umfaßt 1,9 Milliarden DM, während der Verpflichtungsrahmen, den die Bundesregierung für die gesamte Republik aufgestellt hat, sich bei 2,2 Milliarden DM bewegt. Deshalb möchte ich sagen: Zwischenfrager können sich auch selbst disqualifizieren.
Herr Dr. Niese, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Rönsch?
Gerne.
Zum ersten: Herr Dr. Niese, wären Sie bereit, meine Zwischenfrage zu beantworten?
Und zum zweiten:
Können Sie sich noch daran erinnern, als wir gemeinsam vor dem Problem von Wohnungsleerständen der Neuen Heimat standen - gerade in Ihrem Bundesland Hamburg -
und an Subventionen gedacht haben, um diese Wohnungen vermieten zu können?
Das hat doch mit dem Thema, das Sie vorher ansprechen wollten, nichts zu tun. Ich habe hier dargelegt, daß mein Bundesland die gesellschaftspolitische und sozialpolitische Verpflichtung aus der Situation am Wohnungsmarkt wahrgenommen hat und - für eine Großstadt ist es gewiß nicht einfach, einen Verpflichtungsrahmen von 1,9 Milliarden DM zu finanzieren - die erforderlichen Mittel übernommen hat.
Weitere Fragen in dieser Richtung lohnen sich, so glaube ich, nicht und bringen auch für den Fortgang der Debatte nichts.
Der leicht erhöhte Barmittelansatz täuscht nicht darüber hinweg, daß sich der Bund langsam, aber sicher aus der Verpflichtung für den sozialen Wohnungsbau zurückziehen will. Dies ist doch ein schlechtes Signal für private Investoren. Wenn sich selbst der Bund zurückzieht, welche Verpflichtung sollen sie dann noch sehen, Investitionen zu tätigen?
Das ist das entscheidende Thema in der Wohnungs- und Baupolitik: Wir müssen eine Politik voranbringen, die Investitionen fördert. Denn auch mit der Baupolitik, insbesondere der Wohnungsbaupolitik, muß das Hauptziel der deutschen Politik, nämlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, angepackt werden. Dies tut die Bundesregierung nicht.
Wir sehen dies doch an der Krise in der Baukonjunktur. Trotzdem gibt die Bundesregierung dieses schlechte Signal, sich selbst aus der Verantwortung zurückzuziehen.
Diese Politik hat im übrigen die Benachteiligung vieler Menschen in unserem Land zur Folge, die nicht in der Lage sind, sich mit eigenen Mitteln auf dem freien Wohnungsmarkt zu versorgen. Mit sozialer Gerechtigkeit hat dieses wirklich nichts mehr zu tun.
Die Bundesregierung behauptet, daß kein Rückzug des Bundes aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus vorgesehen sei; immer wieder behauptet
Dr. Rolf Niese
sie das. Sie verspricht immer wieder eine Verstetigung des Wohnungsbaus. Was von diesem Versprechen der Verstetigung übriggeblieben ist, ist allein die Verstetigung des ständigen Rückzugs.
Bundesbauminister Töpfer arbeitet mit der geplanten Novelle zur Kappung des sozialen Wohnungsbaus darauf hin, daß es spätestens im Jahr 2005 keine echten Sozialwohnungen mehr geben wird. Darüber hinaus soll das Schwergewicht der Förderung auf diesem niedrigen Niveau auf den Wohnungsbestand verlagert werden, bei dem der Bund sich nicht oder nur in äußerst geringem Umfang finanziell beteiligt. Die Aussage, daß durch die geplante Reform private Investoren zu einem zusätzlichen Engagement im Wohnungsbau veranlaßt werden, ist pures Wunschdenken.
Erst an dieser Stelle habe ich die Zwischenfrage der Kollegin Rönsch erwartet. Ich habe mich dafür auch mit Zahlen vorbereitet. Dabei handelt es sich nicht etwa um Zahlen, die ich von meinem Bundesland bekommen habe; vielmehr handelt es sich um die Zahlen des Bundesbauministeriums. Sie können also aus diesen Zahlen keine Polemik konstruieren; es sei denn, Sie wollen sie gegen Ihr eigenes Ministerium richten.
Herr Kollege Dr. Niese, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Rönsch?
Ich finde es gut, daß meine Redezeit verlängert wird. Aber ob das im Sinne der Kolleginnen und Kollegen ist, wage ich zu bezweifeln.
Aber Sie gestatten die Zwischenfrage?
Lieber Herr Dr. Niese, sind Sie bereit, jetzt einmal eine wirkliche Antwort zu geben? Sie müssen nicht die Zahlen aus der Vergangenheit bemühen, sondern Sie brauchen nur das zu zitieren, was in den Koalitionsverhandlungen in Hamburg vereinbart wurde. Meine Frage ist: Können Sie uns die Zahlen jetzt einmal nennen? Denn nach meinen Informationen - wenn sie zutreffen - sollen 1998 3 500 Wohnungen gefördert werden. Das ist dann ein Rückgang um rund ein Drittel. Treffen diese Zahlen zu?
Nein. Sie müssen ja auch in Ihrer Koalition für Dinge, die Sie der F.D.P. zuliebe tun, gemeinsam die Verantwortung übernehmen. So werden wir das auch in Hamburg halten.
- Sie erwarten gar keine Antwort; im anderen Falle hätten Sie noch nicht Platz genommen. Ich fahre also fort.
Ich komme zu einem weiteren Thema der Wohnungsbaupolitik. Ihr Konzept der einkommensorientierten Förderung hat, wenn der Bund für die Zusatzförderung aufkommen sollte, beim Bundesfinanzminister nicht den Hauch einer Chance. Ihr Konzept arbeitet also mit ungedeckten Schecks und steht damit in der „guten" Tradition der gesamten Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
Wer eine am Einkommen der Mieter orientierte Förderung anstrebt, muß sicherstellen, daß steigende Arbeitslosigkeit, rückläufige Realeinkommen und Mietensteigerungen für einkommensschwache Haushalte aufgefangen werden. Den Kommunen die Verantwortung für eine entsprechende Absicherung zu überlassen ist in höchstem Maße unredlich.
Vollkommen unverständlich und kontraproduktiv ist ferner eine Politik, welche die Städtebaufördermittel nicht erhöht. Ursprünglich wollte der Finanzminister die Städtebaufördermittel sogar um 10 Prozent von 600 Millionen DM auf 540 Millionen DM senken. Das Bauministerium - das muß man hier anerkennen - konnte dies gerade noch verhindern, allerdings um den Preis, daß die Förderung des sozialen Wohnungsbaus genau um diese 60 Millionen DM zusätzlich abgesenkt wurde.
In jeder Rede der letzten Jahre zum Einzelplan 25 versuchten wir, Ihnen deutlich zu machen, wie wichtig die Städtebauförderung für die Beschäftigung, den Erhalt unserer Innenstädte und die Wiedernutzbarmachung von Industriebranchen ist - aber vergeblich. Der erneut viel zu niedrige Ansatz dokumentiert, daß nicht rationales, ökonomisches Handeln die Politik des Bundesbauministers bestimmt, sondern ein kurzsichtiger und in diesem Zusammenhang sogar verfehlter Sparzwang, der dem Ziel einer Haushaltskonsolidierung letztlich zuwiderläuft.
Anders jedenfalls ist die Diskrepanz zwischen den allseits anerkannten Untersuchungsergebnissen des DIW und des RWI und der dazu konträr im Haushaltsentwurf für den Einzelplan 25 formulierten Politik nicht zu erklären. Eine im Auftrag des Bauministeriums vom DIW erarbeitete Studie nämlich belegt, daß 1 Milliarde DM Städtebaufördermittel ein
Dr. Rolf Niese
zusätzliches Bauvolumen von 8 Milliarden DM bewirken und 100 000 Arbeitsplätze sichern.
Nach einer aktuell vom RWI vorgelegten Studie finanziert sich die Städtebauförderung auf längere Sicht selbst. 5 Milliarden DM öffentlicher Mittel stehen 6 Milliarden DM durch Steuermehreinnahmen und Einsparungen bei den Sozialversicherungen gegenüber. - Diese Ausführungen stammen aus den mir vom Bundesbauministerium zur Verfügung gestellten Haushaltsunterlagen.
Erstaunlich allerdings ist die Tatsache, daß die Passage über die längerfristige Selbstfinanzierung der Städtebauförderung in der Drucksache für die Haushaltsberatungen im Bauausschuß gestrichen wurde.
Herr Kollege Dr. Niese, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Danke, nein.
Dies ist ein Beleg dafür, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen die Sicht für eine sachgerechte Städtebaupolitik und eine vorausschauende Haushaltspolitik völlig verloren haben.
Das gleiche gilt für die Wohngeldpolitik der Koalition, wie die Beratungen im Haushaltsausschuß gezeigt haben. Im Nachtragshaushalt stand eine Erhöhung des ursprünglichen Ansatzes um 200 Millionen DM. Gleichzeitig beantragte das Bauministerium beim Finanzministerium eine überplanmäßige Ausgabe von 300 Millionen DM. Nach langer Debatte war die Koalition bereit, den Ansatz für Wohngeld um die notwendigen weiteren 100 Millionen DM schon im Zuge des Nachtragshaushaltsgesetzes zu erhöhen. Gleichzeitig aber setzte sie die Erhöhung der globalen Minderausgaben im Einzelplan 60 um genau diese 100 Millionen DM durch. Chaotische Haushaltspolitik! Oder kann man zu einer anderen Beurteilung kommen?
Seit 1990 ist das Wohngeld nicht angepaßt worden, obwohl die Mieten in diesem Zeitraum um zirka 30 Prozent gestiegen sind. In dieser Situation wird der B Minister vom Finanzminister dazu verdonnert, zum 1. Januar 1998 eine Wohngeldstrukturnovelle mit dem Ziel vorzulegen, entgegen allen vorherigen Zusagen keine Erhöhung des Tabellenwohngeldes vorzusehen. Statt dessen soll eine Neuregelung beim pauschalierten Wohngeld für Sozialhilfeempfänger zu einer Kürzung von 400 Millionen DM pro Jahr führen.
Damit machen Sie deutlich, in welche Richtung Ihr Entwurf der sogenannten Reform des sozialen Wohnungsbaus geht:
Es kommt zu höheren finanziellen Belastungen der Mieter und zum Rückzug des Bundes bei der Abfederung unsozialer Härten. Die Folgen dieser Politik müssen die Länder, vor allem aber die Gemeinden ausbaden.
Der Deutsche Städtetag hat bereits davor gewarnt, daß die Umsetzung dieses Vorhabens Städte und Gemeinden in den finanziellen Ruin treiben wird. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages
- Sie wissen ja, welcher Couleur Frau Roth angehört - befürchtet zu Recht, daß diese Politik den schleichenden Einstieg in ein kommunales Wohngeld darstellt.
Wir Sozialdemokraten werden an der Seite der Städte sein, wenn sie sich gegen diese Politik zur Wehr setzen.
Sorgen Sie - denn Sie haben noch die politische Verantwortung - für bessere wirtschaftliche Verhältnisse in unserem Land, und senken Sie dadurch deutlich die Zahl der Sozialhilfeempfänger! Dann können wir auf dem politisch richtigen Wege beim Wohngeld sparen, weil die Menschen dann durch Arbeit das Geld verdienen, das sie für die Wohnung ausgeben müssen. Das ist für das Selbstwertgefühl dieser Menschen das Beste.
Machen Sie nicht immer die Opfer Ihrer Politik zu den Schuldigen! Für die Entwicklung in der Bauwirtschaft sind insbesondere die Entscheidungen bei den investiven Ausgaben ein falsches Signal: 600 Millionen DM weniger für den sozialen Wohnungsbau und ein unverändert niedriger Ansatz für die Städtebauförderung beschleunigen die besorgniserregenden rezessiven Tendenzen im Bausektor. Die steuerpolitischen Vorhaben der Bundesregierung bei der degressiven Abschreibung für den Wohnungsbau verschärfen überdies diesen Effekt.
Die Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, daß sich die Situation der deutschen Bauwirtschaft dramatisch verschlechtert. Allein 1996 ging die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe um 100 000 zurück. Für 1997 werden weitere 80 000 Arbeitsplätze verlorengehen.
Die Zahl der Insolvenzen und Konkurse steigt dramatisch an.
Die Bundesregierung reagiert darauf nur mit Lethargie und Schönfärberei. Sie sieht keine Notwendigkeit zum Gegensteuern. Vielmehr verliert sich die Kohl-Regierung in optimistischem Schönreden: Die Baubranche werde 1998 schon wieder auf einen günstigen Entwicklungspfad einschwenken. Aber die
Dr. Rolf Niese
neuesten Zahlen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie zeigen - nachzulesen in der FAZ vom 11. November 1997 - -
- Ja, Sie fangen bei diesem Thema gleich wieder an zu scherzen. Wenn es um die Arbeitslosigkeit geht, fällt Ihnen mehr anscheinend nicht ein. Sie können das nachlesen.
Durch ihre unsolide Finanzpolitik trägt die Bundesregierung die Hauptschuld dafür, daß Länder, Städte und Gemeinden dringend notwendige Investitionen nicht mehr tätigen können. Durch fehlende kommunale Finanzierungsmöglichkeiten sind die öffentlichen Aufträge auf ein gefährliches Niveau zurückgefahren worden. So zeigen die Sachverständigen im Jahresgutachten 1996/97 auf, daß in Ostdeutschland die Bauwirtschaft erstmals ohne Antriebskraft ist und ihre Lokomotivfunktion verloren hat. Das ist für die Entwicklung in den neuen Ländern außerordentlich ungünstig.
Gleichzeitig nimmt die Bundesregierung den dramatischen Konzentrationsprozeß in der deutschen und europäischen Bauwirtschaft einfach nicht mehr zur Kenntnis und erklärt, daß sich die Bedeutung der Sozialstandards als wettbewerbsverzerrende Faktoren in der Bauwirtschaft verringert, weil sich die Sozialstandards in den europäischen Ländern tendenziell annähern werden.
Wenn man genau hinhört, ist dies eine Kampfansage an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Probleme dadurch zu lösen, daß man einfach die Sozialstandards herabsetzt und abbaut, und dann wird der Markt es schon regeln. Sie verabschieden sich mit einem solchen Verhalten aus einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Ich will einmal ganz kurz - viel mehr lohnt sich nicht - etwas zur F.D.P. sagen. Den Anteil der F.D.P. an der Bau- und Wohnungspolitik der Bundesregierung kann man auf den einen Punkt bringen:
Erleichterung von Mieterhöhungen und Abbau von Mieterrechten.
- Sie können sich gleich noch mehr aufregen. Sparen Sie Ihre Kraft für die Proteste nach meiner nächsten Aussage.
Das ist der Beitrag der F.D.P. zur Förderung der Absahnermentalität ihrer Klientel.
Der nächste Punkt ist der massive Verkauf von Wohnungen, bei denen bisher der Bund Beteiligungen an den Wohnungsbauunternehmen hat: DEUTSCHBAU, GAGFAH, Post- und Eisenbahnerwohnungen. Der Mieterschutz und die Wohnungsversorgung von Haushalten mit mittleren und kleineren Einkommen werden nach dem Verkauf sicherlich nur noch eine nachrangige Rolle spielen.
Die Bundesregierung zieht sich aus der direkten Wohnungsbauförderung zurück und gibt gleichzeitig die Möglichkeiten des Einflusses über die vorhandenen Sozialwohnungen auf. Das freie Spiel der Kräfte auf dem Wohnungsmarkt werden wir in der Zukunft hart zu spüren bekommen.
Kurzfristig ist zwar bei den anstehenden Wohnungsverkäufen mit den Verkäufern und den Käufern ein Mieterschutz für die nächsten Jahre vereinbart worden. Langfristig gilt jedoch, daß die sozialen, mietpreisgebundenen Wohnungen vom Markt verschwinden werden.
Nun argumentieren Sie bei der GAGFAH damit, daß es, weil sie im Besitz der BfA ist, dort kurzfristig zu einer Beitragssenkung von 0,3 Prozent kommen wird. Dies mag für den unvoreingenommenen Betrachter zunächst ein sinnvoller Beitrag im Rahmen der Diskussion über die Senkung der Lohnnebenkosten sein.
- Einmal nur. - Sie vergessen dabei, daß der Immobilienbesitz in die Schwankungsreserve mit eingerechnet ist und schon heute zu Beitragssenkungen führt. Das heißt, wenn Sie das verfrühstückt haben, werden Sie wieder erhöhen müssen, und das auf Kosten des Sozialvermögens.
Das Fachgespräch der SPD-Bundestagsfraktion mit Vertretern von Wohnungswirtschaft, Banken, Wissenschaft und Unternehmensberatern hat deutlich gemacht, daß der Bedarf an preiswerten Wohnungen auch in Zukunft gegeben ist, ja mit Blick auf die ökonomische Lage eher noch zunehmen wird und daß der Wohnungsfürsorgeauftrag der öffentlichen Hand ungebrochen gilt. Deswegen haben wir einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, eine Immobilien AG zu gründen, die diesen öffentlichen Auftrag der Wohnungsfürsorge wahrnehmen kann, bei der aber dennoch ein Kapitalfluß stattfinden kann. Das wäre eine sinnvolle Lösung.
Dr. Rolf Niese
Im übrigen sollten Sie sich die Kritik des Bundesrechnungshofes zu Herzen nehmen, der nämlich die Blockverkäufe kritisiert, weil dabei unter Wert verschleudert wird.
Außerdem möchte ich Sie erinnern: Immer wieder haben Sie gesagt, daß Sie die Privatisierungsgewinne aus Wohnungsverkäufen dem sozialen Wohnungsbau zuführen wollen. Sie machen das aber nicht, sondern Sie stopfen lediglich Haushaltslöcher. Viel besser wäre es, das Ganze wieder zurückzuführen, dadurch Investitionen anzureizen und damit dem Hauptziel, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zu dienen.
Zum Schürmannbau lohnt es sich nicht mehr viel zu sagen.
Selbst wenn er wiedererrichtet wird, wird uns dieses Thema mit Sicherheit noch beschäftigen.
Herr Töpfer, Ihnen ist von dem Prozeß gegen eine Firma abgeraten worden. Der Bundesgerichtshof hat entschieden. Dann haben Sie eine Presseerklärung dazu abgegeben und gesagt, das sei ein Teilerfolg. Das kommt mir vor wie das Pfeifen im dunklen Keller, um sich Mut zu machen. Mehr wollte ich dazu nicht sagen.
Zur Beseitigung der dargestellten Mängel und zur Verbesserung der Situation in der Bauwirtschaft fordert die SPD eine Erhöhung der Städtebaufördermittel von derzeit 600 Millionen DM auf 920 Millionen DM, eine Verstetigung der Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau durch eine Ausweitung des Verpflichtungsrahmens für 1998 von 1,347 Milliarden DM auf 2 Milliarden DM und einen Verzicht auf die vorgesehene Kürzung der Wohngeldleistungen.
Zugegeben, dies wird Geld kosten. Die von mir aufgezeigten Refinanzierungsgewinne bei der Städtebauförderung und auch die Steuermehreinnahmen, die durch eine Verbesserung der Baukonjunktur hereinkommen, werden dafür nicht reichen. Aber man könnte den Fehlbedarf leicht durch die Kappung der steuerlichen Abschreibemöglichkeiten bei Luxuswohnungsmodernisierungen finanzieren;
denn wir produzieren im Moment durch staatliche Förderung horrende Leerstände.
Als Fazit komme ich zu meinem Bild vom Anfang zurück. Ich bitte, daß ich eine halbe Minute länger reden kann, weil ich zu Bauminister Töpfer noch ein persönliches Wort sagen möchte.
Wenn Sie nett zu ihm sind, ist das in Ordnung, wenn Sie nicht nett zu ihm sind, ist es nicht in Ordnung.
Herr Minister Töpfer, das ist Ihre, also auch unsere letzte gemeinsame Haushaltsberatung. Ich möchte Ihnen in Ihrem zukünftigen Amt auch im Namen meiner Fraktion persönliches Wohlergehen und in der neuen Herausforderung eine auf- und anregende Zeit sowie eine glückliche Hand wünschen.
Dem Kollegen Oswald wünsche ich persönlich alles Gute im Bauministerium - ich dachte, er wäre hier -;
aber mehr als neun Monate kann ich dem lieben Kollegen Oswald leider nicht zubilligen. Dafür wird er Verständnis haben.
Ich habe das Bild von einer langen Leitung angeführt. Wir hatten durch den Bruch einer Telefonleitung auch einmal eine zu kurze Leitung. Was das Bauministerium benötigt, ist keine lange, keine kurze, keine andere Leitung, so wie sie jetzt ansteht, sondern eine neue Leitung. Die ist im Herbst 1998 in Sicht.
Dem Einzelplan 25 können wir nicht zustimmen. In guter Tradition - ich blicke zu meinem Kollegen Dieter Maaß - sage ich: Wir werden ihn mit Entschiedenheit ablehnen.
Das Wort hat der Kollege Pützhofen, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Kollegen Dr. Niese soeben, wie sich das gehört, sehr aufmerksam zugehört. Das ist ein sehr sympathischer Kollege,
mit dem man - manchmal kontrovers - 364 Tage im Jahr gut zusammenarbeiten kann. Nur an einem Tag im Jahr, da gehen mit ihm die Pferde durch: Das ist der Tag, an dem er die abschließende Rede zum Haushalt hält. Dann beschimpft der Mann sogar so gute Leute wie den Bauminister.
Herr Kollege, jeder Mensch in diesem Staate weiß zur Zeit, daß wir ohne eine strikte Ausgabenbegrenzung nicht weiterkommen. Jeder ist dazu bereit, und jeder erwartet das eigentlich auch von seinen Abgeordneten. An diesem Punkt kommt in diesem Haus hier keiner vorbei. Wer also sagt: Ich habe da noch
Dieter Pützhofen
folgende Vorstellungen, Wünsche oder Erwartungen, der muß schon hinzufügen, woher das Geld kommen soll, oder der muß sagen, das sei ihm unbekannt, gleichgültig oder es interessiere ihn nicht.
Auch das wäre eine Lösung. Dann wüßten wir wenigstens, woran wir sind.
Der Widersinn, zu Lasten eines anderen Einzelplanes - es muß ja immer irgendein anderer Einzelplan daran glauben - für den Bauetat mehr zu fordern, um es den Kollegen bei den Beratungen über die anderen Einzelpläne zu überlassen, dort ebenfalls mehr zu fordern, trägt nicht lange. Es war - das gebe ich zu - schwer für uns. Aber die Koalition hat ihre Politik der strikten Ausgabenbegrenzung fortgesetzt.
Das ist mittlerweile, nach mehreren Sparhaushalten in Folge, ein mühsames Geschäft geworden. Aber wer Regierungsverantwortung trägt - und das auch noch in den nächsten vier bzw. fünf Jahren -, der kann die Verantwortung für den Haushalt nicht wie die Opposition an der Garderobe abgeben. Das jedenfalls ist unsere Position.
Meine Damen und Herren, die Ausgaben des Bauetats steigen in diesem Jahr um 6 Prozent. Das ist nicht weiter verwunderlich. Der Haushalt des Bundesbauministeriums sieht erhebliche Bauinvestitionen vor, die im nächsten Jahr durchgeführt werden. Gleichzeitig enthält er weiterhin sehr hohe Ansätze für den sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung. Wir haben also mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln in den Bereichen Schwerpunkte gesetzt, in denen hohe investive Wirkungen und bauwirtschaftliche Anschlußeffekte zu erwarten sind. Genau das, was der Kollege Dr. Niese soeben gewünscht hat, also die Notwendigkeit hoher Investitionswirkungen und bauwirtschaftlicher Anschlußeffekte, haben auch wir so gesehen und es dann auch so durchgeführt. Dieses Ziel wird auf den dafür entscheidenden Feldern der Städtebauförderung und der Modernisierung uneingeschränkt erreicht.
Bei der Städtebauförderung haben wir den Verpflichtungsrahmen auf dem hohen Niveau von 600 Millionen DM gehalten. Damit wurde ein wichtiges Zeichen zur Stabilisierung der Baukonjunktur gesetzt. Es wäre wünschenswert gewesen - ich habe das bereits im Haushaltsausschuß gesagt -, gerade die Mittel dieses Teils des Haushaltes für den Westen unseres Landes annähernd auf die Höhe zu bringen, die er früher einmal hatte. Das Schwergewicht der Städtebauförderung liegt zur Zeit noch immer in den neuen Ländern. Das wird und kann auf Dauer so nicht bleiben. Für mich ist das Volumen von 80 Millionen DM für die alten Bundesländer ein deutlicher Hinweis darauf, welche Aufgaben auf diesem Feld auch im Westen unserer Republik noch zu erledigen sind.
Für diesen Teil des Haushaltes gilt: Städtebauliche Investitionen sind in der Regel kleinteilig und beschäftigungsintensiv, also genau das, was wir zur Zeit brauchen. Von ihnen profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen aus den Regionen. Man kann von den zur Verfügung stehenden Bundesfinanzhilfen und den nach wie vor additiven Landeshilfen bauwirksame Investitionen von immerhin ungefähr 5 Milliarden DM erwarten.
Es ist erfreulich, daß die Bundesregierung beim Städtebau nicht nur auf Förderung setzt. Die notwendige neue Gesetzgebung ergänzt die Förderung. Das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Rechtes der Raumordnung ist dafür ein eindrucksvoller Beleg.
Die Städtebauförderung ist jetzt fest verankert. Das gilt für Ost wie für West.
Ein zweites Beispiel für die Stützung von Investitionen ist der Bereich der Modernisierung in den neuen Bundesländern. Wir haben entschieden, daß das fortlaufende Modernisierungsprogramm für den Haushalt 1998 noch einmal um ein Kreditvolumen von 10 Milliarden DM aufgestockt wird.
Dieses Programm ist 1990 gestartet worden, Herr Kollege, 1993 auf 60 Milliarden DM gelandet und jetzt noch einmal um 10 Milliarden auf 70 Milliarden DM angehoben worden.
Dieses Programm hat, wie ich meine, ganz entscheidend dazu beigetragen, daß sich die Wohnverhältnisse in den neuen Bundesländern erheblich schneller, als man das ursprünglich erwartet hatte, an das Wohnniveau der alten Länder angeglichen haben. Das zeigt jedenfalls die Umfrage über die Wohnungszufriedenheit in unserem Land.
Zugleich ist es gelungen, die Belastungen der Mieter in einem sozial verträglichen Rahmen zu halten. Für die Städtebauförderung bringt auch die Modernisierung Aufträge insbesondere für die mittelständische Bauindustrie und für das Bauhandwerk vor Ort.
Daß wir Städtebauförderung und Modernisierung nicht isoliert sehen, sieht man an der sehr engen Verzahnung mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Der Haushalt 1998 sieht noch mehr als der letzte Haushalt den Einsatz der Mittel des sozialen Wohnungsbaus gezielt im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen vor.
Wir fördern Investitionen, wir helfen den Innenstädten. Wir beugen Leerständen im sozialen Wohnungsbau vor. Wir setzen damit gezielt wiederum einen
Dieter Pützhofen
weiteren Akzent im Städtebau auch im Westen unseres Landes.
Ein weiteres Beispiel für die enge Verzahnung ist in den neuen Bundesländern die Möglichkeit, schon heute die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auch für Modernisierung und Instandsetzung der Wohnungsbestände zu verwenden.
Meine Damen und Herren, im sozialen Wohnungsbau liegt auch im kommenden Jahr der Barmittelansatz mit fast 3 Milliarden DM über dem Vorjahresniveau. Das zeigt, welche Leistungen der Bund für den sozialen Wohnungsbau nach wie vor erbringt, obwohl die Länder dafür vorrangig zuständig sind.
Der neue Verpflichtungsrahmen für das kommende Jahr ist abgesenkt worden. Das ist aus meiner Sicht verantwortbar. Gerade die Länder, in denen, Herr Kollege Niese, die Sozialdemokraten die Verantwortung tragen, senken ihre Mittel für den sozialen Wohnungsbau seit Jahren ab.
- Ja, ich weiß; lieber Kollege Schöler, dieser Teil kommt jetzt noch.
Die Nordrhein-Westfalen melden sich hier. Es ist richtig, daß Nordrhein-Westfalen das Land ist, das in diesem Jahr über dem Stand des letzten Jahres liegt
- und das wahrscheinlich auch im nächsten Jahr.
Ich füge hinzu, Herr Kollege, daß auch das Land Nordrhein-Westfalen nicht darum herumkommen wird, sich nach der finanzpolitischen Decke zu strekken. Auch das Land Nordrhein-Westfalen wird sich darauf besinnen müssen, daß die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, so wie es im Augenblick geschieht, auf Dauer nicht bleiben kann. Das zeigen jedenfalls die Äußerungen der Minister, die dafür in Nordrhein-Westfalen die Zuständigkeit haben.
Ich will gar nicht kritisieren, daß das Ganze auch in Ländern, die von den Sozialdemokraten regiert sind, im Augenblick zurückgeht. Wir alle werden die Änderungen der Förderung des sozialen Wohnungsbaus gemeinsam beschließen.
Die Mittel, die für den sozialen Wohnungsbau neu zur Verfügung stehen, haben erhebliche Bedeutung für die Investitionen der Wohnungsbauunternehmen. Aber noch größeren Einfluß, noch wichtigere Wirkung in Richtung Investitionen hätte die Neugestaltung des völlig überholten Förderrechtes. Hierzu hat die Bundesregierung ihr Konzept auf den Tisch gelegt. Wenn Sie das nun, wie angekündigt, über den Bundesrat abblocken wollen, dann verweigern Sie den Unternehmen die Chancen für einen effizienten Einsatz der Mittel. Dann halten Sie an Fehlsubventionen fest. Dann fördern Sie die Fehlbelegung. Dann weigern Sie sich, Rahmenbedingungen für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, die ohne zusätzliche Fördermittel das Angebot des Marktes erheblich verbessern würden.
Lassen Sie mich ein Wort zu der gegenwärtigen Marktsituation sagen. Der Markt ist in wichtigen Teilen von - wie ich meine - deutlichen Entspannungstendenzen gekennzeichnet. Herr Kollege Niese, es ist heute nicht mehr selbstverständlich, daß man die Wohnungen zum Beispiel in ländlichen Regionen im Bereich des ersten und zweiten Förderweges sofort los wird.
Heute ist es bereits schwierig geworden, für diese Wohnungen Mieter zu finden. Das heißt: Wir haben auf dem Wohnungsmarkt eine deutliche Entspannung festzustellen.
Die „Wirtschaftswoche" hat das in der Ausgabe der vorletzten Woche in einem Beitrag über die Marktentwicklung so zusammengefaßt:
Goldene Zeiten für Wohnungssuchende, nicht nur in der Hauptstadt, sondern fast überall im Land und Härte für Vermieter. Sie müssen ihre Kundschaft mit Preisabschlägen und guter Ausstattung locken. Wohnungsgesellschaften zahlen den Makler oder bieten zusätzliche Serviceleistungen an. Wer sich vor Mietern oder Käufern nicht verbeugen will, riskiert Leerstand und mull seine Immobilie mit Verlust verkaufen.
Das ist, Herr Minister, das Ergebnis der langjährigen Wohnungsbaupolitik dieser Regierung. Es gibt deutliche Entspannungstendenzen; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. In Kenntnis dieser Marktlage haben wir die Fördermittel im sozialen Wohnungsbau, also für bedürftige Haushalte, und zur weiteren Stützung der Eigentumsförderung dennoch auf einem - wie ich meine - erstaunlich hohen Niveau gehalten.
Der Wohnungsmarkt ist übrigens auch durch eine sehr positive Entwicklung beim Wohneigentum gekennzeichnet. Der Neubau von Eigenheimen ist heute der stabilste Faktor im Baugeschehen überhaupt. Das ist entscheidend darauf zurückzuführen, daß die Politik dieser Bundesregierung Wert daraus gelegt hat, eine Neuregelung der steuerlichen Förderung und damit eine entscheidende Grundlage für diesen stabilen Faktor im Baugeschehen zu schaffen, Natürlich führt auch das zu Ausgaben des Bundes für den Wohnungsbau, auch wenn das im Etat nicht sichtbar wird.
Ich sage noch einmal: Vor diesem, Hintergrund ist die Absenkung des Verpflichtungsrahmens 1998 vertretbar. Das muß aber mit der notwendigen Neuorientierung der gesetzlichen Grundlagen für den sozialen Wohnungsbau einhergehen. Die Mittel - darüber sind sich alle, auch in Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Schöler, im klaren - müssen effizienter
Dieter Pützhofen
eingesetzt werden; die Förderung muß zielgenauer stattfinden.
Meine Damen und Herren, der größte und der umstrittenste Posten im Bauetat ist nach wie vor das Wohngeld. Die Mittel für das Wohngeld werden im kommenden Jahr mit 3,5 Milliarden auf einem erkennbar niedrigeren Niveau als 1997 - wenn wir den Nachtrag und die überplanmäßigen Ausgaben dazunehmen - fortgeschrieben. Bei dieser Veranschlagung geht die Koalition von der Erwartung aus, daß es gelingt, sich mit den mitfinanzierenden Ländern auf das Finanzierungsvolumen einer Wohngeldnovelle in der genannten Größenordnung zu verständigen. Wir sollten dem nicht vorgreifen; die Verhandlungen laufen im Augenblick. Ich gehe davon aus, daß es möglich ist, sich mit den Ländern auf eine vernünftige - nämlich auf diese - Höhe zu einigen.
Ein weiterer Schwerpunkt dieses Haushalts sind die Mittel für den Berlin-Umzug und für den Bonn-Ausgleich. Das Jahr 1998 steht noch stärker als das Jahr 1997 im Zeichen des Bauens. Das spiegelt der hohe Anstieg der Mittel wider.
- Frau Geschäftsführerin, wir als Haushaltsausschuß stehen jederzeit zur Verfügung, wenn es darum geht, den Zeitrahmen - aber auch den Kostenrahmen - für das, was in Berlin passiert, einzuhalten. Ohne die Mittel für die Wohnungsfürsorge haben wir bei den Baumaßnahmen im kommenden Jahr immerhin mehr als 1,7 Milliarden DM zur Verfügung. Das ist ein Zuwachs von fast 50 Prozent und Ausdruck eines zügigen Planungs- und Bauprozesses. Allerdings müssen - ich sage es noch einmal - auch der Zeitplan und der Kostenrahmen beachtet werden.
Herr Kollege Pützhofen, beachten Sie bitte die Zeit.
Ja. - Ich gehe davon aus, daß die ursprünglich vorgesehenen Ausgaben sogar noch unterschritten werden; dazu zählt auch die Wohnungsfürsorge.
Insgesamt betrachtet ist der Entwurf für den Bauetat 1998 mit seinem Vorrang für Investitionen und Beschäftigung, aber auch mit seiner notwendigen Ausgabenbegrenzung richtig angelegt. Er ist an dem ausgerichtet, was die finanzpolitischen Rahmenbedingungen zulassen, und berücksichtigt die tatsächlichen Aufgaben, vor denen wir im Wohnungs- und Städtebau stehen.
Herr Minister Töpfer, ich bedanke mich bei Ihnen für eine gute Kooperation in den letzten Jahren. Ich wünsche Ihnen persönlich Glück auf dem Weg in die Zukunft.
Das Wort hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und zum letzten Mal: Sehr geehrter Herr Minister Töpfer! Ich möchte heute vor allem über den Haushalt reden, der nicht im Haushalt steht, weil ich glaube, daß es höchste Zeit ist, das Mißverhältnis zwischen indirekten und direkten Subventionen einmal ernsthaft zu thematisieren.
Es hat keinen Zweck, mehr Geld im direkten Haushalt zu fordern, wenn wir nicht an das Steuerrecht herangehen.
Für mich ist eine doppelte Schieflage das Problem: Zum einen haben wir eine Schieflage, weil das Steuerrecht inzwischen die Subventionstöpfe so weit geöffnet hat, daß die öffentlichen Haushalte in die Knie gezwungen werden. Zum anderen haben wir eine inhaltliche Schieflage. Herr Pützhofen hat ja eben selber gesagt: Mit indirekten Subventionen werden Leerstand, Zersiedelung und letztlich soziale Probleme und Verödung der Innenstädte gefördert. Darüber müssen wir endlich diskutieren. Dazu am Anfang ein paar Zahlen. Insgesamt wird das Volumen der steuerlichen und direkten Wohnungsbauförderung allein für den Bund für 1998 mit 10,5 Milliarden DM angegeben. Damit hat die Wohnungsbauförderung insgesamt einen Anteil von 27 Prozent an allen Bundessubventionen und ist der höchste Subventionsetat. Wenn wir über Verschiebungen reden, kann es nur um solche von den steuerlichen zu den direkten Subventionen gehen, wir können nicht einfach mehr Geld fordern.
Weil der Subventionsbericht an einigen Stellen ja schön einfach erklärt, daß es sich um keine Subventionen handele, muß man Sonderabschreibungen in Höhe von 530 Millionen DM für den privaten Mietwohnungsbau im Osten hinzurechnen - die kommen im Bericht auch noch vor -, aber auch 860 Millionen DM Bundesanteil für die degressive Afa und mindestens 1,5 Milliarden DM für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen. An diese satten Zahlen, auf die die bisherigen Vorschläge für die Steuerreform noch nicht intensiv genug eingehen, müssen wir heran.
Rechne ich die Förderung von Bund, Ländern und Kommunen zusammen, haben wir es 1998 mit einer Wohnungsbauförderung in Höhe von etwa 37 Milliarden DM zu tun, davon entfallen etwa 12 Milliarden DM auf die direkte Förderung. Herr Kansy, geben Sie doch auch einmal ehrlich zu, daß die Länder wesentlich mehr fördern als der Bund. Da sollte man endlich einmal Tacheles reden.
Die doppelte Summe, nämlich 25 Milliarden DM, kommt aus der indirekten Förderung. Wir alle wissen: Diese Zahlen zeigen höchstens die Spitze des Steuersubventionseisberges. Die Titanic zerschellte bekanntlich am Fuße des Eisberges. So droht auch
Franziska Eichstädt-Bohlig
uns die Gefahr, daß unsere Haushalte schlicht zusammenbrechen.
Jetzt sagen Sie mir nicht, daß die Steuerreform mit ihren niedlichen Schriften einer Absenkung der Af a auf 3 Prozent und der Anhebung der Spekulationsfrist auf fünf Jahre ein echtes Umsteuern bei diesen bauwirtschaftlichen Subventionen darstelle. Im Gegenteil wird es, wie ich denke, höchste Zeit, daß wir uns über ein konsequentes Schließen dieser Steuerschlupflöcher unterhalten. Durch die Steuerreform soll natürlich nicht die Bauwirtschaft erwürgt werden. Ein Umsteuern bei den Subventionen muß mit der Zahlung von Bauzulagen und mit direkten Subventionen einhergehen, und zwar so austariert, daß beide Ziele positiv definiert werden können.
Bei dieser Gelegenheit fordere ich die beiden großen Parteiblöcke, die Koalition mit CDU, CSU und F.D.P. auf der einen Seite und die SPD auf der anderen Seite, auf, endlich in eine Diskussion über die Steuerreform einzusteigen und dabei unser Konzept einer Umschichtung hin zu Bauzulagen wirklich sehr ernst zu nehmen. Das wird nämlich bisher von keiner Seite getan. Ich bin davon überzeugt, daß ohne diesen Schritt der Steuerreform kein Erfolg beschieden sein wird, sondern wir ständig weiter vor Haushaltslöchern stehen werden.
Ich möchte noch etwas zu Problemen im Zusammenhang mit den Steuersubventionen sagen, bei denen wir meiner Meinung nach inhaltlich in die falsche Richtung steuern:
Erstens werden Wohnungen ohne jede soziale Treffsicherheit subventioniert. Gefördert wird ein immer größerer Wohnflächenverbrauch der oberen Einkommenshälfte, während wir hier ständig die Probleme der unteren Einkommenshälfte diskutieren und nach Wohngeld suchen, das wir nicht finden.
Frau Rönsch und Herr Braun, Sie haben ja hier immer wieder dargestellt, wie entspannt der Wohnungsmarkt sei und wie die Mieten von 20 auf 15 DM
und hin und wieder auch einmal auf 12 DM gesunken sind.
Aber das löst nicht die Probleme in bezug auf die untere Einkommenshälfte. Ihre Wohnungspolitik ist absurd, denn sie begünstigt die, die ihre Wohnversorgung sowieso selber regeln können.
Insofern müssen wir hier sozial endlich in die richtige Richtung umsteuern. Wir sollten uns nicht ständig damit brüsten, daß so viele Wohnungen am Markt gebaut werden; denn diese kann im Endeffekt niemand mehr bezahlen.
Ein weiterer Punkt ist folgender: Wir fördern ständig den Neubau und damit eine Entleerung der Innenstädte und eine fortdauernde Zersiedlung. Diesen Vorwurf mache ich insbesondere mit Blick auf die Eigenheimförderung. Das ist eine Förderung der Zersiedlung. Es ist auch unter sozialen Aspekten eine gefährliche Förderung. Damit wird die soziale Entmischung in unseren Städten regelrecht herausgefordert, was dazu führt, daß wir uns fragen müssen, woher wir das Geld bekommen, um in den sozialen Brennpunkten wieder gegenzusteuern. Ich bitte die SPD und die Koalition, darüber endlich einmal nachzudenken und das Lob auf die Eigenheimförderung durch eine etwas kritischere Brille zu betrachten;
denn dadurch, daß wir für die einen immer mehr soziale Privilegien schaffen, verursachen wir soziale Probleme bei den anderen.
Hinzu kommt, daß mit der Eigenheimförderung eine systematische Umverteilung des Vermögens von unten nach oben einhergeht. Last not least - das muß ich gerade Ihnen vorhalten, Herr Töpfer - ist die Eigenheimförderung auch bauökologisch weitgehend blind. Weder der kleine Ökobonus in der Eigenheimförderung noch die kleine nette CO2-Minderung kann den Problemen wirklich gerecht werden, die wir ökologisch in unseren Städten und mit unseren Gebäuden haben. Das wissen Sie selbst nur zu gut.
Daher ist meine wichtigste Forderung: erst die Steuerreform! Dann können wir wieder darüber reden, ob wir in bezug auf den Haushalt neue Forderungen erheben. Aus diesen Gründen hat sich unsere Fraktion darauf beschränkt, die Mittel sozial und auch räumlich zu bündeln, und zwar sowohl im sozialen Wohnungsbau - da ist eine Kombination mit der Stadterneuerung und Innenstadtentwicklung vorgesehen - als auch bei der Städtebauförderung. Wir sind der Meinung, daß wir zur Zeit nicht mehr Geld fordern dürfen.
Wir wollen aber, daß bei der Eigenheimzulage wenigstens die Einkommensgrenzen abgesenkt werden - ich habe das schon mehrfach gefordert -, wodurch allein auf Bundesebene 1,5 Milliarden DM - nicht auf einmal, aber über kurz oder lang - aktiviert werden können. Mit diesem Geld muß dringend der für das Wohngeld zur Verfügung stehende Betrag erhöht werden; denn ohne Wohngeldförderung können wir die Probleme nicht lösen. Im Gegenteil, wir bräuchten immer mehr Geld, weil wir eine immer größere Zahl von Haushalten in die Abhängigkeit von Sozialhilfe und die damit verbundene 100prozentige Finanzierung ihrer Wohnkosten treiben würden. Auch angesichts dessen bitte ich, den Zusammenhang zwischen indirekter und direkter Subvention endlich einmal zu thematisieren.
Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!
Ich komme zum Schluß.
- Ich glaube Ihnen, Herr Kansy, daß Sie froh sind, wenn ich meinen Mund halte. Aber ich werde mich immer wieder einmischen.
Als letztes möchte ich mich von Herrn Töpfer verabschieden. Herr Töpfer, Sie wissen, daß ich mit Kritik an Ihrer Baupolitik nie gespart habe. Trotzdem möchte ich mich für den fairen und kollegialen Umgang, den Sie - trotz aller Dissense - immer gepflegt haben, ganz herzlich bedanken. Ich möchte Ihnen in gewissem Sinne auch meine Bewunderung dafür aussprechen, daß Sie in dieser Koalition, die von Nachhaltigkeit wirklich überhaupt nichts hält, die Fahne der Nachhaltigkeit immer so entschieden hochgehalten haben. Das hat wirklich meinen Respekt.
Ich wünsche Ihnen in Nairobi eine gute Hand. Ich hoffe, daß von dem, was Sie dort machen, ein Stück auf diese Koalition in Bonn - und hoffentlich noch mehr auf eine neue Koalition in Bonn und Berlin - zurückwirkt. In dem Sinne: Alles Gute!
Das Wort hat der Kollege Braun, F.D.P.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem wahrhaft starken Redebeitrag des Kollegen Niese erfordert es natürlich schon einigen Mut, hier überhaupt noch ans Pult zu treten, hat er doch in faszinierender Weise aufgezeigt, wo es bei der Baupolitik fehlt: Es fehlt am Geld. Messerscharf erkannt, Herr Kollege Niese! Mehr Geld für Wohngeld, mehr Geld für Eigentumsförderung - letzteres habe ich, glaube ich, nicht von Ihnen gehört -, mehr Geld für Bauinvestitionen, mehr Geld für Städtebauförderung und mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau - wunderbar, was Sie alles aufgezählt haben, wofür wir mehr Geld brauchen.
Aber Sie haben uns natürlich verschwiegen, woher wir das Geld nehmen sollen.
Es zeichnet diese Haushaltsdebatte aus, daß wir bei jedem Einzelplan von der SPD hören, daß es unverantwortlich sei, wie wenig Geld wir für dieses oder jenes zur Verfügung stellten. Allerdings wird nicht gesagt, woher das Geld kommen soll. Herr Niese, ehrlich gesagt, so kann man eine Haushaltsdebatte nicht führen. Sie berauschen sich an Ihren eigenen
Vorurteilen gegenüber den anderen. Das kann aber nicht Politik sein!
Herr Kollege Braun, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Natürlich, bitte.
Herr Kollege Braun, sind Sie mit mir der Meinung, daß es albern ist, hier Rituale fortzusetzen, die darin bestehen, daß man eine Hälfte einer Rede erwähnt und die andere verschweigt, und sind Sie bereit, zuzugestehen, daß Herr Niese die Refinanzierung der Städtebauförderung an Hand von Zahlen aus dem Bauministerium nachgewiesen hat und daß er gesagt hat, daß man bei der Sanierung von Luxusbauten den Teil des Geldes sparen könnte, den er für andere Maßnahmen eingesetzt hat?
Herr Großmann, ich stimme Ihnen überhaupt nicht zu. - Moment, bleiben Sie ruhig stehen; es soll jetzt nicht auf Kosten meiner Redezeit gehen.
Hätte Herr Kollege Niese zum Beispiel gesagt, wir müßten die Ansätze für den sozialen Wohnungsbau angesichts gravierender Leerstände möglicherweise zugunsten eines erhöhten Ansatzes für Städtebauförderung zurückführen, dann hätte man darüber sehr wohl reden können. Dann hätte auch ich gesagt, das sei ein wahrhaft innovativer Ansatz, für den vieles spricht.
Aber nein, Sie wollen für beide Komplexe mehr Geld haben. Damit kommen wir nicht weiter.
- Moment, Herr Großmann! Seien Sie so nett und bleiben Sie noch stehen.
Herr Kollege Großmann, es tut mir leid. Solange Ihnen eine Frage beantwortet wird, müssen Sie stehen bleiben.
- Nein, wir müssen uns an die Regeln halten, Herr Kollege Großmann.
Herr Großmann, ich beantworte im Moment Ihre Frage. - Sie warfen mir Einseitigkeit vor. Bei allen Reden, die ich hier halte, weise ich darauf hin, daß Schwarzweißmalerei hier am Pult des Bundestages unangemessen ist
Hildebrecht Braun
und daß wir nicht alles, was von der Opposition kommt, grau in grau malen und alles, was von der Regierungskoalition kommt, in den hellsten Farben erscheinen lassen sollten. Vielmehr sollten wir darstellen, was gut und was nicht gut gelaufen ist. Das werde ich jetzt tun, wenn Sie mir freundlicherweise noch ein bißchen zuhören wollen.
Nach meiner Auffassung ist in der Ära Töpfer eine Menge sehr gut gelaufen. Das sollte zunächst auch angesprochen werden.
Die Mieter waren die großen Gewinner der Baupolitik der letzten sieben Jahre, von denen immerhin drei Jahre auf das Konto von Herrn Töpfer gehen. Wir haben fallende Neuvermietungsmieten, wir haben fallende Wiedervermietungsmieten, und selbst im Bestand sind die Mietsteigerungen viel geringer als in den davorliegenden Jahren gewesen. Insofern sind die Mieter ganz klar die Gewinner, und das sollte die Opposition den Mietern auch offen sagen.
Dann würden Sie ehrliche Politik machen.
Wir haben speziell in den neuen Bundesländern eine gravierende Verbesserung der Wohnungssituation.
Die Modernisierung von Beständen, die so marode waren, daß sie einzustürzen drohten, ist weit fortgeschritten. Jedermann in den neuen Bundesländern findet eine modernisierte Wohnung, die mit den neuesten Segnungen der Technik ausgestattet ist: mit Heizung, mit vernünftigen Bädern, mit Schallschutzfenstern und allem Drum und Dran. Statt dessen hören wir von der Opposition nur, daß hier Gelder fehlgeleitet worden seien. Ganz im Gegenteil, es war richtig: Es ist viel Geld vom Westen in den Osten gegangen, um dort das erhöhte Wohnungsniveau - und damit Lebensniveau - zu erreichen.
Natürlich ist das Wohneigentumsförderungsgesetz eine wirkliche Erfolgsstory. Wir haben seitdem Zuwächse im Bau selbstgenutzten Wohneigentums, und das ist aus gesellschaftspolitischen Erwägungen heraus sehr gut. Ich freue mich, daß dieses Gesetz seinerzeit zusammen mit der SPD erarbeitet worden ist. Es ist trotzdem gut geworden.
Das Bausparen ist wieder für alle attraktiv geworden und enorm angestiegen. Auch das ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit einer Baupolitik, wie Sie vorhin so schön sagten, weil dauerhaft Mittel für neuen Wohnungsbau auch in der Zukunft gesammelt werden.
Wir haben ein neues Baugesetzbuch, das den Erfordernissen der Jahrhundertwende entspricht. Der Staat hat sich zurückgenommen und hat für Vertragsfreiheit und individuelle Entscheidungen wieder mehr Raum geschaffen. Es sind die Verfahren verkürzt worden - eine Menge Fortschritte, die wir dringend gebraucht haben.
Es ist Herrn Töpfer ebenfalls gelungen - auch dafür will ich ihm danken -, zu erreichen, daß der Bauhaushalt insgesamt über die Jahre hinweg einen Anteil am Gesamthaushalt behalten hat, der der Bedeutung der Faktoren Bauen und Wohnen in unserem Land entspricht.
Ein besonderes Verdienst des Bauministers Töpfer ist, daß er sich um den Umzug des Bundestags nach Berlin in hervorragender Weise gekümmert hat.
Er hat es geschafft, daß nicht nur die Zeitvorgaben eingehalten werden, sondern sogar Kostensenkungen in Sicht sind. Das sind Dinge, die in unserer Zeit alles andere als selbstverständlich sind.
Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die gar nicht gut sind, zum Beispiel, daß die Grunderwerbsteuer um 75 Prozent bzw. um 1,5 Prozentpunkte angehoben werden mußte. Das ist eine Sache, die das Bauen erschwert; das müssen wir zugeben. Aber wir wissen auch, weswegen diese Steuer angehoben werden mußte.
Es ist richtig, daß die Wohngeldnovelle noch immer aussteht. Allerdings: All diejenigen, die nach einer Wohngeldnovelle rufen, sollten sich vor Augen halten, daß die Wohngeldstruktur ohnehin Rücksicht auf die Möglichkeit steigender Mieten nimmt. Dies führt nämlich zu höherem Wohngeld. Das ist im System so angelegt. Deswegen ist es kurzsichtig, zu sagen, seit sieben Jahren seien gesetzliche Leistungen nicht angehoben worden, weswegen eine Verarmung der Bevölkerung eintreten werde.
Richtig ist aber auch: Die Einkommensgrenzen, die ebenfalls im Wohngeldgesetz aufgeführt sind, sind nicht angepaßt worden. Aus diesem Grund erleben wir in diesem Bereich Verschiebungen, die so nicht bleiben sollten und auch so nicht bleiben können. Ich bin davon überzeugt, daß wir an dieser Stelle mit dem neuen Bauminister im nächsten Jahr eine Umschichtung schaffen werden; das ist sicherlich eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Monate.
Das Mietrecht ist ein weiterer Punkt, mit dem ich natürlich überhaupt nicht zufrieden sein kann. Wir waren sehr nahe daran, eine Mietrechtsnovelle durch den Bundestag zu bringen - eine Mietrechtsnovelle, die in weiten Bereichen auch die Zustimmung der Mieterverbände gefunden hätte. Wir wissen alle, woran es gescheitert ist, nämlich am bayerischen Regionalkönig Stoiber. Ich habe die Hoffnung, daß der neue Bauminister, der ihm politisch noch näher steht, als der gegenwärtige, mehr Einfluß auf seine Erkenntnisfähigkeit hat, so daß er ihn in Zukunft mit ins Boot bringen wird.
Hildebrecht Braun
Baupolitik hat eine Menge mit Arbeitsplätzen zu tun, und in diesem Bereich können wir natürlich gar nicht zufrieden sein. Wenn wir feststellen, daß die Auftragslage am Bau binnen Jahresfrist, gerechnet bis zum September 1997, im Westen im Straßenbau um 4,6 Prozent, im Wirtschaftsbau um 4,3 Prozent und im Wohnungsbau gar um 10,4 Prozent bzw. im Osten im Straßenbau um 6,8 Prozent, im öffentlichen Bau um 9 Prozent, im Wirtschaftsbau um 16 Prozent und im Wohnungsbau um 15,4 Prozent zurückgegangen ist, dann sind dies alarmierende Zahlen, denn sie bedeuten: Hunderttausende Arbeitsplätze am Bau gehen innerhalb eines Jahres verloren, und 4 800 Konkurse sind zu befürchten.
Wir müssen zu einer Baupolitik kommen, Herr Kollege Oswald, die auf einen höchstmöglichen Gleichlauf der Investitionen und damit auch der Beschäftigung abzielt. Es ist verdammt schwer, dies zu erreichen, aber das Ziel muß in dieser Form definiert werden.
Ich möchte zur Städtebauförderung aus Zeitgründen nun nichts mehr sagen,
sondern ich möchte am Schluß meiner Rede noch ein Wort zu Herrn Töpfer selbst sagen.
Lieber Herr Töpfer, Sie sind ein immens fleißiger, ein sehr gescheiter und ein sehr verbindlicher Politiker. Sie führen lieber zusammen, als daß Sie eine Linie mit Härte verfolgen. Sie wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern Sie suchen, wie man das auch schon von Walter Scheel gesagt hat, im Zweifel lieber die Tapetentür.
Dennoch: Sie sind ein sehr erfolgreicher Minister, auch ein erfolgreicher Bauminister, und ich bedauere es sehr, daß eine erfolgreiche Zusammenarbeit bald ihr Ende finden wird. Ich freue mich aber auch für die UNO, eine für uns alle wahrhaft wichtige Organisation, daß einer unserer besten Köpfe dort in Zukunft zum Nutzen aller Menschen in der Welt sein Engagement, seine Kenntnisse und seine Kraft einsetzen wird.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute und bedanke mich bei Ihnen ganz, ganz herzlich.
Das Wort hat der Kollege Klaus-Jürgen Warnick, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir als Wohnungspolitiker in diesen Tagen neben dem Haushalt die nicht weniger wichtige, aber für mich schon sehr peinliche Frage der Aufzählung aller Erfolge des glorreichen, aber scheidenden Bauministers zur politischen Hauptaufgabe erklärt haben, will auch ich noch ein paar Gedanken beisteuern.
Ich habe in den letzten Jahren selbst an unzähligen wohnungspolitischen Veranstaltungen teilgenommen. Dabei ist mir eines deutlich aufgefallen: Wenn
Banken oder Bausparkassen, Handelsriesen oder Maklerverbände, Bauwirtschaft oder Wohnungsverbände zu Konferenzen oder Foren einladen - unser Bauminister war immer hilfreich zur Stelle. Wenn irgendwo in Kleinposemuckel auf der grünen Wiese in einer neuen Eigenheimanlage die Richtkrone hochgezogen wurde, wenn der Grundstein für neue Bauvorhaben in Berlin gelegt wurde - stets war unser Noch-Bauminister vor Ort.
Wenn aber in der Evangelischen Akademie in Hofgeismar eine mehrtägige Konferenz zur Obdachlosigkeit stattfand, wenn bei klirrender Kälte in Berlin Obdachlose an der Gedächtniskirche eine Mahnwache veranstalteten, suchte ich Herrn Töpfer vergebens. Zur dreitägigen Konferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. in Berlin vor 14 Tagen schickte er auch schon mal seinen Referatsleiter. Aber selber vorbeikommen? - Fehlanzeige.
Ist das angesichts von 860000 Betroffenen Ihre praktizierte christlich-demokratische Nächstenliebe? Läßt Sie die Tatsache, daß sich die Zahl der Wohnungslosen in Ostdeutschland um 25 Prozent erhöht hat, darunter ein wachsender Anteil von Frauen, Kindern und Jugendlichen, völlig kalt? Milliarden werden für den Immobilienerwerb durch Gutbetuchte verschenkt. Bei 50 Millionen Mark Sonderhilfe für Obdachlose kommt die Bundesregierung dagegen ins Stottern. Ich glaube, daß dies alles kein Zufall ist. Es ist Ausdruck der Prioritätensetzung jetziger bundesdeutscher Politik:
Einstellige Milliardensummen für die Weiterführung des sozialen Wohnungsbaus und für das schon lange überfällige Aufstocken des Wohngeldes sind nicht vorhanden. Der soziale Wohnungsbau wird im nächsten Jahr quasi eingestellt. Gleichzeitig zocken Hunderttausende Steuersparkünstler Jahr für Jahr zweistellige Milliardenbeträge durch Sonder-Ma Ost und andere Geschenkpakete ab. Auch für Regierungs- und Bundestagsbauten nebst zugehörigen unnötigen Tunneln und Tiefgaragen in Berlin ist ausreichend Geld vorhanden. Den Bau einer neuen BundestagsKita in Berlin möchte ich hier nur am Rande erwähnen.
Und - nicht ganz im Ernst -: Lassen Sie doch in einer Gesellschaft, in der nicht mit ehrlicher Arbeit, sondern vorrangig mit Geld viel Geld verdient wird, die Umwege weg! Verabschieden Sie doch gleich Gesetze, daß jeder, der über eine halbe Million Mark besitzt, vom Staat pro Jahr automatisch 50 000 Mark geschenkt bekommt - natürlich mit ansteigender Progression; denn ein ganzer Millionär müßte noch viel mehr staatliche Unterstützung erhalten. Das macht es für Sie einfacher und für die Bürgerinnen und Bürger viel transparenter.
Und, liebe Regierende: Sie könnten sofort die umständliche und äußerst komplizierte steuerrechtliche Verschleierung der gewollten Bereicherung Besserverdienender durch Sonderabschreibungen, Schiffs- und Flugzeugbeteiligungen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung sowie durch andere Umver-
Klaus-Jürgen Warnick
teilungsmaßnahmen beenden. Stellen Sie sich vor: massenweise Einsparung und Vereinfachung hochkomplizierter, mühsam ausgeklügelter Gesetze. Daß die F.D.P. noch nicht darauf gekommen ist! Durch die gigantische Vereinfachung des Steuerrechts würden so obendrein weitere Milliardensummen in der Verwaltung eingespart. Die könnten Sie dann zusätzlich an die armen Reichen verschenken.
Der Ironie genug.
Was unsere konkreten Vorschläge zur Änderung des Haushaltsentwurfs betrifft, komme ich mir angesichts des langanhaltenden Stillstands deutscher Politik langsam vor wie eine Schallplatte. Da die Koalition nicht lernfähig oder nicht lernwillig ist - ich weiß wirklich nicht, was schlimmer ist -, nun zum wiederholten Male: Unsere heute hier zur Abstimmung stehenden Änderungsanträge beziehen sich auf drei Schwerpunktthemen: Erstens. Das Wohngeld muß endlich den realen Gegebenheiten angepaßt werden.
Zweitens. Der soziale Wohnungsbau darf nicht eingestellt, sondern muß zumindest auf das Niveau voriger Jahre hochgefahren werden. Auch wenn sich der Wohnungsmarkt im mittleren und vor allem im hohen Preissegment vorübergehend - die Betonung liegt auf vorübergehend - entspannt hat, preisgünstige Mietwohnungen im unteren Bereich sind weiterhin Mangelware.
Drittens. Die Städtebauförderung muß, wie von Bau- und Wohnungswirtschaft vorgeschlagen, deutlich aufgestockt werden.
Ich bin, ehrlich gesagt, wirklich gespannt auf das Abstimmungsverhalten der SPD bei unseren Anträgen, vor allem zum Wohngeld. Einige Ihrer eigenen Anträge atmen in ihrer Bescheidenheit der Forderungen so etwas wie „Töpfer light". Bei diesen Anträgen wird mir angst und bange, wenn ich mir vorstelle, daß die Rosa-Grünen mit diesen Minimalforderungen 1998 einen wirklichen Politikwechsel hinzaubern wollen.
Trotz der Mickerigkeit Ihrer Anträge werden wir ihnen zustimmen; denn Sie kennen ja das Sprichwort vom Spatzen in der Hand und der Taube auf dem Dach.
Daß wir auch die Frage nach der Zukunft des Palastes der Republik wiederholt aufgeworfen haben, wird niemanden wundern, der die bisherigen Aktivitäten der demokratischen Sozialisten auf diesem Gebiet verfolgt hat. Uns sind eben bei diesem Thema konkrete Taten, Vorschläge und Anträge wichtiger als bloße Lippenbekenntnisse anderer Parteien.
Vielen Dank.
Das Wort hat Herr Bundesminister Professor Dr. Klaus Töpfer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuallererst den Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit bei diesen und bei früheren Haushaltsberatungen ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Es schmerzt natürlich sehr, Herr Kollege Niese: Da hatte ich wenigstens bei meinem letzten Haushalt gehofft, daß Sie ihn nur einfach ablehnen. Aber nein, Sie haben ihn wieder „mit Entschiedenheit" abgelehnt. Muß das denn wirklich sein?
Die reine Ablehnung hätte doch genügt. Stellen Sie sich einmal vor: Schlaflose Nächte werde ich in Nairobi verbringen müssen, nur weil ich daran denken muß, daß ich Ihnen die Entschiedenheit nicht ausreden konnte. Das ist nicht fair.
- Frau Kollegin Matthäus-Maier hat gerade zwischengerufen, ich könne schon froh sein, daß Herr Niese ihn nicht mit Abscheu und Empörung abgelehnt habe; so gesehen ist seine Formulierung schon ein Gewinn. Daran zeigt sich deutlich die „abgrundtiefe Inkompetenz" derer, die an dieser Stelle solche Zwischenrufe machen.
Nun wieder ernsthaft: Herr Kollege Niese, es ist immer - das gilt auch für den Schürmann-Bau - eine gute Zusammenarbeit gewesen. Mir fehlt, daß Herr Reschke mit all seinen Ecken und Kanten nicht da ist. So schlecht kann es also um den Schürmann-Bau nicht stehen, sonst wäre er hier und hätte sicherlich Zwischenfragen zum Schürmann-Bau gestellt.
Entschuldigen will ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die gegenwärtig im Langen Eugen arbeiten müssen und den Krach und den Staub auf Grund der Arbeiten ertragen müssen. Aber das läßt sich bei Sanierungen nicht vermeiden, die durchgeführt werden, damit dort, auch zum Wohle der Bundesstadt Bonn, die Deutsche Welle - nebenbei bemerkt: jetzt mit der Zustimmung ihrer Mitarbeiter - einziehen kann. Herr Kollege Braun, wir bleiben auch bei diesen Maßnahmen im Kostenrahmen. Herzlichen Dank für Ihre Darstellung.
Dies ist keine Situation, in der ich nostalgisch werde. Dies ist eine Situation, in der ich einen Haushalt für das Jahr 1998 mitzuverantworten habe, der natürlich eine Brücke zwischen dem, was man sich gerne wünscht, und dem, was auch mit Blick auf die Konsolidierung möglich ist, schlagen muß.
Es ist sicherlich nicht erfreulich, wenn man sagt, wir müssen etwa beim sozialen Wohnungsbau die
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Ansätze der Verpflichtungsermächtigungen zurücknehmen. Man kann aber beim besten Willen nicht sagen - Herr Niese, ich muß Ihnen sagen, das ist sachlich nicht richtig -, das sei die Begründung dafür, daß wir mehr als 200 000 arbeitslose Bauarbeiter haben. Diese Aussage müssen Sie sich wirklich noch einmal überlegen. Wenn Sie daran denken, daß wir in Deutschland im Jahr eine Bauinvestitionssumme von knapp 500 Milliarden DM haben, dann müssen Sie sich die entscheidende Frage stellen: Wie bekommen wir wieder Private dazu, mehr zu investieren? Das ist die Fragestellung.
Wenn wir eine andere Politik machen, werden wir die Privaten nicht zu Investitionen motivieren, weil die Zinsen ansteigen. Und die ansteigenden Zinsen werden dann eine ganz andere Auswirkung auf die Baukonjunktur haben als das, was wir mit einer halben Milliarden DM machen könnten, so gerne ich sie auch einsetzen würde.
Wir sollten uns irgendwann einmal das Ritual abgewöhnen, daß die einen sagen, der Bund fährt die Mittel zurück, und die anderen sagen, seht euch die Länder an. Die Quote der Mitfinanzierung des Bundes in bezug auf die Mittel für den sozialen Wohnungsbau ist in den Jahren 1996 und 1997 von 13,7 Prozent auf 14,7 Prozent angestiegen, weil die Ausgaben der Länder von 16,1 auf 13,7 Milliarden DM zurückgegangen sind. Das ist ein Faktum; das können wir Ihnen schriftlich geben.
Frau Kollegin Rönsch hat schon angesprochen, daß zum Beispiel in Hamburg - ich beklage das nicht; ich stelle es nur fest - die Zahl der Wohnungen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gebaut werden sollen, von 5100 im Jahre 1997 auf 3 500 im Jahre 1998 zurückgehen werden. Das ist ein Rückgang von rund 30 Prozent. Die Ursache dafür kann finanzieller Natur sein. Der Rückgang kann aber auch auf einer klugen Betrachtung des Wohnungsmarktes in Hamburg beruhen. Ich denke eher, das zweite ist richtig. Denn nach der deutschen Einheit sind bis zu 2 Millionen Menschen aus den neuen Bundesländern in die alten Bundesländer abgewandert, so daß auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg eine ganz andere Nachfrage war.
Frau Schwaetzer hat völlig zu Recht für ein Programm für den sozialen Wohnungsbau in Ballungsräumen gekämpft. Aber das brauchen wir in dieser Form nicht mehr, weil die Märkte reagiert haben. Dies ist eine sachliche Entwicklung.
Man kann nicht sagen: Die Priorität, zu einer bestimmten Zeit besteht, muß für alle Zeiten fortbestehen, und wer sich den neuen Prioritäten anpaßt, ist jemand, der gescheitert ist. Das kann es doch nicht sein. Deswegen sage ich: Unsere Politik muß zielgerichteter werden.
Ms ich im November 1994 das erste Mal als Bauminister gesprochen habe, habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß wir die Wohnungspolitik als angewandte Familienpolitik, als angewandte Eigentumspolitik, als angewandte Umwelt- und Gesellschaftspolitik verstehen müssen.
Dies ist ganz wichtig. Ich glaube, die Zwischenfrage von Frau Matthäus-Maier damals war richtig. Sie hat gefragt: Sind Sie bereit, auch die Wohneigentumsförderung zu ändern? - Das haben wir gemacht.
Frau Eichstädt-Bohlig, wie kann unsere Wohneigentumspolitik falsch sein, wie kann es zu den von Ihnen aufgezeigten gravierenden Störungen von ökologischen Zusammenhängen führen, wenn wir ausweislich aller Statistiken in der Europäischen Union beim Wohneigentum an letzter Stelle liegen? Dann müßte es in allen anderen Ländern eine ganz dramatische Veränderung gegeben haben. Wenn Sie mir vorschlagen, wie wir die verbliebenen Mittel des sozialen Wohnungsbaus stärker für die Wohneigentumsförderung nutzen können - gegenwärtig sind es zirka 40 Prozent -, so daß wir auch für die Schwachen und die sozial noch Schwägieren, die wir mit unseren Schwellenhaushalten Loch nicht erreichen, die Möglichkeit schaffen, etwa in Ballungsräumen Wohneigentum zu bilden, bin ich auf Ihrer Seite. Dann bekäme diese Politik eine ganz andere Perspektive.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte.
Herr Töpfer, erinnern Sie sich noch daran, daß wir seinerzeit einen Antrag zu einem Eigenheimförderkonzept gestellt hatten, das in zwei Punkten treffsicherer war als das, was dann verabschiedet wurde? Das eine war die Konzentration auf die sozialen Gruppen, die wirklich bedürftig sind, also keine Förderung von Haushalten mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 240 000 DM, die angesichts der Haushaltssituation wirklich viel zu großzügig ist.
Das zweite war das sehr differenzierte ÖkobonusSystem, das unter anderem die besondere Förderung von Bauen und Erneuern im städtischen Bereich und das Verhindern von Zersiedelung zu ganz elementaren Zielen des Förderkonzepts gemacht hatte. Dies ist ein sehr wunder Punkt in Ihrem Konzept. Das fehlt dort, und mit dem Einsatz des aktuellen Programms werden nur negative Erfahrungen gemacht.
Frau Eichstädt-Bohlig, natürlich ist mir das noch sehr gut in Erinnerung. Sie wissen im übrigen genau, warum wir das so nicht
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
gemacht haben. Der eine Grund war, daß wir der Überzeugung gewesen sind, es sei richtig, das, was wir im sozialen Wohnungsbau machen, zu ergänzen. Dies ist von mir gerade angesprochen worden.
Das zweite ist auch nachvollziehbar. Wir - die Kollegen Großmann, Kansy, Braun, die wir alle zusammengesessen haben - mußten abwägen: Wie bekommen wir eine Wohneigentumsförderung zustande, die keine neuen bürokratischen Verfahren schafft, die Länder, Städte und Gemeinden nicht massiv fordert bzw. überfordert und endlich einmal transparent ist? Daß die Wohneigentumsförderung so erfolgreich geworden ist, wie sie ist, mit Steigerungsraten um 10 Prozent, wie uns gestern noch die privaten Bausparkassen gesagt haben, hat etwas damit zu tun, daß sie transparent, verständlich, unbürokratisch und verläßlich ist.
Deswegen sind wir auf Ihren Vorschlag nicht eingegangen. Ich bin ganz sicher, daß diese Überlegungen auf der Tagesordnung bleiben werden.
Aber in einem werden Sie mir sicher recht geben: Warum sollte jetzt jemand, der diese Verantwortung bald nicht mehr trägt, Eckpunkte für die Zukunft vorgeben? Dies ist eine Aufgabe, die der Kollege Oswald erfüllen muß, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich Erfolg wünsche.
Dies ist die Situation. Nur darum kann es gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen mit allem Nachdruck: Wir werden die Prioritäten - wenn auch nicht mehr in dieser Legislaturperiode - auf die Wohnungsversorgung in der Stadt, auf die menschliche Siedlung ausdehnen müssen. Das ist das, was uns in besonderer Weise am Herzen liegt. Deswegen wollte ich dies in den verbleibenden zwei Minuten meiner Redezeit wenigstens angesprochen haben.
Warum machen wir ein Wohnungsgesetzbuch? Warum haben wir es hier eingebracht? Weil uns die große Sorge drückt, daß wir sonst zu einer Entmischung in unseren Städten kommen, zu einer Gettobildung mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Konsequenzen, über die alle, die in diesem Hohen Hause politische Verantwortung übernehmen, traurig und besorgt sein müssen.
Ich möchte dazu beitragen, daß wir gezielter arbeiten können, daß wir wieder Städte bekommen, deren Urbanität für die Menschen Heimat bedeutet - in einer Umgebung, in einer Welt, die zunehmend durch Globalisierung gekennzeichnet ist.
Dies ist, Herr Kollege Niese, Sie werden es nicht glauben, nicht nur vom Geld abhängig.
Wir müssen dafür sorgen, daß die Funktionen, wie der Handel, nicht stadtflüchtig werden. Was haben wir von all den Mitteln für die Städtebauförderung? Der Multiplikator, dem Sie die Refinanzierung Ihrer Vorschläge abverlangen, wird schnell klein werden, wenn wir den Handel nicht wieder in die Innenstädte bekommen. Das ist ein Multiplikator.
Deswegen müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir das auf den Weg bringen können.
Das ist nicht nur eine Rückfrage an den Bauminister. Das ist auch eine Rückfrage an den Wirtschaftsminister hinsichtlich der Förderung von entsprechenden Dienstleistungseinrichtungen und der Einbindung in das Konzept. Das ist auch eine Rückfrage an den Innenminister: Wie bekommen wir angstfreie Städte? Wie können wir Frauen in die Städteplanung integrieren? Denn sie sind es, die am meisten wohnen, wie es einmal gesagt worden ist.
Das sind Aufgaben, um die es sich meiner Meinung nach zu streiten lohnt,
mit dem großen Vorbild des Einzelhandelserlasses in Nordrhein-Westfalen. Die Innenstadt von Würselen wird sich sicher gut entwickeln, Herr Kollege Großmann.
Ich danke noch einmal all denen, die diesen Haushalt mitgeplant haben. Ich danke in hohem Maße meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - nicht nur denen, die hier sind -, die das Konzept einer sozialen Marktwirtschaft im Wohnungsbereich über viele Jahre intensiv mitentwickelt haben. Ich danke für die guten Worte und die guten Wünsche. Mal sehen, wann wir uns wiedersehen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Herr Minister Töpfer, ich möchte mich dem Dank anschließen, der Ihnen schon von vielen Seiten ausgesprochen worden ist.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Dietmar Kansy.
Der Vorwegapplaus war schon ganz beachtlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Warnick, die Opposition kann sicherlich nicht dazu dasein, die Regierung zu loben. Aber wenn Kritik total an der Wirklichkeit vorbeigeht, schadet sie zum Schluß demjenigen, der kritisiert. Das haben Sie mit Ihrer unqualifizierten Rede eben erreicht. Das Ergebnis der jahrelangen SED-Wohnungspolitik in der ehemaligen DDR kann man kurz zusammenfassen: Trümmer schaffen ohne Waffen. Wir brauchen Ihre Ratschläge nicht.
Meine Damen und Herren, am Anfang dieser Legislaturperiode stand noch das Schlagwort von der „neuen Wohnungsnot". Heute ist aus dem Vermietermarkt ein Mietermarkt geworden. In den letzten drei Jahren sind rund 1,8 Millionen Wohnungen in Deutschland neu gebaut worden.
Am Anfang dieser Legislaturperiode stand immer noch der drohende Verfall ganzer Innenstädte in der ehemaligen DDR. Heute sind über 3 Millionen Wohnungen in den neuen Bundesländern modernisiert.
Am Anfang dieser Legislaturperiode war der Bau von Einfamilienhäusern rückläufig. Der Minister hat es gerade gesagt: Allein von Januar bis September dieses Jahres nahm die Zahl der genehmigten Einfamilienhäuser um 10 Prozent zu.
Am Anfang dieser Legislaturperiode hatten wir ein zersplittertes und teilweise unübersichtliches und überfrachtetes Bauplanungsrecht. In wenigen Tagen tritt das vom Bundestag bereits beschlossene novellierte Baugesetzbuch in Kraft.
Am Anfang dieser Legislaturperiode wurden in Ostdeutschland Ängste geschürt gegen den Obergang in das Vergleichsmietensystem. Heute sagt nicht nur der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft, daß die Mietenreform kein aktuelles Thema mehr ist und daß man damit niemandem angst machen kann.
Am Anfang dieser Legislaturperiode waren die Zeitungen voll von Klagen über den ständigen Kostenanstieg im Wohnungsbau. Heute ist kosten- und flächensparendes Bauen Topthema, quer durch die Wohnungswirtschaft und insbesondere bei den Verbrauchern.
Am Anfang dieser Legislaturperiode war die Kritik am zu langsamen Umzug von Bonn nach Berlin unüberhörbar; heute schwimmt der „dicke Tanker Umzug". Manchen geht es, wie wir diese Woche gesehen haben, sogar ein bißchen zu schnell.
Der Erfolg hat viele Väter und natürlich auch Mütter. Das ist auch hier so: die Bauwirtschaft, die Wohnungswirtschaft, Länder und Gemeinden, die Koalitionsfraktionen und manchmal - siehe Eigentumsförderung - sogar die Opposition.
Doch nichts ist vom Himmel gefallen: Die Förderung des sozialen Wohnungs- und Städtebaus trotz Finanzkrise auf einem relativ hohen Niveau, das erfolgreiche Eigenheimzulagengesetz, die KfW-Programme zur CO2-Reduktion, der Eigenheimerwerb für junge Familien und die Modernisierung in Ostdeutschland, die Baugesetzbuchnovelle, das Mietenüberleitungsgesetz, die Info-Kampagne „Das junge Haus", die Institution Umzugsbeauftragter und vieles andere sind mit einem Namen verbunden, der heute abend schon mehrfach erwähnt wurde: mit dem Namen unseres Bauministers Klaus Töpfer.
Da dies wahrscheinlich die letzte Wohnungsbaudebatte in diesem Jahr ist und, wie bekannt, Minister Töpfer dem Ruf des UN-Generalsekretärs folgen wird, sage ich Ihnen, Herr Minister - dir, lieber Klaus - nicht nur im Namen der Arbeitsgruppe Raumordnung, Bauwesen und Städtebau der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sondern für die gesamte Fraktion unseren herzlichen Dank für die Arbeit in diesen Jahren:
für Ihre Offenheit, für die kollegiale Zusammenarbeit und Ihre Bürgernähe, die Sie in diesen Jahren gezeigt haben, auch in so schwierigen Situationen wie in der Gethsemane-Kirche in Berlin. Sosehr Ihr Wechsel für die UN ein Gewinn ist, für uns ist Ihr Weggang ein großer Verlust.
Zwei Vorhaben, die, wie hier schon zur Sprache gekommen ist, Sie angestoßen haben, sind noch nicht vollendet: das vom Kabinett bereits beschlossene Wohnungsgesetzbuch und die in Bund-LänderVerhandlungen befindliche Wohngeldnovelle. Wir werden uns alle gemeinsam bemühen, beide Vorhaben in Ihrem Sinne zu Ende zu bringen.
Wir wünschen Ihnen als CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Ihr neues Amt viel Erfolg und würden uns tatsächlich freuen, Sie nicht nur in Bonn, sondern auch in Berlin öfter wiederzusehen.
Recht herzlichen Dank!
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen.
Zunächst stimmen wir über zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD ab.
Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9237. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag abgelehnt worden ist mit
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen.
Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9238. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag abgelehnt worden ist mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen.
Nun stimmen wir über zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.
Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9177. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag abgelehnt worden ist mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die übrigen Stimmen des Hauses.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9178 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit demselben Stimmenverhältnis wie eben abgelehnt worden ist.
Dann kommen wir zu fünf Änderungsanträgen der Gruppe der PDS.
Ich rufe zunächst den Änderungsantrag auf Drucksache 13/9239 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Änderungsantrag mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9240 auf. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie eben abgelehnt worden ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9241 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie eben abgelehnt worden ist.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 9242 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß auch dieser Änderungsantrag mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie eben abgelehnt worden ist.
Ich rufe den letzten Änderungsantrag der Gruppe der PDS, den auf Drucksache 13/9243, auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 25 in der Ausschußfassung. Wer dem Einzelplan in der Ausschußfassung zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Einzelplan 25 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Ich rufe Punkt I. 28 der Tagesordnung auf: Haushaltsgesetz 1998
- Drucksachen 13/9026, 13/9027 - Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth Michael von Schmude
Dr. Wolfgang Weng Dietrich Austermann
Karl Diller
Kristin Heyne
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung.
Zunächst rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9244 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Die dritte Beratung und Schlußabstimmung finden morgen statt.
Ich rufe Punkt I. 29 der Tagesordnung auf:
Nachtragshaushaltsgesetz 1997
- Drucksache 13/9029 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth Kristin Heyne
Dr. Wolfgang Weng Dietrich Austermann
Karl Diller
Eine Aussprache ist auch hier nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb ebenfalls gleich zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dann rufe ich Punkt I.30 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 1997 bis 2001
- Drucksachen 13/8201, 13/8883, 13/9028-Berichterstattung:
Abgeordnete Michael von Schmude Dietrich Austermann
Dr. Wolfgang Weng Karl Diller
Kristin Heyne
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen daher sofort zur Abstimmung. Wer für die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 13/9028 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/9245. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte IIa bis IIc auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes
- Drucksache 13/7015 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Marianne Klappert, Ernst Bahr, Dr. Ulrich Böhme , weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes
- Drucksache 13/2523 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Tierschutzgesetzes
- Drucksache 13/3036 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Drucksache 13/9071 - Berichterstattung:
Abgeordnete Meinolf Michels Marianne Klappert
Ulrike Höfken
Günther Bredehorn
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Tierschutzbericht 1997
„Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes"
- Drucksachen 13/7016, 13/7197, 13/9071-Berichterstattung:
Abgeordnete Meinolf Michels Marianne Klappert
Ulrike Höfken
Günther Bredehorn
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Beendigung der tierquälerischen Robbenjagd
- Drucksachen 13/4141, 13/7845 -Berichterstattung:
Abgeordneter Siegfried Hornung
Zum Tierschutzbericht 1997 liegt ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine dreiviertel Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Meinolf Michels das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen nun von der Wohnungsbaupolitik direkt zum Tierschutz, einem völlig anderen Gebiet.
Der Tierschutz hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Bei strittigen Fragen in diesem Bereich geht es fast immer um die Abwägung zwischen dem Wohl der Menschen und dem notwendigen Schutz der Tiere. In der politischen Auseinandersetzung ist es natürlich leicht, sich für das auszusprechen, was sehr einseitig gewünscht wird. Um so schwieriger ist es aber, das für den Menschen Notwendige einzube-
Meinolf Michels
ziehen und dafür auch geradezustehen. Dies bitte ich bei der jeweiligen Zuständigkeit mit zu bedenken.
In der heutigen Debatte befassen wir uns hauptsächlich mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes und dem Tierschutzbericht der Bundesregierung dieses Jahres.
Lassen Sie mich zunächst auf das Tierschutzgesetz eingehen. Wir alle wissen um die Vorgeschichte. Was uns heute als Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, war im wesentlichen schon 1994 Gegenstand der Beratungen. Der Bundesrat hat das Gesetz damals scheitern lassen. Bei dem jetzigen neuen Anlauf hat die Bundesregierung, haben wir alle äußerste Rücksicht auf den Bundesrat genommen und die Änderungen auf die Punkte beschränkt, die in der vergangenen Legislaturperiode zwischen Bundestag und Bundesrat stets unstrittig waren.
Dies ist nun der zweite Anlauf zur Novellierung des Tierschutzgesetzes. Insofern sind wir alle mit der Materie bestens vertraut. Ich will deshalb von den vielen vorgesehenen Änderungen nur einige herausgreifen, die mir besonders wichtig erscheinen.
Für den Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung liegen Forderungen auf dem Tisch, die weit über die Regierungsvorlage hinausgehen. Ich nenne als Beispiel die Genehmigungspflicht für Stalleinrichtungen. Einseitige, nicht EU-konforme Verschärfungen der Vorschriften führen zu weiteren Wettbewerbsnachteilen und Marktverlusten unserer Landwirtschaft. Es würde vor allen Dingen die kleineren Betriebe treffen. Für sie ist die Veredelungswirtschaft eine unverzichtbare Existenzgrundlage.
Wir alle treten dafür ein, die Käfighaltung von Legehennen durch artgerechtere Haltungsformen zu ersetzen. Die EG-Kommission hätte schon Anfang 1993 einen Bericht und Anpassungsvorschläge vorlegen müssen. Dies ist bis heute nicht geschehen. Deshalb unterstützen wir Bundesminister Borchert bei der Anmahnung dieses Berichtes. Einseitige nationale Maßnahmen würden auch hier das Tierschutzproblem nur ins Ausland verlagern.
Ich begrüße es, daß für den gewerbsmäßigen Umgang mit den Tieren ein Sachkundenachweis erbracht werden muß. Natürlich darf dies nicht unnötige Bürokratie hervorrufen. Selbstverständlich muß niemand mit entsprechender Berufsausbildung oder langjähriger praktischer Erfahrung seine Sachkunde zusätzlich nachweisen.
Besonders wichtig waren mir konkrete Regelungen im Bereich des Schlachtens. So wichtig die Rationalisierung in den Schlachthöfen ist, so muß doch eine Kontrolle über den ordnungsgemäßen, tierschutzgerechten Ablauf des Schlachtvorgangs gewährleistet sein. Dazu gehört auch, daß für den Tierschutz eine verantwortliche Person ausgewiesen ist. Zusammen mit den Umsetzungen der entsprechenden EG-Richtlinie durch die nationale Tierschutz-Schlachtverordnung erfolgt ein entscheidender Schritt zu mehr Tierschutz in diesem Bereich.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum Problem des Schächtens. Wir treten dafür ein, daß
Schächten ausnahmslos nur mit vorheriger Betäubung erfolgen darf. Wir konnten dies aber nicht in das Gesetz aufnehmen, weil hierzu noch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aussteht.
Mit der Ausdehnung des grundsätzlichen Verbots von Tierversuchen bei der Entwicklung von dekorativen Kosmetika auf jegliche Art von Kosmetika wird einer schon oft erhobenen Forderung Rechnung getragen. Ich hoffe, daß es nicht notwendig sein wird, von der Verordnungsermächtigung zur Zulassung von Ausnahmen Gebrauch zu machen. Die bisherigen Erfahrungen einschließlich der Aussagen von Industrieseite bestätigen dies.
Von seiten der Tierschützer wird regelmäßig die offizielle Statistik über die Anzahl der Tierversuche als falsch kritisiert, da dort nur Tierversuche im eigentlichen Sinn erfaßt sind. Mit der Gesetzesänderung werden nun auch die Wirbeltiere meldepflichtig, die zur Gewinnung von Stoffen oder Organismen dienen, aber auch alle Tierversuche, die im Rahmen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung durchgeführt werden. Wenn dies auch Mehrarbeit für die betroffenen Personen mit sich bringt, so stehe ich doch hinter dieser Maßnahme. Eine unvollständige Statistik wird immer Anlaß für abenteuerliche Dunkelziffern sein. Damit wird jetzt endlich Schluß sein.
Es ist meiner Meinung nach ein berechtigtes Anliegen der Forschung, bürokratische Hürden abzubauen, die keinerlei Effekt für den Tierschutz haben. Ich begrüße deshalb die im Entwurf der Bundesregierung vorgesehenen entsprechenden Erleichterungen.
Darüber hinaus haben wir uns aber in einem mit wohltuender Sachlichkeit geführten Berichterstattergespräch darauf geeinigt, daß sogenannte Finalversuche zwar weiterhin der Genehmigungspflicht unterliegen, die Bearbeitungsfrist für die Genehmigung dieser Versuche aber auf maximal zwei Monate begrenzt wird. Außerdem wollen wir die Anzeigepflicht bei Tierversuchen an Wirbellosen, mit Ausnahme von Dekapoden und Cephalopoden, aufheben.
Diese beiden Änderungen können keinesfalls als Argument für eine Deregulierung des Tierschutzes dienen. Wir sollten die Forschung nicht unnötig behindern und uns immer bewußt sein, daß sie sowohl für den Menschen als auch für den Tierschutz einen Beitrag leisten kann.
Die Opposition im Bundestag und besonders der Bundesrat sollten im Gedächtnis behalten,
daß einige Änderungen auf ausdrücklichen Wunsch des Bundesrates im Gesetz stehen. Ich möchte als Beispiel § 16a nennen. Hier geht es darum, den Behörden die Möglichkeit einzuräumen, zum Beispiel verwahrloste und damit oft auch völlig verhaltensgestörte Tiere töten zu lassen. Im Gesetz ist dies als letzter Ausweg vorgesehen. Ein beamteter Tierarzt muß dazu sein Einverständnis geben.
Wir befassen uns heute auch mit dem Tierschutzbericht der Bundesregierung. Man kann die Öffent-
Meinolf Michels
lichkeit gar nicht oft genug auf dieses Dokument hinweisen, das umfassend und objektiv über den Stand des Tierschutzes in Deutschland informiert. Vergleichbares gibt es nirgendwo auf der Welt. Unsere gute Tat der Einführung dieses Berichtes anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes 1986 ist also „Tierschutz permanent".
Zum Schluß einer getanen Arbeit in einem besonders sensiblen Bereich der Gesetzgebung gilt es, Dank zu sagen vor allem den Damen und Herren im Tierschutzreferat des BML, durch deren Fleißarbeit der Tierschutzbericht erst möglich wird. Sie haben uns aber auch bei den Beratungen des Tierschutzgesetzes immer hilfreich zur Seite gestanden. Besonders Herr Dr. Baumgartner war immer hilfreich zur Stelle und hat uns stets geduldig über anstehende Fragen informiert.
Danken möchte ich auch den übrigen Berichterstattern: Frau Klappert, Frau Höfken, Herrn Bredehorn, Herrn Lensing und Herrn Professor Rieder. Unsere Beratungen sind immer in einer sachlichen und angenehmen Atmosphäre verlaufen. Das ist bei einem solch schwierigen und emotional beladenen Thema wie dem Tierschutz nicht selbstverständlich.
Ich plädiere dafür, dem Tierschutzgesetz zuzustimmen und den Tierschutzbericht zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin überzeugt, daß wir damit wichtige Verbesserungen für den Tierschutz erreichen.
Schönen Dank.
Herr Kollege, wenn man Ihnen zuhört, muß einen wirklich das Mitgefühl packen. Ich wünsche Ihrer Stimme gute Besserung.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Marianne Klappert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Michels, ich teile Ihre Auffassung: Wir haben ein gutes Tierschutzgesetz. Trotzdem sollte uns das nicht davon abhalten, den Tierschutz in vielen Bereichen zu verbessern.
Ich bleibe bei meiner Auffassung, daß die Bundesregierung einen Novellierungsvorschlag gemacht hat, der den Namen Reform nicht beanspruchen kann.
Ich verkenne, genau wie Sie, nicht die objektiven Schwierigkeiten, die mit dieser Novellierung verbunden waren: die gescheiterte Novellierung von 1994, der Druck von außen mit teilweise völlig entgegengesetzten Absichten, die emotionale Behandlung des Themas, unrealistische Wünsche, unbegründete Befürchtungen. Das alles macht eine sachgerechte Beratung dieses Themas nicht gerade leicht.
Deshalb bewerte ich es zunächst als positiv, daß trotz teilweise erheblicher Differenzen in der Ausgangsposition in den entsprechenden Arbeitsgruppen Ihrer Fraktion sowie auch meiner Fraktion, in den Ausschüssen und Berichterstattergesprächen sachlich und rational argumentiert und diskutiert worden ist. Dafür sage ich den Kollegen und Kolleginnen herzlichen Dank. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ausschusses und den beteiligten Ministerien bedanken. Herr Michels hat soeben schon Herrn Dr. Baumgartner genannt. Ihm gebührt wirklich besonderer Dank.
Die gute Atmosphäre in den Sachgesprächen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen den Koalitionsparteien und der SPD in der Sache schwerwiegende Differenzen bestehen, und zwar so schwerwiegende, daß wir diesem Gesetzentwurf keinesfalls zustimmen können. Wir halten den Gesetzentwurf der Regierung für so lückenhaft, daß wir auf Änderungsanträge verzichtet haben. Er ist nicht verbesserungswürdig und nicht verbesserungsfähig.
Statt dieser Fragmentfassung zuzustimmen, fordern wir Sie auf, unseren Gesetzentwurf zu unterstützen.
Dieser Novellierung hätte unseres Erachtens unbedingt die Aufnahme des Staatszieles „Tierschutz" in die Verfassung vorausgehen müssen.
Ohne diese fehlt dem Tierschutzgesetz das Fundament. Solange der Tierschutz ohne verfassungsrechtliche Absicherung ist, bleiben zahlreiche Regelungen im alten Gesetz wie auch im Novellierungsentwurf Makulatur. Wir alle haben bei den vor uns liegenden Ausschußberatungen über die Aufnahme dieses Staatszieles in die Verfassung Gelegenheit, dies zu ändern. Wenn wir darüber intensiv diskutieren, werden wir, so glaube ich, zu einer gemeinsamen Meinung kommen.
Es mag durchaus sein, daß die Unterbewertung des Tierschutzes gegenüber vorbehaltlos gewährten Grundrechten ein nicht ungern gesehenes und genutztes Instrument ist, dem Tierschutzgesetz seinen ohnehin nur bescheidenen Stachel zu ziehen. Wenn das aber so gewollt ist, wenn man dem Tierschutzgesetz die nötige Unterfütterung im Grundgesetz verweigern will, dann sollte man dies auch sagen.
Ich sagte es schon: Das, was uns heute zur Abstimmung vorgelegt wird, erfüllt nicht die großen Erwar-
Marianne Klappert
tungen, die an die Novellierung geknüpft worden sind.
Der Versuch, allen wohl und keinem weh zu tun, hat zu einem Minimalentwurf geführt, von dem die Regierung hofft, daß ihm der Bundesrat zustimmt. Hoffen und Harren hält bekanntermaßen manchen zum Narren. Das wird wohl auch das Schicksal der Regierung sein, wenn es um die Zustimmung des Bundesrates geht. Was nämlich von den gut begründeten Änderungsvorschlägen des Bundesrates übriggeblieben ist - Herr Kollege Michels, wir haben lange darüber gesprochen - und was von der Regierung bzw. den Koalitionsfraktionen übernommen worden ist, ist nicht einmal ein Bruchteil des eigentlichen Novellierungsbegehrens.
Lassen Sie mich kurz skizzieren, welche Einzelgründe dafür ausschlaggebend sind.
Zunächst einmal halten wir in § 1 den Ersatz des Begriffes „vernünftiger Grund" durch den Begriff „rechtfertigender Grund" für unumgänglich. Der Begriff „vernünftig" ist zu schwach und zuwenig klar definiert. So kann zum Beispiel auch ein rein ästhetischer Grund vernünftig sein. Aber es ist nicht einzusehen, daß aus rein ästhetischen Gründen weiterhin so schwerwiegende Eingriffe wie die Amputation von Körperteilen erlaubt sein sollen. Mit dem Begriff „rechtfertigender Grund" würde der Zwang zu einer gründlicheren Abwägung zwischen den Interessen des Tieres und denen des Tiernutzers erheblich verstärkt und damit ein wesentlicher Beitrag zu mehr Tierschutz geleistet. Dazu sollten Sie alle ja sagen können.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, leider sind in der öffentlichen Diskussion neben dem Bereich der Tierversuche andere, aber ebenso wichtige Tierschutzbereiche etwas in den Hintergrund geraten. Ich nenne nur die Stichworte Tierhaltung und Tiertransporte. Was sich in der industrialisierten Tierhaltung abspielt, läßt sich mit einem ethisch verantwortungsvollen Tierschutz nun wahrlich nicht mehr in Einklang bringen. Es ist einer Kulturnation absolut unwürdig, durchgreifende Änderungen in diesem Bereich aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen immer wieder abzulehnen. Selbst die Minimalforderung nach der Möglichkeit zu artgemäßem Verhalten der Tiere ist an Ihrem Widerstand gescheitert.
Herr Michels, auch unser Antrag, dies nicht national, sondern europaweit zu behandeln, hat leider keine Mehrheit gefunden. Deswegen machen wir dort immer wieder den Spagat.
- Doch, das können wir schon organisieren. Aber wenn eine Stimme fehlt, dann fehlt sie halt. Man braucht für die Entscheidungen schon Mehrheiten.
Man kann diese Entscheidungen nicht immer unter ökonomischen Zwängen treffen. Warum werden denn die Erkenntnisse der Ethologie nicht oder nur unzureichend berücksichtigt? Warum wollen Sie denn nicht einmal der Zulassungspflicht für serienmäßig hergestellte Haltungssysteme Ihre Zustimmung geben. Das wäre jedenfalls ein erster Schritt zur Tierschutzgerechtheit mancher Tierhaltung. Dabei auf Freiwilligkeit zu setzen, wie es die Regierung anrät, zementiert den Status quo.
Nach wie vor äußerst unbefriedigend sind aus der Sicht der SPD-Bundestagsfraktion auch die Ausnahmen von der Betäubungspflicht bei Eingriffen an Tieren. Solange nicht einwandfrei erwiesen ist, daß Amputationen von Körperteilen tatsächlich schmerzfrei sind und damit ohne Betäubung durchgeführt werden können, müssen sie nach unserer Auffassung unter Betäubung durchgeführt werden. Aus wirtschaftlichen Gründen eine Betäubung zu unterlassen ist ethisch nicht vertretbar. Deshalb fordern wir in unserem Gesetzentwurf die Abschaffung der meisten Ausnahmen von der Betäubungspflicht. Es ist sehr erfreulich, daß das wenigstens im Hinblick auf das Kürzen der Hunderuten im Konsens gelöst werden konnte.
Darüber hinaus mag ja das Entfernen der einen oder anderen Körperteile gerechtfertigt sein; aber aus Sicht des Tierschutzes ist es ganz sicher nicht zu rechtfertigen, Tiere zu bestimmten Nutzungszwekken oder gar zur Erlangung eines bestimmten Rassestandards prophylaktisch zu amputieren. Die entsprechenden Absätze in § 6 des Tierschutzgesetzes sollten deshalb nach unserer Ansicht ersatzlos gestrichen werden.
Besonders brisant in der Tierschutzgesetzgebung ist sicherlich der Bereich der Tierversuchsregelungen. Kaum ein anderes Thema führt zu so erbitterten Auseinandersetzungen in der öffentlichen Diskussion. Dieser Bereich hat sozusagen Stellvertretungscharakter für alle übrigen tierschutzrelevanten Bereiche. Dies müssen wir alle anerkennen. Man muß zur Kenntnis nehmen, daß dieser Bereich besonders viele Emotionen freisetzt und sich Vergleiche mit anderen tierschutzrelevanten Bereichen, zum Beispiel dem Schlachten, aus diesem Grund verbieten, wenn man Gehör und Verständnis finden will.
Hinter der immer wieder erhobenen Forderung nach einem gänzlichen Verzicht auf Tierversuche verbirgt sich neben dem Mitleid mit der geschundenen Kreatur und dem Bewußtsein der Verantwortung des Menschen für das Mitlebewesen Tier wohl auch ein tiefes Mißtrauen gegenüber der Wissenschaft. Das ist bei jeder Novellierung des Gesetzes zu berücksichtigen. Das darf aber nicht dazu führen, daß Tierversuche gänzlich unmöglich gemacht werden.
Die Tatsache, daß wir es bei den Tierversuchen mit einem sehr hoch reglementierten Bereich zu tun ha-
Marianne Klappert
ben, darf aber nicht dazu führen, daß wir hinter das jetzt geltende Gesetz zurückgehen. Es muß im Gegenteil so sein, daß wir den defizitären Bereich in puncto Tierschutz auf ein ebenso hohes Niveau anheben wie den anderen Bereich, der so hoch reglementiert ist. Eine Novellierung des Tierschutzgesetzes darf nicht den Abbau von Schutzrechten für die Tiere zur Folge haben; vielmehr muß sie deren Vermehrung zur Folge haben.
Ich will für meine Fraktion ganz deutlich sagen, daß wir Tierversuche zwar noch für unverzichtbar halten - ich denke, alles andere wäre Augenwischerei -, daß wir aber bei den Versuchen, hinter jetzt geltende Gesetzesregelungen zurückzugehen, nicht mitmachen.
Ich habe einmal gesagt, daß der Tierschutz unter . der Verantwortung dieser Bundesregierung eine Schnecke ist. Davon habe ich nichts zurückzunehmen. Nun haben Sie für diese Schnecke aber auch noch eine Variante der Echternacher Springprozession eingeführt: einen halben Schritt vor und einen zurück.
Ausdrücklich begrüßt wird von der SPD die Verpflichtung zu statistischen Angaben über die verwendeten Wirbeltiere auf weitere tierschutzrelevante Bereiche der Wissenschaft, Forschung, Lehre und biomedizinischen Produktion. Aber all diese und andere marginale Verbesserungen - Herr Michels hat sie eben genannt - reichen nicht aus, uns zu einer Zustimmung zu der Beschlußempfehlung zu veranlassen.
- Nein, Siegfried, das tun wir nicht.
Ich will noch einmal ein paar Punkte aufzeigen, die in unserem Gesetzentwurf stehen und auf die wir nicht verzichten. Ich frage ganz einfach: Wo ist denn die Leidensbegrenzung der Tiere? Wo ist die Drittstaatenklausel für Tiertransporte, die die Einfuhr, aber auch die Einfuhr zum Zwecke der Wiederausfuhr zur Gewährleistung von Tierschutzbestimmungen von einer Genehmigung abhängig macht? Wo ist das Verbot, Geräte zu verwenden, die durch direkte Stromeinwirkung die Bewegungsmöglichkeiten der Tiere einschränken oder die Tiere zu bestimmten Bewegungen - siehe Kuhtrainer - zwingen? Wo ist die Forderung nach einem weisungsbefugten Tierschutzbeauftragten für alle Tierhaltungen, die mehr als drei Arbeitnehmer beschäftigen?
Wo ist die Genehmigungspflicht für Personen, die Tiere mit besonderen Haltungsansprüchen einführen, mit ihnen handeln oder sie halten wollen? Wo bleibt das Verbot der gewerbsmäßigen Haltung von Wirbeltieren, an denen Schäden festgestellt wurden, die durch tierschutzwidrige Handlungen verursacht worden sind? Wo bleibt das Verbot, solche Tiere in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen?
Ich könnte noch einiges mehr in dieser Hinsicht fragen, aber mir läuft die Zeit ein wenig weg.
- Ich habe nur noch drei.
Wenn die Forderung nach einem Mehr an Tierschutz nicht zu einer bloßen rhetorischen Formel werden soll, dann unterstützen Sie dieses Ziel bitte durch die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, vorauszusagen, daß nach dieser Novellierung schon wieder der nächste Novellierungsentwurf angemahnt wird. Ich glaube, wir alle sollten das nach Möglichkeit vermeiden.
Tierschutz ist eine Aufgabe für die Gesellschaft und eine Aufgabe für die Politik. Wir können diese Verantwortung nicht einseitig an den Goodwill der Gesellschaft delegieren. Wir müssen durch gesetzgeberische Maßnahmen den Rahmen dafür setzen, daß die Tiere als Mitgeschöpfe geachtet werden und ihnen nicht ohne rechtfertigenden Grund Leiden, Schäden oder Schmerzen zugefügt werden dürfen.
Der Regierungsentwurf ist zur Erlangung dieses Zieles ungeeignet.
Das Bundeskanzleramt schrieb mit Datum vom 13. Dezember 1996 an eine Petentin: „Wir brauchen zur Durchsetzung des Tierschutzes strenge Regeln, wirksame Kontrollen und im gegebenen Fall auch harte Strafen."
An Einsicht fehlt es der Bundesregierung also offensichtlich nicht - das finde ich sehr erfreulich -, aber es fehlt ihr an der Kraft oder dem Willen, aus dieser Einsicht die gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen. Das ist - so denke ich - äußerst unerfreulich.
Bei dieser Verweigerungshaltung dürfen wir als Opposition die Regierung nicht unterstützen. Es muß klar werden, wer ein deutliches Mehr an Tierschutz verhindert. Die SPD ist das jedenfalls nicht.
Danke schön.
Ich gebe der Abgeordneten Steffi Lemke das Wort.
Verehrter Herr Präsident. Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Verabschiedung der Novelle des Tierschutzgesetzes kommen wir zu einem besonders traurigen Kapitel Regierungsgeschichte. Ich denke, daß auch eine noch so sachliche und unemotionale Debatte bei den Berichterstattern oder im Ausschuß weiß Gott keine Garantie für eine Geset-
Steffi Lemke
zesnovelle ist, die der öffentlichen Debatte gerecht wird.
Ich glaube, daß die Vorschläge der Regierungskoalition völlig an dem, was in der Öffentlichkeit debattiert wird, und vor allem an den Mißständen im Bereich des Tierschutzes vorbeigehen. Eine jahrelange Debatte im Parlament und im Ausschuß - und dann
ein solcher Entwurf! Aus meiner Sicht kann man dazu eigentlich nur sagen: Zu kurz gesprungen!
- Herr Sielaff, gut: Vielleicht nicht gesprungen, vielleicht gehüpft!
Neben einigen wenigen positiven Ansätzen fällt die Novelle hinter den bisherigen Schutzstandard zurück. Zum Beispiel sollen die Aufsichtsbehörden die Möglichkeit erhalten, beschlagnahmte Tiere zu töten. Aus grüner Sicht ist das ein Verstoß gegen das bereits existierende Tierschutzgesetz.
Denn Überlegungen zur Kosteneinsparung geben nicht einmal einen vernünftigen Grund und schon gar keinen rechtfertigenden Grund, wie er unserer Ansicht nach sonst in das Tierschutzgesetz eingefügt werden müßte, zum Töten von Lebewesen her.
Der Genehmigungsautomatismus, von Ihnen als Entbürokratisierung bezeichnet, behindert die sachgerechte Prüfung von Anträgen und setzt die Kontrollbehörden unangemessen unter Druck.
Im Bereich der Haltungssysteme, zum Beispiel bei den Hennenkäfigen, sind keine Verbesserungen für die landwirtschaftlichen Nutztiere in Sicht. Ich denke, daß das Beispiel Neubukow und die Debatte, die darüber gegenwärtig in den neuen Bundesländern geführt wird, gezeigt hat, daß hier ein Novellierungsbedarf vorhanden ist,
der im Tierschutzgesetz in irgendeiner Weise hätte aufgegriffen werden müssen, wenn Sie sich dem Schutz der Tiere verpflichtet fühlten. Von einer Regierungskoalition erwarte ich dann mehr als die plumpe Aussage, daß man auf eine europäische Regelung setze, die nun schon seit Jahren nicht in Sicht ist.
Bündnis 90/Die Grünen hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach sollen beispielsweise Tierversuche in Zukunft die Ausnahme und nicht mehr die Regel sein und nur durchgeführt werden dürfen, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen sowie der Bedarf und die Notwendigkeit für den Versuch eindeutig nachgewiesen werden können.
Damit würde der Forschungsstandort Deutschland nicht behindert werden, sondern der Einsatz von Alternativmethoden gefördert, die durchaus konkurrenzfähig sind und ein Wirtschaftsfaktor werden können.
Für die Nutztierhaltung fordern wir eine Anpassung der Haltungssysteme an die Bedürfnisse der Tiere und eine entsprechende Zulassung und Prüfung von standardmäßig eingesetzten Systemen. Die Einführung der zeitlichen Begrenzung von Schlachttiertransporten auf 8 bis zu 28 Stunden wurde von Brüssel vorgeschrieben und ist bei weitem nicht ausreichend.
Die Bundesregierung hat es versäumt, die nationalen Spielräume, die sie hier gehabt hätte, zu nutzen.
Die Grünen fordern eine Begrenzung der Transporte auf die Dauer einer Fahrt bis zur nächsten Schlachtstätte, maximal aber auf vier Stunden.
Die Haltung von wildlebenden Tierarten ist unter den meisten Bedingungen kaum artgerecht möglich.
Von daher wollen wir die Haltung, die Zucht und den Handel mit wildlebenden Tierarten auch aus Gründen des Artenschutzes nach angemessenen Übergangsfristen weitgehend beschränken.
Wir bedauern, daß es mit den Koalitionsfraktionen nicht zu konstruktiven Kompromissen im Sinne des Tierschutzes gekommen ist, und sind der Meinung, daß der Bundesrat diesen von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf ablehnen sollte.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Günther Bredehorn.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tierschutz ist ein wichtiges Anliegen unserer Bürger. Immer mehr Menschen
Günther Bredehorn
engagieren sich dafür. Das ist gut so. Die F.D.P. unterstützt diese Bemühungen.
Mit der jetzigen Novellierung wird unser bewährtes und weltweit als vorbildlich anerkanntes Tierschutzgesetz fortentwickelt, um einen noch besseren Tierschutz zu erreichen.
Wir haben ausgewogene und praktikable Änderungen vorgenommen, ohne die tragenden Grundsätze zu verändern. Der vorliegende Gesetzentwurf greift vor allen Dingen diejenigen Bestimmungen auf, die den Tierschutz spürbar verbessern und zwischen Bundesrat und Bundestag unstrittig sind. Von daher müßte die Opposition oder zumindest die SPD zustimmen können.
Der Gesetzentwurf sieht vor, Mindestvoraussetzungen, deren Einhaltung für den Schutz von Tieren unabdingbar ist, neu zu regeln. Das gilt zum Beispiel für die Anforderungen an den Sachverstand. Es ist notwendig, daß Personen, die Tiere halten, betreuen, züchten, ausbilden, transportieren oder töten müssen, eine entsprechende Qualifikation vorweisen.
Das ist sicherlich ein Fortschritt.
Weiterhin gibt es eine einheitliche Festlegung der unteren Altersgrenze für Personen, die Wirbeltiere erwerben dürfen, auf 16 Jahre.
Das bisherige Verbot von Tierversuchen zur Entwicklung von dekorativen Kosmetika wird auf sämtliche Kosmetika ausgedehnt.
Zukünftig werden statistische Angaben über die Verwendung von Wirbeltieren nicht nur bei Tierversuchen, sondern auch in weiteren tierschutzrelevanten Bereichen wie in Wissenschaft, Forschung, Lehre und in der biomedizinischen Produktion erhoben. Ich glaube, es ist gut, daß wir hier einen Gesamtüberblick erhalten.
Die Forderung des Forschungsausschusses, sogenannte Finalversuche aus dem Genehmigungsvorbehalt herauszunehmen und nur noch einer Anzeigepflicht zu unterwerfen, wurde von uns als zu weitgehend angesehen.
Herr Kollege Bredehorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Altmann?
Gern.
Herr Bredehorn, Sie haben gerade ausgeführt, Sie sähen es als positiv an, daß der Erwerb von Wirbeltieren an ein Alter, nämlich 16 Jahre, gekoppelt ist. Ich möchte Sie fragen, wie Sie zu dieser positiven Bewertung kommen, ob das Ihrer Überzeugung entstammt oder ob Sie objektivierbare Kriterien dafür benennen können, daß zum Beispiel Tierquälerei an ein Alter gebunden ist, bzw. ob es aus Ihrer Sicht nicht sehr viel sinnvoller gewesen wäre, einen Kriterienkatalog zu benennen, der beim Erwerb von Wirbeltieren zugrunde gelegt werden sollte.
Einen solchen festzulegen wäre sicherlich genauso schwierig. Es ist richtig, daß man ein bestimmtes Verantwortungsgefühl entwickelt haben muß,
um selbständig entscheiden zu können, ein bestimmtes Tier zu kaufen. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen - ich bin auch Vater einiger Kinder -, daß es immer auch richtig ist, in der Familie die Kinder an Tiere zu gewöhnen. Auf dem Bauernhof ist das sowieso kein Problem. Aber es wäre auch ansonsten ganz gut. Ich halte es für absolut richtig, daß man selbst ein Verantwortungsgefühl entwickelt haben muß, bevor man ein Tier erwirbt.
Wie gesagt, wir haben uns als Berichterstatter bei den Finalversuchen auf einen Kompromiß geeinigt, der vom Ausschuß übernommen wurde. Es bleibt beim Genehmigungsvorbehalt. Die Bearbeitungsdauer wird jedoch von drei auf zwei Monate verkürzt, was bei dem weniger problematischen Finalversuch - das sind Tiere, die betäubt worden sind und nicht wieder aufwachen - nach unserer Überzeugung vertretbar ist.
Grundsätzlich wird die Bearbeitungsdauer von Anträgen auf Genehmigung auf drei Monate begrenzt. Einer Anzeigepflicht unterliegen künftig nur noch nichtgenehmigungspflichtige Versuche an Wirbeltieren sowie einer kleinen Gruppe von wirbellosen Tieren. Dies ist eine Deregulierung, die von der F.D.P. begrüßt wird. Wir sollten darauf achten, daß neben der konsequenten und notwendigen Verwirklichung des Tierschutzes Bürokratie abgebaut wird und Verwaltungsvorschriften schlanker gestaltet werden.
Ich möchte noch kurz auf den notwendigen Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung eingehen. Wir haben mit dem Tierschutzgesetz und den entsprechenden Verordnungen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die sich weltweit sehen lassen können.
Wir haben eine Legehennen-, eine Schweinehaltungs- und eine Kälberhaltungsverordnung. Hierin werden Mindestanforderungen für die Haltung von Nutztieren vorgeschrieben. Die Beachtung tierschutzrechtlicher Bestimmungen liegt aber auch im Eigeninteresse des Landwirts und des Konsumenten. Eine artgerechte Haltung von Nutztieren in der Landwirtschaft ist unverzichtbar, wenn Produktquali-
Günther Bredehorn
tät und Verbraucherschutz keine leeren Worthülsen sein sollen.
BSE ist die Strafe für Vergehen nicht nur gegen EU-Richtlinien, sondern für Vergehen gegen das lebende Tier, gegen die Normen eines artgerechten Umgangs mit unseren Mitgeschöpfen.
Wir müssen aber auch feststellen, daß die deutschen Landwirte höhere Auflagen im Stall zu erfüllen haben als die Kollegen in den übrigen EU-Ländern. Das führt schon heute zu Wettbewerbsverzerrungen. Von daher können wir den Anträgen der SPD und der Grünen zur Abschaffung bzw. zum Verbot der Käfighaltung von Legehennen so nicht zustimmen.
Ein EU-weites Verbot der Käfigbatteriehaltung ist kurz- und mittelfristig nicht durchsetzbar. Unser Bundesminister bemüht sich auch in der EU-Kommission sehr darum, daß wir endlich einmal den Bericht über die Auswirkungen der Käfigbatteriehaltung bekommen.
Der Minister setzt sich aber nicht nur in diesem Bereich ein. So ist es gerade Minister Borchert zu verdanken, daß wir im Bereich der Tiertransportverordnung überhaupt weitergekommen sind. Wir könnten uns noch weitergehende Maßnahmen vorstellen; das ist gar keine Frage. Solche durchzusetzen sind wir durchaus bereit. Aber wir können das nur gemeinsam auf EU-Ebene tun.
Der Tierschutzbericht 1997 der Bundesregierung gibt Auskunft über alle wichtigen Bereiche des Tierschutzes und ist Zeugnis für die kontinuierliche Verbesserung des Tierschutzes. Besonders erfreulich ist, daß sich die Zahl der in Deutschland eingesetzten Versuchstiere von 1991 bis 1995 von jährlich rund 2,4 Millionen auf etwa 1,6 Millionen verringert hat. Das ist ein Rückgang um 30 Prozent. Grund dafür sind sicherlich die Entwicklung und Nutzung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden sowie die Tätigkeit der Tierschutzbeauftragten und der beratenden Kommission. Auch die Arbeit der staatlichen ZEBET hat dazu beigetragen und ist hier positiv zu erwähnen.
Die F.D.P. wird sich weiterhin dafür einsetzen, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern.
Am 14. November 1997 haben F.D.P.-Abgeordnete einen eigenen Antrag eingebracht, den Art. 20a des Grundgesetzes um folgenden Satz zu ergänzen:
Tiere sind im Rahmen der geltenden Gesetze vor vermeidbaren Leiden und Schäden zu schützen.
Der Antrag ist von der Überzeugung getragen, daß Tiere in unserer Lebensumwelt eines besonderen Schutzes durch das Grundgesetz bedürfen. Die Rechtsprechung erkennt aber bisher dem Tierschutz keinen Verfassungsrang zu. Nachdem die Länder Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Berlin, Bayern und Niedersachsen entsprechende Formulierungen in ihre Landesverfassungen aufgenommen haben,
bitte ich doch alle Kolleginnen und Kollegen, die hier noch unschlüssig oder ablehnend sind, um ihre Unterstützung für eine Grundgesetzänderung.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen, die an der Novellierung des Tierschutzgesetzes sach- und fachkundig mitgearbeitet haben, sowie bei den Beamten des Hauses, beim Minister und bei Herrn Staatssekretär Gröbl, der ja heute wahrscheinlich seine Abschiedsrede hält, ganz herzlich bedanken.
- In Ihrem Amt als Parlamentarischer Staatssekretär des Bundeslandwirtschaftsministers, Herr Gröbl. Ich muß Ihnen sagen: Sie haben zwar nie Ihre Herkunft aus Bayern verleugnet, aber Sie haben stets fair, sach- und fachkundig mit uns zusammengearbeitet. Dafür herzlichen Dank.
Die F.D.P.-Fraktion stimmt der Novellierung des Tierschutzgesetzes insgesamt zu.
Vielen Dank.
Ich gebe der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Februar war der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Gast im Pharmaforschungszentrum der Bayer AG in Wuppertal-Elberfeld. Dort wurde versucht, den Abgeordneten klarzumachen, warum eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes für die Branche nicht tragbar sei. Gedroht wurde nicht nur mit dem Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern auch mit dem schärfer werdenden Standortwettbewerb innerhalb international agierender Konzerne: Die Forschung brauche entsprechende Rahmenbedingungen, sonst sei sie samt allen Arbeitsplätzen weg.
Diese Übergriffe der ideologisch inszenierten Standortdebatte auf den Tierschutz zeigen sich auch in dem vorliegenden Novellierungsentwurf der Bundesregierung. Wenn Genehmigungsverfahren, die laut Pharmaindustrie durchschnittlich vier Monate dauern, nun nach drei Monaten abgeschlossen wer-
Eva Bulling-Schröter
den müssen, da die entsprechenden Anträge sonst automatisch als genehmigt gelten, werden die Behörden unter enormen Druck gesetzt. Einerseits wird im öffentlichen Dienst gespart, was das Zeug hält, andererseits soll er schneller arbeiten.
Grundsätzlich sind wir für ein Verbot von Tierversuchen. Ausnahmen müssen äußerst restriktiv behandelt werden. Maßstab dafür muß die Gelbe Liste sein.
Alternativmethoden müssen forciert und schneller evaluiert werden. Das können Sie, meine Damen und Herren, die Sie die ganze Zeit die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft predigen, hier endlich einmal beweisen.
In der Anhörung zum Tierschutz war von Professor Spielmann, dem Direktor der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, zu hören, daß in Deutschland nicht einmal die EU-Bestimmungen zum Umgang mit Versuchstieren umgesetzt seien. Das ist ein Skandal, wie ich meine.
Im Regierungsentwurf sollen geringfügige nachträgliche Änderungen bereits genehmigter Versuchsvorhaben ohne erneute Genehmigung möglich sein, sofern den Versuchstieren keine stärkeren Schmerzen oder Leiden entstehen und sich die Anzahl der verwendeten Versuchstiere nicht wesentlich erhöht. Wird hier nicht Tor und Tür geöffnet, sich schwer oder nicht genehmigungsfähige Versuche im nachhinein selbst zu genehmigen? Die geforderte Anzeigepflicht kann unter den neuen Konditionen wohl kaum die gleichen Kontrollwirkungen wie ein eigenständiges Genehmigungsverfahren auslösen.
Weitere Kritikpunkte am Regierungsentwurf: Es dürfen keine Generalermächtigungen zur Tötung von Tieren erlassen werden. Das heißt, es darf keine rechtliche Möglichkeit geben, beschlagnahmte Tiere zu töten, wenn sie - ich zitiere den Text - aus „rechtlichen" oder „tatsächlichen" Gründen nicht vermittelbar sind.
Tiere dürfen nicht länger auf das Haltungssystem zurechtgestutzt werden. Das betäubungslose Verstümmeln durch Schnäbelkürzen und Schwanzabschneiden muß verboten werden. Haltungssysteme müssen sich den Tieren anpassen und nicht umgekehrt.
Unklar ist für mich auch, warum die Bundesregierung nicht der Forderung des Bundesrates nach einer Genehmigungspflicht für Tiertransporte mit Herkunft aus Drittländern zum Zwecke der Wiederausfuhr entspricht. Sie haben doch die erschreckenden Fernsehreportagen gerade über diese Transporte über Hunderte von Kilometern insbesondere aus Osteuropa durch Deutschland nach West- und Südeuropa gesehen, die insgesamt als Horror gebrandmarkt werden. Für mich wäre das der erste Schritt in diese Richtung.
Nach wie vor steht das Verbot der Klonierung von Tieren aus. Im Regierungsentwurf werden dazu keine Regelungen getroffen.
Noch zu einem weiteren Problem, das in keinem der Entwürfe angesprochen wurde. Es betrifft das Aussetzen von Tieren in einen Lebensraum, in dem sie natürlicherweise nicht vorkommen. Das kann zu schweren Störungen des ökologischen Gleichgewichts in den betroffenen Gebieten führen, und wir sollten darüber noch einmal diskutieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluß möchte ich noch einmal sagen: Eine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz steht nach wie vor aus, und es wird Zeit, daß wir dies endlich beschließen.
Ich gebe das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Wolfgang Gröbl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich nicht um eine Abschiedsrede, sondern um eine sehr sachbezogene Rede, in der es um ein sehr hohes Kulturgut, um Mitgeschöpfe geht. Ich glaube, wir sind alle aufgerufen, mit Ernst und Sachlichkeit zu diskutieren.
Verbesserungen beim Tierschutz treffen bei uns in Deutschland gottlob auf breite Zustimmung quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien, sofern diese nicht sachfremden und taktischen Einflüssen ausgesetzt sind.
Die Bundesregierung hat mit Unterstützung der Koalition in den vergangenen Jahren und Monaten eine ganze Reihe von Rechtssetzungsvorhaben vorangebracht,
um den Tieren zu ihrem Recht zu verhelfen und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.
Ich darf sie Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, Herr Sielaff: Es sind dies die Tierschutztransportverordnung und die Tierschutz-Schlachtverordnung, die beide im Frühjahr in Kraft getreten sind.
Ich darf an die Änderung der Kälberhaltungsverordnung und an die Verordnung zum Schutz bestimmter wildlebender Arten wie Strauße und Reptilien erinnern. Bei anderen Tierarten arbeiten wir weiter an der Erstellung von Leitlinien.
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
- Sie haben es ja schon wieder vergessen, Herr Sielaff.
- Ist in Ordnung.
Dies gilt besonders auch für den Bereich Enten und Puten. - Ich muß das alles noch einmal aufführen,
weil Ihre Zwischenrufe belegen, daß Sie ein schadhaftes Kurzzeitgedächtnis haben.
Nun, meine Damen und Herren, natürlich kämpfen wir auch für effektiveren Tierschutz im internationalen Bereich und auf europäischer Ebene. Da haben wir ja auch Ihre Unterstützung erfahren - ich erinnere mich dabei an die Berichterstattung von Bundesminister Borchert und meines Kollegen Dr. Feiter im Ausschuß -, und dafür sind wir dankbar.
Das Tierschutzgesetz hat sich grundsätzlich bewährt. Ich freue mich, daß wir diesbezüglich übereinstimmen. Natürlich ist die Zeit seit 1986, seit der letzten Novellierung, nicht stehengeblieben. Das Bewußtsein in der Öffentlichkeit hat sich weiter positiv in Richtung Tierschutz verändert,
und auch Wissenschaft und Forschung haben bei der Erforschung des Wohlbefindens von Tieren entsprechende Fortschritte erzielt.
Diese und die Erfahrungen beim Vollzug des Tierschutzgesetzes wollen wir nun mit der anstehenden Novellierung zum Vorteil der Tiere nutzen. Auch die Umsetzung von Bestimmungen aus dem internationalen und aus dem EG-Recht in nationales Recht macht diese Novellierung erforderlich.
Mit überzogenen und in der Praxis nicht umsetzbaren Forderungen, so gut sie im Einzelfall auch gemeint sein mögen, kommen wir im Tierschutz nicht weiter. Es ist gut, daß man das auch in der Opposition so, ich hätte eigentlich sagen wollen: sieht, aber ich muß in die Vergangenheit zurückgehen und sagen: gesehen hat.
Frau Klappert, Sie wissen ja, ich nehme es ganz besonders ernst, wenn Sie Ihre Beiträge bringen,
die Sie im Ausschuß sachbezogen und mit dem Ihnen eigenen Charme vortragen.
Heute, Frau Klappert, habe ich den Eindruck, daß man Ihnen einen Text untergeschoben hat, mit dem Sie sich nicht identifizieren.
Das ist etwas meine Sorge. Ich darf noch einmal zitieren, Herr Sielaff, für Ihr Gedächtnis. Frau Klappert hat damals gesagt:
Dem Tierschutz ist nicht mit utopischen Forderungen der einen wie der anderen Seite gedient. Nicht immer kommt man mit dem Unmöglichen als Ziel zum Möglichen.
Und darin stimmen wir überein.
Wir haben dies alles aufgegriffen, den Tierschutz spürbar verbessert und deshalb folgende Punkte in der Novellierung berücksichtigt:
Erstens. Ausreichende Qualifikation der Personen, die verantwortlich mit Tieren umgehen, ist wichtig. Sachkundige behandeln nun Tiere ganz einfach besser. Deswegen soll mit dem Gesetz der Personenkreis, der Sachkunde im Umgang mit Tieren nachweisen muß, erheblich ausgeweitet werden. Das ist zweifellos ein Pluspunkt, Frau Klappert.
Zweitens. Der Katalog der Tätigkeiten, für die eine tierschutzrechtliche Erlaubnis vorgeschrieben ist, wird erweitert. Das ist auch von Ihnen als positiv gewürdigt worden.
Drittens. Die Vorschriften über Eingriffe und Behandlungen am Tier, wie zum Beispiel das Kupieren und das Schnabelkürzen, sind restriktiver gefaßt.
- Wir können jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, wir haben sie nämlich im Ausschuß intensiv geführt. Beide Seiten sind zu der Auffassung gekommen, daß das Verbot unsinnig ist.
Viertens. Das Verbot von Tierversuchen bei der Entwicklung von Kosmetika wird verschärft. Es bezieht sich nicht nur auf dekorative, sondern grundsätzlich auf sämtliche Kosmetika. - Für uns beide, Herr Sielaff, unerheblich.
Fünftens. Das Mindestalter - das ist heute schon einmal erwähnt worden - für Käuferinnen und Käufer von Wirbeltieren ist auf 16 heraufgesetzt, in der klaren Erkenntnis, daß bei den meisten Menschen beim Heranwachsen die Weisheit zunimmt. - Das trifft natürlich nicht auf alle zu.
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
Sechstens werden die Anforderungen bei der Einfuhr von Tieren oder tierischen Erzeugnissen aus Drittländern eindeutig verschärft.
Siebtens. Wir führen eine Anzeigepflicht für solche biomedizinische und labortechnische Verfahren ein, die zwar keine Tierversuche im Sinne des Tierschutzgesetzes sind, gleichfalls aber zu Belastungen der Tiere führen.
Schließlich werden die Regelungen über die Beteiligung eines Tierschutzbeauftragten auf diejenigen Wirbeltiere ausgedehnt, die nicht zu Versuchszwekken, sondern zu anderen wissenschaftlichen Zwekken gehalten werden.
Meine Damen und Herren, das bedeutet mehr Rechtssicherheit für einen besseren Schutz der Tiere. Es ist völlig absurd zu behaupten, mit der Gesetzesnovelle würde ein Abbau der Standards erfolgen. Oder sind Sie der Auffassung, daß mehr Bürokratie mehr Tierschutz bedeutet?
Deshalb möchte ich mich noch ein bißchen mit einigen Forderungen von Ihnen, Frau Klappert, auseinandersetzen.
Zunächst zum Bundestierschutzbeauftragten. Die Länder sind zuständig für die Durchführung des Tierschutzgesetzes. Die Einrichtung eines Bundestierschutzbeauftragten bedeutet sicherlich einen schönen neuen Posten, ein großes Sekretariat und vielleicht ein Dienstauto oder ein Dienstrad. Das mag ja alles sein.
Zu Ihrer Forderung der staatlichen Zulassung von Haltungssystemen. Das bedeutet Aufbau einer völlig neuen Bürokratie mit riesigen Kosten.
Warum sollen wir es nicht bei dem System der Subsidiarität belassen und die DLG weiterhin unterstützen, aber natürlich auch herausfordern, ihr Empfehlungssystem weiter zu verbessern?
Das ist nicht Bürokratie, sondern sachbezogene Arbeit.
Zu Ihrer nächsten Forderung, Frau Klappert, statt eines „vernünftigen" einen „rechtfertigenden" Grund einzuführen, kann ich nur sagen: Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Beide bedürfen der Auslegung.
Halten wir es doch weiterhin so: Wenn wir uns gegenseitig zugestehen, daß wir vernünftige Menschen sind, dann ist das doch ein Mordslob und eine positive Aussage. Lassen wir doch das „vernünftig" drin!
Eine ganze Reihe anderer Punkte werden wir sicherlich noch im Zwiegespräch zwischen Opposition und Regierungskoalition weiter vertiefen können. Ich möchte Sie herzlich bitten, im Sinne des Zitats von Frau Klappert, diesem Mehr an Tierschutz, dieser Verbesserung des Tierschutzes, die in unserer Regierungsnovelle enthalten ist, zuzustimmen und den Bundesrat zu ermutigen, einmal über seinen Schatten zu springen und mitzumachen. Die Tiere werden es uns danken.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Das sind die Drucksachen 13/7015 und 13/9071 Nr. 1. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Tierschutzgesetzes auf der Drucksache 13/2523. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt auf Drucksache 13/9071 Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/2523 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltungen im übrigen abgelehnt worden ist. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf eines Tierschutzgesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 13/3036. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt auf Drucksache 13/9071 Nr. 3, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/3036 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Damit entfällt auch in diesem Fall die weitere Beratung.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Tierschutzbericht 1997 der Bundesregierung auf den Drucksachen 13/7016 und 13/9071 Nr. 4. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Gruppe der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/9246. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltungen im übrigen angenommen worden ist.*)
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Tierschutzbericht 1997 auf Drucksache 13/9071 Nr. 5. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/7197 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beendigung der tierquälerischen Robbenjagd auf Drucksache 13/7845. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4141 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte III a und III b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
- Drucksache 13/8035 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes
*) Anlage 3
zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuch
- Drucksache 13/8039 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und zur Änderung des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch
- Drucksache 13/1206 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Horst Schmidbauer , Klaus Kirschner, Dr. Ulrich Böhme (Unna), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 13/733 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
- Drucksache 13/9212 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Thomae Sigrun Löwisch
Horst Schmidbauer Monika Knoche
Dr. Ruth Fuchs
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksachen 13/9213, 13/9214 - Berichterstattung:
Abgeordnete Kristin Heyne Roland Sauer
Gerhard Rübenkönig
Dr. Wolfgang Weng
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grundsätze zur gesetzlichen Regelung der Berufe der Psychologischen Psycho-
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
therapie und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
- Drucksachen 13/8087, 13/9212 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Thomae Sigrun Löwisch
Horst Schmidbauer Monika Knoche
Dr. Ruth Fuchs
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Gesetzentwurf zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe der Abgeordneten Sigrun Löwisch das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Wenn es nach uns, der Koalition, ginge, würden wir heute einen Erfahrungsbericht über ein schon seit November 1996 in Kraft getretenes Psychotherapeutengesetz abgeben und keinen neuen Anlauf nehmen müssen, damit das Psychotherapeutengesetz endlich ein gutes Ende findet.
In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir in diesem Hause schon einmal mit Mehrheit über ein Psychotherapeutengesetz abgestimmt und uns im Vermittlungsausschuß auf einen tragfähigen Kompromiß geeinigt. Aber alle Hoffnung war vergebens, denn die Opposition brachte diesen Kompromiß auf der Ziellinie zu Fall.
Wir lassen uns trotzdem nicht entmutigen, weil wir davon überzeugt sind, daß die Patienten - eine Studie belegt, daß etwa 25 Prozent der Bevölkerung, das sind ungefähr 20 Millionen Bürger, unter psychischen Erkrankungen leiden - einen Anspruch darauf haben, daß wir die ambulante psychologische Psychotherapie fest im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verankern. Sie haben aber auch einen Anspruch auf eine hohe Qualität ihrer psychotherapeutischen Behandlung; wir nennen das Patientenschutz.
Nach eingehender Vorbereitung liegen hier zwei Gesetzentwürfe vor, in denen einige neue Elemente, wie zum Beispiel die Integration, enthalten sind, aber auch verschiedene weitere Veränderungen. Diese sind durch unzählige Einzelgespräche, viele Beratungsrunden mit Vertretern der Verbände und eine Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses, die sehr interessant war, in das Gesetz eingeflossen.
Ich möchte jetzt die drei Grundziele nennen, die wir, die CDU/CSU, mit dem Psychotherapeutengesetz verfolgen.
Ich möchte die der F.D.P. jetzt nicht extra nennen, weil deren Vertreter nachher selber redet.
Erstens. Zum Wohle der Patienten muß das Gesetz die hohe Qualifikation - ich möchte das noch einmal betonen - psychotherapeutischer Behandler gewährleisten.
Zweitens muß das Gesetz den berechtigten Interessen der Psychotherapeuten Rechnung tragen.
Beispielsweise schaffen wir das Delegationsverfahren ab und setzen auf ein Modell der Gleichberechtigung und der partnerschaftlichen Kooperation zwischen ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten.
Die Arbeit der Therapeuten wird auf einer rechtlich gesicherten Basis in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen. Die berufsrechtliche Anerkennung wird durch unser Gesetz auf sichere Füße gestellt.
Drittens wollen wir ein Gesetz, das - im Einklang mit der Philosophie der dritten Stufe der Gesundheitsreform - in sozialverträglicher Weise die Eigenverantwortung der Patienten berücksichtigt.
Voraussetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die neuen Heilberufe der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten - ich nenne die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im folgenden nicht mehr; sie sind immer eingeschlossen - soll künftig eine Approbation sein. Ohne Approbation darf in Zukunft niemand mehr den Titel eines Psychotherapeuten führen. Um dies zu unterstreichen, wird die Berufsbezeichnung strafrechtlich geschützt.
Das ist ganz wichtig, um das Dunkelfeld des Psychomarktes zu beseitigen, das in den letzten Jahren immer größer geworden ist - ich glaube, zu unser aller Bedauern.
Hilfesuchende müssen darauf vertrauen können, daß sie einen hochqualifizierten Behandler finden, wenn sie sich an einen Psychotherapeuten wenden.
Weiter sagen wir: In Zukunft kein Titel ohne Approbation und keine Approbation ohne Qualifikation. Das ist die Formel, die unserer Meinung nach für eine hochwerte Psychotherapie in Deutschland bürgen wird.
Unter dem Aspekt des Patientenschutzes - Sie merken, wie wichtig er ist; er kommt immer wieder vor - ist auch die Pflicht zur Abklärung etwaiger somatischer Erkrankungen vor Beginn der psychotherapeutischen Behandlung zu sehen. Dazu muß ich
Sigrun Löwisch
ganz klar sagen: Dieses ärztliche Konsilium ist entgegen anderslautender Behauptungen keine Diskriminierung der Psychologischen Psychotherapeuten. Hier geht es - zum Wohle der Patienten - um Diagnosen, die nur von einem dafür ausgebildeten Arzt erstellt werden können. Auch eine psychiatrische Abklärung ist wichtig, aber - da haben wir etwas geändert - nur in Zweifelsfällen.
Die gleichberechtigte Einbeziehung der Psychologischen Psychotherapeuten in die gesetzliche Krankenversicherung bleibt vom ärztlichen Konsilium völlig unberührt. Ausschlaggebend ist, daß psychologische Psychotherapeuten als eigenständige Leistungserbringer anerkannt werden und daß ihnen das Erstzugangsrecht garantiert wird.
Wir haben - auch gegen mancherlei Widerstände; Sie wissen es - am Integrationsmodell festgehalten, weil wir glauben, daß nur so eine einheitliche Weiterentwicklung der Psychotherapie in Deutschland gewährleistet ist.
Die Psychologischen Psychotherapeuten werden nach diesem Gesetz Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Dieses Problem war gar nicht so einfach zu lösen; denn es gab von beiden Seiten sowohl Zustimmung als auch Ablehnung. Man kann sagen, in die Arme gefallen sind sich die Partner nicht gerade.
Um die angemessene Vertretung der Psychologischen Psychotherapeuten zu gewährleisten, werden ihre Repräsentanten getrennt von denen der ärztlichen Mitglieder gewählt. Dieses separate Wahlverfahren macht die Festschreibung einer Höchstzahl von Psychologischen Psychotherapeuten in den Kassenärztlichen Vereinigungen nötig.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie wir auf die von uns vorgesehene Zahl von 10 Prozent kommen: Dies entspricht dem zu erwartenden bundesdurchschnittlichen Anteil der Psychotherapeuten. Daneben führen wir - das ist wichtig - auch noch eine einheitliche Bedarfsplanung für ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten ein, die sicherstellt, daß sich für eine Übergangszeit beide Behandlergruppen gleichgewichtig entfalten können.
Nun zu den Psychotherapie-Richtlinien. Kenntnisse in den Richtlinienverfahren sind Voraussetzung für die Zulassung zur Teilnahme an der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nur wer über Grundkenntnisse verfügt, wird zur Erbringung von Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorübergehend ermächtigt und kann für die endgültige Zulassung den erforderlichen Fachkundenachweis nachträglich - und zwar in einem Zeitraum von fünf Jahren - vorlegen.
Damit läßt das Psychotherapeutengesetz die Tür zur bedarfsunabhängigen Zulassung für alle Behandler offen, die bisher in versorgungsrelevantem Umfang an der Behandlung von Versicherten beteiligt waren und die über Grundkenntnisse in den Therapiearten verfügen, deren Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit bereits bisher anerkannt wurden.
Jedenfalls kann die rechtlich zweifelhafte Praxis einiger Krankenkassen, auch Kostenerstattung für Therapien zu übernehmen, deren Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit bisher nicht anerkannt waren, kein ausreichender Grund für die Aufnahme dieser Verfahren in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung sein.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen.
Nun, nachdem, wie es scheint, meine Redezeit von acht Minuten schon vorbei ist, möchte ich nur noch zu dem Punkt der Zuzahlung kommen.
Ich denke, daß die Zuzahlungen so sozial verträglich --
Frau Kollegin, es tut mir wirklich leid: Sie müssen zum Schluß kommen.
Gut, dann muß ich Schluß machen.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Horst Schmidbauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon unglaublich, wieviel Wind die Koalition entfacht. Damit will man natürlich den Eindruck erwecken, wie sehr einem die psychisch Kranken am Herz liegen. In Windeseile wird versucht, heute dieses Gesetz durchzupauken.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen: Die Strategie, die dahintersteht, ist einfach zu plump und zu durchsichtig.
Denn eines ist doch klar: Wenn sich der Wind wieder gelegt hat, verschwindet dieses Gesetz der Koalition in Windeseile in der Schublade,
weil es erst 1999 in Kraft treten soll.
Man braucht nicht einmal das analytische Denkvermögen eines Psychotherapeuten, um dieses Windspiel zu durchschauen. Es ist doch auffallend: Das 2. Neuordnungsgesetz haben Sie acht Tage später in Kraft gesetzt, während Sie für das Psychotherapeutengesetz 400 Tage Zeit lassen wollen.
Horst Schmidbauer
Ich denke, Ihr Psychotherapeutengesetz ist nichts anderes als ein Placebo.
Nach dem Motto „Wir kümmern uns um euch!" soll zunächst einmal Beruhigung geschaffen werden - eine Beruhigungspille, die natürlich über den 27. September hinaus wirken soll.
Offensichtlich aber gibt es in der Koalition eine kleine Gruppe, die sich zum Anwalt der freien Berufe machen und deshalb vor den Wahlen etwas vorweisen möchte. Also stellt man eine Art Geschenkgutschein aus. Ob dieser Gutschein nach dem 27. September 1998 eingelöst wird - falls Sie wider Erwarten noch einmal das Sagen haben sollten -, steht doch in den Sternen. Weil man die Psychologischen Psychotherapeuten weiter 400 Tage schwimmen lassen will, statt sie sofort an Bord zu nehmen, werden sich diejenigen ins Fäustchen lachen, die schon im Boot sitzen. Bei dem Verteilungskampf um das liebe Geld werden weiterhin diejenigen zulangen können, die jetzt schon den Zugang dazu haben. Ärztliche Psychotherapeuten werden noch einmal kräftig um die Patienten buhlen können. Der Verteilungskampf um die Zulassung wird letztendlich bis 1999 eindeutig zugunsten der ärztlichen Psychotherapeuten entschieden sein. Deswegen kann von einer Gleichstellung zwischen Psychologen und Ärzten eine Rede sein.
Weiter in der Analyse. Sie setzen noch eines drauf. Die Anforderungen, die CDU/CSU und F.D.P. für die Nachqualifizierung vorsehen, werden ausschließlich für die Psychologen höhergeschraubt. Die Bordkante wird so hoch, daß damit möglichst wenig Psychologen in das ärztliche Boot kommen. Damit wird völlig außen vor gelassen, daß die Anforderungsprofile in bezug auf die Qualifikation, die wir in unserem Gesetzentwurf formuliert haben, selbst nach Auffassung von Ärzten für Psychologen heute schon höher liegen. Das heißt also im Endeffekt: Ausgrenzung. Was bedeutet das? - Für ein Drittel oder vielleicht auch gar die Hälfte der Therapeuten bedeutet dies Berufsverbot.
Wenn das der Zweck der Übung ist, dann ist alles Reden von der Gleichstellung von Psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten nur scheinheilig; dann ist alles Reden nur eine Absichtserklärung, die man eigentlich gar nicht einlösen will.
Aber die konkrete Analyse bringt weitere Indizien. Anders als beim SPD-Gesetzentwurf ist nicht vorgesehen, eine eigene Sektion innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung einzusetzen. Ohne Sektion wird es aber den Psychotherapeuten so ergehen wie den Hausärzten: Die Therapeuten werden letztendlich nach Koalitionsart nur einen Katzentisch zugebilligt bekommen. Das ist zuwenig.
Man geht sogar soweit, die Zahl der Psychotherapeuten auf 10 Prozent zu beschränken und zwei unterschiedliche Mitgliedschaften in der Kassenärztlichen Vereinigung zu schaffen. Das genügt der Koalition aber immer noch nicht.
Die Psychologischen Psychotherapeuten - beileibe nicht die ärztlichen - müssen nachweisen, daß sie in der Vergangenheit innerhalb von drei Jahren an der Versorgung teilgenommen haben. Also: von Gleichstellung keine Spur. Dies geht nicht nur zu Lasten dieser Berufsgruppe; dies geht zu Lasten der Patientinnen und Patienten, zu Lasten der Qualität,
zu Lasten eines hochwertigen Therapiespektrums.
Aber auch eine Leistungskürzung ist - im Gegensatz zum SPD-Entwurf - beim Gesetzentwurf der Koalition vorprogrammiert. Statt der notwendigen Aufstockung der vertragsärztlichen Gesamtvergütung im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes um 1 Prozent will die Koalition vorsätzlich nur 0,7 Prozent zusätzlich in die Gesamtvergütung einbringen. Ich frage mich: Seit 23 Jahren gibt es die Empfehlungen der Psychiatrie-Enquete; seit 23 Jahren haben wir die Verpflichtung, auch im ambulanten Bereich die Gleichstellung für psychisch Kranke durchzusetzen.
Es ist bekannt, daß 1 DM, die wir für die Psychotherapie ausgeben, uns 3 DM bei der Krankenversorgung und anderen medizinischen Leistungen spart.
Da kann man nur sagen: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?
Meine Damen und Herren, das haben die Patienten und das haben vor allem die Menschen, die jahrzehntelang im Bereich der Psychotherapie gearbeitet haben, nicht verdient.
So wird das Ziel auch nicht erreicht, Menschen davor zu bewahren, durchschnittlich sieben Jahre durch das System irren zu müssen, bevor sie eine angemessene psychotherapeutische Versorgung erhalten, Menschen davor zu bewahren, daß sie Psychopharmaka im Wert von weit über 1 Milliarde DM pro Jahr schlucken müssen, 25 000 Menschen Jahr für Jahr davor zu bewahren, in die Frühverrentung zu müssen.
Horst Schmidbauer
Der auffallendste und ärgerlichste Punkt in der Analyse betrifft die Zuzahlung, das Abkassieren bei psychisch Kranken.
Mit der Psychotherapie soll nun das Eintrittsgeld in die Praxen eingeführt werden. Der Therapeut wird zum Kassier. Ich frage mich: Wie soll hier ein Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient entstehen? Eine solche Politik gerade auf dem Rücken der psychisch Kranken zu machen ist weder christlich noch sozial.
Sie wissen doch genau, daß gerade psychisch Kranke die Menschen sind, die sich überhaupt nicht wehren können.
Sie schrecken doch vor nichts zurück. Sie sagen, man müsse für die chronisch Kranken zusätzlich einen Beitrag in Höhe von 1 bis 2 Prozent einführen, als sogenannte Überforderung.
Ein Beispiel: Ein diabeteskranker Mann hat ein Monatseinkommen von 4500 DM. Bei 2 Prozent zahlt er dann im ersten Jahr wegen seines Diabetes 1080 DM. Ist er gleichzeitig psychisch chronisch krank, dann bezahlt er noch einmal 1080 DM. Das macht 2160 DM. Im zweiten Jahr sind es dann 1080 DM, zuzüglich seines Krankenkassenbeitrags, der dann bei 3645 DM liegt. Und da sagen Sie, das sei eine Überforderung.
Herr Kollege Schmidbauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Ja, gerne.
Herr Kollege, Sie haben soeben versucht, in Ihrer Argumentation einen funktionalen Zusammenhang zwischen Zuzahlung und zerstörtem Vertrauensverhältnis herzustellen. Wenn ich es richtig sehe, ist derzeit in sehr vielen Fällen
- ich frage Sie, ob Ihnen das bekannt ist und wie Sie das bewerten - der Besuch beim Psychotherapeuten mit Zuzahlungen verbunden.
Wollen Sie damit sagen, daß heute das Verhältnis zwischen Psychotherapeuten und ihren Patienten nicht von Vertrauen gekennzeichnet ist, weil es Zuzahlungen gibt?
Kollege Möllemann, es ist so, daß Sie für diese Zuzahlung keine Zustimmung finden, weder bei psychisch Kranken noch bei Therapeuten, noch bei den Krankenkassen.
Sie sind in dieser Frage völlig isoliert. Auch die Krankenkasse, die dieses Verfahren bisher praktizieren mußte, ist gegen jegliche Zuzahlung, weil die Folge dieser Zuzahlung sehr wohl erkannt wird.
Gestatten Sie noch eine zweite Frage des Abgeordneten Möllemann?
Ja. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte schön.
Herr Kollege, darf ich meine Frage, weil Sie sich das Privileg gegönnt haben, sie nicht zu beantworten, wiederholen: Würden Sie behaupten wollen, daß die Tatsache, daß heute Patienten beim Besuch des Psychotherapeuten im Regelfall eine Zuzahlung leisten, bedeutet, daß es kein Vertrauensverhältnis zwischen dem Psychotherapeuten und seinen Patienten gibt? Sie behaupten ja, die rechtliche Absicherung einer Zuzahlung werde das Vertrauensverhältnis in Zukunft zerstören.
Sie müssen berücksichtigen, wie es die ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten beurteilen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die betroffenen Psychotherapeuten überwiegend der Auffassung sind, daß eine Zuzahlung das Vertrauensverhältnis ganz entscheidend stört
und daß damit gerade für besonders schwere Fälle,
für Menschen aus einer besonderen sozialen Schicht,
der Zugang nicht ermöglicht, sondern versperrt wird.
Horst Schmidbauer
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Art, wie hier abkassiert wird. Sie wollen die Zuzahlungen haben und zusätzlich die Überforderungsklauseln einführen. Das heißt im Endeffekt: Chronisch Kranke und chronisch psychisch Kranke werden doppelt abkassiert. Das ist Ihre Vorstellung von Gleichstellung, die Sie für psychisch Kranke in diesem Land einführen wollen.
Deswegen krankt doch dieses Psychotherapeutengesetz. Es ist im Prinzip sinnlos und unsozial.
Ich darf ganz deutlich sagen: Wir werden auf dem Schleichweg in eine Drittelparität nicht mitmachen, wo ein Drittel die Versicherten zu bezahlen haben, ein Drittel die Arbeitgeber, ein Drittel aber auch die Kranken und Behinderten und jetzt zusätzlich die psychisch Kranken. Das ist nicht angemessen.
Wir wissen auch, daß, wenn heute ein Eintrittsgeld für die Psychotherapie verlangt wird, es morgen in der Arztpraxis eingeführt wird. Da sagen wir: Ohne uns, meine Damen und Herren!
Wenn bei Ihnen der ernsthafte politische Wille vorhanden wäre, könnten wir morgen ein Psychotherapeutengesetz haben, das endlich die Probleme löst, die seit Jahren verschleppt wurden.
Unseren Gesetzentwurf haben wir streng durchdeklariert. Wir wollten erreichen, daß beide Gesetzentwürfe auf den Prüfstand kommen. Wir haben unseren Gesetzentwurf vor 34 Monaten eingereicht. Wir wollten eine gemeinsame Lösung haben. Der Koalition ging es nicht um eine gemeinsame Lösung und nicht um die beste Lösung. Es ging der Koalition darum, Zeit zu gewinnen, um ihre ideologische Lösung durchzusetzen.
Diese ideologische Lösung heißt: Man wollte mit dem Psychotherapeutengesetz die Zuzahlungsregelung für ein neues Feld aufmachen, um damit bei einer neuen Schicht von Kranken und Behinderten letztendlich abzukassieren. Das läuft mit uns unter keinen Umständen.
Machen Sie kehrt! Sie sind beim Abkassierversuch völlig isoliert. Jeder psychisch Kranke, jede einzelne Krankenkasse und genauso die Ärzte, die sich mit aller Vehemenz gegen diese Zuzahlungsregelung wenden, sie alle lehnen diese Abkassiermethode ab.
Ich bin der Meinung: Gehen Sie aus Ihrer Isolierung heraus. Kommen Sie auf den richtigen Weg. Sorgen Sie dafür, daß wir endlich ein Psychotherapeutengesetz haben, das den Anforderungen gerecht wird.
Ich gebe der Abgeordneten Monika Knoche das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Gestatten Sie mir, Frau Kollegin Löwisch, daß ich Ihnen zu Anfang folgendes sage: Ich glaube nach Ihren Ausführungen sagen zu können, daß Sie eine recht bizarre Selbstwahrnehmung und eine verzerrte Wahrnehmung der Geschichte der verhinderten Gesetzgebung dieses Psychotherapiegesetzes haben.
Was ist denn nun gewesen? Wir haben vor über 25 Jahren die Psychiatrie-Enquete gehabt.
Wir haben zum Glück erreicht, daß das Verständnis für die therapeutischen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen gewachsen ist. Wir haben erreichen können, daß vor allen Dingen im stationären Bereich eine Methodenvielfalt zur Anwendung kommt, die es tatsächlich ermöglicht, Menschen mit psychischen Erkrankungen je nach ihrem Krankheitsbild die adäquate Versorgung zu geben.
Aber was all die Jahre unterblieben ist, ist eine Regelung für die ambulante psychotherapeutische Versorgung, und zwar maßgeblich durch die von Psychologinnen und Psychologen erbrachte Behandlung. Da hat der Bundesrat unter Federführung von Hessen und Nordrhein-Westfalen schon in der letzten Legislaturperiode den Konsens formuliert, gegen den Sie sich stemmen. Sie weigern sich hartnäckig, das zur Realität werden zu lassen, was im Einvernehmen mit Fachverbänden und mit dem föderalen Element - -
- Ja, natürlich. Seit der letzten Legislaturperiode beharren Sie darauf, psychotherapeutische Behandlung unter Zuzahlung zu setzen.
Diese eklatante Diskriminierung psychisch Kranker machen wir nicht mit und wird auch vom Bundesrat nicht getragen.
Sie können doch nicht im Ernst sagen, daß Sie tatsächlich das Bemühen haben, die Gleichstellungsansprüche von Menschen mit psychischen Erkrankungen in diesem Gesetz nun endlich zur Wirklichkeit werden zu lassen.
Sie argumentieren sehr oft mit ökonomischen Argumenten. Sie realisieren nicht, daß wir hier in der Bundesrepublik eine Quote von Fehlversorgungen im ambulanten somatischen Bereich haben, bei dem dringendster Handlungs- und Reformbedarf besteht,
Monika Knoche
den Sie lange Zeit überhaupt nicht registriert haben und auch nicht erfüllen. Wenn hier 1,5 Prozent der Honorare, die im ambulanten Bereich für Psychotherapie vor dem Hintergrund erbracht werden, daß 30 Prozent der Patienten psychosomatische Störungen haben, dann sieht man doch, was das für eine Fehlsteuerung ist, die wir jetzt im System haben und die Sie gar nicht ernsthaft gewillt sind zu unterbinden.
Ich finde sehr bemerkenswert, was hier durch die Regierungskoalitionen passiert ist: daß Sie eine hochentwickelte, qualitativ sehr hochstehende Form der Behandlung im Bereich Gesprächstherapie, Gestalttherapie und Familientherapie nicht mehr in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen aufnehmen wollen. Sie reduzieren willkürlich das Spektrum. Sie reduzieren das Spektrum für erfolgreiche, gute Versorgung und machen damit auch im wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Verständnis einen unglaublichen Rückschritt. Sie werden durch dieses Gesetz - sollte es je Realität werden, was schlimm genug wäre; wir werden alles tun, damit das nicht geschieht - dafür sorgen, daß Menschen, die heute eine ambulante psychotherapeutische Versorgung haben, sie nicht mehr bekommen, weil Sie die Therapiespektren reduzieren. Das ist völlig unannehmbar für uns.
Es tut mir leid, daß Sie die Bedeutung dieses Gesetzes so nachrangig sehen, wie Sie die ganze Problematik der Psychotherapie nachrangig behandeln, indem Sie für das Thema nur eine halbe Stunde Debatte angesetzt haben. Weder das Gesetz, noch die psychisch Kranken in unserer Republik haben verdient, daß man dieses Thema so sträflich nachrangig behandelt.
Ich habe leider keine Zeit mehr. Danke.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dieter Thomae.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß der zweite Versuch nun endlich funktioniert, dieses Gesetz wirklich zu verabschieden. Wenn ich die Signale aus den einzelnen Bundesländern richtig deute, meine ich, daß wir Chancen haben, das Gesetz im zweiten Anlauf zu verabschieden.
Sechs Punkte möchte ich kurz ansprechen.
Erstens. Für diese Koalition war es besonders wichtig, daß das Integrationsmodell eingebracht wurde. Ich fände es unerträglich, wenn wir in der Versorgung in diesem Bereich zwei getrennte Wege gehen würden. Dies wäre der Fall, wenn wir Ihren Vorschlägen folgen würden.
Der zweite wichtige Bereich ist, daß die Patienten in Zukunft wissen werden, von wem sie behandelt werden, mit welcher Qualifikation, mit welcher Ausbildung und Fortbildung die Leistung erbracht wird. Dafür wollen wir die Begriffe Psychiater und Psychotherapeut schützen. Das ist ebenfalls ein Kernbereich dieses Gesetzes.
Der dritte wichtige Bereich ist, daß wir die Gleichstellung zwischen dem ärztlichen Bereich und dem Psychotherapeutenbereich organisieren, daß in der Behandlung das sogenannte Delegationsverfahren verschwindet. Dies ist eine Anerkennung der Leistung beider Berufsgruppen. Damit fällt die Diskriminierung weg.
Nun spreche ich den vierten Punkt an, der sicherlich ausgesprochen schwierig zu organisieren ist. Das ist die Qualifikation, der Ausbildungsstand. Wir haben heute die Situation, daß diese Leistung von Ärzten im Delegationsverfahren oder im Kostenerstattungsverfahren erbracht wird. Hier müssen wir erkennen, daß Nachqualifikationen unbedingt notwendig sind. Dabei sind wir teilweise unterschiedlicher Meinung. Das bekenne ich. Wir haben es uns in dieser Frage nicht leichtgemacht. Wir haben hier Qualität in den Vordergrund gestellt,
haben aber die Möglichkeit der vernünftigen Nachqualifikation in einem Zeitraum von fünf Jahren geschaffen. Dies ist die Chance für die Nachqualifizierten.
Fünfter Punkt. Dieses Gesetz macht für die Studenten, für die Psychologen und für die jetzt Berufstätigen in diesem Bereich sehr deutlich, welche Voraussetzungen sie erbringen müssen. Daß es hier Härtefälle gibt, ist mir klar. Wir stehen hier vor ausgesprochen schwierigen Fragen, weil wir wissen, daß sich bereits viele Studenten in diesem Studiengang befinden. Wir können es nicht dulden, daß eine hochwertige Versorgung in diesem Bereich nicht gesichert ist.
Wir bekennen uns auch zu einer Selbstbeteiligung. Ich sage auch zur Seite der SPD: In der Anhörung wurde von Berufsverbänden sehr deutlich gesagt, daß eine Selbstbeteiligung ein sinnvolles, steuerndes Element ist. Darauf möchten wir nicht verzichten.
Dr. Dieter Thomae
Wir haben sie mit einer Härtefallregelung und einer Überforderungsregelung gekoppelt. Hier meine ich: Dies ist verantwortbar, weil nur so dieses hohe medizinische Leistungsniveau erhalten werden kann.
Meine Damen und Herren, letzter Punkt. Ich möchte, daß sich der Bundesausschuß, der sich aus Psychologen und Ärzteschaft zusammensetzt, in Zukunft sehr sorgfältig überlegt, welche Verfahren in die Richtlinienverfahren einbezogen werden.
Ich bin optimistisch, daß wir mit diesem Gesetz einen vernünftigen Weg gehen. Ich fordere Sie auf: Gehen Sie diesen Weg mit, damit dieser Berufsgruppe endlich Sicherheit und Zukunftsperspektiven gewährt werden. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das Wort „Parlament" bedeutet zwar, daß man sprechen soll, aber bitte nicht alle gleichzeitig. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gegenüber den Rednern den Respekt aufbringen würden, der bei einer Debatte nötig ist.
Ich gebe der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Schaffung und staatlichen Anerkennung zweier neuer selbständig und eigenverantwortlich tätiger akademischer Heilberufe, der Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, geht es um ein längst überfälliges Berufsrecht und um die notwendige Verbesserung der psychotherapeutischen Behandlung für seelisch kranke Menschen. Es geht aber auch um die grundsätzliche Frage, welchen Stellenwert sprechende und zuwendungsorientierte Verfahren im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung generell haben sollen. Allein schon deshalb ist diese Minidebatte heute, mit welcher die zugehörigen Gesetzentwürfe jetzt durch den Bundestag gejagt werden, ein skandalöser Vorgang und dem Gegenstand völlig unangemessen.
Dabei hätte der bereits 1995 vorgelegte Gesetzesvorschlag des Bundesrates und der SPD-Fraktion schon damals eine zügige Beratung und Verabschiedung ermöglicht.
Dem hat sich die Koalition in ihrer ideologischen Fixierung auf Selbstbeteiligungsregelungen verweigert.
Jetzt legen Regierung und Koalition erneut eigene Gesetzentwürfe vor.
Leider werden sie - trotz mancher Fortschritte - in ganz zentralen Punkten den Anforderungen an ein modernes Psychotherapeutengesetz nicht gerecht.
Der schlimmste Fehler ist unserer Meinung nach, daß mit der vorgesehenen Selbstbeteiligung für Psychotherapiepatienten an einer Art Eintrittsgeld zum Psychotherapeuten festgehalten werden soll. Die Erfahrungen zeigen: Es ist zu befürchten, daß diese Regelungen als Eintrittspforte für die Zuzahlung bei jedem normalen Arztbesuch dienen sollen. Die Ärzteschaft hat sich bisher stets und völlig zu Recht einer solchen Zumutung widersetzt.
Es ist deshalb höchst unmoralisch, daß Sie nun an einer vermeintlich schwächeren Stelle, also bei den psychisch Kranken und den Psychotherapeuten, den entscheidenden Präzedenzfall schaffen wollen. Das ist und bleibt für uns völlig inakzeptabel.
Ein weiteres grundsätzliches Manko besteht darin, daß Sie sich noch immer um eine wirkliche Gleichstellung von Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten herummogeln. Dies ist im übrigen eines jener Felder, wo Erfahrungen des DDR-Gesundheitswesens sehr hilfreich gewesen wären.
Beide Berufsgruppen konnten dort auf eine jahrzehntelange, zunehmend gleichberechtigte und gerade deshalb immer effektivere Zusammenarbeit zurückblicken. Dabei hat sich ganz praktisch gezeigt, wie fruchtbringend die Kooperation beider Berufe funktioniert, wenn sie nicht vom Gesetzgeber interessengeleitet vorgeschrieben wird, sondern aus der jeweils eigenen beruflichen Kompetenz und fachlichen Entscheidung erwächst.
Die Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen lehnen wir ab.
Ich gebe dem Bundesminister Horst Seehofer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 20 Jahren wird über das Psychotherapeutengesetz diskutiert. Der Worte sind genug gewechselt. Sigrun Löwisch und Dieter Thomae haben alle inhaltlichen Aussagen gemacht. Jetzt ist die Zeit
Bundesminister Horst Seehofer
zum Handeln. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Koalition.
Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Drucksachen 13/8035 und 13/9212 Nr. 1. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das Präsidium ist sich in der Frage der Mehrheit nicht einig. Das liegt offenbar daran, daß die meisten Kollegen nicht auf ihren Plätzen sind, sondern zu den Urnen geeilt sind. Ich bitte Sie daher, die Plätze einzunehmen. Ich werde die Abstimmung erst dann wiederholen, wenn die Kollegen auf ihren Plätzen sind.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir zunächst eine Abstimmung über einen Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung haben, die nicht namentlich erfolgt. Erst danach folgt die namentliche Abstimmung. Wenn hier keine Übersicht über die Mehrheitsverhältnisse möglich ist, müssen wir notfalls die Sitzung unterbrechen, wovor ich Sie bewahren möchte.
Nun versuchen wir es noch einmal. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Wir treten in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit demselben Stimmenverhältnis wie eben angenommen worden ist.
Wir treten nun in die Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Drucksachen 13/8039 und 13/9212 Nr. . 2 ein. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Damit treten wir in die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung ein. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt?
Der Wahlgang ist eröffnet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß nach dieser namentlichen Abstimmung noch weitere einfache Abstimmungen stattfinden. Bitte bleiben Sie noch da. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. S )
Wir setzen unsere Beratungen fort.
Ich bitte aber, weil wir weitere Abstimmungen haben, daß die Damen und Herren Kollegen Platz nehmen, damit wir den Überblick haben, wer wie abstimmt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9247. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD und Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten auf Drucksache 13/ 733. Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 13/9212 Nr. 3, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/733 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung von PDS und Bündnis 90/Die Grünen und Zustimmung der SPD abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten auf Drucksache 13/1206. Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 13/9212 Nr. 4, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/1206 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
s) Seite 18928 B
Vizepräsidentin Michaela Geiger
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS und Zustimmung der SPD abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Grundsätzen der gesetzlichen Regelung der Berufe der Psychologischen Psychotherapie, Drucksache 13/9212 Nr. 5. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8087 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD und gegen die Stimmen von PDS und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Da das Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung noch nicht vorliegt, rufe ich inzwischen den Tagesordnungspunkt V auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 19. Juni 1997 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol
- Drucksache 13/9084 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Wenn die verehrten Kolleginnen und Kollegen einverstanden sind, nehmen wir alle Reden zu Protokoll. Dies sind die Reden der Abgeordneten Stadler, Sterzing, Kemper und Jelpke sowie des Staatssekretärs Eduard Lintner.')
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 13/9084 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Jetzt müssen wir noch auf das Ergebnis der namentlichen Abstimmung warten. Haben Sie bitte noch ein klein wenig Geduld, liebe Kolleginnen und Kollegen. -
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P. bekannt. Abgegebene Stimmen 607. Mit Ja haben gestimmt 325, mit Nein haben gestimmt 282.
•) Anlage 2
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 606; davon
ja: 324
nein: 282
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter Harry Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers
Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef Helling
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Elke Holzapfel
Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Helmut Lamp
Armin Laschet
Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Vizepräsidentin Michaela Geiger
Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun Löwisch
Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Roland Richter
Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle Hartmut Schauerte Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann
Dagmar Wöhrl
Michael Wonneberger Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel
Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppeln
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher
Rudolf Bindig
Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune
Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien
Peter Dreßen
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Katrin Fuchs Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges
Iris Gleicke
Uwe Göllner
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks
Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert
Vizepräsidentin Michaela Geiger
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel
Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz
Dieter Maaß Winfried Mante Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Dieter Schloten
Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Volkmar Schultz
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Ute Vogt
Hans Georg Wagner
Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf
Heidi Wright Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Egbert Nitsch Cem Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Werner Schulz (Berlin) Christian Sterzing
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs
Andrea Gysi
Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete(r)
Schulte , Brigitte, SPD
Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Wir sind damit am Ende eines langen Plenarsitzungstages und am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 28. November 1997, um 8 Uhr ein und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.