Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 269. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Neumann für drei Wochen wegen Krankheit.
Ich nehme an, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Lausen, Lemmer, Pannenbecker, Freitag. Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Orth, Mayer , Dr. Schmid (Tübingen), Fassbender, Loritz und Bromme.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Keuning, Dr. Henle, Frau Brauksiepe, Hoppe, Gockeln, Frau Dr. Steinbiß, Langer, Glüsing, Frau Strohbach, Frau Thiele, Fisch, Jaeger , Böhm und Kuhlemann.
Danke schön. — Ich habe folgende Glückwünsche auszusprechen: Herrn Ab-
geordneten Frühwald zum 63. Geburtstag am 5. Juni,
Herrn Abgeordneten Kunze zum 61. Geburtstag am 6. Juni
und Herrn Abgeordneten Herrmann zum 74. Geburtstag am 8. Juni.
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Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Juni 1953 beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 30. Mai 1953 die Kleine Anfrage Nr. 336 der Fraktion der FDP betreffend Einrichtung eines Bundesbeirats für das Erziehungs- und Bildungswesen beim Bundesinnenministerium — Drucksache Nr. 4285 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4443 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 28. Mai 1953 die Kleine Anfrage Nr. 337 der Fraktion der FU betreffend Wirtschaftliche Auswirkungen der Einfuhr von Glaserzeugnissen und ähnlichem — Drucksache Nr. 4322 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4405 vervielfältigt.
In der Sitzung des Ältestenrats ist vereinbart worden, daß die Tagesordnung erweitert werden soll; und zwar soll nach Punkt 9 eingeschoben werden die erste Beratung des von den Abgordneten Struve, Dr. Horlacher, Dannemann, Tobaben, Lampl und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes, Drucksache Nr. 4423.
Weiterhin ist vereinbart worden, daß der Punkt 14, die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes, in der Tagesordnung etwas weiter nach vorn gezogen werden soll. Wir werden das zu gegebener Zeit tun.
Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Änderung der Tagesordnung einverstanden ist. — Ich stelle das fest.
Vor Eintritt in die Tagesordnung wünscht der Herr Bundeskanzler eine
Regierungserklärung
abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Entwicklungen in der außenpolitischen Lage Deutschlands lassen es notwendig erscheinen, dem Hohen Hause, dem deutschen Volke und der Weltöffentlichkeit die Ziele der deutschen Außenpolitik nochmals klarzulegen und auch von beachtenswerten deutschen Stellen abgegebene, nicht zutreffende Erklärungen zu berichtigen.
Zur Erläuterung dieses Satzes lassen Sie mich zunächst folgendes sagen. Die Ereignisse, die in den letzten Wochen Bewegung in die Außenpolitik gebracht haben, sind die Erklärung Eisenhowers vom
16. April vor den amerikanischen Zeitungsverlegern, die Rede Churchills vom 11. Mai, die offiziellen Äußerungen der Sowjetregierung zu diesen Äußerungen und das russische Kommuniqué aus Anlaß der Ernennung Semjonows zum sowjetischen Hohen Kommissar und endlich die Anberaumung der Bermuda-Konferenz zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich.
Bei allen diesen Ereignissen, die ich Ihnen eben kurz skizziert habe, ist die Zukunft des deutschen Volkes mit angesprochen. Es ist daher eine besondere Wachsamkeit und eine besondere Vorsicht der Bundesregierung und aller Deutschen notwendig. In den anderen Ländern muß volle Klarheit über die Haltung Deutschlands bestehen. Aber — das möchte ich betonen — diese außenpolitische Lage verlangt von allen verantwortlichen Sprechern der deutschen Parteien besondere Sorgfalt und Achtsamkeit, damit nicht deutsche Interessen gefährdet werden.
Der Nordwestdeutsche Rundfunk hat vergangenen Sonntag in einer Schilderung der Lage, wie er sie ansieht, über meine Unterredung mit dem Premierminister Churchill folgendes gesagt:
In den Gesprächen, die Bundeskanzler Dr. Adenauer kürzlich in London mit dem britischen Premierminister führte, hat, wie aus inzwischen durchgesickerten vertraulichen Informationen hervorgeht, Churchill folgende Ansicht vertreten:
Die Stellung der republikanischen Partei in der amerikanischen Öffentlichkeit ist erschüttert. Ihre Wahlversprechungen sind nicht eingehalten worden.
Die Unzufriedenheit darüber wird die Haltung der republikanischen Partei beeinflussen und den amerikanischen Präsidenten in eine schwierige Lage bringen.
Diese Kreise, zu denen einflußreiche Politiker zählen, werden Eisenhower zu einer Politik des „Amerika zuerst" zwingen oder ihn zum Sündenbock für die bisherigen Mißerfolge und für das Nichteinhalten der Wahlversprechen verantwortlich machen. Einer solchen Gefahr jedoch wird sich Eisenhower nicht aussetzen. Er wird dem Druck seiner Partei nachgeben und seine Außenpolitik in allernächster Zeit revidieren und nach einem kurzen Stadium des mäßigen Isolationismus zum strikten Isolationismus übergehen.
Nach Churchills Standpunkt wird Eisenhower bis zur Auswirkung
- so fährt der Nordwestdeutsche Rundfunk fort —
des ersten Stadiums versuchen, die Sowjets durch Ultimativforderungen zum Nachgeben zu zwingen und eine Politik durchzuführen, über die er leicht die Kontrolle verlieren könnte. Bei einem Versagen seiner Politik der Ultimativlösungen — und nach Ansicht Churchills wird sie versagen — wird Eisenhower Westeuropa für den Mißerfolg verantwortlich machen und unverzüglich zur Durchführung des von seiner Partei geforderten zweiten Stadiums, des der freien Hand für die Außenpolitik der Vereinig-
ten Staaten, ohne Rücksicht auf Europa und seine Probleme übergehen.
Er
— Churchill —
habe sich deshalb zu direkten Verhandlungen mit Moskau entschlossen. Großbritannien sei zu Opfern bereit und er
— Churchill —
erwarte auch von der Bundesregierung, daß sie die Notwendigkeit eines Reduzierens ihrer Wünsche über die deutschen Ostgrenzen einsieht und einen tatsächlichen Beitrag zur Wiederherstellung des Weltfriedens leistet.
Der Nordwestdeutsche Rundfunk fährt dann fort:
In Washington sind diese Ausführungen Churchills über Bundeskanzler Dr. Adenauer — —
— Herr Präsident, darf ich vielleicht ganz zu Anfang dieser Störung dringend darum bitten,
daß dafür gesorgt wird, daß eine Erklärung des Chefs dieser Regierung
in Ruhe angehört wird.
Ich werde die Ordnung im Hause, Herr Bundeskanzler, nach den Regeln der Geschäftsordnung aufrechterhalten.
In Washington
— so fährt der Nordwestdeutsche Rundfunk fort —
sind diese Ausführungen Churchills über Bundeskanzler Dr. Adenauer, die der britische Premierminister zur Rechtfertigung seiner außenpolitischen Initiative in Richtung Moskau in einer Unterredung mit dem amerikanischen Botschafter in London am 19. Mai hat durchblicken lassen, mit äußerstem Mißfallen zur Kenntnis genommen worden. Das amerikanische Mißfallen wurde verstärkt durch den Eindruck, Bundeskanzler Dr. Adenauer habe im Gegensatz zu seinen Washingtoner Gesprächen den Ansichten Churchills zugestimmt.
Meine Damen und Herren! Ich kann dazu folgendes sagen, und ich halte mich auch gegenüber der amerikanischen und der englischen Öffentlichkeit für verpflichtet, das zu sagen: Diese Ausführungen des Nordwestdeutschen Rundfunks über den Inhalt des Gesprächs zwischen Premierminister Churchill und mir sind vom ersten bis zum letzten Buchstaben frei erfunden.
Nun lassen Sie mich, meine Damen und Herren, im Anschluß daran ein Wort zu unseren Rundfunksendern überhaupt sagen.
Die Rundfunksender in der Bundesrepublik sind selbständige Anstalten, die insbesondere von der Bundesregierung völlig unabhängig sind.
Diese Unabhängigkeit, deren Bedeutung noch dadurch verstärkt wird, daß die vorhandenen Sender eine Monopolstellung besitzen, legt ihnen eine besondere Verantwortung auf.
Die Sender haben in erster Linie die Pflicht zu einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung.
Eine wahrheitsgemäße Berichterstattung
schließt in sich, daß Nachrichten vor ihrer Weiterverbreitung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden.
Insbesondere muß dies für die Fälle gelten, in denen Nachrichten für die deutsche Politik und die Beziehungen der Länder untereinander von Bedeutung sind.
Es muß von den Sendern verlangt werden, sich in solchen Fällen im Zweifel an die Bundesregierung um Auskunft zu wenden.
Die Monopolstellung der Rundfunkanstalten erfordert aber außerdem eine völlige politische Unparteilichkeit.
Die Rundfunksender dürfen weder eine Partei bevorzugen,
noch dürfen sie im Verhältnis zwischen Regierungskoalition und Opposition Partei ergreifen.
Ein Sender, der diesen Grundsatz der Unparteilichkeit verletzt, verliert damit seine Existenzberechtigung.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen in kurzer Folge die Momente aufgezählt, die die außenpolitische Lage im gegenwärtigen Augenblick beeinflussen. Ich glaube, wir sind alle miteinander, gleichgültig ob Regierungskoalition oder Opposition, verpflichtet, die ganzen Dinge mit sehr großer Ruhe und Objektivität zu prüfen.
Ich darf zunächst über die Politik der Regierungsskoalition und damit der Mehrheit dieses Hohen Hauses und über die Politik der Bundesregierung nochmals in Ihr Gedächtnis zurückrufen, was in der Präambel des Deutschland-Vertrags gesagt ist. Die Vertragschließenden sind sich darin einig:
Daß die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung — mögen auch gegenwärtig außerhalb ihrer Macht liegende Maßnahmen entgegenstehen — ein grundlegendes und -gemeinsames Ziel der Unterzeichnerstaaten bleibt.
Und in Art. 7 Abs. 1 heißt es:
Die Bundesrepublik und die Drei Mächte sind darüber einig, daß ein wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland ist, welche die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden soll. Sie sind weiterhin darüber einig, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser Regelung aufgeschoben werden muß.
In Abs. 2 dieses Artikels heißt es:
Bis zum Abschluß der friedensvertraglichen Regelung werden die Bundesrepublik und die Drei Mächte zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich demokratische Verfassung ähnlich wie die Bundesrepublik besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.
Meine Damen und Herren! Man muß sich eines jetzt vor Augen halten — auch das deutsche Volk muß sich das vor Augen halten —: Der Vertrag, in dem das niedergelegt ist, ist noch nicht Rechtens.
Er wird erst Rechtens in dem Augenblick, in dem er von allen Teilnehmerstaaten unterzeichnet ist und in dem die Verträge hinterlegt worden sind. Und nun war es für die Bundesrepublik eine Pflicht, die Stellungnahme der Westmächte zu den Deutschland betreffenden Fragen sowohl bei der Bermuda-Konferenz wie auch in einer etwaigen Verhandlung mit Sowjetrußland zu klären.
Und es war Pflicht der Bundesregierung, das, was sie tun kann, zu tun, damit kein Zweifel darüber besteht, daß in allen Verhandlungen, die zwischen den Westalliierten oder zwischen den Westalliierten und Sowjetrußland vor sich gehen, dieses oberste Ziel, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands unter einer ähnlichen Verfassung wie die, die jetzt die Bundesrepublik hat, auch Leitstern der Verhandlungen bei den Westalliierten bliebe.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, war es nötig, daß die Bundesregierung in London und in Washington und in Paris versuchte festzustellen, ob diese Grundsätze auch von den drei westalliierten Regierungen bei den Verhandlungen unter sich oder bei etwaigen Verhandlungen mit Sowjetrußland beobachtet werden. Sie kennen das Ergebnis dieser Bemühungen der Bundesregierung.
Was die Haltung Großbritanniens angeht, so darf ich zunächst darauf hinweisen, daß in der Rede des englischen Premierministers vom 11. Mai unzweideutig die Erklärung abgegeben wird, daß die englische Regierung an dem, was in den Verträgen gesagt worden ist, festhalte. Ich kann Ihnen hier sagen, daß bei meiner Anwesenheit in London Premierminister Churchill mir gegenüber diese Erklärung wiederholt hat. Ich darf noch hinzufügen, daß dem Vizekanzler bei seiner Anwesenheit in London von dem Foreign Office Großbritanniens die gleiche Erklärung abgegeben worden ist.
Um über die Haltung der Vereinigten Staaten namentlich im Hinblick auf gewisse Strömungen in den Vereinigten Staaten, von denen Sie alle wissen, Gewißheit zu erlangen, habe ich den Ministerialdirektor Blankenhorn nach Washington geschickt. Er hat mit dem Staatssekretär Dulles und mit dem Präsidenten Eisenhower gesprochen. Die amerikanische Regierung hat mich gleichfalls auf dem Weg über Herrn Blankenhorn und durch eine besondere Botschaft des Präsidenten Eisenhower an mich wissen lassen, daß keine Entscheidungen, die Deutschland betreffen, getroffen werden ohne volle Konsultation mit uns — ohne volle Konsultation, das heißt, ohne Benehmen mit uns.
Die amerikanische Regierung hat weiter erklärt, daß auch sie sich an die Prinzipien halte, wie sie in dem Deutschland-Vertrag niedergelegt sind.
Aus Paris ist begreiflicherweise im gegenwärtigen Augenblick, da eine neue Regierung dort noch nicht gebildet ist, eine förmliche Feststellung gleicher Art nicht zu erwarten.
Es bestehen aber gute Gründe für die Annahme
— ich betone das —, daß auch die Einstellung der französischen Regierung zur Konsultationsfrage mit den Auffassungen der englischen und der amerikanischen Regierung übereinstimmt.
— Nun, ich meine, Sie sollten allmählich wissen, daß Italien nicht zu den Westalliierten gehört.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich die außenpolitische Lage weiter kennzeichnen. Ich schicke aber folgendes voran und möchte das sehr nachdrücklich betonen. Einmal: ich verstehe nicht, wie irgend jemand nach dem, was im Deutschland-Vertrag, den ich unterschrieben habe, niedergelegt ist, Zweifel daran hegen kann, daß ich die Wiedervereinigung Deutschlands wolle.
Meine Damen und Herren, ich verstehe auch nicht, wie irgendwie in der Öffentlichkeit gesagt
werden kann, ich hätte versucht, die Viererkonferenz zu torpedieren.
Kein Wort ist davon wahr.
Ich erkläre ausdrücklich, daß ich eine Viererkonferenz begrüße, wenn sie irgendwie eine Aussicht auf Erfolg zeigt,
daß die Politik, die wir bis vor kurzem gemeinsam bezüglich der Wiedervereinigung verfolgt haben, bei dieser Konferenz auch wirklich zur Durchführung kommt.
Die bisherige Stellung Sowjetrußlands zu der Frage eines Friedensvertrags mit Deutschland ist ganz unzweideutig zum Ausdruck gekommen in den verschiedenen Noten, die von März bis September 1952 gewechselt worden sind, und insbesondere noch einmal in dem „Prawda"-Artikel und auch in der Mitteilung, durch die die Ernennung Semjonows der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist. Dieses politische Programm Sowjetrußlands läßt sich dahin zusammenfassen: Sowjetrußland besteht bisher darauf, daß ein Friedensvertrag mit Deutschland auf Grund des Potsdamer Abkommens geschlossen werde. Meine Damen und Herren, was im Potsdamer Abkommen nach Meinung der Sowjetrussen enthalten ist, das finden Sie wieder in den eben von mir erwähnten Noten aus dem vorigen Jahr und in dem „Prawda"-Artikel; und das ist folgendes:
Erstens: Kein Verhandlungsfrieden mit Deutschland, sondern eine Vereinbarung Sowjetrußlands und der drei Westalliierten über einen Friedensvertrag, die dann Deutschland vorgelegt werden soll.
Zweitens — und das steht völlig einwandfrei im Potsdamer Abkommen —: Eine dauernde wirtschaftliche, politische und militärische Kontrolle Gesamtdeutschlands.
Drittens: Das Verbot für Deutschland, sich nach irgendeiner Seite mit einer anderen Macht zu verbinden.
In der Note Sowjetrußlands vom 10. März 1952 heißt es ausdrücklich:
Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalition oder militärisches Bündnis einzugehen, das sich gegen irgendeinen Staat richtet, der am Kriege gegen Deutschland teilgenommen hat.
Endlich ist nach Auffassung Sowjetrußlands im Potsdamer Vertrag festgelegt, daß die gegenwärtig tatsächlich bestehenden Grenzen im Osten als endgültige Grenzen für Deutschland anerkannt werden.
Meine Damen und Herren, es gibt die Möglichkeit der Aussprache. Ich glaube, es dient den Verhandlungen dieses Hauses, wenn Sie den Herrn Bundeskanzler anhören und die Möglichkeiten der Aussprache ausnutzen.
Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen nur, den Potsdamer Vertrag, die Noten der Sowjetregierung und den „Prawda"-Artikel durchzulesen. Dort werden Sie alles das finden, was ich Ihnen eben gesagt habe.
Die Politik, die bis vor kurzem die große Mehrheit dieses Hauses gebilligt hat, läßt sich in folgenden fünf Punkten zusammenfassen. Erstens: Freie Wahlen für ganz Deutschland.
Zweitens: Bildung einer gesamtdeutschen Regierung. Drittens: Abschluß eines frei mit Deutschland verhandelten Friedensvertrags. Viertens: Regelung aller territorialen Fragen in diesem frei mit Deutschland verhandelten Friedensvertrag. Fünftens: Handlungsfreiheit für eine gesamtdeutsche Regierung, Verbindungen mit anderen Ländern im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinten Nationen einzugehen.
Ich betone nochmals: Das war die Politik, die bisher die Zustimmung der übergroßen Mehrheit dieses Hauses gefunden hat.
Nun ist in den letzten Wochen eine bedauerliche Unklarheit in Deutschland und in der Weltöffentlichkeit
durch die Ausführungen einiger Sprecher der Sozialdemokratischen Partei
und Veröffentlichungen in sozialdemokratischen offiziellen Organen entstanden. Ich betone nochmals: Ich sage, es ist eine Unklarheit entstanden. Ich würde es mit größter Freude begrüßen, wenn diese Unklarheit aus der Welt geschaffen werden könnte und wenn sie heute aus der Welt geschaffen würde. Aber, meine Damen und Herren, ADN — Sie wissen, wer das ist — hat schon in einer gestrigen Meldung triumphierend verkündet, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands von ihrer bisherigen Haltung gegenüber dem Potsdamer Abkommen endlich abgerückt sei.
— Meine Damen und Herren, hören Sie mich doch vollkommen an und fällen Sie erst dann Ihr Urteil über das, was ich gesagt habe!
Ich habe gesagt — und ich wiederhole das —: es ist eine Unklarheit entstanden, eine Unklarheit, die die ADN-Agentur dazu gebracht hat, derartige Nachrichten herausgehen zu lassen. Ich danke Ihnen, wenn Sie durch Ihre Zwischenrufe zu erkennen geben, daß Sie diese Erklärung von ADN als falsch ablehnen.
Ich wünsche mir von den heutigen Verhandlungen nichts anderes, meine Damen und Herren, als daß diese Klarheit geschaffen wird, daß ADN Lügen gestraft wird und daß in der übrigen Welt die Überzeugung wieder gefestigt wird, daß der Deutsche Bundestag in seiner Ostpolitik unverbrüchlich auf seinem bisher eingenommenen Standpunkt verbleibt.
Nichts anderes will ich, als diese Klarheit zu schaffen. Im Interesse des deutschen Volkes ist es nötig, daß ADN Lügen gestraft wird.
Unsere Position — und das ist die Position aller Deutschen, auch der Deutschen in der Sowjetzone — wird geschädigt und beeinträchtigt, und auch unsere Aussichten, in einer etwaigen Viererkonferenz mit diesen Dingen durchzudringen, werden gemindert, wenn solche Unklarheiten weiter bestehen.
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich noch folgendes sagen. Ich glaube, das deutsche Volk kann den drei Westalliierten nur dankbar dafür sein, daß sie zu den Prinzipien, wie sie im Deutschland-Vertrag niedergelegt sind, stehen und sich auch weiter zu ihnen bekennen. Ich möchte noch einmal hervorheben, meine Damen und Herren: die drei Westalliierten haben nicht, wie das in Korea entsprechend der Fall ist, eine Zusicherung bezüglich eines Teiles Deutschlands gegeben, sondern sie haben die Zusicherung gegeben, daß sie entschlossen sind, zusammen mit uns im Wege der friedlichen Politik eine Vereinigung ganz Deutschlands in Frieden und in Freiheit herbeizuführen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben von der Absicht des Herrn Bundeskanzlers, in der heutigen Plenarsitzung eine Erklärung abzugeben, erst in der Ältestenratssitzung dieses Vormittags erfahren.
Um den Fraktionen die Möglichkeit zu geben, über diese Erklärung zu beraten, erbitte ich namens meiner politischen Freunde eine Unterbrechung der Sitzung um eine Stunde.
Die Fraktionen sind selbstverständlich damit einverstanden.
Ich unterbreche die Sitzung. Wir treten wieder zusammen um 15 Uhr 10.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident Ehlers hat mir mitteilen lassen, daß die Pause bis 15.40 Uhr verlängert sei.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.
Die Fraktionen wünschen, daß eine Aussprache über die Regierungserklärung stattfindet. Nach Fühlungnahme mit den Fraktionen schlage ich Ihnen dafür eine Redezeit von 90 Minuten vor. Sind Sie damit einverstanden?
— Das ist der Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die außenpolitische Aussprache, in die wir heute durch die plötzliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hineingekommen sind, war seit langem fällig.
Der Herr Bundeskanzler hätte angesichts der gegenwärtigen internationalen Situation und angesichts der internationalen Diskussion über die
deutsche Frage viel früher vor dem Parlament die
Richtlinien der Politik entwickeln sollen, die die
Regierung in diesem Zeitpunkt konkret verfolgt.
Wir haben leider den Eindruck, daß sich der Herr Bundeskanzler zu seiner heutigen Erklärung erst veranlaßt gesehen hat, nachdem gestern die sozialdemokratische Bundestagsfraktion einen Antrag eingereicht hat, der die Frage der Vier-MächteVerhandlungen und die Frage der Verhandlungen unter den vier Hohen Kommissaren zum Gegenstand hat.
Die Art und Weise, wie der Herr Bundeskanzler ohne jede Fühlungnahme mit den Parteien in diesem Hause, insbesondere auch nicht mit der Opposition, diese Aussprache heute herbeigeführt hat, kann uns nicht veranlassen, auf die in Aussicht stehende ausführliche Debatte über unsere Anträge, die nach den Beschlüssen des Ältestenrats am nächsten Donnerstag stattfinden soll, zu verzichten;
denn die Beunruhigung im deutschen Volke
über die wirkliche Linie der Außenpolitik des
Herrn Bundeskanzlers ist durch die heutige Erklärung in keiner Weise aus der Welt geschafft.
Sie hat weder unsere Bedenken noch unsere Zweifel beseitigt, noch hat sie, wie der Herr Bundeskanzler sagte, dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit klarmachen können, welche Politik
nun der Herr Bundeskanzler in den gegenwärtigen
internationalen Verhandlungen tatsächlich verfolgt.
Ich möchte, ehe ich heute einige vorläufige Bemerkungen zur Sache mache, einiges andere vorausschicken. Der Herr Bundeskanzler hat heute wieder einmal davon gesprochen, daß angesichts der außerordentlich ernsten Situation, in der sich das deutsche Volk befindet, alle repräsentativen Kräfte des deutschen Volkes mit großer Verantwortung und gutem Willen die Dinge behandeln sollten. Ich muß sagen, die Art und Weise, wie heute der Herr Bundeskanzler ohne jede vorherige Fühlungnahme mit der Opposition diese außenpolitische Debatte herbeigeführt hat, ist ein sehr schlechtes praktisches Beispiel für die Forderung, die er heute hier an das Parlament und an die politischen Kräfte im deutschen Volke gerichtet hat.
Ich glaube, es gibt in keinem demokratischen Land in Westeuropa ein Parlament, in dem solche Lebensfragen der Nation in der Weise behandelt werden, wie es heute hier vom Bundeskanzler geschehen ist.
Wir müssen ernsthafte Zweifel haben, ob auf der Seite des Herrn Bundeskanzlers überhaupt noch eine Spur von gutem Willen zu einer loyalen Zusammenarbeit in Fragen der deutschen Einheit besteht.
— Herr Wuermeling, Sie können ja vielleicht nachher sprechen, und dann können wir sehen, was Sie zur Sache zu sagen haben.
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen.
— Entschuldigen Sie, es ist wohl mein gutes Recht, mich auch mit den Methoden, mit denen hier die Opposition behandelt wird, auseinanderzusetzen.
Daß Ihnen die Sache nicht angenehm ist, verstehe ich;
denn Ihre Empfindungen über die Rede des Herrn Bundeskanzlers von heute sind ja auch sehr geteilt.
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Der Herr Bundeskanzler hat es für richtig gehalten, sich in einer Regierungserklärung sehr ausführlich mit einer Sendung einer deutschen Rundfunkstation zu beschäftigen. Es ist hier nicht meine Aufgabe, irgendeine Rundfunkstation, etwa den NWDR, zu verteidigen; aber ich möchte doch folgendes feststellen. Ich glaube, wenn man vor der Öffentlichkeit in dieser Weise eine öffentliche Institution angreift und ihr so schwere Vorwürfe macht, wie es hier geschehen ist, ist es wohl richtig, daß man der Öffentlichkeit auch den Sachverhalt, der zu dieser Kritik geführt hat, in aller Klarheit vorführt. Um was handelt es sich? Es handelt sich um einen Kommentar, den der NWDR im Laufe seiner Programmsendungen wie an vielen Tagen auch in der vergangenen Woche gesendet hat, und zwar mit der beim NWDR immer üblichen Einschränkung, daß es sich bei dieser Meinungsäußerung um die persönliche
— daß es sich bei dieser Meinungsäußerung
— daß es sich bei dieser Meinungsäußerung um eine persönliche Stellungnahme des Kommentators handelt.
Ich finde, für die Beurteilung des Sachverhalts ist diese Feststellung vor der Öffentlichkeit wichtig, um so mehr, als es sich ja in diesem Falle um einen Kommentator handelt, nämlich Herrn Hoppe , der der Regierungskoalition sehr viel näher steht als der Opposition.
Wenn man schon so bestimmte und weitgehende Grundsätze, wie „Objektivität unter allen Umständen" und „vorherige Unterrichtung über den wirklichen Sachverhalt", aufstellt, dann, glaube ich, haben die Angeklagten auch das Recht, daß der Tatbestand der Öffentlichkeit in der richtigen Weise präsentiert wird.
Zur Sache selbst, nämlich zu dem Inhalt des Zitats, möchte ich in diesem Augenblick nur eine einzige Bemerkung machen: Das eindeutige Dementi des Herrn Bundeskanzlers gegenüber den Behauptungen von Herrn Hoppe werden wir uns sehr genau merken.
Eine dritte Bemerkung. Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat es für richtig gehalten, sich in seiner Argumentation auf den ADN als Kronzeugen zu berufen. Herr Bundeskanzler, wie schlecht muß es um Ihre Sache bestellt sein, daß Sie ausgerechnet den ADN hier als Kronzeugen heranholen!
Wo ist denn bisher jemand in diesem Hause gewesen — mit Ausnahme der Kommunisten —, der auch nur in einem einzigen Falle den ADN als eine seriöse Nachrichtenquelle für eine Partei oder für eine Regierung angesehen hätte?!
Herr Bundeskanzler, ich möchte in dem Zusammenhang noch eines sagen. Sie haben hier, anscheinend an uns gerichtet — Sie waren in der Beziehung sehr zurückhaltend in der Konkretisierung Ihrer Vorwürfe —, gesagt, Sie würden sehr glücklich sein, wenn die Unklarheiten, die durch die Veröffentlichung im ADN entstanden seien, durch diese Aussprache beseitigt würden. Nun, Herr Bundeskanzler, Sie wissen ja — bis vor einiger Zeit war das unser gemeinsames Schicksal, heute ist es etwas anders, morgen kann es wieder anders sein —, daß Sie in diesem ADN jeden Tag als Separatist, als Imperialist, als Kriegstreiber angegriffen werden; und wenn Sie schon glauben, Herr Bundeskanzler, daß bestimmte Äußerungen im ADN Unklarheiten über bestimmte politische Auffassungen hervorrufen, vielleicht schaffen Sie auch die Unklarheiten aus der Welt, die durch solche Behauptungen über Ihre Politik entstehen!
Noch eine andere Bemerkung, Herr Bundeskanzler. Sie haben bei der Verurteilung des Nordwestdeutschen Rundfunks heute die Auffassung vertreten, daß eine Institution, die nicht objektiv berichtet und sich nicht zunächst an der Quelle über den wahren Sachverhalt ihrer Nachrichten vergewissert, ihre Existenzberechtigung verloren habe. Herr Bundeskanzler, wie wäre es, wenn Sie diesen Grundsatz auch einmal für Ihre eigene Politik anwendeten,
d. h. ehe Sie hier Behauptungen des ADN als stichhaltiges Material vorbringen, sich einmal bei der Opposition erkundigt hätten, was denn an dieser Sache richtig ist?
Genau den Grundsatz, den Sie hier für den NWDR verlangt haben, haben Sie in diesem Falle zu beachten nicht für nötig gehalten.
Wenn Sie glauben, es ist richtig, daß eine Institution ihre Existenzberechtigung verliert, wenn sie nicht nach diesem Grundsatz handelt, Herr Bundeskanzler, dann müßten Sie jetzt mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich will mich über die Methode, die in einer Regierungserklärung auf dieser Ebene angewendet wird, gar nicht weiter auslassen.
Ich habe den Eindruck, daß viel mehr propagandistische als sachliche Gründe eine Rolle spielen.
ich habe mit einigem Erstaunen heute z. B. festgestellt, daß die Verbreitung dieser Erklärung aus dem ADN im internen Dienstbetrieb der Bundesregierung in großem Umfang erfolgt ist
und daß auf dem Verteilerschlüssel auch das Verfassungsschutzamt genannt worden ist.
Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: wollen Sie etwa derartige Unterlagen beim Verfassungsschutzamt auch schon vorsorglich sammeln, um die Verfassungstreue der Sozialdemokratie in Zweifel zu ziehen?
Ich denke, der Herr Bundeskanzler hat recht, wenn er auf den Ernst der Situation hinweist; aber wenn an irgendeinem Punkt der Diskussion dieser Tatsache nicht gerecht geworden ist, dann ist es die Art und Weise, wie der Herr Bundeskanzler heute hier gesprochen hat.
Nun zur Sache!
—Zum materiellen Inhalt der Diskussion, wenn Ihnen das mehr paßt! Es handelt sich hier um das Problem der Stellung der deutschen Bundesrepublik in den gegenwärtigen Verhandlungen und, konkret gesprochen, um die Frage, auf welcher Basis die Bundesregierung, und zwar — das ist immer unsere Auffassung gewesen — in möglichst breiter Übereinstimmung mit diesem Hause, auf die jetzt vor uns liegenden internationalen Verhandlungen einwirken soll, damit die Frage einer Viermächtekonferenz über Deutschland möglichst bald zu einer positiven Lösung gebracht wird.
Der Herr Bundeskanzler hat die fünf Punkte erwähnt und hat gemeint, sie seien bisher die gemeinsame Grundlage für die große Mehrheit dieses Hauses gewesen. Herr Bundeskanzler, weshalb die Unterstellung? Als wenn in dieser zentralen Frage irgendein wesentlicher Faktor der deutschen Politik eine andere Haltung eingenommen hätte, als sie in diesem Programm zum Ausdruck kommt!
Wenn es eine Kritik gibt — und das ist unser Anliegen —, dann ist es die, daß die Bundesregierung viel zuwenig aktiv geworden ist, um diese fünf Punkte ihrer Realisierung näher zu bringen.
Wir haben uns unmittelbar nach der Rede des Präsidenten Eisenhower am 17. April in einem sehr ausführlichen Rundfunkinterview wieder einmal mit diesem Problem auseinandergesetzt, und wir haben eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen gemacht. Auf eine Antwort der Bundesregierung auf die Vorschläge der sozialdemokratischen Opposition warten wir heute noch.
Es hat darüber auch nicht den Schein einer sachlichen Auseinandersetzung gegeben!
Dann hat sich der Herr Bundeskanzler hier mit dem Potsdamer Abkommen in einer Weise beschäftigt, die, glaube ich, im deutschen Interesse unter keinen Umständen unwidersprochen in der Welt stehenbleiben kann.
Ich will mich hier jetzt gar nicht mit dem Problem des Potsdamer Abkommens im einzelnen beschäftigen. Darauf werden wir in der nächsten Woche zurückkommen. Aber ich möchte feststellen: Der Herr Bundeskanzler hat hier die Behauptung aufgestellt, daß das Potsdamer Abkommen die vorläufige Oder-Neiße-Linie definitiv als deutsche Ostgrenze festgelegt habe. Das ist nicht wahr!
Diese Bestimmung ist im Potsdamer Abkommen nicht enthalten, und ich halte es für eine sehr schlechte Sache, daß der Chef der deutschen Regierung in diesem entscheidenden Punkte eine Interpretation gibt, die nur den Gegnern Deutschlands helfen kann.
Nun haben wir im Zusammenhang mit dem Potsdamer Abkommen etwas ganz anderes zur Diskussion gestellt. Wir haben nämlich die These vertreten — und diese These ist einfach in den Realitäten begründet —, daß es, wenn jetzt die Sowjetunion zum erstenmal nach dem Zusammenbruch des Kontrollrats wieder mit den anderen drei Besatzungsmächten in gewisse Beziehungen kommen will, gar keine andere Basis für ein Gespräch der Vier auf der Ebene von deutschen Besatzungsfragen gibt als eben dieses Potsdamer Abkommen. Damit ist in keiner Weise, von keinem Sozialdemokraten an irgendeiner Stelle die Behauptung oder die Erklärung verbunden worden, daß wir das Potsdamer Abkommen in seinem materiellen Inhalt als annehmbar oder als überhaupt gültige und mögliche Basis für eine Viermächteregelung
für ein einheitliches Deutschland ansehen. Aber als Verhandlungsgrundlage ist das Potsdamer Abkommen einfach undiskutierbar. Ich kann mich dabei auf eine außerordentlich gute Zeugenschaft berufen. Es gibt eine Erklärung über den Generalvertrag:
Die Konstruktion der sogenannten Vorbehaltsrechte rührt an die politische Grundkonzeption des ganzen Vertragswerkes.: Es beruht auf dem Gedanken, daß im Hinblick auf die drei Fragenkomplexe: Truppenstationierung — Berlin - gesamtdeutsche Frage, die Viermächtevereinbarungen von 1945 nicht zerstört werden sollen.
Darin liegt nicht nur ein Grundgedanke der gegenwärtigen Politik der drei Westmächte, sondern zugleich auch ein lebenswichtiges Interesse der deutschen Politik.
Diese Stellungnahme ist der amtlichen Begründung zum Generalvertrag entnommen, die die Bundesregierung herausgegeben hat.
Der Generalvertrag mit dieser Begründung ist bekanntlich vom Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden, und er hat ja heute noch die Bedeutung dieses Abkommens so gepriesen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen an diesem Beispiel, wie wenig man einer sachlichen Diskussion dient, wenn man sich in der Weise in einer Auseinandersetzung über einen solch schwerwiegenden Punkt gehen läßt, wie es heute der Herr Bundeskanzler getan hat.
Schließlich werden wir ja, Herr Bundeskanzler, am Donnerstag nächster Woche — so hoffe ich — eine Aussprache über den ganzen Fragenkomplex in größerer Breite haben. Ich bitte Sie darum, daß Sie die dazwischen liegende Woche benutzen, um dann dem Bundestag und dem deutschen Volk und darüber hinaus der Weltöffentlichkeit viel konkreter zu sagen, als Sie es heute getan haben, was Ihre Politik in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands im Hinblick auf die bevorstehenden Konferenzen ist.
Sie werden mir zugeben müssen, meine Damen und Herren, daß das, was der Herr Bundeskanzler heute z. B. über die Reisen seiner Emissionäre nach Washington, nach Paris und vielleicht auch noch nach London gesagt hat, doch in keiner Weise geeignet ist, die Unruhe über die Absichten der Bundesregierung auch bei den drei Westmächten aus der Welt zu schaffen.
Das ist doch keine Antwort auf die Sorge, die die Menschen in Deutschland und außerhalb Deutschlands bewegt, ob die Bundesregierung alles tut, um auf dem Wege von Vier-Mächte-Verhandlungen den Versuch zu unternehmen, festzustellen, ob es eine Verständigung mit der Sowjetunion über die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit gibt. Und das allein ist das Problem. Es gibt klare, bestimmte und von niemand aufgegebene Vorstellungen über den Inhalt von Abmachungen, die zu einem wiedervereinigten Deutschland führen sollen. Es gibt sogar darüber hinaus Vorstellungen, in welcher Reihenfolge von Konferenzen dieses Ziel, das das vordringlichste Ziel der deutschen
Politik sein muß und bleiben muß, erreicht werden soll. Es ist wichtig, ob die drei Westmächte nun wirklich auch die deutschen Interessen berücksichtigen und uns dabei informieren. Aber viel wichtiger ist, daß die Verhandlungspartner heute und morgen — und zwar sowohl die drei Verhandlungspartner auf den Bermudas wie eventuell die drei Verhandlungspartner als die Kontrahenten einer Viermächtekonferenz und schließlich auch die vier Hohen Kommissare, wenn sie zu Gesprächen auf der Ebene ihrer Funktion und ihrer Kompetenzen kommen sollten — wissen, was die deutsche Regierung konkret zu diesen Verhandlungen zu sagen hat. In diesem Punkt vermissen wir die Antwort, und Sie müssen verstehen, meine Damen und Herren, daß die Unruhe, die wir darüber empfinden, die Unruhe ist, die die weitesten Schichten des deutschen Volkes bewegt. Wir hoffen, daß wir in der nächsten Woche vom Herrn Bundeskanzler klar und eindeutig erklärt bekommen, welche internen Vorstellungen die Bundesregierung für diese kommenden Konferenzen hat, damit wir im deutschen Volk das Gefühl lebendig erhalten und verstärken, daß die These „Die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit ist das vordringlichste Ziel" nicht nur eine Proklamation, sondern tatsächlich konkreter Inhalt der praktischen Politik der Bundesregierung ist.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir liegt außerordentlich viel daran, in dieser Verhandlung auch eine Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion zum Potsdamer Abkommen zu erreichen, und zwar in dem Sinne, wie wir bisher in diesem Hause mit überwiegender Mehrheit Stellung genommen haben.
Deswegen möchte ich Herrn Ollenhauer nicht auf die Bemerkung antworten, daß man bei mir annehmen müsse, ich hätte auch nicht die Spur von gutem Willen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.
— Meine Damen und Herren, wenn ich falsch notiert habe, werde ich das richtigstellen. Ich werde
ja das Stenogramm sehen. Aber ich möchte — —
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, daß wir nicht in einem allgemeinen Gespräch untergehen, sondern uns in den allgemeinen Formen der Diskussion halten!
Ich darf nochmals sagen, daß ich erklärt habe, ich würde nicht darauf eingehen, sondern würde sachlich sprechen.
Ich möchte noch etwas sagen. Herr Ollenhauer hat mir doch in sehr pointierter — um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen — Weise vorgeworfen, daß ich das Verfassungsschutzamt schon — ich drücke es etwas kürzer aus — auf die SPD hetze.
Verehrter Herr Ollenhauer, von dem Verteilerschlüssel weiß ich überhaupt nichts.
— Ja, meine Damen und Herren, Sie können doch nicht verlangen, daß sich der Bundeskanzler darum kümmert, nach welchem Verteilerschlüssel das Presse- und Informationsamt arbeitet.
Ich habe mich aber eben erkundigt und habe gehört, daß das Verfassungsschutzamt von jeher auf
dem Verteilerschlüssel für alle Drucksachen steht.
Dann, meine Damen und Herren, meine Politik bezüglich der Wiedervereinigung ist völlig klar und steht völlig im Einklang mit den Beschlüssen, die der Bundestag bisher gefaßt hat.
Alles, was der Bundestag bisher in einer ganzen
Reihe von Beschlüssen in den vergangenen Jahren
gefordert hat, habe ich restlos immer und überall
jeder der anderen Mächte gegenüber vertreten.
Das vertrete ich auch jetzt noch nach wie vor. Das ist völlig klar. Wir alle miteinander haben zuerst freie Wahlen und freie Bildung einer gesamtdeutschen Regierung verlangt. Wir haben weiter verlangt, daß diese Regierung an den Friedensverhandlungen teilnimmt. Das haben wir immer verlangt, und das verlangen wir auch noch jetzt.
Es wurde weiter gesagt, die Reisen hätten bei den anderen Unruhe erzeugt. Meine Damen und Herren, ich muß doch nochmals darauf hinweisen, daß diese Prinzipien, die in den Verträgen niedergelegt sind, deswegen für die anderen noch nicht bindend sind, weil die Verträge noch nicht Rechtens sind. Ich glaube, jeder von Ihnen, der an meinem Platz sitzen würde, würde natürlich, wenn sich nun die Drei auf den Bermuda-Inseln zusammenfinden, Wert darauf legen, festzustellen: Werdet ihr auch bei euren Verhandlungen diese Prinzipien beachten?
Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Das ist auch nicht dazu angetan, Beunruhigung hervorzurufen, sondern im Gegenteil, eine Beruhigung herbeizuführen.
Ich freue mich, daß wir diese Beruhigung bekommen haben.
Ich gehe mit Herrn Ollenhauer in folgendem, allerdings sehr wichtigen Punkt nicht einig. Er hat gesagt, es gebe keine andere Ebene zu Verhandlungen unter den vier Mächten als das Potsdamer Abkommen; das sei doch ganz undiskutierbar.
— Aber Sie haben es doch gesagt, verehrter Herr Kollege Ollenhauer.
Sie haben dann zum Beweis dieser Behauptung auf die amtliche Begründung, die zum DeutschlandVertrag gegeben worden ist, hingewiesen. So ist doch der Tatbestand. Die amtliche Begründung bezieht sich auf die Frage Berlin und auf die gesamtdeutschen Fragen.
Aber, Herr Ollenhauer, in demselben Vertrag haben sich die drei Westalliierten in den entscheidenden Punkten vom Potsdamer Vertrag ausdrücklich losgesagt,
sie haben da erklärt, daß sie eine Wiedervereinigung Deutschlands haben wollen und daß mit diesem Deutschland ein Friedensvertrag frei verhandelt werden soll. Sie haben weiter darin festgelegt, daß dieses wiederhergestellte Deutschland das Recht haben soll, frei zu wählen, wem es sich anschließt. Infolgedessen kann ich nicht zugeben — und ich bitte Sie, diesen Standpunkt doch auch mal zu überprüfen —, daß das Potsdamer Abkommen, das Sie auch noch in den Sowjetnoten und in dem Prawda-Artikel erläutert finden, die alleinige Ebene zu Verhandlungen unter den Vieren sei. Nein, diese Ebene haben wir lange verlassen.
Wir dürfen um Gottes willen nicht sagen, daß das die alleinige Ebene ist; sonst geben wir doch das alles preis, was wir bisher erreicht haben.
Sie haben dann weiter gesagt, Herr Ollenhauer,
daß ich mich für irgendwelche Dinge, die gesagt worden seien, oder für Tatbestände zum Beweis auf diesen sowjetzonalen Sender beriefe. Sie haben mich völlig mißverstanden.
Ich habe gesagt, daß dieser Sowjetzonensender die
Behauptungen aufstelle und ich es deswegen sehr
begrüßte, wenn Unklarheiten klargestellt würden.
Das habe ich wörtlich so gesagt, Herr Ollenhauer. Es liegt mir — ich wiederhole nochmals — im deutschen Interesse daran, daß wir bei unserer Politik gegenüber den drei Westalliierten mit Bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands den gleichen Standpunkt einnehmen. Das möchte ich erreichen, nichts anderes.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Ollenhauer hat uns zu Eingang seiner Ausführungen die— zweifellos nicht sehr überraschende — Mitteilung gemacht, daß die Betrachtungen, die er heute in der Diskussion anstellte, keinen Verzicht auf die Beratung der von seiner Fraktion eingebrachten Interpellation bedeuten sollten. Ich kann ihm das durchaus nachfühlen. Wir haben auch nicht erwartet, daß ein solcher Verzicht ergehen würde. In seiner Entrüstung — er war sehr entrüstet und hat sehr viel die Rolle der verfolgten Unschuld gespielt —
— das ist doch nicht neu! —,
in seiner Entrüstung hat er dann gesagt, er wäre ja nun völlig überrascht von dieser Angelegenheit. Ich muß sagen, ich möchte, ich wäre auch so überrascht wie er und hätte trotzdem einen so wohl präparierten Text für meine Ausführungen!
Ich bin mehr überrascht als Sie, Herr Ollenhauer. Ich kann mich nicht auf so wohl aufgeschriebene Grundlagen berufen!
Ich will nicht untersuchen, wieweit Sie auf dem Gebiet der geistigen Fließbandfertigung schneller funktionieren als wir.
Das würde zu weit ablenken und kostet mich außerdem auch meine kostbare Redezeit. Ich möchte mich jetzt mit den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers beschäftigen und auf einige Punkte nur eingehen.
Für meine politischen Freunde kann ich sagen, daß wir ein Wort von ihm sehr anerkennen, nämlich den Ausspruch von der notwendigen Wachsamkeit in den Dingen der außenpolitischen Entwicklung. Wir sind durchaus der Meinung, daß sich diese Wachsamkeit auch auf Formen der Berichterstattung über delikate Fragen zu erstrecken hätte, die das Verhältnis Deutschlands zu anderen Völkern berühren. Es ist sicherlich für Kommentatoren sehr verlockend, über diese Dinge etwas Originelles zu sagen. Aber, meine Damen und Herren, es gilt für das ganze Gebiet der Politik überhaupt: Es kommt nicht immer nur darauf an, was man selbst sagen möchte und was einem im Augenblick aktuell und bemerkenswert erscheint. Jeder, der schreibt oder spricht, sollte auch immer an die Reaktion denken, die er auslösen könnte. Internationale Reaktionen sind etwas sehr, sehr Fragwürdiges und Unbestimmtes. Sie sind Vorgänge, die sehr vorsichtig zu behandeln und vorauszuschätzen die politische Verantwortung gebietet.
Wir sind weiterhin dankbar für die Bemühungen, die der Herr Bundeskanzler angestellt hat, als er durch die Entsendung des Herrn Ministerialdirektors Blankenhorn zu den Regierungen in Washington und Paris ausdrücklich noch einmal klarstellte, daß, obwohl die Verträge noch nicht ratifiziert sind, ihre Abmachungen hinsichtlich des Beistandes und der Mitanteilnahme an der Wiedervereinigung Deutschlands auch ohne die Ratifizierung gelten. Wenn Konferenzen zur Vorbereitung und Vorberatung von etwaigen Gesprächen zwischen den Repräsentanten der östlichen und der westlichen Mächtegruppen stattfinden sollten, dann ist damit die Sicherung getroffen, daß nicht über unsere Köpfe hinweg verhandelt wird, sondern daß die Möglichkeit der Konsultation gegeben ist. Das festgestellt und herausgearbeitet zu haben, war eine sachliche Notwendigkeit. Daß es geschehen ist, entspricht der Forderung nach Wachsamkeit. Es beweist außerdem, daß den Erfordernissen der Beweglichkeit, die von seiten der Opposition ja auch eben wieder geltend gemacht worden sind, in dieser Angelegenheit Rechnung getragen ist.
Nun noch zu einer Bemerkung über die Unruhe, die um Deutschland in der Welt entstanden sei, von der Herr Kollege Ollenhauer sprach. Ja, Unruhe über die Bundesregierung — ich glaube, Sie sehen etwas einseitig, meine Damen und Herren von der Opposition.
In den außenpolitischen Zusammenhängen entsteht die meiste Ungewißheit über die deutsche Entwicklung durch die merkwürdig widerspruchsvolle und vorwiegend von negativen Motiven beherrschte Außenpolitik, die Sie bisher in diesem Hause betrieben haben.
Sie haben bedenkliche Dinge ausgesprochen zu den außenpolitischen Verhängnissen und Verhältnissen und haben dabei in letzter Zeit — sagen wir einmal — Vorstellungen, die dem Potsdamer Abkommen zugrunde liegen, zu popularisieren versucht.
Ich will hier nicht mit allen Aufzeichnungen und
Auszügen verschiedener Reden und Äußerungen
anrücken; aber wenn ich z. B. lese, daß Herr Kollege Wehner gesagt hat, daß das Potsdamer
Abkommen die juristische Grundlage der Viermächtekontrolle in Deutschland bilden könne und
es daher für Viermächteverhandlungen keinen anderen Ausgangspunkt als dieses Abkommen gebe,
in Viererbesprechung könne man auch über
das sowjetische Sicherheitsbedürfnis oder über
Möglichkeiten sprechen, wie man die Reparationslast der Sowjetzone — rund 3 Milliarden Golddollar — durch ein Schuldenabkommen verteile,
dann, meine Damen und Herren, sind damit Motive in die öffentliche Betrachtungsweise getragen worden, die wir allerdings für ebenso bedenklich wie verhängnisvoll halten.
Ich will nur das mindeste zu diesem Vorgang sagen: Man sollte sich davor hüten, sich von Wunschvorstellungen und Trugbildern hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten und Verhandlungsgelegenheiten verführen und verwirren zu lassen.
— Na, meine Damen und Herren, ein Beispiel: Wo haben Sie denn in dieser ganzen Entwicklung der östlichen Weit im Augenblick, nach dem Tode dieses fast mit göttlicher Verehrung ausgestatteten Machthabers, schon eine klare Einsicht darüber, mit wem Sie eigentlich bei Ost-West-Gesprächen als Kontrahenten in Wirklichkeit zu rechnen haben werden? Wissen Sie überhaupt schon wirklich, wer in diesem Kollegium der Nachlaßpfleger des großen Tyrannen der Endgültige sein wird, mit dem man Abmachungen in diesem Zeitpunkt oder in einer absehbaren Zeit treffen könnte?
Deswegen teilen wir durchaus die Haltung des Herrn Bundeskanzlers, der auch mit einer Viererkonferenz einverstanden ist, der auch bereit ist, diesen Weg mitzugehen, unter der Voraussetzung allerdings, daß überhaupt Chancen des Erfolgs darin erkennbar werden. Man kann zu immerhin noch zweifelhaften Konferenzabsichten nicht beliebig hohe Blankowechsel ausstellen! Einfach zu sagen, die Viererkonferenz ist gleichsam das große Wunder, mit dem man die Welt aus den Angeln heben
und die verworrenen Machtverhältnisse und zerfahrenen Kräftegruppierungen einfach umstellen oder überwinden könnte —
so bequem kann man sich die Begründung nicht machen. Wir wehren uns dagegen, solche Wunder zu verkünden; wir halten uns lieber an Realitäten und an die Konkretisierungen, die gegeben sind in den Verträgen, die vor ihrer Ratifizierung stehen, an deren Grundgedanken wir festhalten. Wir verbleiben bei der Tendenz und der Erwartung, die wir hineingedacht und -gebracht haben, als wir um die Verträge mit den Westalliierten hier gerungen und uns auseinandergesetzt haben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer hat • heute zu der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers festgestellt, daß sie zu spät gekommen sei, und dann hat er sich darüber beklagt, daß man nicht bis nächste Woche gewartet habe.
Meine Damen und Herren, ich finde, eine Erklärung des verantwortlichen Regierungschefs zu einer Lebensfrage des deutschen Volkes — und hier zitiere ich Sie selbst, Herr Kollege Ollenhauer — kann niemals zu früh kommen. Ich habe es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler heute hier wieder einmal einige grundsätzliche Erklärungen über Sinn und Ziel seiner Politik abgegeben hat. Es schien mir notwendig zu sein, weil ich es einfach unerträglich finde, daß es einen Teil von Abgeordneten in diesem Hohen Hause gibt, die sich nur immer wieder darin ergehen, daß sie den Willen der deutschen Bundesregierung, den Willen der Koalition, die die Mehrheit des deutschen Volkes repräsentiert,
— Herr Kollege, wir sind in einer Demokratie,
und da müssen Sie schon anerkennen, daß wir die
Mehrheit repräsentieren, bis Sie uns das Gegenteil beweisen —
den Willen dieser Mehrheit des deutschen Volkes in Zweifel ziehen, sich mit dieser Lebensfrage des deutschen Volkes, der Wiederherstellung der deutschen Einheit, zu beschäftigen.
Ich muß sagen, meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe den Eindruck, daß Sie wirklich um Argumente verlegen sind, wenn Sie mit ermüdender Hartnäckigkeit nur immer wieder dasselbe zu sagen wissen, das durch die Wiederholung nicht richtiger wird.
Dann haben wir heute gehört, der Herr Bundeskanzler habe zwar zu der Politik gesprochen, man sei aber nicht befriedigt. Man sei auch nicht auf die politischen Einwände der Opposition eingegangen. Ich habe sehr aufmerksam zugehört und habe heute dasselbe empfunden, was ich bei den letzten Debatten über die deutsche Politik hier empfunden habe. Herr Ollenhauer hat uns zwar, nicht immer sehr eindringlich, gesagt, was er an der Methode des Herrn Bundeskanzlers auszusetzen hat, aber, Herr Ollenhauer, Sie haben uns auch heute wieder nicht gesagt, was Sie an die Steile der Politik setzen wollen, die wir betreiben.
Dann haben Sie die originelle Äußerung getan — ich muß schon sagen: originell —, Sie hätten ein Programm in einem Rundfunkinterview entwickelt, und darauf habe die Bundesregierung gar nicht geantwortet.
Ich habe Verständnis dafür, daß Sie vielleicht Interesse daran hätten, den Deutschen Bundestag in das Studio des NWDR zu verlegen. Wir tun es nicht.
Das Ziel der deutschen Politik in dieser Frage scheint mir wirklich nicht mehr sehr schwer zu ergründen zu sein. Wenn es Ihnen aber sehr schwer fällt, meine Damen und Herren von der Opposition, dann möchte ich Sie doch daran erinnern, daß Sie eine ganze Reihe von Anträgen hier gestellt und Entschließungen mit beschlossen haben, die dieses gemeinsame Ziel in einer völlig unmißverständlichen Weise wiedergeben. Vielleicht ist es Ihrer Erinnerung entfallen, daß Sie am 9. März 1951 und am 27. September 1951 Regierungserklärungen und gemeinsame Entschließungen angenommen und sogar eine eigene Entschließung eingebracht haben,
die mit überwältigender Mehrheit des Bundestags angenommen worden ist. Und was steht in diesen Entschließungen? In diesen Entschließungen steht — —
— Vielleicht, Herr Kollege Kalbitzer, kennen Sie sie, aber ich habe den Eindruck, die Mehrheit Ihrer Fraktion kennt sie nicht mehr.
In diesen Entschließungen steht — das hat heute der Herr Bundeskanzler wiederholt —, daß wir hoffen und wünschen, die vier Mächte, die für die Trennung und Teilung Deutschlands die Verantwortung tragen, möchten sich baldmöglichst zusammensetzen, um diesem Zustand ein Ende zu bereiten. In diesen Entschließungen steht weiter, was wir von diesen Verhandlungen erwarten: erstens die Durchführung freier Wahlen in ganz Deutschland,
zweitens die Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland, drittens den Abschluß eines Friedensvertrags, der mit einer freien Regierung des ganzen Deutschlands frei verhandelt wird, viertens die Regelung der noch offenen territorialen Fragen in diesem frei vereinbarten Friedensvertrag und fünftens — und das nicht zuletzt, meine Damen und Herren — die Handlungsfreiheit für eine solche deutsche Regierung; denn wenn Sie für diese deutsche Regierung nicht die Handlungsfreiheit verlangen, ist die Rede von der Freiheit nicht mehr wahr.
In den letzten Wochen hören wir nun zu unserer Überraschung — und hier stimme ich dem Herrn Bundeskanzler zu —, daß man nicht mehr auf dem Boden dieser Entschließungen zu stehen scheint, sondern glaubt, das Potsdamer Abkommen sei noch immer die geeignete juristische Grundlage für Verhandlungen.
— Meine Damen und Herren, ich kann nur wiederholen, was Herr Kollege Schäfer sagte: Wenn Sie eine Beunruhigung des deutschen Volkes feststellen, haben Sie wohl recht.
Das deutsche Volk ist mit Recht darüber beunruhigt, daß eine große Partei sich den Anschein gibt, als sei sie bereit, auf den Boden des Potsdamer Abkommens zu treten oder dieses Potsdamer Abkommen als eine juristische Grundlage für die Verhandlungen der vier Siegermächte anzuerkennen.
— Das wollen wir der Entscheidung des deutschen Volkes überlassen!
Sie haben dann gefragt, was der Sinn einer deutschen Politik sei. Darf ich vielleicht etwas vorlesen? Über den Sinn der deutschen Politik hat ein Politiker gesagt:
Es gibt keinen wichtigeren Satz für einen weitschauenden Politiker als den: Macht die Bundesrepublik so stark wie möglich! Je schneller die neue Entwicklung zur westlichen Völkerfamilie vorangetrieben werden kann, d. h. je mehr die westlichen Völker sich ihrer überlegenen Kraft bewußt werden, um so eher wird der Block der östlichen Diktatur gezwungen sein, die Konsequenzen aus seiner Schwäche zu ziehen. Dann wird der Weg frei sein zu einem in Frieden geeinten
Europa. Die Lehre von Berlin ist nicht verstanden worden, die Lehre, daß die Russen nur härteste Entschlossenheit respektieren. Solange Moskau die Hoffnung haben kann,
— hören Sie gut zu! —
in Westdeutschland ernsthafte politische Ansatzpunkte zu finden, so lange wird der Kreml den eisernen Griff um die Ostzone bestimmt nicht lockern.
Meine Damen und Herren, das hat am 7. September 1952 der Regierende Bürgermeister der Stadt Berlin Reuter gesagt.
Ich glaube, damit ist die, wie ich hoffe, auch heute noch gemeinsame Politik der Mehrheit dieses Hauses in sehr klarer Weise umrissen.
Wenn wir uns heute darüber unterhalten, ob Potsdam noch ein Ausgangspunkt oder eine Grundlage für ein Vierergespräch sein könne, so möchte ich zum Schluß noch ein zweites Zitat bringen. Am 18. November 1950 hat hier im Bundestag ein Abgeordneter gesagt:
Ich möchte das ganze Haus zum Zeugen für eire einheitliche Meinung der Deutschen anrufen, daß der Geist der bedingungslosen Kapitulation nicht der Geist ist, aus dem politische, moralische und militärische Werte geschaffen werden können.
Der Abgeordnete hieß Dr. Kurt Schumacher.
Sie haben uns gefragt, welches die Grundlagen der Politik seien,
die auch nach unserer Auffassung zur Wiedervereinigung Deutschlands führen könnten. Sie haben gefragt, was die Bundesregierung unternehmen könne oder unternehmen müsse, um Deutschland in dieses Gespräch einzuschalten, was ich mit Ihnen für eine unbedingte Notwendigkeit halte. Diese Frage hat uns veranlaßt, einen Entschließungsantrag vorzulegen, den ich gleichzeitig im Namen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP, der DP und der FU vorzutragen die Ehre habe. Der Antrag lautet:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, auch in Zukunft bei den Regierungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritanniens und Frankreichs darauf zu dringen, daß diese Mächte alles tun, um die Wiedervereinigung des ganzen Deutschland auf friedlichem Wege herbeizuführen.
In erneuter Bekräftigung seiner mehrfachen Entschließungen, insbesondere seiner Entschließungen vom 9. März 1951 und vom 27. September 1951, erklärt der Deutsche Bundestag:
Das Ziel der Verhandlungen einer Viermächtekonferenz hinsichtlich Deutschlands muß sein
1. die Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland;
2. die Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland;
3. der Abschluß eines mit dieser Regierung frei vereinbarten Friedensvertrages;
4. die Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag;
5. die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein
gesamtdeutsches Parlament und eine gesamt-
deutsche Regierung im Rahmen der Grund-
sätze und der Ziele der Vereinten Nationen.
Ich glaube, wenn wir uns gemeinsam zu dieser Entschließung bekennen, weiß die Bundesregierung — zumindest wieder von heute ab —, wie die große Mehrheit des Deutschen Bundestages urteilt.
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst zur Haltung des Nordwestdeutschen Rundfunks namentlich angesichts der gegenwärtigen außenpolitischen Situation unseres Landes ein kurzes Wort zu sagen. Die Opposition hat dargelegt, daß es sich bei dem erwähnten Kommentar nur um eine Meinungsäußerung handle. Wenn aber eine Institution die Unabhängigkeit zuerkannt bekommen hat, dann hat eine solche Meinungsäußerung auch in einer inneren, in einer äußeren und besonders in einer parteipolitischen Unabhängigkeit zu erfolgen, und sie muß um die Wahrheit bemüht bleiben. Es kann nicht angehen, daß dieses wichtige Instrument der Unterrichtung der öffentlichen Meinung fortgesetzt mißbraucht wird, um die Ansichten der Opposition zu begünstigen.
Es gibt auch noch andere Beziehungen, an denen wir Kritik üben könnten, denn Sie vermögen eine Pressemacht und eine Rundfunkmacht auszuüben, gegenüber deren Möglichkeiten wir uns als Waisenknaben vorkommen.
Ich glaube, daß die Verfassung des Rundfunks einer gründlichen Überholung bedarf, damit eine solche Brunnenvergiftung, wie sie hier geschehen ist, nicht wieder vorkommen kann.
Ich habe der Opposition noch einiges andere zu sagen. Worauf kommt es bei der heutigen Diskussion an, deren Zeitpunkt die Regierung zu bestimmen hat und nicht irgendeine Partei? Es kommt darauf an, Klarheit zu schaffen nach außen und nach innen. Sie, meine Herren von der Opposition, tragen die Verantwortung dafür, daß diese Klarheit sowohl im Ausland als auch bei uns im Innern und insbesondere bei der Bevölkerung in der sowjetisch besetzten Zone nicht mehr besteht.
Die heutige Debatte hat eine Vorgeschichte. Wer ist es, der eine klare, aktive Linie der Politik, die darauf abzielt, die Einheit unseres Vaterlandes herzustellen,
laufend verzögert hat, und zwar seit Jahren,
mit tausend Argumenten, die sich stets widersprochen haben, die von Unlogik durchtränkt waren?
— Ich muß leider sehr laut sprechen, da Sie es mir nicht ermöglichen, mit der normalen Stimme zu reden, weil Sie dauernd dazwischenrufen. — Wer hat mit den Ressentiments eines geschlagenen und daher leidenden Volkes vor allem 1950/51 einen ganz groben Mißbrauch getrieben?
Wer hat den Standpunkt des „Ohne mich" gefördert?
Wer hat versucht, gewisse Auffassungen, die in kirchlichen Kreisen herrschten, in weiten Teilen des Landes in ein Zwielicht zu stellen? Ich denke an die Besprechung, die mit Herrn Niemöller stattgefunden hat. Sie haben mehrfach Ihren Standpunkt geändert, und daraus ist die Unklarheit entstanden, daß auch nur die Erwähnung des Potsdamer Abkommens als eine juristische Grundlage für Viermächtebesprechungen die allergrößten und gefährlichsten Mißverständnisse hat aufkommen lassen.
Ich freue mich, feststellen zu können, daß Herr Ollenhauer in diesem Hause von dem materiellen Inhalt des Potsdamer Abkommens ausdrücklich abgerückt ist.
Diese Feststellung dürfte nach außen von größter Bedeutung sein. Wir halten aber auch die Opposition an dieser gegebenen klaren Feststellung, nachdem sie selber durch ihre Erklärungen Zweifel verursacht hat, fest.
Ein zweiter Punkt, in dem heute durch die Ausführungen des Führers der Opposition eine ganz erhebliche Unklarheit aufgebracht worden ist, ist die völlig verkehrte Auslegung der Darlegung des Herrn Bundeskanzlers über die Bedeutung des Potsdamer Abkommens in bezug auf die OderNeiße-Linie. Zunächst einmal: Ich erinnere mich an Zeiten, als meine Partei die Frage der OderNeiße-Linie aufgegriffen und die Forderung erhoben hatte, daß man niemals den Verlust der Gebiete ostwärts dieser Linie anerkennen dürfte, daß uns damals von der heutigen Opposition entgegengehalten wurde, es sei völlig sinnlos, diese Frage überhaupt aufzuwerfen. Das war in den Jahren 1945 und 1946.
— Ich habe ein kräftiges Organ, und ich kann auch noch lauter sprechen als Sie rufen, wenn Sie wollen. Nachher hat man eingesehen, daß diese Forderung von höchster nationaler Bedeutung ist. Und heute, als der Herr Bundeskanzler auf die sowjetische Auslegung des Potsdamer Abkommens Bezug genommen hat,
will man ihm unterstellen, er habe diese Auslegung sich zu eigen gemacht und damit anerkannt! Das ist eine Brunnenvergiftung ersten Ranges!
Auf harte Behauptungen und böse Unterstellungen muß man hart erwidern; das läßt sich leider nicht ändern.
— Ich verdrehe nichts; ich stelle richtig!
Sie haben verdreht, und zwar in verantwortungslosester Weise
haben Sie die Erklärung der Regierung verdreht!
Wir wenden uns dagegen, daß Sie die Frage der deutschen Einheit zu einem Wahlschlager zu machen versuchen.
Darauf wird von Ihnen alles abgestellt.
Niemals können wir in dieser Frage zu einer loyalen Zusammenarbeit kommen, wenn Sie diese
Frage zu einem Wahlschlager zu machen versuchen.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion steht zu der von der Koalition eingebrachten Resolution. Ich darf feststellen, daß wir den gefundenen Formulierungen zustimmen. Zu Punkt 5 habe ich aber Veranlassung, eine Auslegung zu geben.
Wir, die Fraktion der Deutschen Partei, verstehen darunter die Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung und eines gesamtdeutschen Parlaments, d. h. die Freiheit von jeglicher internationalen Kontrolle, wie sie nach den juristischen Grundlagen des sogenannten Potsdamer Abkommens — das nebenbei kein Abkommen ist — vorgesehen waren. Wir fordern für ein Gesamtdeutschland vollkommene Freiheit von jeder Art der Intervention.
Damit kommen wir in eine weitere Kontroverse mit der Opposition; das betrifft die Handlungsfähigkeit der gegenwärtigen Bundesregierung als Sprecherin für ganz Deutschland. Wir wünschen diese Formulierung, wie sie auch vom Herrn Bundeskanzler gebraucht worden ist, dahingehend ausgelegt zu sehen, daß die Bundesregierung, bis eine gesamtdeutsche Regierung vorhanden ist, Sprecherin des gesamten deutschen Volkes ist und in dieser Eigenschaft die Fähigkeit hat, in Vorbereitung eines Friedensvertrags völkerrechtliche Bindungen einzugehen.
Wir legen ferner Wert auf die Feststellung — und das ist unser politisches Ziel —, daß wir uns keine in wirklicher Freiheit zustande gekommene gesamtdeutsche Regierung, besser gesagt keine Reichsregierung vorstellen wollen, die jemals eine Freiheit dafür beansprucht, diese Freiheit nicht in einer europäischen Gemeinschaft der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet zu sichern. Denn wir suchen einen dauerhaften Frieden für Deutschland. Mit dieser besonderen Auslegung, die erkennbar machen soll, daß meine Fraktion an der durch die Jahre befolgten Linie einer europäischen Einigungspolitik, und zwar in den praktischen Formen unzweideutig festhält, die von der Bundesregierung bejaht und vereinbart worden sind, stimmen
wir der gemeinsamen Resolution zu. Hinsichtlich der einzelnen Vorschläge, die wir für die Aktivierung einer gesamtdeutschen Politik zu machen haben, behalte ich mir weitere Ausführungen im Rahmen der außenpolitischen Debatte, die die Opposition angekündigt hat, vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann. — Herr Abgeordneter Reimann, wünschen Sie nicht das Wort?
Meine Damen und Herren! Zu der Erklärung des Bundeskanzlers zu seiner Außenpolitik möchte ich folgendes feststellen.
1. Die Ausführungen des Bundeskanzlers lassen klar erkennen, daß er weder eine Verständigung der Deutschen untereinander noch eine Verständigung der vier Großmächte zur friedlichen Lösung der deutschen Frage will.
Seine Bemühungen laufen darauf hinaus, alles zu unterbinden, was dazu angetan ist, Deutschland zu einigen, den kalten Krieg zu beenden, die internationalen Spannungen zu beheben und dem deutschen Volke einen gerechten Friedensvertrag zu geben. Die Reisen von Professor Hallstein nach Paris und von Herrn Blankenhorn nach Washington unterstreichen meine soeben getroffene Feststellung. Somit hat Dr. Adenauer im Auftrage ganz bestimmter amerikanischer Kreise die Rolle eines Syngman Rhee in Europa übernommen.
2. Die Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers, die Verständigung der Deutschen und der vier Großmächte über die Herbeiführung der friedlichen Lösung der deutschen Frage zu stören, führt der Herr Bundeskanzler mit einem sehr großen Täuschungsmanöver vor dem Volke durch, indem er unwahre Behauptungen über den Inhalt des Potsdamer Abkommens sowie über die Noten der Regierung der Sowjetunion aufstellt.
Dr. Adenauer behauptet, daß die Sowjetregierung
keinen Verhandlungsfrieden mit Deutschland, sondern, wie er sagt, einen Diktatfrieden anstrebt.
Ich stelle demgegenüber fest, daß die Sowjetregierung seit Jahr und Tag fordert, daß bei den Viermächteverhandlungen zur friedlichen Regelung der deutschen Frage eine gesamtdeutsche Vertretung, bestehend aus Vertretern West- und Ostdeutschlands, zugegen sein muß.
Herr Dr. Adenauer, bilden Sie sich doch nicht ein,
daß Vierer-Verhandlungen auf einer Basis zustande kommen. daß nur Sie dann an dieser Konferenz teilnehmen.
Es ist ein Fakt, daß in Deutschland zwei Regierungen bestehen. Es ist ein Fakt, daß dieses
Deutschland gespalten ist, und Fakt muß sein. daß
eine gesamtdeutsche Vertretung auf dieser Konferenz anwesend sein muß.
Das ist ganz klar, und daran kommen Sie nicht vorbei. In der Note der Regierung der Sowjetunion vom 23. August 1952 ist ausdrücklich festgestellt, daß bei den Verhandlungen eine gesamtdeutsche Vertretung anwesend sein muß.
3. Der Bundeskanzler behauptet, daß die Regierung der UdSSR eine dauernde militärische und politische Kontrolle für Deutschland anstrebt. In Wahrheit aber wünscht die Regierung der Sowjetunion, daß die Viermächteverhandlungen auf der Grundlage der Prinzipien des Potsdamer Abkommens durchgeführt werden. Das Potsdamer Abkommen ist die einzige völkerrechtliche Grundlage, die von den vier Großmächten unterschrieben ist. Die Regierung der Sowjetunion spricht von den Prinzipien des Potsdamer Abkommens und erklärt hierzu in der Note vom 23. August, daß die Regierung der USA den Sinn der in der Note der Sowjetregierung vom 24. Mai enthaltenen Bezugnahme auf die Potsdamer Beschlüsse verfälscht, wenn sie die Dinge so darstellt, als ziele die Note auf die Wiederherstellung der Viermächtekontrolle ab.
Die Sowjetunion will also bei Verhandlungen gar nicht eine Kontrolle durch die vier Mächte mit in die Waagschale werfen. Es ist eine Lüge, wenn Sie das vorhin behauptet haben.
Herr Abgeordneter Reimann, der Ausdruck „Lüge" ist nicht parlamentarisch; ich rufe Sie zur Ordnung!
Wenn der nicht parlamentarisch ist, dann soll Dr. Adenauer hier nicht solche Geschichten erzählen.
4. Der Herr Bundeskanzler spricht von Viermächteverhandlungen auf der Basis der Kriegsverträge von Bonn und Paris. Diese Verträge beinhalten aber die Aggressionsabsichten der USA gegen die Völker des Ostens und Südostens und gegen die Völker der Sowjetunion und haben das Ziel, ganz Deutschland unter diese Verträge zu stellen. Sie glauben, daß damit eine Verhandlungsbasis für die Wiedervereinigung Deutschlands gegeben ist? Ich erkläre, daß man sich schlecht Viermächteverhandlungen über die friedliche Regelung der deutschen Frage auf der Basis dieser Verträge vorstellen kann.
5. Das Deutschland, das Herrn Dr. Adenauer mittels der Verträge von Bonn und Paris vorschwebt, will weder das deutsche Volk noch wollen es die Völker Ost- und Westeuropas, weil das Deutschland, das Dr. Adenauer vorschlägt, das Deutschland der Monopol- und Bankherren, der Militaristen und Revanchepolitiker ist.
Wenn Sie noch etwas mehr wissen wollen, dann hätten Sie sich einmal gestern die Sendung des Nordwestdeutschen Rundfunks über die Naumänner in Ihrer Partei anhören können, Herr Blücher! — Demgegenüber schlagen wir vor, daß sich sofort
Vertreter aus Ost- und Westdeutschland zusammensetzen und sich über die Fragen der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands verständigen.
Dasselbe, was in Österreich schon heute Tatsache ist, kann morgen für Deutschland Tatsache werden, wenn sich Deutsche an einen Tisch setzen und sich dort über alle innerdeutschen Fragen einigen.
— Nur Deutsche, jawohl. Wir sind der Meinung,
daß die Wiedervereinigung Deutschlands auf dem
Wege eines Kompromisses zustande kommen muß
und nicht, wie Dr. Adenauer es will, auf der Grundlage von Vorleistungen oder von Eroberungsabsichten mittels der Verträge von Bonn und Paris.
Obwohl die sozialdemokratische Parteiführung noch vor kurzem auf dem Standpunkt stand, daß es eine Verhandlungsbasis auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens nicht gibt, stellen wir fest, daß sie diese Haltung jetzt revidiert hat.
Herr Kollege Ollenhauer, es hat keinen Sinn, hier etwas anderes zu sagen als das, was Sie auf der Pressekonferenz in Bonn erklärt haben.
Ich zitiere die „Welt"; das ist doch wirklich keine kommunistische Zeitung und hat auch mit dem ADN gar nichts zu tun. Die „Welt" schreibt auf Grund der Ausführungen von Herrn Ollenhauer:
Die Erwähnung des Potsdamer Abkommens in
den sowjetischen Erklärungen
— das hat Herr Ollenhauer gesagt —
basiere ausdrücklich auf der Tatsache, daß die Potsdamer Abrede die einzige noch existierende vertragliche Bindung der vier Besatzungsmächte untereinander sei, auf die sich auch die westlichen Alliierten bei ihren Vertragsverhandlungen mit der Bundesregierung stützen.
Und wenn Ihnen die „Welt" nicht genügt, dann zitiere ich aus dem Sozialdemokratischen Pressedienst vom 21. Mai 1953.
Dort heißt es unter der Überschrift „Potsdamer
Abkommen einzige Brücke zwischen Ost und West": Das Potsdamer Abkommen stellt als völkerrechtlicher Vertrag die einzige Klammer dar, die unser aufgeteiltes Deutschland noch umschließt.
Aber meine lieben Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, warum wehren Sie sich so gegen
den Vorwurf der Regierungsparteien, daß Sie in
die Nähe des Potsdamer Abkommens gerückt seien?
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter!
Sollen Ihren Worten nicht Taten folgen? Es ist doch eine sehr schlechte Politik, wenn man dem Volke etwas erzählt und dann die Taten zur Realisierung dessen, was man sagt, fallen läßt. Wir sind der Meinung, daß die Worte auch mit den Taten übereinstimmen müssen. Es ist bekannt, daß die übergroße Mehrheit des deutschen Volkes — —
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter Reimann; Ihre Redezeit ist abgelaufen.
— auch die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei — nichts sehnlicher wünschen als die Beendigung des Kalten Krieges, die Verständigung der Deutschen und die Verständigung der vier Großmächte über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, den Abschluß eines Friedensvertrags, in dem der Termin festgelegt ist, wann die Besatzungstruppen ganz Deutschland verlassen müssen.
Herr Abgeordneter Reimann, Ihre Redezeit ist seit längerer Zeit abgelaufen.
Die zentrale Frage einer deutschen Politik nach innen und außen ist —
Herr Abgeordneter Reimann, ich entziehe Ihnen das Wort. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher habe ich die Politik des Herrn Bundeskanzlers höher eingeschätzt, als daß er in diesem Hohen Hause eine hochpolitische Rede hält, um dadurch Erklärungen des ADN, einer östlich eingestellten Presseagentur, zurückzuweisen. Herr Bundeskanzler, es paßt doch sonst nicht in Ihr Konzept, dieser Seite soviel Ehre anzutun.
Es muß deshalb bei der heutigen Rede des Herrn Bundeskanzlers um mehr gehen als um die Erklärung irgendeiner Zeitungsagentur. Und es geht tatsächlich um mehr, meine Damen und Herren! Es beginnt im deutschen Volk zu dämmern, daß die Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers gescheitert ist.
Danken wir dem Herrgott dafür, daß uns diese Erkenntnis nicht nach einem Schicksal wie dem des koreanischen Volkes zum Bewußtsein kommt! In der Rolle eines Syngman Rhee möchte ich den deutschen Bundeskanzler nicht wiederfinden.
Es geht in der deutschen Außenpolitik, gleichgültig wie der Bundeskanzler heißen mag, um die zentrale Frage der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands.
Aber einen durchführbaren Vorschlag für diese friedliche Wiedervereinigung haben wir auch heute in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers nicht gehört. Eine Bundesregierung, deren Politik darauf eingestellt ist, daß ein wiedervereinigtes Deutschland insgesamt in den westlichen Militärblock eingefügt werden soll, hat nicht begriffen, wie wenig möglich das ist angesichts der geographischen Lage Deutschlands in Mitteleuropa und bei dem Spannungsverhältnis zwischen Amerika und Rußland. Diese Politik der Bundesregierung ist angesichts der Tatsache, daß Rußland die Ostzone mit 20 Millionen Menschen auf Grund der Politik der vier Siegerstaaten von 1945 als Faustpfand hat, eine Politik der Illusion, die nicht zu einer Wiedervereinigung Deutschlands führen wird. So viel politische Realität sollte man dem Herrn Bundeskanzler doch zutrauen, daß er nicht annimmt, die Russen würden auf friedlichem Wege die Ostzone räumen, um damit die Deutschen der Ostzone für die westeuropäische und amerikanische Aufrüstung freizugeben.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, mit dieser Marschroute Ihrer bisherigen Politik den Herrn Ministerialdirektor Blankenhorn nach Washington und Paris geschickt haben, wäre das Reisegeld besser eingespart geblieben. Denn mit dieser Politik der unerfüllbaren Voraussetzungen werden Sie scheitern. Auf dieser Basis wird es weder zu Verhandlungen noch zu einer friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands kommen.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, einen Beitrag Deutschlands im Namen des deutschen Volkes an die Bermüda-Konferenz richten wollen, dann muß er in der Betonung liegen, wie sehr Deutschland eine Kernfrage im Ost-West-Konflikt wie auf dem Wege zu einer friedlichen Gestaltung Europas ist. Es muß zu Verhandlungen der vier Mächte kommen, weil sonst die friedliche Lösung der deutschen Einheit in Frage gestellt wird. Aber Sie sollten, Herr Bundeskanzler, erkennen, daß eine Lösung der deutschen Frage von der Basis ausgehen wird, die unserem eigenen Sicherheitsbedürfnis wie dem unserer Nachbarn Rechnung trägt. In London haben Sie, Herr Bundeskanzler, nach Zeitungsnachrichten in Verbindung mit der Rede Churchills erklärt, man müsse den Russen die Furcht vor Deutschland nehmen. Ihre bisherige Politik, nämlich von den Russen zu erwarten, sie würden der Wiedervereinigung Deutschlands zustimmen mit dem Preis, daß Sie das wiedervereinigte Deutschland in die EVG einbringen, scheint mir kein gangbarer Weg zu sein, den Russen die Furcht zu nehmen.
Es werden sich auf dem Verhandlungswege bei beiderseitigem guten Willen zweifellos eine Reihe von Möglichkeiten ergeben können, ein System kollektiver Sicherheit zu erreichen, das sowohl den Interessen Deutschlands als auch denen der vier Mächte gerecht wird. Darum liegt es im Interesse Deutschands — insbesondere aber auch der Menschen in der Ostzone —, daß es zu Verhandlungen kommt und daß diese Chance jetzt nicht mehr verspielt wird. Wir stehen vor einer neuen internationalen Lage. Heute verfolgt jede Nation bei allem Bekenntnis zur gemeinsamen Sache ihre eigenen Lebensinteressen. Es ist deshalb notwendig, daß die Bundesregierung mit eigenen realistischen Vorschlägen hervortritt, und dies um so mehr, als ihre bisherige Westpolitik mit ihrem Vertragssystem nicht in der Lage ist und auch nicht sein wird, die deutsche Einheit wie die europäische Einheit tatsächlich zu verwirklichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die derzeitige Erschwerung der außenpolitischen Situation, die sich ja nicht nur auf Deutschland, sondern auf ganz Europa erstreckt, hat ihre Ursache darin, daß gewisse nationalistische,
isolationistische und neutralistische Strömungen, die bereits zurückgedrängt waren, wieder stärker ins politische Leben eingreifen. Dadurch ergibt sich die vom Bundeskanzler beklagte Unklarheit, die ihren Kulminationspunkt in der völligen Ungewißheit über Rußland findet. Möglicherweise sind in Rußland ebenso jene nationalistischen und egoistischen Kräfte im Vordringen, die wir auch in anderen Ländern am Werk sehen. Es handelt sich zumindest im Westen durchaus nicht um Felswände, die die Nationen innerhalb und voneinander trennen, sondern um Hürden, die auf dem Wege zu einem Ausgleich durchaus überwunden werden können. Aber heute besteht mehr denn je die Gefahr, daß das Rennen vor den letzten Hürden aufgegeben wird und daß die Pferde kopfscheu werden.
Wenn die fünf Punkte — ich kürze sie im Wortlaut —: freie Wahlen in Gesamtdeutschland, eine gesamtdeutsche Regierung, ein Friedensvertrag, Regelung der Grenzen in einem Friedensvertrag und Verhandlungsfreiheit einer deutschen Regierung mit anderen Staaten, als verbindliche Ziele der deutschen Außenpolitik bestehenbleiben und auch von den anderen Mächten anerkannt und gefördert werden, könnte im übrigen in Einzelheiten eine Verständigung möglich sein. Wir sehen in der Außenpolitik der Regierung ein Streben in dieser Richtung und halten ebenso an der europäischen Integration fest. Wir betonen die Notwendigkeit, Deutsche über deutsche Fragen mitbestimmen zu lassen. Als dem ganzen deutschen Volk verantwortliche Abgeordnete lehnen wir jedes Verbiegen außenpolitischer Stellungnahmen nach innenpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen und Machtverhältnissen ab.
Wir meinen, daß alle Abgeordneten hier an einem Strang ziehen könnten, unabhängig davon, ob sie in der Regierungskoalition stehen oder nicht. Hierzu kann jeder einzelne Abgeordnete viel beitragen. Wir wollen das Unsere dazu tun, denn wir sind der Ansicht, daß die deutsche Außenpolitik nicht nur die Politik einer Person oder einer parlamentarischen Gruppe sein, sondern vom Vertrauen des gesamtdeutschen Volkes getragen werden sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf zwei kurze Bemerkungen beschränken und nicht auf die Aussprache eingehen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erwiderung auf meine Ausführungen erklärt, daß er nach wie vor über die Haltung der Sozialdemokratie in bezug auf das Potsdamer Abkommen in Unklarheit sei. Ich möchte deshalb hier noch einmal feststellen, was ich heute nachmittag in meiner Rede gesagt habe: Kein Sozialdemokrat hat sich an irgendeiner Stelle und zu irgendeinem Zeitpunkt zu dem materiellen Inhalt des Potsdamer Abkommens bekannt. Wir sehen auch in diesem Potsdamer Abkommen keine Basis für die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Wir haben lediglich den Standpunkt herausgestellt, daß wir im Potsdamer Abkommen die einzig mögliche Handhabe sehen, um die vier Besatzungsmächte zu einem Gespräch über die deutsche Frage zu bringen. Ich habe mich in diesem Zusammenhang voll mit dem Inhalt der Begründung der Bundesregierung zu diesem Punkte im Generalvertrag identifiziert. Ich habe davon nichts abzuschreiben. Aber ich halte diese Feststellung für wichtig, damit in der weiteren Diskussion nicht dauernd mit einer' Vermengung von zwei völlig verschiedenen Tatsachen operiert wird.
Um dem Herrn Bundeskanzler zu helfen, seine Unklarheit in bezug auf diesen Punkt zu überwinden, möchte ich hier noch einmal ausdrücklich feststellen: Die Sozialdemokratie sieht im materiellen Inhalt des Potsdamer Abkommens keine Basis für die deutsche Politik in der Frage der deutschen Einheit.
Ich möchte hinzufügen: Wer nach dieser Erklärung andere Behauptungen über die Haltung der Sozialdemokratie in diesem Punkte aufstellt, handelt wider besseres Wissen.
Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die Entschließung, die Herr Kollege von Brentano für einen Teil der Regierungsparteien hier vorgelegt hat.
— Für alle, Pardon! Ich freue mich, daß sie wenigstens in diesem Punkte wieder einig sind.
Was in diesen Entschließungen steht, sind Feststellungen, die in den vergangenen Diskussionen gemeinsam von der Koalition und von der Sozialdemokratie getroffen worden sind. Die Sozialdemokratische Partei sieht nicht den geringsten Anlaß, von den Beschlüssen, die hier zitiert und die mit ihrer Zustimmung gefaßt worden sind, abzugehen. Wir sind der Meinung, daß es sich hier um die Feststellung einer Selbstverständlichkeit handelt. Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie Wert darauf legen, diese Selbstverständlichkeiten noch einmal in einer Entschließung zu bekräftigen, dann sehen wir keinen Grund. Sie daran zu hindern. Ich möchte, um jedes Mißverständnis zu vermeiden, nur hinzufügen: wir nehmen die Entschließung so, wie sie ist. Gewisse Interpretationen, die der Herr Kollege von Merkatz in bezug auf den Punkt 5 gegeben hat. betrachten wir in keiner Weise als verbindlich. Wir werden bei der nächsten außenpolitischen Debatte auf diesen Punkt zurückkommen.
Im übrigen möchte ich noch folgendes sagen. Wenn wir dieser Entschließung zustimmen. weil es keinen sachlichen Einwand gegen diese Punkte gibt, die wir längst beschlossen haben. so liegt darin in keiner Weise irgendeine Erklärung der Sozialdemokratie, daß sie von dem Verlauf der heutigen Debatte und insbesondere von den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers befriedigt sei.
Im Gegenteil, wir müssen hier in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, daß wir nach wie vor die größten Vorbehalte und Bedenken gegenüber der gegenwärtigen Aktivität der Regierung haben.
Das nächste, was ich sagen möchte, ist dies. Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie diese Entschließung annehmen und auch wir ihr zustimmen, können Sie nicht davon ausgehen, daß die Sozialdemokratie darin etwa eine Antwort des
Bundestags auf die jetzt gegebene internationale Situation sieht.
Hier kommt es darauf an, daß der Bundestag seinen Willen in bezug auf die konkreten Schritte, die im Hinblick auf die Bermuda-Konferenz, im Hinblick auf eine mögliche Viermächte-Konferenz und auf Verhandlungen der vier Hohen Kommissare unternommen werden, deklariert.
Auf diese Punkte geben Sie keine Antwort. Wir werden aber im Zusammenhang mit der Debatte über unseren Antrag diese konkreten Fragen erneut zur Sprache bringen. Dann wird der Bundestag vor der Frage stehen, ob er auf die Dinge, die uns heute bewegen und interessieren, eine eindeutige, positive Antwort in der Richtung einer Förderung von Verhandlungen über die Wiederherstellung der deutschen Einheit zu geben bereit ist.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung.
— Herr Abgeordneter Rische, zur Abstimmung wollen Sie das Wort?
— Ja, bitte schön.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion
hat der bekannten Entschließung des Bundestags über eine Initiative zum Zustandekommen einer Viererkonferenz damals ihre Zustimmung gegeben. Heute haben wir aus dem Munde des Herrn Merkatz wiederum gehört, in welcher Art bestimmten Entschließungen des Bundestages für eine Entspannung der internationalen Lage ein chauvinistischer Inhalt gegeben werden soll.
Herr Abgeordneter Rische, keine weitere Debattenrede!
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, hat sich die kommunistische Fraktion
entschlossen, der vorgelegten Entschließung ihre Zustimmung nicht zu geben.
Sie wird sich der Stimme enthalten.
Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag ist vom Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano vorgetragen worden. Daß es in dem Text „Vereinigte Staaten von Amerika" und nicht „.... Nordamerika" heißen muß, ist ihnen dabei zweifellos aufgefallen. Ich brauche das nicht ausdrücklich zu berichtigen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag bei zehn Enthaltungen, im übrigen einstimmig angenommen worden ist.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir das Recht, zum ersten Punkt der Tagesordnung zu kommen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes ;
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung . (Erste Beratung: 83. und 236. Sitzung; zweite Beratung: 265. Sitzung.)
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Gesamtredezeit von 60 Minuten in der allgemeinen Aussprache der dritten Beratung vor.
Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob die sozialdemokratische Fraktion in der Lage sein wird, dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz zuzustimmen, wird davon abhängen, welche Gestalt das Gesetz in der dritten Lesung nehmen wird. Unabhängig davon, welches Ergebnis die Abstimmungen haben, muß sich unsere Kritik gegen die gesetzgeberische Methode richten. Bereits die Tatsache, daß bei einem Gesetz dieser Art Fragen der Formulierung in das Plenum gebracht werden mußten, beweist doch, daß dieses Gesetz unausgereift ist und daß es nicht gut sein kann, in der fieberhaften Arbeit kurz vor Toresschluß der Legislaturperiode noch sozusagen es zu „erledigen". Wir halten dieses Gesetz nach wie vor nicht für besonders dringlich und bedauern, daß seine Beratung den Zeitmangel des Rechtsausschusses noch verschlimmert hat und für so unbedingt eilbedürftige Gesetze wie das Familienrechtsgesetz und vor allem das Bundesentschädigungsgesetz einen Zeitverlust verschuldete, der nicht wieder einzuholen sein wird. Schon heute läßt sich voraussehen, daß der Rechtsausschuß, und zwar infolge des Drängens der Bundesregierung auf Verabschiedung der von ihr bevorzugten Vorlagen, mit teils älteren, teils ungleich wichtigeren Gesetzen und Anträgen nicht mehr fertig werden wird.
In der Verhandlung über unsere Geschäftsordnung vor dem Bundesverfassungsgericht hat der Herr Präsident des Bundestags auf Befragen erklärt, daß eine sogenannte Beerdigung von Vorlagen in einem Ausschuß unzulässig sei, daß jeder Ausschuß vielmehr die Pflicht habe, die ihm überwiesenen Vorlagen unverzüglich zu bearbeiten und dem Plenum wieder zuzuleiten. Im Rechtsausschuß aber sind leider eine ganze Reihe von Anträgen begraben worden, so z. B. unsere Anträge auf Grund der Untersuchung über die Vorfälle bei der Wahl der vorläufigen Bundeshauptstadt, aber auch das Familienrechtsgesetz, und das Bundesentschädigungsgesetz ist vom Begräbnis bedroht.
Wir erheben Bedenken nicht nur dagegen, daß dieses Dritte Strafrechtsänderungsgesetz zu einem ungeeigneten Zeitpunkt verabschiedet werden soll, sondern wir mißbilligen auch, daß ohne jede sinn-
volle Systematik einzelne Änderungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht vorweggenommen werden sollen. Die Einheitlichkeit der großen Justizgesetze ist in ihrem unlösbaren Sinnzusammenhang ein unschätzbar wertvolles Erbe, weshalb man sich hüten sollte, durch eine Gelegenheitsgesetzgebung vereinzelte Abänderungen durchzuführen oder neue und fragwürdige Bestimmungen einzufügen.
Gewiß beruht die Neufassung des § 56 des Strafgesetzbuches auf einem Entwurf von Gustav Radbruch und bedeutet eine konsequentere Durchführung des Schuldprinzips. Eine strafbare Handlung soll wegen der von ihr verursachten Folgen nur unter der Voraussetzung strenger bestraft werden können, falls der Täter auch diese Folgen hätte voraussehen müssen; also insoweit fahrlässiges Verhalten. Das klingt schon sehr einleuchtend. Aber ich frage mich, ob es nicht auch Überspitzungen des Schuldprinzips geben kann, und keineswegs läßt sich die Gefahr leugnen, daß eine Diskrepanz zu den Delikten eintreten wird, deren Strafbarkeit durch ihre Folgen oder andere objektive Umstände nicht erhöht, sondern überhaupt erst begründet wird, aber bei denen trotzdem diese Bedingungen der Strafbarkeit nicht verschuldet zu sein brauchen.
Wir müssen uns also für später eine Überprüfung im größeren Rahmen vorbehalten; denn unsere Warnung vor vermeintlichen Ausbesserungen an Einzelvorschriften der großen Justizgesetze erwächst gerade aus der grundsätzlichen Einsicht, daß eine umfassende Rechtsreform notwendig, aber auch als organische Einheit zu erarbeiten ist. Diese Rechtsreform muß zugleich das Fundament für die Neuordnung der Rechtspflege durch das so dringliche Richtergesetz bilden, das in einem sinnvollen Zusammenhang mit der Gerichtsverfassung und dem Gerichtsverfahren zu verbinden ist. Diese Aufgabe wird leider nur erschwert und verzögert, wenn man hier und da planlos einzelne Änderungen improvisiert, anstatt unverzüglich an das Ganze heranzugehen.
Meine Fraktion hatte frühzeitig beantragt, eine unabhängige Kommission aus Wissenschaftlern, Richtern und Anwälten einzusetzen, um wenigstens die Strafrechtsreform so vorzubereiten, wie es diesem ersten Bundestag und in seiner Anlaufszeit auch dem Bundesjustizministerium einfach nicht möglich war. Leider hat damals die Mehrheit unseren Antrag abgelehnt, weil der Herr Bundesjustizminister sagte, daß sein Ministerium allein dazu imstande sei. So haben wir kostbare Zeit verloren und müssen uns heute mit einer provisorischen Improvisation beschäftigen, die viele Wünsche offenläßt, bei der es jedoch sinnlos wäre, ein solches Gelegenheitsgesetz mit noch weiteren Einzelheiten zu überladen.
Ich erkläre aber ausdrücklich, daß wir sowohl bereits Grundsatzforderungen für die kommende Rechtsreform vorbereiten als auch in den einzelnen Fragen eine Reihe jetzt noch zurückgestellter Anliegen haben; etwa, daß künftig über die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens nicht die gleichen Richter, die das Urteil sprachen, zur Entscheidung berufen sein dürfen — ich erinnere an den Fall Burkert in Bayern —, oder daß es sich von selbst verstehen sollte, einem Bürger, der angeklagt war, in jedem Fall eine Ausfertigung der Urteilsgründe zuzustellen.
Im einzelnen sind unsere Bedenken gegen den neuen § 93 des Strafgesetzbuches bereits bekannt. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, den ich berichtigen darf. Er ist gegenwärtig so abgefaßt, daß eingefügt werden soll: „zur Untergrabung der demokratischen Freiheit". Aber da der Begriff des „Untergrabens" später erneut in demselben Paragraphen vorkommt, bitte ich, das Wort „Untergrabung" zu ersetzen durch das Wort „Unterdrückung". Es soll also eingefügt werden: „zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit". Die Abwehr von Angriffen auf die Demokratie ist ein gemeinsames Anliegen aller Demokraten. Aber diese Abwehr droht dort ihren Sinn zu verlieren, wo wir in die Gefahr geraten, vor lauter Abwehr selbst die Grundsätze einer rechtsstaatlichen Demokratie preiszugeben. Je unbestimmter der Tatbestand eines Strafgesetzes wird, um so mehr wächst auch die Möglichkeit seines Mißbrauchs. Dabei braucht es sich nicht erst um eine Fehlentwicklung in der Rechtsprechung zu handeln, für die zuweilen der Gesetzgeber mehr verantwortlich ist als der Richter, sondern es kann schon Unheil angerichtet werden, wenn die Exekutive mit politisch gefärbten Gesetzen auf ihre Weise umgeht. Der Qualm, den infolge von Verwaltungsmaßnahmen jüngst der „Vulkan" ausspie, hatte einen peinlichen Geruch, und gerade, ich glaube, wir sollten uns auf das äußerste hüten, aus Ermittlungen, die allein dem Recht zu dienen haben, politische Sensationen und politische Effekte herauszuholen.
Eine Untergrabung droht unserer Demokratie auch nicht allein von den Kommunisten. Es häufen sich vielmehr in letzter Zeit die Publikationen einer antisemitischen Hetze, die sowohl unserem Grundgesetz zuwiderläuft als auch in der Weltöffentlichkeit uns empfindlich schädigt. Darüber wird bei nächster Gelegenheit noch ein sehr deutliches Wort zu sagen sein.
Um heute nicht wieder eine zu breite Debatte zu entfesseln, haben wir uns bemüht, unsere praktische Kritik auf nur vier Abänderungsanträge zu beschränken. Über die Notwendigkeit, den Streit um die Landtagsimmunität gesetzgeberisch zu entscheiden, wird mein Fraktionskollege Brill bei der Einzelberatung sprechen. Die übrigen Anträge darf ich gleich kurz vorweg begründen.
Ich bitte Sie nochmals darum, den Richter vor dem Schein der Parteilichkeit zu bewahren und dem Verurteilten die Wahl zu überlassen, welcher Einrichtung er seine Buße entrichten will. Nach
19 a des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 in der Fassung des Art. II des Abänderungsgesetzes. das dieser Bundestag in seiner 257. Sitzung am 25. März verabschiedet hat, regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats, was unter gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken zu verstehen ist. An diese Begriffsbestimmung knüpft unser Änderungsantrag an. Bitte, sagen Sie auch nicht, man könne einem Verurteilten keine Rechte einräumen. Ist es denn nicht gerade das Siegel einer rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit, daß auch der Verurteilte doch Mensch und als Person weiterhin Subjekt von Rechten bleibt?
Nun zu § 104 a des Strafgesetzbuches. Sie haben in der zweiten Lesung dieses Gesetzes darauf bestanden. die strafrechtlichen Privilegien ausländischer Staatsoberhäupter durch § 103 wieder einzuführen. Da es sich hierbei um einen überlieferten und im Prinzip guten Brauch handelt, wollen wir unsere aus der Ungleichheit zwischen Demokratien und Diktaturen hergeleiteten Bedenken zurückstellen. Wir halten es aber andererseits geboten. die Vorschrift des § 104 des Strafgesetzbuches, den
Schutz ausländischer Flaggen, wirksamer zu gestalten, also nicht die Voraussetzungen des § 104 a zum Hemmschuh zu machen. Nach § 104 des Strafgesetzbuches werden allein solche Flaggen geschützt, die auf Grund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigt werden. Diese Rechtsvorschriften oder dieser anerkannte Brauch müssen also genügen, um auch das Einschreiten der für die Strafverfolgung zuständigen Behörden zu legitimieren. Erst noch eine Ermächtigung der Bundesregierung herbeiführen und sogar das Strafverlangen der ausländischen Regierung abwarten zu müssen, erscheint uns eine nicht nur entbehrliche, sondern sogar gefährliche Verzögerung des Verfahrens, die zu Mißdeutungen in der Weltöffentlichkeit führen könnte.
Nicht von meiner Fraktion, sondern von der FDP bzw. aus der Koalition ist auf den Umdrucken Nrn. 937 und 939 wiederum der Antrag eingebracht worden, auch den Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern und Steuerberatern eine strafrechtlich gesicherte Verschwiegenheitspflicht aufzuerlegen und dementsprechend eine Befugnis zur Aussageverweigerung zu gewähren. Der Ausschuß hatte diese Frage nur zurückgestellt, weil sie noch unreif erschien, solange das Berufsrecht durch Bundesgesetze nicht abschließend geregelt ist. Gleichwohl dann solche Entscheidungen im Plenum zu treffen, ist ein zweifelhaftes Unterfangen und beleuchtet die Improvisation des ganzen Gesetzes. Die jetzt angestrebte Plenarabstimmung gibt dagegen unserer Entschließung ein anderes Gewicht, als es das bloße Zurückstellen gehabt hätte. Was der Ausschuß nur als Zurückstellung wollte, würde jetzt als die volle Ablehnung erscheinen. Das entspricht aber nicht ohne weiteres unseren Absichten. Nur werden wir
in einem positiven Abstimmungsergebnis auch lediglich ein Provisorium sehen können und daran die Erwartung knüpfen müssen, daß die bundesgesetzliche Regelung des Berufsrechts dieser Gruppen alsbald nachfolgt.
Wo und wie man sich mit diesem Gesetz auch beschäftigt: es bleibt leider eine Halbheit. Wir sollten unsere Energie einer umfassenden und organischen Rechtsreform zuwenden.
Bei dem Wort „Energie" habe ich noch eine kleine letzte Bitte. In Art. 1 Ziffer 28 des § 248 e wird dreimal von „Kraft" gesprochen, während es physikalisch richtiger und der internationalen Ausdrucksweise entsprechend „Energie" heißen muß. Deshalb beantragen wir auch diese Änderung in „Energie". Vielleicht erweist sich das als ein gutes Omen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz bezweckt eine technische Generalrevision und eine sachliche Bereinigung des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Aber es erstrebt keineswegs schon jetzt die Vornahme der großen Strafrechtsreform. Die Arbeiten, die wir im Rechtsausschuß vorgenommen haben, um dieses Gesetz zu fördern, waren aber notwendig, um diese große Strafrechtsreform, die dem nächsten Bundestag vorbehalten sein soll, vorzubereiten. Ich bin nicht der Auffassung des Herrn Kollegen Arndt, daß dieses Gesetz nicht vordringlich gewesen sei. Das Gesetz bildet den Abschluß einer Kette von gesetzgeberischen Maßnahmen, die durch das Gesetz über die Rechtseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Verfahrens-, des Strafverfahrens- und des Kostenrechts eingeleitet, durch das Erste und Zweite Strafrechtsänderungsgesetz fortgesetzt worden sind und die durch das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten und durch die Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes ausgedehnt und erweitert werden sollten.Das nationalsozialistische Regime hat das deutsche Strafrecht in einem Zustand der Verwirrung und der Unordnung zurückgelassen. Es war notwendig, hier eine Bereinigung durchzuführen. Mit Schrecken erinnere ich mich noch an Ausgaben des Strafgesetzbuches, die nach der Beendigung des Krieges erschienen sind und aus denen die völlige Unklarheit und Verwüstung der Texte hervorgingen, Ausgaben, in denen mehrere möglicherweise denkbare Texte nebeneinandergereiht waren, wobei es dem Richter überlassen war, zu entscheiden, welcher Text nun der allein maßgebende sein sollte. Dies ist heute nicht mehr möglich. Es ist aber notwendig, den Schlußstein auf dieses Werk der Bereinigung zu setzen.Ich möchte mich auf wenige Bemerkungen zu einzelnen Fragen beschränken. Es ist erfreulich, daß ein Residuum der Kulturkampfzeit, der berüchtigte Kanzelparagraph, aufgehoben warden ist. Der Herr Sprecher der SPD-Fraktion hat bei der zweiten Lesung der Streichung dieser Bestimmung seine Zustimmung erteilt, und er hat Gründe angegeben, deren Kenntnis ich überall verbreitet wissen möchte. Er hat von dem geläuterten Verhältnis zwischen Staat und Kirche gesprochen. Niemand würde ein solches geläutertes Verhältnis mehr begrüßen als wir, und wir wünschen auch, daß dieses geläuterte Verhältnis nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern in der ganzen Bundesrepublik und in allen ihren Ländern Gemeinüberzeugung aller Parteien würde. Wer die Zeit der nationalsozialistischen Jahre miterlebt hat, hat die Erfahrung gemacht, daß die Kirche dann nicht schweigen konnte und durfte, wenn der Staat seine Macht mißbrauchte. Wenn in diesen Fällen die Kirche warnend ihre Stimme erhoben hat, während die meisten anderen zum Schweigen verurteilt waren, so konnte in dieser Rede der Kirche niemals ein Mißbrauch der Kanzel erblickt werden.Eine zweite Bemerkung möchte ich zu der von Herrn Kollegen Arndt angeschnittenen Frage der Gestaltung des § 93 unserer Vorlage machen. Wir haben im Ersten Strafrechtsänderungsgesetz eine Bestimmung eingefügt, durch die die Einfuhr verfassungsverräterischen Druckmaterials unter Strafe gestellt wurde. Es hat sich die Notwendigkeit ergeben, nicht nur die Einfuhr, sondern auch die Herstellung dieses Materials in der Bundesrepublik zu bestrafen. Durch diese Strafdrohung soll in keiner Weise die Gefahr begründet werden, daß Bestrebungen, die sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Grundordnung halten, bestraft werden, wenn sie mit legalen Mitteln lediglich gewisse Gewichtsverschiebungen verfolgen, die mit der Grundstruktur der Bundesrepublik vereinbar sind. Jede Verfassung stellt ein labiles Gleichgewicht wirksamer Kräfte und Gewalten dar. Wer auf legalem Wege im Rahmen der demokratischen Struktur unseres Landes gewisse Verschiebungen erstrebt, soll durch dieses Gesetz keineswegs getroffen werden. Wir haben daher kein Bedenken dagegen, daß die Worte ,.zur Untergrabung der demokratischen Freiheit" oder, wie es jetzt heißen soll, „zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit" in den Text eingefügt werden. Ich selbst hätte dem
Ausdruck „Untergrabung" den Vorzug gegeben, weil er mir plastischer zu sein scheint. Wir kommen aber gern dem Wunsch entgegen, die Formulierung „Unterdrückung" zu akzeptieren.Eine dritte Bemerkung betrifft die Frage der Gleichbehandlung der Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer und Steuerberater mit den Ärzten, Rechtsanwälten und Seelsorgern auf dem Gebiet der Geheimniswahrung. Es ist selbstverständlich, daß, wenn gewisse Berufsstände im Strafgesetzbuch privilegiert werden — und es handelt sich ja hierbei um eine Privilegierung —, dem Recht der Zeugnisverweigerung bezüglich eines Geheimnisses einerseits andererseits die Verpflichtung entsprechen muß, das anvertraute Geheimnis zu wahren. Wenn infolgedessen postuliert wird — und zwei Anträge zielen darauf hin —, entgegen dem einstimmig gefaßten Votum des Rechtsausschusses schon jetzt eine Ausdehnung des Geheimnisschutzes auf die Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer, der Steuerberater und der Buchprüfer vorzunehmen, so ist es eine Selbstverständlichkeit, daß sich diese Gleichstellung nicht nur auf das Vorrecht der Zeugnisverweigerung, sondern zugleich auch auf die Pflicht, das Geheimnis zu wahren, erstrecken muß.Ich möchte für meine Person jedoch an der Auffassung des Rechtsausschusses festhalten, daß es richtig sei, die Regelung dieser Frage zurückzustellen. Die Privilegierung von Berufsständen auf dem Gebiete der Geheimniswahrung ist nur dann vertretbar und angebracht, wenn Vorsorge dafür getroffen worden ist, daß der fragliche Berufsstand eine eigene, gesetzlich geregelte, feste Berufsorganisation besitzt und daß diese Berufsregelung auch ein auf gesetzliche Basis gegründetes Ehrengerichtsverfahren und Disziplinarverfahren vorsieht. Der Rechtsausschuß hat sich bemüht, darüber Klarheit zu schaffen, in welcher Weise die drei genannten Berufsstände schon jetzt diesen Anforderungen gerecht werden. Dabei hat sich ein außerordentlich uneinheitliches und sehr unübersichtliches Bild ergeben. Andererseits ist bekannt, daß die Bemühungen zur Schaffung eines Berufsrechtes dieser drei Berufssstände schon weit gediehen sind und daß der neue Bundestag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Regelung dieses Berufsrechtes vornehmen wird.Ich bin daher der Auffassung, daß es richtig wäre, zunächst abzuwarten, bis das neue Berufsrecht geschaffen ist, und erst dann die endgültige Entscheidung über die Privilegierung dieser drei Berufsstände zu treffen. Das bedeutet keineswegs eine Ablehnung der Wünsche dieser Berufsstände, die wir als legitim ansehen möchten, sondern nur eine Zurückstellung, bis die äußeren Voraussetzungen für die Durchführung dieser Privilegierung geschaffen sind.Ich darf mir gestatten, noch in wenigen Worten auf die Änderungswünsche einzugehen, die seitens des Herrn Sprechers der SPD zu einigen anderen Stellen des Gesetzes geäußert worden sind. Das Gesetz hat eine Regelung der bedingten Strafaussetzung und auch der bedingten Strafentlassung gebracht. Es hat bestimmt, daß die bedingte Strafaussetzung unter Auflagen erfolgen und daß eine dieser Auflagen zum Inhalt haben kann, daß der aus der Strafhaft vorzeitig zu Entlassende eine Geldzahlung leistet. Von den Herren Antragstellern wird nun vorgeschlagen, dem Verurteilten ein Wahlrecht darüber zu geben, zugunsten welcher als mildtätig anerkannten Einrichtung der freienWohlfahrts- oder Krankenpflege diese Geldleistung erbracht werden soll. Der Vorschlag enthält in zweierlei Hinsicht eine Abweichung von dem jetzigen Text des Gesetzes, einmal durch die Einräumung des Wahlrechtes und zweitens durch die Begrenzung derjenigen Stellen, die als Empfänger der Geldleistung bezeichnet werden sollen. Der Antrag der SPD schließt sich hierbei der Formulierung des Steueranpassungsgesetzes an. Ich bin der Meinung, daß es nicht notwendig ist, hierbei von der Formulierung des Steuergesetzes auszugehen, und daß der Kreis der Organisationen, die als empfangsberechtigt bezeichnet werden sollen, zu eng gefaßt würde, wenn man sich auf diese als mildtätig anerkannten Einrichtungen der freien Wohlfahrts- oder Krankenpflege beschränken und die übrigen gemeinnützigen Einrichtungen ausschalten wollte. Darüber hinaus bin ich aber auch der Meinung, daß es zum Wesen des Strafrechts und seiner Systematik gehört, daß dem Verurteilten — man kann sagen: leider — zum Zwecke seiner Umerziehung ein Übel auferlegt werden muß, über dessen Auswahl er nicht selber zu entscheiden hat. Es gibt in Romanen zahlreiche Geschichten darüber, wie einem Verurteilten die Wahl zwischen verschiedenen Vollstreckungsmöglichkeiten überlassen bleibt. Aber es scheint mir dem Sinn des Strafrechts zu widersprechen, wenn man hier dem Verurteilten das Recht der Wahlfreiheit gibt. Die Strafe, auch dann, wenn sie durch eine aufzuerlegende Geldleistung ersetzt wird, ist ein von außen kommendes, durch die staatliche Autorität zu verhängendes Übel. Mit dieser Systematik scheint es mir nicht vereinbar zu sein, wenn man in diesen autoritär gelenkten Strafmechanismus die Entscheidungsfreiheit des Verurteilten einfügen wollte. Aus diesem Grunde trage ich Bedenken, diesem Antrag Folge zu leisten.Ein letzter Antrag der SPD behandelt den § 104 des Strafgesetzbuches. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Flaggenschutz. Im Entwurf der Regierung, auch in dem des Ausschusses, ist vorgeschlagen warden, daß Flaggendelikte nur unter den Bedingungen des § 104 a verfolgt werden sollen, genau wie alle anderen strafbaren Handlungen gegen ausländische Staaten. Diese erschwerenden Bedingungen bestehen darin, daß eine Verfolgung nur dann stattfinden soll, wenn die Bundesrepublik zu dem andern Staat diplomatische Beziehungen unterhält, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist, wenn ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung hierzu gibt. Seitens der Herren Antragsteller bestehen offenbar keine Bedenken dagegen, daß diese erschwerenden Bedingungen in den anderen Fällen der Handlungen gegen ausländische Staaten Platz greifen sollen. Die Bedenken erstrecken sich lediglich auf die Frage des Flaggenschutzes. Aber bei den Fragen des Flaggenschutzes scheint es mir eine sehr wesentliche Voraussetzung zu sein, daß beispielsweise die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Ich glaube, daß auch hier die Entscheidung der Regierungsstellen darüber, ob eine Strafverfolgung stattfinden soll oder nicht, gleichfalls als opportun angesehen werden soll. Die Aufrechterhaltung dieser Bestimmung des § 104 a würde in keiner Weise hindern, daß vorläufige Maßnahmen der Polizeibehörden gegen den Täter ergriffen werden können, auch dann nicht, wenn die richterliche Strafverfolgung erst zu einem späteren Zeitpunkt Platz greifen kann, falls die anderen Voraussetzungen gegeben sind. Es würde nichts im Wege stehen, daß beispielsweise eine vor-
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13268 Deutscher Bundestag — 260. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Juni 1953
läufige Festnahme erfolgen könnte. Die Einführung dieser Bestimmung würde daher nicht zu praktischen Schwierigkeiten führen. Auf der andern Seite scheint es nicht richtig zu sein, von dem Grundprinzip der Verbürgung der Gegenseitigkeit beim Flaggenschutz abzuweichen.Damit dürften wohl die verschiedenen Änderungsvorschläge behandelt worden sein. Über die Frage der Immunitätsausdehnung wird nachher noch Herr Geheimrat Laforet sprechen.Wenn ich mit einigen letzten Worten auf die Bedeutung dieses Gesetzeswerks zu sprechen komme, so erblicke ich sie darin, daß Schutt und Trümmer, die durch die Jahre des nationalsozialistischen Regimes, durch die Kriegs- und Nachkriegszeit sich angesammelt haben, nunmehr weggeräumt werden. Das Gesetz enthält eine Enttrümmerung; es enthält noch nicht den Neubau eines Gebäudes. Diesen Neubau kann erst die große Strafrechtsreform leisten. Aber diese Schuttbeseitigung ist notwendig, um den künftigen Neubau aufführen zu können. Die Bundesregierung hat die große Strafrechtsreform als ihr Nahziel erkannt. Sie hat Maßnahmen ergriffen, Wissenschaft und Praxis zu vereinen, um in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags dieses große Ziel zu erreichen. Sie hat eine Reihe von wissenschaftlichen Gutachten in Auftrag gegeben. Sie hat unter anderem, was ich besonders begrüßen möchte, das Freiburger Institut für deutsches und internationales Strafrecht mit einer Reihe von rechtsvergleichenden Untersuchungen beauftragt. Ich möchte hier meinem tiefen Bedauern darüber Ausdruck geben, daß ein tragisches Geschick den verdienten Leiter dieses Instituts, Herrn Professor Schönke, vorzeitig aus dem Leben gerissen hat. So viel Wissen, so viel Kenntnis, so viel Einsicht ist mit diesem Leben dahingegangen und der Dienstbarmachung für die Strafrechtsreform entzogen worden. Aber das Unternehmen wird und muß weitergeführt werden. Das jetzige Gesetz hat unser Strafrecht endgültig von den Schlacken des Nationalsozialismus befreit und seinen Anschluß sowie seine Anpassung an den demokratischen Grundcharakter unserer Bundesrepublik vollzogen. Denjenigen aber, die nach uns kommen, muß es anvertraut werden, mit ihrer Einsicht, mit ihrer Entschlußkraft und auch mit ihrer Weisheit das große und nächste Ziel der Strafrechtsreform zu einem guten Ende zu führen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Es entspricht der gegenwärtigen politischen Lage wie den politischen Zielen der Bundesregierung durchaus, daß sie versucht, dieses Dritte Strafrechtsänderungsgesetz noch vor den Bundestagsneuwahlen zur Verabschiedung zu bringen. Wer einen Krieg vorbereitet und ihn durchführen will, muß zuvor das Volk knebeln, es mundtot machen, seiner demokratischen Rechte und Freiheiten berauben.
Die Verfolgungsmethoden, die mit diesem Gesetz angestrebt werden, ähneln durchaus denen, die Hitler bei der Vorbereitung seines verbrecherischen Krieges anwandte, ja sie gehen zum Teil noch darüber hinaus. Daß diese Bundesregierung und die hinter ihr stehenden reaktionären und militaristischen Kreise auf einen neuen Krieg hinsteuern,
haben sie mit der Annahme der Kriegspakte von Bonn und Paris eindeutig unter Beweis gestellt. Der Vorschlag der Regierung der Sowjetunion auf Abhaltung einer Viermächtekonferenz, die die Spannungen in der Welt beseitigen und deren besonderes Anliegen es sein soll, dem deutschen Volke seinen Anspruch auf den Friedensvertrag und die Wiederherstellung seiner Einheit zu erfüllen, hat den Bundeskanzler in die hellste Aufregung versetzt. Sein einziges Sinnen und Trachten gilt nur
— das beweist die Entsendung seiner Sonderbotschafter zu seinem Freund Eisenhower — der Torpedierung einer Viermächtekonferenz.
— Jawohl, das gehört zur Sache! Ich werde es Ihnen sofort unter Beweis stellen. — In Deutschland hat Adenauer dieselbe Rolle übernommen, die in Korea ein gewisser Syngman Rhee, ein Handlanger der amerikanischen Kriegspartei, spielt. Aber die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Westdeutschlands steht in schärfstem Gegensatz
zu der Politik der Adenauer-Regierung. Das Volk hat sich in einer gewaltigen Volksentscheidung gegen die Kriegspakte und für einen Friedensvertrag ausgesprochen.
Diese selbe Haltung bringt auch die Arbeiterschaft in ihren Streikbewegungen und bringt ferner die Sammlung der Deutschen in der großen patriotischen Bewegung zum Ausdruck.
Und als Herr Blank in Bielefeld versuchte, der Bevölkerung den Kriegskurs des Adenauer-Regimes schmackhaft zu machen, da erfuhr er von Sozialdemokraten, Jungsozialisten, Gewerkschaftlern und vielen anderen eine vernichtende Abfuhr.
Der Widerstand gegen das Adenauer-Regime wird immer stärker, und gerade deswegen versucht die Regierung, mit Hilfe dieses Terrorgesetzes diesen Widerstand zu brechen und den Kampf unseres Volkes um Frieden, Einheit und Freiheit zu knebeln.
Dieses Gesetz soll eine Regierung, die vom Volk abgelehnt wird, schützen. An einigen wichtigen Bestimmungen möchte ich den volksfeindlichen Charakter dieses Gesetzes, eines Gesetzes für die kleine Schicht von Kriegsinteressenten, von Feinden der Einheit Deutschlands, von Feinden des Friedens, der Demokratie und der Freiheit aufzeigen.
Nach der Präambel des Grundgesetzes ist das gesamte deutsche Volk aufgerufen, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Sowohl im Parlamentarischen Rat wie auch im
Bundestag — ich erinnere nur an die Ausführungen Professor Carlo Schmids bei der Beratung des
General- und des EVG-Vertrags — wurde erklärt,
daß diese Bundesrepublik nur ein Provisorium sei.
Herr Abgeordneter, Sie sind nun sehr weitgehend in der Universalgeschichte herumgefahren. Ich würde Ihnen doch empfehlen, jetzt zur Sache zu sprechen.
Aber es hängt unmittelbar zusammen.
Zusammenhängt natürlich mittelbar alles, was geschieht. Aber das Wesen der parlamentarischen Erörterung besteht darin, daß man bestimmte Punkte auf der Tagesordnung hat, auf die man sich konzentriert. Das gehört zur Ordnung des parlamentarischen Betriebs. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen.
Trotz dieser Tatsache sollen nach diesem Gesetz alle Bestrebungen auf Wiedervereinigung unseres Vaterlandes als Hochoder Landesverrat verurteilt werden.
Subjekte, die in der Sprache des Volkes als Achtgroschenjungen bezeichnet werden, sollen für ihr Denunziantentum gegen Patrioten noch belohnt, Deutsche dagegen, die eine so schmähliche Methode ablehnen, schwer bestraft werden.
Nach diesem Gesetz gilt der östliche Teil unseres Vaterlandes, die Deutsche Demokratische Republik, als Ausland. Der Haß der reaktionären Kreise Westdeutschlands gegen die beharrliche Politik der Deutschen Demokratischen Republik zur Wiedervereinigung Deutschlands und zur Erhaltung des Friedens drückt sich in diesem Gesetz so aus, daß die Einfuhr, der Besitz und die Verbreitung von Schriften aus der Deutschen Demokratischen Republik, die den genannten Zielen dienen, unter schwere Strafe gestellt werden. Dabei stellte erst kürzlich ein Gericht in der Bundesrepublik fest, daß die Verbreitung von Veröffentlichungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik nicht behindert werden darf, da die Volkskammer ein deutsches Parlament ist.
Der § 92 der Regierungsvorlage, der die Strafbestimmungen wegen Hochverrats gegen das Ausland vorsah, ist mit der bezeichnenden Begründung gestrichen worden, daß dieser Paragraph zum Schutz von nichtschützenswerten Systemen führen könnte. Auf gut deutsch heißt das, daß alle Versuche zum Sturz der demokratischen Staaten des Ostens, daß alle Sabotage-, Spionage- und Terrormaßnahmen gegen diese Völker nicht nur straffrei bleiben, sondern geradezu gefördert werden.
Die Mitglieder der Länderparlamente, die sich in Wahrung des Grundgesetzes für Frieden, Einheit und Freiheit einsetzen, werden für vogelfrei erklärt, da nach diesem Gesetz deren Immunität gegenüber Zugriffen der Bundesbehörden und Bundesgerichte nicht mehr geschützt ist. Die Verbreitung der Wahrheit und die im Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit werden unterdrückt, da nach diesem Gesetz auch den Rundfunkanstalten das Recht der Zeugnisverweigerung nicht gewährt ist. Bekannt ist, daß Kirche und Kanzel für die parteipolitische Propaganda, insbesondere zur Unterstützung des Adenauer-Regimes, durch Ausübung eines unerhörten Druckes auf die Gläubigen mißbraucht werden. Um diesem Mißbrauch völlig
freie Hand zu geben, wurde in diesem Gesetz der Kanzelparagraph gestrichen.
Diese wenigen Beispiele genügen, um dieses Gesetz als eine Maßnahme zur Unterstützung der volksfeindlichen Adenauer-Regierung zu charakterisieren. Nur noch mit Gefängnis und Zuchthaus kann dieses Regime versuchen, seinen Kriegskurs durchzusetzen. Das aber wird unser Volk nicht abhalten, den Kampf gegen dieses Regime mit aller Entschiedenheit zu führen, bis Adenauer und seine Hintermänner gestürzt sind und der Weg für die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes freigemacht ist, die unserem Volke endlich Einheit, Frieden und Freiheit bringen wird.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht mehr vor. Sie ist damit geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf die Artikel, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Das ist zunächst der Art. 1. Dazu ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 950. Zur Begründung ist das Wort nicht gewünscht.
— Ist in der allgemeinen Aussprache begründet. Wir kommen daher zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmg angenommen.
— Eine Enthaltung.
Zum Art. 1 liegen weitere Änderungsanträge nicht vor. Dann bitte ich diejenigen, die dem Art. 1 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. — Zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf den Art. 2. Dazu liegen vor ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 938, ferner ein Antrag Naegel, Eplée und Genossen auf Umdruck Nr. 939 Ziffer 1 und ein Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck Nr. 937 Zifer 1. Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck Nr. 937 Ziffer 1 hat zunächst Herr Abgeordneter Eberhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sinn und Zweck der Neufassung des § 300 des Strafgesetzbuchs und des § 53 der Strafprozeßordnung im Regierungsentwurf sind doch zweifelsfrei, die divergierenden Einzelbestimmungen der verschiedenen Berufsgesetze, soweit sie im Widerspruch zu den §§ 300 des Strafgesetzbuchs und 53 der Strafprozeßordnung stehen, zu koordinieren. Anders ausgedrückt heißt das, daß die zur Zeit bestehende Zersplitterung des Geheimnisschutzes in zahlreiche Neben- und Landesgesetze eine Zusammenfassung erforderlich macht, bei der das frei gewählte Vertrauensverhältnis im Vordergrund steht.
Generell ist die Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer seit Bestehen dieses Berufsstandes in dessen Berufsrecht verankert. Den vereidigten Buchprüfern bzw. vereidigten Bücherrevisoren, aus deren Tätigkeit sich ja erst der Berufsstand der
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater entwickelt hat, war es schon von jeher streng untersagt, über die ihnen bei Ausübung ihres Berufs zur Kenntnis gelangenden Dinge zum Schaden oder Nutzen anderer Mitteilungen zu machen. In diesem Zusammenhang möchte ich nur beispielhaft auf den § 9 der Normativbestimmungen des Deutschen Industrie- und Handelstags aus dem Jahre 1926 hinweisen.
Was den Berufsstand der Steuerberater als solchen betrifft, so ist hier zu sagen, daß die Verschwiegenheitspflicht dieses Berufsstandes erstmalig durch die zoneneinheitlichen Berufsgesetze über Wirtschaftsprüfer, vereidigte Bücherrevisoren und Steuerberater in der amerikanischen Zone festgelegt wurde. Demzufolge sind auch die Steuerberater auf die Verschwiegenheitspflicht ausdrücklich vereidigt.
Alle drei Berufsstände — Wirtschaftsprüfer, vereidigte Bücherrevisoren und Steuerberater — zählen unbestritten mit zu denjenigen Berufen, bei denen das frei gewählte Vertrauensverhältnis zwischen ihrem Auftraggeber und ihnen — übrigens das entscheidendste Merkmal für diesen Berufsstand — im Vordergrund steht. Vorbildung, Tätigkeit und Vertrauensstellung rechtfertigen deshalb für diese Berufsstände in bezug auf die Verschwiegenheitspflicht eine bedingungslose Gleichstellung mit den übrigen Berufsständen wie denen der Rechtsanwälte, Ärzte und dergleichen mehr.
Die Berufsstände der Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer und Steuerberater sind der Regierung dankbar dafür, daß sie in ihrem Gesetzentwurf das Vertrauensverhältnis dieser Berufsstände zu ihren Auftraggebern dadurch stärken will, daß I die Verschwiegenheitspflicht der Angehörigen dieser Berufsstände in Zukunft nicht nur berufsrechtlich und privatrechtlich, sondern auch strafrechtlichh dekretiert wird. Ich bin nicht der Auffassung, die der Rechtsausschuß und im besonderen seine beiden Sprecher, Herr Dr. Arndt von der SPD und Herr Dr. Kopf von der CDU, hier zum Ausdruck gebracht haben, daß man bezüglich der Einbeziehung der steuerberatenden Berufe in das Zeugnisverweigerungsrecht warten soll, bis entsprechende Berufsgesetze vorliegen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen. daß die Berufsstände der Steuerberater, der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Bücherrevisoren einschließlich der Helfer in Steuersachen schon seit Jahren die Schaffung eines entsprechenden Berufsgesetzes anstreben. Dieses Berufsgesetz ist nach einer Vielzahl von Besprechungen auch im Laufe des Monats Dezember 1952 im Einvernehmen mit den zuständigen Ministerien geschaffen worden. Leider war es nicht möglich, dieses Berufsgesetz noch in dieser Legislaturperiode zum Zuge zu bringen. Wenn Sie nun der Meinung sind, daß wir warten sollen, bis das entsprechende Berufsgesetz geschaffen ist, dann wird es noch einmal einige Jahre dauern, und ich kann mir nicht vorstellen, daß die Mitglieder dieses Hohen Hauses wünschen, daß zweierlei Recht — das zweifellos schon seit langer Zeit und auch zur Zeit noch besteht — auch noch weiterhin beibehalten werden soll. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem Ergänzungsantrag der Fraktion der FDP und meiner Wenigkeit in Umdruck Nr. 937 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rechtsausschuß ist auch die Frage behandelt worden, ob die Fürsorgerinnen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben sollten. Es lag eine Denkschrift der Verbände der Fürsorgerinnen vor. Frau Nadig und ich haben auch begründet, daß es gerechtfertigt sei, den Fürsorgerinnen in der freien Liebestätigkeit ein Zeugnisverweigerungsrecht zu geben. Sie haben viele Geheimnisse zu bewahren, und deshalb sollten sie ihre Geheimnisse auch durch ein Zeugnisverweigerungsrecht schützen können. Aber der gesamte Ausschuß — außer Frau Nadig und mir — lehnte es ab, und ich habe deshalb damals keinen Antrag gestellt. Ich habe auch jetzt nicht vor, einen Antrag zu stellen. Weil ich aber weiß, daß unter den Fürsorgerinnen der freien Liebestätigkeit eine gewisse Unruhe besteht, so möchte ich hier erklären, daß wir diese Frage zwar jetzt zurückstellen, aber bei der großen Strafrechtsreform diese Frage erneut aufwerfen werden. Ich hoffe, daß man sie dann in bejahendem Sinn erörtert und auch einen entsprechenden Beschluß faßt.
Herr Abgeordneter Eplée.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Gesichtspunkte, die hier vorgetragen worden sind, müssen noch besonders erwähnt und unterstrichen werden. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat, wie hier ausgeführt wurde, die Auffassung vertreten, daß keinem der prüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozeß eingeräumt werden soll, bevor nicht für diese Berufsgruppen eine bundeseinheitliche Berufsordnung geschaffen worden ist. Andererseits ist uns allen bekannt, daß die verschiedenen Berufsordnungen für die Behandlung in den gesetzgebenden Körperschaften reif sind, aber nicht mehr bearbeitet werden können, weil der Bundestag mit Aufgaben überlastet ist. Ehe diese Berufsordnungen erlassen werden, wird noch viel Wasser den Rhein hinabfließen. Aber entweder besteht die Notwendigkeit des Aussageverweigerungsrechtes für die Angehörigen einer Berufsgruppe oder sie besteht nicht. Besteht eine solche Notwendigkeit — und wir, die Antragsteller des Änderungsantrags Umdruck Nr. 939 , vermögen diese für die Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und der vereidigten Buchprüfer nicht zu leugnen —, so besteht sie schon jetzt und nicht erst nach Jahren. Aus all diesen Gründen halten wir es für geboten, diesen Berufsgruppen das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozeß zu geben, zumal die Vielgestaltigkeit und die Kompliziertheit der steuerlichen Vorschriften den Steuerpflichtigen im steigenden Maße zwingen, sich einem Berater anzuvertrauen.
Ich glaube, aus all diesen Gründen sollten Sie — und ich bitte Sie darum — unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung nicht versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat in Umdruck Nr. 938 unter Ziffer 2 eine Ergänzung des § 93 durch die Worte „zur Untergrabung der demokratischen Freiheit" beantragt. Ich möchte mich kurz mit dieser Formulierung und ihrem Inhalt
beschäftigen. In dem § 93 Abs. 1 wird auf die im §' 88 des Strafrechtsänderungsgesetzes von 1950 bezeichneten Verfassungsgrundsätze Bezug genommen. Diese in § 88 erwähnten Verfassungsgrundsätze betreffen unter anderem die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht. Unter Ziffer 6 wird der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft verlangt. Diese Verfassungsgrundsätze, die ich erwähnt habe, und andere fußen auf dem Grundgesetz. Ich möchte an Hand einiger Bestimmungen des Grundgesetzes darauf eingehen, wie es in der Praxis tatsächlich mit der demokratischen Freiheit und ihrem Schutz aussieht. Ich möchte auf den Art. 3 des Grundgesetzes verweisen, der unter anderem besagt, daß niemand wegen seines Geschlechtes, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Wenn dieses Postulat des Grundgesetzes verwirklicht und von der Regierung beachtet würde, dann wäre es z. B. unmöglich, daß der Bundesinnenminister Dr. Lehr im September 1951 jenen berüchtigten Erlaß zur Ausschaltung von Kommunisten und kommunistenverdächtigen Persönlichkeiten aus der öffentlichen Verwaltung hätte herausgeben können. Hier hat also die Bundesregierung bewiesen, daß sie nicht nach dem Gesetz handelt, sondern Willkürmaßnahmen anwendet. Wo bleibt die Verfolgung einer solchen Regierung auf Grund dieses Gesetzes?
In dem Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes ist festgelegt:
Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Trotz dieses Verfassungsgrundsatzes ließ Herr Dr. Lehr am 11. Mai des vergangenen Jahres eine friedliche Versammlung der Jugend in Essen mit seiner Polizei auflösen, ja sogar mit Waffengewalt gegen sie vorgehen. Ein junger Patriot, Philipp Müller, wurde ermordet.
In München wurde eine Kundgebung, auf der der Vorsitzende meiner Partei, Max Reimann, sprach, von dem Polizeiminister in Bayern, Dr. Hoegner , aufgelöst. Es wurde mit Wasserwerfern gegen die Teilnehmer an der Kundgebung vorgegangen. Das alles geschah, obwohl in Art. 8 des Grundgesetzes bestimmt ist, daß alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Die Regierung unterstreicht mit dieser Praxis, mit dieser Methode, daß sie nicht das Geringste mit Demokratie und Sicherung der Freiheit der Demokratie zu tun hat.
Ich möchte diese Beispiele ergänzen. Eine große Anzahl von Versammlungen von Friedensfreunden, von Menschen, die sich für die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes einsetzen, der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft, die sich also für die Völkerverständigung einsetzt, wurden verboten und aufgelöst. In verhältnismäßig kurzer Zeit wurden so 200 Versammlungen oder Veranstaltungen all dieser friedliebenden und national gesinnten Bewegungen von dem hessischen Innenminister auf-
gelöst und verboten. In Art. 9 des Grundgesetzes, der von diesem Gesetz auch geschützt werden soll, heißt es weiter, daß alle Deutschen das Recht haben, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Die Aufhebung dieser Bestimmung des Grundgesetzes steht nach Art. 18 des Grundgesetzes ausschießlich dem Bundesverfassungsgericht zu. Ich mache mir keinerlei Illusion über den Charakter des Bundesverfassungsgerichts.
Herr Abgeordneter, ich möchte Sie nun langsam wieder dahin bringen, daß Sie zu dem Art. 2 sprechen. Sie haben bis jetzt über alle möglichen Vorgänge geredet, die in Art. 2 überhaupt nicht zur Debatte stehen.
Sie stehen aber in unmittelbarem Zusammenhang mit — —
Nein, ein unmittelbarer Zusammenhang ist nur gegeben mit Fragen, die den Inhalt des Art. 2 betreffen, und es steht hier nichts zur Debatte als die Auseinandersetzung über die Fassung des Textes.
Dann dürfte ich mich nur über die formale Seite der Bestimmungen rechtlicher Art äußern; aber es dürfte doch jedem klar sein, daß die Erörterung der gesetzlichen Bestimmungen nur einen Sinn hat, wenn man sie in Zusammenhang mit den politischen Ereignissen bringt. Wir haben ja 1933 wohl eindeutig erlebt, was man aus Gesetzesparagraphen gemacht hat. Deswegen ist es notwendig, darauf hinzuweisen.
Meine Damen und Herren, ich sagte also, daß zu den in § 93 geschützten Verfassungsgrundsätzen, die in § 88 bezeichnet sind, auch der Grundsatz des Art. 9 des Grundgesetzes gehört und daß nach Art. 18 des Grundgesetzes die Verwirkung von Grundrechten und ihr Ausmaß nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden können. Praxis ist aber, daß entgegen diesen Bestimmungen seitens der Bundesregierung die FDJ, die Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft, der Deutsche Kulturbund, verschiedene Landesorganisationen der VVN, die zentrale Leitung der VVN verboten wurden und die Tätigkeit dieser Organisationen behindert wird.
Es ist also hier bewiesen, daß es sich um Willkürmaßnahmen der Bundesregierung und verschiedener Länderregierungen handelt, gegen die nach diesem Gesetz eingeschritten werden müßte.
Ich möchte bei Erörterung der Frage der Unterdrückung der demokratischen Freiheit und zur Charakterisierung dessen, was Sie unter „Freiheit" verstehen, noch kurz erwähnen: Die 300 Millionäre und die Industriebarone haben die Freiheit, die Arbeiter auszubeuten und auf die Straße zu werfen. Und den Sozialrentnern und Kriegsbeschädigten gibt man die „Freiheit", mit jämmerlichen Unterstützungssätzen leben zu dürfen.
Herr Abgeordneter, es ist die Rede vom Strafrechtsänderungsgesetz mit bestimmten Änderungen des Strafgesetzbuches. Sie haben noch nicht einmal von den Gegenständen gesprochen, die hier im Art. 2 behandelt sind. Es
geht hier um diesen Artikel und um die Erörterung der Änderungsanträge, zu denen Sie bisher noch nicht Stellung genommen haben. Ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Sache und mache Sie auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam.
Ich habe gesprochen zur Interpretation des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion zu § 93 bezüglich der Unterdrükkung der demokratischen Freiheiten. Wir haben ja heute bei der außenpolitischen Aussprache so viel von Freiheit, Wahlfreiheit und Demokratie gehört. Ich möchte demgegenüber abschließend nur feststellen, daß dieses Gesetz nichts anderes bezweckt, als die letzten Reste der Freiheit unseres Volkes aus der Welt zu schaffen und alles zu unterdrücken,
was seitens des Volkes unternommen wird, um
diese Regierung zu stürzen und wirklich die Einheit und die Freiheit unseres Volkes herzustellen.
Das Wort zu einer textlichen Berichtigung zu § 104 a hat Herr Abgeordneter Dr. Laforet.
— Ja, das ist mir so mitgeteilt worden.
— Sie stehen auch auf der Rednerliste.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie dem Vorsitzenden des Ausschusses nur eine redaktionelle Berichtigung. In § 104 a — Seite 17 — heißt es jetzt „Verbrechen und Vergehen". Die Entwicklung in der Gesetzesberatung hat ergeben, daß Verbrechen nicht mehr in Frage kommen. Wir bitten deshalb, die Eingangsworte so zu lesen: „Die Vergehen dieses Abschnittes werden nur verfolgt".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seien Sie mir nicht böse, wenn ich sage, daß ich mir etwas wie im Tollhaus vorkomme. Aufgerufen sind die beiden Änderungsanträge, die identisch sind, der Antrag Naegel und der Antrag Eberhard, zu Art. 2 Nr. 31. Gesprochen wird hier über Gott weiß was, nur nicht über die Änderungsanträge. Ich möchte ganz kurz mit einigen wenigen Bemerkungen den beiden Rednern, die hierzu gesprochen haben, auf ihre längst vergessenen Reden erwidern.
Es ist richtig, daß nicht nur seitens der Wirtschaftsprüfer, der Buchprüfer, der Steuerberater, sondern auch seitens ihrer Kundschaft, der Wirtschaftsbetriebe, der dringende Wunsch besteht, daß für sie ebenso wie für Rechtsanwälte und Notare und ähnliche Berufe eine Schweigepflicht gesetzlich
festgelegt wird, daß sie andererseits mit einem besonderen Aussageverweigerungsrecht ausgestattet werden. Daß dieser Wunsch besteht, steht außerhalb jeden Zweifels. Es fragt sich nur, wie eine solche Regelung in das System unseres Gesetzes einzupassen ist. Es handelt sich um einen freien, selbständigen Beruf. Bei diesen Berufsarten haben wir bisher den Arzt, den Apotheker und den Rechtsanwalt, alles drei akademische Berufe, deren Laufbahnbestimmungen sehr genau vorgeschrieben sind und bei denen eine eigene Kammer- und Ehrengerichtsordnung für eine geschlossene, dem Ethos des Berufs entsprechende Berufswahrnehmung sorgt. Ein solches Bundesgesetz fehlt unzweifelhaft für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Buchprüfer. Wir können nun unmöglich völlig systemwidrig verfahren; wir würden damit eine unübersehbare Fülle von Wünschen sonstiger freier Berufe — die Krankenschwestern und die Fürsorgebeauftragten sind schon erwähnt worden — hervorrufen. Wir können nicht plötzlich vom System abgehen und hier, weil es wünschbar ist, einen Beruf, der leider noch keine einheitliche bundesrechtliche Ordnung besitzt, mit etwas ausstatten, was es sonst noch nie gegeben hat.
Es handelt sich also nicht darum, ob es etwa erwünscht ist, sondern es fragt sich, ob es systematisch möglich ist. Herr Kollege Arndt hat schon gesagt, wir sollten jetzt ganz dringlich zur dritten Lesung eine Entschließung annehmen, daß diesen Berufsgruppen die Berufsordnung gegeben wird, die dann allerdings so aussehen muß, daß ihnen die Schweigepflicht anvertraut werden kann. Also nicht im Hinblick auf die Frage, ob die Regelung erwünscht ist, sondern wegen der systematischen Unmöglichkeit hat der Rechtsausschuß — übrigens einstimmig — diese Anträge abgelehnt.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 938, Ziffern 1, 2 und 3. Ich glaube, wir können über die drei Ziffern zusammen abstimmen und brauchen nicht getrennt abzustimmen.
— Es wird also getrennte Abstimmung gewünscht Wir stimmen über den Antrag auf Umdruck Nr. 938 Ziffer 1 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es besteht keine Übereinstimmung über das Abstimmungsergebnis; wir müssen Auszählung machen. Ich darf bitten, den Saal recht schnell zu räumen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Das Ergebnis der Abstimmung ist: Mit Ja haben gestimmt 121, mit Nein 175, enthalten haben sich 12 Mitglieder des Hauses. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck Nr. 938 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Dann kommen wir zu Umdruck Nr. 938 Ziffer 3. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Anträge Umdruck Nr. 939 Ziffer 1 und Umdruck Nr. 937 Ziffer 1. Ich glaube, wir können darüber zusammen abstimmen, da sie den gleichen Wortlaut haben.
— Dann erst Nr. 939!
— Es wird mir eben gesagt — ich habe das nicht nachprüfen können —, sie seien nicht völlig inhaltsgleich. Wir wollen lieber vorsichtig sein. Also zunächst Umdruck Nr. 939. Ich bitte ,diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Darf ich bitten, Platz zu nehmen. Es wird sonst sehr unübersichtlich. Es wird abgestimmt über Umdruck Nr. 939 Ziffer 1.
— Ich kann nun nicht jeden Antrag vorlesen.
Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Die Abstimmung über Umdruck Nr. 937 erübrigt sich, weil der andere, mit kleinen Modifikationen fast gleichlautende Antrag angenommen worden ist.
Dann bitte ich diejenigen, die den Art. 2 mit den soeben beschlossenen Änderungen und mit der von Herrn Abgeordneten Dr. Laforet vorgetragenen Textberichtigung anzunehmen gewillt sind, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf Art. 3 — dazu liegen keine Änderungsanträge vor — und Art. 4 mit den Änderungsanträgen auf den Umdrucken Nr. 937 Ziffer 2, Nr. 938 Ziffer 4 und Nr. 939 Ziffer 2. Die Anträge auf Umdruck Nr. 937 Ziffer 2 und Umdruck Nr. 939 (neu) Ziffer 2 sind inhaltlich gleich.
Wird das Wort zu Begründungen gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie bitte, auch noch dem letzten unserer Änderungsanträge auf Umdruck Nr. 938 Ziffer 4, der sich mit der Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten gegenüber dem Zugriff von Bundesbehörden und Bundesgerichten 'beschäftigt, Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, so tue ich das, weil ich davon überzeugt bin, daß es sich bei diesem Antrag um eine hochbedeutsame Angelegenheit für unsere politische und staatsrechtliche Struktur, für die Stellung der Volksvertretungen in den Ländern und für den Strafprozeß handelt.
Der Anlaß dafür, daß wir auch in der dritten Lesung auf diese Frage zurückkommen, ist eine Veränderung der Situation, die durch zwei Ereignisse nach der zweiten Lesung eingetreten ist. Der Herr Vorsitzende des Rechtsausschusses hat die Freundlichkeit gehabt, die Mitglieder dieses Ausschusses zu einer Besprechung zu bitten — die
keine Ausschußsitzung gewesen ist —, um nach einem Weg zu suchen, wie die Frage, die sachlich in der zweiten Lesung unentschieden geblieben ist, geregelt werden könnte. Ich glaube, das Ergebnis dieser Besprechung liegt in der Erkenntnis, daß es sich bei dieser Frage um eine Angelegenheit handelt, die dringend geregelt werden muß. Zugleich aber hat sich die Notwendigkeit einer das Problem in seiner ganzen Tiefe erfassenden Diskussion und, daran anschließend, einer staatsrechtlichen Regelung gezeigt.
Das zweite Ereignis ist eine Konferenz der Landtagspräsidenten aller Landtage der Bundesrepublik, die am Freitag der vergangenen Woche in Mainz stattgefunden hat. Die Landtagspräsidenten haben sich nach meinen Informationen einen ganzen Tag lang mit dieser Angelegenheit befaßt, ohne zu einem Entschluß zu kommen. Ich glaube, dieser ergebnislose Ausgang der Konferenz der Landtagspräsidenten beweist, daß die Frage nur auf Bundesebene geregelt werden kann.
Wenn wir also die Dringlichkeit anerkennen, stehen wir vor der Entscheidung, ob wir den Dingen in Nordrhein-Westfalen ihren Auslauf beim Bundesverfassungsgericht lassen oder ob wir heute eine gesetzgeberische Entscheidung fällen wollen. Wir haben uns in der sozialdemokratischen Fraktion für den zweiten Weg entschieden. Wir betonen dabei, daß der Fall des kommunistischen Abgeordneten Angenfort im Landtag von Nordrhein-Westfalen — ich betone das insbesondere gegenüber der rechten Seite dieses Hauses, um alle Mißverständnisse auszuräumen — für uns nur der äußere Anlaß zu diesem Antrag ist. Der Fall interessiert uns nur nach der rechtlichen Seite.
Gestatten Sie mir dazu allerdings eine Bemerkung. Der Herr Präsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen, Herr Gockeln, Mitglied der CDU, eine Zeitlang auch Mitglied dieses Hauses
— heute noch?, man sieht ihn nur leider nicht —, hat unserer Fraktion den ganzen Schriftwechsel, den er mit dem Bundesjustizminister und mit dem Oberbundesanwalt gehabt hat, übermittelt. Dieser Schriftwechsel macht einen recht üblen Eindruck. Zuerst hat sich der Oberbundesanwalt mit einer Art Starrsinnigkeit sondergleichen auf d e n Standpunkt gestellt, den die Kommentarliteratur einnimmt und der dahin geht, daß die Landtagsabgeordneten dem Zugriff des Oberbundesanwalts ohne weiteres preisgegeben sind. Als er dann vom Landtagspräsidenten in Düsseldorf und vom Landtag selber etwas in die Enge getrieben wurde, hat er plötzlich herausgefunden, daß es sich um eine Ergreifung auf frischer Tat handelt. Das erinnert doch etwas an das Verhalten von schlechten Verwaltungsbehörden, die so lange auf ihrem Rechtsstandpunkt stehen, als sie sich sicher glauben, und die, wenn ein Verwaltungsstreitverfahren anhängig gemacht wird, plötzlich erklären, sie hätten aus freiem Ermessen gehandelt. ich beschränke mich auf diese Mitteilung. Ich glaube aber, es ist notwendig, die Sache selber völlig zu entgiften und nur vom rechtlichen Standpunkt aus zu behandeln.
Unser Antrag trägt den Einwendungen Rechnung, die in der zweiten Lesung gemacht worden sind. In der zweiten Lesung wurde gegen unseren Antrag erstens gesagt, er gehöre nicht in das Strafgesetzbuch, sondern in die Strafprozeßordnung. Wir schlagen heute vor, daß eine entsprechende
Einfügung in die Strafprozeßordnung erfolgt. Weiter wurde erklärt, zuvor sei eine Regelung im Grundgesetz notwendig. Wir wollen das dadurch umgehen, daß wir die Immunität nur so weit schützen, als es die Landesverfassungen vorschreiben. Ich verweise auf den Wortlaut unseres Antrags: „soweit die Landesverfassung es vorschreibt". Die staatsrechtliche Regelung, die unserer Überzeugung nach notwendig ist, könnte nachfolgend vorgenommen werden.
Schließlich ist die Frage aufgeworfen worden, ob denn die von uns vorgeschlagene Vorschrift in den Abschnitt über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte gehört. Ich stelle die Gegenfrage: Wohin gehört sie denn sonst? Denn die Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte folgen aus der Dreiteilung der Staatsgewalt, und der Schutz der Abgeordneten in der Strafverfolgung ist ein Teil der Regelung des Verhältnisses der einzelnen Teile der Staatsgewalt zueinander. Ich glaube also, daß unser Vorschlag der Einfügung auch die richtige Stellung im Gesetz selbst gibt. Schließlich verweise ich darauf, daß der staatsrechtliche Schutz der Immunität in bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht ja schon in § 53 Nr. 4 der Strafprozeßordnung aufgenommen ist, wobei ebenfalls dahingestellt bleibt, wieweit die staatsrechtlichen Vorschriften in den Verfassungen der einzelnen Länder überhaupt gehen. Wir folgen also mit unserem Antrag der Tradition der Strafprozeßordnung. Wir erledigen eine dringende Sache. Wir erledigen sie im Rahmen des Möglichen, und wir erledigen vor allen Dingen — was vielleicht bei der Gesetzgebung verhältnismäßig selten vorkommt — eine gesetzgeberische Aufgabe im Rahmen des Rechts.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich erkläre schließlich, wenn unser Antrag abgelehnt werden sollte, würden wir auch den Entschließungsantrag der Regierungsparteien annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß Ihre Zeit mit dieser juristischen Frage noch in Anspruch genommen werden muß. Aber zu entscheiden ist eine verfassungsrechtliche Frage besonderer Art, ob die Immunität der Landtagsmitglieder nach den Länderverfassungen von allen deutschen Behörden zu beachten ist.
Zur Zeit ist die Indemnität aller Abgeordneten, auch derjenigen der Landtage, in § 11 des Strafgesetzbuches, also von Bundes wegen, geregelt. Nach dieser Bestimmung darf kein Mitglied eines Landtags außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes getanen Äußerungen zur Verantwortung gezogen werden.
Hinsichtlich der Frage der Immunität der Strafverfolgung von Abgeordneten liegt zur Zeit eine Lücke in der Gesetzgebung vor. In der Verfassung von Weimar waren die Mitglieder der Landtage den Mitgliedern des Reichstags gleichgestellt. Kein Mitglied konnte ohne Genehmigung seines Landtags zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß das Mitglied bei Ausübung der Tat oder spätestens im Laufe des folgenden Tages festgenommen wurde.
Das Grundgesetz ist diesem Wege nicht gefolgt. Es trat jetzt wieder der Zustand ein, wie er zur Zeit der Verfassung des Kaiserreiches bestand. Die herrschende, allerdings nicht unbestrittene Rechtsanschauung geht dahin, daß die Bundesgerichte und Bundesbehörden die Immunität der Landtagsabgeordneten nicht zu berücksichtigen hätten; das gleiche gelte für die Länderbehörden derjenigen Länder, die neben dem Land stünden, dessen Landesverfassung dem Landtagsabgeordneten die Immunität gewährt habe. Es kann also z. B. ein Landtagsabgeordneter des Landes Rheinland-Pfalz von Strafverfolgungsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen ohne Rücksicht auf die Immunität des Landtagsabgeordneten nach der Verfassung von Rheinland-Pfalz verfolgt werden. Auch die Konferenz der Landesjustizminister in Trier am 3. und 4. September 1952 hat sich bei Verabschiedung der Richtlinien für das Strafverfahren dieser Auffassung einstimmig angeschlossen.
In der zweiten Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes, mit dem wir uns jetzt befassen, ist ein Antrag der SPD vom 11. Mai 1953 auf Umdruck Nr. 909 abgelehnt worden, der nur die Bundesgerichte und Bundesbehörden erfaßt hat. Nach dem neuen Antrag vom 2. Juni 1953 auf Umdruck Nr. 938 hat man eingesehen, daß die Frage nicht nur die Bindung der Bundesgerichte und Bundesbehörden, sondern ebenso die Bindung der Länderbehörden der Länder betrifft, die neben dem Land stehen, dessen Verfassung die Immunität bestimmt. Ich habe angenommen, daß der Vorschlag auf Umdruck Nr. 938 die Einfügung des § 6 a nicht in die Strafprozeßordnung, sondern in das Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung bezwecke. Von Herrn Kollegen Dr. Brill habe ich nun gehört, daß die Einfügung in die Strafprozeßordnung selbst beabsichtigt ist. Auch wir Mitglieder des Rechtsausschusses in den drei Koalitionsparteien sind der Anschauung, daß die Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten zu klären und, soweit notwendig, gesetzlich zu regeln ist. Wir sind jedoch der Anschauung, daß diese Regelung nicht jetzt im Strafrechtsänderungsgesetz und daß sie nur im Benehmen mit den Ländern erfolgen sollte. Das soll in einer Entschließung ausgesprochen werden. Die Entschließung will die Bundesregierung im Wege des Vorschlags für eine gesetzliche Regelung nicht binden. Die Immunität gibt im Gegensatz zur Indemnität, die in § 11 des Strafgesetzbuchs für alle Abgeordneten in Bund und Ländern geregelt ist, ein Prozeßhindernis. Man kann nun der Anschauung sein, daß die Regelung ihrem Kern nach, wie dies auch in der Weimarer Verfassung geschehen war, in das Verfassungsrecht gehört. Es soll der Bundesregierung zur Prüfung gegeben werden, ob in diesem Sinne nach dem Gedankengang des Justizministeriums von Nordrhein-Westfalen eine Ergänzung des Grundgesetzes vorgeschlagen werden soll, bei der ja alle großen Parteien einig sind, oder ob eine Regelung im Strafprozeßrecht und eine Vorlage in diesem Sinne erfolgen soll.
Wir müssen die Ziffer 4 des Antrags der SPD ablehnen. An diesem Ort und in diesem Rahmen die Regelung jetzt zu treffen, bestehen die schwersten Bedenken. Wir möchten jedoch, daß die Angelegenheit erledigt wird. Die Koalitionsparteien beantragen deshalb folgende Entschließung:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Benehmen mit den Ländern die Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten in ihrer Wir-
kung gegenüber den Gerichten und Behörden des Bundes und der Länder zu prüfen und, soweit ein Bundesgesetz notwendig erscheint, dieses vorzubereiten.
Für die drei Koalitionsparteien bitte ich Sie, der Ziffer 4 des Antrags auf Umdruck Nr. 938 nicht stattzugeben, aber die Entschließung auf Umdruck Nr. 942 anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen namentliche Abstimmung.
Zu Umdruck Nr. 938 Ziffer 4?
Ja.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß der Antrag, wenn er von einer Fraktion dieser Größe gestellt ist, ausreichend unterstützt wird. Ich bitte also um namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 938 Ziffer 4. Darf ich die Herren Schriftführer bitten, mit der Einsammlung der Stimmkarten zu beginnen.
Wünschen noch Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarten abzugeben? — Dann bitte ich um Beschleunigung. Ich muß die Abstimmung gleich schließen.
Meine Damen und Herren, die Einsammlung der Stimmkarten ist nunmehr beendet.
Wir fahren inzwischen fort mit der Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 937 Ziffer 2, der gleichlautend ist mit dem Antrag auf Umdruck Nr. 939 Ziffer 2.
— Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Meine Damen und Herren! Bei der Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 939 Ziffer 1 ist ein Versehen unterlaufen. Es muß dort in Ziffer 1 ebenso, wie es auch in Ziffer 2 später heißt, heißen: „vereidigte Buchprüfer (vereidigte Bücherrevisoren)". Außerdem hatte der Ausschuß beschlossen, daß statt „zugänglich geworden" „bekanntgeworden" gesetzt werden sollte. Die Antragsteller sind mit dieser nachträglichen Änderung einverstanden. Sachlich ändert sich nichts. Es ist lediglich eine redaktionelle Berichtigung, die zu Ziffer 1 des Antrags auf Umdruck Nr. 939 (neu), über den abgestimmt worden ist, notwendig ist, die wir aber nicht unterlassen sollten.
Meine Damen und Herren, Sie haben diese Berichtigung zum Text zur Kenntnis genommen. Es wird nicht widersprochen. Damit ist sie beschlossen.
Wir kommen jetzt also zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 937 Ziffer 2 und Umdruck 939 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen,
die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe!
- Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen
gegen wenige Stimmen angenommen.
Dann bitte ich diejenigen, die dem Art. 4 mit den beschlossenen Änderungen zustimmen, die Hand zu heben. —
— Entschuldigung, da fehlt ja noch die namentliche Abstimmung. Richtig, da ist die Auszählung noch nicht fertig. Wir müssen das also zurückstellen.
Dann darf ich aufrufen die Artikel 5, — 6, — 7,
— 8, — 9, — Einleitung und Überschrift. — Ich glaube, wir können darüber abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ehe die Auszählung beendet ist, bin ich nicht in der Lage, die Schlußabstimmung durchzuführen. Das gleiche gilt für die Entschließung, da ja zwischen dem zur namentlichen Abstimmung stehenden Antrag und der Entschließung ein Zusammenhang besteht. Ich darf das dann vielleicht zurückstellen, damit wir weiterkommen.
Dann darf ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufen:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen zwischen den Rheinuferstaaten und Belgien vom 16. Mai 1952 über die zoll- und abgabenrechtliche Behandlung des Gasöls, das als Schiffsbedarf in der Rheinschiffahrt verwendet wird .
Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Entwurf ohne Begründung und ohne Aussprache unmittelbar an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitbeteiligung zu überweisen.
— Dem wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Nr. 3825 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 4340 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 936).
Für die allgemeine Aussprache der dritten Beratung schlägt der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vor. Ich nehme Ihre Zustimmung an.
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Höhne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ihnen vorliegenden Mündlichen Bericht — Drucksache Nr. 4340 — liegt die Drucksache Nr. 3825 zugrunde, nach der der steuerfreie Bezug von Zucker für die Imkerschaft durch ein Initiativgesetz geregelt werden soll. Die
Sache hat eine lange Vorgeschichte. Schon in der 101. Sitzung des Deutschen Bundestags am 14. November 1950 wurde auf Grund des Antrags Drucksache Nr. 466 und der Drucksache Nr. 1550 der eindeutige Beschluß auf Steuerrückvergütung für Bienenzucker an den Imker gefaßt. Demnach sollten 5 kg Zucker je Bienenvolk steuerfrei gewährt werden. Dieser Beschluß des Bundestages ist niemals durchgeführt worden.
Mit der Drucksache Nr. 2062 vom 8. März 1951 gibt der Herr Minister für Ernährung und Landwirtschaft die Auffassung des Bundesfinanzministeriums bekannt, worin es unter anderem heißt, daß die Aufnahme des Betrages von 2,3 Millionen DM in den Haushaltsplan, die für die Stützung der Bienenzucht benötigt werden, abgelehnt wird. Die Ablehnung wird mit der allgemeinen Finanzlage begründet und mit dem Hinweis, daß gemäß der im Grundgesetz vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft eine Angelegenheit der Länder sind, soweit nicht besondere Gesichtspunkte ausnahmsweise die Zuständigkeit des Bundes begründen. Der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft steht im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einmütig auf dem Standpunkt, daß in diesem Fall die ausnahmsweise Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, da es keine Meinungsverschiedenheit über den großen volkswirtschaftlichen Wert der Bienenzucht gibt.
Der Steuerausfall fällt keineswegs ins Gewicht, wenn man an den Schaden denkt, der infolge mangelhafter Bestäubung durch Bienen im Obst-und Beerenanbau, bei Klee, Luzerne, Raps, Rübsen, Kohlgemüse- und Gemüsesamenbau entstehen muß, wenn die Bienenzucht mehr und mehr aufgegeben wird. So haben z. B. allein im Lande Hessen 3000 Imker die Bienenzucht aufgegeben. Ich kann es mir versagen, weitere Gründe anzuführen, und verweise auf den Bericht der 101. Sitzung des Bundestages in dieser Sache.
In dem Ihnen nun vorliegenden interfraktionellen Antrag Nr. 3825 vom 30. Oktober 1952 wird die Materie wiederum aufgegriffen und wird versucht, auf dem Weg über die Änderung des Zuckersteuergesetzes die Imker und die Ernährung zu schützen. Die beiden Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Finanz- und Steuerfragen haben in langwierigen Verhandlungen von einer Subvention abgesehen, weil erstens dieser Weg alljährlich wieder beschritten werden müßte und weil zweitens die Verteilung zu schwierig ist.
Das vorliegende Initiativgesetz wird vom Bundesfinanzministerium abgelehnt, da ein Steuerwegfall oder eine Subvention nicht möglich sind. Es handelt sich bei einem Steuerwegfall um einen Betrag von etwa 2,1 bis 2,3 Millionen DM. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß es unmöglich ist, eine als notwendig anerkannte Maßnahme deshalb nicht durchzuführen, weil man sich über das Verfahren noch keine Klarheit verschafft hat. Der Ausschuß beschloß einstimmig, Zucker für Bienen in Höhe von 5 kg je Volk den Imkern zur Verfügung zu stellen. § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Zuckersteuergesetzes müßte demnach folgende Änderung erfahren:
3. zur Fütterung von Tieren einschließlich der
Bienen in Höhe von 5 kg je Volk.
Der bisherige § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Zuckersteuergesetzes besagt:
3. zur Fütterung von Tieren mit Ausnahme der Bienen.
Ich bitte Sie im Auftrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der diesen Beschluß einstimmig gefaßt hat, um Ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich möchte bitten, davon Kenntnis zu nehmen, daß die Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 938 Ziffer 4 zum Dritten Strafrechtsänderungsgesetz geschlossen ist. Ist die Auszählung noch nicht fertig?
— Die Abstimmung ist längst geschlossen.
Das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 169, mit Nein 167, enthalten haben sich 3. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.
Bleibt der Entschließungsantrag aufrechterhalten?
— Die Entschließung ist damit gegenstandslos geworden. Ich stelle Übereinstimmung mit den Antragstellern fest, daß eine Abstimmung darüber nicht mehr zu erfolgen braucht.
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die dem Art. 4 mit der beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um, die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wir fahren nun mit der Beratung des Punktes 3 der Tagesordnung, der soeben aufgerufen wurde, fort:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes.
Die Berichterstattung dazu haben wir gehört.
Bei der Kürze des Gesetzes rufe ich alle in Frage kommenden Artikel auf: Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. —
Es liegt noch auf Umdruck Nr. 936 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller und Genossen zur Einfügung eines Art. 1 a vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
— Es ist die Berlin-Klausel. Das Wort zur Begründung wird nicht weiter gewünscht.
Dann können wir ohne Einzelaussprache gleich zur Abstimmung übergehen. Ich bitte diejenigen, die dem Art. 1, dem Art. 1 a — Art. 1 a ist also die durch den Änderungsantrag Umdruck Nr. 936 eingefügte Berlin-Klausel —, dem Art. 2 und der Einleitung und der Überschrift zuzustim-
*) Vgl. das engültige Ergebnis Seite 13302
men wünschen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen. Die zweite Beratung ist damit beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache ist das Wort nicht gewünscht. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Ich rufe Art. 1 bis Art. 2 auf und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. Das ist die Mehrheit; damit ist dieses Gesetz in der dritten Beratung angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 4373 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 4016, Gesetzesantrag der Fraktion der SPD zur Abänderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes, hat zum Ziel, den § 7 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes dahin zu ändern, daß von der Besteuerung nach diesem Gesetz alle Rechtsvorgänge bei inländischen Kapitalgesellschaften ausgenommen sein sollen, „die nach § 3 Ziffer 9 des Vermögensteuergesetzes von der Vermögensteuer befreit sind, soweit es sich um Vorgänge zwischen ihnen und dem Berufsverband handelt, dessen Vermögen sie verwalten."
Zur Begründung wurde von den Antragstellern im Ausschuß vorgebracht, daß damit der Rechtszustand wiederhergestellt werden solle, der bis zum Jahre 1934 bestanden habe. Ferner wurde ins Feld geführt, daß mit der Wiederherstellung des vor dem Inkrafttreten des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 geltenden Rechtszustandes der Anschluß an das jetzt geltende Körperschaftsteuer- und Vermögensteuerrecht erfolge. Es wurde im Ausschuß weiter darauf hingewiesen, daß auch in der bisher unerledigt gebliebenen Drucksache Nr. 2842 — Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung von Verkehrsteuern — vorgesehen sei, daß bei der Gesellschaftsteuer eine Befreiung bestimmter, in Form von Kapitalgesellschaften errichteter Berufsverbände und bestimmter Vermögensverwaltungsgesellschaften von Berufwerbänden erfolgen solle.
Das Kapitalverkehrsteuergesetz war während des letzten Krieges außer Kraft gesetzt; es wurde mit Gesetz Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern und durch § 2 des Gesetzes Nr. 61 zur Neuordnung des Geldwesens in Wirksamkeit gesetzt. Dabei wurde allerdings auf .die zuletzt gültige Fassung abgestellt.
Nach Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes stehen diese Steuern den Ländern zu.
Gegen die Wiedereinführung der Steuerfreiheit kamen wesentliche Bedenken im Finanzausschuß nicht zur Sprache. Der Ausschuß war einmütig der Auffassung, daß die Übereinstimmung zwischen dem Kapitalverkehrsteuergesetz, dem Vermögensteuergesetz und dem Körperschaftsteuerrecht unter allen Umständen erforderlich sei. Auch die Vertreter des Finanzministeriums äußerten keine Bedenken. Sie wiesen darauf hin, daß sich das Finanzministerium in der Drucksache Nr. 2842 selber in entsprechendem Sinne ausgesprochen hätte. Dagegen wurde die textliche Fassung der vorgeschlagenen Abänderung beanstandet. Es wurde die nach Ansicht des Ausschusses klarere Fassung, wie sie von Ihnen in § 1 Ziffer 3 der Drucksache Nr. 4373 nachgelesen werden kann, angenommen. Bei dieser Fassung übernahm man eine Reihe von Ausdrücken aus dem Vermögensteuergesetz, so daß auch mit diesem eine ziemlich genaue Übereinstimmung hergestellt wird.
Während der Beratung äußerten die Vertreter des Bundesfinanzministeriums Wünsche nach Aufnahme von Ermächtigungen in diesen Gesetzentwurf, die sich schon ergeben hätten, wenn die vorhin genannte Drucksache, die schon anderthalb Jahre im Schoße des Finanzauschusses ruhte, zur Behandlung gekommen wäre. Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums erklärten, daß sie auf diese Ermächtigungen angewiesen seien. Das Kapitalverkehrsteuergesetz sei 1948 wieder in Kraft gesetzt worden. In den Ländern sei dann so manches durcheinandergelaufen. Es müsse eine gewisse Einheitlichkeit hergestellt werden. Diese betreffe eine Reihe von technischen Fragen, deren Lösung am zweckmäßigsten auf dem Wege über eine Reihe von Ermächtigungen erfolgen könne. Der Ausschuß unterzog den Vorschlag für diese Ermächtigungen — es sind 13; erschrecken Sie nicht ob dieser Zahl! — einer eingehenden, kritischen Würdigung. Er kam zu der Überzeugung, daß die Erteilung dieser Ermächtigungen, die, wie ich schon sagte, technischer Art sind, ein unbedingtes Bedürfnis der Finanzverwaltung befriedigt. Er beschloß demgemäß, diese Ermächtigungen zu erteilen, damit die Einheitlichkeit unter allen Umständen und so bald wie möglich wiederhergestellt werden kann. Wir haben dabei den Art. 80 des Grundgesetzes zu Rate gezogen. Wir sind im Finanzausschuß außerordentlich vorsichtig in dem Vorschlag von Ermächtigungen. Aber hier glaubten wir nicht, um die Aufnahme dieser Ermächtigungen in den Gesetzentwurf herumkommen zu können.
Schließlich ist die Berlin-Klausel noch eingefügt worden in der unwiderruflich letzten jetzt gültigen Fassung.
Es ist auch eingefügt worden, daß das Gesetz ein Zustimmungsgesetz sei, weil der Ertrag aus dem Gesetz den Ländern zufließt.
Ich darf Sie demgemäß bitten, dem Gesetzentwurf in der vorgeschlagenen Fassung einschließlich der Ermächtigungen zuzustimmen, und darf Sie gleichzeitig bitten, die Drucksache, die ja die ganze Zeit über seit anderthalb Jahren im Finanzausschuß geruht hat, Drucksache Nr. 2842, nunmehr durch Ihre Beschlußfassung für erledigt zu erklären, da
sich im Ausschuß keine Geneigtheit fand, heute noch irgendwie auf den Boden dieser Vorlage zu treten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur
zweiten Beratung
§§ 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift.
— Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache in der dritten Beratung zu verzichten. Einzelbesprechung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Enthaltungen oder Gegenstimmen? — Bei einigen Enthaltungen, im übrigen einstimmig angenommen.
— Wer ist dagegen? — Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zu Ziffer 2 der Drucksache Nr. 4373, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Verkehrsteuern — Nr. 2842 der Drucksachen
— durch die Beschlußfassung zu Ziffer 1 für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung überholter steuerrechtlicher Vorschriften ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 4375 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Lockmann. Darf ich Sie bitten, das Wort zu nehmen, Frau Abgeordnete.
Frau Lockmann , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit der Drucksache Nr. 2054 beantragte die FDP, die Reichsfluchtsteuer aufzuheben. Mit der Drucksache Nr. 4375 liegt Ihnen der Beschluß des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vor, der dem Antrag auf Aufhebung dieses durch die Zeit und Entwicklung überholten Gesetzes zugestimmt hat. Es handelt sich um ein Gesetz, das durch die erste Brüningsche Notverordnung im Jahre 1931 geschaffen wurde. Nach dem Jahre 1933 wurde das Gesetz aber im wesentlichen eine Steuer, die man gegen die Juden nach Zerschlagung ihres persönlichen und beruflichen Daseins bei ihrer erzwungenen Emigrierung zur Anwendung brachte. So wurde die Reichsfluchtsteuer eine Sonderabgabe für Nichtarier. An diesem Gesetz hängen viel Blut und Trähen. Es erschien dem Ausschuß nicht praktisch, das Gesetz etwa zu modernisieren. Der Ausschuß hat sich daher einstimmig, wie aus dem Beschluß in der Drucksache Nr. 4375 ersichtlich ist, für die
Aufhebung dieses Gesetzes ausgesprochen. Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, diesem Beschluß beizutreten.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. — Ich rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist einstimmig angenommen.
Die allgemeine Aussprache der
dritten Beratung
soll entfallen. Einzelbesprechung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung überholter steuerrechtlicher Vorschriften in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 4376 der Drucksachen).
Berichterstatter des Finanzausschusses ist Herr Abgeordneter Eickhoff. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll § 18 a des Erbschaftsteuergesetzes insofern ergänzt werden, als die jetzt darin enthaltenen Vergünstigungen bei Abschluß einer Lebensversicherung zugunsten der Erbschaftsteuer auch auf die Lastenausgleichsabgabe erweitert werden sollen. Wenn ein Erblasser eine Lebensversicherung abschließt mit der Bestimmung, daß die Versicherungssumme nach seinem Tode zur Bezahlung der Erbschaftsteuer verwandt wird, hat er neben den steuerlichen Vergünstigungen auch den Vorteil, daß dieser Betrag nicht auf die Erbmasse angerechnet wird. Da die Lastenausgleichsschuld ebenso wie die Erbschaftsteuer eine Nachlaßschuld ist, soll das, was für die Erbschaftsteuer gilt, sinngemäß auch auf den Lastenausgleich ausgedehnt werden. Fiskalisch ist gegen diese Regelung nichts einzuwenden, weil durch den Abschluß einer Lebensversicherung zugunsten des Lastenausgleichs nach dem eingetretenen Todesfall wenigstens die Mittel vorhanden sind, um den Lastenausgleich abzulösen, dann selbstverständlich mit den gesetzlichen Nachlässen.
Abs. 4 der Vorlage bestimmt, daß, wenn der Erblasser keine ausdrücklichen testamentarischen Bestimmungen getroffen hat und die Versicherungssumme für die Bezahlung beider Nachlaßschulden nicht ausreicht, die Erbschaftsteuer den Vorrang hat.
Die einzige Änderung haben wir im § 3 vorgenommen; wir haben dort die Berlin-Klausel so eingeführt, wie sie jetzt allgemein üblich ist.
Meine Damen und Herren! Im Finanz- und
Steuerausschuß habe wir diese Vorlage kurz beraten. Wir waren uns sehr schnell darüber klar,
daß der Antrag berechtigt war, und haben im Finanzausschuß dieser Vorlage einstimmig zugestimmt. Ich bitte auch Sie, der Vorlage Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3 in der Fassung des Ausschusses, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Die allgemeine Aussprache der
dritten Beratung
soll entfallen, Einzelbesprechung entfällt ebenfalls. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Entwurfs einer Siebenten Verordnung über Zollsatzänderungen .
Die Regierung verweist auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, diesen Verordnungsentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. — Sie sind mit der Überweisung einverstanden; sie ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Vierten Verordnung über Zollsatzänderungen (Nrn. 4402, 4241 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Serres. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause ist mit Drucksache Nr. 4241 der Entwurf einer Vierten Verordnung über Zollsatzänderungen zugeleitet worden. Es handelt sich um die Neufestsetzung der Zollsätze beziehungsweise vorübergehende Zollbegünstigungen für Flugzeuge, für Flugzeugteile und Flugzeugzubehör. In dem Zolltarifgesetz von 1951 sind diese Artikel durchweg mit 40 % Zoll vorgesehen worden. Die hier vorliegende Verordnung sieht Zollfreiheit für die meisten Positionen vor bis auf eine, B 2, Teile von Flugzeugmotoren, wo ein ermäßigter Zollsatz von 20 0/o vorgesehen ist.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen, dem diese Verordnung zur Beratung überwiesen worden war, hat sich mit ihrem Inhalt eingehend befaßt. Der Ausschuß hat der Vorlage zugestimmt und zwei kleine Ergänzungen hinzugefügt. In § 1 Satz 1 sind die Worte „bis auf weiteres" und in der Tabelle des § 1 ist eine neue Ziffer 3 „C-Turbo-Propeller-Triebwerke", für die auch Zollfreiheit bis auf weiteres vorgesehen ist, eingefügt worden.
Ich habe die Ehre, Sie namens des Ausschusses zu bitten, dem Ausschußantrag gemäß Drucksache Nr. 4402 mit den soeben vorgetragenen Änderungen Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 4402 über den Entwurf einer Vierten Verordnung über Zollsatzänderungen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir jetzt zunächst den Punkt vornehmen, den wir nach Punkt 9 der Tagesordnung eingefügt haben:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Struve, Dr. Horlacher, Dannemann, Tobaben, Lampl und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Aussprache zu ..verzichten.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Sind Sie mit der Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe dann zunächst den Punkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 4372 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Even. In Ergänzung des Schriftlichen Berichts, Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes liegt dem Hause in Drucksache Nr. 4372 ein ausführlicher schriftlicher Bericht*) vor. Ich kann mich daher auf einige knappe erläuternde Ausführungen beschränken.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat den Zweck, die Arbeitsgerichtsbarkeit auf Bundesebene einheitlich zusammenzufassen und zu regeln. Dies erscheint um so notwendiger, als in den letzten Jahren die verschiedenartige Rechtsprechung in den einzelnen Ländern, ja oft sogar einzelner Kammern zur Rechtsunsicherheit geführt hat. Die inzwischen neu gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere die Entwicklung der letzten acht Jahre, fanden in dem Gesetzentwurf entsprechende Berücksichtigung. Dem Gesetzentwurf liegt die Drucksache Nr. 2331 zugrunde, die am 12. Juni 1951 von der Fraktion der SPD eingebracht worden ist. In der 229. Sitzung vom 11. September 1952 fand die erste Lesung des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes Drucksache Nr. 3516 statt, nach der er zur weiteren Beratung dem Ausschuß für Arbeit und dem Rechtsausschuß überwiesen wurde. Der Ausschuß für Arbeit befaßte sich in 15 Sitzungen mit dem Inhalt der Ge-
*) Siehe Anlage Seite 13295
setzesvorlage. Auch die Vertreter der Ministerien leisteten bei den Beratungen wertvolle Beiträge. Der Ausschuß für Arbeit leitete das Ergebnis seiner Beratungen an den Rechtsausschuß weiter.
Die Beschlüsse des Rechtsausschusses fanden in den folgenden Beratungen des Ausschusses für Arbeit weitgehend Berücksichtigung. In verschiedenen entscheidenden Punkten jedoch weichen die Ergebnisse der Beratungen voneinander und vom Regierungsentwurf ab. Ich darf insbesondere auf folgende Änderungen bzw. Verschiedenheiten aufmerksam machen. Unter Berücksichtigung des inzwischen verabschiedeten Betriebsverfassungsgesetzes werden in § 2 Abs. 1 die Ziffer 4 Buchstaben a bis s sowie die weiteren Absätze 2 Buchstaben a und b und 3 eingefügt. Der ursprüngliche Abs. 2 wird Abs. 4. Der Rechtsausschuß schließt sich diesem Vorschlag des Ausschusses für Arbeit an.
In § 5 wird Abs. 2 auf Vorschlag beider Ausschüsse wie folgt formuliert: „Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer".
In § 7 — und hier besteht eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit — sieht der Regierungsentwurf Einvernehmen zwischen der obersten Arbeitsbehörde des Landes mit der Landesjustizverwaltung vor. Der Ausschuß für Arbeit beschließt, zur Vermeidung gegenseitiger Kompetenzstreitigkeiten und hierdurch entstehender Verzögerungen das Wort „Einvernehmen" durch das Wort „Benehmen" zu ersetzen. Der Rechtsausschuß dagegen schlägt vor, „Einvernehmen" zwischen der Landesjustizverwaltung und der obersten Arbeitsbehörde des Landes herzustellen. In diesem Paragraphen wie auch in den nachfolgenden Paragraphen soll auf Vorschlag des Rechtsausschusses die Landesjustizverwaltung, nicht aber die oberste Arbeitsbehörde des Landes die entscheidende Behörde sein.
Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen auch bei § 11 des Gesetzentwurfes, der die Zulassung von Rechtsanwälten in erster Instanz behandelt. Der Regierungsentwurf sieht im Gegensatz zu den Bestimmungen des früheren Arbeitsgerichtsgesetzes vor, daß neben jeder prozeßfähigen Person auch Rechtsanwälte in erster Instanz als Prozeßvertreter zugelassen sind. Der Ausschuß für Arbeit ist in seiner Mehrheit anderer Auffassung. Nach seinem Beschluß sind vor den Arbeitsgerichten als Bevollmächtigte in erster Instanz Beistandsrechtsanwälte und Personen, die das Verhandeln vor Gericht gewerbsmäßig betreiben, ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht kann in Fällen, in denen die Wahrung der Rechte der Partei dies notwendig erscheinen läßt, Rechtsanwälte oder Personen, die das Verhandeln vor Gericht gewerbsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte zulassen. Der Rechtsausschuß dagegen übernimmt die Formulierung der Regierungsvorlage, welche Rechtsanwälte in erster Instanz zuläßt. Beide Ausschüsse bringen einen weiteren § 11 a in Vorschlag, der eine notwendige Prozeßvertretung jener Parteien regelt, denen die Mittel zu einer eigenen Vertretung fehlen und deren Vertretung nicht durch die Gewerkschaften oder die Arbeitgeberverbände übernommen werden kann.
Bei § 14 Abs. 1 und 2 sowie bei § 15 bestehen dieselben verschiedenen Auffassungen wie bei § 7.
Zu § 16 Abs. 1 wie auch zu den weiteren Paragraphen schlägt der Rechtsausschuß vor, das Wort „Arbeitsrichter" durch das Wort „Beisitzer" zu ersetzen.
Bei § 18 Abs. 3 schlägt der Ausschuß für Arbeit vor, daß auch solche Personen, die sich durch eine längere, mindestens fünfjährige Tätigkeit in der Beratung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und in der Vertretung vor Arbeitsgerichten umfassende Kenntnisse und Erfahrungen erworben haben, zu Vorsitzenden von Arbeitsgerichten bestellt werden können. Regierungsentwurf und Rechtsausschuß sehen hier vor, daß die Vorsitzenden neben ihren Kenntnissen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und Arbeitslebens die Fähigkeit zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes haben müssen. Bei Abs. 7 des § 18 bestehen Abweichungen in der Frage der Anstellung von Hilfsrichtern bezüglich der Fristen einer solchen Bestellung.
§ 55 Abs. 3 der Regierungsvorlage sieht Güteverhandlungen auch vor anderer Stelle als dem Arbeitsgericht vor. Zu dieser Frage wurden im Ausschuß für Arbeit Sachverständige der handwerklichen Spitzenverbände und der Gewerkschaften gehört. Da zum damaligen Zeitpunkt die Handwerksordnung noch nicht verabschiedet war, blieb die Frage offen.
§ 76 der Regierungsvorlage schließt die Sprungrevision aus, während der Rechtsausschuß diese ausdrücklich zulassen will.
Durch § 111 erhalten nach Vorschlag beider Ausschüsse die Seemannsämter das Recht, auch in Zukunft Arbeitssachen zu entscheiden.
In § 118 soll auf Antrag des Rechtsausschusses das Datum „31. Dezember 1955" in „31. Dezember 1956" geändert werden.
Bei § 121 weichen die Termine über das Inkrafttreten des Gesetzes voneinander ab.
Ich habe versucht, auf die wichtigsten Verschiedenheiten in der Auffassung hinzuweisen und darf im übrigen auf den Ihnen schriftlich vorgelegten Bericht verweisen.
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes in der anliegenden Fassung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten ein in die zweite Beratung. Ich rufe auf den Ersten Teil, § 1, — § 2, — § 3. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; diese Paragraphen sind angenommen.
Zu § 4 ein Änderungsantrag der Gruppe der KP Umdruck Nr. 948 Ziffer 2. Zur Begründung Herr Abgeordneter Kohl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser § 4, der besagt, daß in den Fällen, die die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts betreffen, Ausnahmen zugelassen sind, bedeutet nach unserer Meinung eine wesentliche Beeinträchtigung der ausschließlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Wir sind damit einverstanden, daß die Zuständigkeit so, wie sie in § 2 formuliert worden ist, bestehen bleibt, da die Arbeitsgerichte nach unserer Meinung in Streitigkeiten arbeitsrechtlicher Natur allein zuständig sein müssen und Ausnahmen unter keinen Umständen zugelassen werden können — Ausnahmen, ,die zu einer Stär-
kung der Macht des Unternehmertums auch auf diesem Gebiet führen.
Selbst auf die Gefahr hin, daß mancher Vorsitzende eines Arbeitsgerichts wenig fortschrittlich ist, bedeutet die ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts immer noch einen Vorteil vor einer Schiedsgerichtsbarkeit, wie sie in den §§ 91 bis 107 a vorgesehen ist. Die Erfahrung lehrt, daß die Einflußnahme der Schiedsinstanzen in Arbeitsstreitigkeiten zum übergroßen Teil zuungunsten der kämpfenden Arbeitnehmer und zugunsten des Unternehmertums ausgewertet worden ist. Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte besteht die Möglichkeit der Berufung bzw. der Revision, während die Angriffsmittel gegen einen Schiedsspruch nach § 100 bedeutend eingeschränkt sind.
Bei der Bewertung des Inhalts des § 4 kann man auch nicht davon ausgehen, daß es ja den Parteien eines Arbeitsvertrags bzw. den Tarifvertragsparteien, die einen Schiedsvertrag abgeschlossen haben, vorbehalten bleibt, sich den richtigen Vorsitzenden auszuwählen. Die Praxis hat eindeutig gezeigt, daß die Arbeitnehmerschaft dabei ständig den kürzeren gezogen hat. Wir sind für eine kompromißlose Lösung dieses Problems und beantragen daher die Streichung des § 4. Ich darf Sie bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Sie haben die Begründung gehört, meine Damen und Herren. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der KP auf Streichung des § 4. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Auch zu § 5 und § 6 liegen jeweils Änderungsanträge der KP Umdruck Nr. 948 Ziffern 3 und 4 vor. Ich rufe gleichzeitig § 7 auf. Wollen Sie bitte auch Ihren Antrag zu diesem Paragraphen mit begründen, Herr Abgeordneter Kohl!
— Sie haben unter Ziffer 1 den Antrag gestellt, die Worte „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" oder „im Benehmen mit dem Bundesminister der Justiz" in allen Paragraphen zu streichen. Das bezieht sich zuerst auf § 7.
Meine Damen und Herren! Wir verlangen, daß in § 5 hinter dem Wort „Angestellte" die Worte „und Beamte" eingefügt werden. Der § 5 behandelt den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne dieses Gesetzes und läßt bezeichnenderweise die Beamten heraus, gibt also den Beamten nicht die Möglichkeit, ihr Recht ebenfalls vor einem Arbeitsgericht zu suchen.
— Sie können nachher dazu reden! — Der § 5 berührt ein grundlegendes Problem.
Herr Abgeordneter Kohl, S i e werden das Machen von Zwischenrufen gerade nicht beanstanden können!
Sicherlich nicht, ich rege mich auch nicht auf, Herr Präsident! — Der § 5 berührt deshalb ein grundlegendes Problem und ist in seiner Formulierung ein offenkundiger Rückschritt im Arbeitsrecht, auch gegenüber den Formulierungen der bestehenden Arbeitsgerichtsgesetzgebung. Wenn Sie also wirklich den Willen hätten, ein fortschrittliches Arbeitsgerichtsgesetz zu schaffen, dann hätten Sie das bestehende Arbeitsgerichtsgesetz der amerikanischen Zone mit übernehmen müssen, weil dort zum großen Teil alte Forderungen der Gewerkschaften aufgenommen worden sind. In der Kategorie der Arbeitnehmer, die Sie hier in § 5 festlegen, fehlen bezeichnenderweise die Beamten, die sogar mit dem Abs. 2 ausdrücklich mit ihren Streitigkeiten ausgeschlossen werden. Man kann den Beamten in ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung auch unter Zugrundelegung ihrer bürgerlichen Auffassung, und zwar in ihrer Stellung gegenüber der Öffentlichkeit als Organ des Staates, eine besondere Stellung im Staatsleben beimessen. Aber, meine Damen und Herren, Sie können nicht daran vorbeigehen, daß auch die Beamten Arbeit in abhängiger Stellung gegen Entgelt leisten und somit Arbeitnehmer, wenn auch. des Staates und. seiner Organe, sind.
Mit der sogenannten kleinen Justizreform vom 1. Oktober 1950 haben Sie mit einem Federstrich das wirklich teilweise fortschrittliche Recht der Beamten des Landes Hessen annulliert, demzufolge die Beamten bekanntlich mit allen Streitigkeiten, die sich nicht auf jene aus der Gründung und Beendigung des Beamtenverhältnisses bezogen, vor die Arbeitsgerichte gehen konnten. Gerade die kleinen Beamten haben ein besonderes Interesse daran, daß ihre Streitigkeiten mit den sogenannten Dienstherren vor die Arbeitsgerichte kommen. Nach dem jetzigen Zustand müssen diese Leute vor die Landgerichte gehen, die den Anwaltszwang aufweisen, dadurch den Beamten unnötige Kosten verursachen und den Streit wesentlich verteuern. Hinzu kommt. daß ein solches Verfahren vor dem Landgericht bei der Langsamkeit dieser Gerichte den Ausgang des Streites hinauszögert. Wir haben uns deshalb erlaubt, diesen Änderungsantrag zu § 5 zu stellen.
Zu § 6 haben wir den Antrag gestellt:
Die Gerichte für Arbeitssachen sind mit einem von den Gewerkschaften zu benennenden Vorsitzenden und mit Beisitzern zu besetzen, die von den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden benannt werden.
Entscheidend war für uns die Tatsache, daß in der Ausschußvorlage von Berufsrichtern die Rede ist, die ganz zwangsläufig, so wie im § 18 vorgesehen, die Voraussetzungen der Fähigkeit zum Richteramt haben. Wir wünschen in der Arbeitsgerichtsbarkeit keine Berufsrichter, sondern Menschen, die im täglichen Leben stehen und die wirklichen Nöte der vor den Arbeitsgerichten Rechtsuchenden klar erkennen. Wir sind auch der Meinung, daß der Vorsitzende des Gerichts für Arbeitssachen von den Gewerkschaften zu benennen ist, da wir bei einem Unternehmer als Vorsitzendem das notwendige soziale Verständnis nicht voraussetzen.
Zur Begründung unseres Gesamtantrages glaube ich, daß man an die Thesen des Herrn Berichterstatters anknüpfen sollte, der die Meinung vertreten hat, daß dieses Gesetz im fortschrittlichen Sinne aufgebaut sei. Ich glaube, wenn er einen Blick in die Vergangenheit der Arbeitsgerichtsgesetzgebung wirft, dann wird er nicht behaupten wollen, daß das vorliegende Gesetz mit Fortschritt auch nur das mindeste zu tun hat. Denken Sie bitte an die Zeiten, wo in langen und heftigen Kämpfen die Arbeitsgerichte, wie wir sie vor 1933 kannten, entstanden sind. Es ist eine Tatsache, daß die Gewerk-
schaften damals heftig darum gestritten haben, ein selbständiges, unabhängiges Arbeitsgericht zu schaffen, und daß es schließlich 1926 zu einem Arbeitsgerichtsgesetz kam. Eine der wesentlichsten Forderungen wurde damals nicht erfüllt, nämlich die Arbeitsgerichte eindeutig der Arbeitsverwaltung zu unterstellen und sie aus dem Rahmen der Justizverwaltung herauszulösen, der sie ihrem ganzen Wesen nach absolut fremd sind und in ihrem Herkommen nicht entsprechen.
Hier liegt nun ein Arbeitsgerichtsgesetz vor, das aus den Fehlern der damaligen Zeit ebenfalls nichts gelernt hat und den wesentlichen Einfluß der Justizverwaltung auch bei der Neuerrichtung der Arbeitsgerichte vorsieht. Die entsprechenden Formulierungen in dem Gesetz, die immer von einem Benehmen mit der Landesjustizverwaltung oder mit dem Bundesminister der Justiz sprechen, setzen den wesentlichen Teil der weit fortschrittlicheren Arbeitsgesetzgebung in der amerikanischen Zone außer Kraft. Als 1946 mit Zustimmung des Alliierten Kontrollrats in der amerikanischen Zone die Arbeitsgerichte neu gebildet wurden, hat man bewußt die Justizverwaltung ausgeschaltet und die Dienstaufsicht allein den Arbeitsbehörden übertragen. Dieses Gesetz in der amerikanischen Zone erfüllt also einen wesentlichen Teil der alten Forderungen der Gewerkschaften, die Sie hier mit einem Federstrich liquidieren und die wir durch unseren Antrag wieder neu in das Gesetz einzubauen versuchen. Wir ersuchen Sie deshalb um die Zustimmung.
Zu § 7 liegt ein Antrag der Abgeordneten Dr. Laforet und Genossen, Umdruck Nr. 953 Ziffer 1, vor. Er hat die Ersetzung der Worte „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" durch die Worte „im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung" zum Ziele. Wer wünscht, den Antrag zu begründen? — Keine Begründung? — Herr Abgeordneter Ewers scheint bereit zu sein, den Antrag zu begründen.
In genauem Gegensatz zu den Kommunisten sind wir der Auffassung, daß es grundsätzlich nicht richtig ist, die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht als einen Teil der Justiz, sondern als einen Teil der Arbeitsverwaltung anzusehen. Der Ausschuß hat vorgesehen, daß in erster Linie die Arbeitsverwaltung Herr der Gerichte sein sollte, und nach langem Hin und Her haben sich die Antragsteiler des Antrags auf Umdruck Nr. 953 zu Ziffer 1 damit abgefunden. Wir möchten aber, daß, wenn schon die Arbeitsverwaltung beim Aufbau der Gerichte federführend ist, die Justizverwaltung mindestens gleichwertig beteiligt ist. Deswegen unser Antrag, überall dort, wo in der Vorlage „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" steht, „im Einvernehmen" zu setzen.
Als Ergänzung dazu ist am Schluß dann noch eine Vorschrift vorgesehen, daß, wenn das Einvernehmen nicht hergestellt werden kann, das Kabinett, also die oberste Landesbehörde, die Entscheidung zu fällen hat. — Es muß doch hier irgendwo stehen!
Wir hatten es hier jedenfalls entworfen.
— Dann muß der Antrag nachgeholt werden.
— Wenn Sie ihn schon gestellt haben, ist es in Ordnung. Jedenfalls gehört dazu ein weiterer Antrag,
der hier vergessen worden ist, wie ich sehe, wonach die Entscheidung, wenn das Einvernehmen nicht hergestellt werden kann, ,der Regierung, also der obersten Landesbehörde, zusteht.
Also, meine Damen und Herren, dieser Antrag — —
— Meine Damen und Herren, der ständige Ruf, er sei gegenstandslos, kann mich nicht überzeugen. Es liegt ein weiterer Antrag Umdruck Nr. 951 vor, der sich nicht auf § 7 bezieht. Ich vermag nicht zu sehen, ob Sie das Wort „Benehmen" in § 7 übersehen haben; dann hätten Sie einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Wahrscheinlich ist das übersehen worden.
Im übrigen ist der Antrag gestellt, einen § 116 a einzufügen.
Bitte, Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier liegt kein Irrtum vor. Ich möchte bemerken, daß in den Ausschußberatungen für die Durchführung der organisatorischen Dinge, die mit dem Arbeitsgerichtsgesetz zusammenhängen, immer eine gute Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung und den Justizbehörden gewünscht worden ist. Die Bestimmungen haben nun ein etwas wechselvolles Geschick gehabt. Ursprünglich hatte die Bundesregierung vorgeschlagen, daß in ganz bestimmten Fragen ein Einvernehmen zwischen Justizverwaltung und Arbeitsverwaltung erforderlich sein sollte. Der Bundesrat hatte beantragt, an Stelle des Wortes „Einvernehmen" das Wort „Benehmen" zu setzen. Der Ausschuß für Arbeit hatte die Formulierung entsprechend diesem Bundesratsvorschlag ausgearbeitet, und zwar aus dem Grunde, weil in der Rechtsprechung Schwierigkeiten entstanden sind. Verschiedene Verwaltungsgerichte hatten nämlich entschieden, daß in den Fällen, in denen ein Einvernehmen vorgeschrieben ist, dieses Einvernehmen aber nicht erzielt werden kann, es auch nicht durch einen Kabinettsbeschluß ersetzt werden könne. Praktisch sind also dadurch Schwierigkeiten entstanden, daß eine endgültige Regelung in solchen Streitfällen nicht möglich gewesen ist.
Nun haben wir in dem Umdruck Nr. 951 vorgeschlagen, in einer Reihe von Paragraphen das Wort „Benehmen" durch „Einvernehmen" zu ersetzen, nicht in allen Paragraphen, sondern nur dort, wo es zweckmäßig ist, und dafür den § 116 a einzufügen, der die Fälle regelt, wo ein Einvernehmen zwischen den beiden Verwaltungen nicht erzielt wird.
Ich möchte daher beantragen, nicht in § 7 Abs. 1 „Benehmen" durch „Einvernehmen" zu ersetzen. Es ist eine ganz unwesentliche Bestimmung; die Änderung würde die ganze Verwaltungsarbeit erschweren. Wir haben in Umdruck Nr. 951 alle die Paragraphen herausgestellt, bei denen es wesentlich auf die Herstellung des Einvernehmens der Arbeitsverwaltung mit der Justizverwaltung ankommt.
Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion des Bundestages hält es nicht für notwendig, daß entgegen dem Beschluß des Ausschusses für Arbeit die Worte „im Benehmen" wiederum, in „im Einvernehmen" umgeändert werden. Uns leiten lediglich Gründe der Zweckmäßigkeit. Wir sind der Überzeugung, daß die Arbeitsverwaltungen der Länder und die Bundesarbeitsverwaltung in der Lage sind, die ihnen nach diesem Gesetzentwurf zugedachten Aufgaben in jeder Beziehung objektiv und sachlich einwandfrei zu regeln. Wenn wir zustimmen, daß die Worte „im Benehmen" enthalten bleiben können, so aus der einfachen Erwägung heraus, daß die Arbeitsverwaltung den Rat und die Ansicht der Justizverwaltungen hören soll. Aber wir sollten in diesen Fragen die Dinge nicht unnötig erschweren. In § 7 heißt es unter anderm:
Die Einrichtung der Geschäftsstelle bestimmt bei den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten die oberste Arbeitsbehörde des Landes im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung . . .
Bitte, muß es hier heißen „im Einvernehmen"? Wir sind der Auffassung, daß „im Benehmen" voll und ganz genügt, und die gleiche Auffassung vertreten wir auch bei den anderen Paragraphen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD Umdruck Nr. 948 Ziffer 3 zu § 5. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 948 Ziffer 4 betreffend § 6, Antrag der KPD, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der weitestgehende Antrag zu § 7 ist der der KPD, Umdruck Nr. 948 Ziffer 1, in allen Paragraphen die Worte „im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" oder „im Benehmen mit dem Bundesminister der Justiz" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag, den Herr Abgeordneter Ewers begründet hat, in § 7 und einer großen Zahl von weiter aufgeführten Paragraphen einschließlich § 18 jeweils die Worte ,,im Benehmen mit der Landesjustizverwaltung" durch die Worte „im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung" zu ersetzen. Meine Damen und Herren, halten Sie eine Einzelabstimmung jeweils nach den Paragraphen für erforderlich?
— Ich lasse dann über den Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 zunächst abstimmen, soweit er § 7 Abs. 1 betrifft. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich habe die Frage, wenn ich mich recht erinnere, zu den §§ 4, 5 und 6 noch nicht gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§4, 5 und 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Ich rufe auf die §§ 8, — 9, — 10. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 11 liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KP auf Streichung des letzten Satzes des Abs. 1 vor, Umdruck Nr. 948 Ziffer 5. Herr Abgeordneter Kohl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu § 11 den Antrag gestellt, daß der letzte Satz des Abs. 1 gestrichen wird, in dem es heißt:
Das Arbeitsgericht kann in Fällen, in denen die Wahrung der Rechte der Parteien dies notwendig erscheinen läßt, Rechtsanwälte und Personen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Prozeßbevollmächtigte zulassen.
In der Begründung zum Schriftlichen Bericht wird diese Formulierung als Kompromiß angesprochen. Die Frage der Prozeßvertretung in der ersten Instanz ist eine der entscheidendsten Fragen dieses Gesetzes überhaupt. Wir wissen, daß die Unternehmerkreise außerordentlichen Wert darauf legen, juristisch geschulte Prozeßvertreter, über die sie ja in rauher Menge verfügen, in der ersten Instanz als ihre Interessenvertreter auftreten zu lassen und damit bei der Verhandlung das Übergewicht gegenüber dem wirtschaftlich Schwachen zu besitzen.
Das Arbeitsgerichtsgesetz der süddeutschen Länder verzichtet bewußt auf die Zulassung der geschäftsmäßigen Juristen in der ersten Instanz. Es gestattet nur, wie es dann auch in diesem Gesetz festgelegt ist, ihre Zulassung zur Revisionsinstanz. Die Fernhaltung der geschäftsmäßigen Juristen im ersten Rechtszug entspricht ebenfalls einer alten Forderung der Arbeiterschaft und stützt sich auf die Tatsache, daß die Arbeitsgerichte vor 1933 zu einem üblen Tummelplatz der Unternehmersyndizi geworden waren. Die Herren haben das notwendige Geld, um ihre gutbezahlten Rechtsanwälte auf die Arbeitsgerichte loszulassen, während den wirtschaftlich Schwachen die Möglichkeit dazu nicht gegeben ist.
Die jetzige Formulierung des Gesetzes bedeutet also eine wesentlich rückschrittliche Regelung — allerdings im Sinne der Bonner Regierung und der von ihr vertretenen wirtschaftlichen Gruppen — gegenüber dem in den süddeutschen Zonen gültigen Arbeitsgerichtsgesetz. Es ist unsinnig zu behaupten, daß die bisherige Regelung des Ausschlusses der Rechtsanwälte in der ersten Instanz mit Art. 3 des Grundgesetzes unvereinbar sei. Sie verkehren das Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz in das Gegenteil! Der Ausschluß der Rechtsanwälte in der ersten Instanz hat ja nur den Sinn, daß der sozial Schwache, der Arbeiter, der sich mit
I seinen bescheidenen Mitteln zur Vertretung seiner Belange keinen Rechtsanwalt leisten kann, nicht benachteiligt wird gegenüber dem meist beklagten Unternehmer, der also nach den Bestimmungen des Entwurfs dem zumeist rechtlich unbeholfenen Arbeiter überlegen wäre und somit von vornherein einen starken Vorteil für sich buchen könnte.
— Ich habe es gelesen!
Aber ich will Ihnen sagen, daß die Praxis der Arbeitsgerichte so sein wird, daß in den meisten Fällen Prozeßvertreter in der ersten Instanz zugelassen werden.
— Dafür, daß diese Voraussetzungen gegeben sind, sorgt die Zusammensetzung der einzelnen Spruchkammern in diesem Gesetz.
Wir sind der Auffassung, daß man es bei dem wirklich fortschrittlichen Grundsatz belassen sollte, in der ersten Instanz Rechtsanwälte auszuschalten, und die Praxis in der amerikanischen Zone gibt unserm Antrag absolut recht.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Antrag auf Umdruck Nr. 953 Ziffer 2.
— Frau Abgeordnete Dr. Ilk, bitte!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner sind wir der Ansicht, daß es im Interesse der Rechtsuchenden beim Arbeitsgericht liegt, daß Anwälte zur Vertretung auch in der ersten Instanz zugelassen sind. Es ist keinesfalls richtig, daß durch die Zulassung des Anwalts in der ersten Instanz das Verfahren etwa gehemmt wird oder langsamer vor sich geht
oder aber daß eine Verteuerung eintritt. Wenn ein Anwalt bei dieser schwierigen Materie, die doch jetzt das Arbeitsrecht schon allmählich geworden ist, durch seine Rechtspraxis in der Lage ist, die Prozeßmaterie im wesentlichen sofort richtig zu erfassen, seinen Klienten zu beraten und die Sache auch für das Gericht gründlich vorzubereiten, dann wird das Verfahren wesentlich mehr beschleunigt werden, als wenn ein juristischer Laie als Prozeßvertreter fungiert. Auch wird das Verfahren durch Zulassung der Anwälte nicht verteuert; denn erstens einmal sind ja die Gebühren an sich nicht sehr hoch, und zum zweiten ist die Möglichkeit gegeben, daß eine arme Partei im Armenrecht klagt; und zum dritten gibt es auch im Prozeß vor dem Arbeitsgericht keine Erstattungspflicht, das heißt: wenn eine Partei etwa im Prozeß unterliegt, braucht sie den gegnerischen Anwalt oder die Kosten des Prozeßgegners nicht zu bezahlen.
Wir müssen uns, wenn wir diese Frage erörtern, aber auch darüber klar sein, daß jedem Prozeßbeteiligten vor dem Gericht eine Chancengleichheit gewährt werden muß. Das ist aber nicht der Fall, wenn eine Partei vielleicht nicht ordnungsgemäß dadurch vertreten ist, daß sie nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist — um z. B. auf den Arbeitnehmer zu exemplifizieren — und infolgedessen nicht die
Hilfe der Gewerkschaften in Anspruch nehmen kann, während dem organisierten Arbeiter jederzeit die Hilfe der Gewerkschaft zur Verfügung steht.
Nun haben einige Herren Kollegen schon im Rechtsausschuß gesagt, gerade das sei von Bedeutung, daß sich Arbeitnehmer z. B. — um noch einmal auf den ersten Punkt zurückzukommen — der Gewerkschaftsvertreter bedienen könnten; denn dadurch wären sie auch in der Kostenfrage entlastet und hätten trotzdem eine fachmännische Vertretung. Ich glaube aber, wenn ich mir das einmal in diesem Kreis zu sagen erlauben darf, daß die Kosten, die dem Betreffenden erwachsen, wenn er nicht organisiert ist und vielleicht einen Anwalt bezahlen muß, noch 'nicht so groß sind, wie wenn er vielleicht jeden Monat unter Umständen Jahre hindurch die Gewerkschaftskosten bezahlen muß.
— Aber, meine Herren, nehmen Sie doch bitte einmal einen Bleistift und rechnen Sie das einmal nach!
— Aber seien Sie doch nicht gleich so aufgeregt; rechnen Sie doch einmal nach! Wenn der Arbeitnehmer ein kleines Streitobjekt hat, sind die Kosten nicht sehr hoch; wenn er aber seinerseits vielleicht jahrelang einen Beitrag zahlen muß — und man führt ja nicht alle Jahre einen Prozeß —, so kostet das natürlich erheblich mehr. Das ist eine ganz hübsche Summe.
— Manchmal eben doch. Herr Baur, wozu so aufgeregt? Das ist nun einmal ein Rechenexempel, das ich angestellt habe, und das können Sie mir ja nicht gut widerlegen.
Aber nun noch einmal zurück zu den Anwälten. Wenn jemand organisiert ist, dann soll es nämlich auch vorkommen, daß sich der betreffende organisierte Arbeitnehmer vielleicht gar nicht sehr gern von dem betreffenden Funktionär vertreten läßt. Auch das soll schon dagewesen sein. Dann ist er ja wieder irgendwie behindert. Ich meine also, es muß durchaus auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, ihm die gleichen Chancen zu geben, d. h. dem, der nicht organisiert ist, die gleichen Chancen der Prozeßvertretung zu geben wie dem Organisierten.
Darüber hinaus, meine Herren, geht es ja nicht immer nur um den sozial schwächeren Arbeitnehmer. Der kleine Arbeitgeber, der nicht organisiert ist, würde ja auch ins Hintertreffen kommen gegenüber dem organisierten Arbeiter, der durch einen Gewerkschaftsvertreter im Prozeß vertreten werden muß.
— Natürlich ist das richtig! Nun, geben Sie doch Beispiele an, wo es falsch ist, und beweisen Sie das Gegenteil, Herr Kollege Baur! Dazu sind Sie vielleicht durchaus in der Lage. — In jedem Fall muß aber diese Möglichkeit, sich fachmännisch vertreten zu lassen, auch jedem kleinen Arbeitgeber, der möglicherweise nicht durch eine große Organisation vertreten wird, gegeben werden.
4) Aus all diesen Gründen stehe ich auf dem Standpunkt — und die Antragsteller mit mir —, daß man den Personenkreis, der von Berufs wegen dazu bestimmt ist, die Rechte der Rechtsuchenden vor Gericht zu vertreten, nämlich die Rechtsanwälte nicht ausschließen soll und daß die Argumente, die dagegen sprechen, nicht so sind, daß sie durchschlagen können. Ich bitte, unserem Antrag zuzuzustimmen.
Meine Damen und Herren, zu § 11 liegt noch eine ganze Reihe weiterer Anträge vor.
Zunächst Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 952 Ziffer 1. Herr Abgeordneter Ludwig, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir diesen Antrag auf Streichung der zwei letzten Sätze gestellt haben, so deshalb, weil wir der Auffassung sind, daß sich die bisherige Praxis durchaus bewährt hat. Man wird nun entgegnen, daß es die Rechtsanwälte sein werden, die sich gegen unsern Antrag wenden und die sich hinter den eben begründeten Antrag stellen. Ich habe dieser Tage einen sehr interessanten Artikel von unserem sehr geschätzten Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit, Herrn Sabel, ,gelesen, in dem er dargelegt hat, wie sich die Angelegenheit historisch entwickelt hat. Er hat darin nachgewiesen, daß es gerade die Rechtsanwälte waren, die sich damals dafür eingesetzt haben, in der ersten Instanz nicht zugelassen zu werden. Ich glaube, sehr viele der Gründe, die damals angeführt worden sind, haben auch heute
3 noch Geltung.
Es ist hier vom kleinen Unternehmer gesprochen worden. Tatsächlich war es bisher so, daß durch die weitgehend geübte Praxis, zu Vergleichen zu kommen, sehr viele Entlassungen verhindert werden konnten. Dadurch blieb auch ein gutes Verhältnis zum Unternehmer gewahrt. Die Arbeitsgerichte waren immer darauf bedacht, durch das Anstreben von Vergleichen in jeder Phase des Prozesses entweder Entlassungen zu verhindern oder das gute Einvernehmen wiederherzustellen oder zu erhalten.
Dazu kommt auch noch nach wie vor, daß das Verfahren rasch vor sich gehen und billig sein muß. Ich will absolut keinem Rechtsanwalt unterschieben, daß er absichtlich oder leichtfertig auf Vertagungen hinarbeite. Aber das ergibt sich vielfach ganz einfach aus der Praxis. Wir fürchten, daß dann vom Unternehmer die Streitsachen mechanisch dem Anwalt überwiesen werden. Dadurch würde das Ganze zu einer mechanischen Angelegenheit werden. Auf der andern Seite würden aber auch Verzögerungen und Verteuerungen eintreten. Man muß immer daran denken, daß es bei den Arbeitnehmern, die prozessieren, um einen Lohn geht, der für sie das tägliche Brot ist. Die Leute leben von der Hand in den Mund. Es ist ja auch in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf bestimmt, daß immer rasch gehandelt und möglichst an einem Tag entschieden werden muß. Wenn Vergleiche nicht möglich und wenn in begründeten Fällen Vertagungen unvermeidlich sind, so sind hierfür schon Fristen von nur zwei oder drei Tagen vorgesehen.
Wir sind der Auffassung, daß der Rechtsschutz dadurch genügend gewährleistet ist, daß in grundsätzlichen Fällen die Berufung immer möglich ist. Wir sind weiter der Auffassung, daß der Rechtsschutz durch die anderen Vertretungsmöglichkeiten in keiner Weise gefährdet ist. Es liegen Kompromisse vor, die sicher gut gemeint sind. Wir befürchten aber einen Mißbrauch. Deshalb bitten wir Sie, unseren Änderungsantrag anzunehmen.
Ein. letzter Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 951 Ziffer 3. Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie aus dem Umdruck Nr. 951 ersehen, stellt der vorliegende Änderungsantrag der CDU praktisch einen Kompromiß zwischen den beiden hier vertretenen Auffassungen, der Auffassung über die unbegrenzte Zulassung der Rechtsanwälte, die Frau Dr. Ilk vertreten hat, und der Auffassung, Rechtsanwälte in der ersten Instanz nicht zuzulassen, die gerade eben vom Kollegen Ludwig vertreten wurde, dar.
über die bisherige Entwicklung kann ich folgendes sagen. Sowohl in der Gewerbegerichtsbarkeit als auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit waren Rechtsanwälte bisher nicht zugelassen. Man hat nun von der Seite, die die Zulassung befürwortet, eingewandt, daß sich die Verhältnisse erheblich geändert hätten und das Arbeitsrecht wesentlich komplizierter geworden sei; deswegen sei es notwendig, mit der bisherigen Regelung zu brechen und zu einer anderen zu kommen. Demgegenüber sagen diejenigen, die an der bisherigen Regelung festhalten wollen, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit billig sein müsse und daß schnelle Entscheidungen notwendig seien; denn hier handle es sich meistens um Ansprüche von Angehörigen sozial schwächerer Kreise, die nicht längere Zeit warten könnten, bis ihre Ansprüche erfüllt würden, und die auch nicht die Möglichkeit hätten, für die Durchsetzung ihrer Ansprüche viel Geld aufzuwenden.
Ich glaube, es läßt sich nicht leugnen, daß sich in den letzten Jahrzehnten etwas geändert hat. Das Arbeitsrecht ist tatsächlich komplizierter geworden. Es mag Fälle geben, in denen der Rechtsuchende benachteiligt sein könnte, wenn die bisherige Lösung beibehalten würde. Wir haben uns deswegen zu einem Vermittlungsvorschlag veran- laßt gesehen. Praktisch sieht dieser vor, daß zunächst einmal die Regelung des Ausschusses für Arbeit übernommen wird, daß Rechtsanwälte dann zugelassen werden können, wenn die Wahrung der Rechte der Parteien die Zulassung notwendig erscheinen läßt. Nach den Ausschußbeschlüssen sollte darüber die Kammer entscheiden. Dagegen ist eingewandt worden, daß bis zur Entscheidung längere Zeit vergehe und infolgedessen so lange Unklarheit darüber bestehe, ob der Anwalt zugelassen werde. In unserem Kompromißvorschlag ist deswegen die Bestimmung aufgenommen, daß der Vorsitzende des Arbeitsgerichts über den Antrag auf Zulassung von Rechtsanwälten entscheidet. Im Falle der Ablehnung soll aber die Möglichkeit gegeben sein, die Entscheidung der Kammer einzuholen. Die Kammer soll dann aber endgültig entscheiden; es wird keine weitere Beschwerdemöglichkeit gegeben.
Der Antrag des Ausschusses ist noch insoweit ergänzt worden, als Rechtsanwälte auch dann zugelassen werden sollen, wenn der Streitwert 300 DM
oder mehr beträgt, d. h. wenn die Streitsache wegen der Höhe der Streitsumme berufungsfähig ist. Der Grundgedanke ist folgender. In Fällen, in denen die Berufungsmöglichkeit besteht, sollte man dem Anwalt schon in der ersten Instanz die Gelegenheit geben, den Rechtsfall zu bearbeiten. Ich sage in aller Offenheit, daß ein Teil meiner Freunde gegen diese immerhin wesentliche Durchbrechung des bisherigen Grundsatzes Bedenken hatte; aber sie haben dem Kompromiß zugestimmt.
Ich möchte mich mit aller Leidenschaftlichkeit dagegen wehren, daß denjenigen, die nicht die unbegrenzte Zulassung der Rechtsanwälte wollen, der Vorwurf gemacht wird, daß sie einen Berufsstand diskriminierten. Das ist nicht die Absicht. Hier geht es um die Entscheidung einer Zweckmäßigkeitsfrage. Nach unserem Vorschlag soll wenigstens in einem Teil der Fälle, und zwar einem beachtlichen Teil, in denen die Zuziehung eines Rechtsanwalts wertvoll erscheint, die Zulassung möglich sein. Ich glaube, wir sind alle nicht daran interessiert, daß in Bagatell- und einfach gelagerten Fällen das Verfahren verteuert und verlängert wird; denn das läßt sich nun einmal nicht vermeiden. Es entstehen auch Kosten. Manchmal werden diese etwas zu hoch eingeschätzt. Es läßt sich auch nicht abstreiten, daß ein gewisser Zeitverlust eintritt.
Nun haben wir in unserer Formulierung noch eine Änderung gegenüber dem Vorschlag des Ausschusses für Arbeit eingefügt. Wir wollen in Satz 1 die Rechte auf Prozeßvertretung, die den Gewerkschaften und den Zusammenschlüssen von Gewerkschaften, den Arbeitgeberorganisationen und ihren Zusammenschlüssen gegeben sind, auch noch den Vertretern konfessioneller Arbeitnehmervereinigungen gewähren. Lassen Sie mich dazu etwas sagen. In der Vergangenheit waren die Vertreter dieser sozialen Rechtsschutzbüros zugelassen, und es hat keine Schwierigkeiten gegeben. Das lag allerdings zum Teil daran, daß sie in den Jahren vor 1933 in enger Gemeinschaft mit bestimmten Gewerkschaftsrichtungen zusammenarbeiteten und hier durch die Anlehnung an die Gewerkschaften die Möglichkeit zum Auftreten vor den Arbeitsgerichten gegeben war. Die Situation ist, wie Sie wissen, heute anders. Wir möchten aber hier diesen Organisationen doch die Möglichkeit geben, nun gleichfalls vor den Arbeitsgerichten aufzutreten. Wir halten das für zweckmäßig und haben deshalb diesen Vorschlag gemacht. Ich möchte deshalb abschließend für die Annahme unseres Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 951 zu § 11 plädieren. Ich glaube, hier ist der Versuch gemacht worden, einen guten Mittelweg zu gehen. Sicher, er bedeutet, daß jeder etwas nachgeben muß. Aber ich möchte doch hier erreichen, daß die Fronten nicht allzu versteift bleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Mit Dank und Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, daß es nicht in der Absicht des Herrn Kollegen Sabel gelegen habe, den Stand der Rechtsanwälte hier irgendwie in Mißkredit zu bringen. Leider ist ihm diese Absicht aber nicht gelungen. Denn in der Ausschußvorlage ist der Satz stehengeblieben, daß das Arbeitsgericht „Rechtsanwälte oder Personen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben", zulassen kann. Die
Zusammenstellung dieser beiden Gruppen, von denen die erste die nach dem Grundgesetz und nach der Rechtsanwaltsordnung berufene Vertreterin von privaten Interessen vor Gerichten ist und die letztere nach § 157 der Zivilprozeßordnung grundsätzlich ausgeschlossen ist, hier in einem Atemzug ist eine ganz deutliche Diskreditierung dieses gesamten Standes.
Mindestens muß es, wenn es so stehenbleibt, heißen: „befugt wahrnehmen", und ich möchte notfalls beantragen, daß wir also sagen: „befugt geschäftsmäßig betreiben".
Aber abgesehen davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, es handelt sich hier nicht um einen Stand; es handelt sich hier um die Rechtspflege, genauer gesagt: um die Arbeitsrechtspflege. Es ist sehr die Frage, ob die Arbeiter und Angestellten, also die Arbeitnehmer, heute noch sehr daran interessiert sein sollten, daß diese Rechtspflege ganz und gar ein Spezialgebiet für Fachkenner wird und damit den ordentlichen Gerichten mehr und mehr den Vorwurf der Weltfremdheit zuzieht. Ich bin der Ansicht, daß diese Gefahr droht, insbesondere wenn Sie in der ersten Instanz, d. h. im vordersten Schützengraben der Rechtspflege, den Anwalt ausschließen. Denn Sie scheinen sich nicht darüber klar zu sein, wie sehr die Anwaltschaft, die ja die Dinge von vor der Barre, also vom Standpunkt des Rechtsuchenden aus, zu beurteilen pflegt, je und je an der Rechtschöpfung mitgewirkt hat. Wenn Sie das hier im Arbeitsrecht ausschließen wollen, dann sage ich Ihnen ganz offen, daß es Ihnen hier weniger um Recht und mehr um Verwaltung zu tun ist; und davor möchten wir warnen.
Ich bin der Ansicht, daß man dem CDU-Vermittlungsantrag zu § 11 notfalls zustimmen muß. Ich sage aber offen: eine wesentliche Verbesserung gegenüber der Ausschußvorlage sehe ich darin nicht. Wenn ich das richtig verstehe, ist die eine die, daß die Anwälte von kleinen Objekten, die sie ja nur Geld kosten, verschont bleiben, während sie Objekte über 300 DM beliebig wahrnehmen können. Ob 'das gerade ungemein sozial ist, das ist die erste Frage.
Zum anderen ist in der Vorlage des Ausschusses in § 11 a vorgesehen, daß einer armen Partei ein Anwalt beigeordnet werden muß. Das fehlt jetzt; die Bestimmung ist ersatzlos weggefallen,
soweit ich sehe. Ich weiß nicht, wo sie jetzt stehen sollte. § 11 a soll ja eine neue Fassung erhalten, nur in Abs. 1. Dann soll wohl Abs. 1 Abs. 2 werden und Abs. 2 Abs. 3. Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, es ist nur von Abs. 1 die Rede. In Abs. 1 steht das.
— 11 a Abs. 1 der Ausschußvorlage. Da steht die Zulassung der Anwälte als Armenanwalt für den Fall der . . ., und 'das fällt ersatzlos weg.
Zu § 11 a liegt überhaupt kein Änderungsantrag vor.
Aha, das bleibt also. —Meine Damen und Herren, es ist ziemlich dasselbe, wie in den von
der SPD zur Streichung anheimgestellten beiden letzten Sätzen des Abs. 1 schon steht, außer der 300-MarkGrenze. Ich persönlich möchte nicht für meinen Stand sprechen. Ich sage offen: für den viel verdienenden Anwalt ist das überhaupt nicht von Interesse. Es handelt sich hier darum, ob man es heute noch, im heutigen Rechtsstaat, verantworten kann, dieses gesamte große Rechtsgebiet aus dem allgemeinen Recht so herauszuheben, wie es 1890 erwünscht erschien. Ich bin der Ansicht: wer mit der Zeit gegangen ist und auch für die Mängel ein offenes Auge hat, der sollte sagen: die Regierungsvorlage hat schon das Richtige getroffen.
Ich bitte daher, dem Antrag auf Umdruck Nr. 953 zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Ludwig, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einem Passus im Umdruck Nr. 951 sprechen, und zwar zu den Worten in § 11 Abs. 1: „das gleiche gilt für die Prozeßvertretung durch Vertreter konfessioneller Arbeitnehmervereinigungen." Wir haben dagegen Bedenken, und ich will versuchen, das zu begründen.
Soweit ich es beurteilen kann und Einblick in die Zusammenhänge habe, wollen die konfessionellen Arbeitnehmervereinigungen weder Interessenvertretungen noch Gewerkschaftsersatz sein. Sie bezeichnen sich selbst als christliche Standesvereinigungen, die als weltanschaulich Gleichgesinnte ihr Standesbewußtsein pflegen und im kirchlichen Raum zur Geltung bringen. Sie haben es nie als ihre Aufgabe betrachtet, gewerkschaftliche Angelegenheiten im Betrieb zu übernehmen oder die Arbeitnehmer bei Konflikten im Betrieb oder bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zu vertreten. Tatsächlich sind ihre Mitglieder in der Regel zugleich Mitglieder ihrer zuständigen Gewerkschaft, und ich betone ausdrücklich: gute Mitglieder der Gewerkschaften.
Die Ausschaltung oder begrenzte Zulassung der Anwälte darf natürlich auch nach unserer Auffassung nicht zu einer Beeinträchtigung eines guten Rechtsschutzes für die Arbeitnehmer führen. Die Gewerkschaften haben hier nun einmal die langjährigen Erfahrungen; es ist ihre eigentliche Aufgabe, und ihre Vertreter sind entsprechend geschult.
Ich bitte deshalb, den erwähnten Passus zu streichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Streit um den § 11 des Arbeitsgerichtsgesetzes ist allmählich eine leidige Angelegenheit geworden, insbesondere auch für uns Anwälte selbst. Als solcher, aber auch als Abgeordneter spreche ich hier.
Herr Kollege Ludwig hat eben gemeint, nur die Anwälte träten für diese Fassung ein. Meine Damen und Herren, wenn wir dafür eintreten, so tun wir es als diejenigen, die berufen sind, dafür zu sorgen, daß Recht wird. Wir bedauern außerordentlich, daß es bisher der Anwaltschaft nicht möglich war, auf diesem Gebiete mitzuarbeiten und ihre wertvollen Erfahrungen auch denjenigen
zur Verfügung zu stellen, die selbst ihre Rechte nicht ausreichend wahrnehmen können. Unsere Sorge im Ausschuß war nur, daß eine Regelung gefunden wurde, die diesen Bedürfnissen und Forderungen Rechnung trägt. Es kann gar keine Frage sein, daß die bisherige Fassung des § 11 eine Diskriminierung der Anwälte darstellte, daß man diese bewußt von den Arbeitsgerichten fernhalten wollte. Durchschlagende Gründe für diese Regelung konnten nicht vorgebracht werden.
Man beruft sich — auch Herr Kollege Ludwig hat das soeben getan — auf die historische Entwicklung. Man soll die historische Entwicklung richtig sehen. Die Gewerbegerichte und Kaufmannsgerichte, an denen früher Anwälte auch nicht zugelassen waren, sind aus überkommenen Einrichtungen aus der Zeit der französischen Besetzung des Rheinlands, aus dem Institut der Prud'hommes, entstanden. Das waren in der Hauptsache Ausgleichsstellen. In den Reichstagsverhandlungen im Jahre 1890 über die Gewerbegerichte ist auch gerade von den Kollegen, die dafür eintraten, daß Anwälte nicht zugelassen werden sollten, betont worden, daß es sich einmal hierbei nicht um staatliche Gerichte handle — die Gewerbegerichte waren nämlich kommunale Einrichtungen — und daß zum andern 70 bis 80 % der Streitfälle noch nicht einmal vor das eigentliche Gericht, das Gewerbegericht, kamen, sondern in einem Verfahren, das vor dem Gerichtsschreiber dieses Gerichts stattfand, ausgeglichen wurden.
Ähnlich waren die Argumente bei den Debatten um die Einrichtung der Kaufmannsgerichte. Als dort die Frage auftauchte, ob man auch die Konkurrenzklausel der Judikatur dieser Kaufmannsgerichte unterstellen sollte, haben sich ganz gewichtige Stimmen, insbesondere auch die Stimmen der Anwälte, die sonst nicht für die Zulassung der Anwälte bei den Kaufmannsgerichten eintraten, dafür erhoben: Wenn die Konkurrenzklausel — also rechtlich nicht einfach gelagerte Sachen — in die Judikatur der Kaufmannsgerichte hineinkäme, müßten Anwälte zugelassen werden.
Das Argument, das immer vorgebracht wurde, war: Es handelt sich um einfache Sachen, die in aller Regel ohne weiteres ausgeglichen werden können. Das hat sich ganz entscheidend geändert. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß die Zuständigkeit der Gewerbegerichte und Kaufmannsgerichte ja eine ganz beschränkte war, daß dagegen das Arbeitsgericht nach den Paragraphen, die wir soeben beschlossen haben, eine erheblich erweiterte Zuständigkeit hat. Hohe und höchste Objekte können jetzt vor den Arbeitsgerichten verhandelt werden, weil sie diese außerordentlich ausgedehnte Zuständigkeit bekommen haben. Damals lag die Zuständigkeitsbegrenzung bei 300 Mark. Insofern knüpft der Kompromißantrag — das möchte ich hervorheben — an überkommenes Recht an, wenn er sagt, daß lediglich dann Anwälte ohne weiteres zugelassen sein sollen, wenn Streitwerte von mehr als 300 DM in Frage kommen. Das möchte ich klargestellt haben.
Ferner wird immer wieder das Argument gebracht, die Mitwirkung der Anwälte führe zu einer Verzögerung. Meine Damen und Herren, bei den ordentlichen Gerichten, wo Sie ja Beispiele haben — bei den Arbeitsgerichten haben Sie ja noch keine echten Argumente dafür; dort können Sie sie sich ja nur in der Phantasie vorstellen, weil Anwälte bei den Arbeitsgerichten bisher nur in sehr be-
schränktem Umfang mitgewirkt haben —, hört man die Klage nicht, daß die Mitwirkung der Anwälte zur Verzögerung des Verfahrens führe.
Man sagt weiter, Vergleiche und gütliche Erledigungen wurden verhindert. Wer die Entwicklung bei den ordentlichen Gerichten, an denen Anwälte zugelassen sind, in den letzten Jahren verfolgt hat, der wird erfreut feststellen, daß der Prozentsatz der gütlich durch Vergleich erledigten Sachen in den letzten Jahrzehnten, insbesondere in den letzten Jahren, außerordentlich zugenommen hat. Dann kann man doch nun nicht sagen, daß die Tätigkeit der Anwälte geeignet sei, eine gütliche Erledigung von Streitfällen zu verhindern.
Schließlich spricht man von den Kosten. Meine Damen und Herren, es ist eben schon darauf hingewiesen worden, daß das Arbeitsgerichtsgesetz eine Kostenerstattung nicht kennt, so daß derjenige, der den Prozeß verloren hat, nicht auch noch dem Gegner die Kosten zu erstatten braucht, wenn dieser einen Anwalt hatte. Im übrigen hat aber der Rechtsausschuß gerade darauf Wert gelegt, daß die Gleichheit der Waffen gewahrt werde, und infolgedessen den § 11 a eingefügt, der ja stehen bleiben soll, Herr Kollege Ewers. Dieser § 11 a sieht vor, daß, wenn eine Partei durch einen Anwalt vertreten ist und die andere Partei das Armenrecht beantragt, dieser ein Anwalt auch vor dem Arbeitsgericht beigeordnet werden m u B. Das ist eine Erweiterung gegenüber dem, was vor dem Amtsgericht gilt, wo ein Anwalt nicht beigeordnet zu werden braucht, sondern nur in Ausnahmefällen beigeordnet wird. Hier m u ß der Anwalt beigeordnet werden. Ich bin also der Meinung, daß die Gründe, die gegen die Zulassung von Anwälten vorgebracht werden, nicht stichhaltig sind, und möchte diesen Gründen auch nachdrücklich und ausdrücklich widersprechen.
Meine Damen und Herren, ich persönlich befinde mich in echter innerer Not. Ich muß als Anwalt — und als solcher berufen, für das Recht einzutreten — mich für die unbedingte Zulassung der Anwälte einsetzen. Wenn ich mich trotzdem für den Kompromißantrag, der in Umdruck Nr. 951 niedergelegt ist, ausspreche, so geschieht das aus mehreren Gründen, die ich noch kurz darlegen möchte.
Einmal ist der diskriminierende Satz „Anwälte sind ausgeschlossen" in diesem Kompromißantrag weggefallen. Ich verkenne nicht, daß damit sachlich nichts Entscheidendes gesagt ist, wenn er ersetzt ist durch die Worte „sind nur zugelassen". Aber die äußere Diskriminierung, daß sie schlechthin ausgeschlossen sind, ist in dieser Formulierung doch weggefallen. Zweitens ist erreicht, daß in allen Fällen, in denen es wegen der Schwierigkeit des Falles als solchen geboten ist, oder weil — diese Fälle sind ja gar nicht selten gewesen — der Rechtsuchende oder der Verklagte keine Vertretung finden konnte, da er nicht Mitglied einer Organisation war, nunmehr die Vertretung durch einen Anwalt ermöglicht und gesichert ist; denn in allen diesen Fällen wird die Zulassung eines Anwaltsnotwendig sein und die Zulassung erfolgen müssen.
Schließlich bedaure ich zwar, daß die Streitwertgrenze von 300 DM in das Kompromiß aufgenommen werden mußte. Aber wer ein Kompromiß schließen will, muß ab- und zugeben, muß auch mal Haare lassen. Ich bedaure es — das sage ich als Anwalt — im Interesse der armen Bevölkerung, die damit nicht grundsätzlich das Recht hat, einen
Anwalt in Anspruch zu nehmen. Aber letzten Endes kann ich mich damit abfinden, da dann doch für einen großen Teil der streitigen Sachen die Mitwirkung des Anwalts garantiert ist, vor allem in Sachen, die in die Berufung kommen können. Dann kann der Prozeß bereits in erster Instanz so geführt werden, wie es den Intentionen des Anwalts entspricht, so daß dann für die zweite und dritte Instanz keine Nachteile aus der Führung des Prozesses in erster Instanz entstehen können.
Ich bin deshalb nach langem Ringen mit mir zu dem Entschluß gekommen, dem Kompromißantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ludwig befindet sich in einem großen Irrtum, wenn er glaubt, die konfessionellen Standesvereinigungen seien rein kirchliche Vereine. Diese Vereinigungen haben sich schon seit Jahrzehnten die soziale Betreuung und die soziale Rechtsauskunft ihrer Mitglieder angelegen sein lassen. Jahrzehntelang bestanden vor dem Dritten Reich Arbeitersekretariate. Diese Arbeitersekretariate haben sowohl die Rechtsauskunft erteilt als auch die Vertretung bei den Versicherungsämtern, den Oberversicherungsämtern und den Arbeitsgerichten übernommen. Übrigens hatten auch Sie früher solche Arbeitersekretariate, welche die Rechtsauskunft und den Rechtsschutz übernahmen. Es handelt sich hier nur darum, ein altes, jahrzehntelang bestandenes, verbrieftes Recht dieser Organisationen, welches durch das Dritte Reich aufgehoben worden ist, wiederherzustellen; und sonst nichts. Ich glaube, dagegen könnten gerade die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes nichts einzuwenden haben. Wir hatten vor 1933 christliche Gewerkschaften, Sie freie Gewerkschaften, und die Arbeitersekretariate haben mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet. Gerade auch Sie vom Deutschen Gewerkschaftsbund müßten den nach wie vor bestehenden konfessionellen Standesorganisationen das Recht geben, wieder das für ihre Mitglieder leisten zu können, was sie früher geleistet haben. Die Menschen, die über die notwendige Ausbildung auf dem Gebiet des Sozial- und Arbeitsrechts verfügen, sind vorhanden. Ich würde mich freuen, wenn auch Sie diesem Antrag zustimmen würden.
Ich schließe die Besprechung.
Der weitestgehende Antrag ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Laforet und Genossen Umdruck Nr. 953 Ziffern 2 und 3 betreffend Neufassung des § 11 Abs. 1 und des § 11 Abs. 3. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffern 2 und 3 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Antrag der kommunistischen Gruppe auf Streichung des letzten Satzes des § 11 Abs. 1, Umdruck Nr. 948 Ziffer 5. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 952 Ziffer 1 auf Streichung der beiden letzten Sätze des § 11 Abs. 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr komme ich zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 951 Ziffer 3.
— Herr Abgeordneter Richter, es sind ja zwei Änderungsanträge gestellt worden. Einmal hat Herr Abgeordneter Ewers, wenn ich ihn recht verstanden habe, beantragt, in der Formulierung „geschäftsmäßig gegen Entgelt betreiben" vor „betreiben" das Wort „befugt" einzusetzen. Wird der Antrag aufrechterhalten?
— Ich muß schon Herrn Abgeordneten Ewers fragen. Herr Abgeordneter Ewers hat beantragt, — —
— Meine Damen und Herren, darüber entscheidet ja nur der Antragsteller; es tut mir sehr leid, auch wenn Sie Rechtsanwalt sind, Herr Dr. Weber!
Herr Abgeordneter Ewers ist also dabei, das zu klären.
Wenn der Streichungsantrag der SPD durchgehen sollte, erübrigt sich mein Antrag. Oder ist der SPD-Antrag schon abgelehnt?
— Schön, dann kommen wir zu dem Antrag Umdruck Nr. 951.
Da sind wir bereits, Herr Abgeordneter Ewers!
Eben! Und dort kann das Wort „befugt" nicht vorkommen. Wenn aber dieser Antrag abgelehnt werden sollte, gehen wir auf die Ausschußvorlage zurück. Und nur für diesen Fall stelle ich den Antrag, in der Ausschußvorlage das Wort „befugt" einzufügen. Andernfalls ist mein Antrag gegenstandslos.
Ich verstehe das zwar nicht, Herr Abgeordneter;
aber ich w i 11 es auch nicht verstehen.
Weiterhin ist der Antrag von Herrn Abgeordneten Ludwig gestellt worden, die Worte „das gleiche gilt für die Prozeßvertretung durch Vertreter konfessioneller Arbeitnehmervereinigungen" zu streichen. An sich besteht die Möglichkeit, das
als Änderungsantrag zu verstehen und vorweg abzustimmen oder satzweise abzustimmen.
— Ihnen ist satzweise Abstimmung lieber. Ich glaube, es bestehen keine Bedenken. Also, meine Damen und Herren, ich komme dann zur satzweisen Abstimmung, und zwar geht der erste Satz — es ist nicht mal ein Satz, sondern ein Teil eines Satzes — jedenfalls bis zum Semikolon nach dem Wort „betreiben". Darüber besteht jetzt kein Zweifel mehr. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag bis zum Wort „betreiben;" zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; dieser Teil ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem zweiten Teil des ersten Satzes von „das gleiche gilt" usw. bis „Arbeitnehmervereinigungen" zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Satz ist angenommen.
Ich darf wohl über den Schluß des Antrags abstimmen lassen.
— Oder auch noch satzweise?
— Also zunächst — das ist noch nicht ganz endgültig — von „Vor den Arbeitsgerichten" bis „endgültig". Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ich brauche keine Gegenprobe.
Jetzt der letzte Satz betreffend den Streitwert von mindestens 300 DM usw. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 11 unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Änderungen in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 11 ist in dieser Form bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 11 a, — 12, — 13. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Das ist die Mehrheit; es ist angenommen.
Ich rufe auf den zweiten Teil, erster Abschnitt, § 14, Antrag der CDU/CSU Umdruck Nr. 951 Ziffer 1. Jetzt bezieht sich das wieder mit „Benehmen" und „Einvernehmen" auf § 14. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 14 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist angenommen.
Zu § 15 der gleiche Änderungsantrag. Ich darf gleichzeitig die §§ 16 und 17 aufrufen. Darf ich zu den §§ 15 und 17 über den Antrag Umdruck Nr. 951 Ziffer 1 abstimmen lassen? Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag wegen der §§ 15
und 17 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Änderung ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 15, 16 und 17 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Das ist die Mehrheit; es ist angenommen.
Ich rufe auf § 18. Dazu Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 948 Ziffer 6. Soll er begründet werden?
— Das ist nicht der Fall.
Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 4, neue Fassung des § 18! Herr Abgeordneter Laforet, bitte. Ich weise darauf hin, daß dazu auch der Antrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 1 betreffend § 18 zum Zuge kommt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verschiedene Auffassung der Mitglieder des Rechtsausschusses und der Mitglieder des Ausschusses für Arbeit liegt in der unterschiedlichen Beurteilung der Kernfrage des § 18, die Sie in Abs. 3 Satz 2 niedergelegt sehen:
Zum Vorsitzenden kann nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes besitzt . . .
Es dreht sich darum, ob die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte nicht nur besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens besitzen, sondern auch ,die Fähigkeit zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes haben müssen.
Es handelt sich um eine grundsätzliche Frage. Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist Gerichtsbarkeit, die ,der übrigen Gerichtsbarkeit völlig gleichwertig ist. Es müssen also auch alle Anforderungen gestellt werden, die nach der Rechtsüberlieferung an den deutschen Berufsrichter gestellt werden. Diese Anforderungen sind nur erfüllt, wenn der Berufsrichter die Fähigkeit zum Richteramt nach dem Gerichtsverfassungsgesetz durch die besonderen Prüfungen nachgewiesen hat. Es war deshalb die einstimmige Auffassung der damals anwesenden Mitglieder des Rechtsausschusses, daß diese Forderung gestellt werden muß. Wir befinden uns in Übereinstimmung mit einer nachdrücklichen Kundgebung des Deutschen Richterbundes, vertreten durch den Vorsitzenden. Wir befinden uns aber auch in Übereinstimmung mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag. Zugunsten der hauptamtlichen Vorsitzenden der Arbeitsgerichte ist im Hinblick auf die Übergangszeit, in der diese Bestimmung nicht gegolten hat, in § 112 eine Ausnahme für diejenigen Kräfte vorgesehen, die sich schon drei Jahre im Amt befinden.
§ 18 a und die Streichung von § 19 sind nichts anderes als gesetzgeberische Folgerungen aus dem Grundgedanken des § 18 Abs. 3 Satz 2: Zum Vorsitzenden kann nur ernannt werden, wer deutscher Richter im allgemeinen Rechtssinne sein kann.
Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, der Ausschußvorlage zu § 18 zustimmen zu wollen. Die von Herrn Kollegen Dr. Laforet angeschnittene Frage ist im Ausschuß für Arbeit eingehend diskutiert worden. Ich möchte auf folgendes hinweisen. Zunächst ist beachtlich, daß die Berufsrichter in Abs. 3 zuerst genannt sind.
Das darf wohl so gewertet werden, daß im Normalfall ein Berufsrichter zum Vorsitzenden eines Arbeitsgerichts bestellt wird.
Nun haben wir seit 1945 in allen Ländern die Tatsache, daß mit der Leitung von Arbeitsgerichten Personen beauftragt wurden, die nicht Berufsrichter waren. Ich darf wohl sagen, daß sich der weitaus größte Teil dieser Personen bewährt hat. Die Situation ist doch so, daß wir an Arbeitsrechtlern keinen Überfluß haben. Auch 1945 war nicht die Möglichkeit gegeben, genügend Berufsrichter mit den notwendigen arbeitsrechtlichen Kenntnissen zu finden. Selbst heute hat sich die Situation noch nicht so wesentlich gewandelt, daß wir auf diesen Personenkreis, der sich gerade auch nach der Meinung der vorgesetzten Dienststellen, der Präsidenten der Landesarbeitsgerichte — und das sind ja Berufsrichter —, bewährt hat, verzichten könnten.
Nun meint Herr Professor Laforet, daß wir in den Schlußbestimmungen eine Sicherung für die Vorsitzenden eingebaut haben, die, ohne Berufsrichter zu sein, jetzt Arbeitsgerichten vorstehen. Sie sollen bleiben. Ich glaube, wenn wir von der Fassung des Ausschusses abweichen und zu einer Regelung kommen wollten, wie sie Herr Professor Laforet vorschlägt, dann würden wir damit den Personenkreis, der sich bewährt hat, wirklich hintansetzen. Das halte ich nicht für gut.
Ich möchte noch einmal sagen: in dem Maße, wie zukünftig Berufsrichter mit arbeitsrechtlichen Kenntnissen für die Arbeitsgerichtsbarkeit zur Verfügung stehen, in dem Maße wird die Berufung der anderen hier genannten Personen, die nicht Berufsrichter sind, zurückgehen. Dann werden ohne weiteres die Berufsrichter wiederum das größere Gewicht in den Arbeitsgerichten haben. Noch einmal möchte ich darum bitten, es in der gegebenen Situation bei der vom Ausschuß vorgeschlagenen Regelung zu belassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die hier zur Entscheidung steht, soll man nicht nach Gesichtspunkten eines Prestiges, sondern man soll sie nur nach sachlichen Gesichtspunkten beurteilen. Wenn hier nach der Ausschußfassung an Stelle des Berufsrichters als Vorsitzenden, wie es der Regierungsentwurf und der Rechtsausschuß vorgeschlagen haben, auch der Laienrichter als Vorsitzender gewählt wird, dann ist das an sich eine erstaunliche Änderung in unserem Rechtssystem. Es widerspricht einer alten deutschen Tradition. Es ist nur die Fortführung eines alliierten Diktats; denn die Fremden in unserem Land haben 1945 dieses Experiment eingeführt. Ich will nicht leugnen, daß es sich an manchen Orten gut bewährt hat. Aber es ist doch ein zu kurzer Zeitraum, um darüber endgültig sprechen zu können. Außerdem mag 1945 manches für diese Lösung gesprochen haben wie etwa der Richtermangel, der durch die Kriegsgefangenschaft so vieler Richter und durch den Prozeß der Entnazifizierung bedingt war. Diese Momente sind inzwischen weitgehend oder völlig zurückgetreten. Wir können also ruhig zu der bewährten Regelung des Jahres 1926 zurückkehren, zum Berufsrichtertum auch in der ersten Instanz.
Dies entspricht am besten der Würde und der Bedeutung der Arbeitsgerichtsbarkeit. Denn wenn
die Arbeitsgerichtsbarkeit die einzige Gerichtsbarkeit ist, bei der der Vorsitzende ein Laie ist, dann bedeutet das doch praktisch, daß man die Arbeitsgerichtsbarkeit als eine Gerichtsbarkeit zweiter Klasse erklärt. Das wollen wir doch gerade nicht wegen der vielen Menschen, die von der Arbeitsgerichtsbarkeit so wesentlich betroffen werden. Ja, ich möchte sagen, für das soziale Recht, für das Recht der Arbeitnehmerschaft ist der beste Richter gerade gut genug! Wenn man an jedem deutschen Amtsgericht für Bagatellsachen, für Mietstreitigkeiten, für Beleidigungsprozesse und ähnliche, oft recht unwichtige Dinge einen Volljuristen als Richter hinsetzt, sollte man das doch erst recht für das Recht des arbeitenden Menschen tun.
Das Arbeitsrecht, soweit es kodifiziert ist, ist doch bei uns in Deutschland heute weitgehend noch Stückwerk. Es ist unbedingt notwendig, daß der Arbeitsrichter eine umfassende Kenntnis des zivilen Rechts und des Prozeßrechts hat; ich brauche nur an die mögliche Verbindung mit dem Erbrecht zu erinnern, ich brauche nur daran zu erinnern, daß ein Richter eventuell einen Arrest erlassen muß, um anzudeuten, in welch schwierige Situation derjenige kommen kann, der eben nicht die Ausbildung hat, die für den Richter nun einmal üblich ist. Auch der Arbeitsrichter muß die allgemeinen Prinzipien des Rechts kennen, die im Arbeitsrecht wie in jedem Rechtsgebiet gelten; er muß die Judikatur, die Rechtsprechung kennen. All das kann doch im allgemeinen nur der Richter, der eben die Befähigung zum Richteramt auf dem ordentlichen Weg erlangt hat. Recht kann nur gesprochen werden, wenn man eine Kenntnis, und zwar eine eingehende und umfassende Kenntnis des Rechts hat. Diese tiefe Rechtskenntnis des Richters bietet doch einen Schutz des Rechtsuchenden, gerade des Rechtsuchenden, der in vieler Hinsicht, oft auch in seiner Ausbildung, die schwächere Partei ist, nämlich gerade des Arbeitnehmers. Man soll nicht sagen, beim Beamtenrecht hätten wir neulich erst eine Ausnahme vom Laufbahnprinzip beschlossen. Es geht hier nicht um ein Laufbahnprinzip. Der Richter ist wohl Beamter, aber Beamter einer ganz besonderen Natur. Es geht hier tatsächlich um die Ausbildung und um die Kenntnis.
Die Bedeutung der Laien auch in der Rechtspflege sollte nicht verkannt werden. Der Laie ist gut als Schlichter, aber der Jurist ist besser als Richter. Im übrigen sind doch bereits zwei Laien in jedem Arbeitsgericht erster Instanz. Es gibt dort einen Vorsitzenden und zwei Laien. Diese zwei Laien bilden die Mehrheit. Sie können den Richter überstimmen. Es ist also gar keine Gefahr da, — wenn Sie im Richter allein überhaupt eine solche Gefahr sehen sollten. Ich will auch gar nicht leugnen, daß es einzelne Laien gibt, die sich in verhältnismäßig kurzer Zeit mindestens aber in längerer Zeit, einigermaßen gut einarbeiten, sogenannte juristische Naturgenies. Aber diese juristischen Naturgenies sind doch wie alle genialen Naturen ziemlich selten auf dieser an genialen Begabungen armen Welt. Der durchschnittlich begabte Mensch kann nun einmal einen Beruf besser ausüben, wenn er ihn gelernt hat. Das gilt auch von dem Beruf des Richters. Wenn Sie den Befähigungsnachweis im deutschen Handwerk mit Recht eingeführt haben, sollten Sie ihn beim Richtertum auch bestehen lassen oder wieder einführen.
Man soll sich, wenn man über die Juristen und Richter so leichthin urteilt und denjenigen lobt, der die Paragraphen weniger kennt und deshalb
leichter entscheidet, immer daran erinnern, daß der letztere doch oft derjenige ist, der die Schwierigkeiten nicht sieht, weil er die Dinge nicht kennt. Der Laie als Vorsitzender bringt sowohl Nachteile für den Laien als auch für den Juristen, der dieses Amt ausüben kann. Denn der Laienrichter fühlt sich doch praktisch als ein Richter zweiter Klasse, weil es ihn nur beim Arbeitsgericht und sonst bei keinem Gericht gibt und weil es ihn nur in der ersten Instanz und in keiner höheren Instanz gibt und er keine persönlichen Aufstiegsmöglichkeiten mehr hat, sondern beruflich in einer Sackgasse steckt. Und ob Sie noch gute Juristen für dieses Amt bekommen, ist zweifelhaft, wenn man überall sagt: „Dafür brauche ich keinen Juristen, sondern ein Laie genügt", dann ist in den Augen des Juristen dieses Amt irgendwie degradiert. Dann werden sich die guten Juristen für dieses Amt kaum mehr melden.
Ich darf noch auf eines hinweisen. In der Zeit nach dem Zusammenbruch haben sich Männer und Frauen für dieses Amt zur Verfügung gestellt, die sich bewährt haben und deren Verdienste wir vor allen Dingen deswegen anerkennen wollen, weil sie in der schwersten Zeit in die Bresche gesprungen sind. Für diese besagt die Übergangsregelung des § 115, daß sie im Amt bleiben können.
Es geht hier um eine prinzipielle Frage. Beim Berufsrichter handelt es sich um eine Frage der rechtsstaatlichen Natur der deutschen Demokratie. Wir sind hier auf einem Weg, bei dem wir den Anfang, aber nicht das Ende kennen. Der Berufsrichter ist ein unabhängiger Richter. Die anderen Richter werden Sie praktisch doch, wenn es Menschen mit arbeitsrechtlicher Erfahrung sein sollen, aus den Kreisen der Interessentenverbände der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer nehmen müssen. Solche Leute aber sind infolge ihrer Vergangenheit, selbst wenn sie wollen, nicht in dem Maße objektiv wie diejenigen, die in diesem Dienst nicht gestanden haben. Mit der Begründung der besseren Fachkenntnis, meine Damen und Herren, können Sie das Berufsrichtertum auf jedem Gebiet ausschalten, nicht nur auf dem Gebiete des Arbeitsrechts.
Ich wiederhole, es ist keine rechtspolitische Frage, es ist eine staatspolitische Frage, die man nicht nach standesegoistischen Gesichtspunkten beurteilen darf. Wir gehen hier einen Weg, der beim Volksrichtertum vielleicht nicht enden muß, aber enden kann, und man sollte den Anfängen widerstehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können Herrn Jaeger nicht zustimmen in seiner Behauptung, daß der jetzige Zustand fremdes Diktat sei. Der jetzige Zustand bei den Arbeitsgerichten beruht überwiegend auf Ländergesetzen, und die Ländergesetze sind nach den in den Verfassungen vorgesehenen Organen nach demokratischen Grundsätzen beschlossen worden, so daß diese Ausführungen vollständig abwegig sind.
Der weiteren Behauptung, daß die Würde und Bedeutung des Gerichts leide — sofern ich Herrn Jaeger richtig verstanden habe —, wenn eben nicht ein Berufsrichter Vorsitzender dieses Gerichts sei, können wir auch nicht zustimmen. Die Jahre seit
1946/47, wo berufene Richter — ich sage nicht Laienrichter — Recht gesprochen haben, haben auf dem Gebiete des Arbeitsrechts nicht zu irgendwelchen Rechtsunsicherheiten geführt, sondern die Verhältnisse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zweckentsprechend geregelt. Es mag sein, daß die Zahl der Urteile nicht so groß ist; es mag sein, daß die berufenen Richter als Vorsitzende mit Hilfe der Arbeitsrichter, die aus den Arbeitgeberkreisen und den Arbeitnehmerkreisen stammen, mehr Vergleiche erzielt haben. Aber das Entscheidende ist, daß der Rechtsstreit im Interesse aller Beteiligten entschieden wurde und daß insgesamt gesehen der soziale Frieden erhalten wurde. Wir stimmen deshalb für den Vorschlag des Ausschusses in Abs. 3.
Was nun den Antrag zu § 18 Abs. 1 anlangt, wonach „im Benehmen" in „im Einvernehmen" geändert werden soll, so ist dazu zu sagen, daß dieser Antrag auf einem Irrtum der Antragsteller beruhen dürfte; denn ich kann mir nicht denken, daß die Antragsteller, wenn eine Landesregierung bestimmt hat, wer Vorsitzender eines Arbeitsgerichts werden soll, erst die Landesregierung zwingen wollen, das Einvernehmen des Landesarbeitsministers und des Landesjustizministers herbeizuführen. Das wäre doch der Fall, wenn hier das Wort „Benehmen" in „Einvernehmen" umgeändert werden würde. Hier muß das Wort „Benehmen" stehenbleiben. Hier hat es nicht den Sinn wie in den anderen Paragraphen. Deshalb bitte ich, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Ewers!
Wenn mir recht ist, stehen wir wieder einmal vor der erschreckenden Tatsache, daß mit Argumenten hier nichts anzufangen ist, daß die Meinungen unverrückbar feststehen und deswegen all die schönen Ausführungen des verehrten Kollegen Jaeger in den Wind gesprochen sind.
Ich möchte nur zwei Argumente kurz einführen. Sie wollen hier den neuen Stand des nichtrichterlichen Arbeitsgerichtsvorsitzenden schaffen.
Das ist eine erstinstanzliche Stelle, diese Stelle des nichtrichterlichen Arbeitsgerichtsvorsitzenden. Richter soll er ja nicht sein, sondern er soll aus Laienkreisen kommen. Dieser Mann ist in erster Instanz tätig, und wer immer in erster Instanz richterlich tätig ist und etwas Mumm in den Knochen hat, der hat den Trieb nach oben. Die tüchtigsten und besten Richter bleiben nicht ihr Leben lang Amtsrichter, sondern die steigen auf, möglichst bis zum Bundesgerichtshof, wenn es dazu langt. Jedenfalls hat jeder Tüchtige diesen Trieb. Hier schaffen Sie eine Menschenkategorie, die bis zu ihrem 65. oder 68. Lebensjahre immer auf demselben Stuhl sitzen bleibt. Das wird zu einer Routine führen, die unerträglich wird. aber keine freie Rechtsprechung ergeben. Beachten Sie wohl, wie Sie hier im Justizkörper — denn auch Arbeitsgerichtsbarkeit ist Justiz, in den höheren Instanzen sogar vollrichterliche Justiz — eine Persönlichkeit schaffen, die Sie noch nicht kennen und die wir alle noch nicht erlebt haben, nämlich den fest auf seinem Stuhl sitzenden lebensbänglichen Dauerlaienvorsitzenden erster Instanz, eine unglückliche Figur, die um sich die Kollegen aufsteigen sieht und selbst keinen Schritt voran kann.
Weiter: Wenn Sie schon Gesetze machen und wenn Sie schon der Meinung sind, daß der Anwaltsberuf — der Beraterberuf — der beste ist, um Richter zu erziehen, so stimme ich Ihnen bei. Aber daß Sie gar nicht vorsehen, daß etwa auch einmal ein bewährter Arbeitsrichter Vorsitzender werden könne, das verstehe ich überhaupt nicht. Die Befürworter dieses Gebildes sollten mindestens vorsehen, daß auch einmal ein Arbeitsrichter, der meinetwegen zehn Jahre hervorragender Beisitzer war und der eingearbeitet ist, Vorsitzender werden kann, wenn er will. Daß Sie ,das nicht vorsehen, ist mir ein Zeichen dafür, mit welch flüchtiger und von der Gewerkschaft allzusehr zugespitzten Nadel Sie Ihre Vorlage geflickt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leuze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Richter hat vorhin die Behauptung aufgestellt, es sei ja gar kein aufgezwungener Befehl, daß auch Laien Vorsitzende von Arbeitsgerichten sein könnten, sondern das sei durch die Ländergesetze weitgehend bestimmt worden. Ich glaube, wir müssen schon berichtigend hinzufügen, daß die Ländergesetze nur im Rahmen der gegebenen Kontrollratsgesetze ergehen konnten
und daß sie sonst überhaupt keine Aussicht gehabt hätten, in den Jahren ab 1945 Rechtskraft zu bekommen. Ich meine, es ist ein Scheinargument, wenn wir sagen, diese Ländergesetze stammen aus einem ursprünglichen deutschen Willen heraus.
Gerade dieses Moment aber gibt uns sehr erheblichen Grund, eingehend nachzuprüfen, ob die Regelung, die uns das Kontrollratsgesetz Nr. 21 gegeben hat, uns auch wirklich auf den Leib geschnitten ist oder nicht. Ich möchte glauben und sagen, daß eine Laiengerichtsbarkeit und ein Laienvorsitzendentum in den Gerichten unserem Wesen widerspricht und nicht etwa unserem Wesen entspricht. Ich fürchte, daß bei einer durchschnittlichen Einführung einer solchen Institution sehr bald zu erleben wäre, was denn nun eigentlich Justizkrise bei den Arbeitsgerichten heißt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einem Richter — und das weiß der, der eine gewisse forensische Erfahrung hinter sich hat — gehört eine gründliche, nicht nur ein Teilgebiet beherrschende Rechtskenntnis, sondern eine Rechtskenntnis, die ihn aus einem Überblick über die verschiedenen Sparten des Rechtes ohne weiteres mit systematisch richtigem Gefühl im Einzelfall das Richtige finden läßt.
Nur ein Richter, der diese Übersicht hat, der diese sichere Schulung um das Richtige hat, nun der wird den Einzelfall mit Gerechtigkeit beherrschen können.
Und weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn Sie Laienvorsitzende in den Gerichten haben, die Sie — wie Sie es in Abs. 3 vorschlagen — so wählen, indem Sie danach fragen, wer sich durch eine längere, mindestens fünfjährige Tätigkeit in der Beratung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und in der Vertretung von Arbeitsgerichten umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im
Arbeitsrecht erworben hat, dann werden Sie immer auf Persönlichkeiten angewiesen sein, die auf einer der beiden im Arbeitsgerichtsprozeß sich gegenüberstehenden Seiten aufgewachsen sind, entweder Persönlichkeiten, die im Dienste der Arbeitgeber, oder Persönlichkeiten, die im Dienste der Arbeitnehmer, der Gewerkschaften aufgewachsen sind. Nun nehmen Sie an, solche Persönlichkeiten mit ihrem einseitigen Werdegang sitzen nachher in der Mitte des Gerichts, sind Vorsitzende des Gerichts. An sie wenden sich die Personen, die Gerechtigkeit suchen, die einen Menschen suchen, der weder an das arbeitgebermäßige Denken noch an das arbeitnehmermäßige Denken gebunden ist. Sie finden hier aber einen sehr stark vorbestimmten Mann. Ich glaube, das Vertrauen in die Arbeitsgerichte würde sehr sehr erheblich darunter leiden, wenn es sich bald herumsprechen würde, daß hier als Vorsitzende einseitig vorgebildete, in ihrem Werdegang notwendig einseitig gewordene Menschen sitzen.
Und ein Letztes. Ich glaube, es ist sehr energisch davor zu warnen, einen Richter auf Probe zum Vorsitzenden des Arbeitsgerichts zu machen, ihn etwa ,auf drei Jahre einzusetzen mit der Aussicht, daß er nur dann, wenn er sich gut führe, wenn er beiden Parteien konveniere, beiden passe, endgültig Vorsitzender werden könne. Meine Damen und Herren, wenn Sie wollen, daß Richter lernen, nach rechts und links zu schielen, wenn Sie wollen, daß Richter lernen, um die Gunst der Parteien zu buhlen,
dann müssen Sie, glaube ich, das tun, was hier der Ausschuß in Abs. 4 vorgesehen hat.
Wenn Sie aber wollen, daß völlig unabhängige Richter den Gerichten vorsitzen,
wenn Sie wollen, daß diese Richter ohne Blick nach rechts und links den geraden Weg des Rechts gehen, dann müssen Sie, glaube ich, denjenigen, allein denjenigen nehmen, der seinem ganzen Werdegang, seiner ganzen Ausbildung, seinem ganzen Denken nach in einer tiefen Bindung an das Recht steht.
Meine Fraktion ist der Überzeugung, daß die Entscheidung zu diesem Paragraphen sehr wichtig ist, daß sich mit dieser Abstimmung zum § 18 entscheiden wird, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit den Namen der Gerichtsbarkeit verdient, so daß ich im Auftrag meiner Fraktion namentliche Abstimmung beantrage.
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Ausführungen zwingen mich doch, einige Worte zur Materie zu sagen, zumal ich das Unglück habe, zu den Menschen zu gehören, die Laienvorsitzende eines Arbeitsgerichts, die Arbeitsgerichtsräte sind. Zur Ehrenrettung der
Leute, die im Jahre 1945 die Arbeitsgerichte aus dem Nichts, aus dem Garnichts heraus mit aufgebaut haben,
habe ich doch zu sagen, daß sie sich auf der ganzen Linie bewährt haben. Von Ihnen wird es so dargestellt, als wenn die überwältigende Mehrheit der Arbeitsgerichtsvorsitzenden jetzt Laienvorsitzende seien. Es sind nur einige wenige Ausnahmen gewesen, und in diesen haben die Leute voll und ganz ihre Pflicht getan. Die Bestimmung muß bleiben, daß solche Ausnahmen zugelassen sind. Nach Ihren Ausführungen erscheint es so, als wenn in Zukunft nur Laienvorsitzende zum Zuge kämen. Sie haben wohl nicht gelesen, daß es da heißt: „Die Vorsitzenden müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens haben." In der Regel kann nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt hat. Nur in den allerwenigsten Fällen wird es die Ausnahme geben, daß noch ein Nichtjurist als Vorsitzender bestellt wird. Es ist allerdings schon Tatsache geworden, daß bei Ausscheiden eines Laienvorsitzenden ein Volljurist nachgerückt ist. Die Volljuristen stehen mit uns auf dem Standpunkt, daß es gut ist, wenn auch mal ein Laie mit gesundem Menschenverstand hereinkommt.
Nach Ihren Ausführungen scheint es ja so, als wenn der Mensch, der Jahrzehnte im Arbeitsleben gestanden hat, von den Dingen nichts verstünde. Es ist auch nicht so, daß der Laienvorsitzende nur nach rechts und links schielt und um 'die Gunst der Parteien buhlt.
Tatsache ist, daß die Urteile der Laienvorsitzenden von den Landesarbeitsgerichten in der Berufungsinstanz in der Mehrheit bestätigt worden sind. Das zeigt immerhin, daß auch bei diesen Leuten ein gesundes Rechtsempfinden vorhanden ist. Jetzt der Tätigkeit der Arbeitsgerichte das Prädikat „Gerichtsbarkeit" abzusprechen, weil in Ausnahmefällen auch mal ein Laie Vorsitzender sein kann, geht zu weit. Das muß von mir zur Ehrenrettung der Laienvorsitzenden, die bisher als solche tätig waren, zurückgewiesen werden.
Ich bitte das Hohe Haus, der Ausschußfassung zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Herr Abgeordneter Dr. Leuze hat namentliche Abstimmung beantragt. Seine Fraktion umfaßt keine 50 Abgeordneten. Ich frage nach § 57 der Geschäftsordnung, ob 50 anwesende Mitglieder diesen Antrag unterstützen.
Meine Damen und Herren, ich muß diese Frage, da Herr Abgeordneter Ritzel von dort aus eindeutig erkennen kann, daß es keine 50 sind, dadurch klären, daß ich die Damen und Herren, die für namentliche Abstimmung sind, bitte, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Es sind mehr als 50 Abgeordnete; die namentliche Abstimmung findet statt. Und zwar darf ich annehmen, daß Sie die nament-
liche Abstimmung zur Abstimmung über den Änderungsantrag beantragt haben.
Ich komme zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 953 Ziffer 4 betreffend Neufassung des § 18. Ich bitte die Damen und Herren, ihre Stimmzettel bereitzuhalten, und die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
— Vielleicht sind die Herren Abgeordneten in der Lage, einen Augenblick zuzuhören. Ich bitte, freundlichst darauf hinweisen zu dürfen, daß über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Laforet, Dr. Wahl, Dr. Schneider und Genossen auf Umdruck Nr. 953 Ziffer 4 abgestimmt wird. Ich bitte um Einsammlung der Stimmkarten.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir nach Schluß der Beratung des § 18 die Sitzung heute schließen und morgen um 13 Uhr 30 mit der Beratung dieses Punktes fortfahren.
Darf ich über den Antrag der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 948 Ziffer 6, abstimmen lassen, da er für die eine wie für die andere Fassung Geltung haben würde. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 948 Ziffer 6 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß es Ihnen gleichgültig ist, ob ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung heute oder morgen bekanntgebe?
Ich frage aber, um auf jeden Fall sicherzustellen, daß jeder Abgeordnete, der abzustimmen wünscht, abgestimmt hat: Sind Abgeordnete vorhanden, die noch ihre Stimme in dieser namentlichen Abstimmung abzugeben wünschen? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist, und schließe die namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag*). Die endgültige Abstimmung über den Paragraphen muß dann morgen erfolgen.
Ich berufe die 270. Sitzung des Deutschen Bundestages mit der Fortsetzung der heutigen Tagesordnung und der für morgen vorgesehenen Tagesordnung auf den 11. Juni 1953, 13 Uhr 30, und schließe die 269. Sitzung.