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    Plenarprotokoll 13/182 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 182. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Juni 1997 Inhalt: Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations-und Kommunikationsdienste (Informations- und Komunikationsdienste-Gesetz) (Drucksachen 13/7385, 13/7934) . 16347 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 16347 B Doris Barnett SPD 16348 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16350 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. . . 16352 B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16353 B Wolfgang Bierstedt PDS 16353 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU 16354 D Hanna Wolf (München) SPD 16355 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 16356 C Siegmar Mosdorf SPD 16358 B Jörg Tauss SPD 16359 A Christian Lenzer CDU/CSU 16359 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. . 16360 C Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 16362 C Jörg Tauss SPD 16363 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 16363 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Drucksache 13/6398) 16365 B Steffen Heitmann, Staatsminister (Sachsen) 16365 B Dr. Eckhart Pick SPD 16366 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16369 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 16371 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 16372 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 16373 C Horst Eylmann CDU/CSU 16374 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 16376 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 16377 B Norbert Geis CDU/CSU 16378 C Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Marliese Dobberthien, Christel Hanewinckel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des geschlechtsbedingten arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots an das EU-Recht (Drucksache 13/7896) 16380 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (Drucksachen 13/5555 Nr. 2.5, 13/7587) 16380 C Dr. Marliese Dobberthien SPD 16380 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 16382 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16383 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16383 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 16384 C Heidemarie Lüth PDS 16385 C Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 16386 B Tagesordnungspunkt 15: Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS: Kontinuierliche Berichterstattung über Einkommens- und Vermögensreichtum in der Bundesrepublik Deutschland (Reichtumsbericht) (Drucksachen 13/6527, 13/7606) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktion der SPD: Regelmäßige Berichterstattung über die personelle Einkommens- und Vermögensverteilung (Verteilungsbericht) (Drucksache 13/7933) 16387 C Dieter Grasedieck SPD 16387 D Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU . . . 16389 B Dieter Grasedieck SPD 16389 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16390 D Dr. Barbara Höll PDS 16391 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung (Drucksache 13/ 7528) 16393 A Nächste Sitzung 16393 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16394 *A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede der Abgeordneten Gisela Frick (F.D.P.) zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Reichtumsbericht) 16394 *D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung) Helmut Lamp CDU/CSU 16395* C Horst Sielaff SPD 16396* B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16397* B Ulrich Heinrich F D P. 16398* B Dr. Günther Maleuda PDS 16398* D Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär BML 16399* C Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 16400* C 182. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 13. 6. 97 Bindig, Rudolf SPD 13. 6. 97 * Blunck, Lilo SPD 13. 6. 97 Borchert, Jochen CDU/CSU 13. 6. 97 Bredehorn, Günther F.D.P. 13. 6. 97 Diller, Karl SPD 13. 6. 97 Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 13.6.97 Franziska 90/DIE GRÜNEN Gansel, Norbert SPD 13. 6. 97 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 13. 6. 97 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 13. 6. 97 Ibrügger, Lothar SPD 13. 6. 97* * Imhof, Barbara SPD 13. 6. 97 Dr. Jacob, Willibald PDS 13. 6. 97 Janz, Ilse SPD 13. 6. 97 Jaffke, Susanne CDU/CSU 13. 6. 97 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 13. 6. 97 Kauder, Volker CDU/CSU 13. 6. 97 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 13. 6. 97 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 13. 6. 97 Koppelin, Jürgen F.D.P. 13. 6. 97 Kröning, Volker SPD 13. 6. 97 Kunick, Konrad SPD 13. 6. 97 Leidinger, Robert SPD 13. 6. 97 Lemke, Steffi BÜNDNIS 13. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Leonhard, Elke SPD 13. 6. 97 Metzger, Oswald BÜNDNIS 13. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Peters, Lisa F.D.P. 13. 6. 97 Reschke, Otto SPD 13. 6. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 13. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 13. 6. 97 Hans Peter Schütz (Oldenburg), SPD 13. 6. 97 Dietmar Schultz (Everswinkel), SPD 13. 6. 97 Reinhard Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schumann, Ilse SPD 13. 6. 97 Schwanitz, Rolf SPD 13. 6. 97 Seuster, Lisa SPD 13. 6. 97 Titze-Stecher, Uta SPD. 13. 6. 97 Voigt (Frankfurt), SPD 13. 6. 97 Karsten D. Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 13. 6. 97 Wallow, Hans SPD 13. 6. 97 Weißgerber, Gunter SPD 13. 6. 97 Wieczorek (Duisburg), SPD 13. 6. 97 Helmut Wieczorek-ZeuI, SPD 13.6.97 Heidemarie Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 13. 6. 97 * Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 13. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 13. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede der Abgeordneten Gisela Frick (F.D.P.) zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Reichtumsbericht) Das meiste zur Forderung der PDS nach einem Reichtumgsbericht ist schon gesagt. Deshalb will ich nur etwas Grundsätzliches zur Problematik ausführen: Als die PDS den Antrag im Februar einbrachte, sagte sie, daß mit dem Datenmaterial eines Reichtumsberichts eine Basis für eine Veränderung, eine Umverteilung des Reichtums in Deutschland geschaffen werden soll. Die SPD lehnte diesen Antrag wie wir im Ausschuß ab. Aber auch nur, weil sie einen eigenen Antrag einbringen wollte, der nun auch vorliegt: Sie fordert einen „Verteilungsbericht", in dem die personelle Einkommens- und Vermögensverteilung und die geplanten verteilungspolitischen Maßnahmen alle drei Jahre dargelegt werden sollen. Unser Gesellschaftssystem beruht gerade darauf, daß man unter anderem auch Reichtum erwerben kann. Unsere Gesellschaftsordnung räumt allen möglichst gleichmäßig die Chance ein, auch Wohlstand zu erwerben. Was der einzelne daraus macht, ist unterschiedlich und hängt von den Begabungen und anderen Faktoren ab. Ein Aspekt, und zwar der wichtigste, kommt mir in der Debatte zu kurz: Um etwas verteilen zu können, muß ich vorher etwas einnehmen. Das heißt, das, was der Staat verteilen soll, muß er vorher von seinen Bürgern an Steuern einnehmen. Und wie sieht die Einnahmeverteilung bzw. die Verteilung der Steuerlast aus? Die oberen 25 Prozent aller Einkommensgruppen bringen 70,5 Prozent der Steuereinnahmen auf! Und lediglich 0,3 Prozent der Steuereinnahmen werden von den unteren 25 Prozent aller Einkommensgruppen aufgebracht. Das heißt, nur ein Viertel der Steuerzahler - und zwar die sogenannten Reichen - finanzieren drei Viertel aller Sozial- und Transferleistungen. Laut Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) haben sich die Sozialausgaben, die, wie gesagt, weit über die Hälfte von den sogenannten Reichen aufgebracht werden, von 1970 bis 1995 mehr als versechsfacht! Dagegen haben sich die Investitionen von Unternehmen nur vervierfacht. Die Sozialquote hat sich von 26 Prozent seit 1970 bis heute auf 34 Prozent erhöht. Ein immer größerer Anteil des Bruttoinlandsprodukts wird also für soziale Zwecke verwendet. Das Sozialbudget wird zu 30 Prozent von Unternehmen finanziert. Nach der Wettbewerbsrangliste der 30 konkurrenzfähigsten Länder im Jahr 1997 liegt Deutschland auf Platz 25! Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Weltwirtschaftsforums hervor. Deutschland fiel damit gegenüber dem Jahr 1996 um zwei Plätze zurück! Und wir werden weiter zurückfallen, wenn wir den Unternehmen und den Unternehmern - den sogenannten Reichen - noch mehr Steuern und Abgaben abverlangen, um die Sozialausgaben zu erhöhen - nämlich das verstehen Sie unter „Verteilungsgerechtigkeit"! Herbert Hax hat sich in der „FAZ" vom 17. Mai 1997 mit dem „Wort der Kirchen" und seiner Fixierung auf die Verteilung auseinandergesetzt. Er wirft den Kirchen und somit auch den Parteien, die sich dieser Verteilungsideologie anschließen, vor, die Bedeutung der Motivation für Leistung und Initiative zu verkennen . Ich zitiere: Daß Sozialleistungen möglicherweise die Motivation zur Aufnahme gering bezahlter Erwerbstätigkeit mindern, daß andererseits die durch sozialstaatliche Leistungen bedingte Abgabenlast die Motivation zur Schaffung von Arbeitsplätzen beeinträchtigt, derartige Erwägungen gehen nicht in die Ausführung zum Abbau der Arbeitslosigkeit ein. Herbert Hax kommt zu dem Schluß: Es ist ein entscheidender Mangel des Wortes der Kirchen, daß vom verteilungsorientierten Denken her die Bedeutung der Motivation für Leistung und unternehmerische Initiative weitgehend verkannt wird. Wenn wir also die Armut bekämpfen wollen, ist es kontraproduktiv, den sogenannten Reichen noch mehr wegzunehmen, weil sie dann noch weniger investieren und noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen. Sie müssen hier anfangen umzudenken. Wir brauchen Arbeitsplätze, um die Armut zu bekämpfen - und da hilft uns auch kein Reichtums- oder Verteilungsbericht. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Vermeidung von Gesundheitsrisiken für den Menschen durch Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung) Helmut Lamp (CDU/CSU): Wir wissen, daß in der derzeitigen internationalen Wettbewerbssituation die Tierhalter wohl kaum auf die Vorteile antibakteriell wirkender Futterzusatzstoffe verzichten können: höhere Gewichtszunahmen bei gleichzeitig reduziertem Futteraufwand, reduzierter Mastdauer, reduzierten Produktionskosten. Zusätzlich sind - auch bei Einsatz nur minimaler Mengen dieser Futterzusatzkosten - eine deutliche Verringerung des Methanproblems und stabilere Gesundheit der Tiere zu verzeichnen. Aber auch die möglichen Gefahren sind bekannt: Resistenzbildung in der Humanmedizin gegen Antibiotika. Ich sage „mögliche Gefahren", weil bisher kein einziger Fall von Resistenzbildung aufgrund des Einsatzes von Futterzusatzstoffen wissenschaftlich zweifelsfrei belegt werden konnte. Die Resistenzprobleme in der Humanmedizin scheinen eher hausgemachte Probleme zu sein! Trotzdem: Der menschlichen Gesundheitsvorsorge muß absoluter Vorrang eingeräumt werden; die geltenden, eng gefaßten Vorgaben und Kontrollen sind berechtigt! Sie sind ständig nach neuestem wissenschaftlichen Standard zu optimieren. Auf jeden begründeten Verdacht ist umgehend zu reagieren! Verbraucherschutz - und zwar vorbeugend - hat ohne Frage höchste Priorität. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich unterstreichen! Das Bild einer generellen Gefährlichkeit von antibakteriell wirkenden Futterzusatzstoffen entspricht jedoch nicht den Realitäten. Nun zum Antrag der Grünen, den wir trotz etlicher durchaus positiver Ansätze nicht unterstützen können! So versuchen Sie mit Ihrem Antrag den Eindruck zu vermitteln, die Bundesregierung müsse auf mögliche Probleme erst aufmerksam gemacht und zum Handeln gedrängt werden! Was Ihnen scheinbar entgangen ist: In enger Zusammenarbeit mit der Wissenschaft registriert die Bundesregierung bereits seit Jahren sehr aufmerksam die Entwicklungen in diesem Bereich, um - wenn es nötig ist - auch mit unkonventionellen Initiativen zu reagieren! Des weiteren fordern Sie, daß „Haltungssysteme, die die Tiergesundheit deutlich beeinträchtigen und eine artgerechte Haltung verhindern" verboten werden. Wohl darf man nie zufrieden sein, alles läßt sich noch optimieren - auch in der Tierhaltung - aber entgegen den Forderungen der grünen Meinungsmacher sind die dem deutschen Tierschutzgesetz entsprechenden Haltungssysteme tiergerecht! Mit ihrer pauschal gehaltenen Forderung suggerieren Sie einmal mehr das Gegenteil der Realität und diffamieren einmal mehr fast die gesamte deutsche Landwirtschaft! Aber ich habe noch weitere Vorbehalte gegen Ihren Antrag: Aufgrund einer Vielzahl ähnlicher Akti- vitäten der Grünen und ihrer Anhänger kann unterstellt werden, daß mit der Diskussion um die Futterzusatzstoffe eine Verfestigung von Vorbehalten gegenüber der von Ihnen ungeliebten konventionellen Landwirtschaft und gegenüber dem Fleischkonsum ganz bewußt in Kauf genommen wird - um es nicht noch härter zu formulieren! Damit paßt dieser Antrag - der mit Vertretern der Biolandwirtschaft im Wasserwerk abgestimmt und erarbeitet wurde - nahtlos in die lange Reihe von Initiativen Ihrer Partei mit überwiegend haltlosen Argumenten gegen 98 % der deutschen Bauern. Die unverständlich große Medienresonanz, die die von der Realität kaum belasteten, oft verbiesterten grünen Argumente und Initiativen finden, hat ganz sicher zur starken Reduzierung des allgemeinen Fleischverzehrs beigetragen. Die Folge: Die Tierproduktion in Deutschland stagniert oder wird eingeschränkt. Das Frohlocken mancher Kreise über diese Entwicklung dokumentiert starke - sicher ideologisch bedingte - Kurzsichtigkeit! Denn trotz sinkenden Fleischkonsums steigen die Fleischimporte! Deutsche Tierhalter geben entnervt auf, ausländische Großproduzenten, deren Stallanlagen strengen deutschen Kontrollen entzogen sind, steigen ein. Ob der Verbraucher weiß, daß zum Beispiel der Marktanteil deutscher Erzeugung bei Geflügelfleisch bereits unter 45 % gesunken ist, die Geflügelfleischeinfuhren aber von 484 000 Tonnen im Jahr 1992 auf über 618 000 Tonnen im Jahr 1996 förmlich explodierten? Ob die Hausfrau beim Einkauf wirklich glaubt, daß das Importfleisch genauso rückstandsarm wie das deutsche ist, genauso tiergerecht erzeugt wurde? Meine Damen und Herren, wir werden in aller Welt um die Vielfalt unserer Fleischspezialitäten beneidet - vom Holsteinischen Katenrauchschinken über den Rheinischen Sauerbraten, die Thüringer Bratwurst bis zum Bayerischen Leberkäs, um nur einige zu nennen. Und wir können mit gutem Appetit diese Spezialitäten genießen. Bisher ist noch niemand durch irgendwelche Rückstände von in Deutschland erzeugtem Fleisch erkrankt, wie überhaupt noch niemand nur durch den vernünftigen Verzehr gesunden Fleisches erkrankt ist. Probleme gibt es nur bei zu einseitiger Ernährung. Natürlich kann der Verzehr von übermäßig viel Fleisch nicht gesund sein, genauso wie zum Beispiel übermäßig viel Spinat oder übermäßig viel Kürbis nicht gesund sein kann. Also, lassen wir die Wurst auf dem Grill und uns den guten Appetit nicht vermiesen! Horst Sielaff (SPD): Genau wie unsere Kolleginnen und Kollegen von den Grünen sehen auch wir die dringende Notwendigkeit, dem Einsatz von antibiotischen Medikamenten, die zur Beschleunigung des Wachstums bei der Mast von Tieren eingesetzt werden, endgültig einen Riegel vorzuschieben. Wir unterstützen diesen Antrag daher, halten ihn aber in seinen Forderungen für zu kurz gesprungen. Wir haben bereits einige Monate vorher einen eigenen Antrag (Drucksache 13/6553 vom 12. Dezember 1997) mit dem gleichen Ziel, aber sehr viel konkreteren Forderungen in den Deutschen Bundestag eingebracht, der demnächst in den Ausschüssen beraten wird. Im Juli 1996 spätestens hätte eigentlich die Gefahr allen klar sein müssen. Wissenschaftler wiesen darauf hin, zu welch ernsthafter Bedrohung eine Vielzahl der inzwischen aufgetretenen Antibiotika-Resistenzen in der Therapie am Menschen geworden sind. Im Oktober 1996 sprachen sich 15 deutsche medizinische und veterinärmedizinische Gesellschaften für ein europaweites Verbot von Antibiotika als Futtermittelzusatz aus. Innerhalb der Bundesregierung gibt es hierzu sehr widersprüchliche Aussagen. Erst kündigte der Leiter des Fachgebietes „Futterzusatzstoffe und Tierernährung" beim BgVV (Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin) an, das Institut werde auf ein Verbot der GlykopeptidAntibiotika und der Makrotide als Futterzusatzstoffe drängen und sich für eine allgemeine Verminderung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung und gegen eine Anwendung von Antibiotika als Wachstumsförderer in der Tiermast aussprechen. Die Pharmazie-Gläubigen sitzen aber offenbar gleich ein paar Türen weiter, denn der Leiter des Referates „Tierarzneimittelzulassung und -rückstandskontrolle, Futterzusatzstoffe" beim BgVV kam einen Monat später zu dem Schluß, für ein solches Verbot gäbe es keine Veranlassung. So ist es dann auch bis heute - fahrlässigerweise, wie wir finden - geblieben. Die Bundesregierung läuft auch hier der Entwicklung wieder mal Lichtjahre hinterher, denn neben der Opposition im Bundestag und einer Vielzahl von Wissenschaftlern hat selbst der Deutsche Bauernverband eine Rücknahme der Zulassungen für einige antibiotische Wachstumsförderer gefordert. Verschiedene klinisch-wissenschaftliche Studien sind in den letzten Jahren zu dem Ergebnis gekommen, daß es zur Entwicklung einer Vielzahl von menschlichen Resistenzen gegen Antibiotika gekommen ist, die unter Umständen eine nicht zu beherrschende Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Krankenhäuser müssen sich heute vielfach nach Operationen mit einem letzten verbliebenen Antibiotikum, dem Vancomycin, helfen, weil andere einstmals bewährte Antibiotika gegen die Keime nicht mehr wirksam sind. Entstanden sind diese Resistenzen zum einen durch den oft unangemessenen Einsatz der Antibiotika in der Humanmedizin. Als andere Ursache gelten antibiotische Stoffe, die als „Leistungsförderer" zur Beschleunigung des Muskelfleischansatzes eingesetzt werden und zur Unterdrückung pathogener Keime in der Tiermast dienen sollen. Dies hat schnelleres Wachstum und bessere Zunahmen zur Folge und damit rein ökonomische Vorteile für die Mäster. Nachdem eine Vielzahl von Menschen (Schätzungen belaufen sich auf zehn bis dreißig Prozent) laut Untersuchungen resistente Keime (Enterokokken) in der Darmflora aufweisen, mehrten sich auch die Hinweise darauf, daß die Keime über die Nahrungskette aufgenommen werden. Zudem finden sich die Keime vermehrt bei Schweinen und Hühnern in solchen Mastbetrieben, die ein Glykopeptid als Futtermittelzusatzstoff einsetzen. In human- und veterinärmedizinischen Fachkreisen wird das Fehlen eines systematischen Resistenzmonitorings zur Überwachung eventuell auftretender Resistenzen beklagt. Wir brauchen außerdem einen Vorbehalt für die Humanmedizin in bezug auf solche antibiotischen Wirkstoffe, die in lebensbedrohlichen Situationen für die Humantherapie unerläßlich sind, d. h. grundsätzlich keine Zulassung für diese Präparate in der Tiermedizin. Einen wirklichen Beitrag zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung können wir vor allem durch zweierlei erreichen, zum einen durch den Verzicht auf nutritive Antibiotikagaben, d. h. minimale, dauerhafte Verabreichung über das Futter zur Verbesserung der Futterverwertung in Masttierbeständen, und zum anderen durch den Verzicht auf den vorbeugenden Einsatz von Antibiotika zur Beseitigung bzw. Verhinderung von Hygieneproblemen, wie er in Geflügelbeständen vielfach praktiziert wird. Wir fordern, die Haltungsbedingungen so zu gestalten, daß ein permanenter Einsatz von Antibiotika nicht erforderlich ist. Die Prinzipien einer wirklich artgerechten Tierhaltung erlauben keinesfalls die regelmäßige Gabe von Medikamenten, um Tiere gesund zu erhalten. Die Landwirtschaft insgesamt braucht die Akzeptanz der Verbraucher, und die reagieren ablehnend auf die Produktionsbedingungen, wie sie teilweise in der Tiermast vorzufinden sind. Dazu gehört auch eine weitreichende Abneigung gegen unnötigen Arzneimitteleinsatz. Diesem Anliegen müssen wir entsprechen, und das ist entgegen den Aussagen der Futtermittelzusatzstoff- und Arzneimittelproduzenten nahezu ohne wirtschaftliche Einbußen möglich, wenn zukünftig ein größerer Wert auf artgerechte, angepaßte und hygienisch optimierte Haltungsverfahren gelegt wird. Zum Schluß noch etwas: Derzeit gibt es Überlegungen, ein in der Humanmedizin verwendetes Antibiotikum als Pflanzenschutzmittel zuzulassen. Schon jetzt sage ich Ihnen: Dagegen werden wir uns genauso entschieden zur Wehr setzen! Ich hoffe, daß sich CDU/CSU und F.D.P. in den Ausschußberatungen bewegen und wir mit diesen Anträgen einen Schritt weiterkommen, um den Einsatz von antibiotischen Medikamenten als Leistungsförderer in der Tierhaltung zu unterbinden! Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der breite Einsatz von Antibiotika als Tierarzneimittel und Futtermittelzusatzstoff in der Tierhaltung stellt ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung dar. Immer wieder werden Rückstände der eingesetzten Antibiotika in Fleisch und Eiern gefunden. Seit Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung ist das Auftreten von resistenten Infektionserregern beim Tier als auch beim Menschen zu beobachten, die Wirksamkeit der Krankheitsbekämpfung durch Antibiotika ist in Gefahr. Von den in Deutschland hergestellten Antibiotika wandern etwa 80 Prozent in den Futtertrog, da die Verfütterung bei Nutztieren zu einer deutlichen Gewichtszunahme und Verbesserung der Futterverwertung führt. Die Befürworter von Leistungsförderern verweisen auf eine angebliche Steigerung der Mastleistung und Verbesserung der Futterverwertung in Höhe von 2 bis 6 Prozent. Tatsächlich unbestritten ist aber, daß nennenswerte leistungssteigernde Effekte nur unter suboptimalen Haltungsbedingungen erzielt werden können. Je besser das Haltungssystem und je optimaler die Hygienebedingungen, desto geringer sind die Effekte von Leistungsförderern. Anspruchsvolle Fleischerzeugung, wie z. B. im ökologischen Landbau, verzichtet deshalb gänzlich auf antibiotische und chemotherapeutische Leistungsförderer. Diese Haltungsform hat bewiesen, daß eine tiergerechte Haltungsweise und eine Fleischerzeugung ohne Gesundheitsrisiken möglich sind. Gerade die hohen Wachstumsraten im ökologischen Landbau machen deutlich, daß immer mehr Bauern und Verbraucher umdenken und sich für eine dauerhaft umweltgerechte Landwirtschaft entscheiden. Für Antibiotika in Lebensmitteln existieren keine Rückstandshöchstmengen, auch stehen kaum ausreichende Nachweisverfahren zur Verfügung. Während bei der Zulassung von Tierarzneimitteln strengere Kriterien gelten und zum Verbot von einzelnen Wirkstoffen wie dem krebserregenden und erbgutschädigenden Dimetridazol führen, kann der gleiche Stoff als Futtermittelzusatzstoff weiterhin eingesetzt werden. Bereits in den 60er und 70er Jahren haben Experten zu einem sorgsameren Umgang mit Antibiotika in der Tierernährung gemahnt. Die WHO hatte 1994 gefordert, auf Wirkstoffe, die Resistenzen bei Antibiotika in der Humanmedizin verursachen, zu verzichten. Zwar wurden dann 1976 Tetrazykline als Futtermittelzusatzstoffe verboten, ihr intensiver Einsatz als Fütterungsarzneimittel bei prophylaktischen Bestandbehandlungen machte dieses Verbot aber wirklungslos, da eine „De-facto-Anwendung" weiterhin stattfindet. Für eine deutliche Reglementierung von Antibiotika in der Tierhaltung treten auch der Deutsche Bauernverband und die Fleischproduktionsverbände ein. Zahlreiche Meldungen über Gesundheitsgefahren durch Antibiotikaresistenzen beim Menschen in verschiedenen Zeitschriften und Tageszeitungen haben die Verbraucherinnen und Verbraucher tief verunsichert. Eine abnehmende Verbraucherakzeptanz führt zu finanziellen Einbußen in der Landwirtschaft, die vermutlich bereits heute bedeutend höher sind als die wirtschaftlichen Vorteile des Einsatzes von Leistungsförderern. Zudem könnte bei fortschreitender Resistenzproblematik die Notwendigkeit entstehen, bei den tatsächlich notwendigen Antibiotikaeinsätzen immer teurere Medikamente verwenden zu müssen, was die Kosten für tierärztliche Behandlung erhöhen würde. Bei Versagen jeglicher Antibiotikatherapie, wie dies in der Humanmedizin vereinzelt bereits Realität ist, wären die wirtschaftlichen Verluste für den Tierhalter groß. Eine Rücknahme der Zulassungen antibakteriell wirksamer Futterzusatzstoffe liegt sowohl im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch der Fleischerzeuger. Nach Artikel 11 der EU-Richtlinie über Zusatzstoffe in der Tierernährung (70/524 EWG) kann die Bundesregierung Schutzmaßnahmen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher ergreifen und die Zulassung für Leistungsförderer vorläufig aussetzen. Sollte es nicht möglich sein, die Zulassungen für antibakteriell wirksame Futterzusatzstoffe europaweit zu widerrufen, hat die Bundesregierung nach Art. 100a Abs. 4 des EWG-Vertrages die Möglichkeit, in einem nationalen Alleingang derartige Leistungsförderer dauerhaft zu verbieten. Eine Gesundheitsgefährdung des Menschen wird auch durch hormonbehandeltes Fleisch vermutet, weshalb das Prinzip des vorbeugenden Gesundheitsschutzes gelten muß: Bündnis 90/Die Grünen fordert Antibiotika, von denen eine Gesundheitsgefährdung ausgeht - wie etwa Wirkstoffe aus der Gruppe der Glykopeptide, der Makrolide und der Peptolide -, müssen als Futtermittelzusatzstoff verboten werden. Grundsätzlich soll eine Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung nur noch im konkreten und akuten Krankheitsfall erfolgen. Weitgehend ausgeschlossen werden soll dagegen die prophylaktische Behandlung von Tieren, Herden und Beständen. Antibiotika, die in der Humanmedizin eine lebensrettende Funktion haben, sollen zukünftig in der Tierproduktion nicht mehr zugelassen werden. Im Rahmen von Fleisch-Qualitätsprogrammen dürfen Antibiotika und Hormone nicht eingesetzt werden. Tierhaltungsformen, die zur Tiergesundheit beitragen, sollen gefördert werden. Für Antibiotika sollen Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln erlassen werden. Wir fordern und bitten Sie als Abgeordnete, dem dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Einsatzgebiete und Kontrolle der Antibiotika und Leistungsförderer in der anschließenden Debatte in den Ausschüssen Rechnung zu tragen und die rechtlichen Rahmenbedingungen an die neuen Erkenntnisse und die Sicherheitsforderungen der humanmedizinischen Wissenschaftler anzupassen. Ulrich Heinrich (F.D.P.): Der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung und der Verzehr von Lebensmitteln wird durch den Antrag der Grünen als grundsätzlich gefährlich für die Gesundheit der Verbraucher dargestellt. Die Argumentation läuft nach dem Motto: Lebensmittel stellen eine Gefahr dar, weil sie mit Rückständen belastet sind. Weiterhin wird unterstellt, daß der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung durch Resistenzübertragung zu Gesundheitsgefährdungen beim Menschen führen würde. Dies ist natürlich völlig überzogen. Die richtige Antwort auf vielleicht auftretende Risiken können nicht die radikalen Forderungen der Grünen sein, die sich im wesentlichen von ideologischen und nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten lassen. Die richtige Antwort heißt auch für uns: Vorsorgender Verbraucher- und Gesundheitsschutz. Die Bundesregierung hat im Januar 1996 die Zulassung des Antibiotikums Avoparcin widerrufen. Das heißt, obwohl der direkte Zusammenhang zwischen der Anwendung von Avoparcin und einer Gefährdung des Menschen noch nicht bewiesen ist, wurde prompt im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes reagiert. Erfreulicherweise hat sich die Bundesregierung zudem in den zuständigen EU-Gremien mit ihrer Forderung nach einem europaweiten Verbot - das seit dem 1. April 1997 in Kraft ist - von Avoparcin als Futtermittelzusatz durchsetzen können. Alle anderen antibiotischen Substanzen sind weder als potentiell oder gar tatsächlich resistenzauslösend einzustufen. Das ist der gegenwärtige Kenntnisstand der Wissenschaft; das vertritt übrigens auch das zuständige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. Dennoch muß die intensive Erforschung dieser Substanzen auch zukünftig einen optimalen Schutz der Verbraucher sicherstellen. Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert hat die EU-Kornmission aufgefordert, ein umfassendes Programm zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen der vielseitigen Verwendung von Antibiotika - in der Tier- und Humanmedizin und als Zusatz in Futtermitteln - und den auftretenden Resistenzen bei Menschen vorzulegen. In der Diskussion um Resistenzen muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß es sich hier insbesondere um ein hausgemachtes Problem der Humanmedizin handelt. Dort - und eben nicht in der Landwirtschaft - erfolgte viel zu lange eine sehr intensive, breite Anwendung von Antibiotika in der Therapie. Bedenken habe ich allerdings, wenn Zusatzstoffe nur deshalb eingesetzt werden, um nicht tiergerechte Haltungsformen zu ermöglichen. In einem Stall mit optimalen Umweltbedingungen, das sind z. B. Lüftung, Licht, Klima und Platzangebot, für die Tiere wird man im Zusammenspiel mit aktiven Hygienemaßnahmen ohnehin mit einem Minimum an Antibiotika auskommen. Deshalb sind Leistungsförderer nur dann sinnvoll, wenn alle anderen Voraussetzungen optimal erfüllt werden. Fakt ist, daß leistungsfördernde Futterzusatzstoffe die Ausnutzung der Futternährstoffe optimieren helfen. Nicht nur, daß dies zu gesünderen und widerstandsfähigeren Tieren führt, es bringt auch positive Umwelteffekte in Form von geringeren Stickstoffund Phosphorausscheidungen sowie verringerten Methanausscheidungen mit sich. Je höher die Futterverwertung bei der Veredlung ist, desto geringer ist der Gülleanfall. Aus all den genannten Gründen wären weitere Verbote völlig überzogen. Dr. Günther Maleuda (PDS): Ausgangspunkt für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen sind die Gefahren, die vom Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung für die menschliche Gesundheit und die Möglichkeiten ausgehen, Krankheiten beim Menschen zu bekämpfen. Die Argumente gegen den Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion sind zum Teil nicht bewiesen. Dazu kann man nur sagen: Gott sei Dank. Wenn alle Beweise vorliegen, ist es gegebenenfalls zum Schutz der menschlichen Gesundheit vielleicht schon zu spät. Im Interesse der Vorsorge unterstützt die PDS deshalb nachdrücklich den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Erst vor einer Woche hat Minister Borchert sich vor diesem Hohen Hause eindeutig für das Verbot des Hormoneinsatzes in der Tierproduktion eingesetzt, indem er sagte: Wir wollen doch nicht ein Debakel wie bei BSE erleben, weil die Verbraucher aus Furcht, hormonbehandeltes Fleisch angeboten zu bekommen, ganz auf Rindfleisch verzichten. Deshalb steht für mich fest: Der Einsatz von Hormonen in der Tiermast ist völlig überflüssig und schädlich. Wir bleiben bei einem europaweiten Verbot des Einsatzes von Hormonen. Hier stimmen wir voll überein. Herr Minister, es wäre für Sie nur ein kleiner Schritt, die gleiche Position auch in bezug auf die Antibiotika einzunehmen. Als Hilfestellung darf ich aus einer Verbraucherbefragung der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft zitieren. Danach würde beim Einsatz von BST, das in den USA erlaubt ist, der Milchverbrauch in Europa um zirka 20 Prozent zurückgehen. In unserer Mediengesellschaft, die durch die Interessen starker wirtschaftlicher Gruppen bestimmt ist, kann man sich leicht ausmalen, daß entsprechende Kampagnen zum Einsatz von Antibiotika ähnliche Wirkungen erzielen würden. Drei andere Argumente erscheinen mir aber wichtiger: Erstens. Ich möchte noch einmal Minister Borchert aus der letzten Debatte zitieren: „Damit sich die Aussichten nachhaltig verbessern, muß die Rindfleischproduktion den bestehenden Absatzmöglichkeiten angepaßt werden. " Zur Sicherung der Rindfleischversorgung, und das gilt analog auch bei anderen Tierprodukten, besteht gar keine Notwendigkeit, der Leistungssteigerung durch Antibiotika. Das Verbot ihres Einsatzes könnte sogar ein Beitrag dazu sein, die Überproduktion bei Rindfleisch und Milch abzubauen. Zweitens. Die Strategie der Leistungssteigerung in den entwickelten kapitalistischen Staaten, egal mit welchen Mitteln, verschärft den Konkurrenzkampf und den Verdrängungswettbewerb. Der Sieg über die Konkurrenten im Kampf um den Standort Deutschland erweist sich immer mehr als ein Pyrrhussieg. Er ist ein Sieg über die Menschen, die ihre Arbeitsplätze verlieren, ein Sieg über die Umwelt und die Natur, besonders die biologische Vielfalt, und er ist ein Sieg über die Kleinbauern in den Hungergebieten dieser Welt. Im Interesse des eigenen Überlebens und der geschundenen Haustiere muß ein lautes „Halt!" gesprochen werden. Drittens. Als Notbremse gegen ruinösen Wettbewerb ist es Mode geworden, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fordern. Ich will einmal verdrängen, daß es bei diesen Forderungen nach gleichen Wettbewerbsbedingungen häufig um den eigenen Wettbewerbsvorteil geht. Es wäre also notwendig, sich im Kampf um gleiche Wettbewerbsbedingungen auch darauf zu einigen, den Wettbewerb nicht durch die Anwendung bestimmter Produktionsmittel und Verfahren zu beschleunigen. Wie Sie sehen, gibt es viele gute Argumente, den Einsatz von Antibiotika in der Tierernäherung zu verbieten. Wir erwarten, daß der Bundestag dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmt. Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Der Gesundheitsschutz des Menschen steht für die Bundesregierung an erster Stelle. Deshalb befaßt sich die Bundesregierung intensiv mit dem Thema „Resistenz und Antibiotika". Dabei bedient sie sich des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), dessen wissenschaftlich fundierte Überlegungen wir bei der Fortentwicklung der Rechtsvorschriften im Arznei- und Futtermittelbereich berücksichtigen. Futtermittelzusatzstoffe sind bei der Resistenzfrage nur ein Teilaspekt. Sie sind in der EU einheitlich durch die Zusatzstoffrichtlinie geregelt. Auch die Zulassung erfolgt seit 1970 EU-einheitlich. (Ständiger Futtermittelausschuß mit Agrarministern als letzter Instanz.) Es sind vom antragstellenden Unternehmen umfangreiche Unterlagen vorzulegen, in denen vor allem auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt lückenlos zu belegen ist. Damit ist der Gesundheitsschutz des Verbrauchers sichergestellt. In Deutschland erfolgt die Prüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit durch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV). Das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit ist vorgeschrieben. (Die Wirksamkeit des Zusatzstoffes wird von der FAL geprüft.) Die Ergebnisse dieser nationalen Prüfungen werden dann im ständigen Futtermittelausschuß diskutiert, und dann wird darüber abgestimmt. Eine eigene Nutzen-Risiko-Abschätzung, wie sie im Antrag der Grünen als besonderer Anspruch bei der Tierarzneimittelzulassung herausgestellt wird, ist nicht erforderlich. Nur der jeweils aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand kann Maßstab sein für die Prüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Ebenso wissen wir, daß sich der wissenschaftliche Kenntnisstand im Laufe der Zeit fortentwickelt und dabei neue Einsichten und Erkenntnisse zutage treten. Wenn dadurch Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit eines bestimmten Stoffes entstehen, werden die notwendigen Maßnahmen ergriffen, wie z. B. im Fall des antibiotischen Leistungsförderers Avoparcin. Dieses Avoparcin wurde zunächst national in Deutschland im Januar 1996 und dann auch - auf Drängen Deutschlands - EU-weit verboten. Ich verkenne nicht, daß Erkenntnisse aus Dänemark und anderen skandinavischen Staaten wichtige Anstöße gegeben haben. Das ist ein gutes Beispiel für den vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz. Ein weiteres Beispiel sind die Stoffe Ronidazol und Dimetridazol. Aus Sicht der Bundesregierung ist es nicht akzeptabel, daß Stoffe, die als Tierarzneimittel wegen gesundheitlicher Bedenken EU-weit verboten worden sind, noch als Zusatzstoffe verwendet werden dürfen. Wir drängen deshalb in Brüssel auf kohärente Regelungen und werden dabei tatkräftig von Finnland unterstützt. National hat die Bundesregierung konsequent dem Verbraucherschutz Vorrang eingeräumt. Sie hat die Empfehlungen des BgVV unverzüglich umgesetzt, durch das Verbot von Ronidazol im Januar 1996 und durch das in der Sechzehnten Futtermitteländerungs-Verordnung vorgesehene Verbot von Dimetridazol. Dieser Verordnungsentwurf liegt z. Z. im Bundesrat. Die Bundesregierung wird weitere Maßnahmen ergreifen, wenn das auf Grund eines neuen Kenntnisstandes der Wissenschaft angezeigt ist. Daneben hat sich die Bundesregierung mit Nachdruck für ein Resistenzmonitoring auf EU-Ebene eingesetzt und fördert ein vom BgVV in Zusammenarbeit mit der WHO initiiertes internationales Symposium zur Frage der Übertragung von Antibiotikaresistenzen aus der Tierhaltung auf den Menschen. Gelegentlich wird behauptet, Futtermittelzusatzstoffe würden weniger streng geprüft als Tierarzneimittel. Die Fraktion der Grünen wiederholt diese Behauptung. Diese Behauptung ist falsch. Entscheidend ist doch, daß die jeweiligen Zulassungs- und Anwendungsbedingungen in vollem Umfang den gesundheitlichen Verbraucherschutz sicherstellen. Das hat das BgVV in den vergangenen Monaten wiederholt bestätigt. Im übrigen unterliegen antibiotische Futtermittelzusatzstoffe strikten Abgabe- und Verwendungsbeschränkungen. Das heißt, sie dürfen nur von wenigen behördlich anerkannten Herstellern überhaupt abgegeben werden an behördlich anerkannte Vormischbetriebe. Nur diese wiederum dürfen Vormischungen mit Antibiotika abgeben an behördlich anerkannte Mischfuttermittelhersteller. Das bedeutet: Den Landwirt erreichen antibiotische Futtermittelzusatzstoffe nur in Form gebrauchsfertiger Futtermittel. Dieses System läßt sich, so auch die Auffassung der für die Überwachung zuständigen Länder, wirksam kontrollieren. Mißbrauch oder Manipulationen von Fütterungsantibiotika werden durch das erwähnte „Flaschenhalssystem" erheblich erschwert. Zum Schluß möchte ich noch auf die im Antrag angesprochene Frage der Haltungsformen für Tiere eingehen. Wir alle haben Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren. Das schließt die Sorge um tiergerechte Haltungsformen ein. Die Bundesregierung betrachtet dies als Daueraufgabe. Auch hier müssen wir uns an den fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, aber auch an ökonomischen Notwendigkeiten orientieren. Dazu bedarf es keiner gesonderten Aufforderung durch die Grünen. Ich füge hinzu: Die in Ihrem Antrag versuchte Verquickung von Problemen der Resistenzentwicklung mit allgemeinen Fragen der artgerechten Tierhaltung zeigt: Ihnen geht es gar nicht so sehr um den vorbeugenden Gesundheitsschutz, der in Deutschland sichergestellt ist. Ihnen geht es um eine Diskriminierung der traditionellen Landwirtschaft, um eine Diskriminierung unserer Bäuerinnen und Bauern, die mehr für eine artgerechte Tierhaltung und eine gesunde hochwertige Ernährung getan haben, als Sie wahrhaben wollen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 713. Sitzung am 6. Juni 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: — Gesetz zur Änderung des Sortenschutzgesetzes — Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR — ... Strafrechtsänderungsgesetz — §§ 177 bis 179 StGB (... StÄndG) — Gesetz zur Zweiten und Dritten Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 1. Juli 1970 über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) Der Abgeordnete Horst Schmidbauer hat den Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Nichtraucher (Nichtraucherschutzgesetz - NRSG)" - Drucksache 13/6100- nachträglich unterschieben. Die Abgeordnete Sabine Kaspereit hat ihre Unterschrift zu dem Antrag „Kriterien für die Spende, Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen" - Drucksache 13/4114 - und zu dem Antrag „Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/4368 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EUVorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/4514 Nr. 1.5 Finanzausschuß Drucksache 13/7706 Nr. 2.17 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/5866 Nr. 1.4 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/7706 Nr. 2.1 Drucksache 13/7541 Nr. 2.8 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/7216 Nr. 2.23
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    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bei allem großen Respekt vor den handelnden Personen und vor der Leistung unserer Gerichte fällt doch eines an diesem Entwurf auf, und das ist die Phantasielosigkeit.
    Alle Jahre wieder immer weiter nach einem vorgegebenen mathematischen Schema zu versuchen, zusätzliche tatsächliche oder angenommene Belastungen durch ein Verschieben der Grenzen nach oben zu begegnen, das ist wirklich zu wenig. Es ist allmählich auch in dieser Häufung eine Zumutung gegenüber dem Gesetzgeber.
    Ich habe mich vorhin dabei ertappt, mich zu fragen, ob wir jetzt nicht schon den Punkt erreicht haben, an dem sich die Namensgebung für diese Gesetze nicht mehr variieren läßt, sondern wir bereits wieder von vorn anfangen und jetzt in einen Turnus gelangen. Ich bin mir da nicht ganz so sicher, und es ist auch nicht so wichtig.
    Was übrigbleibt, ist folgendes: Hier wird zu undifferenziert an die Sache herangegangen. So differenziert wie Herr Beck möchte ich auch nicht gern herangehen. Das von ihm Vorgetragene klang so, als ob hier auf neuartigen Wegen - der Vorwurf der Phantasielosigkeit kann dafür natürlich nicht gelten - versucht würde, neue Überlastungen durch schwierigere Abläufe bei der Geschäftsverteilung, durch Einführung eines Kassationsverfahrens, das ja wohl - wenn man in die Einzelheiten geht - dem Berufungsverfahren oder dem Revisionsverfahren irgendwie ähnlich sein dürfte, herbeizuführen. Das wird es wohl auch nicht bringen.
    Ganz andere Fragen drängen sich auf bezüglich des Einzelrichters. Es hat ja noch nie jemand bestritten, daß ein Einzelrichter mindestens so gescheite Urteile wie eine Kammer fällen kann. Die Sache wird erst interessant, wenn man die Frage beantwortet, in wieviel Prozent der Fälle das der Fall sein wird. Wir müssen wohl doch davon ausgehen, daß das Abwägen in einem Gremium sich von der Not des einzelnen, der sich dann nicht beraten kann, unterscheidet.
    Die Idee, Herr Beck, eine Rückübertragung von dem Einzelrichter auf die Kammer vorzusehen, ist nun überhaupt nicht neu. Sie ist aber immer daran gescheitert, daß man sich vernünftigerweise Marge-macht hat, in der Praxis werde von dem Einzelrichter ein Offenbarungseid verlangt, wenn er sagt, er schaffe es nicht und gebe es an die Kammer zurück. So einfache, tief im Menschlichen liegende Einwände müssen natürlich auch berücksichtigt werden, wenn man vernünftig darüber nachdenken will.
    Zum Einzelrichter können wir kommen, wenn wir einmal soweit sein sollten - daß ein gewisser Circulus vitiosus vorliegt, wird nicht übersehen -, daß wir hier viel ältere, viel erfahrenere, auch in mehreren Berufen erfahrene Richter - ich habe das hier schon des öfteren gesagt - haben, die man dann auch in gewissen Funktionen anders besolden kann. Davon sind wir noch weit entfernt. Damm möchten wir auch als Anwälte eine Auswahl haben, wenn wir dem Richter die Probleme unserer Mandanten nahebringen wollen, und wenigstens einen finden, der an der richtigen Stelle ein offenes Ohr hat.
    Die Erhöhung der Berufungssumme von 1 500 auf 2 000 DM spielt sich ohnehin schon in gespenstischen Höhen ab, wenn man daran denkt, wovon wir einmal ausgegangen sind. Schon seit langem ist eine Vielzahl von Fällen erfaßt, die eben keine Peanuts mehr sind, wobei ich einmal den Blick darauf lenken möchte, daß in gewissen Massenverfahren über hohe Millionenbeträge entschieden wird, obwohl im Einzelfall die Streitwerte unter 1 500 DM liegen. Es gibt nun einmal wiederkehrende Leistungen. Es gibt zum Beispiel - das weiß ich aus Erfahrung - Versicherungsprämien, deren Einzug oder Nichteinzug von der Beurteilung von Rechtsfragen abhängt, die vom Amtsrichter entschieden werden und nach derzeitigem Recht von ihm gar nicht wegzubekommen sind.
    Da muß man zu solchen Lösungen kommen, wie sie früher auch einmal im Wohnungsbereich gefunden wurden: daß man nämlich einen Rechtsentscheid vorsieht, weil die Tatsache gar nicht interessiert und auch nicht kompliziert ist. Man muß also an höherer Stelle eine Vereinheitlichung des Rechtes in Fällen herbeiführen, bei denen sehr große Werte nur in kleinen Teilstücken bewegt werden. Diese Fragen sind hier viel interessanter, als wieder einmal 500 DM daraufzulegen.
    Das obligate Schlichtungsverfahren ist sicherlich ein Hinweis darauf, daß bedauerlicherweise die Schlichtungsmöglichkeiten zuwenig angenommen werden. Wir haben uns schon mit dem Anwaltsvergleich, mit seiner Vollstreckbarkeit usw. viel Mühe gemacht. Er wird nicht annähernd in dem Maße angenommen, das wir uns einmal davon erhofft haben. Wie man das nachhaltiger propagieren und noch akzeptabler gestalten kann, werden wir zu überlegen haben.
    Die Angelegenheit jetzt aber länderweise aufzusplittern wäre wieder ein Akt der Arbeitsbeschaffung. Ich möchte wirklich keine Länderzuständigkeit, die dazu führt, daß man sich jedesmal überlegen muß, welch seltsames Schlichtungsverfahren in diesem oder jenem Bundesland wohl vorgeschaltet ist. Das hätte ich dann schon gerne - natürlich in voller Übereinstimmung mit dem Bundesrat - bundeseinheitlich geregelt. Daß wir hier ganz wesentlich die Anwaltschaft als die Berufenen für Schlichtungen und gütlichen Ausgleich beteiligen müssen, das bedarf angesichts der Tatsache keiner Erwähnung, daß schon heute von 100 Sachen, die den Anwälten vorgetragen werden, etwa 70 schiedlich-friedlich erledigt werden, bevor es überhaupt zu einer Klage

    Detlef Kleinert (Hannover)

    kommt. Das spricht sehr dafür, wohin man diese Dinge geben muß.
    Die Abfassung der Urteile ist für mich nicht halb so interessant wie die auch schon einmal hier vorgetragene Tatsache, daß Urteile nicht verkündet werden sollten, bevor sie begründet vorliegen, damit daraus nicht gewisse Schwierigkeiten entstehen, die ich bei dem hier anwesenden Personenkreis nicht näher darzustellen brauche.

    (Alfred Hartenbach [SPD]: Lauter Rechtsfreunde hier!)

    - So ist es in der Tat: lauter Rechtsfreunde. Daher wissen sie auch, was geschieht, wenn man erst einmal einen Tenor verkündet hat, ohne daß man schon die Gründe parat hatte.
    Mit der Zwangsvolistreckungsordnung, der Neuregelung des Kindschaftsrechts, dem Ordnungswidrigkeitengesetz und dem Betreuungsgesetz - Herr Pick hat hier schon einiges zitiert - sind vom Gesetzgeber, der in diesem Zusammenhang so gerne negativ zitiert wird, wesentliche Schritte zur wirklichen Justizentlastung in Angriff genommen worden. Diese Schritte stehen vor der Vollendung. Hier wird wirklich etwas Arbeitsbelastung gespart werden.
    Bei der Verbesserung der Arbeitsabläufe, die ich zum Schluß noch einmal anmahnen möchte, denken wir viel weniger an die EDV als an die Organisation an und für sich, an ein allgemeines Bewußtsein von effizienten Arbeitsabläufen in jeder Hinsicht, begonnen beim materiellen Recht und endend bei der Technik in den Gerichten.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P., und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich gebe dem Abgeordneten Professor Uwe-Jens Heuer das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die große Reform sei das nicht, hat der sächsische Justizminister gesagt. Man kann leider nur sagen: Wie wahr!
    An der altehrwürdigen und schwer durchschaubaren Zivilprozeßordnung von 1877 wird ständig herumgedoktert. In Schönfelders Textsammlung sind allein zwischen August 1953 und Oktober 1996 nicht weniger als 75 Änderungen verzeichnet worden. Eine längst fällige grundlegende Reform ist nie gewagt worden. Mit dem vorliegenden Entwurf des Bundesrates - das ist hier schon mehrfach gesagt worden - geht die Flickschusterei weiter.
    Der Entwurf ist - auch das ist schon gesagt worden - von der Personal- und Geldknappheit inspiriert. In der Begründung wird vorgerechnet, wie sehr die Rechtspflege durch ständig steigenden Geschäftsanfall und neu zugewiesene Aufgaben überlastet wird. Das geht bis zum Eingeständnis, daß auf Dauer die bürgerliche Rechtspflege nicht in der Lage sein wird, dem rechtssuchenden Bürger in angemessener Zeit
    Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht weitergehende Maßnahmen kommen.
    Aber um welche Maßnahmen geht es hier? Vereinfachung und Beschleunigung heißt der Zauberspruch, der nun zum soundso vielten Male die Probleme der Justiz lösen soll. Sie haben ihre Ursachen aber wesentlich außerhalb des Zivilverfahrens, nämlich in der Gesellschaft und im materiellen Recht.
    Wie kommt es denn zu dieser steigenden Flut gerichtlicher Verfahren? Die Bürgerinnen und Bürger würden wohl gerne ohne den meist unangenehmen Gang zum Gericht auskommen. Doch, um mit Brecht zu sprechen, die Verhältnisse, die sind nicht so. Seit Beginn der 80er Jahre und verstärkt seit 1990 spitzen sich in dieser kapitalistischen Gesellschaft die Widersprüche zu, verschärfen sich Konfliktsituationen. Der Rechtsstaat wird teilweise untergraben, der Sozialstaat abgebaut. Staat und Gesellschaft schlittern immer zügiger in eine tiefe Krise. Dieser Zustand führt natürlich notgedrungen zu massenhaften Rechtskonflikten und Zivilrechtsstreitigkeiten.
    Der andere Ursachenkomplex für Justizüberlastung ist juristisch hausgemacht. Das materielle Recht wird immer komplizierter; es ist undurchschaubar, unberechenbar und aus diesem Grunde vielfach ungerecht. Es findet eine maßlose Verrechtlichung gesellschaftlicher Beziehungen statt. Auch das hat vielfältige Ursachen. Heute gilt mehr denn je das schöne Wort für den rechtssuchenden Bürger: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.
    Das bestehende Gerichtssystem ist antiquiert. Es gibt seit langem Vorschläge von verschiedenen Seiten - auch von den Ländern; darauf ist heute schon hingewiesen worden -, ein dreistufiges Gerichtssystem einzuführen. Im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit hätte sich eine entsprechende Reform des Gerichtssystems geradezu angeboten. Aber nichts dergleichen geschah.
    Nach unserer Auffassung sollten in der ersten Stufe alle Zivilrechtsverfahren erster Instanz durchgeführt werden, und zwar unabhängig vom Streitwert. Auf dieser Stufe könnten Einzelrichter tätig werden, denen Laienrichter zur Seite stehen. Die zweite Stufe sollte von vornherein als Rechtsmittelinstanz mit Kollegialgerichten ausgestaltet werden. Gegen jede Entscheidung erster Instanz in der Hauptsache muß ein Rechtsmittel gewährt werden. Die dritte Stufe sollte Revisionsinstanz sein und der Rechtsprechung damit in Grundsatzfragen vorbehalten bleiben, wobei der Zugang zu ihr mittels sachlicher Kriterien zu beschränken wäre.
    Ein solches System wäre nicht nur kostengünstiger, sondern auch einfach und durchschaubar. Es würde mehr Rechtssicherheit schaffen, und das sollte doch wohl der Ausgangspunkt und das Ziel aller Überlegungen zum Zivilverfahren sein. Die PDS wird in Bälde einen entsprechenden Gesetzentwurf einreichen und dabei auch die Problematik des Abbaus von Hierarchien einbeziehen.
    Aus dem von mir Gesagten ergibt sich, daß die jetzigen Maßnahmen zur Erhöhung von Wertgrenzen und anderes nach meiner Meinung nicht sinnvoll

    Dr. Uwe-Jens Heuer
    sind und es eben um grundsätzliche Änderungen geht.
    Noch zu ein paar Einzelproblemen: Man will das Einzelrichterprinzip stärken. Dieses Prinzip ist jedoch kein Wert an sich. Wenn man das Einzelrichterprinzip stärkt, schwächt man nolens volens das Kollegialprinzip. Das sollte klar ausgesprochen werden. Erforderlich ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Prinzipien.
    Ich sehe die Fragwürdigkeit der vorgesehenen Stärkung des Einzelrichterprinzips darin, daß in einer Vielzahl von Fällen durch eine in Zukunft noch höhere Berufungssumme die Überprüfung einzelrichterlicher Entscheidungen ausgeschlossen wird. Das kann nun wirklich nicht mehr rechtsstaatsgemäß sein.
    Auch zu den Vorschlägen im Entwurf zur Erleichterung bei der Abfassung von Urteilen habe ich eine Anmerkung. Ich weiß natürlich, daß es Richter gibt, die ihre allumfassende Rechtskenntnis in ausufernden Urteilstexten mit Zitaten aus Literatur und Rechtsprechung unter Beweis stellen. Die Länge der Urteilsbegründungen sagt in der Regel wenig über das Problembewußtsein der Richter, ihre Gründlichkeit und ihren juristischen Sachverstand aus.
    Ich halte es aber nicht für richtig, daß der Einzelrichter erster Instanz unter bestimmten Umständen Urteile überhaupt nicht mehr begründen muß. Auch das ist hier schon gesagt worden. Das widerspricht der Rechtssicherheit, entrückt den Richter aus der öffentlichen Kontrolle und öffnet dem Subjektivismus Tür und Tor.
    Für sehr wichtig halte ich allerdings die Vorschläge zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Das ist ein wirklicher Versuch, Neuland zu betreten, wobei auch ich weiß, daß es vorhandene Ansätze gibt. Vorgerichtliche Schlichtungsverfahren möchte ich begrüßen. Eine gütliche außergerichtliche Einigung ist einem Gerichtsurteil allemal vorzuziehen. Sie wissen, daß in der DDR nahezu 90 Prozent aller Arbeitsrechtsstreitigkeiten durch die Konfliktkommissionen erledigt wurden. Allerdings ist es nicht gelungen, mit den Schiedskommissionen und deren Zuständigkeit in Zivilsachen auch nur annähernd ähnliche Ergebnisse zu erreichen.
    Ich stimme auch dem zu, was hier gesagt wurde, nämlich daß wir überlegen müssen: Welche Gründe stehen denn einer solchen Bereitschaft zur gütlichen Entscheidung entgegen? Was müssen wir machen, wenn wir dies in Angriff nehmen? Was müssen wir machen, um hier die Wirksamkeit und die Akzeptanz durch die Bürger zu erhöhen? Das Ganze steht und fällt mit der Akzeptanz durch die Bürger. Sonst gibt es weitere Zuständigkeiten, und dann haben wir keine Entlastung der Justiz erlangt.
    Ich meine aber, wir sollten diesen Weg gehen und im Ausschuß gründlich darüber beraten, wie man das nutzen kann und wie man erreichen kann, daß dieser Weg erfolgreich gegangen wird. Ich hoffe auf eine gründliche Diskussion im Rechtsausschuß.

    (Beifall bei der PDS)