Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen und sage gleichzeitig: Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste
- Drucksache 13/7385 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
- Drucksache 13/7934 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Martin Mayer Jörg Tauss
Dr. Manuel Kiper
Dr. Karl-Hans Laermann
Wolfgang Bierstedt
Dazu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P., SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Wir verfahren entsprechend.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster spricht der Kollege Dr. Martin Mayer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Deutschland.
Denn das Gesetz, das wir heute abschließend beraten, eröffnet ein Feld, das vielfältige kulturelle, politische und wirtschaftliche Entwicklungen ermöglicht. Wir schaffen damit günstige Rahmenbedingungen für neue Info- und Teledienste. Die Dienste selbst werden allerdings nur privatwirtschaftlich erbracht. Der Motor ist der internationale Wettbewerb. Deutschland hat nun große Chancen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Der rechtliche Rahmen für die neuen Info- und Teledienste wird mit folgenden Regelungen vorgegeben:
Erstens. Teledienste sind zulassungs- und anmeldefrei. Damit wird der nötige Freiraum für eine gedeihliche Entwicklung gesichert.
Zweitens. Es wird geregelt, wer für Inhalte verantwortlich ist. Der Diensteanbieter ist für eigene Inhalte voll verantwortlich. Für fremde Inhalte, zu denen er nur Zugang verschafft, trägt er keine Verantwortung. Für fremde Inhalte, die er zur Nutzung bereithält, ist er nur dann verantwortlich, wenn er erstens Kenntnis hat und es zweitens technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung zu verhindern.
Was möglich und zumutbar ist, wird sich an der technischen Entwicklung orientieren.
Drittens. Die Bestimmungen für den Jugendschutz und den Schutz vor strafbaren Inhalten sind deutlich verbessert. Soweit sich diese Vorschriften auf das Internet beziehen, wird es allerdings, ähnlich wie beim Telefon, keine vollständige Gefahrenabwehr geben. Die Kollegin Böhmer wird dazu noch einiges sagen.
Der Erfolg bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte wird im Internet von mehreren Faktoren abhängen: erstens von der Nutzung der technischen Möglichkeiten der Fahndung im Netz, zweitens von der Intensität der Fahndung durch die Polizeibehörden und drittens vor allem von der Mithilfe der Bürger,
Dr. Martin Mayer
die im Netz surfen. Es erweist sich mehr und mehr als wichtig, daß die Bürger hier mithelfen.
Beim Jugendschutz wird der Filter am Empfangsgerät, dem Computer im eigenen Heim, entscheidend sein. Denn das Internet werden wir nie jugendfrei machen können; dazu ist es von seiner technischen Konzeption und von seinem internationalen Zugang her ungeeignet. Zudem sind die Auffassungen darüber, was nun jugendgefährdend ist, in der Welt sehr verschieden und hängen von den einzelnen Kulturräumen ab. Deshalb kommt den Eltern und Erziehern eine besondere Verantwortung zu. Sie sollten am heimischen Computer für ihre Kinder Filtersoftware anbringen lassen und entsprechende Schutzmöglichkeiten nutzen.
Viertens wird mit diesem Gesetz eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, daß wertvolle Informationen sicher und unverfälschbar über das Netz versandt werden können. Das Signaturgesetz, das in dieser Form einzigartig in Europa ist, schafft dafür die Voraussetzungen, indem es Unternehmen erlaubt, über eine staatliche Genehmigung ein besonderes Gütesiegel zu erhalten, mit dem sie digitale Signaturen vergeben können. Ich meine, wir können stolz darauf sein, daß in Deutschland ein Gesetz verabschiedet wird, das weltweit beispielgebend ist.
- Herr Kiper, dieser Zwischenruf war absolut unangemessen.
Fünftens. In bezug auf die Frage der Haftung, die im Bundesrat so hochgespielt worden ist, sollten wir doch ruhig einmal die Erfahrungen abwarten. Das Haftungsrecht in Deutschland ist ja klar geregelt. Wenn - das ist in der Anhörung behauptet worden - die Haftung gegenüber Dritten die entscheidende Frage ist, dann hindert niemand die Zertifizierungsstellen daran, eine Haftungssumme anzugeben, mit der sie gegenüber Dritten haften, womit sie auch ein Werbeargument für ihre eigenen Signaturen haben. Ich glaube, es ist besser, wenn wir das privatwirtschaftlich lösen, als wenn wir gleich mit dem Hammer des Gesetzes kämen und strenge Vorschriften erließen.
Sechstens. Die Regelungen beim Datenschutz sichern einerseits die gewünschte und notwendige Vertraulichkeit; sie erlauben andererseits dem Nutzer die uneingeschränkte Einwilligung zur Erstellung von Nutzerprofilen und zur Weiterverarbeitung seiner Daten. Ich halte das für sehr wichtig; denn damit können alle denkbaren intelligenten und nutzerorientierten Dienste entstehen. Art und Umfang dieser neuen Dienste können wir gegenwärtig teilweise erst erahnen. Die nutzerorientierten Dienste sind ja das eigentliche Zukunftsfeld.
Es geht darum, Informationen persönlich und bedarfsgerecht jederzeit und an jedem Ort anzufordern und zur Verfügung zu haben. Das Ziel ist der persönliche digitale Assistent, der Unterhaltung und Informationen auch ohne ausdrücklichen Auftrag liefert wie ein guter Butler, der weiß, wann und wo er den Wodka-Martini serviert - geschüttelt, nicht gerührt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat in bemerkenswert kurzer Zeit die Beratungen abgeschlossen.
Er hat damit die nötige Handlungsfähigkeit, die ja immer wieder eingefordert wird, bewiesen.
Diesen Erfolg sollten die Länder nicht durch Verzögerungen im Vermittlungsausschuß zunichte machen. Es geht ja, wie ich schon gesagt habe, um Arbeitsplätze. Trotz zügiger Arbeit hat der Deutsche Bundestag bei diesem Gesetz die Beteiligten in zwei Anhörungen und zahlreichen Gesprächen zu Wort kommen lassen. Allen Fachleuten aus Wirtschaft und Verwaltung sowie allen Kollegen möchte ich deshalb meinen besonderen Dank für ihre konstruktive Mitarbeit sagen.
So sicher wie nach dem Winter das Frühjahr und nach dem Sommer der Herbst kommt, so sicher werden die neuen Informations- und Teledienste das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verändern. Dabei wird es Verlierer und Gewinner geben. Zu den Gewinnern werden diejenigen gehören, die sich nicht verweigern, sondern sich mit den neuen Diensten befassen, sie nutzen und weiterentwickeln. Lassen Sie uns deshalb mit der Verabschiedung dieses Gesetzes dafür sorgen, daß Deutschland zu den Gewinnern gehört.
Als nächste spricht die Kollegin Doris Barnett.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach langem Zögern und einer Vielzahl regierungsinterner Querelen haben Sie uns jetzt endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, Herr Minister Rüttgers. Dieser wurde allerdings durch den Deutschen Bundestag - da sieht man einmal die unterschiedliche Bewertung - geradezu durchgepeitscht.
In den Ausschüssen haben sich zum Teil erbarmungswürdige Szenen abgespielt. Nicht einmal Ihre eigenen Abgeordneten waren immer in der Lage,
Doris Barnett
den jeweils erreichten Stand der Beratungen nachzuvollziehen.
Die Stellungnahmen der Sachverständigen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften haben Sie weitgehend ignoriert. Die von der SPD durchgesetzte öffentliche Anhörung am 14. Mai findet im Gesetzentwurf keinen Niederschlag. Ähnlich sind Sie mit den Änderungsvorschlägen des Bundesrates verfahren.
Die Regelungen, die wir heute beraten, sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft. Erst wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Informationsgesellschaft feststehen, werden neue Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze entstehen. Darüber hinaus sind wir gefordert, eine inhaltliche Orientierungshilfe anzubieten, welche Richtung die Informationsgesellschaft einschlagen soll. Erst auf Anregung der Enquete-Kommission „Informationsgesellschaft", insbesondere ihres Vorsitzenden Siegmar Mosdorf, haben Sie sich, Herr Minister Rüttgers, hinsichtlich der Regulierung der neuen Medien auf die Länder zubewegt.
Dieser Annäherungsprozeß muß aber mit dem Ziel, Doppelregulierungen und Überschneidungen zu tilgen, weiter vorangetrieben werden.
Gewiß, die neuen Medien sind rechtspolitisches Neuland. Wir stehen aber in der Pflicht, Regelungen zu finden, die für den technischen Fortschritt offen sind. Wir sollten auch einmal den Mut haben, eine Entwicklung ohne hundertprozentige Regelung laufen zu lassen.
Sobald erste Erfahrungen vorliegen, werden wir wissen, welche Grenzen gezogen werden müssen. Insofern sind die Regelungen des IuKDG und des Mediendienste-Staatsvertrags von begrenzter Haltbarkeit. In jedem Fall muß ein IuKDG den Anbietern neuer elektronischer Dienstleistungen ein eindeutiges Signal für Investitionen geben; das Gesetz muß Rechtssicherheit schaffen und Kompetenzstreitigkeiten ausschließen; es muß flexibel sein und sich der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts anpassen; es muß vor allem berücksichtigen, daß bisher getrennte Bereiche - Medien-, Telekommunikations- und Informationstechnik - bereits heute kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. Deswegen ist aus meiner Sicht das zentrale Problem Ihres IuKDGEntwurfs die Abgrenzung von Medien- und Telediensten.
Diese Abgrenzung zwischen Zuständigkeiten muß so sauber sein, daß von vornherein ständige Streitereien zwischen Bund und Ländern ausgeschlossen bleiben. Die Mediendienste, nach der Definition an die Allgemeinheit gerichtet, fallen in die Zuständigkeit der Länder. Die Teledienste, also Angebote für einzelne, fallen in die Zuständigkeit des Bundes. Diese Abgrenzung wird nicht lange zu halten sein.
Die Konvergenz, also das Zusammenwachsen der Medien, begründet die Notwendigkeit einer insgesamt zuständigen Regulierungsinstanz. Für uns ist es dabei wichtig, daß eine offene multimediale Kommunikationspolitik die Interessen der Bundesländer einbezieht. Der Föderalismus im Medienbereich hat sich grundsätzlich bewährt. Ministerpräsident Kurt Beck hat darauf am 21. Februar 1997 im Bundesrat zu Recht hingewiesen. Wir plädieren für eine offene und flexible Kommunikationspolitik. Medien- und Teledienste können nicht isoliert voneinander, sondern müssen in ihrer wechselseitigen Verzahnung betrachtet werden. Wir wollen eine nationale Medienordnung, die alle Arten von Medien umfaßt. Ihre Durchführung kann nur auf der kontinuierlichen Mitwirkung der Länder beruhen. Eine Regelung, die am föderalen Prinzip rüttelt, lehnen wir ab.
Ihr IuKDG-Entwurf, Herr Minister Rüttgers, vollzieht die Verschmelzung von Individualkommunikation und Massenkommunikation nicht nach. Dies führt meiner Meinung nach unweigerlich zu Abgrenzungsproblemen. Es ist schlecht für die Unternehmen, daß Kosten verursacht werden, schlecht für die Demokratie, daß die Ausdeutung der rechtlichen Rahmenbedingungen den Gerichten überlassen wird, und schlecht für unser Land, daß dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit vermindert wird.
Information und Wissen sind die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts. Als demokratische Gesellschaft, die den Begriff Chancengleichheit ernst nimmt, müssen wir gewährleisten, daß der Zugang zu Informationen für alle Bürgerinnen und Bürger offen ist. Für uns heißt das: Die Teilnahme an der Informationsgesellschaft muß für alle technisch möglich sein.
Diese Teilnahme muß aber auch bezahlbar sein. Die Kasten für die Ausstattung mit einem multimedia-tauglichen PC und für den Nutzungszugang sowie die laufenden Kommunikationskosten stellen eine hohe finanzielle Hürde dar. Öffentlich erreichbare und benutzbare Internetterminals sowie die Ausstattung der Schulen und Bibliotheken sind die Voraussetzung dafür, daß sich die Computer- oder InternetLiteracy genauso durchsetzen kann wie die Fähigkeit, ein Buch zu lesen. Schließlich gilt es, unsere Gesellschaft auch geistig und inhaltlich darauf vorzubereiten, mit den neuen Medien umzugehen. Wir brauchen umfassende Medienkompetenz, die die Menschen in die Lage versetzt, sich zu informieren, diese
Doris Barnett
Informationen kritisch zu bewerten und weiter zu verarbeiten. Diese Herausforderung, die auf das gesamte Bildungs- und Erziehungswesen wirkt, muß von uns - ebenfalls in enger Abstimmung mit den Bundesländern - endlich angegangen werden. Gefordert ist eine Bildungspartnerschaft von Bund, Ländern, Gemeinden und Wirtschaft.
Eine Vermittlerposition zwischen Inhalteanbietern und Inhaltenutzern nehmen die Service-Provider ein. Ihre Verantwortlichkeit für Rechtsverstöße Dritter ist im vorliegenden IuKDG, aber auch im Mediendienste-Staatsvertrag noch nicht befriedigend geklärt. Auch hier befürchte ich, daß ein großer Teil der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht von uns, die wir eigentlich dafür zuständig sind, sondern von den Gerichten gestaltet wird. Wer sich mit den technischen Gegebenheiten ein wenig auskennt, weiß, welche Sorgfaltspflicht einem Provider zuzumuten ist und welche nicht. Konkret heißt das: Hat er positiv Kenntnis von strafrechtlich bedeutsamen Inhalten, muß er einschreiten. Niemand kann aber von ihm verlangen, daß er sich über alle Inhalte, die seine Kunden über seine Netze versenden, Kenntnis verschafft.
Allerdings bin ich der Meinung, daß Politik auf diese Probleme reagieren muß. Was wir tun können, ist erstens, uns auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene darüber zu verständigen, welche Inhalte wir - auch mit den Mitteln des Strafrechts - verhindern wollen, weil sie zum Beispiel die Würde des Menschen verletzen, und zweitens, durch .die Erziehung zu einem kompetenten Umgang mit den neuen Medien die Kritik- und Einsichtsfähigkeit zu schärfen, warum bestimmte Inhalte verwerflich sind.
Die einzelnen Elemente Ihres Gesetzentwurfs sind nicht präzise genug aufeinander abgestimmt. Es darf dort, wo staatliche Zurückhaltung angebracht wäre, wie bei der Verantwortlichkeit der Service-Provider, nicht zu Überregulierungen kommen. Andererseits ist Ihr Entwurf dort, wo der Staat mutig vorangehen müßte, um Impulse zu setzen und um die Chancen der Informationsgesellschaft zu nutzen, viel zu zögerlich. Was ich erwartet hätte, wäre ein deutliches Signal an all diejenigen, die sich auf diesem Gebiet wirtschaftlich betätigen wollen; ein Signal, daß dies in Deutschland ohne Regulierungsperfektionismus möglich ist.
Da diese Erwartungen nicht erfüllt werden, können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen.
In unserem Entschließungsantrag haben wir zusammengefaßt, welche Probleme wir noch nicht ausgeräumt sehen.
Das IuKDG und der Mediendienste-Staatsvertrag sollen Chancen eröffnen und nicht verhindern. Wir
müssen, beginnend mit dem heutigen Tag, mit der Arbeit an einer Medien- und Informationsordnung starten, die für die Bürger und Wirtschaft im gleichen Maße Rechtssicherheit verschafft, denn die Zeit dazu wird allmählich knapp.
Vielen Dank.
Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Manuel Kiper.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister und auch Herr Kollege Mayer, Sie haben immer wieder betont, welche Vorreiterrolle Sie weltweit bei der Regulierung des Internets einnehmen. Aber statt im Internet zu surfen, wird in der Regierungskoalition immer noch den Entwicklungen hinterhergeritten.
Herr Minister, Sie haben viele Fehlschläge im Zusammenhang mit den Lehrstellen, mit BAföG, mit den hochfliegenden HRG-Plänen und mit den Budgetkürzungen für Bildung und Forschung einstecken müssen. Sie wollten nun als erstes strahlendes Element Ihrer Wirkungsbilanz das IuKDG verbuchen, leider zu Lasten der Informationstechnologie und zu Lasten neuer Arbeitsplätze hierzulande.
Eine gründliche Beratung wurde durch hektische Änderungen am Gesetzentwurf ersetzt. Was strahlend von Ihnen, Herr Minister, in die Welt gesetzt wurde, mutierte in den letzten acht Wochen mit der Halbwertzeit kurzlebiger Isotope.
Nicht anders als bei radioaktiven Zerfallsprozessen blieb nur Blei übrig, Gesetzesblei, was die weitere Entwicklung der Informationstechnologie in Deutschland nachhaltig behindern wird.
- Ja, aber nicht für solche bleiernden Entwicklungen.
Die Regierungskoalition fühlt sich technologiepolitisch als Avantgarde, aber bei ihrem Vorreiten vergaloppiert sie sich ständig: Bummelzug und Transrapid statt ICE und Weiterentwicklung der Rad-Schiene, Fusion statt Photovoltaik, nunmehr Brieftauben statt Internet.
Dr. Manuel Kiper
Ja, Ihnen müssen die Leviten gelesen werden. Sie als Bundesregierung haben schon bei der Förderung des Internet versagt.
Ich möchte den deutschen Internet-Pionier Professor Werner Zorn aus der „Computerzeitung" zitieren:
In Deutschland wurde die Internet-Entwicklung sehenden Auges ignoriert.
Und weiter:
Die Förder- und Industriepolitik dieser Bundesregierung war zu lange einseitig auf das Schichtenmodell OSI ausgerichtet. Zu spät wurden die IPHochgeschwindigkeitsnetze realisiert.
Sie gucken so verwundert, Herr Mayer: IP heißt Internet-Protokoll.
Diese Bundesregierung hat aber nicht nur bei der Förderung des Internet versagt, sondern aktuell auch bei der rechtlich schlüssigen Regulierung dieser Zukunftstechnologie. Ich möchte hier wieder zitieren, und zwar Wolffried Stucky, den Präsidenten der Gesellschaft für Informatik, ebenfalls kürzlich aus der „Computerzeitung":
Die gesetzliche Regelung weist im Kern - im Kern, meine Damen und Herren -
fatale Mängel auf und wird im internationalen Wettbewerb von großem Schaden sein.
Meine Damen und Herren und Herr Minister, das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen. Das sind unangenehm deutliche Worte für sonst so zurückhaltende Wissenschaftler. Sie bedeuten im Kern nichts anderes, als daß die Bundesregierung die Finger von Dingen hätte lassen sollen, von denen sie offensichtlich zu wenig verstanden hat.
Auch die Industrie hat klare Worte gefunden. Ich darf einen deutschen Vertreter von IBM aus der „New York Times" zitieren:
Würden Sie einen Job übernehmen, wenn Sie wüßten, daß Sie morgen früh von der Polizei verhaftet werden können? Die Industrie hat die Freiheit, nach Irland, Dänemark oder Holland zu gehen.
So wird dieses IuKDG international aufgenommen.
Es ist ein toller Erfolg der Technologiepolitik der Bundesregierung, daß die Anbieter von Netzzugängen mit dem Abwandern aus Deutschland drohen. Machen sie damit Ernst, nehmen sie Tausende von Arbeitsplätzen mit. Die Industrie handelt durchaus nachvollziehbar; denn die Koalition hat nicht einmal die Vorschläge der Industrie aufgegriffen, wenigstens die internen Firmennetze, die Intranets, von den Vorschriften auszunehmen.
Unsere Kritik an diesem Gesetz ist: Erstens. Es wird kein klarer und zukunftsfähiger Rechtsrahmen geschaffen.
Zweitens. Es werden keine international konsensfähigen und praktikablen Vorschläge für Meinungsfreiheit, Datensicherheit und Verbraucherschutz geschaffen.
Drittens. Es werden technische Konzepte festgeschrieben, statt auf die Dynamik der Informationstechnologie zu setzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Verlauf der Beratung des Gesetzes verschiedene Änderungsanträge eingebracht, um schlimmste Fehlentwicklungen zu verhüten. Eigentlich wäre eine Grundgesetzänderung, eine Änderung von Art. 75, nötig gewesen, die dem Bund eine Rahmenkompetenz für die Individualkommunikation Internet-Entwicklung zuschreibt und den Ländern die Medienkompetenz überläßt.
In den Beratungen ist es gelungen, einige schlimme Kiöpse rauszukippen. Ich möchte gerne zugeben, daß Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen interessiert waren, Datenschutz und Jugendschutz auch im Internet zu verankern. Was den Jugendschutz angeht, müssen aber auch Sie realistisch zugeben - so heißt es auch in der Beschlußempfehlung -:
Ein wirksamer Jugendschutz kann daher derzeit in erster Linie nur durch geeignete Sicherheitssoftware oder bewußte Nutzung am schulischen oder häuslichen Bildschirm erfolgen.
Das Teledienstedatenschutzgesetz konnte zum Glück nicht, wie geplant, als ein Schnüffelgesetz für Geheimdienste passieren. Art. 2 Abs. 5 wurde gestrichen. Was den tatsächlichen Datenschutz im Internet anbelangt, ist allerdings die Empfehlung des Innenausschusses hierzu eine Drohung, nämlich die Schnüffelparagraphen in einen anderen Kontext der Gesetzgebungstätigkeit zu stellen.
Meine Damen und Herren, Rechtssicherheit für Provider, für fremde Inhalte haften zu müssen oder nicht, gibt es nach diesem Gesetz nicht. Was die IT-Sicherheit anbelangt, hängt die Kanthersche Ankündigung eines Kryptiergesetzes mit Verschlüsselungsbeschränkungen wie ein Damoklesschwert über der Branche. Die notwendigen Haftungsregelungen wurden abgelehnt. Die Risiken bleiben klar bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern und den Nutzerinnen und Nutzern - um nur einige Punkte anzusprechen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend sagen: Der Kanzler hat 1994 Bill Gates' Statthalter in Deutschland auf die Frage nach der Zukunft des Internets in Deutschland ohne Ahnung, aber ahnungsvoll versichert - Zitat -: „Die Autobahnen sind elementar in der Oberhoheit der Länder". Danach hat niemand mehr von der Bundesregierung erwartet, daß sie kompetente Antworten auf die Probleme der Informationsgesellschaft geben würde. Es wurden Stimmen laut, die neue interaktive Kommu-
Dr. Manuel Kiper
nikation dem Rundfunk zuzuschlagen. Dies ist eine Fehlentwicklung.
Die SPD hat in ihrem Entschließungsantrag zu diesem IuKDG Punkte aufgegriffen, die von unserer Seite zustimmungsfähig sind und auch in unserem Entschließungsantrag angesprochen sind. Sie hat es aber nicht fertiggebracht -
auch das, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, muß hier einmal deutlich angesprochen werden -, die darin verankerten Positionen auch ihren Medienpolitikern in den Ländern zu vermitteln, so daß sie erheblich zur Misere beigetragen hat.
Die Bundesregierung hatte die Chance, nach den Anhörungen der Experten noch wesentliche Dinge nachzuarbeiten. Sie hat diese Chance vertan. Das IuKDG in der hier zur Debatte stehenden Form ist verfehlt und schädlich. Wir lehnen es ab.
Ich danke Ihnen.
Es spricht jetzt der Abgeordnete Professor Karl-Hans Laermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Barnett, zum einen beklagen Sie, daß die Bundesregierung erst jetzt ein Gesetz vorlegt, zum anderen stellen Sie fest, daß es überhaupt verfehlt sei, ein Gesetz zu erlassen.
Darüber hinaus kritisierten Sie, daß auf Grund des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern nicht die notwendigen Regelungen vorgenommen werden konnten. Auch wir hätten das gerne gewollt; aber das liegt nun einmal an den Landesregierungen.
Ich werde dazu noch einiges sagen.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz müssen wir in Verbindung mit dem Mediendienste-Staatsvertrag sehen. Wir können doch nicht an den Realitäten vorbeigehen. Dieser Bereich ist doch nun einmal im Verhältnis zwischen Bund und Ländern geregelt. Deswegen mußten wir ein Teledienstegesetz erarbeiten; denn der Mediendienste-Staatsvertrag soll am 1. August dieses Jahres in Kraft treten. Ansonsten hätte sich in Teilen ein rechtsfreier Raum ergeben; und das kann ja wohl nicht sein. Auch das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.
Das IuKDG sichert den freien Zugang zu den Netzen - das ist ganz wesentlich -, regelt unter anderem auch die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und gewährleistet den Datenschutz und den Jugendschutz. Darüber hinaus geht es um die Klarstellung des Schriftenbegriffs im Strafgesetzbuch und im Ordnungswidrigkeitengesetz. Das Urheberrecht wird nach den entsprechenden EU-Richtlinien an die „elektronische Welt" angepaßt. Dazu waren wir allein schon wegen der EU-Richtlinie verpflichtet.
Herr Kiper, gerade weil es notwendig ist, Menschen zu schützen, die sich im Bereich der elektronischen Kommunikation bewegen, ist es so wichtig, rechtliche Regelungen vorzusehen, damit diese Leute ein größeres Maß an Sicherheit haben.
Insgesamt soll das Gesetz den Diensteanbietern und -nutzern Klarheit in den Rahmenbedingungen, vor allem aber Sicherheit bei der Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationsnetze bieten. Deshalb ist besonders das Signaturgesetz hervorzuheben. Es ist von großer Bedeutung, weil es die notwendige Sicherheit in elektronischen Rechtsgeschäften, im elektronischen Geschäftsverkehr insgesamt schafft. Hier sind wir in der Tat Vorreiter in Europa. Es ist schon jetzt deutlich geworden, daß die vorgesehenen Regelungen beispielhaft in Europa aufgenommen werden.
Die Gewährleistung des Datenschutzes war für die F.D.P. ein zentrales Anliegen. Wir begrüßen deshalb, daß in die jetzt zu verabschiedende Fassung keine besonderen Eingriffsermächtigungen für die Bedarfsträger aufgenommen wurden
und eine Erweiterung ihrer Befugnisse in private Bereiche hinein abgewehrt werden konnte.
Diese Ausweitung hätte schwerwiegende rechtsstaatliche, aber auch wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen nach sich gezogen. Wenn sich derartige erweiterte Befugnisse als unbedingt notwendig erweisen sollten, dann muß darüber im Zusammenhang mit der Novellierung einschlägiger Gesetze, wie zum Beispiel bei der anstehenden Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, diskutiert werden.
Meine Damen und Herren, auch gegen ein freiwilliges Datenschutz-Audit ist nichts einzuwenden. Es könnte für die Unternehmen zu einem Wettbewerbsmerkmal werden. Aber warum muß man es dann in ein Gesetz hineinschreiben? Sie können es doch tun, wenn es freiwillig ist.
Wir wollen nicht alles überregulieren.
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Das wurde aber insbesondere von meinen Vorrednern wieder forciert.
Ich denke, daß auch den Belangen des Jugendschutzes hinreichend Rechnung getragen wurde, wohl wissend, daß dieser mit gesetzlichen, administrativen und technischen Maßnahmen kaum lückenlos gewährleistet werden kann. Hier können uns nur internationale Vereinbarungen wirkungsvoll weiterhelfen. Die F.D.P. begrüßt die jetzt im Gesetz vorgesehene Regelung, zwischen einem Jugendschutzbeauftragten und der freiwilligen Selbstkontrolle wählen zu können.
Wir wissen, daß das jetzt zu beschließende Gesetz experimentellen Charakter hat. Wir betreten damit Neuland. Angesichts der dynamischen Entwicklung - hier stimme ich Ihnen, Frau Kollegin Barnett, zu - und der damit verbundenen Entwicklung neuer Nutzungsformen können und sollten nicht alle sich schon jetzt abzeichnenden Fragen - ich nenne zum Beispiel das Problem der internen Netze; die können wir von den Datenschutzregelungen doch nicht ausnehmen - gesetzlich geregelt werden. Die absehbaren weiteren Entwicklungen sollten nicht behindert werden, besonders nicht im Hinblick auf den weltumspannenden Charakter der Telekommunikation.
Herr Professor Laermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kiper?
Herr Kiper, gern.
Herr Laermann, wissen Sie eigentlich, was Intranets sind? Intranets sind unternehmenseigene Netze, in denen die Unternehmen interne Kommunikation betreiben. Meinen Sie wirklich, daß der Bundesdatenschutzbeauftragte die Leitungen der Unternehmen anzapfen soll? Halten Sie das wirklich für eine glorreiche Lösung?
Dazu darf ich Ihnen folgendes sagen, Herr Kiper: Es geht nicht darum, daß der Bundesdatenschutzbeauftragte die Netze anzapft. Es geht vielmehr um Regelungen des Datenschutzes. Ich darf in dem Zusammenhang vielleicht darauf hinweisen, daß es für den Deutschen Bundestag angebracht wäre, wenn er Datenschutzregelungen, wie er sie als Gesetzgeber selbst vorschreibt, auch im eigenen Haus praktizieren würde. Wollen Sie bei den großen Konzernen, bei den großen Netzverflechtungen den Jugendschutz ausklammern? Wollen Sie den Datenschutz ausklammern? Wollen Sie auch das zu einem rechtsfreien Raum machen?
Ich kenne die Problematik. Ich weiß, worum es geht. Ich sage Ihnen, daß wir diese Fragen natürlich weiter verfolgen müssen. Das gilt auch für viele andere Fragen. Weil wir den experimentellen Charakter sehen, weil wir die dynamische Entwicklung nicht behindern wollen, wollen wir nicht alles bis ins Letzte
regeln; denn wir kennen noch nicht alle Fragen, die wir beantworten müßten. Deswegen, Herr Kiper, schlagen wir vor, daß dieses Gesetz und die Entwicklungen permanent kritisch begleitet werden. Wir fordern eine wissenschaftliche Begleitforschung.
Wir fordern darüber hinaus, daß dieses Gesetz in Anbetracht der Entwicklungen, der Erkenntnisse und der Erfahrungen, die wir sammeln, angepaßt und geändert wird. Wir werden spätestens nach zwei Jahren die Vorlage eines Berichts der Bundesregierung zu den weiteren Entwicklungen verlangen. Das genau ist unsere Position. Ich denke, da werden wir noch einige andere Dinge anpacken müssen.
Ich weiß, worüber ich rede. Ich weiß auch, was ein Intranet ist. Aber ich denke auch an die großen Verflechtungen von Konzernen. Wir müssen noch einiges dazulernen, ehe wir hier zu stringenten gesetzlichen Regelungen kommen werden. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.
Frau Präsidentin, ich danke für Ihre Geduld. Schönen Dank.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Wolfgang Bierstedt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Tauss, danke.
Mit dem heute zur abschließenden Beratung anstehenden Entwurf des IuKDG hat sich die Bundesregierung, wie auch die Anhörungen in den Ausschüssen und die Beratungen in der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien" - sie sei hier auch einmal erwähnt - gezeigt haben, auf ein sehr kompliziertes Terrain begeben. Ich denke, die Bundesregierung hat sich auf dieses Terrain begeben müssen, weil die rasante und durchaus auch zukunftsweisende Entwicklung, Herr Minister Rüttgers, der Informations-und Kommunikationsdienste eines regulierenden Rahmens bedarf, zumal die über den nationalen Rahmen hinausgehenden Wirkungen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch eine soziale, kulturelle, rechtsstaatliche und demokratiebeeinflussende Dimension haben.
Die Funktionalität dieses Gesetzentwurfes als ein Element des somit aus unserer Sicht notwendigen gesamtgesellschaftlichen Regulierungsbedarfs sollte eigentlich darin bestehen, die durchaus großen Chancen einer sich entwickelnden Informationsgesellschaft für alle Bereiche und Teile der Gesellschaft nutzbar zu gestalten und diese Chancen zu befördern. Es gilt aber auch zweifelsfrei, die vorhandenen Risiken, die einer solchen Entwicklung innewohnen, nicht nur zu benennen, sondern diese zumindest in ihren Auswirkungen wirksam zu begrenzen.
Nun hat sich während der Anhörungen gezeigt, daß gerade aus Richtung Wirtschaft massive und durchaus berechtigte Kritik an Teilen dieses Geset-
Wolfgang Bierstedt
zesvorhabens geäußert wurde. Interessanterweise ist dieser Kritik nicht einmal die übliche und für Wirtschaftsvertreter auch legitime Absicht der einseitigen Vorteilsnahme zu unterstellen, was dann die Opposition zu ihrem ebenso üblichen und legitimen Ritual veranlassen könnte, der Regierung Lobbyismus vorzuwerfen.
Wir denken, die Bundesregierung ist in diesem Fall nicht so sehr an ihrem üblichen Wirtschaftslobbyismus und ihrer mangelnden Beachtung sozialer Gesichtspunkte gescheitert, sondern vielmehr daran, daß sie durchaus anerkennenswerte pragmatische Ansätze bei der gesetzgeberischen Reflexion der sich vollziehenden Entwicklung mit tradierten Kompetenzverteilungsvorstellungen und überholten gesellschaftlichen Wertvorstellungen in unzulässiger Weise vermischt hat.
Wie gesagt, es gab eine Vielzahl von pragmatischen Ansätzen, die sich sowohl auf komplette Artikel als auch auf einzelne Passagen in insgesamt heftig umstrittenen Artikeln beziehen. Dies hat wiederum während des umfangreichen Abstimmungsrituals im federführenden Ausschuß in dem einen oder anderen Lager zu Irritationen geführt, was dann in Zufallsgeneratorensystematikverdächtigungen oder gar in Vermutungen über schwarz-tiefroter Koalition gipfelte.
Ich will Ihnen ein kurzes Beispiel nennen. Sicherlich ist es schwierig gewesen, jede einzelne Abstimmung mit einer Erklärung zu begleiten. Wir hätten damit vielleicht den Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzentwurfes verzögern, aber keinen Beitrag zur Verbesserung leisten können. Wenn wir also einvernehmlich in Art. 6 die Überschrift eines Gesetzes ändern, dann muß man aus pragmatischer Sicht auch wenigstens der Änderung eines Paragraphen dieses Gesetzes zustimmen, mit dem der Bezug zur Überschrift hergestellt wird, unabhängig davon, ob man dieses Gesetz in Gänze ablehnt oder nicht.
Pragmatisch orientierte Opposition ist in meinem Heimatland Sachsen-Anhalt ein durchaus auch vom dortigen Landesverfassungsgericht anerkannter Umstand, zumindest was die PDS betrifft.
Natürlich geben auch politisch zu bewertende Umstände Anlaß zur Irritation. Wenn im gleichen Artikel der Begriff des sogenannten volljährigen Nutzers auftaucht, muß ich als Vertreter einer Partei, die für ein Wahlrecht ab dem 16. Lebensjahr eintritt, ein anderes Abstimmungsverhalten zeigen als Vertreter, die an einer tradierten Auffassung von Volljährigkeit oder Mündigkeit in bezug auf einzelne Elemente der gesellschaftlichen Partizipation sprechen.
Aber zurück zur Bundesregierung. Zweifelsfrei besteht die Problematik des Art. 1 des Gesetzentwurfes darin, daß die Bundesregierung einer tradierten Auffassung hinsichtlich Regelungszuständigkeiten und Möglichkeiten zwischen Individual- und Massenkommunikation nachhängt, ohne dabei die sich vollziehende technisch-technologische Entwicklung ausreichend zu berücksichtigen. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationsdienste geht einfach über dieses Festhalten an tradierten Auffassungen hinweg. Sie könnte natürlich auch wegen der dem Gesetzentwurf innewohnenden Möglichkeit einer sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheit einen Bogen um dieses Land machen. Obwohl wir die euphorischen Prognosen hinsichtlich Hunderttausender von entstehenden Arbeitsplätzen als Folge der Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht unbedingt teilen, wäre eine Entwicklung, bei der dieses Land außen vor ist, auch nicht in unserem Sinne.
Positiv zu bewerten ist - hier stimme ich mit dem Kollegen Laermann ohne weiteres überein, und deswegen spende ich ihm Beifall; wo er recht hat, hat er recht -,
daß Art. 2 § 5 Abs. 3 die Diskussion wegen seiner Verfassungsbedenklichkeit nicht überlebt hat. Allerdings erlitt diese logische Konsequenz mit der Beibehaltung der Fassung des Art. 3 § 12 Abs. 2 einen Bruch. Hier werden den entsprechenden Geheimdiensten unter dem Deckmantel der Pseudonymaufdeckungsnotwendigkeit exklusive Rechte eingeräumt, die von einer Politikauffassung zeugen, die von völlig überzogenem Sicherheitsdenken geprägt ist. Wenn Sie schon meinem Streichungsvorschlag nicht folgen wollten, so wäre doch der Formulierungsvorschlag des Kollegen Kiper ein machbarer Kompromiß gewesen.
Prinzipiell sehe auch ich die Notwendigkeit, ein Signaturgesetz auf den Weg zu bringen. Die vorliegende Fassung des Art. 3 IuKDG unterläßt es jedoch in gröblichster Weise, sich zu der Frage einer Gefährdungshaftung zu äußern. Ebenso wäre eine Evaluation - Kollege Laermann, Sie hatten davon gesprochen - des Signaturgesetzes nach einem angemessenen Zeitraum angesagt; auch dies hätte im Gesetz ohne weiteres verankert werden können. Damit wäre dem bereits richtigerweise in § 1 Abs. 1 aufgeführten eingeschränkten Anspruch Rechnung getragen. Dieser Absatz verweist richtigerweise in seiner konsequenten Interpretation auf eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht überschaubare technische Entwicklung.
Dabei will ich es belassen. Alles in allem werden wir uns bei der Abstimmung zu dem IuKDG der Stimme enthalten, um zu signalisieren, daß nicht unwesentliche Elemente dieses Gesetzentwurfes auch unsere Zustimmung finden.
Besten Dank.
Ich rufe als nächste Rednerin die Kollegin Dr. Maria Böhmer auf.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den bisherigen Debattenbeiträgen kam immer wieder zum Ausdruck, daß mit dem vorliegenden Gesetz Neuland beschritten wird. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich des Jugendschutzes. Vorhin ist gesagt wor-
Dr. Maria Böhmer
den, die Zeit sei knapp gewesen für Beratungen. An dieser Stelle kann ich den Hinweis geben, daß wir im Bereich des Jugendschutzes ausführliche Beratungen vorgenommen haben.
Wir haben im vergangenen Jahr zwei Anhörungen zu Jugendschutz und Medien, speziell für den Bereich der neuen Medien, durchgeführt. Der Jugendausschuß und die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien" haben dies gemeinsam getan. Wir haben uns intensiv den Fragen gewidmet: Welche Risiken sind mit dieser neuen Entwicklung verbunden? Welche Lösungen kommen in Betracht? Welche Lösungen sind wirklich wirksam? Diesen Fragen sind wir noch einmal in der Anhörung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf nachgegangen. Als Ergebnis kann man festhalten, daß die Jugendschutzbestimmungen in der Tat ergänzt werden müssen, so wie es das vorliegende Gesetz jetzt vorsieht.
Ich glaube, daß wir durch die neuen Kommunikationsmittel vor einer völlig neuen Qualität der Informationsübertragung und Informationsbeschaffung stehen. Dies müssen wir sehen. Weltweite Netze bedeuten, daß sich Surfer heute problemlos Kinderpornos aus Thailand ansehen können, Anleitungen zum Bombenbasteln aus dem Nahen Osten besorgen können oder rechtsextremistische Aufrufe aus Amerika erhalten können.
Ich will jetzt nicht sagen, daß dies das Netz sozusagen überschwemmt. Denn wir wissen aus den Expertenanhörungen, daß nur ein kleiner Teil der Daten jugendgefährdenden Inhalt hat, nämlich etwa 1 Prozent. Aber in absoluten Zahlen gesehen bedeutet das, daß immerhin rund 1 Million Dateien jugendgefährdend sind. Dem kann man nicht einfach zusehen. Hier sind wir gefordert zu handeln.
Wer glaubt, daß Kinderpornographie nur aus Fernost käme, der muß sich durch die jüngsten Ereignisse in Deutschland eines Besseren belehren lassen. In der vergangenen Woche wurde in Berlin ein Haftbefehl gegen einen Arzt erlassen, der Kinderpornographie ins Netz gegeben hatte. Hier können wir uns nicht einfach zurückziehen. Wir müssen im nationalen Bereich handeln.
Ich weiß aber auch, wie schwierig das ist. Ohne internationale Regelungen werden wir dieses Feld nicht beherrschen können. Deshalb bin ich sehr dankbar, daß sich der Bundesforschungsminister auf internationaler Ebene dafür einsetzt, daß Mindeststandards geschaffen werden. Wir haben mit dem IuKDG auf nationaler Ebene einen wesentlichen Schritt getan, um Jugendschutz besser zu verankern. Ich will die zentralen Elemente noch einmal kurz in den Blick rücken.
Es ist zum einen die Erweiterung des Schriftenbegriffs im Strafgesetzbuch, was die tatsächliche und vor allem auch die wirklichkeitsnahe Darstellung betrifft. Denn hiermit werden wir einer Entwicklung gerecht, auf die wir reagieren müssen. Sie zeichnet sich mittlerweile im Bereich virtueller Darstellung ab.
Kernbereich der Jugendschutzvorschriften ist das Gesetz über jugendgefährdende Schriften. Hierdurch werden jetzt alle Möglichkeiten der Indizierung gegeben sein. Aber ich sage auch ganz klar: Indizierung greift erst im nachhinein. Deshalb war es von sehr wesentlicher Bedeutung, daß bei den neuen Jugendschutzvorschriften ein präventives Handeln eröffnet wird. Präventives Handeln ist dann möglich, wenn die Diensteanbieter einen Jugendschutzbeauftragten bestellen. Das Gesetz sieht diese Form des Jugendschutzes vor. Ich muß Ihnen sagen: Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten bei den großen Anbietern ausschließlich eine Verpflichtung zur Bestellung des Jugendschutzbeauftragten gehabt. Denn die Anhörung, die wir durchgeführt haben, hat ganz klar ergeben, daß die Bestellung von Jugendschutzbeauftragten als die effizienteste Form des Jugendschutzes anzusehen ist.
Frau Kollegin Böhmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wolf?
Bitte.
Frau Kollegin Böhmer, wir haben im Jugendausschuß intensiv darüber beraten und waren uns im Prinzip einig - auf jeden Fall mit der CDU/CSU-Fraktion -, den Jugendschutz noch deutlicher im Gesetz zu verankern. Sie haben auch angekündigt, daß Sie dazu Änderungsanträge einbringen werden, um die Priorität des Jugendschutzes herauszustellen. Stimmen Sie mir zu, daß Sie diese Anträge angesichts der Mehrheit wohl doch nicht durchsetzen konnten?
Ich gebe Ihnen recht, daß wir uns durch diese Anhörung sehr sorgfältig mit diesem Thema beschäftigt haben. Deswegen bin ich enttäuscht, daß es nicht doch präziser wurde. Stimmen Sie mir zu, daß Sie, anders als die F.D.P., auch der Meinung sind, es hätten noch weitergehende Regelungen in das Gesetz aufgenommen werden sollen?
Frau Kollegin Wolf, ich habe mich zum einen sehr gefreut, daß wir im Bereich des Jugendschutzes über die Fraktionsgrenzen hinweg einen so hohen Konsens haben. Ich denke, das ist wichtig an dem Punkt, an dem es ganz konkret um die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen geht.
Wir haben im Jugendausschuß in der Tat sehr intensiv beraten, auch durch die vorausgegangenen Anhörungen. Ich habe auch bei Ihnen bemerkt, welche Aufmerksamkeit Sie dem Thema zuwenden. Nur muß man ganz klar sagen: Durch die Diskussion zwischen Bund und Ländern und das Beharren der Länder, in den Mediendienste-Staatsvertrag eine schwächere Regelung aufzunehmen, als wir sie gern im
Dr. Maria Böhmer
IuKDG gehabt hätten, waren hier schlicht Grenzen gesetzt. Es wäre sicherlich eine große Chance für Sie, insbesondere auf die SPD-regierten Länder einzuwirken, um den Jugendschutz auf der Grundlage dieses Gesetzes zu verbessern.
Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, bitte.
Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Sie haben im Ausschuß angekündigt, daß Sie durch Änderungsanträge im Plenum noch etwas verbessern wollten.
- Natürlich, wir sind ja souverän als Bundestag. Wir können doch diesen Gesetzentwurf jetzt durch Mehrheit ändern und dann noch einmal in den Ländern zur Diskussion stellen. Ich würde es nicht für ganz fair halten, das auf die Länder zu schieben.
Es liegt doch an den Mehrheitsverhältnissen bei Ihnen, wenn wir das nicht durchsetzen können, oder täusche ich mich da?
Liebe Frau Wolf, wir haben im Ausschuß von unserer Seite, also von seiten der CDU/CSU-Fraktion, ein klares Bekenntnis zu einer Stärkung des Jugendschutzes abgegeben, und die F.D.P. hat in diesem Gremium ebenfalls entsprechend votiert. Sie haben sich der Stimme enthalten. Ich finde aus diesem Grund Ihre jetzige Anmerkung sehr merkwürdig.
Ich möchte abschließend noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Nachdem wir so intensiv über die Frage der Verankerung des Jugendschutzbeauftragten und die freiwillige Selbstkontrolle diskutiert haben und da mit Blick auf die eben geschilderte Situation in den Ländern eine Alternative besteht, sind wir besonders gefordert, unter der Maßgabe wissenschaftlicher Begleitung und einer zweijährigen Beobachtungs- und Überprüfungsphase genau diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zu schenken; denn wenn es darum geht, die Risiken zu mindern, kommt dieser Frage besondere Bedeutung zu.
Ich glaube, die Anforderung, Risiken zu mindern, geht weit über die Frage des Jugendschutzes hinaus; denn wenn wir für die neuen Medien eine hohe Akzeptanz erreichen wollen, müssen wir das in den Griff bekommen. Sonst können wir nicht alle Chancen wirklich ergreifen, die uns die neuen Medien bieten.
Ich danke.
Es spricht jetzt der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich heute morgen auf dem Weg zum Deutschen Bundestag war, war ich gespannt, wie die Debatte ablaufen würde.
Das haben wir inzwischen ein Stück weit erlebt, aber ich muß sagen, ich bin doch ein wenig überrascht. Wer die Bemühungen der letzten Wochen und vor allen Dingen auch der letzten Tage miterlebt hat, zu einem guten Ergebnis zu kommen, wird diese Einschätzung teilen.
Ich persönlich bin heute hierhergekommen, um zunächst in erster Linie all denjenigen Dank zu sagen, die sich in den nicht leichten Verhandlungen der letzten Wochen besonders engagiert haben. Dies ist ein Gesetz, in dessen Materie sich viele im Deutschen Bundestag mit sehr viel Arbeit hineingekniet haben. Ich möchte daher fraktionsübergreifend ein herzliches Wort des Dankes an Christian Lenzer, den Kollegen Laermann, die Kollegin Bulmahn, aber auch an Gerhard Friedrich und Elke Wülfing sowie die Mitglieder der Enquete-Kommission sagen.
Wie gesagt, ich bin, auch nach einem Gespräch, das ich gerade mit Martin Mayer geführt habe, über den Ablauf der Debatte überrascht. Ich kann zwar verstehen, daß die SPD in ihrem Entschließungsantrag die epochale Aufforderung an die Bundesregierung richtet, sie möge Informationstechnik, Medientechnik und Telekommunikation zusammen denken,
und dies zum Beschluß des Deutschen Bundestages erheben will; das mag im Drang der Geschäfte noch durchgehen. Aber, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wenn man selber im Ausschuß keinen einzigen Antrag eingebracht hat, wenn man sich selber nur auf pauschale Kritik, und das noch sehr diffus - je nachdem, mit wem man gesprochen hat und in welchem Gremium es war -, eingelassen hat, dann sollte man eine solche Debatte anders führen.
Sie werden sich entscheiden müssen, ob Sie den Weg in eine moderne Medien- und Telekommunika-
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
tionsgesellschaft mitgehen wollen oder ob Sie weiter am Rande stehen und herumkritteln wollen.
Zumindest hat sich für mich - das sage ich jetzt, Frau Kollegin Barnett, nach dem, was Sie hier abgeliefert haben - in dieser Debatte bisher nichts anderes als die politische Bedeutungslosigkeit der SPD-Fraktion deutlich gemacht.
Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie auf der einen Seite die Forderung nach einem schnellen Gesetz wegen der objektiven Dynamik der Entwicklung stellen wollen oder ob Sie auf der anderen Seite darüber klagen wollen, daß man zu kurz beraten habe, während wir in Wirklichkeit über Monate intensiv daran gearbeitet haben.
Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie Freiheit für die Diensteanbieter und für die Nutzer haben wollen
oder ob Sie hier mehr Regelungen fordern, weil Sie irgendwelche Gefahren fürchten. Sie müssen sich schon einigen, ob Sie sich auf die Seite der Länder stellen oder ob Sie, wie Sie es hier heute getan haben, eine nationale Telekommunikationsstruktur haben wollen. Fragen Sie einmal den Kollegen Thierse, der sich ab und zu ja auch einmal mehr oder weniger sachkundig in der Öffentlichkeit äußert, wie er, nachdem er dies gefordert hat, von der schleswigholsteinischen Ministerpräsidentin niedergemacht worden ist, die ihm gesagt hat, er möge doch bitte erstens sachkundig reden und sich zweitens um Sachen kümmern, die ihn etwas angingen.
Meine Damen und Herren, in Wahrheit ist die gesamte Entwicklung schon wieder über Sie hinweggegangen. Vielleicht hätten Sie einmal an den Veranstaltungen des „Medienforums" Anfang der Woche in NRW teilnehmen sollen. Dann hätten Sie mitbekommen, daß der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Verkehrsminister Clement dem Bund angeboten hat, in einem Kommunikationsrat begleitend über die Weiterentwicklung zu reden, und Sie hätten auch mitbekommen, daß ich namens der Bundesregierung dieses Angebot angenommen habe.
Sie werden sich darüber verständigen müssen, wen Sie denn nun dafür verantwortlich machen, daß, wie Frau Barnett formuliert hat, zu wenig für Medienkompetenz geschieht - diejenigen, die nach dem Grundgesetz zuständig sind, die Länder und Kommunen - oder ob Sie denjenigen, der die Entwicklung überhaupt erst in Gang gebracht hat, nämlich die Aktion „Schulen ans Netz", weiter kritisieren.
Ich darf Sie auch herzlich bitten - das geht nun vor allem in Richtung des Kollegen Kiper -, wenn wir
uns über die öffentliche Szene unterhalten, das dann auch mit der notwendigen Korrektheit zu tun. Sowohl der BDI als auch der BDA, der VDMA und alle anderen Verbände haben dieses Gesetz begrüßt und halten es für einen Schritt in die richtige Richtung.
- Jawohl, Herr Kollege Tauss, das ist die Wahrheit.
Daß wir im Rahmen des Verfahrens über Einzelheiten diskutieren, ist Aufgabe parlamentarischer Beratungen. Das haben wir in den letzten Wochen getan.
Da gibt es schon, Herr Kollege Kiper, einen fundamentalen Unterschied - und das hat die Debatte zwischen Ihnen und dem Kollegen Laermann unter dem Stichwort Intranet sehr deutlich gemacht -: Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung gehen davon aus, daß hier keine neuen Welten - keine virtuelle Welt, kein globales Dorf - und kein rechtsfreier Raum entstehen, sondern daß wir eine neue Infrastruktur aufbauen, die sich natürlich dem normalen rechtlichen Rahmen unterwerfen muß, wie es bei jeder anderen Infrastruktur auch geschieht.
Von daher gesehen nützt es nichts, daß man hier versucht, darüber hinwegzureden. Das ist die Grundentscheidung, die man treffen muß. Sie ist in diesem Gesetz richtig getroffen. Dieses Gesetz schafft Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen und ihre Investitionsentscheidungen in Deutschland. Es macht die Bahn frei für Investitionen und Innovationen, weil es ein Bekenntnis zur Zugangsfreiheit enthält. Das ist übrigens ein Punkt, den wir Ihren Ländern erst in einem sehr schwierigen Diskussionsprozeß abtrotzen mußten.
Weil wir dieses Gesetz jetzt verabschieden - und Gott sei Dank auch die Zustimmung des Bundesrates bekommen werden; er wird am 4. Juli nach den bisherigen Ankündigungen diesem Gesetz zustimmen -, bin ich nach wie vor der Auffassung, daß wir exzellente Voraussetzungen für die Weiterentwicklung zur Wissensgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Wir haben jetzt klare rechtliche Rahmenbedingungen. Jeder weiß Bescheid. Lesen Sie übrigens einmal die internationale Presse zu dem, was Sie hier als Beispiel anführen, nämlich wie etwa die Frage der Verantwortlichkeiten aus staatsanwaltschaftlicher Sicht durch dieses Gesetz geklärt wird. In Zukunft wird das, was in den letzten Monaten an der einen oder anderen Stelle in Deutschland passiert ist und was eine totale Überreaktion der Staatsanwaltschaft war, auf Grund dieses Gesetzes nicht mehr möglich sein. Von daher gesehen ist auch das ein wichtiger Punkt.
Wir haben exzellente Voraussetzungen und eine Dynamik, wie sie ihresgleichen auf der Welt kaum noch zu finden ist. Wenn man alleine auf sich wirken
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
läßt, daß die Zahl der Online-Zugänge in Deutschland von 1995 auf 1996 um 42 Prozent gestiegen ist, wir damit die dynamischste Entwicklung in Westeuropa haben, und wenn man weiß, daß 1996 die Zuwachsrate der Internetanschlüsse bei 72 Prozent gelegen hat,
dann weiß man, daß die Strategie der Bundesregierung aufgegangen ist, indem sie auf der einen Seite für klare rechtliche Rahmenbedingungen gesorgt und auf der anderen Seite gesagt hat: Die Frage des Ausbaus der Infrastruktur ist nach der Deregulierung im Telekommunikationsbereich vor allen Dingen eine private Sache; wir kümmern uns jetzt um die Entwicklung neuer Nutzungen - Stichworte: Telearbeit, Teleservice, Telemedizin, Telelearning. Hier kommt es zu einer hervorragenden Entwicklung. Diese Dynamik ist weiter aufrechtzuerhalten.
Ich kann Ihnen heute ankündigen, daß wir in wenigen Tagen eine weitere Initiative starten werden, um vor allen Dingen älteren Mitbürgern den Zugang zu den modernen Telekommunikationsmöglichkeiten zu erleichtern. Nur etwa 3 Prozent der über 55jährigen nutzen bislang die modernen Informationstechnologien. Ich finde, gerade wir als Bundesregierung sollten die Organisationen und Gruppen, die in der Seniorenarbeit besonders aktiv sind, unterstützen, das Thema Multimedia stärker aufzugreifen, und sollten wie bei den Schülern auch bei den Senioren den Versuch unternehmen, mehr Medienkompetenz zu entwickeln.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?
Bei Kollege Mosdorf immer, gerne.
Herr Minister, können Sie das Parlament noch darüber informieren, wie im Rahmen der Überlegungen der Bundesregierung der Stand auf dem Sektor der Kryptographie aussieht? Es gibt da ja ganz offensichtlich einen Dissens, der den wichtigen Bereich der Sicherheitssoftware, der eine bedeutende Zukunftsbranche darstellt, möglicherweise belasten könnte.
Kollege Mosdorf, ich will das gerne tun. Wir haben gerade in den letzten Tagen im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes im Zusammenhang mit der Frage des Zugriffsrechts der Dienste eine intensive Debatte geführt. Von seiten der Koalition und der Bundesregierung haben wir uns, wie Sie wissen, dazu entschieden, die entsprechende Regelung aus dem Gesetz herauszunehmen.
Ich finde das richtig. Denn wir müssen diese Regelung erstens auch im Zusammenhang mit dem Thema Kryptographie sehen. Zum zweiten kennen
Sie meine Position: Ich warne vor Überregulierungen in diesem Bereich. Ich glaube nicht, daß es klug ist, in einem sich so dynamisch, wie wir wissen, entwikkelnden Bereich zu schnellen Lösungen zu kommen.
Formal sieht die Sache so aus, daß die ministerielle Arbeitsgruppe noch tätig ist und ein Ergebnis noch nicht vorliegt. Wir werden den Deutschen Bundestag dann informieren, wenn ein Ergebnis existiert. Ich bin ganz sicher, daß sich auch die diesbezügliche Enquete-Kommission weiterhin mit diesem Thema beschäftigen wird. Wir befinden uns auch da in dem Spannungsverhältnis zwischen einerseits der Notwendigkeit neuer Regelungen und andererseits Techniken, die völlig neue Anforderungen stellen.
Ich will allerdings abschließend auch sagen, daß ich die Kollegen verstehen kann, die bisher darauf hingewiesen haben, darauf zu achten, daß sich diese neuen Technologien nicht zu einer besonderen Form des Werkzeuges für Kriminelle entwickeln. Insofern werden wir wieder in der gleichen Lage sein, wie wir es jetzt auch sind. Wir werden Regelungen finden müssen, die einerseits praktikabel sind und die verschiedenen Ziele berücksichtigen, die andererseits aber dafür sorgen, daß die Technologie selber nicht verschüttet wird.
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja.
Herr Minister, ich möchte noch einmal nachfragen: Kann ich dann - ich wende mich jetzt an den Zukunftsminister - davon ausgehen, daß Sie die Prognose abgeben, daß Herr Kanther kein Kryptographiegesetz vorlegen wird?
Ich kann keine Prognose abgeben, weil wir uns darüber mit dem Kollegen Kanther,
aber auch mit dem Kollegen Schmidt-Jortzig noch in Diskussionen befinden. Ich habe nicht vor, jetzt irgendwelche Prognosen über Ergebnisse von Gesprächen abzugeben.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen, vielleicht doch ein wenig versöhnlicher als zu Beginn. Ich glaube, daß heute - um mit Martin Mayer zu sprechen - ein guter Tag für den Weg Deutschlands in die Wissensgesellschaft ist.
Ich will mit einem nochmaligen Dank an all diejenigen schließen, die sich in diesem Gesetzgebungsverfahren besonders engagiert haben. Das war ein wich-
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
tiges und hartes Stück Arbeit, aber auch ein gelungenes.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg Tauss, SPD-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestern morgen hat der Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Herr Hörster, an diesem Pult gesagt: Wir müssen sicher sein, daß hier alles auf einer sicheren wissenschaftlichen Grundlage geschieht.
Ich zitiere Sie sehr gerne, Herr Kollege Hörster. Sie wollten gestern wissenschaftlich untersucht wissen, ob 0,5 oder 0,8 Promille im Straßenverkehr eine höhere oder geringere Fahrtauglichkeit ausmachen. Meine Kolleginnen und Kollegen, für so etwas haben Sie Geld, da brauchen Sie wissenschaftliche Erkenntnisse! Ich muß Ihnen sagen: Die Ergebnisse dieses Versuchs hätte ich Ihnen nach entsprechendem Eigenversuch mit drei Bierchen ohne Wissenschaftler sagen können. Dazu braucht man keine Wissenschaftler.
Aber da, wo es darauf ankommt, bei einem der wichtigsten Gesetze in Deutschland, das Innovationen auslösen soll und über das wir hier beraten, Herr Kollege Hörster - auch wenn Sie verzweifelt zum Telefon greifen, prüfen Sie es nach -, gilt Ihre Aussage leider nicht. Da wollten Sie ganz im Gegenteil den Ihnen sogar erteilten Rat der Wissenschaft nicht einmal anhören.
Sie hätten doch, Herr Minister, Fachleute und Wissenschaftler bei der Frage, wie denn eine Kommunikationsordnung der Zukunft aussehen könnte, um Unterstützung bitten können. Sie hätten klären müssen, wie denn größtmögliche positive Arbeitsmarkteffekte hätten ausgelöst werden können. Das wäre die interessante und wesentliche Debatte in diesem Land gewesen.
Statt dessen gab es Anhörungen, die von Ihrer Seite ganz zweifellos nicht mit dem Ziel einer Verbesserung des Gesetzes betrieben wurden. Frustrierte Sachverständige haben mir geschrieben, sie hätten jetzt im Deutschen Bundestag endgültig etwas über den Alibicharakter von Anhörungen gelernt und sie fühlten sich veralbert - um ein anderes Wort mit „a", mit Verlaub, Frau Präsidentin, an dieser Stelle zu vermeiden.
Solange Sie es nicht aussprechen.
Das ist das, was die Sachverständigen zum Ausdruck gebracht haben.
Nicht einmal der Rat der Wirtschaft war bei Ihnen gefragt. Das hat aber der SPD - das freut uns natürlich - das Lob der Industrie eingebracht. Ich zitiere - es muß Ihnen peinlich sein, Herr Minister - den Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie, der sagt - von wegen, die SPD hat nichts eingebracht -: Der Entschließungsantrag der SPD greift die Erfahrungen der Industrie auf.
Soweit zum Thema moderne Politik und moderne SPD in Verbindung mit Industrie.
- Sie haben gesagt, ich lüge. Das prüfen wir gleich einmal nach.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenzer?
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenzer selbstverständlich sehr gerne. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Tauss, Sie haben eben eine sehr schwerwiegende Beschuldigung von einem Dritten vorgetragen. Ich frage Sie: Wären Sie bereit, jetzt hier Roß und Reiter zu nennen, damit man erfahren kann, wie dieser Sachverständige heißt und warum er die Beschuldigung erhebt, er sei nicht ausreichend zu Wort gekommen?
Herr Kollege Lenzer, der Sachverständige hat nicht geschrieben, er sei nicht ausreichend zu Wort gekommen, sondern er hat geschrieben, er habe etwas über den Alibicharakter von Anhörungen gelernt. Das ist ein Unterschied. Im übrigen biete ich Ihnen gerne an, mit dem Betroffenen Rücksprache zu nehmen und Ihnen dann diese Papiere im Originaltext zur Kenntnis zu geben.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege, mein Stil ist es nicht, hier aus internen Schreiben mit Namensnennung zu zitieren, wenn die Einwilligung nicht vorliegt.
Aber Sie sollten wenigstens wissen, was über Sie geredet wird, wenn die Wahrnehmungsverluste des Ministers schon so stark sind, daß er das selbst nicht mehr zur Kenntnis nimmt.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben auch einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich finde ihn gut. An vielen Punkten können wir da übereinstimmen; das ist wahr. Aber ich wundere mich, daß die Positionen, Herr Mayer, die im Entschließungsantrag enthalten sind, überhaupt nicht Eingang finden in Ihr Gesetzgebungsverfahren. Das ist doch der große Widerspruch: Ihr Gesetz weicht von Ihren eigenen Anträgen ab. Das muß festgehalten werden. Da werden Sie sich nicht durchmogeln
Jörg Tauss
können. Schaufensteranträge und Protokollnotizen, Herr Kollege Mayer, werden die Fachwelt nicht interessieren. Entscheidend ist der Wortlaut des Gesetzes und nicht die Papierlage. Das muß man festhalten.
- Dann zitiere ich jetzt mit Namensnennung, weil die Absender eingewilligt haben. Die IBM schreibt, die Industrie könne den deutschen Markt sehr gut vom Ausland aus bedienen, bis sich der Staub der von Ihrem Gesetz aufgewirbelten Verwaltungsstreitigkeiten wieder gesenkt habe. Deutlicher kann eine Warnung nicht mehr ausfallen, Herr Minister Rüttgers. Sie tragen Verantwortung dafür, wenn eine weitere Zukunftsbranche und -technologie aus dem Land getrieben wird. Wir können Ihnen nur sagen: Sie sind gewarnt worden. Sie wissen, was Sie machen.
Herr Kollege Rüttgers, hat Ihnen Herr Schäuble den Brief des VDMA nicht gezeigt, von dem Sie hier sagen, er habe Ihnen zugestimmt? Dann zitieren wir an dieser Stelle doch einmal den VDMA. Der VDMA, um eine weitere Stelle zu benennen, Herr Kollege Lenzer, schreibt folgendes.
- Das ist der Brief an Herrn Schäuble. Das war ein offener Brief.
Sie engen die Beziehungen zwischen Kaufleuten ein, manifestieren Mißtrauen in die Wirtschaft und weiten Staatsbürokratie und Bevormundung aus.
Was für ein Unterschied zu dem, was wir hier als Vortrag des Ministers heute morgen erfahren haben! Was für ein gewaltiger Unterschied!
Ich könnte eine halbe Stunde mit dem Zitieren solcher Stellen verbringen.
- Ja, das muß nicht sein. Ich will auch meine Zeit dafür nicht verwenden. Aber, Herr Hörster, ich gäbe sie Ihnen auch gerne gesammelt in einem Mäppchen zur Kenntnis.
Wir werfen Ihnen nicht vor, Herr Minister Rüttgers, daß Sie Kompromisse eingehen mußten. Wir begrüßen es sogar, daß es zu gemeinsamen Gesprächen mit den Ländern gekommen ist. Das haben wir ständig ausdrücklich begrüßt.
Was wir Ihnen vorwerfen, sind aber faule Kompromisse. Was ich Ihnen vor allem auch persönlich vorwerfe, ist, daß Sie öffentlich nicht erkennbar für Ihre Position gekämpft haben. Sie haben für Ihre Position nicht nach Verbündeten Ausschau gehalten. Das ist auch kein Wunder, weil Sie keine Position haben.
Die zwischenzeitlich vorliegenden sehr interessanten Stellungnahmen aus Nordrhein-Westfalen zeigen uns doch - insofern ist es doch genau andersherum, als Sie hier vortragen -, daß dort ebenfalls weitergehende Vorschläge verhandelbar gewesen wären, wenn Sie nur die Chance genutzt hätten, mit den zuständigen Beamten richtig zu verhandeln. Nein, Sie gingen schlecht vorbereitet und dilettantisch in die Verhandlungen mit den Ländern. Wie das Beispiel NRW zeigt, haben Sie auch nicht die Chance genutzt, alles auszureizen, was auszureizen möglich gewesen wäre. Das ist wie beim Skat: Nicht richtig auszureizen zeichnet den Verlierer aus, und das zeichnet Ihre gesamte Amtszeit aus.
- Wenn es unangenehm wird, Herr Kollege Lenzer, dann ist es nicht heiße Luft, sondern umgekehrt. Das ist wahr.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Laermann?
Selbstverständlich beantworte ich auch eine Frage des Kollegen Laermann.
Herr Kollege Tauss, Sie haben vorhin auf die Anhörung abgehoben. Im Zusammenhang mit Ihren zuletzt gemachten Äußerungen möchte ich Sie fragen, wie Sie die Ausführungen des Sachverständigen Professor Bullinger bewerten, der ausdrücklich klargestellt hat, wie lange und wie langwierig die Verhandlungen waren, und daß man diese Lösung, nämlich Abgrenzung zwischen Telediensten und Mediendiensten über einen Staatsvertrag, zwar nicht als die beste, aber als ohne Alternative betrachtet. Die Alternative wären langwierige Verhandlungen vor dem Verfassungsgericht gewesen. Halten Sie es nicht für richtig, darauf hinzuweisen?
Herr Kollege Laermann, ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, auch deshalb, weil ich Professor Bullinger sehr schätze, auch als Sachverständigen. Ich kann fast wörtlich aus meinem Vortrag vor der Universität Freiburg vor kurzem zitieren, wo ich Herrn Professor Bullinger ausdrücklich bestätigt habe, daß wir mit ihm in einer hervorragenden Weise und gerne zusammenarbeiten. Nur hat Professor Bullinger deutlich darauf hingewiesen, daß die Klärung dessen, was im Gesetz unklar ist, jetzt den Gerichten und den Verwaltungen überlassen bleibt. Professor Bullinger hat gemeint, das hätte vielleicht keine schlimmen Wirkungen. Damit stand er im Kreis der Sachverständigen allein. Die Befürchtungen, die wir hier äußern, sind genau dieselben wie die von Professor Bullinger.
Insofern denke ich, Herr Kollege Laermann, daß wir über die Frage, wie das mit den Anhörungen gelaufen ist, schon noch einmal reden sollten.
Jörg Tauss
An dieser Stelle ist ein weiterer Punkt vielleicht ganz interessant. Am 16. Dezember 1996 kam das IuKDG in das Kabinett. Herr Rüttgers hatte angekündigt, einen intensiven Dialog mit den Sachverständigen zu führen. Wissen Sie, wie lange die Sachverständigen und die Wirtschaft Zeit hatten, bis zur Kabinettsberatung Stellung zu nehmen? - Drei Tage waren es. Drei Tage wurde der deutschen Industrie Zeit gegeben, um zu einem so wichtigen Gesetz Stellung zu nehmen, bevor es ins Kabinett geht.
Ich wollte das an dieser Stelle erwähnen. Ich halte es für einen Skandal. Aber für den sind Sie nicht verantwortlich, Herr Laermann, auch nicht das Parlament in seiner Gesamtheit. Das ist das Dokument einer Zumutung durch diesen Minister.
Ich fasse zusammen. Herr Minister Rückwärts - Verzeihung, Herr Minister Rüttgers -, operative Hektik ersetzt nicht politische Windstille, die Ihre Amtszeit in einem der wichtigsten Zukunftsressorts prägt. Ich zitiere aus Ihrer Rede, die Sie hier am 18. April 1997 zur ersten Lesung gehalten haben: Es ist gut, daß wir hier in diesem Hause übereinstimmen. - Ich finde es prima, daß wir hier in diesem Hause übereinstimmen. Das will die Bevölkerung sicher auch. Dann haben Sie hinzugefügt, über Einzelheiten müßten Sie sich noch unterhalten.
Ich finde es nicht schlimm, daß Sie mich heute morgen in Ihr Lob nicht einbezogen haben. Ich habe viel Zeit in diese Dinge gesteckt. Ich war Berichterstatter. Sie haben sich nicht eine einzige Minute mit denen unterhalten, die hier im Hause zuständig sind! Im Ausschuß wurden Sie auch nicht gesehen und bei der Anhörung auch nicht. So toll war der Versuch also nicht, Übereinstimmung herbeizuführen.
Lassen Sie mich wegen der Kürze der Zeit nur auf einige wenige Detailpunkte zu sprechen kommen.
- Schneller nicht. Ich denke aber, es tut schon ein bißchen weh. Es ist schade, daß Sie es als Parlamentarier nicht anders gemacht haben.
Wir hätten Chancen gehabt, Kollege Mayer, wenn wir ausreichend Zeit zur Beratung gehabt hätten. Deswegen gibt es von uns auch keine Änderungsanträge, Herr Minister. Auf etwas Schlechtes können Sie nicht noch etwas Schlechtes draufsatteln.
Das wollen wir nicht. Wir legen nichts obendrauf. Wir wollen verbessern. Ein schlechter Haufen läßt sich auch mit Parfüm nicht verbessern. Nein, wir wollen eine Telekommunikationsordnung erarbeiten, die sinnvoll ist.
Wenn Kollegin Böhmer hier sagt, daß nur 1 Prozent der Inhalte in den neuen Medien wie dem Internet kriminell sind, dann, Kollegin Böhmer - Sie haben völlig recht -, dann ist das der eigentlich wichtige
Punkt, über den wir uns unterhalten müssen. Wir müssen uns darum kümmern, wenn die Kinder Opfer sind. Im Unterschied zu einer aufgeregten Berichterstattung wissen wir, daß das Internet nicht der rechtsfreie Raum ist, wie es der Minister immer darzustellen versucht. Es ist jedoch völlig klar: Wir müssen uns darum kümmern.
Nur, daraus zu schlußfolgern, Frau Kollegin Böhmer, jetzt müßten wir etwas ähnliches wie symbolisches Recht schaffen - indem Sie, wie von Ihnen vorgesehen, das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften auf die neuen Medien ausdehnen -, halte ich für einen falschen Weg. Ich halte es für einen gründlichen Irrtum, über den wir uns noch unterhalten müßten. Denn es geht zu Lasten der Jugendlichen, wenn ich eine gesetzliche Regelung vorsehe, die sich technisch nicht durchsetzen lat. Hier reden wir möglicherweise über verschiedene Dinge. Den Schriftenbegriff des Strafgesetzbuches, Frau Kollegin, bitte ich nicht zu verwechseln mit dem Schriftenbegriff des GjS.
Wir könnten im GjS etwas tun. Wir können im Bereich der „Hardware" dazu kommen, daß wir schnellere Indizierungsverfahren machen. Das wäre ein sinnvoller Punkt. Hierzu hat mein Kollege Krüger bei der ersten Lesung einiges gesagt.
Zum Thema Kryptographiegesetz will ich etwas umfangreicher Stellung nehmen.
- Kryptographie in Verbindung mit dem Gesetz zur digitalen Signatur. Ich bin etwas unter Zeitdruck. Haben Sie Verständnis, daß ich die langen Worte, die Sie kreiert haben, nicht ständig wiederhole. Ich rede über das Gesetz zur digitalen Signatur in Verbindung mit einem möglichen Kryptographiegesetz, wie es die Bundesregierung angekündigt hat.
- Das ist nicht unzulässig.
Die SPD hat dem Gesetz zur digitalen Signatur von Anfang an zugestimmt, unter der Voraussetzung wirksamer Kryptoverfahren - das ist der Zusammenhang - und vertrauenswürdiger Systeme.
Sie haben bei diesem Gesetz, von dem Sie immer sagen, es sei ein Jahrhundertwerk, eben nicht dafür gesorgt, daß es etwas breiter angelegt ist. Die Zukunft des elektronischen Rechtsverkehrs ist aber von der Tauglichkeit und der Sicherheit technischer Verfahren abhängig, die den Parteien eine beweissichere Kommunikation ermöglichen; da sind wir uns doch völlig einig.
Vor dem Hintergrund des Datenschutzes, der Datensicherheit und im Interesse eines beweissicheren Rechtsverkehrs brauchen wir eben sichere Verfahren und Schlüssel. Da stimmen wir ausnahmsweise mit Ihnen überein, Herr Rüttgers - auch wenn Sie sich heute morgen nicht so schön von Minister Kanther distanziert haben wie gelegentlich sonst; ich hätte
Jörg Tauss
Sie sogar gelobt. Schade, daß Sie heute morgen so zurückhaltend waren.
Wir hätten schon gerne eine Klarstellung gehabt, wer nun die Meinung der Bundesregierung äußert: Ist es Herr Rüttgers, ist es das Justiz- oder das Wirtschaftsressort, sind es in dieser bedeutenden Frage Herr Kanther oder Herr Lintner, oder sind es einige Leute aus dem Kanzleramt, die sich hier mit völlig untauglichen Argumenten an der öffentlichen Debatte beteiligen? Das wäre eine wichtige Frage als Grundlage für das Gesetz zur digitalen Signatur.
Zum Datenschutz: In diesem Bereich - da lobe ich Sie ausdrücklich - haben Sie die einzige wesentliche Verbesserung Ihres Gesetzes vorgenommen. Sie haben schlichtweg eine als verfassungswidrig erkannte Regelung aus dem Gesetz herausgenommen.
Etwas aus einem Gesetz herauszunehmen, das verfassungswidrig ist, halte ich für keine große Leistung. Aber wenn es die einzige ist, die Sie erbracht haben, will ich Sie dafür ausdrücklich loben.
Wir können nicht verstehen, warum Sie gegen die Hereinnahme eines Datenschutz-Audits waren. Natürlich kann man das freiwillig tun.
- Aber entschuldigen Sie bitte, Herr Laermann, warum soll man nicht marktwirtschaftliche Instrumente in ein Gesetz hineinschreiben? Sonst verkünden Sie das doch in all Ihren Sonntagsreden. Hier hätte die Chance dazu bestanden. Warum Sie sich dagegen sperren, bleibt Ihr Geheimnis. Ich kann es nicht nachvollziehen.
Also, die herzliche Bitte: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu. Dann haben Sie die Chance, mit uns das Gesetz zu verbessern.
Wir begrüßen die Einigkeit mit den Ländern. Hier könnten wir noch ein bißchen zulegen. Da hätte ich die Bitte an die Bundesratsbank, sich noch ein bißchen zu bewegen. Das ist doch völlig klar; bewegen müssen wir uns alle in der Politik. Die Länder können hier noch einiges tun.
Vor allem muß sich aber der federführende Minister bewegen. Noch einmal, Herr Minister, wie gesagt: Wenn Ihnen der VDMA schreibt, Sie engten die Beziehungen zwischen Kaufleuten ein, Sie manifestierten Mißtrauen in die Wirtschaft, Sie weiteten Staatsbürokratien und Bevormundungen aus, dann können Sie doch nicht erwarten, daß die SPD zu einem solchen Gesetzentwurf ihre Zustimmung gibt. Das werden wir auch nicht tun. Aber Sie können ihn mit uns verbessern, damit eine solch vernichtende
Kritik nicht mehr über Ihre Gesetzeswerke gesagt werden muß.
Danke schön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vorhin hat ein Abgeordneter, den ich nicht genau erkannt habe, gesagt: „Der lügt!" Das ist selbstverständlich kein parlamentarischer Ausdruck.
Jetzt hat der Abgeordnete Dr. Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vor etwa 15 Jahren war ich Mitglied des Stadtrats in Erlangen. Damals haben die Grünen monatelang die Einführung der Datenverarbeitung in der Stadtverwaltung bekämpft.
Deshalb freue ich mich, daß die Grünen klüger geworden sind.
Herr Kiper, bei Ihnen kommt langsam so etwas wie Altersweisheit hoch.
Trotzdem stimmt nicht alles, 'was Sie hier gesagt haben. Sie haben hier erklärt: Die Grünen sind gegen den Transrapid und für den ICE. Bei mir in Erlangen soll eine ICE-Trasse gebaut werden. Herr Kiper, die Grünen in Erlangen sind dagegen.
Wir laden Sie ein und zahlen Ihnen auch die Übernachtung.
Ich will aber den Kollegen Kiper gar nicht so sehr kritisieren. Er hat sich nämlich bei der Beratung im Ausschuß wirklich Mühe gegeben, hat Änderungsanträge vorgelegt und durchaus gezeigt, daß er Sachkunde besitzt.
Beim Kollegen Tauss habe ich heute wieder festgestellt, daß er eine großartige Rede gehalten hat. Ein riesiger Wortschwall ist auf uns heruntergekommen.
- Herr Kollege Tauss, weil Sie hier so großartig aufgetreten sind, muß ich doch einmal sagen: Ich habe die Ausschußberatungen beobachtet; dort haben Sie einen ausgesprochen hilflosen Eindruck gemacht.
Herr Minister Rüttgers hat schon gesagt, daß die SPD keinerlei Änderungsanträge vorgelegt hat. Die SPD hat bei vielen Artikeln zugestimmt. Sie hat sich sehr häufig der Stimme enthalten. Deshalb gibt es er-
Dr. Gerhard Friedrich
staunliche Widersprüche zwischen Ihren Presseerklärungen sowie Ihrem Auftreten heute und Ihrem Verhalten dann, wenn Sie ganz konkret sagen müssen, was Sie bei einem bestimmten Absatz einer Vorschrift ändern wollen.
- Nein, das ist so.
Meine Damen und Herren, hier ist zum Teil durchaus richtig zitiert worden, was Sachverständige und auch die Wirtschaft kritisieren. Es besteht aber eigentlich keine Meinungsverschiedenheit zwischen der SPD einerseits und der Union bzw. der F.D.P. andererseits; wir haben es vielmehr mit Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bund und den Ländern zu tun. Wir teilen im Bereich der neuen Mediendienste in Mediendienste ein, für die die Länder zuständig sind, und in Teledienste, für die wir als Bund zuständig sind. Ich habe Beamte von Bund und Ländern zu mir ins Büro gebeten, mit der Bitte, mir zu erklären, wo die Grenze liegt. Ich habe festgestellt, sie sind sich gar nicht einig. Das ist natürlich nicht erfreulich.
Man muß aber sagen: Die Länder haben sehr feinsinnig angedeutet, daß dann, wenn wir Konsequenzen aus der Sachverständigenanhörung ziehen, das ganze Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat scheitert. Ganz interessant war, daß diejenigen, die diesen Meinungsbildungsprozeß bei den Ländern organisiert haben, in der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz sitzen.
Herr Kollege Tauss, Sie hätten einmal mit denen telefonieren sollen; dort regieren doch SPD-Mitglieder.
Herr Kollege Tauss, wir haben Ihnen gesagt: Würden Sie Ihre eigenen Parteifreunde in den Ländern überzeugen, dann könnten wir einiges anders machen. So ist der Sachverhalt.
Herr Abgeordneter Dr. Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tauss?
Ja, gerne.
Was, lieber Herr Kollege Friedrich, hat Sie denn daran gehindert, mit den Ministerpräsidenten in Bayern oder in Sachsen oder in Thüringen oder in Baden-Württemberg, wo Sie doch die Regierungen stellen, zu sprechen, um dort für Verbesserungen zu sorgen? Hätten wir uns dann nicht ein bißchen leichter getan?
Herr Kollege Tauss, ich rede immer mit der Bayerischen Staatsregierung. Ich konnte sie aber nicht überzeugen. Ich habe auch keine Rechtsgrundlage im Grundgesetz gefunden, um anzuordnen, daß die Bayerische Staatsregierung ihren Standpunkt aufgeben muß.
- Die kämpfen genauso wie die SPD-Länder um Kompetenzen. Deshalb sage ich nochmals: Es gibt, was die Zuständigkeit betrifft, Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern und eigentlich nicht zwischen der einen und der anderen Seite dieses Hauses.
Weil wir mit dieser Meinungsverschiedenheit zumindest eine Zeitlang leben müssen, haben wir uns dafür entschieden, die Regelungen im Mediendienste-Staatsvertrag mit den Ländern und im Teledienstegesetz des Bundes möglichst gleichlautend zu formulieren. Sonst hätte ja derjenige, der einen Dienst anbietet, das Problem, daß er sich vielleicht nicht richtig einordnen kann und daß er gar nicht weiß, ob Landesrecht oder Bundesrecht gilt. Er ist im Grunde genommen unsicher, ob ihm ein Bußgeldbescheid ins Haus flattern kann, weil er gar nicht weiß; welches Regelwerk für ihn gilt.
Meine Damen und Herren, das ist ein Versuch, Wir müssen jetzt zunächst einmal prüfen, ob die Praxis damit zurechtkommt. Wenn es Probleme gibt, dann müssen wir uns mit den Ländern sehr schnell wieder zusammensetzen.
Allerdings möchte ich hier auch einmal etwas zugunsten der Länder sagen. Ich habe viel Verständnis dafür, daß die Länder für Gesetzgebungszuständigkeiten kämpfen. Das, was die Landtage so machen, erinnert mich häufig an das, was in einem Petitionsausschuß beraten wird. Wenn wir mit den Ländern eines Tages wirklich über zusätzliche Kompetenzen im Bereich der neuen Mediendienste verhandeln, müssen wir ihnen auch eine Alternative anbieten, das heißt, Zuständigkeiten an sie abgeben.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Es liegt uns ein Gesetzentwurf vor, von dem wir sagen müssen -
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
auch wenn wir vielleicht finden, daß er uns nicht weit genug geht oder daß er uns an manchen Stellen zu weit geht in bezug auf die Zurückdrängung oder die Nichtbeachtung etwa der strafprozessualen Möglichkeiten -, daß mit ihm Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt. Das muß man ganz nüchtern feststellen. Wir schaffen als erstes Land in der Welt umfassende rechtliche Rahmenbedingungen für die neuen Informations- und Kommunikationsdienste.
Deshalb appelliere ich sehr stark an uns und an alle, die an diesem Punkt mitbestimmen müssen - also auch an die Länder im Bundesrat -, daß wir in Deutschland diesen eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende gehen. Wir dürfen unsere Chancen nicht wieder in kleinlichen Bedenken, in Kompetenzstreitigkeiten und Bürokratie ersticken. Ich möchte das in Anbetracht der mir zur Verfügung stehenden ganz kurzen Zeit nur an drei Einzelpunkten antippen.
Erstens. In bezug auf die digitalen Signaturen haben wir leider noch nicht den erforderlichen breiten Konsens erreicht. Dies ist für einen im Geschäftsverkehr zentralen Punkt eigentlich schade. Man muß sich auf eine digitale Signatur ebenso verlassen können wie auf eine Unterschrift unter einem Brief. Ich appelliere deshalb ausdrücklich und nachdrücklich an die SPD, nicht wieder in den typischen Fehler zu verfallen, als erstes eine - ich zitiere - zentrale hoheitliche Dokumentationsstelle zu fordern.
Lassen Sie uns doch einmal versuchen, auch in Deutschland von Anfang an etwas unbürokratisch, ohne Überreglementierung, vor allen Dingen etwas weniger etatistisch zu ordnen.
Zweitens. Wir dürfen auch nicht aus Angst vor strafbaren Inhalten die Diensteanbieter in Deutschland zu stark mit Vorschriften belegen und sie damit aus Deutschland heraustreiben. Dies führt nur dazu, daß sich nach dem Vorbild der Steueroasen jetzt möglicherweise Provider-Oasen bilden. Wir sollten von den Providern ebensowenig die Lektüre aller Inhalte verlangen wie von der Post die Lektüre aller Postkarten.
Strafbar sind schon nach geltendem Recht deshalb in jedem Fall die Urheber, die Provider aber nur dann, wenn sie Kenntnis von strafrechtlich relevanten Inhalten haben.
Die Linie, die wir mit diesem Gesetzentwurf fahren, geht manchen natürlich schon zu weit; aber anderen geht sie noch nicht weit genug. Daß wir von beiden Seiten gleichermaßen Kritik erhalten, bestätigt eigentlich die Schwierigkeit der Abwägung und die Richtigkeit der Linie, die wir einschlagen.
Drittens. Auch ein Kryptographieverbot wäre ein Rückschritt. Wir haben das mehrfach betont, und ich will es noch einmal ausdrücklich sagen. Weil man
eine E-Mail nicht zukleben kann, überträgt allein das Kryptogramm die Idee des Postgeheimnisses in die Zukunft. Offene E-Mails machen ein Netz ebensowenig attraktiv wie offene Briefe einen Postdienst. Deswegen ist das, was wir hier tun, eben ausdrücklich auf irgendwelche Vorschriften zum Kryptographieverbot zu verzichten, der richtige Weg. Er wird mit Entschiedenheit und ganz bewußt so gegangen.
Meine Damen und Herren, ich appelliere nochmals an Sie: Lassen Sie uns dieses Gesetz in einem breiten Konsens verabschieden. Ich appelliere an den Bundesrat, das Inkrafttreten des Gesetzes möglicherweise über ein Vermittlungsverfahren nicht unnötig zu verzögern. Wir sollten unseren Vorsprung bei der Schaffung sicherer rechtlicher Rahmenbedingungen nicht ohne Not verspielen.
Mit diesem Appell danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste; das sind die Drucksachen 13/7385 und - was die Ausschußfassung anbelangt -13/7934.
Die Fraktion der SPD hat Einzelabstimmung über eine Reihe von Vorschriften verlangt.
Ich rufe Art. 1 bis 3 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 1 bis 3 sind mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Ich rufe Art. 4 und 5 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 4 und 5 sind mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P., SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe Art. 6 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist Art. 6 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Ich rufe Art. 7 bis 10 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann sind Art. 7 bis 10 mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.
Ich rufe Art. 11 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist Art. 11 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einleitung und Überschrift sind mit den Stimmen von CDU/
Vizepräsidentin Michaela Geiger
CSU, F.D.P., SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung von SPD und PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/7935. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/7936. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie der Gruppe der PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 7937. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der SPD und Zustimmung des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit
- Drucksache 13/6398 -
Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß
Meine sehr verehrten Damen und Herren, könnten diejenigen, die den Saal verlassen wollen, ihn etwas ruhiger verlassen?
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Staatsminister der Justiz des Freistaates Sachsen, Steffen Heitmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über das große Interesse, das dieser Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause findet.
Der Bund macht die Gesetze; die Länder führen sie aus. Das ist zumindest auf dem Gebiet der Justizgesetzgebung die Realität. Diese Realität funktionierte so lange gut, wie die Kassen von Bund und Ländern gut gefüllt waren. Diese Zeiten sind bekanntlich vorbei.
Die Länder müssen seit 1992 die außerordentlich kostenträchtige Reform des Betreuungsrechts verkraften. Die Länder - in gewissem Umfang auch der Bund - haben durch eine immense Personal- und Sachhilfe den Aufbau der Justiz in den neuen Ländern weit vorangebracht. Die Anforderungen an die Strafrechtspflege sind mit der zunehmenden Internationalisierung, insbesondere in Richtung Osteuropa, erheblich gewachsen. In Ostdeutschland steigen die Eingangszahlen pro Kopf der Bevölkerung bei fast allen Gerichtsbarkeiten wegen der noch ungefestigten Verhältnisse weit über das westdeutsche Niveau.
Die nächste große Belastungsprobe steht mit dem Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform ab dem 1. Januar 1999 ins Haus, wenn die Bemühungen um eine weitere Verschiebung nicht zum Ziele kommen.
Immer häufiger ist in den letzten Jahren die Justiz als Reparaturbetrieb für Defizite der Gesellschaft betrachtet worden. Diese Probleme werden seitens des Bundes gern mit den Worten bagatellisiert: Die Länder sollen zunächst ihre Hausaufgaben machen und ihre Binnenreserven nutzen. Einige meinen auch, der Anteil der Justiz an den Länderhaushalten müsse erhöht werden. Diese Ratschläge sind weit hergeholt und sehr praxisfern.
Drei Dinge will ich dazu sagen:
Erstens. Rechtspflege und Justiz lassen sich nicht rationalisieren wie die Automobilproduktion.
Wir dürfen nicht übersehen, daß die zu entscheidenden Sachverhalte tendenziell komplexer werden - und ihre Durchdringung damit zeitaufwendiger. Technik kann helfen, aber sie kann die Vorgänge richterlicher Sachverhaltsaufnahme, rechtlicher Würdigung und sachgerechter Entscheidung nicht ersetzen.
Zweitens. Die Länder unternehmen seit Jahren erhebliche Anstrengungen zu einer Modernisierung der Justiz. So sind beispielsweise in der Justiz Sachsens derzeit mehr als 60 Prozent der Arbeitsplätze mit Bildschirmen ausgestattet. Sämtliche Grundbuchämter und Handelsregistergerichte arbeiten auf der Basis elektronischer Datenverarbeitung. Die Grundbuchämter sind mit den jeweils zugehörigen Katasterämtern datentechnisch vernetzt. Die Einführung des papierlosen Grundbuchs ist in einigen Ländern schon in vollem Gange. Die Voraussetzungen für ein elektronisches Handelsregister werden zur Zeit geschaffen.
Drittens. Der wachsenden Zahl von Gerichtsverfahren kann angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen nicht mehr reit Personalmehrungen begegnet werden. Das ist meines Erachtens auch von der Sache her nicht wünschenswert und nicht der richtige Weg. Bereits heute hat Deutschland mit 28 Rich-
Staatsminister Steffen Heitmann
tern auf 100 000 Einwohnern die höchste Richterdichte nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt.
Vor diesem Hintergrund legt der Bundesrat den „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit" vor. Der Entwurf hat neben einer Reihe von kleineren Änderungen drei Schwerpunkte: erstens die Stärkung des Einzelrichterprinzips, zweitens die Anhebung der Berufungs- und Beschwerdevoraussetzungen, drittens die außergerichtliche Streitschlichtung.
Erstens: zum Einzelrichterprinzip. Künftig sollen beim Landgericht alle Verfahren, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen und keine grundsätzliche Bedeutung haben, vom Einzelrichter entschieden werden. Bis zu einem Streitwert von 30 000 DM wird dies generell unterstellt. In Berufungs- und Beschwerdesachen vor dem Landgericht werden einfache Fälle auf den Einzelrichter übertragen. Sicher wird dadurch die behutsame Heranführung junger Richter an die richterliche Arbeit über die Tätigkeit in einem Kollegialgericht etwas schwieriger.
Trotzdem wird in bedeutenden Sachen auch künftig die Kammer entscheiden. Damit ist gewährleistet, daß die Kammer ihrer Funktion zur Vereinheitlichung und Verstetigung der Rechtsprechung genügen kann. Mit dieser Regelung würde bundesweit die Arbeitskapazität von mindestens 270 Richtern für andere dringliche Aufgaben gewonnen.
Zweitens: zur Berufungs- und Beschwerdesumme. Die Grenzen für die Einlegung von Rechtsmitteln sollen der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Sache angepaßt werden. Für Berufungen ist ein Beschwerdewert von mindestens 2000 DM, für Kostengrundentscheidungen von 500 DM und für sonstige Kostenentscheidungen von 300 DM festgesetzt. Bei den Kostenentscheidungen wird durch eine Zulassungsbeschwerde dafür gesorgt, daß Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung auch weiterhin zu den Rechtsmittelgerichten gelangen. Streitfragen können damit in ausreichendem Umfang obergerichtlich geklärt werden. Der Entlastungseffekt dieser Regelung beliefe sich bundesweit auf mindestens 120 Richter.
Drittens: ein paar Worte zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Eine ausreichende Entlastung der Zivilgerichte kann nicht allein durch Korrekturen am justitiellen Verfahrensrecht erreicht werden. Das Ziel muß vielmehr sein, die Zahl der zu Gericht kommenden Sachen von vornherein durch außergerichtliche Streitbeilegung zu mindern.
Dazu enthält der Gesetzentwurf eine Öffnungsklausel. Sie wird den Ländern ermöglichen, ein obligatorisches außergerichtliches Güteverfahren einzuführen, und zwar für Bagatellstreitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 1000 DM sowie für Nachbarstreitigkeiten. Unter dieser Grenze liegen jedes Jahr bundesweit über eine halbe Million Verfahren. Das bedeutet ein erhebliches - wenn auch erst mittel- und langfristig wirksames - Entlastungspotential.
Die Forderung nach einem Schlichtungsverfahren dient neben der Entlastung der Justiz vor allem aber den Bürgern. Die Schlichtungsstellen können Konflikte schneller und kostengünstiger bereinigen als die Gerichte. Vermittelnde Lösungen unter Mitwirkung der Parteien können in manchen Fällen eher dauerhaften Frieden schaffen als gerichtliche Entscheidungen.
Die große Reform ist das nicht. Der Entwurf greift nur einige Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Entlastung der Justiz auf. Wir geben uns allerdings auch nicht der Illusion hin, durch die Straffung des Verfahrensrechts all das einsparen zu können, was wir durch die Verkomplizierung des materiellen Rechts an Streitstoff schaffen.
Ich habe hier nur die drei wesentlichen Punkte des Gesetzentwurfs vorgestellt. Der Entlastungs- und Spareffekt wird aber nur dann eintreten, wenn das Gesamtkonzept des Entwurfs tatsächlich umgesetzt wird. Er ist ein Paket, das nicht zerpflückt werden darf.
Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, dem Gesetzentwurf, der ja bereits vor der ersten Lesung in verschiedenen Gremien intensiv beraten worden ist, Gesetzeskraft zu verschaffen, damit die hohe Leistungsfähigkeit der Justiz im Interesse der Bürger erhalten werden kann.
Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Professor Dr. Eckhart Pick, SPDFraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundestag debattiert heute zum wiederholten Male über die Probleme der Justiz,
die sich einerseits aus ihrer zunehmenden Inanspruchnahme durch die Bürgerinnen und Bürger ergeben - Herr Heitmann hat bereits darauf hingewiesen - und sich zum Teil in einer dramatischen Steigerung der Zahl der Verfahren manifestieren. Andererseits - auch das ist gesagt worden - kann keine staatliche Ebene, weder der Bund noch die Länder, darauf mit einer Erhöhung des Personals reagieren. Die bisherigen Versuche, zuletzt in der Form des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993, haben die Probleme nicht lösen können. Sie haben bestenfalls den Anstieg der Fallzahlen zeitweise ausgleichen können.
Die mit der Entlastungsnovelle verknüpfte Erwartung, daß damit die Aufbauhilfe in den neuen Bundesländern personell abgesichert sei und sich nach Rückkehr des Personals in den alten Bundesländern eine gewisse Reserve bilden werde, hat sich ebenfalls nicht erfüllt. Auch die Justizverwaltungen der Länder haben den haushaltsmäßigen und finanzpolitischen Vorgaben der Finanzminister Tribut zollen müssen. In den Justizverwaltungen der Länder sind
Dr. Eckhart Pick
ebenso wie in der übrigen Verwaltung Stellen in allen Bereichen der Justiz zur Disposition gestellt und zum Teil gestrichen worden.
Der heute zu debattierende Gesetzentwurf trägt den etwas harmlosen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit". Er vermeidet bewußt den Begriff der Entlastung, geht aber in der Sache denselben Weg weiter, den die Vereinfachungs- und Entlastungsgesetze bisher eingeschlagen hatten.
Demgegenüber ist festzuhalten: Es darf aus der Sicht der SPD nicht nur und nicht in erster Linie um den Entlastungsaspekt gehen.
Vielmehr haben wir zu fragen: Wie können wir die Leistungsfähigkeit und Modernisierung unserer Justiz voranbringen?
Hauptsächlich geht es um die Forderung, den Bürgerinnen und Bürgern eine an ihren Bedürfnissen orientierte Form der Justizgewähr zur Verfügung zu stellen,
das heißt, einen angemessenen Zugang zum Recht zu gewährleisten, der wichtige Streitfragen von weniger wichtigen unterscheidet und der entsprechend ihrer Bedeutung zwischen Bagatell- und existentiellen Verfahren differenzieren kann. Mit anderen Worten: Wir sollten nicht mehr wie bisher im zweijährigen Rhythmus über erhöhte Fallzahlen diskutieren und mit Streitwerterhöhung und Einschränkung von Rechtsmitteln reagieren, sondern. endlich über strukturelle Reformen nachdenken.
Dabei möchte ich, meine Damen und Herren, einige Fakten zum Zustand unserer Justiz in Erinnerung rufen:
Erstens. Die Justiz Deutschlands ist ob ihrer Qualität weltweit anerkannt. Ihre Unabhängigkeit garantiert gerechte Verfahren ohne Ansehen der Parteien.
Zweitens. Es ist weithin nicht bekannt, daß eine der großen Leistungen der Justiz der Aufbau einer heute schon gleichwertigen Gerichtsbarkeit in den neuen Bundesländern war. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten wäre ohne die Hilfe der Bediensteten, aus allen Bereichen der Justiz so nicht erfolgreich gewesen.
Drittens. Die Justiz finanziert sich - im Gegensatz zu dem größten Teil der staatlichen Verwaltung - überwiegend selbst durch entsprechende Einnahmen. Es gibt sogar profitable Bereiche. Es gibt aber
auch Bereiche, die zwar dem Justizhaushalt zugeordnet sind, die aber im allgemeinen Interesse soziale Leistungen zum Gegenstand haben. Ich denke an die Prozeßkostenhilfe, an die Beratungshilfe usw. Im übrigen tragen auch die „Konsumenten der Justiz" ihr Päckchen: So hat zum Beispiel in einem Zivilprozeßverfahren bei einem Streitwert von 5000 DM der Verlierer in der zweiten Instanz rund 6000 DM an Gerichts- und Anwaltskosten zu zahlen, ohne Zeugengebühr und Sachverständigenkosten. Es gibt folglich keinen Spielraum für eine Gebührenerhöhung. Ich denke, diese Tatsachen sind wichtig, um die heute im Vordergrund stehende zivilverfahrensrechtliche Seite richtig einordnen zu können.
Viertens. Im Jahre 1995 betrug der Anteil der Justizetats an den Gesamtausgaben der Länder im Durchschnitt 3,3 Prozent.
- Wenn man die Einnahmen abzieht, Herr Kollege Geis, bleiben durchschnittlich 2 Prozent. Es gibt Länderhaushalte, in denen der Justizhaushalt nach meiner Kenntnis sogar nur 1,8 Prozent des Gesamthaushalts ausmacht. Das heißt, das Einsparpotential an Personal und Sachmitteln ist schon durch diese Zahlen einigermaßen begrenzt.
Schlagworte sind nicht geeignet, die Probleme von Justiz und Rechtsuchenden zu lösen. Mir sind Ausdrücke wie „Justizmanagement", „schlanke Justiz" oder „lean management" eher Beweis für Konzeptionslosigkeit und Verschleierung der Defizite als Ausweis von Phantasie und Konzentration auf das Wesentliche.
Dabei stehen die eigenen Anstrengungen der Justizverwaltungen im Vordergrund. Nach meinem Eindruck bestehen hier noch erhebliche Reserven. Die sind in den einzelnen Bundesländern sicher unterschiedlich. Es geht um den verwaltungsmäßigen und technischen Ablauf innerhalb der Einheiten und zwischen den einzelnen Dienststellen. Hier kann man weiter verbessern.
Ich frage mich: Was soll man davon halten, daß der rheinland-pfälzische Justizminister kürzlich hinnehmen mußte, daß die EDV bei Amtsgerichten und kleineren Landgerichten wegen der Haushaltsprobleme derzeit nicht eingeführt werden kann? Solche Nachrichten wecken keine Begeisterung.
Sie sind eher geeignet, auf die eigene Verantwortung der Justizverwaltung bei der Beschleunigung des Tempos der Aktenwagen hinzuweisen.
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt vor allem auf Strukturreformen. Einen solchen Ansatz haben wir mit dem Antrag „Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit durch vor- oder außergerichtliche Streitbeilegung"
Dr. Eckhart Pick
und mit der Großen Anfrage „Bürgernahe und leistungsstarke moderne Justiz" vorgezeichnet.
Der Ausbau außergerichtlicher Konfliktschlichtung hat - wie auch die Beispiele im Ausland zeigen - ein bemerkenswertes Entlastungspotential, ohne den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aufzugeben. - Er ist aber nicht der Königsweg; das muß zugegeben werden. - In dieser Hinsicht begrüßen wir die Möglichkeit einer Öffnungsklausel für die Länder, sind aber auch der Meinung, den Ländern durch Einräumung einer weiteren Öffnungsklausel einen zusätzlichen Gestaltungsspielraum bieten zu können. Mediation durch entsprechend qualifizierte Rechtsanwälte ist ein weiteres dazugehöriges Stichwort.
Aus unserer Sicht sollte auch überlegt werden, ob den Ländern weitere organisatorische Befugnisse eingeräumt werden können. Auf diese Weise könnten - ähnlich wie beim Familiengericht - zusammengehörende Zuständigkeiten gebündelt werden, zum Beispiel Nachbarschaftsgerichte für Miet- und Nachbarstreitigkeiten geschaffen werden. Eine andere Möglichkeit wäre die Konzentration der Zuständigkeit bei einem Gericht. Es will mir noch immer nicht einleuchten, warum man bei einem Delikt der Körperverletzung zwei unterschiedliche Spruchkörper zur Feststellung der strafrechtlichen und der schadensersatzrechtlichen Beurteilung braucht.
Zu den Überlegungen gehört auch, die erste Instanz der Zivilgerichtsbarkeit, die Amtsgerichte, zu stärken. Diese müssen - so auch die Auffassung des Deutschen Juristentages - die eigentliche Tatsacheninstanz werden. Das war übrigens auch Thema der letzten Entlastungsdiskussion, bei der uns versprochen wurde, die Belastung der Richter erster Instanz wegen der erwarteten zusätzlichen Belastung zu kompensieren. Da ist aber nicht viel geschehen.
Auch ein dreistufiger Gerichtsaufbau, wie er den neuen Bundesländern ermöglicht wurde, sollte vorurteilsfrei geprüft werden. Wir müssen die Dienstleistung Justiz in der Fläche erhalten.
Stärkung der Eingangsgerichte bedeutet, die Gerichte personell und sächlich so auszustatten und organisatorisch so einzurichten, daß Verfahren dort in der Regel tatsächlich abschließend erledigt werden können. Das hat auch etwas mit der Qualität des dort tätigen Justizpersonals - nicht nur der Richter -, seiner Besoldung und der Akzeptanz seiner Entscheidungen zu tun. Gute Urteile sparen bekanntlich Geld.
Ich möchte noch auf einen Umstand hinweisen, der in der Diskussion zwischen Bund und Ländern eine Rolle spielt und vorhin schon angesprochen worden ist. Die Länder beklagen - zum Teil mit Recht -, daß ihnen vom Bundesgesetzgeber häufig Gesetze beschert werden, die durch die in den Gesetzen begründeten justitiablen Tatbestände zusätzliche gerichtliche Verfahren erfordern. Das ist richtig und muß vom Gesetzgeber besser beobachtet werden.
Der Bundestag ist aber auch bemüht, zu entlasten.
Ich darf darauf hinweisen, daß beispielsweise die Zwangsvollstreckungsnovelle eine ganze Reihe von Vereinfachungen und Entlastungen der Justiz enthalten wird.
Die am Mittwoch im Rechtsausschuß verabschiedete Neuregelung des Ordnungswidrigkeitenrechts enthält ein erhebliches Entlastungspotential, ohne rechtsstaatliche Standards aufzugeben. So sind die Rechtsmittel auf bestimmte Komplexe beschränkt, ist die Möglichkeit schriftlicher Verfahren erweitert, sind die Bußgeldverfahren gestrafft, eine variable Vollstreckung des Fahrverbots eingeräumt und zum Beispiel auch die Anwesenheitspflicht des Betroffenen vorgesehen. Auch die Novellierung des Betreuungsrechts wird unter dem Gesichtspunkt von Effizienz und Aufwand zu werten sein.
Das künftige schiedsgerichtliche Verfahren - es wird derzeit im Rechtsausschuß beraten - verspricht eine weitere Entlastung der Gerichtsbarkeit, wenn es gelingt, dieses Verfahren für die Beteiligten attraktiver zu machen. Ich bin zuversichtlich, daß dieser Anspruch erfüllt wird.
Ich will zur Frage der Insolvenzordnung kurz sagen, daß aus meiner Sicht eine Verschiebung der Insolvenzordnung nicht in Frage kommt. Wir haben sie gemeinsam auf Bitten der Länder von 1997 auf 1999 verschoben. Alle Beteiligten haben sich darauf eingestellt, auch einzelne Bundesländer. Dieses Gesetz ist im Interesse der Unternehmen, der Arbeitnehmer und der überschuldeten Mitbürger erforderlich.
Es geht andererseits nicht, daß das Bemühen des Gesetzgebers um Entlastung dadurch konterkariert wird, daß weiter Stellen gestrichen werden. Das brächte uns eine sehr merkwürdige Folge von Aktionen und Reaktionen. Nach Aussage des Deutschen Richterbundes sollen in Baden-Württemberg von 1997 bis 2002 insgesamt 700 Stellen, einschließlich der im Strafvollzug, wegfallen. In Niedersachsen wurden 1995/96 274 Stellen und in Bayern 1995 über 100 Stellen eingespart. Das ist ein bedenklicher und die Diskussion belastender Fehler. Es kann nicht so sein, daß der Gesetzgeber auf Grund dieser Tatsache erneut in Zugzwang gerät.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich an die Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus appellieren: Wir sollten uns zu schade sein, einen neuen Aufguß auf die Novellierungen von 1975, 1979, 1987, 1991 und 1993 draufzusetzen. Machen wir endlich eine echte Reform, auch wenn uns das viele nicht zutrauen!
Es sollte uns nicht ausreichen, streitwertabhängige Zuständigkeiten erneut zu regeln, Berufungs- und Beschwerdesummen ein weiteres Mal zu erhöhen
Dr. Eckhart Pick
oder den Einzelrichter beim Landgericht festzuschreiben. Für mich ist auch nicht die Zahl der Instanzen Merkmal einer Justizgewähr, sondern eine durch Qualität, Unabhängigkeit und Autorität überzeugende Rechtsprechung, der die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen schenken.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Entlastungsgesetz jagt das andere. Immer wieder wird versucht, durch Umverteilung innerhalb des bestehenden Systems, durch „Vereinfachung" sogenannter geringfügiger Verfahren sowie durch Erhöhung der Rechtsmittelsummen dem Druck auf die Ziviljustiz zumindest die Spitze zu nehmen. Dem rechtsuchenden Bürger und dem Rechtsstaat hat man damit oft keinen guten Dienst erwiesen.
Innerhalb des bestehenden Systems gibt es nur noch wenig Spielraum für weitere Entlastungsgesetze. Ansonsten nimmt man in Kauf, daß die Qualität der Entscheidungen sinkt und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat weiter Schaden nimmt.
Eine moderne Justiz kann auf die wachsenden Belastungen aber nicht allein mit dem Ruf nach mehr Personal reagieren. Es ist an der Zeit für eine grundlegende Justizreform an Stelle einer unendlichen Abfolge von Rechtspflegeentlastungsgesetz auf Rechtspflegeentlastungsgesetz.
Ziel muß die Schaffung einer bürgernahen und bürgerfreundlichen Justiz sein, einer Justiz, die zeitnah entscheidet, in überschaubaren Strukturen organisiert ist und die Unabhängigkeit der Gerichte in Organisation und Verfahren garantiert. Diese Ziele ließen sich in einem dreistufigen Gerichtsaufbau mit einer Stärkung der Eingangsinstanz weitaus besser verwirklichen als mit dieser Reform.
Es ist bedauerlich, daß die Justizminister der Länder der Mut verlassen hat und sie im letzten Jahr von der Umsetzung dieses Vorhabens wieder - wenn auch nicht endgültig - Abstand genommen haben. Hier sollte man einmal neu nachdenken und überlegen, ob der Gewinn an Rechtsstaatlichkeit und Bürgernähe nicht letztendlich die unmittelbar kurzfristig anfallenden Kosten einer solchen Reform weit überwiegt.
Auch die Binnenreserven der Justiz sind freizusetzen. Ich möchte hier nicht in die allgemeine Länderschelte einstimmen nach dem Motto: Kauft ihr erst
einmal Computer für eure Gerichte, dann reden wir über weitere Entlastungsmaßnahmen. Die Bundesländer haben in den letzten Jahren in diesem Bereich große Anstrengungen unternommen. NRW will bis zum Jahre 2003 unter Rot-Grün eine halbe Milliarde DM investieren. Daß trotzdem noch immer vieles getan werden muß, ist unbestreitbar. Wir sollten uns aber darüber im klaren sein, daß die EDV allenfalls ein Hilfsmittel zur Erleichterung von Arbeitsabläufen, aber letztlich kein Allheilmittel sein kann.
Wir brauchen die Erneuerung nicht nur der Technik, sondern vor allem auch eine Erneuerung des Geistes in der Justiz.
Die Strukturen innerhalb der Justiz sind zu demokratisieren. Demokratische Strukturen, das meint: mehr Mitbestimmung, mehr Selbstverwaltung. Um die Unabhängigkeit der Richter zu stärken und die Justiz insgesamt demokratisch zu gestalten, halten wir den Abbau von Hierarchien in den Gerichten für erforderlich. Ich denke hierbei etwa an die Vergabe von Vorsitzendenfunktionen auf Zeit, die Vergabe dieser Funktionen durch Wahl der richterlichen Mitglieder des jeweiligen Gerichts und die gleiche Besoldung der Richter. Für die Wahrnehmung der auf Zeit vergebenen herausgehobenen Funktionen wäre ein Zulagensystem vorzusehen.
Durch organisatorische Trennung von Gerichtsverwaltung und Rechtsprechung ließe sich die Verwaltung effektivieren und professionalisieren. Hierdurch würde zugleich das Präsidium entlastet und könnte sich auf die Selbstverwaltung der Rechtsprechung konzentrieren. Die Juristenausbildung muß stärker als bisher auf das Verständnis sozialer und wirtschaftlicher Probleme ausgerichtet werden. Auch kommunikative Fähigkeiten sind zu fördern.
Gemessen an diesen Überlegungen enthält der vorliegende Bundesratsentwurf durchaus etwas Licht, aber leider auch sehr viel Schatten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt mit Nachdruck die Idee des obligatorischen Schlichtungsverfahrens. Schlichtungsverfahren dürften sich in einer Vielzahl von Fällen als geeigneter erweisen, den Rechtsfrieden zwischen den Parteien wiederherzustellen, als dies in den streng formalisierten Gerichtsverfahren möglich ist.
Das Schlichtungsverfahren sollte aber auch in denjenigen Fällen durchgeführt werden müssen, in denen ein „mißlungenes" Mahnverfahren vorausgegangen ist. Wenn wir uns nicht auf eine dahin gehende Regelung verständigen, läßt sich schon heute die Flucht der Schlichtungsgegner ins Mahnverfahren vorhersagen. Auch der Entlastungseffekt für die Justiz wäre dann nur gering.
Volker Beck
Der Erfolg der vorgesehenen Maßnahme hängt im übrigen ganz entscheidend von der Qualität des Schlichtungsverfahrens ab. Solange nicht flächendeckend mit kompetenten Schlichtern besetzte Schlichtungsstellen vorhanden sind, wird auch dieses Verfahren nur als lästige und zeitaufwendige Durchlaufinstanz angesehen werden.
Die Motivation in der Anwaltschaft für außergerichtliche Streitbeilegung muß erhöht werden.
Ob die vorgeschlagenen Gebührenerhöhungen ausreichen, hier den erforderlichen Motivationsschub zu leisten, wird in den Ausschußberatungen noch zu prüfen sein.
Gegen den verstärkten Einsatz des Einzelrichters im landgerichtlichen Verfahren bestehen keine grundlegenden Einwände. Anders als eine erneute Streitwerterhöhung bedingt dieser Schritt nicht ein neuerliches Überwälzen von Arbeit zu den schon ohnehin über Gebühr belasteten Amtsgerichten. Daß Entscheidungen des Einzelrichters nicht grundsätzlich schlechter sind als die des Kollektivs, ist nachgewiesen. In den derzeit bestehenden Spruchkörpern an den Landgerichten entscheidet häufig allein der Berichterstatter sachkundig über den Fall. Die Möglichkeit, ein Verfahren in schwierigen Fällen auf die Kammer zurückzuübertragen, halten wir allerdings für unabdingbar. Darüber hinaus muß auch sichergestellt werden, daß junge und unerfahrene Proberichter nicht als Einzelrichter eingesetzt werden dürfen.
Hessen hat zu diesem Punkt bereits einen Änderungsvorschlag im Bundesrat gemacht. Wir werden ihn in den Beratungen erneut aufgreifen.
Auf unsere entschiedene Ablehnung stoßen die Vorschläge, die Unanfechtbarkeit erstinstanzlicher Entscheidungen durch Heraufsetzung der Streitwertgrenze für die Einlegung einer Berufung von 1500 DM auf 2000 DM auszuweiten. Die Zahl der nicht mehr korrigierbaren Urteile erhöht sich damit in einen Bereich hinein, der von den meisten Bürgerinnen und Bürgern kaum noch als Nichtigkeit angesehen wird. Dieser Vorschlag ist ein echter Anschlag auf die Rechtsgewährung für die kleinen Leute - keine Katastrophe für den Rechtsstaat, aber doch ein empfindliches Übel.
Über eine Erhöhung der Berufungssumme ließe sich erst dann diskutieren, wenn wir uns zur Vornahme einer grundlegenden Neuordnung des Rechtsmittelsystems entschließen könnten. Wir wollen sicherstellen, daß schwere Rechtsfehler auch bei geringen Streitwerten korrigierbar sind. Deshalb regen wir die Schaffung eines völlig neuen Kassationsverfahrens an. Ein solches ist überfällig; das zeigt bereits die Untersuchung von Professor Rottleuthner zu § 495 a ZPO - vereinfachtes Verfahren -: In den 36 Fällen, in denen nach der Gesetzeslage hätte mündlich verhandelt werden müssen, fand nur in 16 Fällen eine mündliche Verhandlung tatsächlich statt.
Dies sind unzweifelhaft greifbare Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör. Doch auch in anderen Fällen unterhalb der Berufungssumme unterlaufen den Richterinnen und Richtern Fehler. Wie könnte es auch anders sein?
Mit Ausnahme der Verfassungsbeschwerde sieht unser Recht gegen derartige Rechtsverstöße aber keinerlei Rechtsmittel mehr vor. Unter Hinweis auf diese Gesetzeslage lehnen manche Landgerichte die Berufung ab; die Bürger haben dann eben Pech gehabt. In anderen Gerichtsbezirken wird dagegen - contra legem - gleichwohl ein Rechtsmittel zugelassen.
Hierzu müssen wir endlich eine eindeutige Regelung treffen, die der materiellen Gerechtigkeit Genüge tut. Mit dem blauen Himmel über den Amtsgerichten muß endlich Schluß sein.
Die im Entwurf vorgesehene Ausweitung der bisher nur im vereinfachten Verfahren gegebenen Möglichkeit des Verzichts auf Tatbestand und Entscheidungsgründe auf sämtliche nicht rechtsmittelfähigen Urteile halten wir ebenfalls für völlig inakzeptabel.
Daß die Richter bei der Abfassung ihrer Urteile Romane schreiben, verlangt ja niemand. Aber kann man ernsthaft erwarten, daß ein Urteil als richtig akzeptiert wird, wenn man den Betroffenen noch nicht einmal in groben Zügen mitzuteilen bereit ist, auf welchen Erwägungen die Entscheidungen des Gerichts beruhen?
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des § 21g GVG stellt einen ersten Schritt zu einer Enthierarchisierung in den Gerichten dar. In einer Justiz ohne beamtenähnliche Hierarchien ist für Vorrechte bestimmter Berufsgruppen kein Raum. Es muß Schluß damit sein, daß lediglich der Vorsitzende die Geschäftsverteilung innerhalb des Spruchkörpers festlegt. Die Geschäftsverteilung ist vielmehr durch die Mitglieder des Spruchkörpers vorzunehmen.
Aus den gleichen Erwägungen heraus kann aber auch das bisher geltende Recht, wonach die Hälfte der Mitglieder des Präsidiums der Gerichte unbedingt Vorsitzende Richter sein müssen, keinen Bestand haben.
Der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, kann Anlaß sein, -
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß Ihrer Ausführungen kommen.
- über den Reformbedarf in der Rechtspflege zu spre-
Volker Beck
chen. Er enthält einige Ansätze zur Reform, bedarf aber dringend der Überarbeitung.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Detlef Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bei allem großen Respekt vor den handelnden Personen und vor der Leistung unserer Gerichte fällt doch eines an diesem Entwurf auf, und das ist die Phantasielosigkeit.
Alle Jahre wieder immer weiter nach einem vorgegebenen mathematischen Schema zu versuchen, zusätzliche tatsächliche oder angenommene Belastungen durch ein Verschieben der Grenzen nach oben zu begegnen, das ist wirklich zu wenig. Es ist allmählich auch in dieser Häufung eine Zumutung gegenüber dem Gesetzgeber.
Ich habe mich vorhin dabei ertappt, mich zu fragen, ob wir jetzt nicht schon den Punkt erreicht haben, an dem sich die Namensgebung für diese Gesetze nicht mehr variieren läßt, sondern wir bereits wieder von vorn anfangen und jetzt in einen Turnus gelangen. Ich bin mir da nicht ganz so sicher, und es ist auch nicht so wichtig.
Was übrigbleibt, ist folgendes: Hier wird zu undifferenziert an die Sache herangegangen. So differenziert wie Herr Beck möchte ich auch nicht gern herangehen. Das von ihm Vorgetragene klang so, als ob hier auf neuartigen Wegen - der Vorwurf der Phantasielosigkeit kann dafür natürlich nicht gelten - versucht würde, neue Überlastungen durch schwierigere Abläufe bei der Geschäftsverteilung, durch Einführung eines Kassationsverfahrens, das ja wohl - wenn man in die Einzelheiten geht - dem Berufungsverfahren oder dem Revisionsverfahren irgendwie ähnlich sein dürfte, herbeizuführen. Das wird es wohl auch nicht bringen.
Ganz andere Fragen drängen sich auf bezüglich des Einzelrichters. Es hat ja noch nie jemand bestritten, daß ein Einzelrichter mindestens so gescheite Urteile wie eine Kammer fällen kann. Die Sache wird erst interessant, wenn man die Frage beantwortet, in wieviel Prozent der Fälle das der Fall sein wird. Wir müssen wohl doch davon ausgehen, daß das Abwägen in einem Gremium sich von der Not des einzelnen, der sich dann nicht beraten kann, unterscheidet.
Die Idee, Herr Beck, eine Rückübertragung von dem Einzelrichter auf die Kammer vorzusehen, ist nun überhaupt nicht neu. Sie ist aber immer daran gescheitert, daß man sich vernünftigerweise Marge-macht hat, in der Praxis werde von dem Einzelrichter ein Offenbarungseid verlangt, wenn er sagt, er schaffe es nicht und gebe es an die Kammer zurück. So einfache, tief im Menschlichen liegende Einwände müssen natürlich auch berücksichtigt werden, wenn man vernünftig darüber nachdenken will.
Zum Einzelrichter können wir kommen, wenn wir einmal soweit sein sollten - daß ein gewisser Circulus vitiosus vorliegt, wird nicht übersehen -, daß wir hier viel ältere, viel erfahrenere, auch in mehreren Berufen erfahrene Richter - ich habe das hier schon des öfteren gesagt - haben, die man dann auch in gewissen Funktionen anders besolden kann. Davon sind wir noch weit entfernt. Damm möchten wir auch als Anwälte eine Auswahl haben, wenn wir dem Richter die Probleme unserer Mandanten nahebringen wollen, und wenigstens einen finden, der an der richtigen Stelle ein offenes Ohr hat.
Die Erhöhung der Berufungssumme von 1 500 auf 2 000 DM spielt sich ohnehin schon in gespenstischen Höhen ab, wenn man daran denkt, wovon wir einmal ausgegangen sind. Schon seit langem ist eine Vielzahl von Fällen erfaßt, die eben keine Peanuts mehr sind, wobei ich einmal den Blick darauf lenken möchte, daß in gewissen Massenverfahren über hohe Millionenbeträge entschieden wird, obwohl im Einzelfall die Streitwerte unter 1 500 DM liegen. Es gibt nun einmal wiederkehrende Leistungen. Es gibt zum Beispiel - das weiß ich aus Erfahrung - Versicherungsprämien, deren Einzug oder Nichteinzug von der Beurteilung von Rechtsfragen abhängt, die vom Amtsrichter entschieden werden und nach derzeitigem Recht von ihm gar nicht wegzubekommen sind.
Da muß man zu solchen Lösungen kommen, wie sie früher auch einmal im Wohnungsbereich gefunden wurden: daß man nämlich einen Rechtsentscheid vorsieht, weil die Tatsache gar nicht interessiert und auch nicht kompliziert ist. Man muß also an höherer Stelle eine Vereinheitlichung des Rechtes in Fällen herbeiführen, bei denen sehr große Werte nur in kleinen Teilstücken bewegt werden. Diese Fragen sind hier viel interessanter, als wieder einmal 500 DM daraufzulegen.
Das obligate Schlichtungsverfahren ist sicherlich ein Hinweis darauf, daß bedauerlicherweise die Schlichtungsmöglichkeiten zuwenig angenommen werden. Wir haben uns schon mit dem Anwaltsvergleich, mit seiner Vollstreckbarkeit usw. viel Mühe gemacht. Er wird nicht annähernd in dem Maße angenommen, das wir uns einmal davon erhofft haben. Wie man das nachhaltiger propagieren und noch akzeptabler gestalten kann, werden wir zu überlegen haben.
Die Angelegenheit jetzt aber länderweise aufzusplittern wäre wieder ein Akt der Arbeitsbeschaffung. Ich möchte wirklich keine Länderzuständigkeit, die dazu führt, daß man sich jedesmal überlegen muß, welch seltsames Schlichtungsverfahren in diesem oder jenem Bundesland wohl vorgeschaltet ist. Das hätte ich dann schon gerne - natürlich in voller Übereinstimmung mit dem Bundesrat - bundeseinheitlich geregelt. Daß wir hier ganz wesentlich die Anwaltschaft als die Berufenen für Schlichtungen und gütlichen Ausgleich beteiligen müssen, das bedarf angesichts der Tatsache keiner Erwähnung, daß schon heute von 100 Sachen, die den Anwälten vorgetragen werden, etwa 70 schiedlich-friedlich erledigt werden, bevor es überhaupt zu einer Klage
Detlef Kleinert
kommt. Das spricht sehr dafür, wohin man diese Dinge geben muß.
Die Abfassung der Urteile ist für mich nicht halb so interessant wie die auch schon einmal hier vorgetragene Tatsache, daß Urteile nicht verkündet werden sollten, bevor sie begründet vorliegen, damit daraus nicht gewisse Schwierigkeiten entstehen, die ich bei dem hier anwesenden Personenkreis nicht näher darzustellen brauche.
- So ist es in der Tat: lauter Rechtsfreunde. Daher wissen sie auch, was geschieht, wenn man erst einmal einen Tenor verkündet hat, ohne daß man schon die Gründe parat hatte.
Mit der Zwangsvolistreckungsordnung, der Neuregelung des Kindschaftsrechts, dem Ordnungswidrigkeitengesetz und dem Betreuungsgesetz - Herr Pick hat hier schon einiges zitiert - sind vom Gesetzgeber, der in diesem Zusammenhang so gerne negativ zitiert wird, wesentliche Schritte zur wirklichen Justizentlastung in Angriff genommen worden. Diese Schritte stehen vor der Vollendung. Hier wird wirklich etwas Arbeitsbelastung gespart werden.
Bei der Verbesserung der Arbeitsabläufe, die ich zum Schluß noch einmal anmahnen möchte, denken wir viel weniger an die EDV als an die Organisation an und für sich, an ein allgemeines Bewußtsein von effizienten Arbeitsabläufen in jeder Hinsicht, begonnen beim materiellen Recht und endend bei der Technik in den Gerichten.
Herzlichen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Professor Uwe-Jens Heuer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die große Reform sei das nicht, hat der sächsische Justizminister gesagt. Man kann leider nur sagen: Wie wahr!
An der altehrwürdigen und schwer durchschaubaren Zivilprozeßordnung von 1877 wird ständig herumgedoktert. In Schönfelders Textsammlung sind allein zwischen August 1953 und Oktober 1996 nicht weniger als 75 Änderungen verzeichnet worden. Eine längst fällige grundlegende Reform ist nie gewagt worden. Mit dem vorliegenden Entwurf des Bundesrates - das ist hier schon mehrfach gesagt worden - geht die Flickschusterei weiter.
Der Entwurf ist - auch das ist schon gesagt worden - von der Personal- und Geldknappheit inspiriert. In der Begründung wird vorgerechnet, wie sehr die Rechtspflege durch ständig steigenden Geschäftsanfall und neu zugewiesene Aufgaben überlastet wird. Das geht bis zum Eingeständnis, daß auf Dauer die bürgerliche Rechtspflege nicht in der Lage sein wird, dem rechtssuchenden Bürger in angemessener Zeit
Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht weitergehende Maßnahmen kommen.
Aber um welche Maßnahmen geht es hier? Vereinfachung und Beschleunigung heißt der Zauberspruch, der nun zum soundso vielten Male die Probleme der Justiz lösen soll. Sie haben ihre Ursachen aber wesentlich außerhalb des Zivilverfahrens, nämlich in der Gesellschaft und im materiellen Recht.
Wie kommt es denn zu dieser steigenden Flut gerichtlicher Verfahren? Die Bürgerinnen und Bürger würden wohl gerne ohne den meist unangenehmen Gang zum Gericht auskommen. Doch, um mit Brecht zu sprechen, die Verhältnisse, die sind nicht so. Seit Beginn der 80er Jahre und verstärkt seit 1990 spitzen sich in dieser kapitalistischen Gesellschaft die Widersprüche zu, verschärfen sich Konfliktsituationen. Der Rechtsstaat wird teilweise untergraben, der Sozialstaat abgebaut. Staat und Gesellschaft schlittern immer zügiger in eine tiefe Krise. Dieser Zustand führt natürlich notgedrungen zu massenhaften Rechtskonflikten und Zivilrechtsstreitigkeiten.
Der andere Ursachenkomplex für Justizüberlastung ist juristisch hausgemacht. Das materielle Recht wird immer komplizierter; es ist undurchschaubar, unberechenbar und aus diesem Grunde vielfach ungerecht. Es findet eine maßlose Verrechtlichung gesellschaftlicher Beziehungen statt. Auch das hat vielfältige Ursachen. Heute gilt mehr denn je das schöne Wort für den rechtssuchenden Bürger: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.
Das bestehende Gerichtssystem ist antiquiert. Es gibt seit langem Vorschläge von verschiedenen Seiten - auch von den Ländern; darauf ist heute schon hingewiesen worden -, ein dreistufiges Gerichtssystem einzuführen. Im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit hätte sich eine entsprechende Reform des Gerichtssystems geradezu angeboten. Aber nichts dergleichen geschah.
Nach unserer Auffassung sollten in der ersten Stufe alle Zivilrechtsverfahren erster Instanz durchgeführt werden, und zwar unabhängig vom Streitwert. Auf dieser Stufe könnten Einzelrichter tätig werden, denen Laienrichter zur Seite stehen. Die zweite Stufe sollte von vornherein als Rechtsmittelinstanz mit Kollegialgerichten ausgestaltet werden. Gegen jede Entscheidung erster Instanz in der Hauptsache muß ein Rechtsmittel gewährt werden. Die dritte Stufe sollte Revisionsinstanz sein und der Rechtsprechung damit in Grundsatzfragen vorbehalten bleiben, wobei der Zugang zu ihr mittels sachlicher Kriterien zu beschränken wäre.
Ein solches System wäre nicht nur kostengünstiger, sondern auch einfach und durchschaubar. Es würde mehr Rechtssicherheit schaffen, und das sollte doch wohl der Ausgangspunkt und das Ziel aller Überlegungen zum Zivilverfahren sein. Die PDS wird in Bälde einen entsprechenden Gesetzentwurf einreichen und dabei auch die Problematik des Abbaus von Hierarchien einbeziehen.
Aus dem von mir Gesagten ergibt sich, daß die jetzigen Maßnahmen zur Erhöhung von Wertgrenzen und anderes nach meiner Meinung nicht sinnvoll
Dr. Uwe-Jens Heuer
sind und es eben um grundsätzliche Änderungen geht.
Noch zu ein paar Einzelproblemen: Man will das Einzelrichterprinzip stärken. Dieses Prinzip ist jedoch kein Wert an sich. Wenn man das Einzelrichterprinzip stärkt, schwächt man nolens volens das Kollegialprinzip. Das sollte klar ausgesprochen werden. Erforderlich ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Prinzipien.
Ich sehe die Fragwürdigkeit der vorgesehenen Stärkung des Einzelrichterprinzips darin, daß in einer Vielzahl von Fällen durch eine in Zukunft noch höhere Berufungssumme die Überprüfung einzelrichterlicher Entscheidungen ausgeschlossen wird. Das kann nun wirklich nicht mehr rechtsstaatsgemäß sein.
Auch zu den Vorschlägen im Entwurf zur Erleichterung bei der Abfassung von Urteilen habe ich eine Anmerkung. Ich weiß natürlich, daß es Richter gibt, die ihre allumfassende Rechtskenntnis in ausufernden Urteilstexten mit Zitaten aus Literatur und Rechtsprechung unter Beweis stellen. Die Länge der Urteilsbegründungen sagt in der Regel wenig über das Problembewußtsein der Richter, ihre Gründlichkeit und ihren juristischen Sachverstand aus.
Ich halte es aber nicht für richtig, daß der Einzelrichter erster Instanz unter bestimmten Umständen Urteile überhaupt nicht mehr begründen muß. Auch das ist hier schon gesagt worden. Das widerspricht der Rechtssicherheit, entrückt den Richter aus der öffentlichen Kontrolle und öffnet dem Subjektivismus Tür und Tor.
Für sehr wichtig halte ich allerdings die Vorschläge zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Das ist ein wirklicher Versuch, Neuland zu betreten, wobei auch ich weiß, daß es vorhandene Ansätze gibt. Vorgerichtliche Schlichtungsverfahren möchte ich begrüßen. Eine gütliche außergerichtliche Einigung ist einem Gerichtsurteil allemal vorzuziehen. Sie wissen, daß in der DDR nahezu 90 Prozent aller Arbeitsrechtsstreitigkeiten durch die Konfliktkommissionen erledigt wurden. Allerdings ist es nicht gelungen, mit den Schiedskommissionen und deren Zuständigkeit in Zivilsachen auch nur annähernd ähnliche Ergebnisse zu erreichen.
Ich stimme auch dem zu, was hier gesagt wurde, nämlich daß wir überlegen müssen: Welche Gründe stehen denn einer solchen Bereitschaft zur gütlichen Entscheidung entgegen? Was müssen wir machen, wenn wir dies in Angriff nehmen? Was müssen wir machen, um hier die Wirksamkeit und die Akzeptanz durch die Bürger zu erhöhen? Das Ganze steht und fällt mit der Akzeptanz durch die Bürger. Sonst gibt es weitere Zuständigkeiten, und dann haben wir keine Entlastung der Justiz erlangt.
Ich meine aber, wir sollten diesen Weg gehen und im Ausschuß gründlich darüber beraten, wie man das nutzen kann und wie man erreichen kann, daß dieser Weg erfolgreich gegangen wird. Ich hoffe auf eine gründliche Diskussion im Rechtsausschuß.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister der Justiz, Professor Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung begrüßt den Grundansatz und die Zielsetzung des Entwurfs, nämlich die Effektivität der Zivilrechtspflege sicherzustellen. Sowohl für das gedeihliche Miteinander der Bürger als auch für die wirtschaftlichen Abläufe ist eine verläßliche und gut funktionierende Justiz ein ganz wesentlicher Faktor. Die Justiz soll für die Durchsetzung berechtigter Ansprüche und Einwendungen, also für Gerechtigkeit und Rechtssicherheit sowie für Rechtsfrieden sorgen, und das möglichst in verträglich kurzen Fristen.
Alle Maßnahmen, die im Interesse der Bürger eine Vereinfachung der gerichtlichen Verfahren und eine Beschleunigung des Rechtsschutzes herbeiführen, sind deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Sie dürfen jedoch nicht zu einem Substanzverlust bei der Qualität der Rechtsfindung und Rechtsprechung führen. Das ist das Schwierige bei dem Entwurf, den wir hier vorliegen haben.
Dieser Entwurf wäre nämlich - darauf ist verschiedentlich schon hingewiesen worden - in diesem Jahrzehnt bereits die dritte Entlastungsnovelle im Zivilrecht, und zwar nach dem Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz von 1990 und dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege von 1993. Das Verfahren des Zivilprozesses ist also längst verschlankt und reduziert. Viele der Vorschläge des Entwurfs lassen selbst nach Auffassung seiner Verfasser überhaupt nur in ihrer Summe noch eine Entlastungswirkung erwarten.
Etlichen Gesetzesänderungen, die den herkömmlichen Verfahrensablauf reibungsloser gestalten, vereinfachen und verbessern sollen, könnte danach zwar grundsätzlich zugestimmt werden. Nicht unproblematisch sind aber manche der Vorschläge, die einen größeren Entlastungseffekt anstreben. Sowohl die Reduzierung von Rechtsmitteln als auch die Stärkung des Einzelrichters berühren die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen durch die Betroffenen. Ich bin überzeugt, daß diese Vorschläge im weiteren parlamentarischen Verfahren noch intensiv und kritisch geprüft werden.
Das gilt gerade - auch dazu ist hier schon mehrfach gesprochen worden - für die vorgeschlagene Anhebung der Berufungssumme auf 2000 DM. Das kann man zwar machen, aber ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, daß die Berufungssumme seit 1975, also seit gerade einmal etwas mehr als 20 Jahren, viermal, und zwar von damals 200 DM - das muß man sich heute fast auf der Zunge zergehen lassen - auf heute 1500 DM, angehoben wurde.
Diese Steigerung um mehr als das Siebenfache überschreitet die Steigerung der Lebenshaltungskosten bei weitem. Sie hat bereits jetzt dazu geführt, daß die Berufungssumme ihren ursprünglichen Charakter als Bagatellgrenze verliert. Es besteht die Ge-
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
fahr, daß die Berufung ab einem gewissen Punkt eine möglichst einheitliche Rechtsprechung nicht mehr in allen Bereichen gewährleisten kann. Ganze Rechtsgebiete, insbesondere Fragen der Mieterhöhung oder der Nebenkostenabrechnung, des Reisevertragsrechts oder des sonstigen Verbraucherschutzes, werden zunehmend fast ausschließlich vor den Amtsgerichten verhandelt.
Vor diesem Hintergrund betreibt das Bundesjustizministerium im Benehmen mit den Ländern eine rechtstatsächliche Untersuchung über die Berufung und damit das Rechtsmittelsystem im Ganzen. Die Länder beabsichtigen darüber hinaus, eine Arbeitsgruppe mit dieser Frage zu befassen. Das ist auch notwendig, weil die Spielräume immer enger geworden sind. Die vielen Zivilprozeßnovellen in diesem Jahrhundert haben nämlich das Potential für weitere Straffungen des Verfahrens kontinuierlich verringert.
Das Schwergewicht der Entlastungsmaßnahmen sollte deshalb in anderen Bereichen gesucht werden. Ein solcher Bereich ist die Verlagerung von Auf gaben aus der Justiz auf andere Träger. Hier müssen auch Ideen wie eine Übertragung der Anwaltszulassung auf die Rechtsanwaltskammern geprüft werden. Aber selbst eine von vielen als revolutionär empfundene Sache wie eine Übertragung des Handelsregisters auf Selbstverwaltungsträger, also auf Kammern, müßte unvoreingenommen geprüft werden.
Sehr begrüßenswert finde ich auch den Vorschlag des Bundesrates, zur Effektivierung und Beschleunigung des Rechtsschutzes das in der Förderung einer außergerichtlichen Streitschlichtung liegende Entlastungspotential auszuschöpfen. Dazu habe ich hier heute auch durchweg Zustimmung gehört, und ich will mich dieser Zustimmung ausdrücklich und aus Überzeugung anschließen.
Der Entwurf sieht eine Öffnungsklausel vor, die den Ländern ermöglichen soll, bei bestimmten Bagatellsachen die Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs vorzusehen. Auch der Deutsche Anwaltstag hat sich im Mai dieses Jahres mit dem Thema der Streitschlichtung befaßt und ein eigenständiges Modell vorgestellt.
Die von den Ländern gewünschte Öffnungsklausel würde es ermöglichen, aus den derzeit diskutierten Modellen das aus Sicht der Länder erfolgversprechendste auszuwählen. Notfalls sollten wir, wenn sich die Beratungen im übrigen verzögern oder wegen der durchweg kritischen Einstellung auch sonst hinziehen, dieses Stück separieren, vorziehen und auf jeden Fall nicht weiter verzögern, also schneller zur Entscheidung hier im Parlament bringen.
Ein anderer vielversprechender Bereich der Justizentlastung - darauf will und muß ich ausdrücklich noch einmal zu sprechen kommen, obwohl verschiedene von Ihnen, meine Damen und Herren, dazu auch schon ihre Anregungen gegeben haben - ist die
Mobilisierung justizinterner Ressourcen, zum Beispiel durch strukturelle, durch organisatorische Verbesserungen.
Zwar haben die Landesjustizverwaltungen die Einführung von Serviceeinheiten oder die Ausstattung von Gerichten und Staatsanwaltschaften mit Informations- und Kommunikationstechnik mittlerweile in Angriff genommen, aber in weiten Bereichen eben doch reichlich spät und auch nur halbherzig.
Lieber Herr Kollege Heitmann, die allseits blühende Justizlandschaft, die Sie an diesem Punkt geschildert haben, ist jedenfalls - ich sage das hier ausdrücklich - speziell in den alten Ländern nicht vorhanden. Die Potentiale zur Steigerung der Effektivität sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Das gilt für die Ablaufgestaltung oder die Aktenverwaltung ebenso wie für Aus- und Fortbildungsfragen. Viele Länder sollten einfach die Verantwortung für die Ausstattung ihrer Justizen noch ernster nehmen.
Dies reduziert zwar nicht die Verfahrenszahlen, ermöglicht es aber den Richtern, die Arbeit besser zu bewältigen und schneller Recht zu finden und zu sprechen. Denn daß wir keine Vermehrung der Personalstellen erwarten können und sollten, ist, glaube ich, in diesem Hause unstrittig.
Meine Damen und Herren, die Justiz ist zwar nicht unbegrenzt belastbar, sie ist aber auch nicht fortwährend mit dem Ziel der Entlastung reformierbar. Bei den weiteren Beratungen des Entwurfs müssen wir deshalb gerade auch mit Blick auf die schwierige Haushaltslage der Länder im Auge behalten, daß verfahrensrechtliche Garantien nicht beeinträchtigt werden dürfen. Die Funktionsfähigkeit der Justiz und die Qualität ihrer Entscheidungen müssen erhalten bleiben.
Es sollte immer bedacht werden: Wie der Bürger im Alltag seinen Staat erlebt, hängt auch und gerade von seinen Erfahrungen mit der Justiz ab. Deshalb sollten wir der Qualitätssteigerung und der Effektivierung, aber nicht einer einseitigen Reduzierung der Justiz unseren Eifer widmen.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Horst Eylmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der vorigen Legislaturperiode ein Justizentlastungsgesetz verabschiedet, das schnell den Namen Justizbelastungsgesetz bekam. Die Erfahrungen mit diesem Gesetz stimmen mich sehr skeptisch. Ich bin nicht gegen Reformen, im Gegenteil. Aber sie müssen diesen Namen verdienen. Lassen Sie mich deshalb in aller Kürze, aber mit der gebotenen Deutlichkeit acht Thesen zu diesem Entwurf vorstellen.
Erstens. Die Justiz ist in manchen Bereichen überlastet. Die Richterinnen und Richter arbeiten dort mehr, als ihre Pflicht gebietet. Wir haben ihnen zu
Horst Eylmann
danken. Denn dank dieses Arbeitseinsatzes funktioniert die Justiz noch besser, als sie es wahrhaben will. Die Justiz ist aber nicht in allen Bereichen überbelastet, insbesondere nicht bei einem Obergericht. Ich könnte das belegen.
Zweitens. Wenn die Länder für erneute Änderungen der Verfahrensgesetze Akzeptanz haben wollen, hätten sie schon längst gegen die Nebenbeschäftigung der Richter einschreiten müssen. Der Fall Henrichs fällt nur durch die Höhe des Salärs aus dem Rahmen. Er ist aber im übrigen nur die Spitze eines Eisbergs. Zwar haben nicht alle und auch nicht die meisten Richter Nebenbeschäftigungen, aber doch mehr, als daß man das vernachlässigen könnte. Ich erinnere nur an die Tätigkeit der Arbeitsrichter in den Einigungsstellen.
Drittens. Die Justiz könnte mit ihrer Arbeit schneller fertig werden, wäre sie besser organisiert. Hier ist zwar viel geschehen, aber im Durchschnitt ist jede Gemeindeverwaltung besser mit modernen Bürohilfsmitteln ausgestattet als die Gerichtskanzleien. In vielen Gerichten ist das Symbol der Justiz nicht die Justitia, sondern der Wagen, mit dem die Akten von Justizwachtmeistern sacht von Ort zu Ort geschoben werden. Erst in der letzten Anhörung hat uns ein Amtsrichter gesagt, daß er schon jahrelang auf einen PC wartet.
Viertens. Die Organisationsmängel gehen weit über den Kanzleibereich hinaus. Wir brauchen Rechtspflegeministerien in allen Ländern. Es wird Zeit, daß die Gerichte alle unter einem Dach angesiedelt sind.
Gerichtszweige haben sich zu weit auseinanderentwickelt. Ich hätte nichts dagegen, die Arbeitsgerichtsbarkeit zu einer Abteilung der Amtsgerichte zu machen. Zwischen Mietstreitigkeiten und Arbeitsgerichtsstreitigkeiten bestehen keine fundamentalen Unterschiede.
In beiden Fällen handelt es sich um Verfahren mit einem starken sozialen, die Existenz der Betroffenen berührenden Bezug. Außerdem könnten manche Amtsrichter von den Arbeitsrichtern etwas lernen. In meiner Heimatstadt sind zufällig Verwaltungsgericht, Sozialgericht und Arbeitsgericht unter einem Dach angeordnet. Durch eine dankenswerte Initiative der Präsidenten ist der Unterbau bis zu den Rechtspflegern weitgehend vereinheitlicht worden.
Zur Dreistufigkeit will ich nichts sagen. Das würde zu weit führen.
Fünftens. Wenn die Justiz überlastet ist, muß sie sich von Aufgaben trennen, die sie nicht unbedingt selbst zu erledigen braucht. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Notaren könnten ohne Qualitätsminderung und ohne daß das rechtsuchende Publikum davon einen Nachteil hätte, Aufgaben übertragen werden.
Ich erinnere an die Erbscheinanträge. Dann hätten nämlich die Länder die Rechtspfleger zur Verfügung, die sie für die Insolvenzreform benötigen.
Die Justiz kann jedenfalls nicht wie eine in finanzielle Schwierigkeiten geratene GmbH betrieben werden, die alle einnahmeträchtigen Bereiche behält und alle ausgabenträchtigen Leistungen einschränkt. Nach diesen Überlegungen wird dort nämlich vielfach gedacht.
Einig sind wir uns über die außergerichtliche Streitschlichtung; auch das ist schon gesagt worden.
Sechstens. Ein gut Teil der Überlastung ist auf eine obergerichtliche Rechtsprechung zurückzuführen, deren Entscheidungen zuweilen jeden Praxisbezug vermissen lassen. Jeder Amtsrichter kann davon ein Lied singen. Unsere obergerichtliche Rechtsprechung ist zum Teil überjustitialisiert und überkompliziert. Dann wollen die Richter auch noch Gesetzgeber sein.
Sicherlich ist die Rechtsprechung unabhängig. Wir können und wollen den Richtern ihre Urteile nicht vorschreiben. Wenn aber die Richterschaft nach Entlastung ruft, muß man ihr das vorhalten dürfen.
Siebtens. Die Länder müssen sparen. Wer muß das heute nicht? Wenn man sparen muß, hat man sich auf seine Kernaufgaben zu beschränken. Die Länder fördern alternative Wohnformen, geben sechsstellige Summen für die Zählung von Rabenvögeln aus und betreiben Entwicklungshilfe, für die sie nicht zuständig sind.
Aber in der Justiz, da sparen sie und machen es sich zunutze, daß dieser Bereich der öffentlichen Verwaltung traditionell sparsam war. Nachdem die Gerichtskosten prohibitiv angehoben worden sind, verbrauchen die Justizhaushalte netto nur noch 1,5 bis 2 Prozent der Länderhaushalte. Das ist eine fast zu vernachlässigende Größenordnung. Ich kann an die Kabinette und an die Landtage nur appellieren, der Justiz das zu geben, was ihr zukommt.
Ich möchte achtens etwas zu der uns vorliegenden Reform sagen. Es wird nur in Einzelbereiche eingegriffen; das ist keine Reform, die in die Zukunft weist.
Wir brauchen eine Stärkung der ersten Instanz. Wir brauchen mehr Mündlichkeit in der ersten Instanz; denn in der ersten Instanz entscheidet sich das Ansehen der Justiz; mit den Amtsrichtern kommen die Leute zusammen.
Wir brauchen weiterhin eine Straffung des Rechtsmittelsystems - ich habe das schon häufig vorgetragen -: eine Tatsacheninstanz, eine Rechtsüberprüfungsinstanz.
Wir sollten, Herr Minister Heitmann, gemeinsam darangehen, eine Reform zu entwerfen, die nicht nur drei, vier Jahre hält, sondern die unsere Verfahrensgesetze in den Stand versetzt, den Anforderungen
Horst Eylmann
der Justiz in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren gerecht zu werden.
Vielen Dank.
Ich gebe der Abgeordneten Herta Däubler-Gmelin das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Justizminister Heitmann, ich glaube, Sie haben gesehen, daß alle Seiten dieses Hauses herzlich wenig Begeisterung für das vorliegende Gesetz zum Ausdruck gebracht haben.
- Ja; aber vielleicht ist es doch ganz gut, wenn wir noch einmal überlegen, woran das liegt.
Ich glaube, es liegt schon daran, daß uns zum wiederholten Mal ein Gesetzentwurf vorgetragen wird, der zwar damit überschrieben ist, es handle sich um Entlastungen, dem man aber anmerkt, daß der Rotstift, der Druck der Finanzminister die Feder geführt hat.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich dann zusätzlich, daß die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, daß durch solche sogenannten Entlastungsgesetze die Probleme nicht etwa geringer, weniger werden, sondern eher mehr.
Ich glaube, vor genau diesem Problem stehen wir jetzt.
Wir wissen, daß es nicht nur gute Richter gibt. Wir wissen auch, daß nicht alle Teile der Gerichtsbarkeit engagiert sind.
Ich bin froh, daß mein Kollege Professor Pick und die anderen genau diesen beiden, den guten und den engagierten Richtern, Lob zum Ausdruck gebracht haben. Sie haben ganz deutlich gesagt, daß wir uns - wie auch die Bürgerinnen und Bürger - sehr auf ihre Arbeit verlassen.
Aber wir wissen auch, daß heute gerade auch mit der Ziviljustiz manches nicht gut bestellt ist; die Probleme sind mehrfach beschrieben worden.
Ich will ein ganz bitteres Zitat eines Bürgers anführen, der gesagt hat: Wenn ich einen eigenen Rechtsanspruch durchsetzen will, dann vermeide ich es, vor die Gerichte zu gehen. Wenn ich aber durchsetzen will, daß ein anderer nicht bekommt, was ihm eigentlich zusteht, dann gehe ich vor Gericht; denn das schaffe ich mit den normalen Verfahrensabläufen, mit denen man bei uns heute zu rechnen hat, immer. Dieser Tadel wäre, wenn er in jedem Falle zuträfe, was er aber nicht tut, sehr schwerwiegend.
Auf der anderen Seite wissen wir, daß viele Verfahren länger dauern, als sie müßten, daß sie komplizierter, undurchschaubarer und unberechenbarer sind,
als es einer ordentlichen Justiz guttut. Herr Heitmann, wir wissen heute, woran das liegt. Es liegt größtenteils an der Organisation der Gerichte; das ist vielfach ausgeführt worden. Es liegt daran, daß die Technik, deren Einsatz möglich wäre und die viele Erleichterungen mit sich brächte - darüber gibt es seit den ganzen Strukturentlastungsuntersuchungen gar keinen Zweifel mehr -, nicht eingesetzt wird.
Herr Eylmann, kurz zur Frage der Nebenbeschäftigung von Richtern, um ganz klar zu sagen, was da Sache ist. Diese Frage haben die Justizminister der Länder mittlerweile aufgenommen. Sie versuchen, Lösungen herbeizuführen. Ich finde, wir sollten sie dabei unterstützen. Ich sage jedenfalls für unsere Partei und unsere Fraktion, daß wir das tun wollen.
Nun wissen wir auch, daß organisatorische Ref ormen und technische Neuerungen an den Stellen, wo sie eingeführt wurden, tatsächlich etwas bringen. Wir sehen gerade in den fünf neuen Bundesländern eine Menge an Verbesserungen und an Lichtblicken. Das liegt nicht nur daran - obwohl ich das gerne sagen würde -, daß die dort Arbeitenden engagierter und noch besser sind; vielmehr hat der Neuanfang, haben neue Maschinen neue Möglichkeiten, insbesondere neue Organisationsmöglichkeiten, mit sich gebracht. Das wirkt sich jetzt aus.
Aber eine bessere Organisation und den Einsatz sinnvoller Modelle und sinnvoller Technik gibt es mittlerweile auch in den westlichen Bundesländern, für westliche Verfahren. Daran kann man erkennen, daß dies wirklich etwas bringt, daß diese sogenannte Mobilisierung der inneren Ressourcen tatsächlich den Schwerpunkt, tatsächlich das A und O bedeuten.
Herr Kollege Eylmann, Sie haben einige Vorschläge gemacht. Natürlich fiele jedem von uns noch etwas ein, was man machen muß, wenn man nicht nur unter dem Diktat, unter dem Druck der Finanzminister noch mehr sparen will, wo kaum noch etwas zu sparen ist, sondern sinnvolle Verbesserungen, Modernisierungen und Reformen betreiben will, was wir ja alle wollen.
Denkbar wäre dies zum Beispiel bei den vielen Verkehrssachen, sei es im Zivilbereich oder im strafrechtlichen Bereich. Warum es bei uns so bleiben muß, daß wir meistens zwei oder noch mehr Verfahren brauchen, wo die Franzosen mit einem Verfahren auskommen und genauso rechtsstaatlich und genauso bürgerfreundlich, wenn nicht sogar noch bürgernäher sind als wir, das weiß ich nicht.
Goethe läßt seinen Mephisto im „Faust" sagen: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort." Ich meine, das muß doch nicht so sein, wenn wir uns hier alle einig sind, daß wir Reformen und keine Verschlimmbesserungen wollen.
Nur eines kann ich, wenn der Druck der Landesfinanzminister auf die Landesjustizminister zu Recht kritisiert wird, überhaupt nicht haben: daß unter dem Aspekt „wir wissen alles besser, und ihr Länder seid die Bösen" ausgerechnet Politiker des Bundes hergehen und sagen: Wenn ihr endlich einmal etwas Vernünftiges denken oder etwas Richtiges machen wür-
Dr. Herta Däubler-Gmelin
det, dann wäre alles besser. Das ist ja nur zur Hälfte richtig. Denn .der Bund und der Finanzminister des Bundes sind natürlich sehr stark daran beteiligt, daß den Ländern die Luft ausgeht.
- Ihren Zwischenruf, lieber Kollege Weng, der auch Sie etwas mit Finanzen zu tun haben, finde ich an dieser Stelle ganz besonders passend. Wenn wir der Meinung sind, daß die Justiz besser werden muß und daß die Landesfinanzminister da nicht mehr sparen dürfen, daß bei der Justiz kaum noch etwas zu holen ist, dann ist es Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, endlich dafür zu sorgen, daß der Unfug aufhört, daß der Bund durch immer stärkere Belastungen, die er den Ländern aufbürdet, mit dazu beiträgt, daß der Druck immer größer wird.
Meine Damen und Herren, was machen wir denn jetzt noch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf?
- Sie haben sich erhoben. Sie möchten gerne eine Frage stellen?
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weng?
Es ist mir ein Vergnügen. Aber selbstverständlich, Herr Präsident.
Frau Kollegin, da Sie jetzt eine Finanzfrage angesprochen haben und sich dabei auch an mich gewandt haben, frage ich Sie: Sind Sie bereit, mir zuzugestehen, was auch in Ihrer Fraktion und auch bei der übrigen Opposition unbestritten ist, nämlich daß bei der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Wiedervereinigung der Bund mit weitem Abstand den kürzeren gezogen hat und daß zum zweiten an all den Entscheidungen, die danach im Bund getroffen worden sind und mit denen die Länder oder die Gemeinden belastet wurden, Ihre Partei immer beteiligt und voll dafür gewesen ist? Denken Sie zum Beispiel an die Pflicht, für alle Kinder einen Kindergartenplatz bereitzustellen, und ähnliches.
Lieber Herr Weng, Sie sind ein wandelndes Beispiel dafür, daß man seinen Hühnerhof ganz hervorragend verteidigen kann. Daß Sie nicht recht haben, wissen Sie selber. Daß die Verschiebung der Belastungen vom Bund auf die Länder in den letzten Jahren in einem Ausmaß zugenommen hat, daß sie genau zu den Folgen führen, über die wir jetzt reden, ist völlig unbestreitbar.
Ich würde Ihnen schon deswegen, weil Sie ein so netter Mensch sind, gern viel konzedieren. Aber in dieser Frage kann ich das überhaupt nicht, so leid mir das tut.
Jetzt aber zu dem, was wir mit diesem Gesetzentwurf vorhaben. Ich bitte Sie, lieber Herr Heitmann, Ihren Kolleginnen und Kollegen nicht den Eindruck zu vermitteln, im Deutschen Bundestag sei keine Bereitschaft vorhanden, über die Nöte und die Schwierigkeiten der Justizminister und der Justiz in den Ländern zu reden. Das wäre ganz falsch. Ich sage das auch deswegen, weil ich den Eindruck habe, Sie sitzen ganz bekümmert in Ihrem Sessel; deswegen spreche ich das ja noch einmal an. Ich sage Ihnen - ich tue das mit vollem Nachdruck im Namen meiner Fraktion -, daß wir selbstverständlich nicht nur dazu bereit sind, sondern auch damit rechnen, mit den Justizministerinnen und Justizministern der Länder über wirkliche Reformen zu reden. Die Bitte, die ich habe, ist, daß Sie ihnen übermitteln, daß es sich dabei um Modernisierung, Verbesserung der Justiz, größere Bürgernähe und auch um Vereinfachung handeln muß und darf. Dies muß eben beides zusammengehören.
Jetzt möchte ich Ihnen sagen, was wir an Hand dieses Gesetzentwurfs momentan tun können. Wer die Eingangsgerichte stärken will, der wird uns auf seiner Seite haben. Das heißt aber, daß man eben nicht nur den Streitwert heraufsetzen darf, sondern das heißt, daß man zusätzlich über die Besoldungsregelungen bis hin zu einer Organisationsreform dafür sorgen muß, daß die Eingangsgerichte auch die Chance haben, zu der wichtigen Tatinstanz zu werden. Hier sind die Justizminister in der Bringschuld; hier möchten wir gern zusammen mit den Landesjustizministern mehr machen. Darum bitten wir Sie.
Ein weiterer Punkt betrifft die Einzelrichter. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß die von Ihnen vorgesehene halbgare Kann-Vorschrift, wonach ein Richter etwas an eine Kammer zurückgeben darf, wenn er selber damit nicht fertig wird, nicht funktionieren kann. Ich meine, das leuchtet unmittelbar ein. Das sagt einem auch jeder Praktiker.
Wenn wir uns für den Einzelrichter, auch den originären, verbindlichen Einzelrichter, entscheiden, dann wird alles das wichtig, was hier schon gesagt wurde. Es muß sichergestellt werden, daß die besten und klügsten Richterinnen und Richter, gerade die, die über eine große soziale Kompetenz verfügen müßten - darum geht es ja -, in den Eingangsgerichten sitzen. Das heißt eben auch, daß dazu organisatorische Veränderungen notwendig sind und daß wir entsprechende Initiativen für Aufgabenbeschreibungen und Besoldungsreform brauchen. Dann geht es eben nicht mehr nur um genügend Stellen für die Eingangsgerichte, sondern es muß auch für das andere gesorgt werden.
Ich weiß im übrigen, daß dieser Punkt von vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen ganz ähnlich gesehen wird wie von mir. Von daher gesehen hoffe ich schon, daß wir da weiterkommen.
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Ich halte Ihre Forderung nach Anhebung der Berufungs- und Beschwerdesumme für am wenigsten diskutabel. Aber machen Sie sich doch einmal klar, was das bedeutet: Für mehr als die Hälfte aller Zivilprozesse in Deutschland gäbe es keine zweite Instanz. Das geht nicht. Hier würde mit dem sogenannten Entlastungseffekt in einer Größenordnung von 120 Richtern bundesweit, von dem Sie sprachen, ein solcher struktureller Fehler erkauft, und eine solche Unsicherheit würde in die Rechtsprechung hineinkommen, daß wir dann natürlich andere Instrumente ausbauen müßten, um die Rechtseinheitlichkeit zu gewährleisten. Das kann doch weder Ihr noch unser Wunsch sein.
Wir sind nicht in der Lage, in dieser Richtung weiterzumachen. Ich glaube, wir müssen darüber dringend zusammen mit Ihnen nachdenken.
Es bleibt das vorgerichtliche Verfahren. In bezug darauf sehen auch wir Möglichkeiten. Herr Reitmann, wir sehen sie aber nicht bei einem unverbindlichen Güteverfahren. Das würde wahrscheinlich nur eine weitere Instanz bedeuten, weil unverbindlich bliebe, was man macht. Die Seite, die mit ihren Vorstellungen nicht durchkäme, würde wahrscheinlich doch wieder vor Gericht gehen. Das kann es, glaube ich, nicht sein.
Lassen Sie uns hier weiterdenken - das ist meine vierte Bitte an Sie - und darüber nachdenken, wie wir ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren mit den Möglichkeiten, die ein streitiger Gerichtsprozeß heute bietet, kombinieren können. Was heißt das? Wir müssen uns anschauen, über welche Verfahren wir reden. Wir wissen, daß es hier ganz unterschiedliche gibt. Es gibt zum Beispiel Architektenprozesse - sie kennt jeder Bauherr genau -, bei denen der ganze Gerichtsprozeß darum kreist, ob zum Beispiel der rechte obere Winkel eines Fensters im zweiten Stock des Hauses nicht 90° beträgt, sondern sich auf 75° verzogen hat. Es geht also um Tatsachen, die streitig sind. Solche Verfahren haben wir häufig auch bei Kfz-Angelegenheiten, sehr häufig in Verkehrssachen und oft bei medizinischen Kunstfehlern. Bei all diesen Verfahren kann man sehr wohl unter Einschaltung der Anwälte obligatorische Schlichtungsverfahren durchführen, die, wenn sie gut laufen, Einigkeit über die Tatsachen und ein Ergebnis bringen, bei dem ein Gerichtsverfahren nicht mehr nötig ist. Wenn sie nicht gut laufen, bringen sie immer noch Übereinstimmung über die bisher streitigen Tatsachen. Das hat den Vorzug, daß man diese einem Gerichtsverfahren verbindlich zugrunde legen kann, so daß sich die Richter auf das konzentrieren können, auf was sie sich konzentrieren sollten und unserer Meinung nach auch konzentrieren müssen,
nämlich über Rechtsfragen zu urteilen und nicht ständig über die Frage, ob sich nun die obere Ecke des Fensters im zweiten Stock des neuen Hauses von 90° auf 75° verzogen hat.
Ich darf zusammenfassen: Uns steht hier eine Menge Arbeit bevor. Meine Bitte lautet, mit den Justizministerinnen und Justizministern der Länder die Probleme dort zu bearbeiten, wo sie sind. Es gibt mittlerweile eine Menge guter Vorschläge. Damit kommen wir von der Verschlimmbesserung weg hin zu einer besseren, effizienteren und bürgernäheren Justiz.
Herzlichen Dank.
Als neuer Redner bekommt nun der Abgeordnete Norbert Geis das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 30. Januar dieses Jahres ist unsere Zivilprozeßordnung 120 Jahre alt geworden. In dieser langen Zeit hat sie eine große Zahl von Veränderungen erfahren. Die Geschichte dieser Veränderungen ist die Geschichte um die Bemühung, die Zivilprozesse zu verschlanken, zu straffen, zu beschleunigen und Personal und Kosten einzusparen. Dies ist in den vergangenen 120 Jahren ist eigentlich schon immer der Fall gewesen. Es ist also nichts Besonderes, wenn wir uns heute wiederum über eine Verbesserung der Verfahren unterhalten.Gerade seit 1990 haben wir ganz massive Verbesserungsvorschläge erhalten, die auch in Gesetzesform gegossen wurden. In kurzer Folge haben wir jetzt den dritten Vorschlag auf dem Tisch. Das, verehrter Herr Minister, stößt im Bundestag auf eine gewisse Skepsis. Dafür sollte man Verständnis haben.Ich will allerdings nicht verschweigen - dieser Tatsache dürfen wir uns nicht verschließen -, daß die verantwortlichen Justizministerinnen und -minister der Länder alle zusammen einhellig diesen Entwurf vorgelegt haben und der Auffassung sind, daß wir ihn wenigstens in den wichtigsten Punkten verabschieden müssen, damit es zu einer Entlastung der Justiz kommt. Wir haben es ja in der Tat mit einer steigenden Belastung gerade im zivilen Bereich zu tun. Das wurde immer wieder betont. Wir hatten 1995 eine Belastung von 2,1 Millionen Eingängen im Jahr; nach einer Prognos-Studie, die das Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben hat, werden wir im Jahre 2000, wenn wir nichts unternehmen, eine Belastung von 2,5 Millionen Eingängen im Jahr haben. Jeder von uns kann sich ausrechnen, daß dies so nicht weitergehen darf.Es ist im Grunde schon eine große Leistung - auch das ist gesagt worden -, daß es den Gerichten dennoch gelungen ist, in verhältnismäßig kurzer Zeit die angefallenen Prozesse zu Ende zu bringen. Wir liegen in Europa hinsichtlich der Zeit für den Abschluß von Prozessen an der Spitze. Es gibt kein anderes Land, das schneller zu Entscheidungen - sei es zu Vergleichen oder zu Urteilen - kommt. Das haben wir den Gerichten zu verdanken. Wir würdigen das. Das sollte bei dieser Gelegenheit betont werden.
Norbert GeisEs kann uns aber nicht gleichgültig lassen - wir können dieser Tatsache nicht tatenlos gegenüberstehen -, daß die Belastung immer weiter ansteigt. Wir sind uns alle einig darüber - es gab heute überhaupt keine gegenteilige Meinung -, daß wir dieser Belastung nicht begegnen können, indem wir mehr Richterstellen schaffen. Durch eine Mehrung des Personals, die auch nicht wünschenswert ist, werden wir die Senkung der Belastung nicht schaffen.Das ist in erster Linie nicht eine Frage der Kosten. Es ist schon gesagt worden, daß die Justiz den geringsten Anteil an staatlichen Geldern braucht, um zu funktionieren. Knapp über ein Prozent der gesamten staatlichen Ausgaben sind notwendig, um die Kosten für die Justiz zu decken.Wir sind gegen eine Mehrung des Richterstandes, weil ein ausufernder Richterstand wegen der dadurch geringer werdenden Effektivität der Gerichte nicht wünschenswert ist und weil unter Umständen die Autorität der Gerichte dadurch leiden würde. Wir meinen, daß dadurch auch das innerstaatliche Gleichgewicht gestört werden könnte. Wir wollen keinen Richterstaat. Deshalb müssen wir auf einem anderen Weg versuchen, die Gerichte zu entlasten.Das Argument ist nicht ganz stichhaltig, daß die Gerichte mehr technisiert werden müßten und daß die angeblich antiquierten Abläufe durch technischen Aufwand beschleunigt werden müßten. Wir haben bereits in vielen Bereichen - Herr Staatsminister Heitmann hat das schon erklärt - vor allen Dingen in den neuen Bundesländern an fast jedem Arbeitsplatz Bildschirme stehen. Die Bildschirme stehen sogar in den Sitzungsräumen. Wir haben das elektronische Grundbuch und das elektronische Handelsregister. Viele Bereiche sind hervorragend technisiert.
Sicherlich gibt es in diesem Bereich noch vieles zu verbessern. Aber Ich bin sicher: Selbst wenn wir die Technik ganz vorantreiben würden, würden wir dennoch über eine Belastung zu klagen haben. Deshalb müssen wir uns Gedanken über andere Lösungen machen.Wir müssen uns zunächst einmal vergegenwärtigen, welche Bedeutung die Justiz - auch das ist heute schon erklärt worden - für unser staatliches Zusammenleben hat. Schon allein eine funktionierende Justiz sorgt für Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft, weil viele erst gar nicht vor Gericht gehen, wenn sie wissen, daß die Rechtslage durch Urteile einer funktionierenden Justiz geklärt ist. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die unsere Justiz hat. Diese sollten wir nicht als gering ansehen. Daran müssen wir immer denken, wenn wir überlegen, wie wir reformieren können, um die Belastung zu senken.Es sind schon Vorschläge gemacht worden: Der Streitwert für die Möglichkeit einer Berufung soll auf 2000 DM erhöht werden. Sie haben erfahren, Herr Minister - das ist schon in den Vorgesprächen deutlich geworden -, daß dieser Vorschlag einhellig aufAblehnung gestoßen ist. Dies hat natürlich seinen Grund. Wir erleben, daß plötzlich eine Vielzahl von Prozessen in einem bestimmten Rechtsgebiet aufkamen. Das ist auf die Unsicherheit in der Bevölkerung zurückzuführen. Diese Unsicherheit muß erst einmal durch eine Vielzahl von Prozessen und Urteilen, die eine Klärung herbeiführen, abgebaut werden.Aber wenn es nicht möglich ist, diese erstinstanzlichen Urteile in die Berufung zu bringen, wird es nur schlecht zu einer Klärung kommen. Dann wird man in einer Region so und in einer anderen Region anders urteilen. Erst die Berufungsinstanzen führen zu einer endgültigen Rechtsklärung und bewirken eine Verstetigung der Rechtsprechung. Ihre Bedeutung dürfen wir nicht als gering ansehen. Das gilt nicht nur für Prozesse mit hohen Streitwerten, sondern auch für Prozesse mit niedrigen Streitwerten.Der Justizminister hat schon den Bereich der Reisekosten genannt. Hier liegen die Beträge meistens unter 2 000 DM.Wie wollen wir in Deutschland zu einer gemeinsamen Rechtsprechung kommen, wenn wir mit einem solchen Prozeß nicht wenigstens in eine nächste Instanz gehen können? Das, so meine ich, muß bedacht werden. Wenn nämlich keine Klärung herbeigeführt werden kann, würde eine solche Erhöhung der Berufungssumme letztlich nicht zu einer Verminderung der Belastung der Justiz führen, weil wir in diesem Bereich nach wie vor viele Prozesse haben. Zum Beispiel im Verkehrsbereich haben wir im Jahr noch immer 130 000 Prozesse. Das ist allerdings nicht ganz verständlich, weil hier im Grunde genommen schon jede Frage geklärt ist.Das wiederum muß uns antreiben, darüber nachzudenken: Wie können wir entlasten? Hier ist ein wichtiger Vorschlag gemacht worden, der Zustimmung im Haus findet, nämlich der Vorschlag, beim Einzelrichter anzusetzen und ihn originär bis zu einem Streitwert von 30 000 DM zuständig zu machen. Wir stimmen dem zu. Wir meinen, das ist der richtige Weg, weil die Kammer dadurch nicht ganz in die Ecke gestellt wird. Wir wollen die Kammer auch in Zukunft. Aber wir wollen die Stärkung des Einzelrichters.Das, was wir 1993 beschlossen haben, hat nicht gezogen. Die Einzelrichter wurden nicht in dem Maße eingesetzt, wie wir es gewollt haben. Wir unterstützen deshalb den Vorschlag, den der Bundesrat insoweit macht.Auch der Einzelrichter in der Berufungsinstanz findet unsere Zustimmung, wenn die Kammer, die in der Berufungsinstanz, wie ich meine, gerade wegen der Verstetigung der Rechtsprechung eine große Bedeutung hat, das Zuweisungsrecht behält und nur in ganz offensichtlichen Fällen den Einzelrichter einsetzt. Unter diesen Voraussetzungen würden wir einer solchen Regelung zustimmen.Es sind viele andere Entlastungsvorschläge gemacht worden, über die wir diskutieren werden. Sie sind wohl begründet, und wir werden sie auch annehmen. Einer der wichtigsten Vorschläge, die gemacht worden sind - alle Redner haben diesen Vor-
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16380 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 182. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Juni 1997
Norbert Geisschlag erwähnt -, ist die Einführung der obligatorischen Schlichtungsstelle. Ich halte dies aus drei Punkten für eine, wenn man so will, strukturell neue Regelung unseres Rechtswesens.Erstens. Das Einsetzen einer obligatorischen Schlichtungsstelle für Streitwerte von bis zu 1 000 DM - auch für Nachbarstreitigkeiten - hat, wie ich meine, eine ganz starke entlastende Wirkung. Ich bin nämlich sicher, daß durch diese Schlichtungsstellen sehr viele Vergleiche geschlossen werden und diese Streitigkeiten erst gar nicht vor Gericht kommen.Zweitens. Ein weiterer Punkt, der mich in dieser Frage überzeugt, ist, daß diese Schlichtungsstellen im Vergleich zu den Gerichten mehr auf die Befriedung innerhalb der Parteien ausgerichtet sind. Bei Gerichten gibt es immer Urteile, bei Urteilen gibt es immer auch Besiegte und Sieger. Oft ist eine Nachbarstreitigkeit, vor allen Dingen dann, wenn sie mit einem negativen Urteil ausgegangen ist, ein Streit, der über Generationen dauern kann. Die Nachkommen haben dies noch immer nicht vergessen. Dafür ist die Schlichtungsstelle eine sehr gute Einrichtung. Wir werden dies unterstützen.Drittens. Wir reden immer vom schlanken Staat. Hier werden staatliche Aufgaben in die Hände Privater zurückgegeben. Wenn dies nicht funktioniert, wenn sich die Privaten nicht einig werden, dann ist noch immer der Gang zum Gericht möglich. Zunächst aber wird entlastet, wird privatisiert. Das ist ein Beitrag zum schlanken Staat. Wir unterstützen dies.Herr Heitmann, wir werden diesen Gesetzentwurf aufgeschlossen beraten und - da bin ich sicher - viele Anregungen aufnehmen. Ich hoffe, daß wir am Ende zu einem guten Ergebnis kommen werden.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 13/6398 an den Rechtsausschuß vorgeschlagen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien, Christel Hanewinckel, Hanna Wolf , weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des geschlechtsbedingten arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots an das EU-Recht
- Drucksache 13/7896 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
- Drucksachen 13/5555 Nr. 2.5, 13/7587 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Marliese Dobberthien Rosel Neuhäuser
Ortrun Schätzle
Irmingard Schewe-Gerigk
Zur Beschlußempfehlung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauen 1997 - wir haben gelernt und geschuftet, wir haben uns qualifiziert und bewährt, wir können fast alles und manches sogar besser; doch tun dürfen wir nur wenig. Frauen '97 - ihr Arbeitsplatz bedroht, ihre Leistung unterbewertet, ihre Tätigkeit unterbezahlt. Frauen '97 - abgedrängt in ungeschützte Beschäftigung, abgespeist mit schlechtbezahlten Jobs, zurückgesetzt beim beruflichen Aufstieg und - wo denn? - in Entscheidungspositionen. Frauen '97 - alleingelassen mit Doppelbelastung und Diskriminierung, alleingelassen mit Altersarmut und Rentennot. Frauen '97 - ungeduldig und zornig, weil die Gleichberechtigung ins Abseits gerät, wütend und empört, weil rausgedrängt aus dem Mainstream.
Frauen 1997 sind es leid, mit schönen Worten abgespeist zu werden. Wohlfeile Worte und internationale Konferenzen ersetzen keine wirksame Frauenpolitik.
Wir wollen eine Frauenministerin, die hier, in unserem Lande, in diesem Kabinett - in dem Kabinett der ausgelaugten Männer -, kraftvoll Fraueninteressen durchsetzt.
Kämpfen ist angesagt, nicht Leisetreterei.
Wenn wir heute über Frauenpolitik debattieren, ist das gut so. Aber dennoch: Geredet ist genug, es müssen endlich wirksame Gesetze zur Bekämpfung von
Dr. Marliese Dobberthien
Diskriminierung auf den Weg gebracht werden. An solchen mangelt es in diesem Land. In Fragen der Gleichstellung sitzt die Bundesregierung im Bremserhäuschen
statt im Führerstand der Lokomotive. Mit erstaunlicher Energie und bemerkenswerter juristischer Spitzfindigkeit unterläuft sie EU-Richtlinien, kürzt, streicht und interpretiert höchst eigenwillig Vorgaben Europas.
Das jüngste EuGH-Urteil zur Gleichberechtigungsrichtlinie ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen. Ein junger Hamburger, ein Mann aus meiner Stadt
- noch eine Hamburgerin wird reden; gut so -, hatte geklagt, weil er sich bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz durch eine Stellenanzeige diskriminiert fühlte. Ganz offensichtlich wurde eine Frau gesucht: eine versierte Assistentin der Vertriebsleitung, die bereit sei, mit - Originaltext - „Chaoten zurechtzukommen", Kaffee zu kochen und mit wenig Lob auszukommen.
Der junge Mann klagte und verlangte Schadensersatz mit der Begründung, er sei eigentlich der qualifizierteste Kandidat gewesen. Das Arbeitsgericht Hamburg gab ihm recht und die Bestätigung, daß hier ein Fall geschlechtsspezifischer Diskriminierung vorliege. Die Höhe der Entschädigung festzusetzen, sahen sich die Richter jedoch außerstande, weil der Blick in europäisches Gesetzeswerk zeigt, daß dieses eine höhere Entschädigung verlangt als deutsches Recht. So kam der Fall zum EuGH. Der stellte fest, daß deutsches Recht die EU-Richtlinie von 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu Beschäftigung nicht korrekt umgesetzt hat. Eine Begrenzung der Entschädigung auf drei Monatsverdienste bei erfolgter Diskriminierung sei ebensowenig zulässig wie diese Art Mengenrabatt, die Summenbegrenzung bei mehrfacher Diskriminierung. Unzulässig sei auch, so das Gericht, die Haftung des Diskriminierenden vom Nachweis seines Verschuldens abhängig zu machen. Und es befand, daß Sanktionen geeignet sein müssen, eine abschreckende Wirkung auszuüben.
Wir Frauen danken dem jungen Mann für seine Klage und seine Beharrlichkeit. Er hat uns einen großen Dienst erwiesen. Der junge Mann hat den überfälligen Rechtsfortschritt erstritten, nachdem wir Frauenpolitikerinnen durch einen lähmenden frauenfeindlichen Wirtschaftslobbyismus parlamentarisch ausgebremst wurden. Nun ist es an der Zeit, die gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen.
Was war geschehen? Das Zweite Gleichberechtigungsgesetz von 1994 hat mit § 611 a BGB die EURichtlinie unkorrekt umgesetzt, befand der EuGH. Schuld ist die jahrelange Blockadehaltung des dominierenden Wirtschaftsflügels der Drei-PünktchenPartei. Sie läßt sich bis in Zeiten der sozialliberalen Koalition zurückverfolgen.
Als 1980 das sogenannte Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz in Kraft trat, hatten die Liberalen es bereits „erfolgreich" verwässert. Der mögliche Schadensersatz nach erfolgter Geschlechterdiskriminierung konnte damals aus der Portokasse beglichen werden; mehr war die Wiedergutmachung einer beruflichen Benachteiligung nicht wert.
Als sie 1994 die Umsetzung der EU-Richtlinie nicht mehr verhindern konnten, sorgten die Liberalen für die vom EuGH beanstandete Höchst- und Summenbegrenzung des Schadensersatzes. Selbst Frau Nolte beklagte in der damaligen Debatte die „schwierige Einigung". Die SPD verlangte seinerzeit mit ihrem Gleichstellungsgesetzentwurf weitsichtig und richtliniengemäß genau jene Regelung, die der EuGH heute empfiehlt.
Meine Herren ganz rechts von mir - nur einer sitzt noch da,
ganz rechts -: Sie tragen die Verantwortung für die Blamage der Bundesrepublik Deutschland. Haben Sie wenigstens heute den Mut, Ihre gleichberechtigungsfeindliche Haltung einzugestehen.
Wer behauptet, unser Bestreben sei, die bisherige Männerprivilegierung durch eine Frauenprivilegierung zu ersetzen, irrt gewaltig. Die Tatsache, daß sich ein Mann auf die von Frauen errungene EURichtlinie beruft - und obsiegt -, zeigt, daß es mitnichten um eine Privilegierung von Frauen geht. Nichts Geringeres als die verfassungsrechtlich gebotene Abwehr von Diskriminierung und die Gewährleistung von Chancengleichheit für beide Geschlechter ist die Grundphilosophie unseres langjährigen Kampfes um die Richtlinie.
Die Blockade- und Bremserrolle der Bundesregierung auf EU-Ebene, wenn es um Frauenpolitik geht, hat inzwischen eine unrühmliche Tradition. „Regierung blockiert EU-Aktionsprogramm" titelt der Fraueninformationsdienst „fib". Kürzen, Streichen, Verwässern scheinen ohnenhin das Motto bundesdeutscher EU-Frauenpolitik zu sein.
Neuester Schocker: Im Zusammenhang mit den Verhandlungen des Richtlinienentwurfs zur Umkehr der Beweislast bei geschlechtsspezifischer Diskriminierung schließt sich die Bundesregierung nicht etwa dem relativ fortschrittlichen Kommissionsvorschlag oder den klugen Empfehlungen des Europäischen Parlaments an, sondern treibt im Rat juristisch spitzfindig und kleinherzig Verwässerungen voran, bis nur noch eine stumpfe Waffe übrigbleibt. Gestern ist aber vertagt worden. Die Begeisterung für Europa wäre sicher größer, wenn mit der Einigung für Frauen ein Zuwachs an Chancengleichheit verbunden wäre.
Dr. Marliese Dobberthien
Wo bleibt eigentlich ein lautes Intervenieren der zuständigen Ministerin? Heute ist sie gar nicht anwesend. Still ist sie und stumm, wenn bei der europäischen Einigung für Frauen nur Brosamen abfallen.
Doch es bleibt noch eine Chance. Bei den anstehenden Verhandlungen zur Änderung der EUGleichbehandlungsrichtlinie anläßlich des Macho-Urteils im Fall Kalanke wird sich zeigen, ob die Bundesregierung bereit ist, zumindest minimale Verbesserungen zugunsten von Frauen zu erwirken.
Die Frauen der Koalition und der SPD haben sich, was selten genug vorkommt, verständigt, eine Klarstellung der Gleichbehandlungsrichtlinie zu erwirken, die eine aktive Frauenförderung inklusive Quotenregelungen gestattet. Damit würde unmißverständlich bekräftigt, daß sich aktive Frauenförderung sowohl auf den Zugang zur Beschäftigung als auch auf die Berufsbildung, den beruflichen Aufstieg und die Arbeitsbedingungen erstrecken darf.
Frauenrechte sind Menschenrechte. Ihre Verletzung ist kein Kavaliersdelikt. Solange Frauen und Mädchen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben verwehrt ist, wird jede gesetzliche Regelung zur Abwehr von Diskriminierung unsere Zustimmung finden.
Willy Brandt sagte einmal: „Die Emanzipation ist wie eine Schnecke auf dem Glatteis." Machen wir diesem Schneckle Beine!
Ich gebe der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram das Wort.
Aber nicht nur Hamburger hier im Parlament.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dr. Dobberthien, Ihren Pessismismus teile ich nicht. Eigentlich möchte ich in diesem Plenum auch nicht noch einmal hören, daß wir von ausgelaugten Männern reden. Das können Sie dann auch umdrehen und hin und wieder auf ausgelaugte Frauen beziehen.
Wissen Sie, was das war, was Sie hier geboten haben? Das war Frauenkampf von gestern. „Frauen werden nach wie vor im Berufsleben benachteiligt", ich weiß nicht, wie oft dieser Satz hier im Plenum bereits wiederholt worden ist. Aber eines ist klar: Wenn jeder Ausspruch, jeder Wunsch, der hier geäußert wird, konkrete Verbesserungsmaßnahmen für Frauen nach sich gezogen hätte, dann wären wir heute wahrscheinlich in der Tat soweit, daß wir ernsthaft über ein Diskriminierungsverbot für Männer nachdenken müßten.
Im übrigen sind es ganz paradoxerweise die Männer, die sich oft auf das Diskriminierungsverbot berufen. Die Rechtssache Kalanke gegen die Freie und Hansestadt Bremen hat eine große Publizität gefunden.
Ich mache mir zur Zeit weniger Sorgen um die Männer; denn wenn Frauen endlich gleichberechtigt neben den Männern im Berufsleben stehen könnten, dann wäre ich schon sehr zufrieden. Ich möchte sagen: Ich bin optimistisch, wenn ich mit jungen Frauen, zum Beispiel mit meiner neunzehnjährigen Tochter und ihren Freundinnen darüber rede, dann weiß ich, daß die selbstbewußt genug sind und sich in Zukunft ihren Platz in der Arbeitswelt erobern werden.
Nach dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" - Erich Kästner - hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode schon einiges auf die Beine gestellt. Ein Beispiel: Im neuen Arbeitsförderungsreformgesetz wurde der Stellenwert der Frauenförderung weiter ausgebaut. Der grundsätzlich neu verankerte Auftrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen kommt damit jetzt auch im Bereich der Arbeitsförderung ganz konkret zum Ausdruck.
Die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik müssen nach diesem Gesetz zielgerichtet zur Durchsetzung der Gleichberechtigung eingesetzt werden. Die Arbeitsämter müssen Eingliederungsbilanzen erstellen und den Frauenanteil an Fördermaßnahmen offenlegen. Die Daten für Frauen in den Bereichen ABM, Umschulung und Fortbildung sind bereits jetzt nicht schlecht: Der Anteil der geförderten Frauen liegt seit 1994 bei über 60 Prozent, 1996 lag er sogar bei 65,4 Prozent. In Fortbildung und Umschulung sind es 63 Prozent.
Das neue AFRG ist ein Beispiel für das Bemühen dieser Bundesregierung, Frauen zur Chancengleichheit zu verhelfen.
Das Gebiet, das heute angesprochen wird, ist die Diskriminierung von Frauen bei Stellenausschreibungen und -besetzungen. Dies ist in der Tat ein Gebiet, bei dem noch vieles im argen liegt. Viele Personalchefs und erstaunlicherweise auch viele Personalchefinnen tragen immer noch das Brett „Frauen gleich Kinder gleich Ausfallzeit" vor dem Kopf, und der Blick auf die Kompetenz der Frauen bleibt ihnen manchmal verborgen. Das zeugt hin und wieder von einem beschränkten Horizont desjenigen, der diskriminiert.
Unter diesem Vorzeichen ist der zur Debatte stehende Entwurf der SPD in einigen Punkten, Frau Dr. Dobberthien, tatsächlich zu begrüßen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schewe-Gerigk?
Bitte schön.
Frau Kollegin Schnieber-Jastram, sind Sie mit mir der Meinung, daß das neue Arbeitsförderungsreformgesetz ein frauenfeindliches Gesetz ist, weil es vorsieht, daß es bei einer Beschäftigung von vier Stunden pro Tag - das trifft in der Hauptsache für Frauen zu - zumutbar ist, eine Pendelzeit von zweieinhalb Stunden in Kauf zu nehmen, und weil es vorsieht, daß Frauen einen Arbeitsplatz nicht mehr entsprechend ihrer Qualifikation annehmen, sondern immer nur um eine Stufe heruntergestuft? Sind Sie auch der Meinung, daß das frauenfeindlich ist?
Frau Schewe-Gerigk, wir leben nicht im Wolkenkuckucksheim. Unsere Arbeitswelt hat sich drastisch verändert, dem müssen auch die Frauen Rechnung tragen. Wir haben im Arbeitsförderungsgesetz eine Reihe von Fortschritten für Frauen erreicht, und ich glaube, das ist wichtig.
Wir sollten als Frauen aufhören, uns darüber zu beklagen, daß die Fortschritte zu gering sind, und statt dessen registrieren, daß sie da sind.
Unsere Fraktion wird der Aufgabe des Verschuldens in § 611a BGB zustimmen. Das ist für uns kein Thema. Diese Änderung ist auch vom Europäischen Gerichtshof gefordert worden. Muß nach geltendem Recht ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden, so soll - dies ist auch unser Standpunkt - nun bereits der reine Tatbestand einer Diskriminierung ausreichen. Das kann durchaus zu einer verantwortungsvolleren Haltung der Ausschreibenden führen und verbessert sicher die Position der Beschwerdeführenden.
Nur, was wir ablehnen - auch das sollten Sie wissen -, sind diejenigen Punkte des Gesetzentwurfes, in denen die SPD weit über die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes hinausgeht. Die Aufgabe der Begrenzung der Höhe der Entschädigung in allen Diskriminierungsfällen entspricht nur teilweise der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Denn dieser lehnt die Obergrenze nur für den oder die Bestqualifizierte ab, läßt aber eine Obergrenze für sonstige Bewerber ausdrücklich zu. Dies ist, denke ich, auch plausibel, um zum Teil wirklich absurde Schadensersatzprozesse auszuschließen.
Dasselbe gilt natürlich für den Einstellungsanspruch diskriminierter Personen. Wie soll das in der Praxis eigentlich ablaufen? Soll es möglich sein, daß jemand eingestellt, anschließend hinausgeworfen wird, um ihn, den man eigentlich gar nicht haben will, am Ende in einer Firma zu integrieren? Das ist doch Illusion. Lassen Sie uns in der Praxis bei dem Vorhandenen bleiben!
Gleiches gilt für die Festlegung einer Mindestentschädigung von drei Monatsgehältern. Sie wird vom Europäischen Gerichtshof nicht gefordert und ist - für eine Mindestentschädigung! - wirklich zu hoch. Zudem: Auch beim Tatbestand der Diskriminierung
gibt es leichtere und schwerere Fälle. Es ist nicht nötig, der Gerichtsbarkeit und der Einzelfallgerechtigkeit vorzugreifen. Bei leichteren Verstößen muß auch eine geringere Entschädigung möglich sein. Deshalb lehnen wir auch diese Änderung ab.
Dennoch: Ein Gesetz, das deutsches Recht an das EU-Recht im Bereich des geschlechtsbedingten arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots angleicht, ist nötig. Diese Meinung teilen wir. In einem wichtigen Punkt - Aufgabe des Verschuldens in § 611 a - sind wir uns mit der SPD einig. In anderen Punkten sind wir der Ansicht, daß die SPD. praxisferne und übertriebene Forderungen stellt.
Tatsache ist: Der Gesetzgeber ist aufgefordert, im Zusammenhang mit den Richtlinien der EU geschlechtsbedingte Diskriminierung zu unterbinden. Zusätzlich sind aber auch die Unternehmen gefordert, die Chancengleichheit in der Personalpolitik von sich aus stärker zu beachten. Die Motivationseffekte, die Verbesserung des Betriebsklimas und die Leistungssteigerung werden auch für die Betriebe ein Gewinn sein.
Ich gebe nun der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Welch frohe Botschaft könnte das sein: Maastricht II beendet das Europatriarchat, der Aufbruch für Frauen in Europa beginnt - endlich. Das klingt nach geradezu revolutionärem demokratischem Fortschritt, nach einer politischen Perspektive für die Frauen in Europa. Schluß mit der Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben! Doch das ist bisher leider nur ein kühner Traum. -
Der neue Maastricht-Vertrag enttäuscht die Hoffnungen: unverbindliche Absichtserklärungen, kein grundrechtlich einklagbarer Anspruch bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und ein Gleichstellungsartikel, der den Mitgliedstaaten freistellt, Frauenfördermaßnahmen zu ergreifen oder es zu lassen. Das zeigt, wie wenig die Europäische Union daran interessiert ist, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen als demokratisches Grundrecht anzusehen.
Der Entwurf der neuen EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Erwerbsleben, über deren Form wir hier heute abzustimmen haben, ist nicht geeignet, den Frauen in Europa bessere Positionen im Erwerbsleben zu ermöglichen. Statt eine effektive Frauenförderpolitik zu verankern, die den Mitgliedstaaten auch wirksame Quotierungsregelungen vorschreibt - wie das unser Antrag, der hier vorliegt, vorsieht -, soll nun eilfertig das Kalanke-Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Richtlinie festgeschrieben werden.
Wir erinnern uns: Der EuGH hielt die bremische Quotierungsregelung für nicht vereinbar mit europäischem Recht und schränkte prompt den Radius
Irmingard Schewe-Gerigk
der Frauenförderung ein. Quotenregelungen, die Frauen bei gleicher Qualifikation den Vorrang einräumen, sind nach Auffassung des rein männlich besetzten Richtergremiums unzulässig. So öffnet sich ein Scheunentor für Männerförderung". Trotz formal gleicher Qualifikation müssen nun noch „besondere Umstände" geprüft werden, die im Zweifelsfall doch wieder für den männlichen Bewerber sprechen: Höheres Dienstalter, ununterbrochene Erwerbstätigkeit oder die Rolle des Familienernährers sind hierbei beliebte Kriterien. Und Sie sprechen immer davon, daß nur die Leistung entscheidet!
Die Diskriminierung von Frauen, die damit einhergeht, ist offenkundig. Eine effektive Frauenförderpolitik wird torpediert.
Daß die Bundesregierung diese Position unterstützen will, zeigt, daß sie nicht mehr als einen Placebo-Effekt beabsichtigt; aber daß Sie, meine Kolleginnen von der SPD, dem zustimmen wollen, ist sehr enttäuschend. Ich frage Sie: Wie kommt es zu diesem politischen Richtungswechsel?
Sie haben doch nach dem Kalanke-Urteil Ende des letzten Jahres vehement mit uns dafür gestritten, daß ein solches Urteil nicht noch einmal gefällt werden kann! Sie haben gemeinsam mit uns im Dezember einen Antrag eingebracht, in dem wir eine neue EURichtlinie anstreben, die ausdrücklich verbindliche Quotierung fordert!
Auch Ihr jetzt eilig eingebrachter Gesetzentwurf zur Änderung des auf Grund von Diskriminierung wegen des Geschlechts entstehenden Schadenersatzanspruchs im Bürgerlichen Gesetzbuch zeigt, daß Sie offensichtlich „Frauenförderung light" betreiben wollen.
Glauben Sie denn wirklich, daß ein Schadenersatz von lediglich mindestens drei Monatsgehältern eine abschreckende Wirkung - und diese wird vom EuGH gefordert - bei den Arbeitgebern entfalten wird? Sie sind auch an anderer Stelle in Ihrem Gesetzentwurf sehr bescheiden geblieben. Sie fordern weder, das Benachteiligungsverbot auch auf die mittelbare Diskriminierung auszuweiten, noch einen Auskunftsanspruch für die Klägerin. Auch die Beweislastumkehr lassen Sie unangetastet.
Daß der Gesetzestext von Ihnen in rein männlicher Sprache formuliert worden ist, sei nur am Rande bemerkt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben wirklich abgebaut werden soll, dann müssen umfassende gleichstellungspolitische Rechte für Frauen festgeschrieben werden. Die Europäische Union muß mehr sein als eine Wirtschafts- und Währungsunion, damit die Frauen das vereinte Europa als das ihrige ansehen können.
Ich erwähne noch einmal die Position der Däninnen, die sehr klar gewußt haben, was auf sie zukommt. Ich denke, hier sind wir gefragt, auch eine
soziale Union zu gestalten und Gleichberechtigung für Frauen durchzusetzen.
Ich danke Ihnen.
Ich gebe nun das Wort der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist interessant, welche sehr unterschiedliche Diktion in der heutigen Auseinandersetzung gewählt wird, gerade auch hinsichtlich dessen, welcher Art das Europa sein soll, das wir uns vorstellen. Damit will ich meinen Beitrag einleiten.
Ich stelle mir ein Europa der Bürgerinnen und Bürger vor, ein Europa, in dem das gilt, was selbstverständlich in der Bundesrepublik Deutschland wie in den anderen Mitgliedsländern gilt, nämlich die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in einer bestimmten Form im Maastricht-Vertrag zu verankern. Das wird durch die Verhandlungen der Bundesregierung erreicht werden, die klarmacht, daß zur Förderung von Gleichberechtigung sehr wohl auch hinzukommen kann und teilweise sogar muß, die Rahmenbedingungen zu verändern.
Was wollen wir mehr in Europa erreichen, als die Formulierung, die wir hier mit großer Mehrheit im Bundestag zur Ergänzung des Grundgesetzes in Art. 3 Abs. 2 verabschiedet haben? - Von daher wehre ich mich dagegen, mit einer pessimistischen Grundhaltung an das heranzugehen, was - wie in allen Rechtsbereichen mit kleinen, aber immerhin in die richtige Richtung führenden Schritten - erreicht wird.
Wir haben im Familienausschuß und auch in anderen Ausschüssen - ich kann das gleich für den Europaausschuß mit sagen - um die Beantwortung der Frage gerungen, wie die Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zur Berufsausbildung formuliert werden soll. Ich denke, daß es mit dem bisherigen Sachstand, über den man wahrscheinlich im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 22. April 1997 noch einmal nachdenken muß, doch die richtigen Akzentsetzungen gegeben hat.
Wenn Sie, Frau Schewe-Gerigk, das Kalanke-Urteil erwähnt haben, wobei anzumerken ist, daß es Frau Dobberthien ganz anders interpretiert, dann sieht man ja, wie aus der jeweiligen Sicht mit diesen Entscheidungen umgegangen wird.
In dem Urteil ist gesagt worden, daß die starre Quote, so wie sie dort in Bremen festgelegt und verabschiedet worden war, eben nicht mit dem EURecht in Einklang zu bringen ist. Das ist in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht worden.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Es ist doch wohl selbstverständlich, daß wir uns auf dieser Grundlage nicht dafür aussprechen, so starre Quoten festzulegen, daß wir eventuell mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Konflikt geraten können. Man muß also auch ein wenig deutlich machen, welches die Ausgangslage bei dieser Beratung ist.
Ich möchte - auch mit Blick auf die Realität im Wirtschaftsleben - eines gerade hinsichtlich kleiner und mittlerer Betriebe erwähnen. Malen wir uns doch die Welt nicht anders, als sie tatsächlich ist. So wie sie ist, gibt es häufig große Schwierigkeiten für kleinere Betriebe mit wenigen Beschäftigten, dem nachzukommen, was Sie wollen, nämlich Männer und Frauen zu beschäftigen. Wenn wir dann Regelungen schaffen, die zum Beispiel Mindestentschädigungssummen von drei Monatsgehältern und mehr für den Fall einer Diskriminierung ins BGB aufnehmen, dann werden wir damit nur erreichen, daß man versucht, spitzfindig zu argumentieren - ich selbst habe zehn Jahre lang Personalverantwortung für 2000 Mitarbeiter getragen - und auf dem Papier alles so zu machen, daß man einen vielleicht berechtigten Anspruch von Frauen hintergeht.
Wir brauchen ein ganz anderes Klima. Wir müssen doch Rahmenbedingungen schaffen, mit denen wir es Betrieben erleichtern - nicht abschrecken, sondern erleichtern -, Frauen an den richtigen Stellen zu beschäftigen.
Dazu möchte ich beitragen, natürlich unter Berücksichtigung der Entscheidungen, die der Europäische Gerichtshof ja in einer jetzt schon lange ausgeprägten Rechtsprechung entwickelt hat. Da gebe ich Ihnen recht: Hier müssen wir den heute geltenden § 611a BGB überdenken, weil die jüngste EuGHEntscheidung in einigen Punkten klarmacht, daß es mit der Begrenzung nach oben so nicht bleiben kann. Das sage ich auch ganz offen; denn man soll nicht Regelungen verteidigen, von denen man weiß, daß sie so nicht Bestand haben und daß man sie ändern muß.
Dennoch gibt es in dem Gesetzentwurf, der heute von der SPD vorgelegt worden ist, eine Reihe von Punkten, über die man sich wirklich auch sehr kritisch auseinandersetzen muß. Ich frage auch: Bringt es Frauen wirklich etwas, wenn man jetzt eine Regelung allein unter dem Aspekt macht, wie man eventuell - eher theoretisch und auf dem Papier - für Frauen etwas tun kann, was aber über das weit hinausgeht, was der Europäische Gerichtshof an Anforderungen aufstellt? Hier marschiert man in eine andere Richtung, weil dies unter dem Strich - man wird ja später eine Bilanz ziehen können - nicht zu einer tatsächlichen Verbesserung der Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft führen wird.
Hier können wir so viele Gesetze machen, wie wir wollen. Die Realität verändern wir aber durch ein entsprechendes Klima sowie dadurch, daß wir sagen, wie wichtig und welch eine Bereicherung es gerade für das Berufsleben ist, wenn es ein Miteinander von
Frauen und Männern nicht nur in unteren Bereichen, sondern gerade auch in Führungsgremien gibt. Da helfen uns keine Gesetze, in denen steht, daß mehr Frauen in den Bundestag oder in Führungsgremien kommen. Da ist Überzeugungsarbeit erforderlich. Wir brauchen dazu auch Debatten, aber nicht in einer Sprache, die, was Frauen und Frauenkampf angeht, aus den 70er Jahren stammt.
Vielen Dank.
Nun gebe ich der Abgeordneten Heidemarie Lüth das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich empfinde die Quote auch nicht gerade als ideal, sondern eher als eine Krücke; aber es ist besser, mit einer Krücke zu gehen, als im Rollstuhl gefahren zu werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Prozeß der europäischen Integration sind für die Frauenförderung Chancen, aber auch große Gefahren verbunden. Bis vor kurzem noch gingen ja gerade von Europa wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung der Frauenförderung in den Mitgliedstaaten aus. Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz ist ein Grundrecht in der gesamten Europäischen Union. Gleichzeitig wird konstatiert, daß postulierte Grundrechte allein die Wirklichkeit nicht verändern können und die individuelle Einforderung des Grundrechts äußerst schwierig ist. Die Verwirklichung der Chancengleichheit für Frauen mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu verbinden ist darum für Europa eine Aufgabe von höchster Bedeutung.
Nach dem sogenannten Kalanke-Urteil des EuGH und dem Plädoyer des Generalstaatsanwaltes zum Nordrhein-Westfälischen Landesgleichstellungsgesetz wird eine Trendwende deutlich, die eine rechtliche Klarstellung unbedingt erforderlich macht. Hier werden neue Töne angeschlagen.
Positive Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für und Frauen Männer sind notwendig, besonders dann, wenn die bestehenden Ungleichheitsfaktoren, die die Beschäftigungschancen betreffen, beseitigt werden können. So heißt es in der hier zu behandelnden Vorlage der Europäischen Kommission.
Das wird besonders die Männer freuen oder grämen, sitzen sie doch plötzlich mit im Boot des unterrepräsentierten Geschlechts. Dafür werden sie sicherlich einen anderen Begriff finden wollen; denn „Frauenförderung", wie es sonst eigentlich immer hieß, ist für sie sicherlich zu diskriminierend.
Andererseits - das ist eine weit schlimmere Tatsache - verschleiert der Begriff „unterrepräsentiertes Geschlecht" die wirklichen Tatsachen auf dem Arbeitsmarkt in eklatanter Weise.
Heidemarie Lüth
Die SPD hat dazu einen Antrag eingebracht, der Diskriminierung bei der Einstellung zu einem - wenn auch bescheidenen und für die Koalition nicht haltbaren - Risiko des Arbeitgebers macht. Aber eigentlich werden mit dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Weichen gestellt, die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für den Ausbau der Frauenförderung insbesondere durch verbindliche Zielquoten in der EU zu schaffen.
Die PDS-Bundestagsgruppe unterstützt vor allem den Ansatz, Gleichstellung als Querschnittsaufgabe zum Bestandteil der gesamten Gemeinschaftspolitik zu machen, um das bisherige Ressortdenken zu überwinden. Neben der systematischen Beseitigung der strukturellen Diskriminierung von Frauen insbesondere im Erwerbsleben erfordert das aus unserer Sicht - so habe ich auch die Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger verstanden - vor allem auch einen Emanzipationsschub bei den Männern.
Folgerichtig wäre es notwendig, daß sowohl im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik als auch im Bereich der Familienförderung über entsprechende Mechanismen beraten würde, die in der Tat eine Änderung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung bewirken könnten.
Danke.
Nun gebe ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Horst Günther das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei der Kollegin Schnieber-Jastram bedanken, die sich hier vor die angeblich ausgelaugten Männer im Kabinett gestellt hat. Ich finde, Frau Dobberthien, das war eine viel bessere Werbung für Frauen als Ihre Rede. Vielen herzlichen Dank!
- Da ich mich ganz persönlich besonders im Europäischen Bereich für die Frauenförderung einsetze, war das eine gute Werbung. Das kann ich schon beurteilen.
Wie so vieles ist auch der vorgelegte Gesetzentwurf der SPD offenbar ein Schnellschuß.
- Warten Sie ab, ich werde das ja begründen.
Zunächst ist es richtig, daß der EuGH in seinem Urteil vom 22. April 1997 das Verschuldensprinzip, wie in § 611 a BGB geregelt, als nicht EG-rechtskonform eingestuft hat. Dem haben Sie Rechnung getragen. Zutreffend ist auch, daß Sie das nicht mit EU-Recht
zu vereinbarende Summenbegrenzungsverfahren nach § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz aufheben wollen. Insoweit entspricht Ihr Gesetzentwurf den EG-rechtlichen Vorgaben.
Im übrigen habe ich jedoch Zweifel, ob Sie den Rest des EuGH-Urteils richtig gelesen haben. So hat der Europäische Gerichtshof die Obergrenze von drei Monatsgehältern Schadenersatz nur für die Person als unzulässig angesehen, die die Stelle in einem diskriminierungsfreien Verfahren tatsächlich bekommen hätte. Für alle anderen Bewerberinnen und Bewerber hat der EuGH die Obergrenze des deutschen Rechts als EG-rechtskonform eingestuft.
Trotzdem wollen Sie die Obergrenze aufheben. Darüber hinaus wollen Sie auch noch eine Mindestentschädigung von drei Monatsgehältern gewähren. Dies ist völlig unverhältnismäßig und berücksichtigt nicht, daß es unterschiedlich schwere Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot geben kann. Damit werden jedenfalls nicht Entscheidungen der Arbeitsgerichte, die zu Einzelfallgerechtigkeit führen sollen, herbeigeführt. Außerdem, so meine ich, bringen Sie hier auch neue Einstellungshindernisse auf den Weg.
Unverständlich ist für mich auch, daß Sie Ihre schon beim Zweiten Gleichberechtigungsgesetz von 1994 eingenommene Position zum Einstellungsanspruch des diskriminierten Stellenbewerbers wieder aufgreifen. Dieser Einstellungsanspruch ist heute so unsinnig wie damals. Die Kollegin Schnieber-Jastram hat das soeben bestätigt. Wir haben immer vertreten, daß es auch für den bestqualifizierten Bewerber zwar eine Entschädigungsregelung, aber keinen Einstellungsanspruch geben darf. Ich halte Ihren Vorschlag für völlig praxisfremd.
Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur raten: Ziehen Sie Ihren unausgegorenen Gesetzentwurf zurück!
Wir haben das Urteil des EuGH sorgfältig geprüft und werden noch in diesem Jahr hier im Parlament einen - davon bin ich überzeugt - EG-rechtskonformen und in der Sache durchdachten Entwurf vorlegen.
Meine Damen und Herren, ebenfalls zeichnen sich Neuerungen bei der Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG ab. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Jakobs hat dem Gericht vorgeschlagen, die Frauenquote des Landes Nordrhein-Westfalen für unrechtmäßig zu erklären; denn diese Regelung sorge nicht für gleiche Bedingungen bei der Ausgangssituation, sondern bezwecke eine Gleichheit hinsichtlich des Ergebnisses, und zwar in numerischer Hinsicht. Dies sei mit Sinn und Zweck der Richtlinie nicht vereinbar. Der enthaltene Vorbehalt ändere an dem diskriminierenden Charakter dieser Regelung nichts. Im übrigen sei dieser Vorbehalt unklar formuliert.
Parl. Staatssekretär Horst Günther
Dies deckt sich mit der Haltung der Bundesregierung, die schon seit Jahren die Festlegung von starren Frauenquoten ablehnt. Es bleibt abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof dieser Auffassung folgt und, falls ja, mit welcher Begründung eine Frauenquote als rechtswidrig angesehen wird.
Entsprechend hat sich auch der Arbeits- und Sozialministerrat am 17. April 1997 verständigt, und zwar einstimmig. Erst nach Ausgang des Verfahrens zu den Gleichstellungsregelungen in NordrheinWestfalen und der Änderung des Vertrages ist die dieser Debatte zugrunde liegende Beschlußempfehlung weiterzuverfolgen.
Doch möchte ich eines klarstellen: Ich sage ebenso deutlich nein zu starren Quoten, wie sie das nordrhein-westfälische Gesetz enthält, wie ich ein klares Ja zu allen Maßnahmen sage, die die Ausgangssituation von Frauen verbessern.
Meine verehrte Kollegin Dobberthien, Ihre Rede war eher eine Anti-Rede zur Förderung der Frauenpolitik.
Das möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen. Deshalb sage ich von hier, daß wir uns weiterhin für die Verbesserung der Frauenrechte einsetzen werden; denn die Frauen haben es nicht verdient, eine solche Vertreterin zu haben.
Danke.
Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 13/7896 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
- Meine verehrten Kolleginnen, Sie werden im Ausschuß noch reichlich Gelegenheit haben, weiter darüber zu sprechen.
Die Federführung soll beim Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung liegen. - Ich sehe keine anderen Vorschläge. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Union zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen, Drucksache 13/7587. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das
Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Gegenstimmen der Gruppe der PDS und Stimmenthaltungen im übrigen angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/7872. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt 15 sowie den Zusatzpunkt 6 auf:
15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS
Kontinuierliche Berichterstattung über Einkommens- und Vermögensreichtum in der Bundesrepublik Deutschland
-Drucksachen 13/6527, 13/7606Berichterstattung:
Abgeordnete Detlev von Larcher Heinz-Georg Seiffert
ZP6 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Regelmäßige Berichterstattung über die personelle Einkommens- und Vermögensverteilung
- Drucksache 13/7933 -
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Gruppe der PDS fünf Minuten erhalten soll. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache und stelle zunächst fest, daß Frau Professor Frick ihre Rede zu Protokoll geben will. - Ich sehe dazu Einverständnis.
Ich gebe nun das Wort dem Abgeordneten Dieter Grasedieck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche besuchte ich in meinem Wahlkreis einen Metallbetrieb. Im Laufe des Gesprächs zeigte mir der Unternehmer eine Zusammenstellung aller Produktionsdaten des Vortages und der letzten Monate, geordnet nach Produktionslinien und nach Maschinenleistung. Er sagte mir: Diese exakten statistischen Werte benötige ich unbedingt für meine Entscheidungen vor Ort hier im Betrieb. Nur so kann ich wirklich Schwachstellen feststellen und innerhalb des Betriebs Hilfen bieten. Wir können flexibel reagieren und schnell entscheiden. Nur mit diesen Angaben ist das möglich. Nur mit diesen Daten ist es auch mög-
Dieter Grasedieck
lich, eine langfristige Betriebsplanung durchzuführen.
Dieser Kleinunternehmer beschäftigt 120 Personen. Meine Damen und Herren, wir alle erwarten von der Industrie, daß man flexibel reagiert, daß man klare Entscheidungen auf der Grundlage dieser genauen betrieblichen Datenmaterialien fällt.
Hier im Bundestag sind wir nicht verantwortlich für 120 Personen, wir sind verantwortlich für 80 Millionen - und besitzen kein exaktes Datenmaterial. Wer hindert uns eigentlich daran, das zu tun, was wir von anderen verlangen, zum Beispiel von der Industrie? Wie gehen Sie von der Bundesregierung bei der Planung von Steuergesetzen eigentlich vor? Sie haben keine exakten Planungs- und Kontrolldaten des letzten Jahres. Können Sie da überhaupt über das Steuergesetz der nächsten Jahre entscheiden?
Ich will Ihnen einmal einige Beispiele aufführen: Im Jahressteuergesetz 1996 sollten Existenzgründer gefördert werden. Sie ordneten dieser Etatposition allerdings nur 75 Millionen DM zu. Für die gesamte Bundesrepublik Deutschland waren es nur 75 Millionen DM, nicht mehr. Allein Herford, eine Stadt mit 66 000 Einwohnern, hat einen Gewerbeertragsteueranteil von 75,2 Millionen DM. Diese Zahl für diese kleine Stadt müssen wir im Vergleich zu Gesamtdeutschland sehen.
Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer sollten gefördert werden. Es bleiben die Fragen: Wie viele Unternehmungen sind gegründet worden? Wie viele Investitionen sind getätigt worden, unter anderem betriebliche Investitionen? Wie viele Arbeitsplätze sind dadurch geschaffen worden?
Sie von der CDU/CSU-und-F.D.P.-Regierung stellen sich diese Frage an dieser Stelle schon gar nicht mehr. Sie warten auch nicht ab. Sie streichen das Gesetz ganz einfach aus Ihrem Steuergesetz heraus. Als hektische Steuertaktik ohne Planungsgrundlagen könnte man das bezeichnen, meine ich.
Ein weiteres Beispiel: Sie wollten durch Ihr Dienstmädchenprivileg Arbeitsplätze schaffen. Dadurch schaffen wir sehr viele Arbeitsplätze, sagten Sie damals, als dieses Gesetz umgestellt wurde. Eine Abschreibung von 12 000 DM war anfangs vorgesehen, jetzt sind es 18 000 DM. Es bleiben die Fragen: Sind durch dieses Gesetz überhaupt Arbeitsplätze geschaffen worden? Wie hat sich die Eigentumssituation der Haushaltshilfen verändert? Die Fragen müssen beantwortet werden, und wir haben keine Antworten.
Es fehlen Daten über die Einkommens- und Vermögensverteilung in vielen, vielen Bereichen. Sie aber, meine Damen und Herren von der PDS, sprechen in Ihrem Antrag nur von der Auseinandersetzung über Reichtum. Sie stellen immer noch die alten Fragen nach dem Interessenskonflikt zwischen Kapital und Arbeit. Ich meine, Sie sehen das zu eng. Wir müssen hier spezielle Verteilungsfragen im Vordergrund sehen. Genau deshalb hat die SPD diesen Antrag eingebracht.
Zum Beispiel ist in Ihrem Antrag gar nicht die Frage gestellt und angesprochen worden, Frau Höll, wie die Einkommens- und Vermögensverteilung zwischen kinderlosen Doppelverdienern auf der einen Seite und Familien mit mehreren Kindern auf der anderen Seite ist. Ebenso ist nicht der Einkommensunterschied zwischen Erwerbstätigen und Rentnern angesprochen worden.
- Das ist allumfassend. Wir haben uns bei diesem Antrag geöffnet. Wir haben das erweitert, meine Damen, meine Herren.
Der Unterschied zwischen alleinerziehenden und unterhaltspflichtigen Vätern ist bei Ihnen auch nicht angesprochen. Diese Unterlagen benötigen wir aber unbedingt.
Wir wissen nichts über Unterschiede zwischen den subventionierten Freiberuflern und solchen, die als Unternehmer ohne Förderung arbeiten müssen. Auch das soll innerhalb unseres Antrags berücksichtigt werden. Sie müssen sich das genau durchlesen und vielleicht auch etwas interpretieren. Dann kommen Sie zu den Schlüssen, die ich dargelegt habe. Diese Überlegungen fehlen in Ihrem Bericht, meine Damen und Herren von der PDS, vollständig. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Gerade für unsere Arbeit im Bundestag und im Finanzausschuß benötigen wir exaktere, aussagefähige Daten. Mit diesem Material können wir ungerechte Steuergesetze überprüfen und soziale Härten reduzieren. Die Bundesregierung entscheidet in ihren Steuergesetzen aber ohne diese Basiswerte. Das muß man sehen. Wichtige Fragen sind nicht beantwortet worden. Insofern brauchen wir einen solchen Antrag. Ich gehe davon aus, Sie unterstützen ihn, Herr Seiffert.
Folgende Fragen stellen sich:
Erstens. Welche Bevölkerungsgruppen werden durch veränderte Steuergesetze stärker belastet, welche werden entlastet? Diese Fragen können wir im Moment nicht beantworten.
Zweitens. Wie verändert sich die Vermögensverteilung in den alten und den neuen Bundesländern? Auch dieser Sachverhalt ist nicht klar.
Drittens. Wie verändert sich die Vermögensverteilung in der 'Bevölkerung? Die Antwort darauf ist wichtig, um soziale und wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Haben Sie sich schon gefragt, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, welche Wirkung ein Steuergesetz in der Praxis hat? Man muß das hinterfragen. Man muß das kontrollieren. Welche Schwierigkeiten, welche Probleme tauchen zum Beispiel beim Finanzamt auf, welche bei den Steuerbe-
Dieter Grasedieck
ratern, welche bei den Bürgerinnen und Bürgern? Eine Korrektur der alten Steuergesetze wäre manchmal zwingend erforderlich.
Interessant ist auch: Wir verfügen zwar über aktuelle Statistiken über Anbaufläche und Ertrag von Hackfrüchten. Darin wird zwischen frühen und späten Speisekartoffeln unterschieden, zwischen Zukkerrüben auf der einen Seite und Runkelrüben auf der anderen. Der Ertrag wird pro Hektar exakt und kommagenau aufgeführt.
Wir brauchen auch eine Planungsgrundlage über Einkommens- und Vermögensverteilung - alle drei Jahre, so meinen wir -, um eine verantwortliche Steuerplanung und Steuerkontrolle vornehmen zu können. Ihre Steuerpolitik, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-F.D.P.-Koalition, gleicht einer Autofahrt im Nebel. Sie können die Warnschilder nicht erkennen. Trotzdem geben Sie Gas. Beenden Sie durch unseren Antrag diese Nebelfahrt! Die Industrie braucht exakte Planungsdaten. Sie braucht Kontrolldaten. Wir brauchen Planungs- und Kontrollwerte über die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland für unsere politische Arbeit.
Unterstützen Sie deshalb unseren Antrag. - Ich gehe davon aus, daß Sie von der F.D.P. ihn unterstützen.
Recht herzlichen Dank.
Vizepräsident. Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Heinz-Georg Seiffert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der von der PDS beantragte Reichtumsbericht ist genauso wie der von der SPD beantragte Verteilungsbericht überflüssig wie ein Kropf. Man kann doch. nicht ständig vom schlanken Staat und von Entbürokratisierung reden und dann ein aufwendiges Statistikwerk mit alten Zahlen - das natürlich fortzuschreiben wäre - fordern. Lieber Herr Grasedieck, als wenn wir nicht schon genug Statistiken hätten!
Ich sage: Das vorhandene Statistikmaterial zur Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik ist vollkommen ausreichend.
Wir haben bereits einen Überblick darüber, wer welchen Beitrag zum Steueraufkommen leistet.
Wir wissen, wieviel die Leute auf der hohen Kante haben, wieviel sie für Urlaub, Freizeit, Reisen, Wohnen und Leben ausgeben. Wir wissen, wieviel Kapitalvermögen in Spareinlagen, Versicherungen, Aktien und Fonds angelegt ist. Wir wissen auch, wem
das Vermögen an Grund und Boden gehört. All diese Daten sind frei zugänglich.
Herr Kollege Seiffert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grasedieck?
Ja, gerne. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte.
Herr Seiffert, Sie wissen doch ganz genau, daß wir nur sehr alte Statistikwerte haben. Wir haben eine statistische Erfassung über unser Vermögen zum letztenmal im Jahr 1978 erstellt. Die letzten Werte über Einkommensverhältnisse wurden im Jahre 1989 erfaßt.
In allen Bereichen erfassen wir exakte Werte, nur in diesem Bereich versuchen wir nicht, uns eine genaue Planungsunterlage zu schaffen. Ich meine, die Werte von 1978 und 1989 sind einfach zu alt. Sehen Sie nicht das Problem?
Nein, lieber Herr Kollege Grasedieck. Ich glaube nicht, daß es Ihnen in der Tat um mehr Planungs- und Kontrolldaten geht. Vielmehr geht es der SPD mit diesem Verteilungsbericht vor allem darum, eine statistische Basis für die dann noch intensivere Neiddiskussion zu bekommen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in unserem Land nicht mehr Bürokratie, mehr Zahlenakrobatik, noch mehr statistische Spielereien, sondern weniger.
Die PDS hat in ihrer Begründung angemerkt, es gehe ihr nicht um eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, sondern lediglich um eine verläßliche Datenbasis, damit sie einen realistischen Maßstab zur Beurteilung eines gesellschaftlich zu sichernden Grundniveaus hat.
Damit vernebeln Sie Ihre wirkliche Absicht. In Wahrheit geht es Ihnen doch darum - dies hat der Herr Gysi mehrfach gesagt -, eine Grundlage dafür zu schaffen, Veränderungen in der Verteilung des Reichtums innerhalb dieser Gesellschaft zu fordern.
Sie wollen eine statistische Begründung für Ihre Forderung nach Gleichmacherei. Sie wollen im Prinzip einen anderen Staat, und dieser Reichtumsbericht soll dafür eine Diskussionsgrundlage sein.
Die vorhandenen Statistiken und Überblicke, zum Beispiel wer das Steueraufkommen erbringt, nutzen Ihnen nichts, weil sie Ihnen nicht ins Bild passen.
Aus der Übersicht über die Anteile am Steueraufkommen können Sie entnehmen, daß die 5 Prozent der Steuerpflichtigen im oberen Einkommensbereich 37,3 Prozent des Einkommensteueraufkommens zahlen, während die unteren 50 Prozent der Steuer-
Heinz-Georg Seiffert
pflichtigen zusammen ganze 9,1 Prozent beitragen. Die Hauptlast wird also tatsächlich von denen getragen, die hohe Einkommen haben. Ich sage ausdrücklich: Dies ist richtig so.
Eine Neiddiskussion bringt uns in dieser schwierigen Situation mit über 4,2 Millionen Arbeitslosen nicht weiter.
Wir brauchen keine Verteufelung des Besitzes, weil dadurch der Anreiz verringert wird, etwas aufzubauen und Vermögen zu schaffen. Statt dessen brauchen wir Anreize für Investitionen, damit das vorhandene Vermögen hier eingesetzt wird, um den Standort Deutschland weiter voranzubringen.
Wir brauchen keine Umverteilung von oben nach unten als Antwort auf eine angebliche Fehlentwicklung der Besitzverteilung. Statt dessen brauchen wir mehr Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen und für andere Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu brauchen wir bessere Rahmenbedingungen, und an denen arbeiten wir.
Wir brauchen auch kein weiteres Abkassieren der Vermögenden; denn diese entziehen sich weiteren Belastungen einfach dadurch, daß sie mit ihrem Vermögen unser Land verlassen. Hier ist doch die Schmerzgrenze längst erreicht; wir haben doch jede Menge namhafte Beispiele.
Wir brauchen ein ehrliches und transparentes Abgabensystem, das einerseits die Solidarität der Besitzenden mit der Gesellschaft einfordert und Schlupflöcher schließt sowie andererseits Leistung wieder lohnend macht. Genau dafür steht unsere Steuerreform.
Sie beklagen in der Begründung Ihres SPD-Antrags, daß die Einkommensentwicklung und die Steuerbelastung in einem krassen Mißverhältnis stehen und daß der öffentlichen Hand enorme Einnahmeverluste entstehen. Herr Grasedieck, gibt es denn eine schlüssigere Begründung für unsere Absicht, die Steuersätze drastisch zu senken und damit dafür zu sorgen, daß es wieder interessant wird, hier in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuern?
Wir werden mit dieser Reform die steuersparenden Gestaltungsmöglichkeiten ausschließen und damit mehr Geld in die Kassen bekommen als seither.
Sie von der SPD sollten da endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ablegen und diese Reform aktiv mitgestalten.
Meine Damen und Herren von der PDS, ich hatte die. zweifelhafte Ehre, in Ihrem Klassenkampfblättchen „Rheinblick" sogar auf der ersten Seite zu landen.
Sie haben mir vorgeworfen, ich sei von sozialer Kälte
erfüllt, ich würde ganz bewußt Gleichmacherei ablehnen und soziale und ökonomische Ungleichheiten
akzeptieren. Dabei haben Sie mich wohl total falsch verstanden. Mir geht es tatsächlich nicht darum, Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf ewig festzuschreiben. Ich möchte aber die im Grundgesetz garantierte Freiheit des einzelnen so weit ausgelegt wissen, daß er in Eigenverantwortung mit möglichst geringer Hilfe von außen in die Lage versetzt wird, seinen Wohlstand zu mehren und Vermögen zu erwerben.
Abraham Lincoln hat gesagt, „Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt", und „Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen, nicht helfen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen". Beides trifft auch auf unsere Gesellschaft zu.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie zielen mit Ihrer Forderung nach einem Verteilungsoder Reichtumsbericht genau darauf ab, Neid zu schüren und Besitz zu bestrafen. Wenn Sie solche Gleichmacherei betreiben, helfen Sie aber niemandem wirklich. Denn mit einer Umverteilung von den Reichen zu den Armen schaffen Sie kein neues Volumen. Sie wollen es nur anders verteilen, wie schon Ihr Antrag sagt. Das ist ein Griff in die sozialistische Mottenkiste.
Was wir brauchen, ist die Verwirklichung unserer Reformvorhaben im Sozial- und Steuerbereich. Dazu zählt eine Entlastung der Bürger bei Steuern und Abgaben einerseits und eine Verbesserung der Chancen für jeden einzelnen, Besitz und Eigentum zu schaffen, andererseits. Das ist das Gebot der Stunde.
Aus den dargelegten Gründen werden wir sowohl dem geforderten Reichtumsbericht als auch dem Umverteilungsbericht nicht zustimmen. Wir sollten unsere Kraft und Energie jetzt darauf konzentrieren herauszufinden, was geeignet ist, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die sozialen Sicherungssysteme finanzierbar zu halten. Wenn Sie bei diesen Reformbemühungen kooperativ mitarbeiten, dann helfen Sie den Menschen in diesem Lande mehr als durch eine weitere Statistik.
Vielen Dank.
Nun gebe ich das Wort der Abgeordneten Andrea Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seiffert, das können Sie wirklich nicht von uns verlangen: Es ist ja ein geradezu unsittlicher Antrag, kooperativ mit einer untergehenden Regierung zusammenzuarbeiten.
Das ist jetzt so ein Déjà-vu-Gefühl, weil wir schon bei der Debatte zur Einbringung dieses Antrags eine solche Situation hatten.
Andrea Fischer
Alle tauschen ihre Meinungen über soziale Gleichheit und Ungleichheit, über Reichtum und Armut aus. Wir stimmen hier im Haus nicht über Begründungen ab, sondern nur über den Antragstext. Der ist bei der SPD genauso harmlos wie bei der PDS. Es geht um einen statistischen Bericht. Ich glaube, das habe ich bei der Einbringung des Antrags schon einmal gesagt.
Wenn es denn so ist, daß wir soviel statistisches Material darüber haben - offenkundig ist es so verstreut und schwer zugänglich, daß wir alle uns nicht darauf verständigen können -, dann kann es ja nicht so schwierig sein, das Ganze zu einem Bericht zusammenzufassen. Das würde vielleicht in der Debatte weiterhelfen; denn natürlich gehen in eine Debatte über die Verteilung von Einkommen und Vermögen und über die Reichtums- und Armutsentwicklung in unserer Gesellschaft immer politische Wertentscheidungen ein. Es kann doch nicht schaden, wenn wir alle uns zumindest einmal auf eine gemeinsame statistische Grundlage verständigen würden, worüber wir hier reden.
Wir haben es mit unglaublich vielen Mythen zu tun, sowohl mit dem Mythos, es gebe gar nicht diese vielen Reichen, die sich der Besteuerung entziehen könnten, als auch mit dem Mythos, es gebe so wahnsinnig viele Reiche, daß man kein Geldproblem mehr hätte, wenn man es nur von denen nehmen würde.
Es könnte doch vielleicht zur Versachlichung der Debatte ungemein beitragen, wenn wir wüßten, worüber wir hier reden könnten. Dementsprechend verstehe ich es nicht, daß sich beide Seiten gegenseitig den Ideologievorwurf machen. Wir reden hier über so etwas Schlichtes wie einen statistischen Bericht. Wir machen an ganz vielen Stellen solche Berichte.
Es wäre ja die Bundesregierung, in deren Verantwortung die Erstellung eines solchen Berichts fiele. Sie hätten sicherlich viele Möglichkeiten, ihn in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ich finde es völlig lächerlich, so ein Theater darum zu machen und sich noch nicht einmal die statistischen Grundlagen für einen solchen Bericht zu besorgen.
Sicherlich würde es sich lohnen, eine Auseinandersetzung darüber zu führen. Ich habe es beim letztenmal schon gesagt: In dieser Gesellschaft wird Ungleichheit sehr wohl akzeptiert. Aber das Maß an Ungleichheit wird immer wieder neu verhandelt in einer Gesellschaft. Ich finde das auch richtig so. Da brauchen Sie auch gar nicht von Neid und sonstigem zu reden. Daß sich die Fragen zuspitzen in Zeiten, in denen wir, was soziale Leistungen anbelangt, wirklich über Pfennigbeträge reden, die die Leute bekommen oder nicht bekommen, ist selbstverständlich. Natürlich wird die Debatte dadurch aufgeregter. Dadurch wird auch das Gerechtigkeitsempfinden ganz stark berührt.
Eigentlich könnte es vor diesem Hintergrund nur in Ihrem Interesse liegen, da einmal ein bißchen Butter bei die Fische zu tun, damit man weiß, worüber man spricht und worüber man sich austauscht. Man sollte
nicht immer nur mit diesen Verdächtigungen arbeiten.
Ich habe das beim letztenmal schon gesagt: Der PDS muß man sicherlich alle Schlechtigkeit dieser Welt zutrauen. Aber jetzt zu unterstellen, daß sie mit diesem Antrag den Sozialismus ausrufen will, das scheint mir doch - mit Verlaub - eine etwas hysterische Reaktion auf das Ganze zu sein.
Wir können beiden Anträgen zustimmen, weil sich beide in der Substanz wenig unterscheiden. Wie gesagt, über Begründungen wird hier nicht abgestimmt.
Nun gebe ich das Wort der Abgeordneten Dr. Barbara Höll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über einen Antrag der PDS unter dem Titel „Kontinuierliche Berichterstattung über Einkommens- und Vermögensreichtum in der Bundesrepublik Deutschland ". Es geht also darum, daß das Parlament mit seiner Mehrheit beschließt, die Regierung zu beauftragen, einen solchen Bericht zu erstellen.
Die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten haben damit ein gesellschaftliches Problem aufgegriffen, das in Verbänden, Vereinen und auch in den Kirchen breit diskutiert wird. Ich möchte deshalb aus dem Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zitieren, in dem steht:
Nicht nur Armut, auch Reichtum muß ein Thema der politischen Debatte sein.
In der nächsten Woche findet in meinem Wahlkreis, in Leipzig, der 27. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Er hat das Motto „Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben".
Wir möchten mit unserem Antrag nichts weiter als eine gründliche und aktuelle Erfassung von statistischem Material erreichen. Aber Sie scheuen genau das wie der Teufel das Weihwasser.
Sie befürchten nämlich, daß dadurch bestätigt wird, was ebenfalls im Wort der Kirchen steht - ich zitiere noch einmal -:
Umverteilung ist gegenwärtig häufig Umverteilung des Mangels, weil der Überfluß auf der anderen Seite geschont wird. Ohnehin tendiert die wirtschaftliche Entwicklung dazu, den Anteil der Kapitaleinkommen gegenüber dem Anteil der Lohneinkommen zu vergrößern.
Soviel zu dem Wort der Kirchen.
Lassen Sie uns einmal die diesbezüglichen Debattenbeiträge anschauen. Ich zitiere aus dem Debattenbeitrag von Herrn Seiffert aus der Beratung am
Dr. Barbara Höll
20. Februar 1997. Sie haben damals gesagt, daß die PDS es immer noch nicht begriffen hat,
daß es in der Rechts- und Gesellschaftsordnung dieses Grundgesetzes keine willkürliche Sozial- und Wirtschaftslenkung gibt, ...
Ich möchte Sie daran erinnern: Sie haben einen Grundsatz des Grundgesetzes vergessen. Dort steht nämlich auch, daß Eigentum verpflichtet.
Und dann erkühnen Sie sich, so etwas zu sagen!
Mit Blick auf die Steuerdiskussion muß ich sagen, daß jegliche Steuerentscheidung natürlich mit bestimmten Umverteilungen verbunden ist. In dieser Situation werfen Sie uns vor, daß wir statistisches Material wollen, und das, obwohl Sie gerade heute morgen im Finanzausschuß von der Opposition verlangt haben, daß sie weiter über ein Steuerreformkonzept diskutiert, bei dem es nicht einmal den Ansatz einer Gegenfinanzierung gibt. Sie sagen weder uns, dem Parlament als dem Gesetzgeber, noch der Bevölkerung, wie Sie das, was Sie vorschlagen, finanzieren wollen.
Wenn man sich das konkret anschaut, wird man am Ende finden, daß Sie damit die Politik, die Sie 1982 eingeleitet haben, fortsetzen wollen. Sie wollen auch mit diesem Einkommensteuerreformkonzept von unten nach oben umverteilen. Alle Vorschläge, die vorgelegt worden sind, bedeuten unter anderem, daß jemand mit einem Einkommen von über 100 000 DM jährlich eine mindestens doppelt oder dreimal so hohe Entlastung erfährt wie jemand im mittleren Einkommensbereich. Personen im unteren Einkommensbereich hätten mit den von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen im Steuerrecht - wenn sie denn so durchkommen - dann oftmals weniger im Portemonnaie als vor der Steuerreform.
Frau Frick von der F.D.P. wirft uns nur einfach Umverteilungsideologie vor.
Das ist ja nun völlig hanebüchen. Es geht um einen Bericht; es geht um statistisches Material.
Wenn wir daraus andere Schlußfolgerungen als Sie von der F.D.P. ziehen, dann ist das nur natürlich.
Sie haben ja in erster Linie Angst davor, daß herauskommt, daß Sie Ihre Klientel, die Besserverdienenden, immer bessergestellt haben.
Ich möchte noch etwas zur SPD und zu ihrem Antrag sagen. Ich finde es schon ziemlich herb - das muß ich sagen -, wenn Sie sechs Monate nach der Vorlage unseres Antrags zum Reichtumsbericht einen eigenen Antrag vorlegen. Nur nebenbei, Herr Grasedieck: Alles das, was Sie gefordert haben und
was angeblich in unserem Antrag fehlt, steht auch in Ihrem nicht drin.
In der Substanz hat Ihr Antrag den gleichen Inhalt wie unserer.
Daß Sie ihn jetzt eingebracht haben und unseren Antrag damit im Prinzip überflüssig machen wollen, ist doch nichts weiter als ein Kniefall vor Herrn Hintze. Es könnte Ihnen ja irgendwo zuviel Nähe zur PDS nachgesagt werden. Obwohl wir substantiell das gleiche wollen, haben Sie jedenfalls bekundet, daß Sie unseren Antrag ablehnen werden.
Auf Ihren Vorwurf, wir stellten wieder die alten Fragen nach dem Interessenskonflikt von Kapital und Arbeit, entgegne ich Ihnen: So ist es. Ich finde es traurig, wenn ein Sozialdemokrat sagt, das sei nicht mehr die entscheidende Frage. Die Realität zeigt immer deutlicher, daß Verteilungskonflikte in diesem Land letztendlich immer wieder auf eine Umverteilung von unten nach oben hinauslaufen. Die Interessenskonflikte zwischen Kapital und Arbeit, zwischen unten und oben, zwischen Arm und Reich bestimmen das gesellschaftliche Leben derzeit entscheidend.
Wir, die PDS, haben in unserem Antrag gefordert, geeignete Kriterien der Beschreibung von Einkommens- und Vermögensreichtum zu erarbeiten.
Wir stellen Ihnen frei, über diese Kriterien zunächst zu diskutieren. Wir möchten, daß an Hand solcher Kriterien dann dargestellt wird, wie sich der Reichtum in der Bundesrepublik verteilt.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich bin gleich fertig, Herr Präsident.
Wir stellen die Fragen nach Quellen und Wirkungen des Reichtums und danach, wozu Reichtum überhaupt eingesetzt werden soll. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung für unseren Antrag.
Danke.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu einer kontinuierlichen Berichterstattung über Einkommens- und Vermögensreichtum in der Bundesrepublik Deutschland, Drucksache 13/7606. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6527 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu einer regelmäßigen Berichterstattung über die personelle Einkommens- und Vermögensverteilung, Drucksache 13/7933. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit stelle ich fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Monika Knoche, Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung
- Drucksache 13/7528-
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Gesundheit
Die Reden der Abgeordneten Sielaff, Heinrich, Maleuda, Gröbl und Lamp werden zu Protokoll gegeben. - Ich stelle allgemeines Einverständnis dazu fest.
Damit sind wir am Ende der Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/7528 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. Juni 1997, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.