Gesamtes Protokol
Meine' Damen und Herren! Ich eröffne die 239. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: Abgeordneter Aumer ab 26. November 1952 für weitere acht Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Mayer für vier Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Bazille und Dr. Wellhausen.
Ich unterstelle, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden ist. — Das ist der Fall. Im übrigen begrüße ich, daß so wenig Abgeordnete fehlen. -
Meine Damen und Herren, ich darf zur heutigen Tagesordnung auf folgendes hinweisen. Der Herr
Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen hat uns mitgeteilt, daß der Bericht des Ausschusses zu Punkt 1 der Tagesordnung — deutschniederländische Vereinbarungen über Fragen der Restitution — noch nicht vorliegt. Ich muß Ihnen daher vorschlagen, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen.
Im Ältestenrat ist eine Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß die Müdigkeit, die es verhindert, daß die Sitzungen des Bundestags fortgesetzt werden, heute erst um 23 Uhr eintritt. Ich nehme an, daß das Haus auch mit dieser Festlegung eines Termins einverstanden ist.
— Meine Damen und Herren! Ich unterstelle, daß die Damen und Herren, die nein gerufen haben, der Auffassung sind, daß wir einen späteren Schlußtermin vereinbaren sollten.
Ich möchte dem widersprechen mit Rücksicht auf
die Intensität und Ersprießlichkeit unserer Arbeit.
Herr Abgeordneter Dr. Decker hat bei mir vorgeschlagen, Punkt 16 der Tagesordnung — Kredite für Wiederherstellungsarbeiten an denkmalspflegerisch wertvollen Gebäuden — zusammen mit Punkt 3 — Nachtragshaushalt — zu behandeln, weil es sich um die Einführung eines neuen Titels in den Nachtragshaushalt handelt. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser offenbar zweckmäßigen Regelung einverstanden ist. — Das ist auch der Fall.
Zur Geschäftsordnung wünscht das Wort Herr Abgeordneter Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Schuld, daß ich heute zum drittenmal — —
— Ich wiederhole: es ist nicht meine Schuld,
daß ich zum drittenmal das Hohe Haus bitten muß, sich mit der Frage der zweiten und dritten Beratung der Vertragswerke zu befassen.
Als ich das letzte Mal vor acht Tagen den Antrag stellte, hat Herr Kollege Schoettle für die Opposition darauf hingewiesen, daß die Ausschüsse mit ihrer Arbeit vielleicht nicht fertig werden könnten.
Auch damals haben wir zum Ausdruck gebracht, daß auch uns an einer regulären Arbeit der Ausschüsse gelegen ist.
Dieser Grund, der damals vorgebracht wurde, fällt heute weg. Heute ist im Ältestenrat ausdrücklich festgestellt worden, daß sämtliche Ausschüsse ihre Arbeiten beendet haben und auch der Auswärtige Ausschuß das gleiche getan hat.
Ich muß deshalb das Hohe Haus bitten, — —
- Auch die Berichte, Herr Kollege Loritz, das ist heute morgen im Ältestenrat festgestellt worden, werden rechtzeitig den Abgeordneten zugeleitet sein.
Ich muß also das Hohe Haus bitten, nachdem nunmehr alle diese Bedenken behoben sind,
in die zweite und dritte Beratung der Vertragswerke am kommenden Dienstag, am 3. Dezember, einzutreten.
Mittwoch ist der 3. Dezember. Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Krone gehört. Wird gewünscht, dazu das Wort zu nehmen?
— Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, den Antrag des Herrn Abgeordneten Krone abzulehnen. Der Beschluß des Bundestages, noch nicht in dieser Woche, bereits am 26. November, also gestern, mit der zweiten Lesung des Vertragsgesetzes zu beginnen, hat sich doch als richtig erwiesen; denn eine zweite Lesung hätte schlechterdings nicht durchgeführt werden können.
Die Ausschüsse sind nicht fertig geworden. Ihre Berichte hätten nicht vorgelegen. Nicht einmal der Generalbericht des Auswärtigen Ausschusses ist bis jetzt in den Händen der Abgeordneten.
Auch das merkwürdige Verfahren, das ausgerechnet der zweite Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hier vorschlug, wäre deshalb undurchführbar gewesen.
Meine Damen und Herren, das Ansehen des Bundestages hat,
— auch soweit in der Öffentlichkeit die Bereitschaft besteht, der Regierungspolitik zu folgen — gewonnen, weil der Bundestag es ablehnte, den Fehler der Übereilung zu begehen und sich auf einen Weg drängen zu lassen, der ein Holzweg gewesen wäre.
Auch heute aber liegt im Gegensatz zu dem, was der Herr Abgeordnete Krone eben hier ausgeführt hat, doch ein gedruckter Bericht der beteiligten Ausschüsse noch nicht vor. Frühestens am Montag wird er in die Hände der Abgeordneten gelangen können. Keinem Abgeordneten kann zugemutet werden, dann bis zum Mittwoch diesen Bericht gründlich durchzuarbeiten.
— Bitte, halten Sie mir nicht entgegen, daß gerade die Ablehnung durch meine Fraktion bereits feststände; denn dieses Ergebnis konnten Sie seit dem 8. November 1950 voraussehen und voraussagen, seit die Mehrheit bewußt einen Weg beschritt, von dem ihr bekannt war, daß er die von uns aufgestellten Voraussetzungen nicht werde erfüllen können. Aber darum handelt es sich gar nicht! Denn
Arbeit und Verantwortung eines Parlaments und jeder seiner Fraktionen werden doch nicht allein nach dem Ergebnis der Abstimmungen gewogen, sondern auch nach den G r ü n de n, aus denen heraus sich die Entscheidung erklärt.
Daher müssen die Fraktionen bei einem Gesetzgebungswerk von solcher Bedeutung unbedingt die Gelegenheit bekommen, die von den Ausschüssen erarbeiteten Berichte durchzusprechen, zu beraten und mit ihren Rednern die Gedanken zu erörtern, die für die Stimmabgabe wesentlich sein werden.
Sie dürfen es mir nicht verargen, daß ich auf die unterschiedliche Behandlung hinweise, die einerseits der Vorbereitung des Termins vor dem Bundesverfassungsgericht und andererseits unserer zweiten Lesung der Vertragsgesetze zuteil werden soll.
Die Bundesregierung hat darauf bestanden, daß das Bundesverfassungsgericht wegen der Erkrankung des Herrn Staatssekretärs Dr. Hallstein seinen Termin vertagen solle; der als Hauptvertreter in Karlsruhe ausersehene Herr Hallstein sei so unersetzlich. Wenn Herr Hallstein in Karlsruhe unersetzlich ist, warum glaubt man dann, ihn in Bonn entbehren zu können?
Zumal er bereits bei der Verabschiedung des Schumanplans sich vor die schweigenden Bundesminister stellen und die Hauptlast tragen mußte!
Auch die immerfort wiederholte Behauptung, es ) handle sich ja nur um ein Ja oder ein Nein, ist irrig. Sie stimmt bereits bei den Verträgen nicht. Die Vertragstexte sind keineswegs unabanderlich. Sie wissen, daß die französische Nationalversammlung auf Änderungen oder mindestens zusätzliche Vereinbarungen drangen will.
Auch der Bundestag steht nicht vor einem Ja oder Nein,
sondern er kann in der zweiten Lesung die Beratung aussetzen und Entschließungen fassen, um der Bundesregierung aufzugeben, durch zusätzliche Verhandlungen sowohl Klarstellungen als auch Abänderungen oder Ergänzungen der Verträge zu erreichen.
Soeben geht mir die „Süddeutsche Zeitung" zu, die insoweit — ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren — heute meldet:
Andererseits soll der Kanzler aber auch seine Besorgnis über das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts nicht verschwiegen
— nämlich bei den Beratungen mit den Hohen Kommissaren —
und mit den Hochkommissaren die Möglichkeit erörtert haben, wenn nicht einzelne Abschnitte der Verträge zu redigieren, so doch entsprechenden Wünschen der Regierungsparteien, aber auch der Opposition durch Zusatzprotokolle oder einen offiziellen Briefwechsel zu entsprechen.
Wenn das richtig ist, so zieht der Herr Bundeskanzler j a selbst bereits in Erwägung, in Abänderungen, Klarstellungen oder Ergänzungen der Vertragstexte einzutreten. Es ist also nicht wahr, daß man sagen könnte, wir stünden vor dem bloßen Ja oder Nein.
Erst recht gilt das nicht für die Zustimmungsgesetze, die wie jedes andere Gesetz auch nicht unabänderlich, sondern sogar frei abänderbar sind. Was das bedeutet, kann ich Ihnen bei dieser Sach- und Rechtslage an zwei Beispielen -zu erklären versuchen. Etwa bei der Regelung des Auslandsvermögens oder bei dem Problem der Besatzungsverdrängten könnte sehr wohl durch eine Erweiterung des Zustimmungsgesetzes eine Vereinbarkeit mit Art. 14 des Grundgesetzes erzielt werden, um wenigstens insoweit eine Verfassungsverletzung zu vermeiden.
Auch über das Verhältnis der gesetzgebenden Körperschaften zu dem Gutachtenverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht herrschen irrige Vorstellungen. Bereits in der vergangenen Woche hat mein Fraktionsfreund Schoettle dargelegt, daß nach unserer Auffassung eine Beschlußfassung des Parlaments, noch bevor das Gutachten des Bundesverfassungsgerichtes erstattet ist, sich weder mit dem Ansehen dieses höchsten Gerichts noch mit dem Ansehen des Parlaments vertrage. Mit Recht hat Herr Schoettle hierbei darauf hingewiesen, daß j a der Wunsch nach einem Gutachten gerade aus Ihren Reihen gekommen ist. Herr Schröder hat mit Unrecht diesem Hinweis zu widersprechen versucht. Offenbar ist er nicht davon unterrichtet, daß es gerade die Bundesregierung war, die öffentlich, insbesondere im Vorverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, einen solchen Wunsch ausdrücklich ausgesprochen hat. Herr Staatssekretär Dr. Strauß, der auch heute hier anwesend ist, hat sogar öffentlich erklärt, daß der Herr Bundespräsident um eine Erweiterung seines ursprünglichen Ersuchens gebeten werden solle. Man kann aber nicht einerseits dem Herrn Bundespräsidenten diesen Gedanken nahebringen und sich für ein Gutachten als der nach Behauptung der Bundesregierung angeblich einzigen Möglichkeit für eine Klärung der Rechtsfragen aussprechen, dann aber ohne Rücksicht auf den Schritt des Staatsoberhauptes und ohne Rücksicht auf die bevorstehende Äußerung des Bundesverfassungsgerichts hier das gesetzgeberische Verfahren übereilen.
Zum Versuch ihrer Rechtfertigung hat allerdings die Bundesregierung soeben in ihrem Bulletin vom 26. November die Auslassung eines Rechtsanwalts veröffentlichen lassen. Zu meinem Bedauern muß ich feststellen, daß fast jedes Wort falsch ist, das sich in dieser Darstellung findet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie alle wissen, daß meine Fraktion sich zu einer Beteiligung am Gutachtenverfahren unter ihrem grundsätzlichen Vorbehalt bereit erklärt hat und daß sie eine große Reihe von Schriftsätzen einreichte. Erst auf unser Drängen hin hat das Bundesverfassungsgericht überhaupt beschlossen, mündlich über das Gutachten zu verhandeln.
So falsch wie diese am Anfang und am Schluß im Bulletin aufgestellten Behauptungen ist auch der übrige Inhalt seiner Ausführungen. Die Meinung des Verfassers, das Gutachten dürfe gar nicht erstattet werden, bevor die Vertragsgesetze von den gesetzgebenden Körperschaften verabschiedet seien, wird jedenfalls vom Bundesverfassungsgericht selber offenbar nicht geteilt, da es andernfalls nicht schon Verhandlungstermin, zunächst auf den 26. November und jetzt auf den 9. Dezember, anberaumt hatte.
Unhaltbar ist unter allen Umständen die Behauptung im Bulletin, daß der Bundestag ein Gutachten nicht einmal abwarten dürfe. Hier wie auch sonst wird die Frage einer Abhängigkeit oder Unabhängigkeit zwischen Karlsruhe und Bonn falsch dargestellt. Gewiß ist Karlsruhe von Bonn unabhängig. Die verfassungsgerichtliche Prüfung geschieht unter rein rechtlichen Gesichtspunkten und ist unbeschadet der politischen Entscheidungen durchführbar,
da die politische Verantwortung einzig und allein bei den gesetzgebenden Körperschaften und dem wahlberechtigten Volk liegt. Aber, meine Damen und Herren, wenn auch Karlsruhe von Bonn unabhängig ist, so ist Bonn von Karlsruhe abhängig,
denn die rechtliche Entscheidung, ob zuvor — —
— Meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch, Argumente nicht durch Geräusche zu ersetzen!
Ich will mich hier befleißigen, so ruhig und so sachlich zu reden, wie es irgend möglich ist. Aber ich darf Sie bitten, mich doch anzuhören.
'Denn die rechtliche Entscheidung, ob zuvor eine
Ergänzung und Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist, um solche Verträge in Kraft setzen zu
können, diese Entscheidung bindet den Bundestag.
Werden Vertragsgesetze mit nur einfacher Mehrheit verabschiedet und kommt Karlsruhe dann hinterher zu dem Ergebnis, daß sie nicht ohne vorangegangene Ergänzung des Grundgesetzes hätten angenommen werden dürfen, so hat der Bundestag etwas Unwirksames, Sinnloses und Verfassungswidriges getan.
Trotzdem wäre der Bundestag sogar dann außerstande, diesen Fehler nachträglich zu berichtigen und nochmals in die Beratung und Lesung der Vertragsgesetze einzutreten.
Wir hier haben nicht den Streit zu entscheiden, ob das Gutachtenverfahren gegenwärtig zulässig ist.
Der Bundestag muß von den Tatsachen ausgehen, und diese beiden Tatsachen sind erstens, daß der Herr Bundespräsident — und ich wiederhole: in Übereinstimmung mit einem öffentlich ausgesprochenen eigenen Wunsch der Bundesregierung — das Gutachten beantragt hat, und zweitens, daß das Bundesverfassungsgericht bisher am 16. September
durch Plenarbeschluß das Gutachten im gegenwärtigen Zeitpunkt für zulässig erklärte und Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. Dezember anberaumte. Das sind die beiden Tatsachen, von denen wir auszugehen haben, ohne daß ich sie werten will. Sooft der Bundestag selbst zusammen mit dem Bundesrat und der Bundesregierung ein Gutachten einforderte — und wir haben einige solche Fälle —, hat er die gesetzgeberischen Arbeiten ruhen lassen. Das war und ist nicht nur ein guter politischer Brauch, sondern eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit; denn es wäre doch würdelos, einen Wettlauf zwischen dem Bundestag und dem Bundesverfassungsgericht zu veranstalten. Das Opfer einer solchen Torheit wäre die Demokratie.
Auch die politische Verantwortung eines jeden einzelnen Abgeordneten hängt doch von einer Klarheit über die verfassungsrechtlichen Fragen ab. Erst wenn jedes einzelne Mitglied des Bundestages weiß, ob es, um eine verfassungsergänzende Mehrheit zu ermöglichen, gerade auch auf seine eigene Stimme mit ankommt, vermag der Abgeordnete die ganze Tragweite seiner Gewissensentscheidung zu übersehen.
Meine Damen und Herren, erst nach dem 20. Januar 1953, dem Tage der Amtsübernahme des neugewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, wird die neue amerikanische Regierung in die Probleme eingearbeitet und verhandlungsbereit sein. Vorher können auch die strategischen Konzeptionen keine feste Form gewinnen. Daher gibt es keinen hinreichenden politischen Grund, der diesen Bundestag verleiten dürfte, eine so 1 schicksalsschwere Entscheidung zu überstürzen und ohne Rücksicht auf eine bevorstehende Klärung der Verfassungsfrage so zu tun, als ob hier ein Spiel um Tage in Betracht käme.
Nun, meine Damen und Herren, ein letztes Wort. Ihr politisches Anliegen soll doch nach Ihrer eigenen Meinung wohl sein, vor der freien westlichen Welt den politischen Willen zu bekunden, daß unser deutsches Volk angeblich zur Annahme der Vertragswerke bereit sei. Das ist doch offenbar Ihr Wunsch. Aber gerade darum geht ja der Streit, ob das deutsche Volk oder wenigstens sein freier westlicher Teil nach Art. 42 des Grundgesetzes allein von einer einfachen Mehrheit des Bundestags verkörpert wird oder ob in diesem Falle eine Zweidrittel-Mehrheit nach Art. 79 des Grundgesetzes erforderlich ist, um als das deutsche Volk und mit Vollmacht in seinem Namen sprechen zu können.
Sie laufen also Gefahr, daß Ihnen letztgültig vom Bundesverfassungsgericht gesagt werden könnte: eine einfache Mehrheit hatte weder das Recht noch die Macht, sich als das ganze Volk auszugeben und in dieser Frage für den ganzen Staat zu sprechen.
Ja, und was dann? Sie werden dann sich, den Bundestag und das deutsche Volk vor den Augen der Welt sowie insbesondere der Vertragspartner unglaubwürdig gemacht haben.
Auf Sie wird es zurückfallen, daß Sie den zweiten Schritt, den politischen, die politische Entscheidung, unternahmen, ehe der erste Schritt getan war, die rechtliche Klarstellung, ob eine solche politische Verantwortung bloß von der einfachen Mehrheit
getragen werden durfte oder ob nicht eine andere Mehrheit dazu notwendig gewesen wäre.
— Sie rufen „Schluß",
weil Sie sich nämlich Ihre Meinung schon fertiggemacht haben, ehe Sie in die Sitzung kamen,
obgleich Sie sich doch immer rühmen, daß es bei Ihnen keinen Fraktionszwang gebe.
Sie haben heute selbst den Herrn Vizepräsidenten der Hohen Behörde der Montan-Union ins Haus gebracht, obgleich ich nicht glaube, daß er abstimmungsberechtigt ist.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie sich in Ruhe — und fast, es wird mir schwer, möchte ich sagen: in Freundschaft — gesagt sein:
Der Schritt, den Sie tun, ist kein Schritt, bei dem Sie glauben, Sie könnten das in den Fraktionen vorher beschlossen haben und kommen hier herein und werden unter allen Umständen dem Wunsch des Herrn Kanzlers, weil Sie ihn für richtig halten, Rechnung tragen.
Überlegen Sie sich bitte das, was ich Ihnen auszuführen mich bemüht habe, gut; denn ich glaube, Sie sollten daran nicht vorbeigehen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich habe drei Bemerkungen zu machen.
Herr Abgeordneter Arndt hat einen Artikel von Rechtsanwalt Stier tom Moehlen zitiert.
Die Zitierung des Namens zeigt ganz klar, daß die Bundesregierung mit diesem Artikel nichts zu tun hat.
Zweitens: Herr Abgeordneter Arndt hat ein Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung" gebracht. Ich erkläre hiermit, daß jedes Wort dieses Zitats frei erfunden ist.
Schließlich habe ich gehört, daß im Ältestenausschuß heute der dringende Wunsch ausgesprochen
worden ist — Herr Arndt hat ihn eben auch zitiert —, daß Herr Staatssekretär Hallstein bei den Verhandlungen anwesend sein möchte. Ich habe mich darauf mit Herrn Staatssekretär Hallstein in Verbindung gesetzt,
und wenn in der nächsten Woche
die Verhandlung stattfindet und das Hohe Haus es wünscht, wird Herr Staatssekretär Hallstein trotz seines angegriffenen Gesundheitszustandes anwesend sein.
— Meine Damen und Herren, wenn ich jemand gesund machen könnte, würde ich Herrn Reimann gesund machen.
Meine Damen und Herren, Sie haben meine Erklärung verstanden: Wenn das Hohe Haus es wünscht, wird Herr Hallstein trotz seiner Erkrankung zur Stelle sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf das, was der Herr Kollege Arndt hier in einer überraschend umfangreichen Form vorgetragen hat, nur ganz wenige Bemerkungen machen mit dem Hinzufügen, daß wir einen Teil seiner Argumente in der nächsten Woche ausführlicher behandeln werden.
Herr Kollege Arndt hat uns hier allerdings eine
Eröffnung gemacht, die ich doch so wichtig finde,
daß wir sie absolut und nachdrücklich festhalten
wollen. Dieselben Leute, die uns hier klarmachen
wollen, daß wir doch gut daran täten, abzuwarten,
ob uns eine Zweidrittelmehrheit abverlangt wird,
und uns diese dann vielleicht zu verschaffen,
scheuen sich nicht, im selben Augenblick mitzuteilen, daß ihr Nein nicht erst seit dem Mai 1952,
sondern bereits seit dem November 1950 feststünde.
Meine Damen und Herren, von dieser klaffenden Dissonanz werden uns auch noch so schöne Konstruktionen nicht abbringen. An diesem Punkte werden wir Sie eisern festhalten.
Wir sehen uns heute in der glücklichen Lage,
daß alle Voraussetzungen, die für einen glatten
Ablauf einer Diskussion über diese beiden wich-
tigen Vertragswerke notwendig sind, geschaffen sind. Wenn Sie mir den Ausdruck erlauben: die Papierform ist auf jeden Fall in Ordnung. Ich bin der Meinung, Sie werden alle Gelegenheit haben — und ich hoffe, Sie werden ganz unabhängig von der geschäftsordnungsmäßigen Frist die Sachen sogar noch früher per Eilboten nach Hause bekommen —, festzustellen, daß das, was wir wiederholt gesagt haben, absolut zutrifft, daß nämlich dreifach und vierfach Arbeit geleistet worden ist und daß es diese drei- und vierfache Arbeit gewesen ist, die uns daran gehindert hat, die Dinge hier längst zu debattieren.
Nun soll uns doch nicht jemand weismachen wollen, daß dies hier Fragen seien, die erst am kommenden Montag in den Fraktionen erörtert würden.
In diesem Haus gibt es überhaupt keine Fraktion, die nicht diesen Gegenstand seit dem Mai verschiedentlich — und ich hoffe, sehr intensiv — traktiert hat.
Und nun ein Wort zu der Forderung, daß hier nicht ohne Herrn Staatssekretär Hallstein verhandelt werden könne. Für Herrn Staatssekretär Hallstein und für seine Arbeits- und Leistungsfähigkeit bringen wir, glaube ich, alle miteinander sehr viel Respekt und Anerkennung auf. Trotzdem möchte ich Ihnen sagen: in meinen Augen hängt die Debatte in der nächsten Woche nicht in irgendeinem Umfang davon ab, ob Staatssekretär Hallstein hier sein kann oder nicht.
Es wäre ja geradezu eine Groteske, wenn es nicht möglich wäre, aus den Reihen der Regierung jede Frage zu beantworten, die in bezug auf diese Vertragswerke hier gestellt werden könnte.
— Meine Damen und Herren, Ihre Zwischenrufe kommen so konzentriert, daß sie sich nicht im einzelnen beantworten lassen. Aber einige haben sicher „Karlsruhe!" gerufen. Was Karlsruhe angeht, so gehört doch schon reichlich viel Unverstand dazu, uns klarmachen zu wollen, daß hier und in Karlsruhe dieselbe Situation herrsche. Hier haben wir ein Haus, in dem mindestens 7 mal 20 Leute in den Ausschüssen an der Erörterung dieser Vertragswerke beteiligt waren, so daß für hier und Karlsruhe hinsichtlich der sachlichen Erörterung doch völlig verschiedene Verhältnisse gegeben sind und es keineswegs so ist, als ob dieselben Leute, die dort unverzichtbar sein mögen, auch hier unverzichtbar wären.
Ich möchte sagen: wir freuen uns, daß jetzt endlich der Augenblick gekommen ist, diese Vertragswerke hier politisch zu diskutieren; denn wir sind der Auffassung, daß wir uns nicht durch noch so viele Kunststücke den Blick dafür verdunkeln lassen sollen, daß hier um eine Schicksalsfrage unseres Volkes zunächst einmal politisch gerungen wird.
Und wir werden der deutschen Öffentlichkeit klarmachen, daß dieses Haus hier die höchste politische und gesetzgebende Autorität in Deutschland ist.
Ich möchte meine Bemerkungen damit schließen, daß ich erkläre: Wir haben die Aufgabe — und das ist eine Aufgabe, die die Opposition genau so empfinden sollte wie wir —, Elemente der Unsicherheit aus der deutschen Diskussion zu beseitigen.
Es ist absolut notwendig, daß endlich wieder einmal sichtbar wird, daß die Bundesrepublik und ihre Regierung ein stabiler europäischer Faktor sind, und wir haben die Absicht, das in der nächsten Woche zu zeigen!
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorerst ein Wort zum dritten Punkt der Feststellungen des Herrn Bundeskanzlers. Als in der vorigen Woche — ja, gestern stand das noch in der Zeitung — bekanntwurde, daß Herr Hallstein ernstlich erkrankt ist, haben auch gutmeinende Zeitungen das als einen glücklichen Zufall — für Herrn Adenauer glücklichen Zufall — bezeichnet. Sie haben erklärt, daß das eine politische Zweckkrankheit ist,
die den Herrn Hallstein befehlsgemäß befallen hat.
Und heute haben wir den Tatbestand vor uns, daß der Herr Bundeskanzler tatsächlich in der Lage ist, ernstlich . kranke Menschen gesundzumachen bzw. gesundzuschreiben. Diese Eigenschaft habe ich bei ihm bisher nicht vorausgesetzt.
— Ja, er hat ihn k. v. geschrieben, ganz richtig, wie unser Volk k. v. geschrieben werden soll für den amerikanischen Krieg.
Hinter der am 18. November gefallenen Entscheidung steht die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes. Alle deutschen Menschen
haben es aus tiefstem Herzen begrüßt, daß es der Bundestag mit Mehrheit abgelehnt hat, dem Willen Adenauers gemäß über die Kriegsverträge zu verhandeln. Ganz Deutschland
hat sich über diese Niederlage Adenauers und der deutschen und internationalen Kriegstreiber von Herzen gefreut.
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung. Ich werde es Ihnen entziehen, wenn Sie nicht zur Geschäftsordnung sprechen.
Ich spreche zur Geschäftsordnung!
Nein!
Ich muß doch begründen, warum hier auf einmal dieser „Umschwung" kommt.
Heute soll diese von allen Deutschen begrüßte Ablehnung der Kriegsverträge — denn darauf ging doch die Entscheidung vom vorigen Dienstag hinaus —
rückgängig gemacht werden, und Herr Adenauer hat für die heutige Entscheidung den letzten Mann mobilgemacht. Ein ungeheurer Gewissenszwang und Gesinnungsterror
wird ausgeübt auf die Abgeordneten aus dem Koalitionslager, die die Verträge abzulehnen bereit sind. Gegen ihre eigene innere Überzeugung sollen sie ja sagen zu diesen Verträgen,
die das Leben und die Existenz unseres Volkes auf das schwerste bedrohen.
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufes zur Sache aufmerksam.
Dr. Adenauer hat — das ist offenkundig — den Auswärtigen Ausschuß unter schwersten Druck gesetzt, ja rechtzeitig seinen Bericht dem Hohen Hause zugänglich zu machen.
Die Hohen Kommissare haben auf Adenauer auf der Konferenz vom 26. November einen Druck ausgeübt und gefordert, daß die Kriegsverträge hier beschleunigt durchgeführt und durchgepeitscht werden,
das steht in Ihren eigenen Zeitungen —, um einen Druck auf die parlamentarischen Vertreter des französischen, belgischen und holländischen Volkes auszuüben. Dr. Adenauer will die Entscheidung heute hier erzwingen, v o r dem Gutachten des Bundesverfassungsgerichtes und über dieses Urteil hinweg.
Er fordert neuerdings sogar die Geheimhaltung des Gutachtens bis nach der dritten Beratung. Denn dieser Artikel ist doch wohl mit seinem Willen und Wissen in den amtlichen Informationsdienst der Bundesregierung hineingekommen und nicht in irgendein Witzblatt. Er setzt sich über das Bundesverfassungsgericht hinweg, er will Tatsachen schaffen, er will mit einfacher Mehrheit in der kommenden Woche die Kriegsverträge im Bundestag durchpeitschen, ohne uns Kenntnis zu geben von den Geheimverträgen, ohne Klärung der Frage, ob der Bundestag in der Lage oder berechtigt ist, Abänderungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen. Ja, ohne Klärung der Frage, ob dem Bundestag überhaupt die Möglichkeit zusteht, derartige Ergänzungs- und Abänderungsanträge zu stellen, soll der Bundestag diesen Schandvertrag mit Haut und Zähnen schlucken.
Die SPD-Führung hat sich heute wieder einmal nur mit der verfassungsrechtlichen Seite des Problems auseinandergesetzt. Sie verläßt sich offensichtlich allein auf das Bundesverfassungsgericht. Jetzt kommt es aber, so sagen wir Kommunisten dem deutschen Volke, darauf an, die ganze Kraft der Arbeiterklasse, der Gewerkschaften, aller deutschen Friedenskräfte gegen Adenauer einzusetzen.
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zum drittenmal zur Sache und entziehe Ihnen das Wort.
— Nein, ich habe Ihnen das Wort entzogen, Herr Abgeordneter Renner!
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Ich möchte an das Wort des Herrn Abgeordneten Schröder anknüpfen, der sagte, der Bundestag sei die höchste gesetzgebende Instanz.
— Sehr richtig! Aber inwieweit der Bundestag Gesetze erlassen kann und mit welcher Mehrheit, wo also die Grenzen des Bundestags liegen, der keineswegs juristisch unbegrenzt schalten und walten kann, darüber entscheidet nicht der Bundestag, sondern das Bundesverfassungsgericht. Diese Entscheidung ist für Sie und uns alle bindend. Heute ist die Sachlage so, daß das Bundesverfassungsgericht mit der Sache bereits befaßt ist, wie man juristisch sagt. Das Bundesverfassungsgericht hat klar erkennen lassen, daß es die Sache annimmt und zu seiner Zuständigkeit rechnet.
Nun soll hier diese zweite und dritte Lesung durchgehetzt werden; sie soll durchgehetzt werden, obgleich namhafte Professoren des öffentlichen und Verfassungsrechts, die Ihrer Partei, der CDU, angehören oder ihr nahestehen, wie z. B. der sehr bekannte Professor Maunz von der Universität München, ein Spezialist für Verf assungsrechtsfragen, und andere Herren, Leute aus Ihren Reihen, erklärt haben: der Bundestag ist nicht befugt, mit einfacher Mehrheit zu entscheiden; der Bundestag hat hier Zweidrittelmehrheit zu erzielen, sonst ist die Sache ungültig. Trotzdem wollen Sie den EVG-Vertrag jetzt hier durchpeitschen. Meine Damen und Herren von der Rechten, ich mache Sie auf die Haftungsansprüche juristischer und tatsächlicher Art aufmerksam,
die entstehen können, wenn hier der Bundestag, obgleich er weiß, daß seiner Zuständigkeit durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die hierfür allein zuständig ist, Grenzen gesetzt sind oder gesetzt werden können, jetzt schon eine Entscheidung trifft. Die Haftungsansprüche — nehmen Sie sie bitte ja nicht zu leicht! — ergäben sich bereits nach dem gegenwärtigen Recht, auch gemäß der Bundesverfassung! Sie haben nicht das Recht, zu einem Zeitpunkt über Ihre Zuständigkeit hinauszugehen, in dem die Abgrenzung der Zuständigkeit schon klar zur Debatte steht und schon klar dem Bundesverfassungsgericht unterbreitet ist, gerade auch mit von Ihrer Seite.
Meine Damen und Herren, lassen Sie sich doch bitte nicht in eine Situation hineinmanövrieren, die viel, viel schlechter als die des Bundesrats ist. Wollen Sie sich dem Bundesrat gegenüber als minderwertig erklären lassen? Der Bundesrat hat gesagt, er wartet, bis das Gutachten erstattet ist. Und Sie, Sie wollen den Jakele machen, der vorangeht und der dann die Prügel kriegt, wenn das
Bundesverfassungsgericht anders entscheidet. Wollen Sie wirklich den Bundestag, das oberste demokratische Organ des Staates, in solch eine unwürdige Situation hineinmanövrieren lassen?
Und noch eines, meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat uns schon vor den großen Ferien immer wieder erklärt: Wenn Sie nicht noch vor den Ferien ratifizieren, nach den Ferien wird unsere außenpolitische Lage eine viel schlechtere sein, durch Ihr Zuwarten! — Genau das Gegenteil ist eingetroffen!
Durch das Warten hat sich unsere gesamtpolitische
Lage nicht etwa verschlechtert, sondern verbessert;
und ein Tor muß sein, der das auf Grund der
ganzen außenpolitischen Situation nicht erkennt!
Reden Sie zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter, nicht zur Außenpolitik!
Wie bitte?
Sprechen Sie zur Geschäftsordnung, nicht zur Außenpolitik!
Darum, meine Damen und Herren, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen! Unter keinen Umständen können Sie sich hier schlechter stellen lassen als der Bundesrat.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Meine Zeit ist leider abgelaufen.
— Durch Ihre Intoleranz, ja!
Ich möchte Ihnen zum Schluß noch eines sagen: In zwei, drei Tagen wollen Sie zwei Lesungen durchpeitschen. Welches Parlament der Welt macht das?! Wollen sie das tun angesichts der entscheidenden Frage unseres deutschen Volkes?
Werden Sie nicht noch einmal zu Ja-Sagern zu einem Ermächtigungsgesetz, das diesmal endgültig unser Vaterland in Grund und Boden hinein ruiniert!
Herr Abgeordneter Freudenberg wollte noch zur Geschäftsordnung sprechen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob in der nächsten Woche die zweite und dritte Lesung der Verträge stattfinden soll, ist mir eine viel zu ernste, als daß ich sie in dem Ton ausklingen lassen möchte, der durch die Reden des Abgeordneten Renner und des Abgeordneten Loritz hindurchgeklungen ist.
Ich glaube, daß die Verantwortung, die wir mit der Behandlung dieser Verträge vor unserem Volk zu tragen haben, eine so unendlich schwere ist, daß wir allen Grund haben, mit Sorgsamkeit zu überlegen, ob auch nicht eine Lücke da ist, so daß man
uns den Vorwurf machen könnte, wir hätten nicht nach dem gehandelt, was parlamentarisch geboten gewesen wäre.
Herr Kollege Schröder, Sie haben vorhin gesagt: es ist Zeit, daß die Elemente der Unsicherheit endlich aus diesem Fragenkomplex herausgebracht werden. Diesem Wort möchte ich mich sehr anschließen. Ich glaube, daß es gerade aus dem Grunde, um keine neuen Elemente der Unsicherheit in unsere politische Lage zu bringen, notwendig ist, die Reihenfolge einzuhalten, zunächst das Gutachten des obersten Verfassungsgerichts abzuwarten und dann unsere Entschlüsse zu fassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird immer wieder der Versuch gemacht, das, was zur Entscheidung steht, mit allen möglichen anderen Fragestellungen zu vermengen. Hier handelt es sich nicht um die Frage, wie sich die Fraktionen dieses Hauses im einzelnen zu den Verträgen äußern. Es handelt sich vielmehr um die Frage, wann das Haus dies tut. Nun ist die Sache so, daß die Unterlagen seit fünf, sechs Monaten zur Verfügung stehen und in einer großen Fülle von Ausschüssen durchberaten und durchdacht worden sind.
Gegenüber diesem eindeutigen Sachverhalt wagt man es dann, von Durchpeitschen zu reden.
Man soll doch die Dinge nicht verfälschen.. Gut, der eine mag Bedenken haben, und der andere mag dafür sein; aber eines Tages muß man doch den Mut zur Entscheidung haben, man muß den Mut haben, auszusprechen, ob man dafür oder dagegen ist. Man darf nicht ewig eine Ausweichtaktik verfolgen, die immer wieder von irgendwelchen vagen Möglichkeiten der veränderten Umstände redet, sondern man muß den Mut zur Entscheidung aufbringen.
Da ist von der Würde des Parlaments gesprochen worden. Ja, meine Damen und Herren, besteht wirklich die Betonung des Gewichts des Parlaments in einer Angelegenheit zunächst der politischen Willensentscheidung darin, daß man sich hinter einen möglichen Gerichtsspruch zurückzieht?
Wenn das Parlament sich seiner Würde bewußt ist, dann spricht es zunächst aus, was es will.
Wenn dann die formelle Prüfung ergeben sollte, daß gegen diesen oder jenen Teil des Vertragswerkes Beanstandungen erhoben werden können, dann hat man weiter zu überlegen, wie man in der verfolgten Linie die Form findet, um auch solchen formalen Bedenken Rechnung zu tragen.
Ich bin also der Meinung: nachdem wir monatelang um die Dinge gerungen und in den Ausschüssen beraten haben, sollten wir endlich nicht mehr ausweichen und sollten uns den Termin' setzen, in
dem wir uns der klaren öffentlichen Auseinandersetzung über das Vertragswerk hier in diesem Hause stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei möchte ich mich ausdrücklich gegen den Vorwurf der Überstürzung der Verhandlungen wenden. Seit dem Jahre 1950 liegen die Grundprobleme dieser Verträge offen zutage. Viele Monate ist bis zum Abschluß der Verträge verhandelt worden. Mehrere Monate liegen diese Verträge in diesem Hause. Über 100 Ausschußsitzungen sind abgehalten worden, wenn man die Sitzungen der Hauptausschüsse, der Unterausschüsse und der Fachausschüsse zusammenzählt. Wer angesichts einer solchen Sachlage noch von Überstürzung spricht, gibt damit zu erkennen, daß er eigentlich etwas anderes meint und daß seine ganzen Gründe Scheinargumente sind.
Es ist das Wort von der Abhängigkeit Bonns von Karlsruhe gefallen. Ich glaube, es wäre von einem Gericht sehr gering gedacht, wenn angenommen wird, daß die Aufeinanderfolge von Entscheidungen, sei es die in Karlsruhe, sei es die hier in der politischen Instanz, auf einen Rechtsspruch — wenn es sich nämlich um einen Rechtsspruch handelt — einen Einfluß haben könnte.
— Was das heißt, will ich Ihnen beantworten. In der zweiten und dritten Lesung der beiden Vertragskomplexe ist eine politische Entscheidung zu fällen. Sie können politische Entscheidungen, die für das Schicksal des Volkes von so großer Bedeutung sind, nicht in der Retorte kochen noch aus Rechtsnormen ableiten. Solche politischen Entscheidungen haben Sie in diesem Hause und bald zu verantworten.
Abschließend habe ich nur zu bemerken: Der
Druck der Entscheidung liegt auf unserem Volke.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Schäfer sprach eben von dem Mut zur Entscheidung, den das Haus nun endlich haben müsse. Ich glaube, es gibt kaum einen in diesem Hause, wenn wir einmal von den Herren der KPD absehen wollen, dem die Tragweite des Ja oder Nein zu diesen Dingen nicht in vollem Umfang klar ist.
Aber es ist doch nicht so, daß man die Argumente
hinsichtlich der Reihenfolge mit einer Handbewegung wegwischen könnte. Es ist auch nicht so, daß
die Tatsache, daß der Bundespräsident ein Gut-
achten über die Frage, ob die Verträge verfassungändernden Charakter haben oder nicht, angefordert hat, eine Bagatelle wäre. Der Bundespräsident ist selbst Mitglied des Parlamentarischen Rates gewesen, und ich glaube, wir können davon ausgehen, daß ihm die Materie, um die es geht, einigermaßen geläufig ist. Wenn er nicht selbst in wesentlichen und ernsthaften Zweifeln über die Sache gesteckt hätte, hätte er ein solches Gutachten ohne Zweifel überhaupt nicht erst angefordert und damit das Bundesverfassungsgericht — das ist auch ihm von vornherein klar gewesen — über Monate hinweg beschäftigt.
Herr Dr. von Merkatz hat eben gesagt, die Grundprobleme dieser Verträge seien seit 1950 bekannt. Meine Damen und Herren, wenn Sie nur einmal daran denken, was in den Ausschüssen in den letzten vier, sechs oder acht Wochen zutage getreten ist an Dingen, an die niemand gedacht hat, als die Verträge uns in ihrem Rohbau vorgelegt wurden,
dann kann ich durchaus verstehen, daß die Regierung es eilig hat, denn wenn die Ausschüsse sich noch länger mit den Verträgen befassen, kommen noch mehr Pferdefüße zum Vorschein, als ohnehin schon zum Vorschein gekommen sind.
Wenn Sie beschließen sollten, die Ratifizierung in der nächsten Woche durchzuführen, werden Sie bei den Berichten und bei der Diskussion über die Berichte schon feststellen, daß in einigen ganz kardinalen Punkten eine große Menge offener Fragen übriggeblieben sind. Das sind nicht die Zusatzverträge mit allen möglichen Schweinigeleien, die dort eingebaut sind,
sondern es sind einige ganz wenige Punkte, — —
Herr Abgeordneter von Thadden, an dem Abschluß der Verträge sind Deutsche beteiligt. Ich rüge den Ausdruck „Schweinigeleien". Ich rufe Sie zur Ordnung.
Meine Damen und Herren, es geht um zwei bis drei Artikel des eigentlichen Generalvertrags,
die in den Ausschüssen zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten, und zwar in Grundsatzfragen, geführt haben. Es ist hier immer wieder das Ansehen des Hohen Hauses zitiert worden.
Ich glaube, wir täten gut daran, wenn wir erst einmal abwarteten, was das Bundesverfassungsgericht, dem dieses Parlament j a eine so große Machtfülle gegeben hat, zu diesem Thema zu sagen hat. Wenn das Verfassungsgericht von Karlsruhe sein Votum zu der Frage abgegeben hat, die der Herr Präsident gestellt hat, dann liegt es hier an uns, die politische Entscheidung über das Ja oder Nein zu den Verträgen zu fällen.
— Herr Hasemann, auf Ihr Gerufe trete ich hier noch lange nicht ab.
Ich bin der Auffassung,
daß wir bisher Zeit genug gehabt haben zu warten. Auf die eine Woche, die wir noch warten müßten, um die Verhandlung von Karlsruhe zu erhalten, kommt es heute nicht mehr an. Aus diesem Grunde sollten wir die Behandlung der Verträge in der nächsten Woche ablehnen und warten, bis Karlsruhe klare Zuständigkeitsverhältnisse geschaffen hat.
Meine Damen und Herren, es haben sich noch gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Arndt und Herr Abgeordneter Dr. Tillmanns. Ich werde darüber hinaus das Wort zur Geschäftsordnung nicht mehr erteilen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder, aber einige Bemerkungen des Herrn Abgeordneten S c h ä f er veranlassen mich zu einer kurzen Erwiderung, bei der ich jedoch nicht vorhabe, den emotionalen Stimmaufwand nachzuahmen,
sondern in der ich Ihnen nach wie vor das, was ich zu sagen habe, in aller Ruhe sagen werde.
Meine Damen und Herren! Sie stehen vor drei Fragen: W a s ist zu enscheiden? W e r hat zu entscheiden? Und w i e ist zu entscheiden?
Das, was zu entscheiden ist, das wissen wir nicht ) seit Monaten. Ich will die sehr treffenden Ausführungen des Herrn Kollegen von Thadden nicht wiederholen.
— Ja, meine Damen und Herren, ich will ruhig abwarten, bis Ihnen in einer Frage weniger lächerlich zu Mute geworden ist, die dem deutschen Volk gar nicht lächerlich vorkommt!
Ich bedaure nur, daß wir nicht außer dem Rundfunk bereits einen Fernseher haben, damit das deutsche Volk sehen könnte, wie lächerlich es Ihnen ist.
Wenn Sie einigermaßen zur Besinnung gekommen sein werden,
werde ich mit meiner Ruhe fortfahren.
Das, w a s zu entscheiden ist, wissen wir nicht seit Monaten; sonst wären ja die 100 Ausschußsitzungen, auf die Herr von Merkatz angespielt hat, und ein voraussichtlich 180 Druckseiten umfassender Bericht nicht erforderlich. Also das W a s bedarf auch noch sehr eingehender Erwägungen, damit wirklich jeder
Abgeordnete weiß, worüber er entscheidet, und nicht nach dem Sätze handelt: „Kanzler befiehl! Wir folgen!"
Auf die Frage, wer zu entscheiden hat, ist niemand von Ihnen eingegangen, insbesondere Herr Schäfer nicht. Wer zu entscheiden hat, ist j a gerade im Streit, und Ihr Anspruch, daß Ihre einfache Mehrheit es wäre, ist durchaus umstritten. Wir werden erst durch einen Richterspruch belehrt werden, wer zu entscheiden hat.
Schließlich zur Frage, wie zu entscheiden ist, Herr Schäfer, haben Sie gesagt, mit Mut sollten wir entscheiden. Das haben wir 12 Jahre lang in der deutschen Politik gehört.
Sie können reifliche Überlegung und Erwägung nicht durch das ersetzen, was man Mut nennt oder was sie Mut zu nennen scheinen,
sondern es handelt sich darum, zu überlegen, zu erwägen und in der reifen Stunde dann auf Grund einer Klarheit über die Rechtslage über den politischen Inhalt der Verträge und ihre Folgen zu entscheiden.
Ich glaube doch, daß das nicht allein mit dem abgetan ist, was von Ihnen Mut genannt wird.
Und ich will Ihnen dazu ein letztes Wort sagen: Gerade w e i 1 es zweifelhaft ist, ob diese Verträge über die gegenwärtige Verfassung hinausgehen, und auch von unserer Entscheidung mit umschlossen wird, ob wir auf dem Boden der Verfassung bleiben oder ihn überschreiten, kann man nicht sagen: „Nur Mut, auch wenn es vielleicht ein Verfassungsbruch ist!", sondern da muß man sagen: Achtung! Vorsicht! Hier aufpassen, was los ist!, und mit reiflicher Prüfung und Erwägung sein Gewissen hier zu Rate ziehen und nichts übereilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Meine Damen und Herren! Ich finde es bedauerlich, daß die Mahnung des Herrn Kollegen Freudenberg, wir möchten diese sehr schwerwiegende Sache in ruhiger Sachlichkeit behandeln, nicht befolgt worden ist.
Wenn Herr Arndt darauf hingewiesen hat, es stehe ja noch gar nicht fest, w a s denn überhaupt zu entscheiden sei,
so läßt sich das aus der gesamten Arbeit der Ausschüsse keineswegs belegen. Die Ausschüsse, die hier über die Vertragswerke verhandelt haben, haben alle erklärt, daß sie ihre Arbeit in sachlich richtiger Weise für beendet halten. Also müssen doch wohl alle Mitglieder dieser Ausschüsse
der Auffassung gewesen sein, daß die ihnen aufgetragene Arbeit ordnungsmäßig beendet sei.
Man erweckt infolgedessen einen falschen Eindruck, wenn man hier so tut, als beabsichtige irgend jemand, die materielle Debatte zu verkürzen.
Die Ausschüsse haben alle ihre Arbeit sachgemäß und ordnungsmäßig beendet.
Und wenn Herr Kollege Schäfer gesagt hat, daß wir in der politischen Verantwortung, die uns aufgetragen ist, auch einmal den Mut zu einer gewissen Entscheidung aufbringen müßten,
so, Herr Abgeordneter Arndt, ist nach meiner Auffassung uns und unserem gesamten Volke kein Dienst erwiesen, wenn Sie darauf so antworten, wie Sie es getan haben.
Wir sollten es uns endgültig abgewöhnen, aus der fürchterlichen, mißbräuchlichen Verzerrung echter Werte des menschlichen Lebens, die das vergangene Naziregime betrieben hat, den verhängnisvollen Schluß zu ziehen, als wenn solche Werte in unserem menschlichen Leben heute keine Rolle mehr spielen dürften.
Und was die Termine anbetrifft, um die es sich handelt: Es ist uns allen bekannt, daß auf die erste Klage einiger Mitglieder dieses Hauses das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, daß Raum für eine Klage und damit auch für eine Entscheidung erst dann gegeben sei, wenn die parlamentarischen Körperschaften gesprochen haben.
Ich gebe Ihnen zu, Herr Dr. Arndt, daß bezüglich des Gutachtens die Rechtslage etwas anders ist.
Aber hier nun den Versuch zu machen, es so darzustellen, als gelte bezüglich des Gutachtens das Umgekehrte, ist ganz zweifellos falsch.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung zu diesem Geschäftsordnungspunkt. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Krone gehört, die zweite und dritte Beratung der Verträge am 3., 4. und eventuell 5. Dezember stattfinden zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Krone zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich bitte die Damen und Herren, die sich enthalten wollen, eine Hand zu erheben. —
Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich nicht völlig einig. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden.
Ich bitte, den Saal möglichst schnell zu räumen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Auszählung zu beschleunigen. — Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen.
Die Abstimmung ist geschlossen. Die Türen sind zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Krone haben gestimmt 220 Abgeordnete, dagegen haben gestimmt 160 Abgeordnete, Enthaltungen keine. Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf die Aussprache der ersten und dritten Beratung vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist die erste Beratung des Gesetzes beendet.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung:
Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit; angenommen.*)
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Die Einzelberatung der dritten Beratung entfällt, da keine Änderungsanträge gestellt sind; eine allgemeine Besprechung soll nicht stattfinden.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952 (Nr. 3800 der Drucksachen);
b) Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Lausen und Genossen betreffend Förderungsmaßnahmen der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden (Nrn. 3874, 2368 der Drucksachen);
c) Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Meitinger, Dannemann, Tobaben, Kriedemann und Genossen betreffend Erhaltung des deut-
*) Vergl. Anlage 1 Seite 11084.
Wir verbinden damit den Punkt 16 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der FU betreffend Kredite für Wiederherstellungsarbeiten an denkmalspflegerisch wertvollen Gebäuden (Nr. 3816 der Drucksachen).
Ich unterstelle, daß die Fraktion der Föderalistischen Union die Begründung dieses Antrags im Rahmen der Aussprache vornehmen wird.
— Einverstanden.
Für die Gesamtaussprache ist im Ältestenrat eine Redezeit von 240 Minuten vereinbart worden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Als erster hat das Wort Herr Abgeordneter Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß der Herr Bundesfinanzminister es für wert hält, während der Debatte des Nachtrages noch zu erscheinen, wenn er das Haus verlassen haben sollte. Ich glaube nicht, daß es üblich ist,- daß nur der Herr Staatssekretär dasitzt. Ich bedaure, diese Einleitung machen zu müssen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister hat gestern den Nachtrag zum Bundeshaushalt 1952/53 mit einer, man muß es leider sagen, recht mageren Begründung dem Hause vorgelegt. Unsere Haushaltsberatungen entbehren an sich schon der in anderen Ländern üblichen dramatischen Spannung. Herr Schäffer hat noch ein übriges getan, um die Haushaltsberatungen in diesem Hause abzuwerten. Was er an Zahlen genannt hat, diente ausschließlich dem Zweck, die Starrheit von rund 80% der Ausgaben zu unterstreichen — eine These, die noch sehr genau im Lichte der einzelnen Haushaltspositionen untersucht werden müßte —, und seine Bemerkungen über die Entwicklung der Bundeseinnahmen verrieten einen Zweckpessimismus, dessen Hintergründe man sehr leicht erraten kann.
Besonders interessant fanden wir Sozialdemokraten die Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers, daß mit der Einbringung des Nachtrags nun die volle Verantwortung auf das Parlament übergehe. Das ist an sich eine Binsenwahrheit, die aber von dem Herrn Bundesfinanzminister offenbar ausgesprochen worden ist, weil er damit einen Appell an das Verantwortungsbewußtsein des Hohen Hauses richten wollte. Nun, ich darf wohl annehmen, daß dieser Appell an die Einsicht des Parlaments in erster Linie an die Regierungskoalition gerichtet war, die im Hinblick auf den kommenden Wahlkampf nicht müde wird, Anträge von erheblicher finanzieller Tragweite zu stellen.
— Ja, Herr Kollege Bausch, es ist ein kleiner Unterschied, ob die Opposition bestimmte Anliegen aufnimmt oder ob die Regierungskoalition, die sich verpflichtet fühlt — —
— Sie reden gelegentlich davon, daß wir weniger Verantwortung haben als Sie. Aber wenn Sie diese Verantwortung schon haben - Herr Kollege Bausch, ich rede nicht von Ihnen individuell, das ist nicht meine Sache, sondern von der Koalition -, dann
haben Sie auch die Aufgabe, Ihrem Herrn Bundesfinanzminister in die Seite zu treten.
— In die Seite! Ich meine das so, wie Sie es verstehen, Herr Bausch. Der Herr Bundesfinanzminister hätte eigentlich die Verpflichtung — man hat es allerdings bisher von ihm nicht gehört —, in der Öffentlichkeit ein offenes Wort an seine eigenen Freunde zu richten, und zwar unter Nennung der genauen Adresse. Das würde vielleicht mehr zur Klärung der Situation beitragen als dunkle Andeutungen von der vollen Verantwortung, die jetzt auf das Parlament übergehe. Aber vielleicht holt der Herr Bundesfinanzminister diesen Appell an seine Freunde noch nach; wir wären ihm dankbar.
Nun haben wir gestern vom Herrn Bundesfinanzminister bei einer anderen Gelegenheit, nämlich bei der Beratung der Anträge und Vorlagen über die Beamtenbesoldung, ganz im Vorbeigehen, erfahren, daß die Finanz- und Steuerreform, von der so lange und so viel geredet worden ist, noch im weiten Felde sei. Der Herr Bundesfinanzminister hat nämlich die Frage der Besoldungsreform in einen nach meiner Auffassung zu Recht bestehenden Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform gebracht und gesagt, die Besoldungsreform sei ein so kompliziertes Werk, daß darüber noch viel Zeit vergehen werde. Ergo: auch die Finanz- und Steuerreform wird noch sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Das ist zwar keine absolute Neuigkeit; denn darüber ist schon seit einiger Zeit gemunkelt worden, daß man nicht daran gehen will, noch in diesem Parlament dieses dornenvolle Werk in Angriff zu nehmen. Ich muß sagen: wir bedauern das in mehr als einer Hinsicht, weil wir nämlich befürchten, daß damit ein Fragenkomplex weiter im Dunkel bleibt, dessen Aufhellung für die Urteilsbildung der Wähler im kommenden Jahr von außerordentlicher Bedeutung gewesen wäre.
Man hätte dann nämlich Farbe bekennen müssen, und das Farbe-Bekennen wäre manchen Leuten, auf deren Mithilfe bei der kommenden Bundestagswahl die Regierungskoalition Wert legt — ich meine Mithilfe nicht im Sinne von Reden, sondern im Sinne von konkreten Leistungen —, sehr auf die Nerven gegangen.
Man kann also durchaus verstehen, daß man dieses unangenehme Geschäft auf einen späteren Zeitpunkt vertagt, und die Frage ist erlaubt, ob das Tempo der Arbeit an dem großen Werk der Finanz- und Steuerreform nicht vielleicht doch durch politische oder gar wahlpolitische Überlegungen bestimmt worden ist.
Bei dieser Gelegenheit übrigens eine Frage. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern mit großer Genugtuung von der kommenden Bundesanleihe über eine halbe Milliarde DM gesprochen. Ich möchte die Erfolgsmöglichkeit dieser Anleihe nicht im geringsten beeinträchtigen. Ich bin überzeugt, daß zur Deckung der Bedürfnisse des außerordentlichen Haushalts ein erheblicher Zuschuß vom Kapitalmarkt her notwendig sein wird. Aber es ist auch aus den Bedingungen, die genannt worden sind, klar geworden, daß sie für die Geldinstitute, die so bereitwillig waren, den größeren Teil der Anleihe zu übernehmen, ein recht ordentliches Geschäft ist.
In diesem Zusammenhang aber darf ich doch die Frage stellen: Was wird nun eigentlich aus der 200-Millionen-Anleihe, die bei den Beratungen über den Lastenausgleich als eine der Möglichkeiten für die Vorfinanzierung des Lastenausgleichs in Aussicht gestellt worden ist? Das, was im „Bulletin" der Bundesregierung vom 26. November über den Inhalt eines geplanten „Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Vorfinanzierung des Lastenausgleichs" — ein langer Titel, wie ich zugeben muß; er ist nicht von mir — mitgeteilt worden ist, kann man kaum als eine Erfüllung dieses Versprechens ansehen. Denn die Bedingungen für die Maßnahmen, die da mitgeteilt worden sind, dürften für die potentiellen Darlehensgeber kaum einen großen Anreiz darstellen. Aber über diese Frage wird j a noch an anderer Stelle zu reden sein, und ich denke, daß auch einige Herren aus den Kreisen der Regierungskoalition über diese Dinge ihre eigenen Gedanken haben. Hoffentlich sprechen sie sie recht nachdrücklich aus, so nachdrücklich, wie Herr Dr. Kather es in der Presse getan hat.
Und nun einige Bemerkungen zum Nachtrag selber. Zu Beginn muß ich leider wieder die Beschwerde vorbringen, die nicht zum ersten Male in diesem Hause ertönt, daß der Nachtrag dem Hause mit beträchtlicher Verspätung vorgelegt worden ist. Die Schuld daran liegt nicht beim Parlament. Die entscheidende Einnahmeposition des Nachtrags, nämlich der höhere Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, war längst ausgehandelt. Dagegen haben offenbar die Verhandlungen über den Etatausgleich im Schoße der Regierung über Gebühr lange gedauert, und man kann noch nicht einmal sagen, daß jetzt die Unterlagen vollständig seien; denn am Dienstagnachmittag i) wurde im Hause ein ganzer Berg Organisations-und Stellenpläne abgeliefert, und zwar zu einer Zeit, zu der sie nicht mehr verteilt werden konnten, und die Frage erhebt sich: Wer soll eigentlich solch umfangreiches Paket, dessen Kenntnis doch zum Verständnis des Haushalts notwendig ist, durcharbeiten oder durchsehen? Man kann weiter fragen: War es nicht möglich, diese Unterlagen früher zu liefern? Haben sie dem Bundesrat bei seiner Beratung nicht vorgelegen? Ich kann es mir kaum vorstellen. Wann sind sie fertiggestellt worden? Ich habe mir sagen lassen, daß sie schon monatelang im Bundesfinanzministerium fertig sind. Um so erstaunlicher ist es, daß man dieses Paket dem Hause oder vielmehr den Mitgliedern des Hauses, die mit diesen Fragen beschäftigt sind, erst im letzten Augenblick zustellt.
Man kann nur die Hoffnung aussprechen, daß es mit dem Haushaltsplan 1953/54 nicht ebenso geht. Auch wenn jetzt angekündigt wird, daß er demnächst vom Kabinett verabschiedet werde, zwingt die Erfahrung zu einiger Skepsis. Hoffen wir, daß diese Skepsis widerlegt wird!
Der Nachtrag bringt — das weiß nur derjenige, der ihn durchgearbeitet hat; und ich habe leider neben den Mitgliedern des Haushaltsausschusses die unangenehme Verpflichtung, das zu tun, und zwar schon von vornherein — beträchtliche neue Personalanforderungen, nämlich — nach der Zusammenstellung des Bundesfinanzministeriums — insgesamt annähernd 5900 neue Forderungen für Planstellen, für TOA-Stellen, für Arbeiterstellen. Die Erhöhung des Personalbestands ist nicht ohne
weiteres in allen Fällen selbstverständlich. Sie wird in den Ausschußberatungen einer scharfen Durchleuchtung bedürfen. Um es gleich vorweg zu sagen: Wir sind nicht unter allen Umständen gegen die Vermehrung von Planstellen oder Stellen für Angestellte und Arbeiter. Dort, wo echte neue Aufgaben oder eine Vermehrung der Aufgaben vorliegen und wo dafür die gesetzlichen Grundlagen bestehen, werden wir keine Schwierigkeiten machen. Aber nicht für alle neu geforderten Stellen gib t es gesetzliche Grundlagen, und nicht in jedem Fall können wir die Ausweitung des Personalbestands und die Begründung dazu akzeptieren, daß die Aufgaben sich erweitert hätten.
Ich will zwei Fälle herausgreifen, ohne damit das Thema zu erschöpfen. Da ist das Amt Blank. Es fordert 123 neue Stellen, davon 45 planmäßige und 8 außerplanmäßige Beamtenstellen sowie 61 Angestelltenstellen. Ich frage — und meine Fraktion fragt mit mir —: Wo ist die Grundlage für diese Ausdehnung?
Das Amt Blank unterliegt geradezu einem Wucherungsprozeß. Wenn man uns in diesen Tagen öffentlich versichert hat, daß es nicht richtig sei, daß die Sonderabteilung beim Bundesfinanzministerium in Bad Homburg auf das Amt Blank übergegangen sei, daß dagegen das Amt Blank einen Teil der bisherigen Aufgaben dieser Stelle übernommen habe, nämlich die Beschaffungsaufgaben, dann steht das im direkten Widerspruch zu dem, was uns im Haushaltsausschuß auf die direkte Frage gesagt worden ist, daß nämlich ein erheblicher Teil des Personals und der Aufgaben der Sonderabteilung in Bad Homburg zum Amt Blank übergewechselt sei.
Man sollte doch Mitteilungen etwas genauer auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen, ehe man sie der Öffentlichkeit übergibt, oder man sollte dann doch wenigstens den Ausschüssen des Parlaments die volle Wahrheit sagen.
Ich sagte, das Amt Blank unterliege geradezu einem Wucherungsprozeß. Man kann eher von einer Aufgabenüberschreitung ohne jede gesetzliche Grundlage sprechen. Daß dabei eine echte parlamentarische Kontrolle fehlt, ist keineswegs der kleinste Mangel. Herr Blank hält immer wieder öffentliche Reden über die Tätigkeit und die Absichten seiner Dienststelle und verbreitet damit in weiten Kreisen der Bevölkerung Unruhe; aber dem Parlament hat er sich dank der fein ausgeklügelten Zweideutigkeit seiner Stellung als Abgeordneter und quasi-Verteidigungskommissar bisher noch nie gestellt.
Ich glaube, hier ist es notwendig, daß das Parlament selber sich das Recht der Kontrolle über eine solche doch immerhin mit einer Aufgabe und Verantwortung von hohem Grad und von hoher Gefährlichkeit belastete Stelle rechtzeitig sichert.
Und nur nebenbei, meine Damen und Herren: auch die Personalerweiterungen bei einzelnen Ressorts sind beunruhigend, und man kann nur hoffen, daß der Ausbau der Bundesverwaltung jetzt allmählich abgeschlossen wird. Wir werden, wie gesagt, auf alle diese Fragen im Ausschuß zurückkommen. Daß es auch andersherum geht, zeigen einige Positionen im Bereich des Verkehrsministeriums, womit ich keineswegs das Ministerium selbst meine. Bei einigen Verwaltungen, die dem Verkehrsministerium unterstehen, hat der Bundesrech-
nungshof geprüft, und diese Prüfung hat eine recht heilsame Wirkung gehabt. In einem Fall bei einer dem Verkehrsministerium unterstehenden Dienststelle war es möglich, den Personalbestand von 170 auf 101 Stellen herabzudrücken,
immerhin eine beachtliche Leistung. Es zeigt sich also, daß man bei sorgsamer Prüfung auf diesem Gebiet doch einiges erreichen kann, obwohl ich mich niemals der Illusion hingegeben habe, daß allein durch die Reduzierung des Personalbestands oder durch das, was man die Sparsamkeit in der Verwaltung nennt, wesentliche Gewichtsverschiebungen innerhalb der öffentlichen Haushalte erreicht werden können.
Ich möchte nicht etwa durch diese Äußerung eine solche Illusion nähren. Das weiß jeder, der mit den Dingen zu tun hat.
Ein besonderer Fall, der auch noch genauer untersucht werden muß, ist das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Ich sage das nicht, weil uns etwa dieses Presse- und Informationsamt besonders im Magen läge. Es ist aber nicht nur in den Reihen der Opposition, sondern auch bei vielen nüchtern überlegenden Mitgliedern des Hauses — insbesondere in den Reihen des Haushaltsausschusses — immer wieder die Frage gestellt worden, ob der Umfang, den dieses Presse- und Informationsamt der Bundesregierung angenommen hat, in der Sache gerechtfertigt sei. Das Presse- und Informationsamt fordert 16 neue Stellen für Beamte und 52 für Angestellte.
Ich darf in diesem Zusammenhang gleich daran erinnern, daß einer von den, ich weiß nicht, wievielen verflossenen Chefs des Amtes, Herr von Twardowski, mehrfach, und zwar öffentlich und in Gesprächen mit verantwortlichen Leuten, die Auffassung vertrat, daß die Aufgaben des Presse- und Informationsamts beschränkt werden müßten. Man kann nur feststellen, daß offensichtlich das Gegenteil der Fall ist.
Die Aufgabenstellung des Amtes ist nach unserer Meinung einfach falsch. Es sollte weder eine Nachrichtenagentur ersetzen, noch sollte es ein Propagandaministerium sein.
Aber offensichtlich versucht es, beides zugleich zu sein, und der Erfolg ist zunächst nicht eine bessere Information der Öffentlichkeit, sondern eine Aufblähung des Personalbestands.
In diesem Zusammenhang gleich noch eine Bemerkung zum Haushaltsplan des Bundeskanzleramts, nämlich zum Kap. 2 Tit. 31. Das ist auch das Bundespresse- und Informationsamt. Unter der Zweckbestimmung „für Förderung des Informationswesens" werden, wie hier steht, zur Verfügung des Bundeskanzlers im Nachtrag neue Mittel, und zwar 453 600 DM angefordert, so daß der Gesamttitel auf 31/2 Millionen DM anwächst. Die Prüfung der Verwendung dieser Mittel und die Entlastung erfolgt nur durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Es ist nicht der einzige Titel dieser Art und auch nicht der einzige im Bereich des Bundeskanzleramts. Wir wissen natürlich auch, daß solche Fonds nicht immer vermeidbar sind. Aber in diesem Falle liegt der Verdacht sehr nahe, daß es sich um einen echten Korruptionsfonds handelt. Ich darf bemerken, daß auch der Präsident des Bundesrechnungshofs gelegentlich sehr nachdrücklich Bedenken gegenüber der Verantwortung geäußert hat, die ihm mit der Inanspruchnahme des § 89 der Reichshaushaltsordnung in solchen Fällen aufgebürdet wird. Es wird ernsthaft zu überlegen sein, ob solche Fonds nicht stärker unter parlamentarische Kontrolle gebracht werden können.
Damit komme ich zu einem andern Punkt, der den Haushaltsplan des Bundeskanzleramts betrifft. Im außerordentlichen Haushalt des Einzelplans IV ist der Betrag von 4,4 Millionen DM für den Bau einer neuen Bundeskanzlei angefordert.
Die Frage ist erlaubt, ob es gerade jetzt notwendig ist, im Nachtrag, und dazu noch im außerordentlichen Haushalt, eine solche Summe für einen solchen Zweck sozusagen durch den Türspalt einzuschmuggeln. Wir sind gegen den Versuch, öffentliche Bauten dieser Art über das Extraordinarium zu finanzieren. Die ganze Sache kann bestimmt bis zum Haushalt 1953/54 warten.
Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die dringlicher sind als der Bau eines neuen Bundeskanzleramts.
In anderen Fällen — das möchte ich hinzufügen — hat sich der Herr Bundesfinanzminister — und an den richtet sich j a diese Frage — nicht so großzügig gezeigt. Ich erinnere nur an den mehr als frostigen Empfang, den Herr Minister Schäffer vor kurzem den Vertretern der Kriegsopferverbände bereitet hat.
Dabei beschränkte er sich darauf, zu den Forderungen der Kriegsopfer und -hinterbliebenen mehrmals hintereinander nein zu sagen und sich dann zu empfehlen, weil er noch mit einer Vertretung der Steuerzahler zu verhandeln habe. Von Verhandeln kann man in diesem Falle wohl kaum sprechen, eher schon von einem sanften Rausschmiß der Vertreter der Kriegsopferverbände,
und das gegenüber einer Schicht der Bevölkerung, die schließlich berechtigte Wünsche vorzutragen hat, berechtigte Wünsche, die nicht nur von der Opposition geltend gemacht worden sind, sondern auch in Teilen der Regierungskoalition anerkannt werden. Ich will hier der Überzeugung meiner Fraktion Ausdruck geben, daß es bei gutem Willen durchaus möglich wäre, im Rahmen des Bundeshaushalts eine Verbesserung der Kriegsopferversorgung zu erreichen. Wir werden uns jedenfalls mit allen Kräften für die Forderungen der Kriegsopferverbände einsetzen.
— Ich will noch in einem Punkt meiner Rede den Nachweis erbringen, daß sogar Regierungsvertreter der Meinung sind, es gäbe noch Möglichkeiten, Herr Bausch.
— Da sind wir j a wieder einmal einer Meinung, was nicht oft vorkommt.
Herr Minister Schäffer hat gestern sehr nachdrücklich auf die geringe Manovriermasse im Bundeshaushalt hingewiesen, die sich aus der Erstattung von mehr als 800/o der Ausgaben ergäbe. Im großen — aber nur im großen — mag man diese
These hinnehmen, wobei noch darauf hingewiesen werden muß, daß das dauernde Operieren mit den 40,2% Sozialleistungen politisch-psychologisch — von der sachlichen Seite ganz abgesehen — ein großer Fehler ist.
Warum trennt man nicht endlich ganz klar die
Kriegsfolgelasten von den übrigen Sozialleistungen,
um damit unserem Volke klarzumachen, was ein verlorener Krieg kostet,
wie hoch der Preis für das Abenteuer gewesen ist? Warum nimmt man das immer in diesen großen schwarzen Block „Sozialleistungen"? Schließlich läßt sich auch auf diesem Gebiet mit der nüchternen und bitteren Wahrheit mehr erreichen als mit einer etwas anonymen Masse von Kosten, hinter denen jeder alles suchen kann. Auch sonst ließe sich zu dieser allzusehr auf Vereinfachung ausgehenden Schematisierung in der Aufgliederung der Haushaltseinnahmen und -ausgaben noch manches sagen. Wir behalten uns das für spätere Gelegenheiten vor.
Betrachtet man den Nachtragshaushalt im einzelnen, so kann man die These des Herrn Bundesfinanzministers von der Starrheit und geringen Manövrierfähigkeit im Bundeshaushalt keineswegs in vollem Umfang akzeptieren. Ich bin weit davon entfernt, jede Stellungnahme des Bundesrats zu Gesetzentwürfen der Bundesregierung als Evangelium zu betrachten. Dazu wissen wir alle zu gut, welche regionalen und anderen Gesichtspunkte den Bundesrat bei seinen Stellungnahmen manchmal beeinflussen. Was aber der Bundesrat zu dem Nachtragshaushalt in der Ziffer 2 seiner „Allgemeinen Bemerkungen" gegenüber der Bundesregierung anführt, möchte ich beinahe im vollen Umfang akzeptieren. Damit das Haus die Einwände des Bundesrats schon in diesem Stadium der Beratungen kennenlernt und sie auch für die Beratungen im Haushaltsausschuß zu Protokoll gehen, darf ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze wörtlich zitieren. Es heißt da:
Bei der Aufstellung des Haushalts 1953 sollte eine Reihe haushaltsrechtlicher Grundsätze wieder Beachtung finden, die bei den bisherigen Bundeshaushalten auf Grund des Überrollungs- und Wiederholungsprinzips nicht genügend berücksichtigt sind.
Das ist durchaus in Ordnung. Es geht aber dann weiter:
Bei den Zweckausgaben sollten grundsätzlich nur Ausgaben veranschlagt werden, die dem Grund und der Höhe nach mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Der Nachtragshaushalt 1952 enthält eine Reihe von Ausgabenansätzen, die gesetzliche Vorschriften voraussetzen, mit denen in diesem Rechnungsjahr nicht mehr zu rechnen ist ...
Ich werde noch darauf zu sprechen kommen.
Auch wenn solche Ansätze teilweise gesperrt werden, wird hierdurch der Haushalt aufgebläht, so daß der Finanzbedarf des Bundes höher erscheint, als er tatsächlich ist.
Ich will nicht im einzelnen auf die weiteren Ausführungen des Bundesrats eingehen, erkläre aber, daß wir diese Beurteilung einzelner, nicht unwesentlicher Positionen des Nachtrags im Prinzip durchaus unterstreichen. Was hier gesagt wird, ist — ich wiederhole es — im Kern richtig. Ich will ein krasses Beispiel nehmen, um zu illustrieren, was gemeint ist. Im Einzelplan XI — Bundesministerium für Arbeit -- finden Sie in Kap. 1 c den Tit. 31 — Flüchtlingsrenten —, bei dem 175 Millionen DM Nachtragsforderungen veranschlagt sind. Diese Position wird in der Erläuterung mit § 15 eines „Gesetzes über Fremdrenten der Sozialversicherung usw." — auch ein langer Titel — begründet, einem Gesetz, das noch gar nicht da ist. Die Erläuterung sagt ferner: da das Gesetz voraussichtlich erst am 1. September 1952 in Kraft trete, vermindere sich der Mehrbedarf für das Rechnungsjahr 1952 auf 175 Millionen DM statt 300 Millionen DM, wie man im ganzen veranschlagen wollte. Nun schreiben wir heute nicht den 1. September 1952, sondern bereits den 27. November 1952, und nicht nur ist in diesem Hause von diesem Gesetzentwurf bisher keine Spur zu entdecken gewesen, sondern er hat noch nicht einmal das Licht des Kabinetts erblickt;
das Gesetz ist auch nicht einmal über die Referentenentwürfe hinaus gediehen.
Das zuständige Bundesministerium ist der Meinung, daß mit dem Gesetz nicht vor dem 31. März 1953 gerechnet werden könnte. Man fragt sich also, was in Gottes Namen diese 175 Millionen DM in dem Nachtrag tun,
wenn sie nicht einfach dazu dienen sollen, den Ausgabenbedarf des Bundeshaushalts größer erscheinen zu lassen.
Das nenne ich eine stille Reserve; sie ist sogar so „still", daß sie schon beinahe schreit. Es sind -bloß! — 175 Millionen DM.
Ich weise ferner darauf hin, daß in einem Einzelplan ganze Kapitel im Hinblick auf noch zu erlassende Gesetze, also auf Gesetze, von denen niemand weiß, wann sie das Parlament passieren werden, veranschlagt sind. Diese Kapitel sind zwar gesperrt, d. h. es werden keine Ausgaben geleistet, aber sie tragen dazu bei, das Gesamtvolumen des Haushaltsplans zu erhöhen und in einem Umfang erscheinen zu lassen, den er tatsächlich nicht hat.
Daß das auch auf anderen Gebieten der Fall ist, hat ein hoher Beamter des Bundesfinanzministeriums kürzlich in einem Ausschuß des Bundestages offen zugegeben. Er hat mit einigen Vorbehalten davon gesprochen, daß der Titel Kriegsopferversorgung in den Ausgaben vermutlich um 300 Millionen DM hinter den Soll-Sätzen zurückbleibe.
Das gilt für den Haushalt des nächsten Jahres 1953/54. Aber schon für dieses Jahr ergebe sich — nach dieser Quelle — beim gleichen Titel eine Einsparung von nahezu 68 Millionen DM.
Nun bin ich zwar der Auffassung, daß man vom haushaltspolitischen Gesichtspunkt aus den Grundsatz der Gesamtdeckung nicht allzuoft durch die Zweckbindung von Haushaltsmitteln durchbrechen soll. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, die man im ganzen für richtig halten muß. Man soll nicht allzu
viele Positionen im Etat an bestimmte Verwendungszwecke binden. Aber das entgegengesetzte Extrem ist in einer Lage wie der unsrigen, wo die sozialen Probleme uns so auf den Nägeln brennen, ebenfalls unmöglich. Es würde den Herrn Bundesfinanzminister zum absoluten Diktator und die Haushaltsberatungen des Parlaments zur Farce machen. Denn wir hätten dann praktisch keinerlei Möglichkeit mehr, innerhalb der Manövriermasse, die dem Herrn Bundesfinanzminister zur Verfügung steht, überhaupt noch Änderungen vorzunehmen.
Alles in allem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Zweckpessimismus, den der Herr Bundesfinanzminister gestern mit Bezug auf die Einnahmenseite des Haushalts zur Schau getragen hat, der Ausgabenseite gegenüber noch stärker ist. Da geht er nämlich in einer Weise nach oben, die durch die Sache kaum gerechtfertigt ist. Die Ausgabenseite wird künstlich aufgebläht, um unbequemen Wünschen vorzubeugen. Damit wird ein anderes Gebot der Haushaltsgestaltung zu einer recht fragwürdigen Sache, nämlich die Haushaltswahrheit, ohne die ein Haushaltsplan ein reines Stück Papier wäre. Ich glaube, wir sollten auch in den Ausschußberatungen darauf achten, daß die Ansätze dieses Nachtrags in einigem wenigstens der Wahrheit so angenähert werden, daß man klipp und klar sieht, wo man steht.
— Ich bin überzeugt, Herr Kollege Wuermeling, daß der Pessimismus bei der Politik eines Finanzministers ein so nützliches Instrument ist, daß auch Herr Schäffer sich dieses Instruments nicht ohne 1 zwingende Not begeben wird.
— Das kann man nach dieser oder nach jener Richtung anwenden, immer wie es gerade trifft.
Ich fühle mich verpflichtet, in diesem Zusammenhang noch eine Frage aufzuwerfen, die den Einzelplan VI des Bundesministeriums des Innern betrifft. In Kap. 9 Tit. 31 sind für Zwecke des Verfassungsschutzes 3 Millionen DM veranschlagt. Wohlgemerkt, das Kapitel trägt die Überschrift „Bundesamt für Verfassungsschutz", also eine klar umschriebene Zweckbestimmung und Zweckbegrenzung. Sonst hätte es ja keinen Sinn, ein solches Kapitel einzurichten. Diese 3 Millionen DM sind einer jener Fonds, die nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs unterliegen. In diesem Fall haben wir sogar einiges Verständnis dafür, daß das Amt für Verfassungsschutz über gewisse Mittel verfügt. Aber kein Verständnis haben wir dafür, daß das Bundesinnenministerium dem Amt für Verfassungsschutz nur ein Drittel dieses Betrages zur Bewirtschaftung übergibt und die restlichen 2 Millionen DM selbst bewirtschaftet.
Eine solche Praxis halten wir für unzulässig, weil sie im Widerspruch zur Zweckbestimmung des Ansatzes steht und eine Summe, die an sich schon weitgehend der Kontrolle des Parlaments entzogen ist, noch weiterhin in dunkle Kanäle leitet.
Ich muß mich nun einem Gebiet zuwenden, das mit dem vorliegenden Nachtragsentwurf mittelbar
zusammenhängt, nämlich der sozialen Situation in der Bundesrepublik. Gerade im Hinblick auf die künftigen Belastungen des Bundeshaushalts, die uns bis jetzt nur in großen Größenordnungen bekannt sind und deren Deckung noch nicht gefunden ist — wie ich dieser Tage zufällig in einem Dokument aus dem Bundesfinanzministerium gelesen habe —, wird immer wieder auf den Sozialhaushalt und seine Leistungen verwiesen, die zusammen mit dem Wehr-, Verteidigungs- oder Besatzungskostenhaushalt, oder wie immer man das Kind nennen mag, die Bewegungsfähigkeit des Bundesfinanzministers einengten.
In diesem Zusammenhang wird sehr oft mit vielen statistischen Zahlen operiert, die beweisen sollen, wie herrlich weit wir es durch die Politik der Bundesregierung gebracht haben. Auch gestern, bei der Beratung der Beamtenbesoldungsvorlagen, ist dieses Spiel hier getrieben worden. Es ging so weit, daß man Bruttolöhne der Arbeiter, Beamtengehälter und Sozialrenten durcheinanderwirbelte, so daß man schließlich beinahe den Eindruck gewinnen mußte, die große Masse der Rentenempfänger hätte eigentlich allen Grund, zufrieden zu sein.
— Ich habe das nicht so deutlich gehört, Herr Kollege, wie Sie das heute wahrhaben möchten!
— Jedenfalls war der Eindruck gestern mindestens verschwommen.
Nun hat der Herr Bundesfinanzminister gestern einen ausgezeichneten Satz geprägt, den wir uns bei der Betrachtung von Statistiken, die in diesem Hause und auch sonst vorgetragen werden, sehr merken sollten: man sollo nämlich Gleiches nur mit Gleichem vergleichen. Diesem Grundsatz möchte ich durchaus beipflichten. Man sollte z. B. niemals die Einkommen des Jahres 1952 mit denen des Jahres 1948 oder gar des Jahres 1936 vergleichen, ohne zugleich eine Umrechnung der Preise von 1952 auf die Preise des Vergleichsjahres vorzunehmen.
— Herr Kollege Wuermeling, ich habe Flugblätter gelesen, die Ihren Namen trugen. Da waren die Vergleichszahlen aber sehr, sehr durcheinandergemischt.
— Na also, wir werden ja noch darüber reden.
Wenn man die Preisvergleiche auf der Basis der Umrechnung vornimmt, erhält man zwar ein korrekteres Bild von der Lebenshaltung der breiten Masse unserer Bevölkerung; aber das Bild ist dann für die optimistische Propaganda der Regierung und ihrer Parteien nicht mehr so geeignet. Das mag ein Nachteil sein, aber sicher kein Nachteil für die Wahrheit.
Ich möchte an einigen Beispielen dartun, wie ein nüchterner Vergleich aussehen könnte. Man kann z. B. die Frage aufwerfen: Was braucht jemand, der im Jahre 1936 ein bestimmtes Monatseinkommen hatte, im Jahre 1952 in der Bundesrepublik, um die gleiche Lebenshaltung zu erreichen?
Das ist eine Frage, die durchaus berechtigt ist; denn
sie berührt einen großen Teil unserer Bevölkerung.
Und die Antwort: Man wird, wenn man im Jahre 1936 ein Monatseinkommen von 120 RM hatte, heute 200 DM brauchen. Man wird bei 180 RM im Jahre 1936 heute 300 DM brauchen, und das geht so fort. Bei 320 RM wird man heute mit 600 DM nur etwa dasselbe bekommen können, was man im Jahre 1936 bekommen hat. Ich will die Vergleiche auf diesem Gebiet nicht fortsetzen, sie bestätigen immer das Bild.
Ein Vergleich der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik mit denen anderer Länder ist ebenfalls sehr nützlich, weil man dabei sieht, wie groß der Unterschied ist oder wie nahe wir bereits dem Ziele sind, das andere Länder erreicht haben. Sie erinnern sich alle, daß in diesem Hause gelegentlich die „schrecklichen" Zustände unter den verschiedenen Labourregierungen in England als Gespenst vor die Abgeordneten und vor die Öffentlichkeit hingestellt worden sind. Nun, wenn man einen Vergleich der Preisverhältnisse der Bundesrepublik mit denen Großbritanniens anstellt, bekommt man ein etwas anderes Bild. Man kann z. B. fragen: Wie lange muß jemand in Deutschland und in England arbeiten, um eine bestimmte Menge eines bestimmten Gegenstandes des täglichen Bedarfs zu erhalten? Das Ergebnis sieht dann so aus: Für 1 Kilo Brot arbeitet man in England 13 Minuten, in der Bundesrepublik 25 Minuten,
für 1 Kilo Kartoffeln in der Bundesrepublik 6 Minuten, in England 7 Minuten — hier liegt das Verhältnis zuungunsten Englands —, für 1 Kilo Rindfleisch in der Bundesrepublik 150 Minuten, in England 74 Minuten.
— Ich weiß es nicht.
— Ja, Herr Schröder! Sie sind Nationalökonom und werden ja wohl in der Lage sein, alle diese Statistiken auf den Kopf zu stellen und genau das Gegenteil zu beweisen.
Aber eines muß ich Ihnen sagen: jedenfalls hat die Politik der Arbeiterregierung in England erreicht, daß dort auch diejenigen das bekommen können, was sie zum Leben notwendig haben, die über kleine Einkommen verfügen, während bei uns das Geld der einzige Bezugschein geworden ist.
— Herr Kollege Dresbach! Ich glaube, Sie sind nicht der letzte, und ich traue es Ihnen auch nicht zu, daß Sie diese olle Kamelle wieder aufwärmen, daß die Sozialdemokraten wieder die Bezugscheine haben wollen.
Es wäre etwas besser gewesen, wir hätten auf
einigen Gebieten seit 1948 weniger Mut und Tollkühnheit besessen, und manche Leute wären nicht
so schnell wieder zu dem Glauben erwacht, daß die Vergangenheit gar nicht gewesen sei.
Wir kommen auf diese Frage der politischen Psychologie, die eng mit der Wirtschaftspolitik und mit der Gesamtpolitik zusammenhängt, noch zu sprechen. Ich fürchte, wir werden da noch eine bittere Zeche zu bezahlen haben.
Ich möchte bei all diesen Vergleichen immer nur hinzufügen, daß sie selbstverständlich nur das Durchschnittseinkommen erfassen und daß die große Masse der Einkommen keineswegs den Durchschnitt erreicht.
Gestern ist hier im Hause davon gesprochen worden, daß man bei den Sozialleistungen das Notwendige rechtzeitig tun solle. In der Praxis handelt man allerdings meistens umgekehrt: Es wird zuwenig immer zu spät getan!
Nun zu einem Kapitel, das ebenfalls nicht uninteressant ist, nämlich zur Frage der Verwendung öffentlicher Mittel für die Propaganda der Regierungsparteien. Daß die Regierung ihre Trommel schlägt, nehmen wir ihr nicht übel.
Daß die Regierungsparteien das ihre tun — mit ihren Mitteln, meine ich —, das haben wir nicht zu beanstanden. Jeder wirbt für seine Sache, so gut oder so schlecht er kann. Aber was wir zu beanstanden haben, ist, daß die Regierung ihre Dienste den Koalitionsparteien zur Verfügung stellt und ihre Behörden anweist, dasselbe zu tun.
Das ist weder selbstverständlich noch tragbar. Denn es schafft einen Grad von Ungleichheit der einzelnen politischen Gruppen gegenüber dem Staat, der ja alle repräsentiert, daß wir das nicht ungerügt hinnehmen können.
Für den Fall, daß diese Bemerkung dem Hohen Hause etwas dunkel erscheint — Herr Kollege Pelster, ich komme gleich darauf —, will ich sie durch Zitate aufhellen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Brief mit dem Betreff „Leistungen der Bundesregierung". Ich kann Ihnen auch die Aktenzeichen nennen, wenn Sie durchaus scharf darauf sind. In diesem Brief heißt es, wie gesagt, unter dem Betreff: Leistungen der Bundesregierung:
Der Herr Bundeskanzler wünscht eine Aufzeichnung, die unter Beschränkung auf das
Wesentliche eine anschauliche übersichtliche
Zusammenstellung der Leistungen der Bundesregierung in den jetzt verflossenen drei Jahren
ihres Wirkens gibt.
— So weit, so schön! Dann geht es weiter:
Die Berichte der Ressorts sollen nach Weisung des Herrn Bundeskanzlers im Januar und April 1953 ergänzt werden. Zur Vermeidung von Mißverständnissen weise ich darauf hin, daß es sich hierbei nicht um den in einem früheren Schreiben erwähnten Tätigkeitsbericht der Bundesregierung handelt,
— also um eine offizielle Sache, zu der die Bundesregierung nach dem Grundgesetz verpflichtet ist —
sondern um einen, dem in Abs. 1 genannten Zweck dienenden Sonderauftrag.
Dann folgt die Unterschrift. Welcher Art dieser
Sonderauftrag ist, ergibt sich aus Satz 2 dieses
Briefes, den ich mir für den Schluß vorbehalten habe; er lautet nämlich:
Diese Aufzeichnung soll den Regierungsparteien als Material für die Vorbereitung der Bundestagswahlen dienen.
Der Brief trägt am Kopf die Aufschrift „Der Bundesminister für Verkehr". Es ist nicht anzunehmen, daß Herr Dr. Seebohm oder sein Stellvertreter, oder wer immer es war, auf eigene Faust gehandelt hat. Ich glaube, daß es sich hier um eine ganz allgemeine Anweisung an die Behörden des Bundes und an andere Behörden handelt. Ich möchte sagen, daß hier eine so aufreizende Gleichstellung einer zufälligen politischen Gruppierung mit dem Staat vorliegt, daß wir sie in aller Öffentlichkeit anprangern müssen.
Abschließend noch einige Bemerkungen zur innerpolitischen Entwicklung insgesamt. Sie gehören nach unserer Auffassung zu dieser Generalaussprache, weil sich die inneren Spannungen im politischen Gefüge der Bundesrepublik nicht allein aus den Gegensätzen in der Außenpolitik erklären lassen. Da sind sie evident. In der Innenpolitik gibt es vielerlei Strömungen, die durcheinandergehen, und es wird notwendig, daß wir diese Strömungen einmal wenigstens auch hier im Zusammenhang mit der Stellungnahme zu der Grundlegung der Finanzpolitik der Bundesregierung ansprechen. Im Ausland werden in der letzten Zeit oft einzelne Vorfälle in der Bundesrepublik in unzulässiger Weise verallgemeinert und als Zeichen für die Unbelehrbarkeit der Deutschen notiert. Wir bedauern das; aber wir können nicht umhin, auf die wachsenden Rechtstendenzen in der inneren Entwicklung der Bundesrepublik hinzuweisen.
Daß diese Tendenzen einen nationalistischen Grundton haben, auch dort, wo sie sich europäisch drapieren, kann nicht übersehen werden.
Nach dieser allgemeinen Bemerkung zum Besonderen. Eine der erregendsten und beunruhigendsten Erscheinungen der letzten Zeit war die Aufdeckung der sogenannten Partisanenorganisationen des BDJ im Lande Hessen, die eine Reihe von Untersuchungen über die ganze Bundesrepublik im Gefolge gehabt hat. Über die Einzelheiten ist hier im Hause bereits gesprochen worden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch gar nicht von der Verantwortung amerikanischer Besatzungsbehörden sprechen und von dem hohen Maß an negativer Weisheit, das sich bei dem, was sie da getan haben, offenbart hat,
sondern ich möchte von der Haltung der deutschen Behörden einschließlich des Herrn Verfassungsministers der Bundesrepublik sprechen. Wir wollen unsere Überzeugung nicht verhehlen, daß von mancher offiziellen deutschen Seite sehr viel getan worden ist, um die Zusammenhänge zu verdunkeln und im Bewußtsein der Öffentlichkeit den Charakter der Vorgänge und der betreffenden Organisation, die alles andere als eine Organisation deutscher Jugend ist, zu vertuschen.
Die Art, wie Herr. Dr. Lehr hier im Hause diese Angelegenheit behandelt hat, ist noch in aller Erinnerung.
Sie hat sogar den Herrn Bundeskanzler mit einem gelinden Grauen erfüllt, so daß er das Haus verlassen hat und draußen in der Halle seinem Unwillen über diese Art der Repräsentation der Politik der Bundesregierung Ausdruck gegeben hat.
Diese Art, wie Herr Dr. Lehr sich hier hingestellt hat, war so fragwürdig, daß wir in den guten Willen zur restlosen Aufklärung — ich sage das mit voller Betonung — die allerstärksten Zweifel setzen müssen.
Daß Herr Dr. Lehr keine Gelegenheit vorübergehen läßt, seiner Sympathie für die gute alte Zeit auch öffentlich Ausdruck zu geben, ist ja etwas ganz Gewohntes, und der Brief der Göttinger Studenten an den Herrn Innenminister hat schließlich zu guter Letzt gezeigt, daß Herr Lehr eben nun einfach mal zu den Leuten im politischen Leben der Bundesrepublik gehört, die „tief in der Vergangenheit wurzeln", um es milde auszudrücken.
Man könnte diesen Brief unter die Überschrift setzen: „Der Herr Bundesinnenminister mit bunter Mütze, buntem Band".
— Sie meinen das Lied? Ja, da kann man nur sehen, Herr Kollege Dresbach, was alles in der Bundesrepublik schon wieder möglich ist!
— Na, Sie sehe ich auch noch beim Stehkonvent, Herr Hasemann!
Ein anderer Vorgang, der in der letzten Zeit im In- und Ausland Aufsehen und Ärger verursacht hat, war die Rede eines ehemaligen Generals. Ich will ihn hier nicht nennen — jeder kennt ihn — und will die Gelegenheit nur benutzen, um etwas zu einem Gesamtkomplex zu sagen, der uns eigentlich beschäftigen müßte. Ich bin offen genug, zu sagen, daß ich mit meinen Freunden nicht alles, was zu dieser Rede und ihren Begleiterscheinungen im In- und Ausland gesagt worden ist, für richtig halte; im Gegenteil, vieles ist falsch und übertrieben gewesen. Aber eine Frage sollten wir uns doch einmal anläßlich solcher Vorkommnisse und der sich daran anschließenden Diskussion und vor allem angesichts der Ermutigung. die andere Leute daraus schöpfen, vorlegen, die Frage nämlich, ob es richtig ist, daß viele Leute, die offen und geheim gegen die demokratische Ordnung wühlen und die sich zugleich von der Bundesrepublik zum Teil nicht unbeträchtliche Versorgungsbezüge zahlen lassen,
so ganz absolut sicher sind, daß diese Bezüge weiterlaufen, egal, wie sie sich politisch verhalten.
Hier scheint mir doch einmal eine gewisse Über-
legung notwendig zu sein, ob man nicht diesen Leuten klarmachen könnte, daß es eine Grenze der Geduld für die demokratische Ordnung gibt, ganz unabhängig davon, wo wir im einzelnen in dieser Ordnung stehen.
Eine andere nicht unbedeutende Gefahr für die demokratische Meinungs- und Willensbildung möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen — ich weiß nicht, inwieweit es sich in Haushaltszahlen ausdrücken läßt; dahinter kommt man j a sehr schwer —, nämlich die Existenz zahlreicher merkwürdiger Tarnorganisationen mit klingenden Namen: Volksbund für alles mögliche, und ich weiß nicht, was noch, mit Geld von dunkler Herkunft.
Vielleicht ist es gar nicht so dunkel, wenn man die Quellen einmal einigermaßen anpeilen könnte. Ich sage: mit Geld von dunkler Herkunft und auch noch mit zweifelhafter personeller Ausstattung. So mancher Mann aus dem ehemaligen Propagandaministerium hat in solchen antibolschewistischen Organisationen einen Unterschlupf und eine neue Betätigungsmöglichkeit gefunden. Es besteht der dringende Verdacht, daß ein Teil dieser Organisationen unter dem Vorwand antibolschewistischer Propaganda von der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Organe gesteuert wird, um die Propaganda der Bundesregierung zu machen.
Überhaupt müssen die dunklen Gelder, die bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik neben den vielen, vielen Unterströmungen und getarnten „Organen der Willensbildung", wie ich sie vorsichtig nennen möchte, eine immer größere Rolle spielen, wahrscheinlich nicht von den Geldgebern, sondern von den Steuerzahlern aufgebracht werden, weil die edlen Spender immer wieder Mittel und Wege finden, sich ihre Gebefreudigkeit bei der Steuer honorieren zu lassen.
Man hat nicht immer den Eindruck, daß der Herr Bundesfinanzminister in seiner Stellungnahme hier sehr eindeutig ist. Aber vielleicht werden wir ihn veranlassen können, rechtzeitig vor den Wahlen ein entscheidendes Wort zu sprechen.
Davon werden wir in den kommenden Monaten noch manchmal zu reden haben.
Alle diese Dinge spielen sich auf dem Hintergrund einer Rechtsentwicklung bei den Parteien der Regierungskoalition selber ab. Ich pflege mich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Parteien einzumischen; immerhin war der Parteitag der FDP in Bad Ems eine öffentliche Angelegenheit. Er war ein gewisses Signal. Ich möchte nicht entscheiden, wer nun recht hat, wer da Sieger geblieben ist; nur läßt es aufhorchen — und das geht weit über die Interessen einer einzelnen Partei hinaus —, wenn in einer solchen Auseinandersetzung Leute wie Fritsche, Best von den Boxheimer Dokumenten, Diewerge usw. bereits wieder als salonfähige Demokraten aus der Versenkung auftauchen.
Da ist doch die Frage zu stellen, ob wir nicht bereits
an einem Punkt der Entwicklung halten, wo gewisse Parteien oder mindestens Teile von ihnen
schon so weit nach rechts abgerutscht sind, daß sie ihre politische Identität verlieren. Das mag ihre Sache sein; aber Sache der öffentlichen Meinung ist es, zu solchen Erscheinungen Stellung zu nehmen.
Es gibt auch andere Parteien, die diese Rechtsentwicklung gar nicht erst durchzumachen brauchen; die haben sie sozusagen schon von ihrer Geburtsstunde an im Leibe. Ich denke da an den rechten Flügel der Regierungskoalition. Was sich da im Zusammenhang mit den Gemeindewahlen in letzter Zeit an Versuchen abgespielt hat,
alle möglichen Kombinationen zustande zu bringen, alle eindeutig mit, man sagt: antibolschewistischer oder antimarxistischer Grundtendenz, in Wirklichkeit aber mit einer ausschließlich antisozialdemokratischen Zielsetzung, das geht doch schon etwas über die Hutschnur. Diese antimarxistische Blockpolitik — ich wollte, die Herren, die dieses Wort geprägt haben, wüßten wenigstens, wovon sie reden, wenn sie von Marxismus sprechen:
aber das kann man bei ihnen ja auch nicht einmal voraussetzen - ist eine Politik der Vogelscheuchen. Man richtet Vogelscheuchen auf, damit die Vögelchen, die Wähler, die noch nicht genau wissen, wo sie hinsitzen wollen, ja nicht auf das falsche Getreidefeld sitzen, sondern die Körner nur bei der amtlich zugelassenen Parteigruppierung aufpicken. Wenn man das alles in einem Zusammenhang mit den Krämpfen und Intrigen und mit dem Hin- und Hergezerre um das künftige Bundestagswahlgesetz setzt, dann bekommt man erst eine Vorstellung davon, wie es eigentlich in den Köpfen der Leute aussieht, die sich anschicken, in einen politischen Wahlkampf mit dem Ziele hineinzugehen, endlich einmal festzustellen, wie die deutschen Wähler denken und was sie wirklich wollen.
Das Wahlgesetz — ich brauche hier im einzelnen nicht darauf einzugehen, wir werden darüber in diesem Hause j a noch sprechen — ist im Bewußtsein der Öffentlichkeit schon eine solche Tragikomödie mit einem allerdings sehr ernsten Hintergrund, daß wir hierzu nur sagen können: Meine Damen und Herren, machen Sie ruhig so weiter, und Sie stellen die Demokratie in Deutschland, in der Bundersrepublik auf eine Zerreißprobe,
von deren Ausgang Sie noch gar keine Ahnung haben.
Wenn man sich dazu noch das Satyrspiel ansieht, das sich um die Beteiligung Berlins an der Bundestagswahl abspielt, dann kann man nur mit beiden Augen bittere Tränen weinen. Und schließlich darf ich noch die Frage stellen: Was hat eigentlich Herr Vockel, der Beauftragte der Bundesrepublik in Berlin, sich in diese rein politische Auseinandersetzung mit öffentlichen Erklärungen hineinzumischen?!
Ich darf in diesem Zusammenhang noch eine abschließende Bemerkung machen, die, glaube ich, notwendig ist. Wir befinden uns an einem Schnittpunkt der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik, der wirklich die Möglichkeit in sich birgt, nach allen Seiten hin auf Irrwege zu führen. Wir haben heute in diesem Hause die Mehrheit eine Vorentscheidung fällen sehen. Das Thema, das diese Vorentscheidung betraf, gehört nicht zu meinem
Aufgabenkreis. Aber soviel muß doch gesagt werden: wenn 1945 und in den folgenden Jahren in Deutschland und vor allem in der Bundesrepublik ein gewisser Prozeß der Bewußtseinsklärung in Gang kam, wenn viele Leute aus dem Halbdämmer der Bombennächte und aus dem Trommelfeuer der offiziellen Propaganda langsam aufzuwachen schienen und wenn sich in ihnen ein neues Geschichtsbewußtsein bilden wollte, das ihnen und unserem Volk den echten Standort dieses Volkes in seiner eigenen Geschichte und in seinen Beziehungen zu anderen Ländern anzuweisen schien, dann, müssen wir leider sagen, ist diese Entwicklung durch die Politik der Bundesregierung und der Westmächte jäh unterbrochen worden.
Es scheint mir einer der tragischen Irrtümer des Westens zu sein, daß er diese Entwicklung in einem Augenblick unterbrochen hat, wo sie noch längst nicht zur Hälfte abgeschlossen war. Was erleben wir denn jetzt? Wir erleben jetzt, daß die ewig Gestrigen in allem, was vorgeht — ob das nun die Verträge sind oder ob das irgendwelche sonstigen Ereignisse sind —, eine Bestätigung dafür sehen, daß sie doch recht behalten haben und daß es ohne sie nicht geht. Damit tauchen alle die Gefahren wieder auf, die wir glaubten für immer gebannt zu haben. Es geht nicht darum, den einzelnen von der Mitarbeit am demokratischen Aufbau auszuschließen, aber es geht darum, das wahrzumachen, was einmal in diesem Hause im Zusammenhang mit der Debatte über die Frankfurter Krebs-Affäre ausgesprochen worden ist — ich glaube sogar, von dem Herrn Kollegen Dr. Wuermeling —, das Leute, die sich politisch so belastet haben, nicht mehr den Mut haben sollten, in die Öffentlichkeit zu kommen. Leider sehen wir auf der ganzen Linie eine gar nicht fröhliche Renaissance dieses alten Geistes, mit all den Konsequenzen, die sich daraus ergeben können. Für diese Leute und, ich fürchte, leider auch für viele offizielle Träger der Bundespolitik ist Demokratie nicht eine stets neu zu lösende Aufgabe, sondern eine Sache, die sich aus dem Zwang der Niederlage ergibt und die man eben recht und schlecht trägt, wie es der Tag bringt.
Wenn ich das im Zusammenhang mit der ersten Lesung dieses Nachtragshaushalts gesagt habe, so nicht, um etwa nun gerade an diesem Punkte ein politisches Glaubensbekenntnis abzulegen, sondern weil ich überzeugt bin, daß auch Haushaltsfragen nur in gesamtpolitischem Zusammenhang gesehen werden können und daß die Entscheidung über die Finanzpolitik, die Wirtschaftspolitik und die Steuerpolitik einer Regierung nicht nur von den dürren Zahlen abhängt, sondern auch von dem Geist, ails dem sie getrieben wird. Darüber werden wir sowohl im Ausschuß wie bei der zweiten und dritten Beratung noch einmal reden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schoettle hat in seinen Ausführungen zu den gestrigen Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers erklärt, der Herr Bundesfinanzminister habe seinem Nachtragshaushalt eine „etwas magere Begründung gegeben".
Ich habe aus der Aufnahme, die diese Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers in der Presse ganz allgemein gefunden hat, nicht den Eindruck bekommen, als wäre diese Begründung unserer Presse „mager" erschienen. Sie hat sie im Gegenteil für sehr bedeutsam und für sehr wichtig gehalten und hat sie an maßgeblicher Stelle herausgestellt.
Nun, meine Damen -und Herren, wenn wir einmal ein grundsätzliches Wort über die Handhabung der Dinge zwischen Opposition einerseits und Regierung und Regierungsparteien andererseits sprechen dürfen, so möchte ich hier gleich zu Beginn meiner Ausführungen den Gedanken in den Vordergrund stellen: Es ist furchtbar einfach für die Opposition, immer und immer wieder festzustellen, daß diese oder jene Dinge unbefriedigend sind, Besserungswünsche geltend zu machen, Forderungen zu stellen, die in die Hunderte von Millionen, ja in die Milliarden gehen, aber für die Deckungsfrage keinerlei Verantwortung zu empfinden.
Sie haben gestern, Herr Kollege, beanstandet, daß ich Forderungen für die Beamten geltend gemacht habe, ohne sie genau zu präzisieren.
Ich habe das aus Verantwortungsbewußtsein so getan,
weil ich grundsätzlich keine Forderungen hier im Hause stelle, für die mir eine Deckung nicht gegeben erscheint.
Sie haben aber aus der Antwort des Herrn Finanzministers gehört, welches Ergebnis unsere Verhandlungen mit dem Finanzminister um die Deckung in I den letzten Tagen und Wochen gehabt haben und daß wir dabei doch immerhin einen gewissen Erfolg erzielt haben.
— Ich glaube, Herr Kollege Schoettle, wenn Sie bei dem Herrn Finanzminister den Wunsch äußern, einmal mit ihm persönlich über die Frage zu sprechen, wie diese oder jene Forderung gedeckt werden könne, dann wird der Herr Finanzminister Ihnen außerordentlich dankbar sein, wenn Sie ihm bei seiner Suche nach Deckungsmitteln hilfreich zur Hand gehen.
Meine Damen und Herren, wenn der Herr Finanzminister seine Begründung gestern nicht sehr lange ausgedehnt hat, so scheint mir ein Satz in seinen Darlegungen von solcher Bedeutung zu sein, daß ich ihn nochmals herausheben möchte. Der Herr Finanzminister sagte:
Trotz all der Schwierigkeiten, trotz des sprunghaften Steigens der Ausgaben ist es bisher gelungen, die Ordnung in den Finanzen des Bundes aufrechtzuerhalten. Diese Ordnung der Finanzen ist eine Lebensfrage für die junge Bundesrepublik.
Wenn der Herr Finanzminister zur Begründung seines Nachtragshaushalts eine solche Erklärung abgeben kann, dann ist uns diese Erklärung wichtiger und bedeutsamer als alle möglichen sonstigen Reden um die Dinge herum.
Im übrigen noch ein weiteres Wort zum Thema: Opposition und Deckungsfrage. Ich erinnere mich, daß wir im Jahre 1951 bei der Behandlung des Rentenzulagengesetzes, bei der durchschnittlichen Erhöhung der Invalidenrenten um 25 % — sprich: eine Milliarde DM — eine sehr, sehr unpopuläre und unangenehme Deckungsmaßnahme haben beschließen müssen, nämlich die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1%. Als damals die Erhöhung der Renten behandelt wurde, hatte die Opposition die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1%, also die Deckungsmilliarde, abgelehnt. Sie hat sich aber nicht gescheut, gleichzeitig Anträge zu stellen, die nach den Erklärungen des Herrn Arbeitsministers nicht nur eine Milliarde, sondern eine zweite Milliarde DM als Deckung erfordert hätte, nachdem sie, wie gesagt, die erste Milliarde schon abgelehnt hatte.
Ich bin nun einmal mit allen Kollegen aus den Regierungsparteien der Meinung, daß man so keine Opposition machen kann; denn das ist nichts als Agitation im Lande und Verantwortungslosigkeit. dazu.
Im übrigen haben wir ja um diese Frage im Zusammenhang mit § 96 der Geschäftsordnung im Februar dieses Jahres eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erlebt, über die sich die Opposition damals außerordentlich gefreut hat. Aber diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enthält einen Satz, den ich in diesem Zusammenhang einmal zitieren möchte. Er lautet:
Die Geschäftsordnung des Parlaments setzt voraus, daß die von ihr zur Wahrnehmung bestimmter Funktionen berufenen Organe diese in vernünftigen Grenzen ausüben und nicht mißbrauchen. Soll eine Bestimmung der Geschäftsordnung an der Verfassung gemessen werden, so muß mithin ihre faire und loyale Anwendung durch die dazu berufenen Organe vorausgesetzt werden.
Das heißt mit kurzen Worten: Parlamentarische Demokratie setzt Demokraten voraus
und keine Abgeordneten, die hemmungslos Agitationsanträge stellen.
Das Antragsrecht im Parlament ist kein Freibrief für hemmungslose Agitationsanträge. Wenn man das Antragsrecht so ausnutzte, dann wäre das ein parteipolitischer Mißbrauch demokratischer Institutionen, der letzten Endes die demokratische Ordnung gefährdet, an deren Sicherung und Erhaltung uns doch allen gelegen ist.
Meine Herren von der Opposition, Sie klagten damals über das Verhalten der Regierung gegenüber dem Parlament und warfen der Regierung angebliche Bevormundung des Parlaments vor. Andererseits stellen Sie immer und immer wieder Anträge, deren Annahme die Regierung zwingen würde, die Ausführung von Bundestagsbeschlüssen nach Art. 113 des Grundgesetzes zu verweigern, weil eine haushaltsmäßige Deckung nicht vorhanden ist. Sie sollten nicht einerseits über parlamentarische Sicherheitspolizei, wie Sie es seinerzeit nannten,
schimpfen und sich gleichzeitig um die Herbeirufung dieser parlamentarischen Sicherheitspolizei bemühen. Auf lange Sicht diente doch auch die Opposition dem gemeinsamen demokratischen Anliegen, das wir alle haben, besser — übrigens auch ihrer eigenen politischen Sache —, wenn sie sich bemühte, sich in dem sachlichen Rahmen zu bewegen und vor allem nicht in der Bevölkerung durch Agitationsanträge Hoffnungen zu erwecken, deren naturnotwendige Zerstörung immer wieder zu einer Untergrabung des Vertrauens zum Parlament zu führen droht.
Und noch eines gerade zu der Debatte gestern. Es wird manchmal von der Opposition gesagt: das ist ja gar nicht wahr, daß wir uns um die Deckung keine Sorge machten. Gestern bei der Beamtenbesoldungsdebatte hatte ich gegenüber dem Kollegen Arnholz den Zuruf gemacht: „Außerdem haben wir über die Deckung verhandelt, mein Herr! Das haben Sie nicht getan! Das ist aber die Hauptsache!" Darauf erwiderte Herr Kollege Arnholz: „Ach so, j a, aber der Herr Bundesfinanzminister ist doch der für alle diese Dinge Verantwortliche."
Ich unterstreiche hier nochmals den Satz, den ich daraufhin zurückrief: „Für die Deckung ist das Parlament verantwortlich!" Jedes Mitglied des Parlaments hat die gleiche Verantwortung für den Ausgleich des Haushalts wie der Bundesfinanzminister.
Das gilt auch für die Opposition.
Zum Haushaltsplan möchte ich einige wenige Haushaltsziffern anführen, die mir von beachtlichem Interesse zu sein scheinen. Wenn wir das Aufkommen an Bundessteuern im Laufe der letzten Jahre betrachten, dann stellen wir fest, daß dieses nach den amtlich bekanntgegebenen Unterlagen
im Jahre 1949 8,5 Milliarden, im Jahre 1950 9,8 Milliarden,
im Jahre 1951 15,6 Milliarden und im Jahre 1952 19,6 Milliarden DM
beträgt. Diese Steigerung ist im wesentlichen durch die konjunkturelle Steigerung der Steuereingänge bedingt, die durch den Aufstieg unserer Wirtschaft unter der sozialen Marktwirtschaft verursacht sind, gegen die Sie immer glauben ankämpfen zu müssen.
- Machen Sie doch nicht so lächerliche Bemerkungen wie: „Auf Kosten der Arbeiter!" Der Lebensstandard der deutschen Industriearbeiterschaft hat sich seit 1948 und außerdem nochmals von 1950 auf 1952 entscheidend gebessert.
- Meine Herren, wenn Ihnen diese Wahrheit nicht paßt, weil nämlich Ihre ganze politische Konzeption mit dieser Tatsache in sich zusammenbricht, dann werden wir sie erst recht in der Öffentlichkeit immer und immer wieder vertreten;
denn wir haben keinen Anlaß, die Wahrheit zu
verschweigen oder zuzulasen. daß Sie die Dinge verdunkeln.
— Ich bitte um Ruhe bei der „trojanischen Kavallerie"!
— Herr Renner, bei dem Truppenteil der „trojanischen Kavallerie" werden Sie es allenfalls mal bis zum „Küchenbullen" bringen.
— Herr Renner, wissen Sie eigentlich, was ein
trojanisches Pferd ist? Das trojanische Pferd war
ein harmloses Pony gegen das „Riesenroß", das da
meint, Sie seien kein trojanisches Pferd!
-
Also, meine Damen und Herren, ich darf fortfahren. Die Ausgaben für die Verteidigung bzw. zunächst für die Besatzungskosten haben sich entwickelt von 4,6 Milliarden in 1949 und 1950 auf 7,6 Milliarden in 1951 und 8,8 Milliarden in dem uns jetzt vorliegenden Haushaltsplan 1952. Die Sozialausgaben, die mit Recht ganz besonderes Interesse finden, haben sich wie folgt entwickelt.
1949 4,5 Milliarden DM, 1950 6,2 Milliarden DM, 1951 8,6 Milliarden DM und 1952 9,1 Milliarden DM,
so daß also seit 1949 mehr als eine Verdoppelung der gesamten Sozialausgaben eingetreten ist, und zwar Kriegsfolgenhilfe, Umsiedlung, Kriegsopferversorgung, Arbeitslosenhilfe, Sozialversicherungszuschüsse, sozialer Wohnungsbau, Art. 131 und Subventionen für Lebensmittel.
Wenn Herr Kollege Schoettle vorher beanstanden zu müssen glaubte, daß im Haushaltsplan keine Scheidung der Sozialausgaben nach den Kriegsfolgelasten und nach den sonstigen Ausgaben stattfände, --
— Ich habe Sie so verstanden, als hätten Sie gesagt: im Haushaltsplan.
— Dann wollen wir also jetzt gern diese Aufgliederung geben: die sozialen Kriegsfolgelasten betragen
4,8 Milliarden DM, die sonstigen Soziallasten 2,8 Milliarden DM, die Subventionen 624 Millionen DM und die Wohnungsbau- und Siedlungsausgaben rund 600 Millionen DM. Neben all dem steht dann noch — eigentlich auch noch den Sozialaufwendungen zuzuzählen — der Zuschuß zum Haushalt Berlins mit 600 Millionen DM, der ja letzten Endes aus sozialen Gründen gegeben wird.
Nun, wenn wir diese gewaltige Steigerung erst einmal der Sozialausgaben insgesamt und zweitens auch der leider unvermeidbaren Besatzungslasten bzw. Verteidigungslasten in diesem Ausmaß haben steuerlich aufbringen können, so ist das, um es noch einmal zu sagen, die Auswirkung im wesentlichen konjunktureller Steuermehreinnahmen. Wir haben lediglich den Einkommensteueranteil dies Bundes zwischenzeitlich etwas erhöht. Wir haben die Umsatzsteuer, wie ich vorher sagte, einmal um 1 % erhöht, im übrigen aber durch die Einkommensteuerreform von 1950 bekanntlich eine ganz erhebliche Minderung der Steuersätze bei der Einkommensteuer beschlossen und durchgeführt.
Nun etwas anderes. Die Mittel, die im Sozialhaushalt zur Verfügung stehen, stehen ja nicht nur zur Verfügung für die sozialen Zwecke im engeren Sinn. Wir haben auch Aufgaben, die sozialer Art sind und über diesen Sozialhaushalt im engeren Sinn hinausgehen. Ich denke dabei an Aufwendungen, die jetzt mehr denn je gemacht werden zur Förderung und zum Schutz unserer Jugend. Es war damals beim Schmutz- und Schundgesetz so die Rede davon, als wenn in der Bundesrepublik in positiver Hinsicht zum Schutz und zur Förderung der Jugend überhaupt nichts geschähe. Ich darf in diesem Zusammenhang einmal darauf hinweisen, daß wir im Rahmen des ersten und zweiten Bundesjugendplans in der Zeit von Januar 1951 bis Juni 1952 folgende Beträge zur Verfügung gestellt haben:
1. Kredite für den Bau von Lehrwerkstätten 15 Millionen DM,
2. Kredite für den Bau von Werklehrlingsheimen 5 Millionen DM,
3. Zuschüsse für den Bau von Jugendwohnheimen 18,7 Millionen DM,
4. Zuschüsse für Einrichtung von Grundausbildungslehrgängen und Jugendgemeinschaftswerken
5 Millionen DM,
5. Zuschüsse für die Förderung der Jugendpflege in Notstandsgebieten
4 Millionen DM,
6. Zuschüsse zur Förderung der Jugendverbände 7,2 Millionen DM,
7. Zuschüsse zur Förderung des Jugendherbergswerks
450 000 DM,
8. Zuschüsse zur Förderung des Jugendschrifttums 2,25 Millionen DM,
9. zur Förderung der Jugendfürsorgeverbände 1,1 Millionen DM,
10. Zuschüsse zur Förderung der Jugendarbeit in Berlin
3,2 Millionen DM,
11. Zuschüsse zur Förderung der Jugendarbeit in Watenstedt-Salzgitter
1 Million DM,
12. für laufende Kosten in Jugendwohnheimen, Grundausbildungslehrgängen und Jugendgemeinschaftswerken
43 Millionen DM und
13. für sonstige Einzelmaßnahmen
2,3 Millionen DM,
insgesamt 108,2 Millionen DM zur positiven Jugendförderung im Rahmen des Bundeshaushalts. Wir täten sehr gern noch mehr. Aber es geht nicht an, daß in solchen Debatten wie der über das Schmutz- und Schundgesetz von der Opposition erklärt wird, diese negativen Maßnahmen wären alle völlig überflüssig, weil man angeblich keine positiven Maßnahmen trifft. Positive Maßnahmen treffen wir im Rahmen des irgend Möglichen.
Nun hat sich Herr Kollege Schoettle mit der Frage der Besoldungsreform befaßt und hat nach konkreten Leistungen in dieser Richtung gefragt. Wir brauchen nicht die Debatte von gestern hier nochmals zu wiederholen. Ich gebe noch einmal den Hinweis, daß diese konkreten Leistungen, die als Ergebnis unserer Verhandlungen mit den Ministerien gestern hier bekanntgegeben worden sind, in dem Rahmen erfolgen, in dem eine Deckung bereitgestellt werden kann.
Dann hat Herr Kollege Schoettle sich wiederum mit der Tatsache befaßt, daß die Vorlage des Nachtragshaushaltsplanes erst jetzt erfolgt. Wir haben uns bei den letzten Haushaltsdebatten über diese Frage schon so eingehend unterhalten, daß ich dieses Thema jetzt nicht nochmals vertiefen möchte, sondern mit der Feststellung abschließen kann: Das Bundeskabinett wird in den nächsten Tagen den Haushaltsplan 1953/54 verabschieden und dem Bundesrat zuleiten, so daß wir Gott sei Dank durch die intensiven Bemühungen der Bundesregierung zu dem Ziel gekommen sind, den nächsten Haushaltsplan rechtzeitig vor Beginn des neuen Rechnungsjahres verabschieden zu können. Ich hoffe, daß alle Kollegen im Haushaltsausschuß — ich betone: alle Kollegen — sich intensivst bemühen, dieses Ziel auch wirklich zu erreichen, und nicht immer gleich Opposition machen, wenn einmal ein Antrag gestellt wird, daß man vielleicht zu Beginn der Ferien noch drei Tage nachsitzen soll,
um die Arbeiten möglichst schnell und rechtzeitig zu Ende zu führen.
Was die Frage der Personalanforderungen im neuen Haushaltsplan 'angeht, so sind auch wir der Auffassung, daß der Neuaufbau der Behörden der Bundesregierung und überhaupt der Bundesrepublik nunmehr grundsätzlich beendet ist und auch beendet sein muß. Alle Neuanforderungen von Stellen werden wir jetzt mit größter Vorsicht und Zurückhaltung entgegennehmen und dabei das Ziel verfolgen, etwa nötigen neuen Stellen nur dann zuzustimmen, wenn bei anderen Positionen entsprechende Stellen wieder eingespart werden, um dadurch eine weitere Ausweitung der Verwaltung und des Verwaltungsapparates zu verhindern. Wir haben diesen Grundsatz in einem speziellen Fall gerade seitens der CDU/CSU mit der Bundesregierung bereits praktiziert.
Wenn von den neuen Stellen für das Amt Blank die Rede ist, so ist es selbstverständlich, daß bei der verschiedenen politischen Haltung der Opposition und der Regierungparteien zu den Verträgen hier eine gegensätzliche Einstellung vorhanden ist. Aber
man wird doch den Regierungsparteien, wenn sie das Ziel verfolgen, die Verträge durchzuführen, nicht verübeln können, wenn sie auch sicherstellen, daß der Apparat für die Durchführung dieser Dinge rechtzeitig vorhanden ist.
Noch ein Wort zu den Verwaltungsausgaben. Es ist ganz wissenswert und vielleicht notwendig, es wieder einmal in der Öffentlichkeit zu sagen, daß die gesamten Verwaltungsausgaben des Bundes, nicht nur der Zentralbehörden, sondern aller Bundesbehörden einschließlich Grenzschutz usw. usw. 3,7 % des gesamten Haushaltsplanes ausmachen. Die obersten Bundesbehörden kosten mit Personal und Sachkosten ganze 0,5 % des gesamten Haushaltsplanes. Es ist also durchaus richtig, was Herr Kollege Schoettle vorhin sagte, daß Ersparnisse an Verwaltungskosten irgendwelche fühlbare Erleichterung des Bundeshaushalts nicht herbeiführen können. Natürlich hindert uns dieser Tatbestand nicht daran, die Verwaltungskosten so niedrig zu halten, wie es nur irgend möglich ist.
Es war dann von dem beabsichtigten Neubau für das Bundeskanzleramt die Rede. Meine Damen und Herren, ich höre von dieser Absicht erst aus dem Etat.
Wir werden die Frage, ob ein solcher Neubau nötig ist, sehr, sehr gründlich zu prüfen haben. Wir können aber nicht jetzt von hier aus, ohne die Dinge genau geprüft zu haben, die Erklärung abgeben, daß wir ihn für überflüssig halten.
Der Herr Kollege Schoettle hat vorhin gesagt, man solle sich darüber klar sein, daß mit Verwaltungsausgabenersparnissen, weil der Verwaltungskostenanteil so geringfügig ist, leider keine Hilfsmaßnahmen für die Notleidenden finanziert werden können.
Er ist mit dieser seiner eigenen Äußerung meines Erachtens in Widerspruch geraten, als er erklärte, man solle, anstatt das Bundeskanzleramt zu bauen, lieber den Kriegsopfern helfen. Herr Schoettle weiß genau so gut wie jeder andere im Hause, daß wir mit dem kleinen Betrag, den der etwaige Neubau kosten würde, die Hunderte von Millionen, um die es bei der Hilfe für die Kriegsopfer geht, nicht beschaffen könnten. Das ist es ja, wogegen wir uns immer und immer wieder wehren müssen, daß in tendenziöser Weise Dinge nebeneinandergestellt werden, die keine Relation zueinander haben. So etwas ist nichts anderes wie Hetze.
Sodann sprach Herr Kollege Schoettle von den „stillen Reserven", die im Haushaltsplan, vor allen Dingen im Sozialhaushalt, wie er meinte, vorhanden seien.
Ich habe schon durch einen Zwischenruf zur Kenntnis gebracht, daß die bisherigen Haushaltspläne des Herrn Bundesfinanzministers offenbar nicht diese stillen Reserven enthalten haben; sonst hätten wir bisher nicht jeden Haushaltsplan mit einem, wenn
auch nicht sehr bedeutenden Fehlbetrag abgeschlossen. Aus der Vergangenheit hat sich also erwiesen, daß es ganz gut ist, wenn wir uns den Schätzungen und Mutmaßungen des Bundesfinanzministers anschließen. Aber wir sind der Opposition ganz außerordentlich dankbar, wenn sie uns hilft, falls an irgendeiner Stelle des Sozialhaushalts oder sonstwo im Haushaltsplan stille Reserven vorhanden sein sollten, solche Polsterstellen zu finden, damit wir dann in der Lage sind, die sich daraus ergebenden Beträge zusätzlich für soziale Zwecke verfügbar zu machen.
Noch ein genereller Punkt! Der Herr Kollege Schoettle hat ja auch einige allgemeine Fragen bezüglich der Wahlkampfmethoden, die sich beim letzten Kommunalwahlkampf gezeigt haben, berührt.
— Jawohl, die Frage wird ja demnächst beantwortet werden; aber ich möchte sie hier auch einmal kurz berühren, wie es im Landtag von Rheinland-Pfalz schon geschehen ist. Ich habe am Abend vor den Gemeindewahlen in meinem Wahlkreis in dem Ort Mich bei Neuwied eine Versammlung abgehalten, in die der sozialdemokratische Ortsbürgermeister Hammel mit einer größeren Anzahl von politischen Freunden oder noch weiter links stehenden Leuten mit mehr oder weniger Geräusch eingedrungen ist
und in der er, ohne daß ihm das Wort gegeben worden ist, die Führung der Versammlung von sich aus in die Hand genommen hat.
Meine Damen und Herren, das schienen uns Methoden zu sein, die mit demokratischer Ordnung nichts mehr zu tun haben. Vom Versammlungsleiter ist dem Herrn Hammel sofort ganz klar dazwischengerufen worden: „Sie bekommen nachher das Wort, sobald wir unsere Referate gehalten haben; aber wir haben hier die Versammlungsgewalt und nicht Sie!"
Daraufhin hat sich dieser sozialdemokratische Ortsbürgermeister — ich appelliere an die SPD, hier in
ihren Reihen einmal etwas nach Ordnung zu sehen
— veranlaßt gesehen, in dieser Versammlung eine längere Rede zu halten, die wir beim' besten Willen einfach nicht verhindern konnten, es sei denn mit Gewalt, und die pflegen wir nicht anzuwenden.
Während meiner späteren Ausführungen hat dieser
sozialdemokratische Ortsbürgermeister nochmals —
ganz abseits von dem von mir behandelten Thema
— zu einer längeren Rede angesetzt und sie auch gehalten. In der Nacht zuvor war der CDU-Vorsitzende von Irlich von dem sozialdemokratischen Ortsbürgermeister und einigen herangepfiffenen Komplizen beim Kleben von antikommunistischen Wahlplakaten überfallen worden. Diese Plakate sind ihm weggenommen worden. Meine Herren von der SPD, wenn Sie hier die Erklärung abzugeben bereit sind, daß Sie gegenüber diesem Herrn Hammel die erforderlichen Schritte zu unternehmen bereit sind, dann bin ich meinerseits bereit, die Anfrage für die Fragestunde zurückzuziehen.
— Kommen Sie ruhig mit der Gegenliste, ich habe diesbezüglich nicht die mindeste Sorge.
im übrigen ist im Lande Rheinland-Pfalz bei den Kommunalwahlen ein Flugblatt verbreitet worden, das ich nur durch Verlesung einiger weniger Zeilen niedriger hängen möchte, um auch hier die SPD einmal zu fragen, ob sie sich mit derartigen Wahlkampfmethoden wirklich einverstanden erklärt. In diesem Flugblatt heißt es:
Adenauer sieht in einem für ihn günstigen Wahlausgang einen Vertrauensbeweis für seine Remilitarisierungspläne. Jeder Wähler hat die moralische und heilige Verpflichtung, mit dazu beizutragen, daß der Friede erhalten bleibt.
Also wieder die tolle These: „Wer Adenauer wählt,
wählt den Krieg!" Es heißt weiter:
Den Frieden kann man nicht erhalten, indem man für den Krieg rüstet!
Mütter! Euch geht es ganz besonders an, wenn eure Söhne wieder zur „Fahne" gerufen werden und für internationale Kriegsgewinnler verbluten müssen. Und wie gewiß der Dank des Vaterlandes ist, das habt ihr doch wohl zur Genüge erfahren. Denkt an die Rentner, die Witwen und Waisen und an die Kriegsbeschädigten, deren Renten durch die CDU gekürzt wurden und deren Politik wieder in dasselbe Elend und dasselbe Leid führt . . .
Sorgt dafür, daß ihr in einigen Jahren nicht wieder an einem dritten Kriegerdenkmal steht und eure Söhne beweint.
Ich höre mit großem Bedauern auch aus den Reihen der SPD Zustimmung, obschon ich des Glaubens war, daß diese für unser Volk so schwerwiegende Entscheidung unter anderen Gesichtspunkten gesehen würde als unter dem Gesichtspunkt einer so demagogischen Hetze.
Schließlich hat Herr Kollege Schoettle sich in seinen Ausführungen noch auf ein Gebiet vorgewagt, auf dem er sich bisher immer wieder geweigert hat, sich mir zu stellen. Ich erinnere Sie daran, Herr Kollege Schoettle, daß ich Sie nach unserer Etatsdebatte im Juli immer wieder schriftlich und mündlich gebeten habe, sich mit mir einmal vor dem Südwestdeutschen Rundfunk zusammenzufinden, um die Ergebnisse der sozialen Marktwirtschaft und das, was ich damals gesagt habe, zu erörtern. Sie haben bisher immer nur ausweichende Antworten gefunden. Ich möchte aber hoffen, daß es nicht zu einer endgültigen Ablehnung kommt, so daß wir uns über diese Dinge noch näher werden aussprechen können.
Deswegen darf ich mich im Augenblick — um auch meinen Kollegen der Fraktion noch entsprechende Redezeit zu lassen — darauf beschränken, auf das einzugehen, was Sie vorhin zur Frage der Preise und zur Teuerung ausgeführt haben. Nachdem wir durch verschiedene wahrheitsgemäße Flugblätter der Bevölkerung klargelegt haben, daß der Verbrauch in den breiten Massen der Bundes, republik wesentlich gestiegen ist und daß die
Reallöhne sich gegenüber 1948 nicht unwesentlich erhöht haben, versucht nun die SPD, durch Herausgreifen von kleinen Einzeltatbeständen, die im Gesamtbild nur kleine Mosaiksteinchen sind, das hierdurch geschaffene Bild zu verwischen. So ist man auf den herrlichen Gedanken gekommen, festzustellen, daß die Arbeitszeit des Industriearbeiters für das Pfund Brot, für das Pfund Rindfleisch, für das Pfund Schweinefleisch und für das Pfund Butter in England wesentlich geringer ist als die Arbeitszeit des Industriearbeiters in der Bundesrepublik, daß es also in dem sozial fortschrittlichen, früher von Labour regierten England um die Arbeitnehmerschaft wesentlich besser bestellt ist als bei uns. Hierbei werden natürlich Zusammenhänge, die miterwähnt werden müssen, einfach verschwiegen, nämlich zunächst einmal die Tatsache, daß diese ganz wenigen von der SPD herausgegriffenen Lebensmittel solche sind, die in ganz erheblichem Ausmaß auf Kosten des Steuerzahlers subventioniert werden und zudem sehr knapp rationiert sind. Das ist bei uns in viel geringerem Umfang, lediglich beim Brot, der Fall.
Ich möchte Ihnen nun einmal das vollständige Bild geben, wie es sich in den benachbarten europäischen Staaten darbietet. Da ist es gar nicht so, daß die Bundesrepublik etwa an der obersten Grenze der Arbeitszeit, die im einzelnen erforderlich ist, steht; vielmehr kann sie sich durchaus im Kreise der anderen sehen lassen. Die von einem Industriearbeiter aufzuwendende Arbeitszeit ist folgende: 25 Minuten für das Kilogramm Brot in Westdeutschland, allerdings 5 in Dänemark und 13 in Großbritannien — das sind die beiden großen Ausnahmen —, aber 22 in Holland, 19 in Belgien, 23 in Frankreich, 14 in der Schweiz, 25 in Osterreich, 35 in Italien; Durchschnitt: 20. Danach liegt also Westdeutschland beim Brot etwas darüber. Bei Kartoffeln sieht es allerdings schon ganz anders aus: Bundesrepublik 6 Minuten, Dänemark 9, England 7, Holland 9, Belgien 6, Frankreich 19, Schweiz 11, Österreich 9, Italien 17; Durchschnitt: 10. Die Bundesrepublik also mit 6 Minuten erheblich unter dem Durchschnitt. Bei Rindfleisch liegen die Zahlen wie folgt: Bundesrepublik 150, nur Dänemark und Großbritannien sehr niedrig mit 116 und 74 — eben wegen der großen Subventionen —, Holland 228, Belgien 273, Frankreich 154, Schweiz — etwas unter uns — 143, Österreich 188, Italien 315; Durchschnitt: 182, bei 150 in der Bundesrepublik. Ahnlich ist es beim Schweinefleisch, beim Speck und bei der Butter. Bei der Margarine liegen wir sogar ausnehmend niedrig.
Meine Damen und Herren, es hat eben keinen Sinn, einzelne Mosaiksteinchen aus dem Gesamtbild herauszubrechen und dann zu sagen: Das ist typisch für das Ganze! Genau das ist falsch, für die letzten Monate ausgerechnet das Mosaiksteinchen Butterpreis herauszubrechen und so zu tun, als seien auf anderen Gebieten der Versorgung inzwischen nicht — ausweislich des Index — Minderungen der Preise eingetreten.
Im übrigen zu all diesen Dingen eines. Ich habe hier ein Zitat aus dem Sozialdemokratischen Pressedienst vom 5. September 1952, in dem das Wirken der sozialdemokratischen Regierung des Hamburger Stadtstaates lobend herausgehoben wird. Dieses Zitat, das ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz verlesen darf, sollte sich die Opposition auch einmal vor Augen führen, wenn es sich um die Belange und die Situation in der ganzen Bundesrepublik handelt. Da heißt es nämlich:
Unabwendbare und oft sehr schmerzliche Tatsachen, mit denen sich jede Regierung in einer so völlig zerstörten Stadt nun einmal auseinandersetzen muß, werden unter völliger Verdrehung der Gegebenheiten und absichtlicher Verkennung der Möglichkeiten so gehässig ausgeschlachtet, daß der seufzende Steuerzahler nur allzuleicht sturmreif gemacht werden kann. So etwas ist nicht gerade originell, verspricht aber immer wieder eine gewisse Wirkung.
Meine Damen und Herren, das paßt ohne viel „mutatis mutandis" haargenau auf das Verhalten der Opposition gegenüber der Politik der Bundesregierung.
In diesem Zusammenhang noch ein anderes Zitat. Die Opposition hat immer das Gefühl, sie müsse hinsichtlich der künftigen Entwicklung den Teufel an die Wand malen, und erklärt, es gehe alles abwärts, es werde immer schlimmer, die soziale Not werde immer größer usw. Herr Professor Nölting, der große Wirtschaftssachverständige der SPD,
hat am 9. Februar 1950 von dieser Tribüne erklärt: Am Horizont der Wirtschaft steht die Arbeitslosigkeit wie ein gespensterhaftes Wetterleuchten. Der Arbeitslosenpegel steigt buchstäblich von Stunde zu Stunde. Wir halten an der 2Millionen-Grenze. Jedenfalls war seit dem Krieg die Lage noch niemals so alarmierend wie in der gegenwärtigen Zeit.
Die Arbeitslosenziffer betrug damals annähernd 2 Millionen. Heute sind wir nach „Abblasen" dieses Alarms doch immerhin auf eine Million heruntergekommen. Trotz eines gewaltigen Zustroms an Arbeitskräfte-Potential aus verschiedensten Quellen ist die Arbeitslosigkeit auf diese Summe von gut 1 Million jetzt gesunken. Wir haben augenblicklich mit 15 1/2 Millionen Menschen die allerhöchste Beschäftigtenziffer in der Bundesrepublik gegenüber 131/2 Millionen noch vor drei Jahren erreicht.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Es wäre wirklich einmal ganz gut, wenn Sie wenigstens den Mut hätten, diese Tatsache Ihren Wählern in Ihren Versammlungen einmal nachrichtlich vor Augen zu führen, ohne immer nur zu erklären, die Bundesrepublik tue nichts für die Arbeitsbeschaffung. Sie wissen genau so gut wie ich, daß sich in dieser Zahl von zusätzlichen 2 Millionen Arbeitsplätzen der Zugang in der Wirtschaft noch nicht erschöpft, sondern daß wir 3/4 Million Arbeitsplätze in Landwirtschaft und Behörden weniger haben, so daß effektiv in der gesamten Wirtschaft 2 3/4 Millionen Arbeitsplätze in diesen drei Jahren neu haben geschaffen werden können. Das nennen wir allerdings Arbeitsbeschaffungspolitik mit einigermaßen Erfolg.
— Ja, Herr Kollege, wenn wir nun zu den Regierungsparteien gehören, dürfen wir immerhin beanspruchen, daß wir an dieser Entwicklung etwas mehr schuld sind als diejenigen, die gegen alles, was wir dafür getan haben, immer nur Opposition aufgebracht haben.
— Die Ursachen sind in keiner Weise bedauerlich! Denn wenn der Produktionsindex der Wirtschaft
jetzt annähernd das Dreifache von 1948 erreicht hat und wenn wir aus einem stark zunehmenden Einfuhrbedarf jetzt gerade wieder im Oktober neuestens ersehen haben, daß die Wirtschaft weiter im Aufstieg und in stärkerer Beschäftigung begriffen ist, dann sollten Sie doch zugeben, daß das Ihrer Theorie von der Vollbeschäftigungspolitik entspricht, die wir allerdings nicht mit bürokratischen Methoden, sondern mit den Methoden der sozialen Marktwirtschaft herbeizuführen uns bemühen.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht all-zulange meinerseits die Redezeit in Anspruch nehmen; nur noch ein ganz kurzes Wort zu der immer wieder umstrittenen Frage des Lebenshaltungsindex in der Bundesrepublik. Das Statistische Bundesamt stellt diesen Lebenshaltungsindex allmonatlich fest, und zwar nach Grundlagen, die vor längerer Zeit, wie jedermann weiß, mit dem Wirtschaftswissenschaftlichen Institut des DGB abgestimmt worden sind. Nun wollen wir uns jetzt nicht darüber streiten, ob sich zwischenzeitlich hinsichtlich der Richtigkeit dieser Grundlagen vielleicht dieses oder jenes in dem Sinn verändert hat, daß man den Anteil der Nahrungsmittelausgaben vielleicht etwas erhöhen und andere Anteile etwas herabsetzen muß. Alle diese Dinge können allenfalls Verschiebungen um 1, 2, 3, 4 oder, wenn Sie wollen, auch 5 % zur Folge haben. Hierüber wollen wir gar nicht streiten. Fest steht aber doch ganz einwandfrei, daß die Grundlinie dieses Lebenshaltungsindex richtig ist, zumal wenn Sie im einzelnen den Lebenshaltungsindexziffern einmal auf den Grund gehen. Es sind j a doch nicht nur die Kosten für die Ernährung, für Bekleidung und Genußmittel, die besonders hoch liegen, darin enthalten, sondern auch die Kosten für sonstigen Lebensbedarf, die erheblich unter diesem durchschnittlichen Lebenshaltungsindex liegen. Das sieht bei dem letzten Index für Oktober 1952 wie folgt aus.
Der Gesamtindex liegt bei 167, also bereits wieder sechs Punkte niedriger als im Mai dieses Jahres. Der Lebenshaltungsindex für Genußmittel liegt bei 280. Aber der Lebenshaltungsindex für Wohnung liegt bei 106 und der für Heizung und Beleuchtung bei 140. Für Bekleidung beträgt der Index 184, für Reinigung und Körperpflege 159, für Bildung und Unterhaltung 153, für Hausrat wieder 191 und für Verkehrsmittel 160.
Aus diesem Gesamtdurchschnitt, wobei jeder Faktor entsprechend seiner Bedeutung berücksichtigt ist, ergibt sich der Durchschnittsindex, wobei ich nochmals sage, daß es gar nicht wichtig ist, sich um zwei oder vier Punkte zu streiten, sondern daß niemand im Ernst bestreiten kann, daß diese Indexerrechnungen letzten Endes ihre Richtigkeit haben.
Meine Damen und Herren, es obliegt mir am Schluß nur noch die Aufgabe, vor allem auch an diejenigen ein dankbares Wort zu richten, die entscheidend verantwortlich dafür sind, daß unsere Haushaltsverhältnisse trotz all der ungeheuren Schwierigkeiten, die sich immer wieder auftürmen, heute so geordnet sind, wie sie sind, nämlich an die Herren des Finanzministeriums.
In diesem Sinne möchte ich — bei allen Schwierigkeiten, die jede Gruppe des Hauses immer wieder
mit unserem Bundesfinanzminister naturgemäß haben muß — ein Wort besonders herzlichen Dankes an Herrn Finanzminister Schäffer richten als den Hüter und Wahrer der deutschen Währung und ihres Ansehens im Ausland.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an ein Wort anknüpfen, daß Herr Kollege Schoettle vorhin gesprochen hat. Er sagte, Demokratie sei eine stets neu zu lösende Aufgabe. Ich stimme ihm in dieser Feststellung durchaus zu. Ich glaube, daß auch die Gelegenheit einer solchen Haushaltsaussprache eine gute Möglichkeit bietet, die Aufgabe der Demokratie angesichts der heute gegebenen Lage neu zu lösen. Diese Aufgabe kann nur dann sinnvoll und fruchtbar gelöst werden, wenn wir immer wieder neu überlegen, welchen Eindruck die Auseinandersetzungen, die wir miteinander führen, welchen Eindruck auch die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition nach außen hin, auf den Staatsbürger, auf den einfachen Mann im Volke machen. Wenn Demokratie nur ein Zustand ist, in dem zwei Parteigruppen miteinander streiten, sich gegenseitig auf das heftigste kritisieren und sich gegenseitig schlechtmachen, dann wird unsere Demokratie auf den Staatsbürger draußen im Volk nicht den Eindruck machen, an dem wir alle ein Interesse haben. Wir müssen die Auseinandersetzungen stets so führen, daß wir uns nicht des Trennenden — das können wir nicht aus der Welt schaffen—, sondern auch des Gemeinsamen bewußt sind; das uns miteinander verbindet. Wir sollten deshalb solche Gespräche, wie wir sie heute führen, gewissermaßen als Menschen am runden Tisch führen. Wir sollten versuchen, aufeinander zu hören, und wir sollten auch versuchen, nicht nur das zu sagen, was uns voneinander trennt, sondern auch das, was uns zusammenführt.
Ich habe in letzter Zeit in meinem Wahlkreis eine öffentliche Aussprache mit einem Angehörigen der SPD-Fraktion dieses Hohen Hauses gehabt. Ich habe vorgeschlagen, wir sollten nicht nur gewissermaßen hinten herum irgend etwas übereinander sagen, sondern wir sollten Auge in Auge, vor der versammelten Wählerschaft, vor den Staatsbürgern des Kreises stehend, vom gleichen Podium aus, über die Probleme der Bundespolitik miteinander sprechen. Dieser Versuch war ein sehr gewagter Versuch, das darf ich wohl sagen; ich wußte nicht von vornherein, wie er ausgehen würde. Aber ich darf auch sagen, daß dieser Versuch trotz aller Verschiedenheiten der Meinungen, die dabei in Erscheinung traten, von den anwesenden Staatsbürgern sehr positiv und dankbar aufgenommen wurde.
Ich hätte mich deshalb sehr gefreut, Herr Kollege Schoettle, wenn Sie auch heute wieder einer Gewohnheit gefolgt wären, von der wir je und dann in früheren Debatten, an denen Sie beteiligt waren, Proben vorgefunden haben, wenn Sie also — um konkret zu werden — auch heute die Gelegenheit benutzt hätten, nicht nur etwas Kritisches, sondern vielleicht auch etwas Positives über die Regierung zu sagen.
— Nein, nein! Sie scheinen Ihre guten Gewohnheiten verleugnen zu wollen. Ich habe es dankbar begrüßt, daß Sie einmal von hier aus dem Bundesfinanzminister Schäffer bei einer Debatte über die Außenpolitik gesagt haben, Sie müßten ihm das Kompliment machen, die Anerkennung dafür aussprechen, daß er die Interessen des deutschen Volkes bei den außenpolitischen Verhandlungen mit einer unerhörten Hartnäckigkeit vertreten und daß diese Hartnäckigkeit gute Früchte gezeitigt habe. Sehen Sie, so etwas, auf den Sektor der Innenpolitik übertragen, hätte sich nach meinem Gefühl heute sehr gut gemacht.
Vielleicht besinnen Sie sich einmal auf solche Dinge, die man von der positiven Seite her anbringen könnte, und vielleicht sagen Sie diese Dinge auch einmal. Ich weiß, daß Ihnen das schwerfällt. Aber es wird sich bezahlt machen, wenn wir versuchen, uns auch solche Dinge zu sagen, die uns nicht so leicht von der Zunge gehen., die aber doch irgendwie ein Beitrag zur Darlegung der Wahrheit und zur Darlegung der Wirklichkeit sein werden, in der wir leben.
Lassen Sie mich nun einige Bemerkungen zu dem machen, was Sie im einzelnen gesagt haben. Mein Freund Wuermeling hat darüber schon sehr vieles gesagt.
— Ja, ich will jetzt vom Haushaltsplan sprechen, und es liegt mir sehr am Herzen, Ihnen noch einiges zu sagen. Sie haben eine Reihe von kritischen Bemerkungen über die Haushaltsgebarung der Bundesregierung gemacht. Wir haben diese kritischen Bemerkungen schon öfters gehört. Wenn die Weingärtner unseres Landes einen guten Wein geerntet haben, dann legen sie ihn durch Jahre hindurch in den Keller. Sie sind gewiß, daß dieser Wein, je mehr Zeit darüber hingeht, um so besser werden wird. Verehrter Herr Schoettle, mit Ihren Argumenten gegen die Haushaltsgebarung der Bundesrepublik geht es nicht so wie mit unserem schwäbischen Wein. Je öfter Sie diese bringen, desto leichter werden sie, desto weniger wiegen sie.
— Wir wollen uns auch hier darüber unterhalten
— Sie haben es ja auch getan —, und deshalb muß ich gerade zu diesem bei Ihnen so beliebten Thema sehr deutlich etwas sagen. Sie haben auch jetzt wieder von der Ausschaltung des Parlaments gesprochen, ein Argument, das Sie immer wiederholt haben, um darzulegen, daß nach Ihrer Auffassung die Bundesregierung sich bemühe, das Parlament von den Entscheidungen über den Haushalt auszuschalten, was in anderen Ländern völlig unmöglich sei. Nun, ich habe vor einiger Zeit eine Nachricht in die Hand bekommen, die eine treffliche Dekoration zu diesem Thema und zu Ihren immer wiederholten Feststellungen abgibt, daß es in anderen Ländern selbstverständlich sei, keine finanzpolitische Entscheidung zu fällen, ohne vorher das Parlament zu hören. Der englische Premierminister Churchill hat vor .eitriger Zeit vor dem englischen Unterhaus eine Erklärung über die Maßnahmen Englands zur Herstellung der Atombombe abgegeben. In der „Neuen Zürcher Zeitung" wird darüber folgendermaßen berichtet:
Churchill unterließ es nicht, sich auch vor der
Labour-Opposition zu verbeugen und aufs
neue zu betonen, daß die Labour-Regierung die britische Atomforschung weit vorangetrieben habe. Es sei für einen alten Parlamentarier wie für ihn aber erstaunlich gewesen, bei der Regierungsablösung zu entdecken, daß seine Vorgänger im Amt 100 Millionen Pfund
— das sind nach meiner Rechnung doch immerhin rund eine Milliarde DM —
für Atomforschung ausgesetzt hatten, ohne das Parlament auch nur zu orientieren. Churchill gab unter allgemeinem Gelächter zu verstehen, daß er seinem Vorgänger an Heimlichkeit nicht nachzustehen gedenke.
Dies ist also gegenüber der Mutter der Parlamente,
gegenüber der uns ungezählte Male hier als Vorbild hingestellten Mutter der Parlamente geschehen!
Diesem Musterparlament ist dies zugefügt worden! Und von wem? Von einer sozialdemokratischen Regierung, von der englischen Labour-Party.
Demgegenüber muß ich doch mit allem Nachdruck sagen, daß in diesem Parlament und von dieser Bundesregierung noch keine Mark verausgabt worden ist, ohne daß das zuständige Organ des Parlaments dazu gehört worden ist.
Wir haben wohl im Haushaltsausschuß Vorwegbewilligungen beschlossen; aber, meine Herren von der Opposition, Sie werden doch nicht im Ernst bestreiten wollen, daß dieser Ausschuß dazu legitimiert war, daß er dazu die Ermächtigung besaß. Daß der Haushaltsausschuß die Ermächtigung von diesem Parlament bekommen hat, war zwar eine Notmaßnahme. Aber es war eine rechtlich saubere, politisch wohlbegründete Maßnahme. Denn sonst Herr Vorsitzender des Haushaltsausschusses, hätten Sie sicher nicht Verhandlungen des Haushaltsausschusses geleitet, in denen solche Dinge beschlossen worden sind. Zu etwas Ungesetzlichem hätten Sie sich ja sicher nicht hergegeben.
Ich stelle wiederum fest — und das ist meine Pflicht —: was in bezug auf die Haushaltsgebarung geschehen ist, ist nicht unter Ausschaltung des Parlaments geschehen, sondern mit Ermächtigung des Parlaments. Solche gewagte Maßnahmen, wie sie von Ihren Parteifreunden in England durchgeführt worden sind, haben wir in Deutschland nie getroffen.
Nun zu dem anderen Vorwurf, der immer wieder gemacht wird und auch heute wieder gemacht wurde, wir hätten die haushaltsrechtlichen Entscheidungen verzögert. Herr Schoettle, nun muß ich noch einmal einen Satz aus einer Zeitung verlesen.
Ein kluger Journalist hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben:
Wenn nicht alles täuscht, wird die Bundesrepublik also in das nächste Rechnungsjahr mit
einem vorher verabschiedeten Haushaltsplan
gehen und damit erstmals den vom Grundgesetz vorgeschriebenen. Zustand erreichen. Es
wäre ungerecht, den Fortschritt, der darin
liegt, zu übersehen, und das Bemühen des Bundesfinanzministers, aus dem Zustand der Etatprovisorien herauszukommen, zu verkennen. Weshalb sage ich das? Ich sage das deshalb, weil es meine feste Überzeugung ist, daß wir, wenn wir nicht mit diesem Mittel gearbeitet hätten, das hier als Etatprovisorium bezeichnet wird, wenn wir nicht unter dem Druck der Not ein System von Aushilfen erfunden hätten, heute wohl niemals so weit wären, nun zuverlässig damit rechnen zu könnten, daß anfangs des Kalenderjahres 1953 dem Parlament der Haushalt für das Rechnungsjahr 1953 vorliegen wird.
- Gut!
— Ich wehre mich nur gegen den uns immer wieder gemachten Vorwurf, wir hätten die Entscheidungen über 'den Haushalt hinausgezögert und der Haushalt sei verspätet vorgelegt worden.
Wir haben das nicht getan, sondern wir haben unter dem Druck der Not Zwischenlösungen schaffen müssen. Jetzt aber sind wir so weit, endlich den verfassungsmäßig geforderten Zustand herstellen zu können. Es hat mich mit tiefster Befriedigung erfüllt, zu sehen, daß unsere Notmaßnahmen schließlich doch eine gute Frucht und einen sichtbaren Erfolg gezeitigt haben.
Nun noch einige Bemerkungen zu anderen Fragen, die Herr Schoettle angeschnitten hat. Er hat gesagt, der Vorlage dieses Nachtragshaushalts fehle die dramatische Spannung, die in anderen Parlamenten über der Verhandlung über einen von der Regierung vorgelegten Haushaltsplan lagere. Gewiß, die dramatische Spannung, die immer da sein wird, wenn ein Parlament über die Gestaltung seiner Finanzen frei verfügen kann, fehlt bei uns. Sie fehlt einfach deshalb, weil auf 'unserem ganzen Finanzvolumen die ungeheure Hypothek des verlorenen Krieges lastet, die wegzuschaffen wir nicht die Möglichkeit haben. Deshalb ist das, was man den manövrierfreien Raum nennt, so gering. Deshalb kann die Vorlage eines solchen Haushalts keine sehr großen Überraschungen bringen. Das ist leider so; aber ich glaube nicht, daß Sie mir ein Rezept dafür angeben können, wie man diese hypothekarische Vorwegbelastung des Haushaltsvolumens von heute auf morgen aus der Welt schaffen kann.
Was die Verantwortlichkeit der Regierungskoalition dafür anlangt, daß der Haushalt in Ordnung gehalten wird, so muß ich erwidern, daß wir diese Verantwortlichkeit sehr schwer empfinden. Wir werden jede Maßnahme, die entweder von den Parteien dieses Hauses oder von der Regierung an uns herangetragen wird, sehr sorgfältig prüfen. Aber die Dinge werden nie so liegen können — bei der Auffassung von parlamentarischer Verantwortlichkeit, die wir von der Regierungskoalition haben —, daß wir alles, was die Regierung vorschlägt, von vorneweg für gut halten werden. So verstehen wir parlamentarische Verantwortlichkeit nicht. Wir haben gestern eine Rede des Finanzministers zu
Beamtenbesoldungsfragen gehört. Die Freien Demokraten haben ja gesagt. Wir haben nein gesagt, weil wir uns auch, verehrter Herr Kollege Dr. Blank, als freie Demokraten fühlen.
— Gemäßigte freie, nun ja, die Freiheit hat immer irgendwo eine Grenze! — Aber Sie sehen daraus, daß wir alle Maßnahmen sehr sorgfältig prüfen und uns dabei über unsere Verantwortlichkeit für unser Volk und auch über die Verantwortlichkeit für die Gestaltung unserer Bundesfinanzen völlig klar sind.
Herr Schoettle hat dann kritisiert, daß die Stellenpläne, die jetzt den Mitgliedern des Haushaltsausschusses zugegangen sind, erst jetzt gekommen und nicht schon früher den Abgeordneten zugeleitet worden seien. Darauf ist einfach zu sagen, daß diese Stellenpläne die Unterlage für die Beratung im Haushaltsausschuß darstellen und daß es völlig überflüssig gewesen wäre, sie den Mitgliedern des Haushaltsausschusses schon früher zuzuleiten, weil diese doch nichts damit hätten anfangen können, ehe die Beratungen begannen. Hier liegt also ein völlig korrektes Verhalten der Regierung vor.
Was die Personalpolitik und den personellen Ausbau der Bundesverwaltung anlangt, so möchte ich nur darauf hinweisen, daß wir — Kollege Wuermeling hat das schon angedeutet — eine Stellenanforderung der Bundesregierung, die sich auf etwa 1000 zusätzliche Beamtenstellen bezogen hat, im Haushaltsausschuß rundweg zurückgewiesen haben, während die Herren von der Opposition 'damals bereit waren, dieser Anforderung zuzustimmen.
Wir sind der Meinung — und ich wiederhole das nochmals —, daß der personelle Aufbau der Bundesverwaltung jetzt im wesentlichen als abgeschlossen zu betrachten ist. Wir werden jede neue Stellenanforderung, die in Zukunft etwa an uns herantreten sollte, sehr sorgfältig prüfen.
Was die Dienststelle Blank anbelangt, so muß folgendes festgestellt werden. Nehmen Sie einmal an, wir hätten es im Haushaltsausschuß abgelehnt, dem Amt Blank die beantragte sehr sparsame Stellenvermehrung zuzugestehen. Nehmen Sie einmal weiter an, wir würden in diesem Parlament dazu kommen, wie wir das annehmen möchten, das Vertragswerk der Bundesregierung zu ratifizieren, und es träte dann, nachdem auch andere Parlamente das getan haben, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Kraft. Nun überlegen Sie bitte einmal, was es bedeuten würde, wenn in diesem Fall das Amt Blank noch mit demselben Personal ausgestattet wäre, mit dem es ursprünglich seine Tätigkeit begonnen hat. Das würde bedeuten, daß wir die ganzen umfassenden Maßnahmen zum Aufbau einer Verteidigung völlig unvorbereitet über uns ergehen lassen müßten. Ichglaube, es wird niemanden geben, der bereit ware, im vollen Bewußtsein ihrer Tragweite eine solche Verantwortung zu übernehmen. Wir haben deshalb die Verantwortung für die Ausweitung der Dienststelle Blank mit gutem Gewissen übernommen. Wir glauben, daß das bescheidene Personal, das wir der Dienststelle Blank zugestanden haben, sehr wohl am Platze ist. Ich habe eher den Eindruck, daß die Personalausstat-
tung des Amts Blank auch heute noch sehr, sehr sparsam, vielleicht zu sparsam ,erfolgt ist.
Herr Schoettle hat dann der Bundesregierung vorgeworfen, sie habe sich entschlossen, Maßnahmen vorzubereiten, um die Tätigkeit und die Leistungen der Bundesregierung vor der Öffentlichkeit ins helle Licht zu stellen. Hier liege ein Mißbrauch von Steuergeldern für parteipolitische Propaganda vor. Da ist zum einen zu sagen, daß ich es nicht nur für das Recht, sondern auch für die Pflicht jeder Regierung halte, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Ich würde es auch jeder politisch anders gerichteten Regierung durchaus zugestehen, daß sie sich bemüht, dasjenige vor der Öffentlichkeit bekanntzugeben, was durch ihre Tätigkeit an echten positiven Leistungen für das Volk erzielt wurde. Die Bundesregierung aber hat in dieser Hinsicht ganz sicher eher zuwenig als zuviel getan.
Nun aber ein zweites. Wenn man schon von parteipolitischem Mißbrauch von Steuergeldern spricht, dann erinnere ich mich, daß sich in meinem Heimatland, dem guten Lande — gestatten Sie mir, daß ich das „guten" unterstreiche — Württemberg-Baden, kürzlich Dinge ereignet haben, die wohl eher die Kritik verdient hätten, die Herr Schoettle hier ausgesprochen hat. Die Regierung hat dort ein von ihr aufgestelltes Programm, das starke, ja ausgesprochen parteipolitische Züge trägt, in vielen Hunderten und Tausenden von Exemplaren auf Kosten des Steuersäckels nicht nur ¡drucken, sondern als Postwurfsendung an alle Staatsbürger vertreiben lassen.
- Nein, das hätte sie nicht tun dürfen.
Wenn Herr Schoettle die Maßstäbe, die er hier aufgestellt hat, an die Tätigkeit der Regierung angelegt hätte, für die er eine besondere Verantwortung trägt, weil er der Erste Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei in Württemberg ist und weil die dortige Regierung weit überwiegend sozialdemokratisch gelenkt und beherrscht ist,
dann hätte das dazu geführt, daß diese Regierung auf das schärfste wegen der Praxis gerügt worden wäre, auf die ich eben hingewiesen habe.
,
Aber nicht nur das. Zur Zeit bereitet die Regierung eine ähnliche Postwurfsendung vor, durch die das ebenfalls stark parteipolitisch gefärbte Programm für die Gestaltung der Verfassung wiederum auf Kosten der Steuerzahler im Lande verbreitet werden soll.
- Das kostet wahrscheinlich noch viel mehr. Ich glaube, hier wird man gut daran tun, vor der eigenen Tür zu kehren. Dabei würde ich der Regierung von Württemberg-Baden durchaus zugestehen, daß sie echte staatspolitische Leistungen für
ihr Land der Wählerschaft und der Staatsbürgerschaft des Landes bekanntgibt.
Es ist sodann sehr scharfe Kritik an dem Herrn Innenminister Dr. Lehr wegen seines Auftretens in der Sache des BDJ geübt worden. Auch hier stand Herr Schoettle in einer gefährlichen Kurve. Inzwischen hat es sich nämlich herausgestellt, daß die Aussagen eines anderen Mannes, der in diesem Hause in derselben Angelegenheit aufgetreten ist, nämlich diejenigen des Herrn Ministerpräsidenten Zinn von Hessen, von einem Gericht der Bundesrepublik als durchaus unbestätigt und sachlich unrichtig erklärt worden sind.
Das ist von dem Gericht bereits festgestellt warden. Das Gericht hat festgestellt, daß die Behauptung des Herrn Zinn, es hätten in jenen berühmten oder berüchtigten Listen auch die Namen von Sozialdemokraten gestanden, vollkommen unzutreffend sei.
Sodann ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die Bundesrepublik Versorgungsbezüge an ihre erklärten Feinde zahlen soll. Dies ist nun ein Punkt, zu dem ich ganz freimütig erklären möchte, daß ich die Frage des Herrn Kollegen Schoettle für durchaus begründet halte. Ich sehe sie als eine Anregung an, über die wir ernsthafte Überlegungen anstellen sollten. Ich glaube, wir sollten wirklich ernsthaft prüfen, ob es _richtig und rechtlich und politisch vertretbar ist, wenn wir solchen Persönlichkeiten, die Feinde des demokratischen Staates sind - ich denke etwa an den General Renter oder an einen Mann wie Ramcke —,
von der Bundesrepublik Pensionen bezahlen. Es dreht sich hier um Pensionen von Persönlichkeiten, die im öffentlichen Dienst standen und die deshalb Pensionen bekommen, weil sie Beamte des ehemaligen Deutschen Reichs waren. Eine Beamtenstellung innezuhaben bedeutet aber immer, daß man eine besondere Verantwortlichkeit für den Staat hat, dem man dient. Wenn ein Beamter sich einseitig von dieser Verantwortlichkeit für den Staat losspricht, dann sehe ich nicht ein, weshalb nun der Staat seinerseits unentwegt solchen Leuten Pensionen bezahlen soll.
Ich glaube, es wäre gut, wenn wir diese Sache einmal gemeinsam überprüften.
Bei dieser Stellungnahme zu den von dem Kollegen Schoettle aufgeworfenen Punkten will ich es bewenden lassen. Ich möchte aber abschließend folgendes sagen. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, daß es der Bundesregierung jetzt in dieser bedrohten Zeit — wir leben eben in einer bedrohten Zeit, wir sind durchaus nicht über den Berg, die schwersten Proben und Krisen stehen diesem neugeschaffenen Staate nach meiner festen Überzeugung noch bevor — möglich war, den ungeheuer gesteigerten
öffentlichen Aufwand bisher abzudecken, und zwar so, daß die Bundesregierung auch die sozialen Bedürfnisse befriedigen und die Verpflichtungen nach außen weithin erfüllen konnte, daß unsere Währung, die doch im Anfang sehr gefährdet war, nicht nur auf dem damaligen Stand gehalten, sondern wesentlich verbessert werden konnte. Die deutsche Währung zählt heute mit zu den härtesten Währungen der Welt, und dies ist, wie ich glaube, ein Anlaß, der uns alle mit Dank und mit Befriedigung erfüllen muß.
Wir haben es gar nicht in der Hand, daß nicht irgendwie eine Stockung im Wirtschaftsgefüge und im Wirtschaftsablauf eintritt. Wir haben es gar nicht in der Hand, daß nicht eines Tages eine Wirtschaftskrise kommt. Wir müssen deshalb dafür dankbar sein, daß wir davor bewahrt worden sind und daß es trotz größter Schwierigkeiten möglich war, bisher unsere Verpflichtungen nach innen und nach außen so zu erfüllen, daß wir als ehrliche und redliche deutsche Staatsbürger vor ,dem In- und Ausland bestehen konnten unid daß sich der Kredit und das Ansehen Deutschlands in der Welt in so außerordentlichem Maße gesteigert hat. Deshalb kann ich — nachdem mir eine besondere Verantwortung für die Arbeit meiner Fraktion im Haushaltsausschuß auferlegt worden ist —, nur erklären, daß ich die Finanzpolitik der Bundesregierung aus guter und ehrlicher Überzeugung vor diesem Hause und vor der Öffentlichkeit vertrete, daß wir von der CDU-Fraktion uns selbstverständlich die sorgfältigste Prüfung der einzelnen Positionen dieses Haushaltsplans vorbehalten, daß wir aber mit gutem Gewissen und gegenüber jedermann zu den Grundsätzen der Finanzpolitik dieser Regierung ja sagen können.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, habe ich bekanntzumachen, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen um 18 Uhr im Zimmer 03 Süd zu einer Sitzung zusammentreten will.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Dr. Blank , (FDP): Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Wenn ich heute aus dem Ausland oder von einem anderen Planeten ohne Kenntnis der Tagesordnung hier hineingeschneit wäre 'und den Zustand hier so gesehen hätte, wie er schon seit zwei Stunden andauert, dann hätte ich gesagt: das kann nur eine Haushaltsdebatte sein!
Die Regierungsbank chemisch rein von Ministern, einige gequälte Staatssekretäre müssen ja nun anstandshalber da sein, unid die Fraktionen vertreten zum Teil durch ihre Fachleute, zum Teil durch Schlachtenbummler, die im Augenblick nichts anderes zu tun haben.
Auf die Art und Weise kriegen wir das Interesse am Haushalt 'in das deutsche Volk und in die unglücklichen Menschen, die da oben sitzen und sich diesen Zustand ansehen müssen, nicht hinein.
Infolgedessen ist es natürlich auch nicht zu erwarten und nicht zu verlangen, daß hier irgendwie dramatische Spannung herrscht, wie es der Kollege Schoettle gern haben wollte. Das kann ja nicht sein. Bitte, überlegen Sie sich: die Einzelpläne, die kaum noch Veränderungen erfahren haben, waren schon am 21. und 26. Juni dieses Jahres gedruckt. Dann sind sie mit einer Drucksache, die die Unterschrift des Bundeskanzlers und das Datum des 13. November trägt, hier ins Hausgekommen, mit den Bemerkungen des Bundesrats und der Stellungnahme der Bundesregierung dazu. Dann aber sind sie außerordentlich schnell hier zur Verhandlung gekommen. Wir sind das sonst gar nicht gewöhnt. Welcher Tatsache wir es verdanken, daß wir den Nachtragshaushalt heute verhandeln, ist ja den Damen unid Herren des Hohen Hauses auch bekannt.
Nun ist noch etwas Allgemeines festzustellen, wenn die Damen und Herren mir das erlauben wollen. Der amtierende Präsident hat es eigentlich bei solchen Haushaltsdebatten insofern besonders gut, als er niemand irgendwie zur Sache zu rufen braucht; denn der Haushalt umfaßt alle Sachen, und jeder darf reden, was er will, und er kann soviel Wahlreden halten, wie er sich nun, sagen wir einmal, einer vergangenen Wahl noch nahe und der nächsten Wahl schon nahe fühlt.
Ich möchte eigentlich den Vorschlag machen, daß wir uns nun einmal über einige Punkte aus diesem Nachtragshaushalt tatsächlich unterhalten.
Der Bundesfinanzminister hat uns gestern einige nach meinem Gefühl allerdings höchst interessante Mitteilungen darüber gemacht, daß auf dem Gebiete der kurzfristigen Verschuldung durch die am Horizont schwebenden, urplötzlich leider noch möglich werdenden und in die Milliarden gehenden Anforderungen der Besatzungsmächte sehr eigenartige Entwicklungen eintreten können. Darüber wird man sich auch im Haushaltsausschuß später noch Gedanken machen müssen. Ich glaube allerdings, daß hier sehr fraglich ist, ob es zweckmäßig ist, daß die nun mit äußerster Eilfertigkeit abgeschossene 500 Millionen-Anleihe der Bundesregierung auf den eben wieder zu fördernden Kapitalmarkt gleich eine solche Staatshypothek legt, so daß sich auch die Kollegen dieses Hauses, die das Kapitalmarktförderungsgesetz in den entsprechenden Ausschüssen 'betrieben haben, einigermaßen erstaunt umsehen werden, was für die zweifellos auch kapitalbedürftige Privatwirtschaft nachher noch aufzutreiben sein wird.
Daß wir zum wiederholten Haushalt 1951, d. h. zu dem im Sommer festgestellten Haushalt 1952, einen Nachtrag brauchen würden, war von vornherein klar; daß dieser Nachtrag sehr umfangreich sein mußte, war ebenfalls klar. Denn man hatte das Stillhalten der Ressorts beim Haushalt 1951 für 1952 nur dadurch erreichen können, daß man ihnen versprach: Ihr bekommt einen schönen unid umfassenden Nachtrag, und da können dann alle eure Sorgen einigermaßen berücksichtigt werden. Das hat, das wollen wir gar nicht bestreiten, einigermaßen funktioniert. Allerdings sehen wir nun in den vorliegenden Einzelplänen, welche außerordentliche Erweiterung der Tätigkeit der Bundesregierung und infolgedessen welche zahlenmäßige Erhöhung der Beamten, Angestellten und Arbeiter im 'Bundesgebiet sich ergeben. Dabei sind die einzelnen Ressorts außerordentlich verschieden beteiligt. Es erfüllt uns mit Sorge — wenn wir auch gerade vom Haushaltsausschuß aus einiges Verständnis dafür haben —, daß ausgerechnet das Bundesfinanzministerium mit 87 neuen Beamtenstellen bei den Bundesministerien sehr weit vorn liegt. Es
wird nur vom Bundesministerium des Innern. mit 281 Stellen noch übertroffen. Ich möchte mich allen Vorrednern nachdrücklich anschließen, indem ich für meine Freunde erkläre, daß wir hoffen, daß die Expansion der Zahl der Bundesbediensteten nun wirklich ihren Abschluß gefunden haben muß.
Wenn man einmal den Versuch unternimmt, sich eine prozentuale Vorstellung davon zu machen, wieviel die Zunahme beträgt, so kommt man, wenn man Beamte, Angestellte und Arbeiter zusammenrechnet, auf eine Vermehrung des bisherigen Bestandes um 7,7%. Dabei sind noch nicht einmal die sehr erheblichen Anforderungen berücksichtigt, die der auswärtige Dienst gestellt hat, auch nicht die Anforderungen an Beamten- und Angestelltenstellen für das schon besprochene Bundespresseamt. Ich möchte allerdings sagen, daß ja erfreulicherweise für das von verschiedenen Seiten kritisch beleuchtete Amt seit Monaten die Untersuchung des Bundesrechnungshofes läuft und daß der Vorschlag der Bundesregierung für !die Ausgestaltung des Presseamtes erst gemacht werden soll, wenn das Gutachten des Bundesrechnungshofes vorliegt.
Es hat sicherlich keinen Zweck, im Augenblick schon viele Einzelheiten zu erörtern. Wir müssen im Haushaltsausschuß in die Dinge hineinsteigen. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß wir eine Arbeitsmethode finden, die es uns ermöglicht, die Verabschiedung dieses Nachtragshaushaltes im Ausschuß hinter uns zu haben, wenn uns, wie angekündigt — und wir von den Regierungsparteien zweifeln nicht daran —, tatsächlich Anfang Januar der Haushalt 1953 vorgelegt wird, damit wir dann aufnahme- und arbeitsfähig sind und damit dann endlich, endlich das tatsächliche Budgetrecht in seiner eigentlichen Form wiederhergestellt wird und wir einen Haushaltsvoranschlag beraten, der hoffentlich verabschiedet sein wird, bevor das neue Haushaltsjahr beginnt.
Es wird zwar von vielen Seiten Skepsis an den Tag gelegt; aber das ist nicht beängstigend, und dadurch soll man sich auch nicht abschrecken lassen. Wollen muß man's und sich dazu allerdings auch — ich bitte das sagen zu dürfen — auf die Hosen setzen. Das wird der Haushaltsausschuß sehr intensiv tun müssen. Ich richte an meine Kollegen im Haushaltsausschuß den herzlichen Appell, der ja auch schon angeklungen ist, daß wir mit dem Nachtrag 1952 noch vor Weihnachten so weit kommen, wie es irgendwie zu schaffen und zu verantworten ist. Bevor wir im Haushaltsausschuß den neuen Haushaltsplan überwiesen bekommen, muß der Nachtrag vom Haushaltsausschuß — und hoffentlich auch vom Plenum — verabschiedet sein.
Uns allen ist auch für das Haushaltsjahr 1952/53 die im Bundesfinanzministerium wieder entwickelte Graphik in die Fächer gelegt worden. In der Wandelhalle finden Sie eine vergrößerte Wiedergabe dieser Graphik, die man nach meiner persönlichen Erfahrung und wohl auch der vieler Kollegen im Lande draußen bei Versammlungen sehr gut verwenden kann, weil man auf diese Art und Weise an weitere bisher nicht interessierte Kreise der Bevölkerung ein erstes Verständnis für die Bundesfinanzen heranbringen kann.
Ich empfehle diese Graphik Ihrer besonderen Beachtung und bitte alle interessierten Kolleginnen
und Kollegen, an der Verbreitung mitzuwirken. Ich
hoffe, daß es auch unsere Tageszeitungen nicht ablehnen werden, diese Graphik wiederzugeben. Ich darf annehmen, daß den Abgeordneten wie beim vorigen Mal auch die großen Wandtafeln vom Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellt werden.
Ich darf noch auf das begleitende Haushaltsgesetz eingehen. Main kann sich natürlich fragen, ob ein Haushaltsgesetz eigentlich der richtige Platz dafür ist, so viele Bestimmungen beamtenrechtlicher und beamtenbesoldungsrechtlicher Art unterzubringen; aber es hat sich in diesem Falle offenbar als zwingend notwendig erwiesen. Ich glaube, daß es schöner wäre, wenn ein Haushaltsgesetz nicht mit diesen Paragraphen belastet zu werden brauchte.
Ich möchte Sie noch ausdrücklich auf den § 7 des Gesetzentwurfes aufmerksam machen. Er soll dem Bundesfinanzminister bei seinen Bemühungen um den Ausgleich des Haushalts eine erhebliche Erleichterung bringen; denn es dreht sich um die Frage, ob er 318 Millionen DM auf die Ausgabenseite setzen muß oder nicht. Das ist ein Posten, für den es sich immerhin lohnt, einen Gesetzesparagraphen zu schaffen. Ich halte -es nicht für gefährlich, für diesen Zweck den § 75 'der Reichshaushaltsordnung einmal außer Anwendung zu lassen, glaube aber, daß es einem sehr guten und ausgesprochen konservativen Finanzprinzip entsprungen ist, wenn früher die Bestimmung so war, daß die Ausgabenreste in das nächste Haushaltsjahr vorgetragen werden müssen. Sicher müssen wir uns überlegen — wir sind augenblicklich dabei, uns aus den äußersten Schwierigkeiten herauszuarbeiten —, ob nicht bei nächster Gelegenheit die alte gute und bewährte konservative Bestimmung — konservativ in finanziellem Sinn, meine ich — wieder eingeführt werden muß.
Wir haben, wenn wir uns sehr anstrengen, die Möglichkeit, den Anschluß an das tatsächliche finanzielle Geschehen im Bund zu erreichen, wenn wir den Nachtrag 1952 möglichst schnell verabschieden; aber dazu müssen wir uns einer energischen und andauernden Arbeit unterziehen. Das Ziel, mit dem Haushalt 1953 tatsächlich den Anschluß zu erreichen und ihn vor dem Beginn des Haushaltsjahres zu verabschieden, sollte uns veranlassen, alles daranzusetzen, damit dieser Plan in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit mit der gewohnten Gründlichkeit beraten werden kann. Wenn eines Tages, sagen wir einmal, am 1., 3. oder 5. Januar 1954, der Bundesfinanzminister dann seinen Haushaltsplan für das Jahr 1954/55 vorlegt, besonders wenn in diesem Hause und darüber hinaus das Verständnis für die politische und tatsächliche Bedeutung des Haushalts gewachsen ist, wird, glaube ich, auch wieder die dramatische Spannung entstehen, nach der verschiedene Kollegen gerufen haben. Ich bin sehr dafür, daß dramatische Spannung entsteht. Zum Schluß spreche ich dem Herrn Bundesfinanzminister meinen besonderen Dank dafür aus, daß er wieder erschienen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Jaffé.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich herzlich gefreut, daß in dieser in der Grundfarbe doch recht nüchternen Debatte wenigstens an einer Stelle etwas Humor aufgekommen ist. Ich bin meinem ver-
ehrten Kollegen Blank sehr dafür dankbar, daß er in dieser netten und humorvollen Art die Leere des Hauses bei dieser, wie ich gern zugeben will, für die Kollegen — die ja in der Materie täglich nicht so drinstehen wie wir unglückliche Mitglieder des Haushaltsausschusses — ermüdenden Aussprache kritisiert hat. Ich glaube jedoch, daß es sich im Grunde genommen trotz der etwas humoristischen Betrachtung um ein durchaus ernstes Problem handelt. Es geht nämlich darum, daß wir im Parlament und auch in der Öffentlichkeit nichts unversucht lassen sollten, um ein größeres und lebhafteres Interesse für die öffentliche Haushalts-, Finanz- und damit Steuergebarung zu erwecken.
Mit der jetzt erfolgten Vorlage des Nachtrags zum Bundeshaushalt 1952 löst der Finanzminister ein Versprechen ein, auf dessen Erfüllung seinerzeit die Zustimmung meiner Fraktion zu der Methode der Wiederholung, die wir auch in diesem Jahre wieder angewandt haben, beruht hat. Ich brauche nicht daran zu erinnern, daß dieses Verfahren dazu dienen sollte, die fristgemäße Vorlage des Haushaltsplans für 1953 zu ermöglichen, da das ein Ziel war, das wir uns alle gesteckt hatten und dessen Erreichung nach unserer aller Ansicht unbedingt erforderlich war. Wir stellen heute mit einer gewissen Befriedigung fest, daß nicht nur die Ressorts mit der Aufstellung ihrer Einzelpläne rechtzeitig fertig geworden sind. Dabei gehe ich mit meinem verehrten Kollegen Schoettle nicht ganz einig, der das Wort „rechtzeitig" anders ausgelegt hat. Rechtzeitig heißt doch, daß, wenn der Finanzminister den Haushaltsplan inzwischen fertiggestellt und dem Kabinett bereits vorgelegt hat, der Haushaltsplan 1953 verfassungsgemäß Anfang des Jahres dem Plenum vorliegen kann. Daran kann meiner Ansicht nach kein Zweifel bestehen. Die Skepsis, die von seiten der Kollegen der Opposition immer wieder laut wurde, das würde kaum möglich sein und man traute — auf deutsch gesagt — dem Frieden nicht, dürfte damit gegenstandslos geworden sein.
Was die äußere Form der Vorlage angeht, so freuen wir uns diesmal über die Übersichtlichkeit, mit der die Ansätze des Nachtrags in der Gesamtzusammenstellung hervorgehoben und kenntlich gemacht sind, und - das möchte ich mit besonderem Dank dem Leiter der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums sagen — über die Klarheit und Ausführlichkeit der zu den einzelnen Ansätzen gemachten Erläuterungen, von denen wir im Haushaltsausschuß in der vergangenen Zeit nicht immer voll befriedigt waren. In diesem Zusammenhang interessiert es, daß die seinerzeit auch von meiner Fraktion kritisierte Methode, die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben im Rahmen des Plafonds des Jahres 1951 im Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuß den neuen Bedürfnissen entsprechend auch im einzelnen neu festzusetzen, die — ich betone das nochmals — auch von uns befürchteten Nachteile nicht gehabt hat. Ich darf dabei erwähnen, daß es sich hier im ganzen um einen Plafonds von etwa 2000- Millionen, für den neue Ansätze bewilligt werden mußten, handelt. Nun, diese Dinge sind ausgestanden, und wir werden im Jahre 1953 von dieser Methode keinen Gebrauch mehr zu machen haben.
Bei der ersten Beratung dieses Gesetzes habe ich eigentlich nicht die Aufgabe, Einzelpläne des Gesamthaushaltsplans einer Einzelbetrachtung zu unterziehen. Vorbehaltlich einer politisch gesehenen kritischen Würdigung der Finanzwirtschaft des
Bundes überhaupt, die ich an den Schluß meiner Ausführungen stellen möchte, habe ich zunächst die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem Gesetzentwurf im allgemeinen sowie zu einigen grundsätzlich bemerkenswerten Ansätzen und Methoden des Nachtrags bekanntzugeben. Im Gegensatz zu der im allgemeinen nur formalen Bedeutung von Haushaltsgesetzen trifft das Gesetz in diesem Falle zusätzliche Regelungen besonderer Art, die, was die §§ 2 bis 6 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs angeht, uns besonders am Herzen liegen.
Es scheint uns eine, wenn auch bescheidene, Anerkennung der pflichttreuen und auf opferungsvollen Arbeit unserer gesamten Beamtenschaft zu sein, daß die schon seit langem vorgesehenen und inzwischen ja auch zur Tatsache gewordenen 50 % nunmehr gesetzlich festgelegt sind. Über die uns ebenso dringlich erscheinende Aufbesserung der Beamtenbezüge überhaupt hat das Hohe Haus ja gestern beraten. Wir wünschen und hoffen und werden alles daran setzen, daß die Ergebnisse dieser Beratungen baldmöglichst auch in die Tat umgesetzt werden. Ich habe jedenfalls an dieser Stelle die volle Zustimmung meiner Freunde zu den besagten 50 % nochmals zum Ausdruck zu bringen. Dabei war es für uns ein selbstverständliches Gebot der Gerechtigkeit, daß die Jahreszuwendung sich auch auf alle diejenigen erstreckt, die in Gestalt von Versorgungsbezügen jeder Art aus Mitteln des Bundes versorgt werden, und daß dabei eine entsprechende Regelung auch für den unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personenkreis getroffen worden ist.
Wir begrüßen insbesondere die in § 5 des Gesetzes vorgesehene Regelung zugunsten der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, an denen ein nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen ist. Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen, daß unserer Ansicht nach in dieser Hinsicht noch viel wiedergutzumachen ist, nicht nur an den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Wir geben zu, daß die in hohem Maße für andere wichtigste Aufgaben in Anspruch genommenen Bundesmittel für eine volle Entschädigung alles dessen, was man materiell überhaupt entschädigen kann, im Augenblick wohl nicht ausreichen. Wir sollten uns aber — gerade die heutige Beratung bietet dazu meiner Ansicht nach ausreichenden Anlaß — dieser unserer vornehmsten Pflicht bewußt sein und Möglichkeiten und Wege finden, dieser auch moralischen Verpflichtung In allen berechtigten Fällen gerecht zu werden.
Ein ganz anderes Gebiet regeln die §§ 7 und 8 des Gesetzes. Ich befinde mich hier nicht ganz im Einvernehmen mit meinem Vorredner, wenn ich zum Ausdruck bringe, daß meine Fraktion keine erheblichen Bedenken hat, bei dem Haushalt 1952 die Ausgabereste, die aus dem Haushaltsjahr 1950 stammen und an sich nach § 75 der Haushaltsordnung den Haushalt 1952 belasten würden. außer Betracht und nur die echten Fehlbeträge. d. h. die kassenmäßigen, erscheinen zu lassen. Ich darf dabei bemerken, daß diese Ausgabereste eine übermäßige Höhe sowieso nicht erreicht haben.
Daß die Anleiheermächtigung — bitte lesen Sie das im § 8 des Gesetzentwurfes nach — nur mit einem um eine Milliarde kleineren Gesamtvolumen festgesetzt zu werden braucht, ist in erster Linie, wie Ihnen wohl aus den Erläuterungen zu dem Gesetzentwurf bekanntgeworden ist, eine Folge der
Übernahme von etwa 1,6 Milliarden DM Besatzungskosten aus 1951 und 1952 in den ordentlichen Haushalt, die damals im außerordentlichen Platz finden mußten. Da von den im Nachtragshaushaltsgesetz als Anleihehöchstbetrag festgesetzten 1,24 Milliarden DM bereits 250 Millionen DM gedeckt sind, haben wir keinen Anlaß, bezüglich des nun auf unter eine Milliarde gesunkenen, noch zu deckenden Betrages Besorgnisse in monetärer Hinsicht und damit in Hinsicht auf die Stabilität der Währung zu haben.
Was die in § 1 des Gesetzentwurfs, dem Kernstück des Gesetzes überhaupt, als Gesamtzahlen des ordentlichen und außerordentlichen Nachtragshaushalts festgesetzten Summen angeht, so kann es nicht meine Aufgabe sein, Ihnen diese Zahlen zu erläutern. Das ist gestern durch den Herrn Bundesfinanzminister ausführlich vorgetragen worden. Ich kann mich darauf beziehen, daß Ihnen allen die aus der Feder des leitenden Beamten der Haushaltsabteilung stammenden, sehr guten und klaren Erläuterungen — ich glaube, sie sind im Bundesanzeiger erschienen — zur Verfügung stehen. Wir werden natürlich im Haushaltsausschuß dieses Zahlenwerk recht sorgfältig zu prüfen haben, wobei die Sparsamkeit in der Verausgabung öffentlicher Mittel, über die zu wachen, Sie, meine Kollegen und Kolleginnen, uns ja in diesem Ausschuß zu Hütern bestellt haben, die Grundlage für die Prüfung zu sein hat. Wir werden uns andererseits auch unserer Verantwortung im Hinblick auf die vom Bund zu erfüllenden Aufgaben bewußt sein, die Bewilligung der von der Bundesregierung vorgesehenen Ausgaben in dem von uns für unumgänglich notwendig gehaltenen Rahmen vom Plenum dieses Hohen Hauses zu erbitten.
Ich kann natürlich im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Redezeit Ihnen nicht alles das vortragen, was in materieller Hinsicht zum Nachtrag zu sagen wäre. Ich beschränke mich daher bezüglich der materiellen Dinge auf einen mir besonders bemerkenswerten Ausschnitt.
In fast allen Haushaltsdebatten auch in anderen Parlamenten nimmt die Frage der Stellenvermehrungen und Stellenhebungen einen breiten Raum ein, und in fast allen solchen Debatten erfährt gerade dieser Teil der Haushaltsansätze die schärfste Kritik. Wenn Sie den Sitzungsbericht des Bundesrates — ich sage: zufällig — mit den Beratungen über den Nachtragshaushalt gelesen haben sollten, so werden Sie sich erinnern, daß in dieser Hinsicht auch dort ernste Bedenken geäußert worden sind, Bedenken, denen sich — ich muß es offen sagen — meine Fraktion nicht ganz verschließen kann. Dabei sind wir die letzten, die sich dort. wo es nicht zu umgehen ist, einer Vermehrung der Stellenzahlen widersetzen. So halten wir z. B. beim Auswärtigen Amt im Einzelplan IV a schon im Interesse einer ausreichenden Besetzung unserer Auslandsvertretungen eine gewisse Anzahl von neuen Stellen für gerechtfertigt. Es bedarf hingegen sorgfältigster Prüfung. ob z. B. im Einzelplan VI des Bundesministers des Innern eine Vermehrung der Stellen beim Statistischen Bundesamt um über 300 wirklich so dringlich ist. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Umfang der statistischen Erhebungen bei uns eine direkt bedrohliche Zunahme erfahren hat,
und vertrete mit meinen Freunden die Ansicht, daß man sich hier doch wohl eine weise Beschränkung auferlegen sollte.
Im gleichen Ministerium soll nun der Bundespaßkontrolldienst, über den die bekannten Diskussionen im Sommer dieses Jahres stattgefunden haben, mit fast 1000 Stellen neu ausgebracht werden. Wir halten — ich befinde mich da im Gegensatz zu manchen meiner Kollegen — die Wahrnehmung der Paßkontrolle durch diese besondere Organisation und, wenigstens bei den bedeutendsten Grenzübergängen, nicht durch die Zollbeamten für wünschenswert. Wir glauben jedoch, daß man versuchen sollte, hier zunächst durch organisatorische Maßnahmen mit einem geringeren Personalbestand auszukommen, noch dazu, wo die Länder einen "Teil des Dienstes übernommen haben und ihn behalten wollen.
Im Einzelplan VIII — Bundesministerium der Finanzen — bedarf die vorgesehene Vermehrung der Stellen in der Zollverwaltung um über 1300 unserer Ansicht nach auch sorgfältigster Prüfung. Meine Damen und Herren, die sich der 40 000 bedrohlich nähernde Zahl der Bediensteten fordert auch bei Anerkennung der Bedeutung der Zollverwaltung doch zur Kritik heraus.
Auch beim Einzelplan IX — Bundesministerium für Wirtschaft — sind Stellenvermehrungen um etwa 10 % vorgesehen. Trotz der vielfältigen Aufgaben gerade dieses Ministeriums mit seinem unmittelbaren Einfluß auf die deutsche Wirtschaft scheint eine Zurückhaltung in dem absolut genommen sehr hohen Personalbestand von etwa 3000 Menschen angebracht. Hier scheint eine Vermehrung nur vertretbar, wenn die Einzelprüfung ergibt, daß der damit verbundene hohe Aufwand sich unmittelbar produktiv auf die Wirtschaft auswirkt.
Im Einzelplan XII — Bundesministerium für Verkehr — könnte man dieselbe Kritik bei der erheblichen Zahl der für die Flugsicherung ausgebrachten Stellen ansetzen. Hier hat aber die anläßlich der vom Haushaltsausschuß vorzunehmenden Vorwegbewilligung erfolgte Prüfung ergeben, daß die Übertragung der bisher unter alliierter Hoheit ausgeübten Flugsicherung auf deutschen Flugplätzen auf den Bund eine Übernahme des geeigneten Teils des vorhandenen Personals sowie Ergänzung desselben durch Neueinstellung im Interesse der Sicherheit des Luftverkehrs unumgänglich nötig erscheinen läßt.
Über das Amt Blank ist schon so reichlich und, wenn ich sagen darf, so strapaziös diskutiert worden, daß ich Sie damit verschonen möchte, auch hier irgendwelche Bemerkungen zu machen.
Man könnte natürlich auch bei den Anforderungen sachlicher Art manches anführen, wobei ich feststellen muß, daß das, was ich hier, sei es in dem einen oderanderen Sinne, zu sagen hätte, von meinen Herren Vorrednern bereits vorweggenommen ist; Sie werden es mir deshalb nicht verübeln, wenn ich darauf nicht weiter eingehe. Ich möchte natürlich auch hier den allgemeinen Hinweis auf äußerste Sparsamkeit nicht unterlassen. Es erscheint uns dabei nicht ganz ausreichend, dieser Sparsamkeit mit einem Globalabstrich allein Rechnung zu tragen. Wir werden genauestens prüfen müssen, wieweit darüber hinaus im einzelnen noch Einsparungen vorgenommen werden können.
Lassen Sie mich nunmehr zu der Ihnen vorhin schon angedeuteten grundsätzlichen Kritik der Finanzwirtschaft der Bundesrepublik überhaupt kommen. Vergegenwärtigen Sie sich bitte, meine Damen und Herren, einmal auf der Einnahmeseite des Haushalts, und zwar des Gesamthaushalts ein-
schließlich des Nachtrags, die anteilige Zusammensetzung der verschiedenen Einnahmen. Es ist ja schon gesagt worden, daß etwa 41,5 % direkte Steuern, 17,4 % Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer und 3,3 % Notopfer sind, also 62,2 % direkte Steuern, und daß mit den Zöllen und Verbrauchsteuern zusammen etwa 90 % aus direkten Steuern sowie Zöllen und Abgaben aufgebracht werden. Da noch etwa 5 % sonstiger Einnahmen vorhanden sind, bleiben nur etwa 5 % des gesamten Aufkommens auf der Einnahmeseite, die nicht aus laufenden Einnahmen aufzubringen sind.
Ich habe mir in meinen Ausführungen mit Zahlen bisher größte Beschränkung auferlegt. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, müssen Sie sich aber einmal vor Augen führen, um zu einer klaren Stellungnahme zu unserer Haushalts- und Finanzpolitik, die ich abschließend geben möchte, zu kommen. Die außerordentliche Höhe und die von Jahr zu Jahr steigende Größenordnung des Bundeshaushalts, der seinerseits ja nur einen, wenn auch überragenden Teil des gesamten Haushaltsvolumes unseres Bundesgebietes darstellt,
— ich bin in Kürze fertig, Herr Präsident; es ist ja ein sehr großes Gebiet! — stellt naturgemäß eine außerordentlich einschneidende Belastung nicht nur der Wirtschaft dar, sondern wird für jeden einzelnen Staatsbürger, aus dessen Arbeitsertrag das Steueraufkommen schließlich nur genommen werden kann, zu einer auf die Dauer nicht mehr tragbaren Last. Die Zwangsläufigkeit der auf den Bund zukommenden Aufgaben — Besatzungs-
bzw. Verteidigungskosten und etwa gleichrangig damit Sozial- und Kriegsfolgelasten — läßt für alle übrigen Aufgaben nicht genügend Raum und macht den Bundeshaushalt, wie schon gesagt, weitgehend unelastisch. Ein souveräner Staat sollte jedoch gerade in seiner Haushaltsgebarung eine weitgehende Bewegungsfreiheit haben. Daß wir sie nicht — sagen wir besser: nicht wieder — haben, ist letzten Endes die Folge des Krieges, des für uns so total verlorenen Krieges, daß wir Lasten zu tragen haben wie kaum ein anderes Volk. Es wird -- das ist unsere feste Überzeugung — auf die Dauer nicht möglich sein, mit den bisher eingeschlagenen Methoden auf der Einnahmeseite des Bundeshaushalts mit der immer weiter ansteigenden Ausgabenseite Schritt zu halten. Unsere Finanzpolitik, insbesondere unsere Steuerpolitik — ich muß es einmal deutlich sagen —, geht von der falschen Voraussetzung aus, daß man die finanziellen Lasten des verlorenen Krieges durch weit über das wirtschaftlich erträgliche Maß hinaus gesteigerte Steuern und Abgaben laufend abzudecken vermag. Die Beanspruchung durch Kriegsfolgelasten im weitesten Sinne und andere unserer besonderen Lage entspringende zusätzliche Lasten können und müssen zumindest zu einem erheblichen Teil, nämlich soweit sie zu Investitionen dienen oder anlagemäßigen Charakter haben, auf die Schultern mindestens einer weiteren Generation gelegt, d. h. durch fundierte Schulden aufgefangen werden.
Nur dann ist es möglich, die Gesamtbelastung der Steuern und Abgaben, wozu z. B. auch der Lastenausgleich und manche Sozialbeiträge zu rechnen sind, in erträglichen Grenzen zu halten. — Ich bin gleich fertig.
Die innere und die äußere Verschuldung des Bundes und der Länder rechtfertigt durchaus diese
Übernahme der zum großen Teil für mittel- und langfristige Anleihen geeigneten Ausgaben des Bundes auf eine längere bzw. lange Reihe von Jahren. Voraussetzung ist dabei die Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit des Bundes, der Länder und der Gemeinden wie auch der Wirtschaft, die Wiederkehr und Stärkung des Vertrauens auf diesem Gebiete und die Abkehr von jeder kapital- und besitzfeindlichen Politik im weitesten Sinne.
Diese grundsätzliche Umkehr erscheint uns hier erforderlich, eine Umkehr, die nicht mit einem einzelnen Gesetz oder in einem einzelnen Jahr erreicht werden kann; doch muß dieser Weg, auf den, wie mir scheint, mit zögernden Schritten der Fuß bereits gesetzt ist, gegangen werden, wenn der Ausgleich der Haushalte, insbesondere auch unseres Bundeshaushalts, auf die Dauer erreicht und aufrechterhalten werden soll. Daß er erreicht wird, ist die Grundlage für die Stabilität unserer Währung und damit unserer Volkswirtschaft überhaupt. Neben der äußeren Sicherheit durch Verteidigungsbereitschaft, —
Kommen Sie bitte zum Schluß!
— ich bin fertig — neben der inneren Sicherheit durch sozialen Frieden ist auch die Sicherheit auf diesem Gebiet einer der Grundpfeiler, von denen unsere Zukunft getragen werden muß.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war durch die Teilnahme an einer dringenden Kabinettssitzung verhindert, vorhin zugegen zu sein, als der Herr Abgeordnete Sc ho et t l e mich angriff. Er hat, wie ich das soeben aus dem stenographischen Protokoll entnehme, die Art der Behandlung der Partisanenangelegenheit durch mich als so fragwürdig bezeichnet, daß man bei mir den guten Willen zur restlosen Aufklärung aufs stärkste bezweifeln müsse. Ich muß mich gegen diese Ausführungen auf das schärfste verwahren. Ich habe in der Beantwortung der großen Anfrage der SPD am 23. Oktober hier im Hause die Behandlung der Partisanenangelegenheit durch mich und durch die mir unterstellten Behörden und Beamten im einzelnen genau dargelegt. Ich weiß, daß die Beurteilung, die ich der Angelegenheit zuteil werden ließ, nicht die Zustimmung der Opposition gefunden hat. Das ist ihr gutes Recht. Aber kein Recht hat sie, mir den guten Willen zur restlosen Klärung ohne weiteres abzusprechen.
Ich darf im übrigen auf die Entwicklung hinweisen, die die gerichtliche Verhandlung genommen hat.
Ich habe von vornherein darauf hingewiesen, daß nunmehr das Gericht das Wort hat, und habe vor Ihnen auch darauf hingewiesen,
daß die Entscheidungen der Gerichte bisher meiner
Beurteilung in vollem Umfange recht gegeben ha-
ben und nicht der Opposition. Der Bundesgerichtshof hat auf eine Haftbeschwerde die Freilassung von drei in Hamburg und Bremen in Haft gehaltenen Beschuldigten angeordnet, weil ein dringender Tatverdacht im strafrechtlichen Sinne nicht vorliegt.
Es kann weder der Tatbestand der Geheimbündelei — § 128 StGB — noch der Anstiftung zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen — § 49a StGB — bejaht werden.
Die zur Untersuchung eingesetzte Dreierkommission hat inzwischen ihre Tätigkeit — und zwar mit Einverständnis des Herrn hessischen Ministerpräsidenten! — eingestellt.
Ich nehme an, daß die Opposition deshalb gegen den Herrn hessischen Ministerpräsidenten nicht auch den Vorwurf der Verdunkelung erhebt.
Im übrigen möchte ich der Opposition empfehlen, von einer rein polemischen Behandlung einer auch von mir mit allem Ernst betrachteten Angelegenheit abzusehen und die Berichterstattung abzuwarten, die ich an Hand der bisherigen Ermittlungen dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung in Kürze vorlegen werde.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die demokratische Einrichtung, daß die kleinen Parteien nur kurz sprechen dürfen, ist an und für sich zweckmäßig, sonst würden wir doch morgen früh noch an dem Etat herumreden.
Wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden
Redezeit ist es mir auch nicht möglich, auf die
Fragen Erziehung zur Demokratie, Wahlrecht,
Flugblätter, Wahlkampf zu sprechen zu kommen,
obschon ich Ihnen, Herr Wuermeling, auch Flugblätter der COU vorlegen könnte, die für Sie für
die Führung des Wahlkampfes interessant wären.
— Ja, ich will sie Ihnen demnächst vorlegen.
Der Nachtragshaushalt 1952 schließt mit einer Nachforderung von 2,4 Milliarden DM ab. Dieser Aufwand ist teils sachlicher, teils personeller Art. Es sollen Mehrausgaben durch die Vermehrung und höhere Eingruppierung der Beamten und Angestellten in den einzelnen Ministerien geschaffen werden.
Auch die jetzige Haushaltsgebarung gibt, wie schon früher erwähnt, zu Bedenken Anlaß, weil der Bundestag nicht zu Beginn des Haushaltsjahres über die Einnahmen und Ausgaben informiert wird und nicht die entsprechenden Bewilligungen aussprechen kann. Durch das bisherige Verfahren des Wiederholungshaushalts und des Nachtrags zum Wiederholungshaushalt geht die Übersichtlichkeit immerhin verloren. Auch jetzt werden fortlaufend Vorbewilligungen seitens des Bundesfinanzministers beantragt und Etatansätze gemacht, die nicht genau zu kontrollieren sind, selbst wenn sie jetzt im Nachtragshaushalt erscheinen. Der Bundestag weiß nämlich nicht, wieweit sich der Finanzminister weitgehend Polster geschaffen hat, um nachher eine größere Ellbogenfreiheit in der ganzen Haushaltsgebarung zu haben. Der Bundesfinanzminister klagt immer, — ja, ein klagender Bundesfinanzminister ist wohl ebensowenig wegzudenken wie die Klagemauer in Jerusalem. Aber es gibt bei dem Herrn Bundesfinanzminister doch Lieblingsposten, die jederzeit leichter bewilligt werden als solche, die auf Anträge einzelner Teile des Bundestags zurückgehen. Es kommt auch bei dem Bundeshaushalt nicht allein auf den Etat an, sondern es muß dabei auch gleichzeitig die Haushaltsrechnung mit berücksichtigt werden.
Im jetzigen Nachtrag werden größere Summen für Neueinstellungen und Verbesserungen der Besoldungen in den einzelnen Ministerien verlangt. Hier muß die Frage aufgeworfen werden, ob das alles notwendig ist oder ob sich nicht der Bundesfinanzminister für den nächsten Etat eine gewisse Bewegungsfreiheit verschaffen will.
Wenn Milliardenbeträge öffentlicher Mittel bei Banken, Girozentralen und sonstigen Kassen festliegen, andererseits aber die Wirtschaft, namentlich der Mittelstand infolge der Investitionshilfe, des Lastenausgleichs usw. nicht mehr über liquide Mittel verfügt, dann ist ein Zustand erreicht, der als völlig ungesund bezeichnet werden muß. Wenn schon die öffentliche Hand über so viele Mittel verfügt, dann ergibt sich zwingend die Frage, ob diese Mittel auch richtig verwandt werden. Sicherlich hat der Bund für wichtige produktive Aufgaben die notwendigen Mittel bereitzustellen; andererseits besteht aber auch für den Bund und die Bundesregierung — wenn sie bisher den Grundsatz verfolgt hat, die Preise in der Bundesrepublik dem Weltmarktniveau anzugleichen — die Verpflichtung, den schuldlos in Not Geratenen durch Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Erhöhung der Renten die Möglichkeit zu geben, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Diese Aufgabe ist unseres Erachtens ebenso wichtig, vielleicht noch wichtiger für die Verteidigung des Westens gegen den Kommunismus als die Bereitstellung von Waffen und Truppen, denn das zu schaffende Europa muß auch ein sozial befriedetes sein. Jede Mark, die bei nicht unbedingt notwendigen Ausgaben eingespart werden kann, die aber für die Hebung des Lebensstandards der zur Zeit am meisten notleidenden Bevölkerungsschichten ausgegeben wird, ist im Hinblick auf die politische Situation, in der wir uns befinden, von allergrößter Bedeutung.
Die Föderalistische Union, Bayernpartei-Zentrum, verlangt unbedingte Sparsamkeit der öffentlichen Hand. Wir haben seinerzeit die Einsetzung des Sparkommissars gefordert. Es würde uns interessieren, was der eingesetzte Sparkommissar bis jetzt erreicht hat, denn wir haben bisher von seiner Tätigkeit noch nichts gehört. Wir haben bei der Einsetzung des Sparkommissars schon Bedenken gehabt, und zwar, weil man nicht einen Mann dorthin gestellt hat, der völlig unabhängig von der Bundesregierung ist. Wir würden es begrüßen, wenn dem Bundestag ein entsprechender Bericht über die Tätigkeit des Sparkommissars bzw. seine Feststellungen möglichst bald vorgelegt würde.
Wir haben bisher stets — und tun es auch heute wieder — mit allem Nachdruck den Abbau über-
flüssiger Ministerien gefordert. Wir haben nichts dagegen, wenn die Koalitionsabmachungen es erforderlich machen, daß Minister ohne Portefeuille ernannt werden. Durch diese personellen Einsparungen könnte man den Anforderungen z. B. der Kriegsbeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten auf eine bessere personelle Berücksichtigung nachkommen.
Meine Damen und Herren! Die Nachricht, daß der Bundesfinanzminister beabsichtigt, eine Anleihe von 500 Millionen DM aufzulegen, gibt Anlaß, eine grundsätzliche Bemerkung zu machen. Durch das Andrehen der Steuerschraube kann die öffentliche Hand über große Summen verfügen, während andererseits der gesamte Mittelstand, vor allen Dingen Handwerk, mittelständische Industrie und Landwirtschaft, kein Kapital zur Verfügung haben bzw. beschaffen können. Durch diese Methode wird die jetzige Generation, die bereits große Opfer hat bringen müssen, zugunsten der kommenden Generation übermäßig belastet. Dadurch, daß der Bund nunmehr den Anleiheweg beschreitet, geht er endlich von diesem Prinzip ab, ein Weg, den wir grundsätzlich begrüßen. Das alte Haushaltsprinzip, Mittel für langfristige Anlagen — und nur für diese — durch Anleihen zu beschaffen, muß bei der Haushaltsführung wieder Grundsatz werden. Anleihen können aber auf die Dauer nur aufgebracht werden, wenn man sie nicht nur mit günstigen Bedingungen ausstattet, sondern wenn auch auf dem Kapitalmarkt die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Also auch im Hinblick auf diese Notwendigkeit ergibt sich, die Steuergesetze so zu gestalten, daß Sparkapital gebildet werden kann.
Die Untersuchung, in welcher Form Ersparnisse gemacht werden sollen, muß Aufgabe des Haushaltsausschusses sein, der die einzelnen Etatpositionen und ihren Bestimmungszweck einer gründlichen Prüfung unterziehen muß. Die Beratung des Nachtragshaushalts wird ferner Gelegenheit geben, über das ganze Haushaltsgebaren eingehend zu sprechen. Wir hoffen im übrigen, daß die Bundesregierung ihr Versprechen — gestern hat es der Herr Bundesfinanzminister wiederholt getan — wahr macht, die gesamten Haushaltspläne 1953/54 zeitig vorzulegen, damit endlich dem bisherigen Verfahren ein Ende bereitet wird. Herr Bausch — ich glaube, er war es — meinte, man müsse für den Haushalt auch mal nachsitzen. Nachsitzen müßte in der Schule eigentlich derjenige, der den Fehler gemacht hat. Da würde ich vorschlagen, daß der Herr Bundesfinanzminister mit dem gesamten Ministerium mal in den Ferien nachsitzt.
— Herr Kollege Wuermeling, Sie wissen ganz genau, daß am 13. die Ferien beginnen sollen, und dann sollte in der darauffolgenden Woche wenigstens noch drei Tage nachgetagt werden.
— Es wäre gut gewesen, aber auch die Ferien müssen eingehalten werden.
Es ließ sich doch nicht anders durchführen. Aber das Nachsitzen ist nicht richtig gewesen.
Abschließend möchte ich nochmals auf meine Ausführungen hinweisen, die ich namens der Föderalistischen Union bei der Haushaltsberatung am 17. Juli gemacht habe, worin eine Reform des Etatschemas mit klarer Aufteilung nach Aufgabengebieten gefordert wurde, damit auch den weniger Sachkundigen die Möglichkeit gegeben wird, die notwendige Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben im Budget zu erhalten.
Ich habe davon abgesehen, auf die einzelnen Etatspunkte einzugehen, weil von den Vorrednern in ausreichender Form darauf eingegangen worden ist. Es ging mir nur darum, auf einzelne Punkte, deren Beachtung für die zukünftige Haushaltsführung notwendig ist, einzugehen; denn eine dauernde Wiederholung hat für den Bundestag und für diejenigen, die hier sitzen, keinen Wert.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker zur Begründung der Anträge unter Ziffer 16 und 17 der Tagesordnung, die vereinbarungsgemäß bei der Haushaltsdebatte zur Sprache kommen sollten.
— Nur Ziffer 16:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe einen Antrag der Föderalistischen -Union zu begründen, der zum Ziele hat, in den Etat des Bundesministeriums für Wohnungsbau einen Betrag von 3 Millionen DM einzusetzen für zinsverbilligte langfristige Kredite zu Baumaßnahmen, welche die Erhaltung denkmalspflegerisch wertvoller Gebäude bezwecken und für die nicht aus anderen öffentlichen Mitteln Bauunterstützung gewährt wird.
Der Antrag ist entsprungen aus der Sorge um die Erhaltung wertvoller Baudenkmäler, und zwar vor allem von Baudenkmälern aus dem bürgerlichen und bäuerlichen Kreise. Es handelt sich also nicht darum, Mittel für die Erhaltung von Schlössern und Kirchen bereitzustellen — hierfür sind andere Fonds gegeben —, sondern Wohnhäuser und Häuser, die gewerblichen Zwecken dienen, sollen erhalten bleiben oder wieder dem Wohnzweck und dem gewerblichen Zweck nutzbar gemacht werden. Darum sind wir auch dafür, daß dieser Titel in dem Etat des Wohnungsbauministeriums erscheint.
Ich möchte Ihnen bloß ein paar Beispiele sagen, welcher Art diese zu erhaltenden Gebäude sind. Es fallen z. B. darunter — es gibt sie in allen Ländern des Bundes — das Organistenhaus in Schönwalde/Oldenburg, das Cornil'sche Haus in Husum, der Madlershof in Bamberg, das Neunerhaus in Wallgau/Oberbayern, die Münthe in Diepholz. Es ließen sich sehr viele nennen. Die Erhaltung dieser Gebäude und eventuelle Umbauten müssen nach denkmalspflegerischen Gesichtspunkten vor sich gehen. Das erfordert natürlich höhere Mittel, als wenn diese Auflage nicht vorhanden wäre.
Nun Ist die Schwierigkeit für den Bauherrn und den Eigentümer in der Kapitalbeschaffung gegegeben. Wir wollen nicht, daß verlorene Zuschüsse gegeben werden, sondern daß verbilligte langfristige Kredite es dem Bauherrn möglich machen, diese Gebäude so wiederherzustellen, wie es im Interesse der deutschen Kultur und des deutschen Ansehens erforderlich ist. Die Erhaltung dieser
Zeugen unserer bürgerlichen und bäuerlichen Vergangenheit ist Pflicht auch kommenden Generationen gegenüber, und sie ist auch zweckmäßig und wirtschaftlich ertragreich.
Wir möchten — und beantragen dies auch —, daß dieser Antrag dem Haushaltsausschuß zur weiteren Bearbeitung überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Hennig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der sozialdemokratischen Fraktion erklären, daß wir den Antrag für gut halten und ihm zustimmen werden. Der Antrag hat nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung, von der Herr Dr. Decker soeben sprach, obwohl ich mir vorstellen könnte, daß die Wiederherstellung dieser alten Gebäude nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande — ich denke z. B. an die alten Bauernhäuser der Kremper Marsch und dergleichen - eine beträchtliche wirtschaftliche Bedeutung haben könnte, nämlich durch Belebung des Fremdenverkehrs. Denn Deutschland ist von jeher nicht nur in seinen Zentralen, sondern besonders in seinen Winkeln groß gewesen, was kulturpolitische Güter anlangt.
Der Antrag hat aber auch eine geistige Bedeutung. Wir sehen, daß unser Volk heute nach Geschichte hungert. Das zeigt sich in jeder illustrierten Zeitung. Es ist aber nicht nötig, daß dieser Hunger nur durch Fürstenhofklatsch und ähnliche Dinge.
sondern es ist nötig, daß er durch echte anschaubare Werte gestillt wird, die aus dem Volke selbst erwachsen sind, an denen Menschen jahrhundertelang gearbeitet haben und die heute unserer jüngeren Generation in Gestalt alten Handwerksgutes und durch Kunstwerke volkstümlicher Art vor Augen gehalten werden sollten.
Aber ich glaube, der Antrag geht noch nicht weit genug. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Summe nicht zureichen wird.
Ich verdanke eben meinem Kolieren Arnholz die Übermittlung einer Veranschaulichung des wahrscheinlichen finanziellen Bedarfs. Er hat mir eine Aufstellung dessen gezeigt, was allein in Braunschweig etwa nötig wäre, wenn die erhaltungswürdigen Baudenkmäler wiederhergestellt werden sollen. Es sind im ganzen in dieser einen Stadt 15 Millionen DM nötig, und davon ist etwa eine halbe Million zu schätzen, die auf die Erhaltung von wertvollen Bauten in Privatbesitz entfallen würde. Ich könnte mir also denken, Herr Kollege Decker, daß wir in den Ausschußberatungen noch etwas über die geforderte Summe hinausgehen müssen, und ich hoffe, daß die Regierung mit sich reden läßt. Ich möchte beantragen, daß dieser Antrag, da er eine stark kulturpolitische Seite hat, nicht nur dem Haushaltsausschuß. sondern auch dem Kulturpolitischen Ausschuß mit überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die mir zur Verfügung stehende Zeit erlaubt mir nicht — so dankbar und wünschenswert das wäre —, auf die vielen Skandalgeschichten in den einzelnen Ministerien einzugehen
— ja! —, die beweisen, mit welcher Leichtfertigkeit mit dem Geld der deutschen Steuerzahler umgesprungen wird, wenn es etwa galt, Ansprüche der Besatzungsmächte oder Bedürfnisse gewisser Herren Minister zu befriedigen. Ich will auch nicht
— weil ich dazu keine Zeit habe — eingehen auf die vom Bundesrat festgestellte Großzügigkeit bei der Stellenfestsetzung oder bei der Einstufung gewisser hoher Spitzenbeamter. Dazu habe ich leider keine Zeit. Ich will nur auf einige wichtige Dinge eingehen.
Vor vier Wochen hat sich der Herr Bundesfinanzminister, um die berechtigten Forderungen der Kriegsopfer und der Sozialberechtigten auf Verbesserung ihrer Rentenbezüge abzuwehren, hierhin gestellt, mahnend und drohend den Finger emporgehalten und von der drohenden Gefahr einer Inflation gesprochen. Gestern, als er seinen Nachtrag mit der so kurzen, aber dafür auch um so inhaltloseren Rede begründet hat — diesen Nachtragshaushalt, der eine Mehrausgabe von 2,1 Milliarden DM vorsieht, die überwiegend draufgehen für die Kriegsvorbereitungen —, da war eigenartigerweise von der drohenden Inflation keine Rede.
Und der Herr Minister hat auch einige Dinge angegeben, die uns zu denken geben sollten. Er hat die schwebende Schuld des Bundes auf 1 Milliarde 58 Millionen DM beziffert. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß man jederzeit damit rechnen müsse, daß die Besatzungsmächte die rückständigen Besatzungskosten in der Höhe von 500 Millionen bis 600 Millionen DM anfordern könnten. Um diesen ,.Stoß" abzufangen, kommt er nun mit der ersten langfristigen Bundesanleihe in der Höhe von 500 Millionen DM heraus, von der gesagt wird, daß sie steuerlich begünstigt sein solle, daß sie „einzigartige Bedingungen" — natürlich zugunsten der kapitalkräftigen Unternehmer — haben solle, die diese Anleihe zu einem besonders lukrativen Anleihemittel für diese sowieso schon steuerlich überbegünstigten Kreise machen. Er hat in seiner Begründung festgestellt, daß die Steuereinnahmen um mehrere Hunderte von Millionen hinter den Ansätzen zurückbleiben, und dann hat er uns einen Etat vorgelegt, der — um einmal einige nackte Zahlen zu nennen — beweist, daß er ein ausgesprochener Kriegsetat ist.
— Ich werde Ihnen das beweisen, falls Sie mitgehen wollen oder dürfen.
Far militärische Zwecke sind in diesem Nachtragshaushalt vorgesehen: Zusätzliche Verteidigungslasten in der Höhe von 1 Milliarde 142 Millionen DM, für das Amt Blank — Kap. 3 — 3 Millionen DM, für vorbereitende Luftschutzmaßnahmen 1,2 Millionen DM, Bundesanstalt für zivilen Luftschutz 894 000 DM, Bundesamt für Landbeschaffung — das ist das noch gar nicht rechtsfähige, aber notwendige Amt, um den Bauern nachher noch mehr Land für die Anlage von Flugplätzen und Truppenübungsplätzen für die Besatzungsmächte zu beschlagnahmen — 464 000 DM, Flugsicherung 11 Millionen DM, Bundesgrenzschutz insgesamt rund 26 Millionen DM, Seegrenz-
schutz 4 Millionen DM usw. usw., insgesamt ein Betrag von 1238 Millionen DM, gleich 57,5 % der gesamten im Haushalt vorgesehenen Nachtragsforderungen. Dazu kommen dann noch die Ausgaben zur psychologischen Vorbereitung des Krieges, wie etwa die Mehrausgaben für das Presse- und Informationsamt mit 4,2 Millionen DM, für die Bundeszentrale für Heimatschutz, das Kaiser-Ministerium mit weiteren 7 Millionen DM, deren Kontrolle dem Bundestag entzogen ist und von denen Herr Kollege Schoettle neulich einmal gemeint hat, er ließe sich im Haushaltausschuß darüber nicht mehr länger betrügen. All das zusammen sind wieder weitere 14 Millionen DM. Dann kommen für die Unterdrückung der Opposition, der demokratischen Kräfte in Deutschland, die für den Frieden und für die. Einheit wirken, weitere 4,5 Millionen hinzu. So summiert sich das dann, was ich hier vorgetragen habe, zu dem Bild eines Kriegsvorbereitungshaushaltes, Herr Kollege Bausch.
— Mit Ihrer moralischen Aufrüstung ändern sie an dem Tatbestand nichts.
Nun ein einziges Beispiel, das die Zustände, in denen wir heute in der Kolonie Westdeutschland leben, charakterisiert. Vor wenigen Augenblicken ist uns ein Telegramm durchgegeben worden, der englische Betrieb Reme in Hannover soll bis zum 31. Dezember von Hannover nach Belgien verlegt werden,
als Folge des Generalkriegsvertrages, als Folge der Umstellung der Basen der Rüstungsindustrie. Die Entlassungen in diesem Betrieb sind in vollem 1 Gange. Die Belegschaft kämpft darum, daß der Betrieb in deutsche Hände übergeführt wird. Ein großer Teil der Belegschaft ist bereits zum 28. November entlassen worden, damit man die Weihnachtsgratifikation einsparen kann. 600 Arbeiter dieses Betriebes stehen jetzt seit ungefähr drei Stunden in einem Sitzstreik. 600 Arbeiter der Halle Reme 1 haben an diesem Nachmittag eine Demonstration vor dem Büro durchgeführt,
in dem die Betriebsdelegation mit dem englischen Oberst konferiert. In der Halle 3 erklärte sich die Belegschaft mit diesem Streik solidarisch. Der Streik dauert an. In dem Betrieb laufen englische Besatzungssoldaten mit dem Gewehr herum, das scharf geladen ist.
Wir fragen den Herrn Bundesinnenminister, ob er bereit ist, seinen Einfluß geltend zu machen damit die Besatzungstruppen aus diesem Betrieb herausgezogen werden.
Wir fragen den Herrn Bundeskanzler, ob er bereit ist, dafür einzutreten, daß dieser Betrieb in deutschen Besitz übergeführt wird, wie das die Arbeiter wollen. Wir verlangen den sofortigen Abzug der Besatzungstruppen aus dem Betrieb und ersuchen das Kabinett, sich dafür heute abend noch einzusetzen, statt Kabinettsitzungen zu halten und Siegesfeiern zu veranstalten.
In den 2,1 Milliarden DM Mehreinnahmen ist ein sehr interessanter Betrag in Höhe von rund
1,9 Milliarden DM enthalten. Das ist das, was die Bundesregierung aus der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer herausholt. Es ist schade, daß ich nicht Zeit genug habe, Ihnen zu beweisen, wie diese Einnahmeabdrosselung, diese Methode der Ausblutung der Gemeinden, sich unten, in den Gemeinden auswirkt in Form dauernder Erhöhung der Gebühren für Gas, Wasser und Strom, in Form der Erhöhung der Konzessionsabgaben. Aber ich muß mich mit der Feststellung begnügen. daß hier wieder einmal die Methode angewandt wird, Lasten aus der Kriegsvorbereitung nach unten auf die Länder und damit auf die Gemeinden abzuwälzen mit dem Ergebnis, daß die Gemeinden und die Länder nicht mehr in der Lage sind, ihre sozialen und kulturellen Aufgaben zu erfüllen.
Das sagen Ihnen ja Ihre eigenen Oberbürgermeister, das sagt die Leitung des deutschen Städtetages.
Wenn Sie das nicht wissen, tut mir das leid. Es beweist, wie wenig Interesse Sie für diese Dinge haben.
Nun ein Wort zu diesem statistischen Bild des Herrn Finanzministers. Das ist eine Milchmädchenrechnung in gezeichneter Form. Der Herr Kollege Schoettle hat schon recht, wenn er ausgeführt hat, was da alles unter sozialen Ausgaben verbucht worden ist, um diese Position möglichst groß zu gestalten.
Nun, Herr Wuermeling, ein Wort zu Ihnen! Wo ist der Herr Wuermeling?
Der hat sich heute hier hingestellt und hat wieder
einmal das Lied von den hohen sozialpolitischen
Leistungen dieser Adenauer-Regierung gesungen.
Sie haben von der Verbesserung des Lebensstandards der Werktätigen gesprochen,
und zwar vorsichtshalber im Verhältnis zu 1946.
— Das gibt genau dasselbe unrichtige und schiefe Bild! — Dann hat er von dem trojanischen Pferd gesprochen.
— So, das bin ich, Ihrer Meinung nach?! Ich habe gemeint, unter dem trojanischen Pferd hätten Sie die Methoden verstanden, das Volk zu verkohlen. So verstehe ich das trojanische Pferd von Ihnen.
Dann hat er sich hier hingestellt und von dem Segen der sozialen Marktwirtschaft gesprochen. Herr Wuermeling, meinen Sie damit den Butterpreis von 8 Mark pro Kilogramm?
Oder meinen Sie damit die 9 Mark für den Zentner Kartoffeln?
Oder meinen Sie mit der glänzenden Sozialpolitik die Erhöhung der Altbaumieten mit Wirkung vom 1. Oktober? Oder wagen Sie die Feststellung des Verbandstags der IG-Metall von vor einigen Wochen in Stuttgart zu bestreiten,
daß das Existenzminimum einer Normalfamilie — Ehepaar und zwei Kinder — 364 Mark pro Monat beträgt? Und wagen Sie zu bestreiten, was auf dem Kongreß festgestellt worden ist, daß mehr als 40% aller in dem Produktionsprozeß stehenden Arbeiter und Angestellten weniger als dieses Existenzminimum verdienen?
Und wollen Sie mir mal ausrechnen, wieviel Kilo Butter sich ein Kriegsbeschädigter mit seiner Hungerrente kaufen kann?
Können Sie mir das ausrechnen?
Sie haben vom Wahlkampf und von Plakaten gesprochen. Haben Sie damit Ihr Plakat gemeint, worauf die beiden Kinder abgebildet waren, die dicke Butterstullen essen, und drunter steht: „Uns geht es heute so gut, weil Pappi und Mammi schon immer CDU gewählt haben"? Haben Sie das gemeint?
Oder erinnern Sie sich vielleicht Ihrer Parole, Ihrer Aufforderung: „Eßt Margarine statt Butter!" Haben Sie das gemeint mit Ihrer „sozialen Marktwirtschaft" und mit dem „Segen" der Politik dieser Regierung?
Herr Wuermeling, wenn Sie diese Rede in einer Arbeiterversammlung halten würden, bekämen Sie die Antwort, die Ihnen in der Rheinpfalz vor kurzem gegeben worden ist.
Ich habe vor mir einen Aufsatz aus der „Wirtschaftszeitung". Die Angaben stützen sich auf einen Artikel eines Dr. Reinhold Nimptsch in den „Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften" — auch keine kommunistische Organisation! 'Heute ist soviel von dem Verhältnis der Sozialleistungen zu den Kriegsvorbereitungskosten gesprochen worden. Ich zitiere aus dieser Aufstellung: Staatsleistungen ohne Besatzungskosten in den Jahren 1950 bis 1952: 8,6, 10,4, 10,4 Milliarden DM; 10,4 Milliarden Besatzungskosten bzw. Verteidigungsbeitrag: 1950 4,2 Milliarden, 1951 6,9 Milliarden, 1952 7,8 Milliarden — -1953, soweit bis heute bekannt: 10,2 Milliarden DM! Und da machen die noch eine andere Rechnung auf; sie berechnen hier, was das pro Jahr und pro Kopf der Bevölkerung in den Jahren ausgemacht hat bzw. ausmacht, und kommen zu dem Ergebnis, daß der Verteidigungsbeitrag im Jahre 1950 89 DM, 1951 123, 1952 148 DM, 1953 208 DM betragen hat.
Die Zeitung kommt dann noch zu weiteren sehr interessanten Aufschlüssen. Man rechnete nämlich aus, was „nachher" noch kommen wird, und kommt zu dem Ergebnis, daß zu den Besatzungskosten weitere Milliardenbeträge hinzugezahlt werden müssen, um die von Ihnen und den Amerikanern gewollten Divisionen auszustatten, so daß wir für die kommenden Jahre mit einer zusätzlichen Belastung von durchschnittlich 22 bis 25 Milliarden DM zu rechnen haben. Die Zeitung kommt zu der Feststellung, daß mindestens 15 % des Sozialprodukts von den Kriegsvorbereitungskosten aufgefressen werden.
Das ist das soziale Gesicht dieses Kriegsvorbereitungsministeriums Adenauer.
Ein letztes Wort, und zwar an den Kollegen Schoettle. Herr Kollege Schoettle, Sie haben heute mit so treffenden Worten, mit so richtigen Worten festgestellt, — —
— Nein, das ist kein Angebot, nur eine Feststellung. Lassen Sie mich ausreden! Sie nehmen mir nur meine Zeit. Sie haben genug Zeit, sich nachher auszureden. — Herr Schoettle, zu Ihnen zurück! Herr Schoettle hat heute so treffend und richtig dargestellt, wie sich der Faschisierungsprozeß in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in den Ministerien, in den Koalitionsparteien entwickelt hat.
— Der Faschisierungsprozeß, wenn Sie alter Faschist das nicht wissen sollten, was ich gemeint habe. Er hat dann weiter richtig und zu Recht an den Geheimorganisationen Kritik geübt. Er hat gesagt: Wir befinden uns an einem Schnittpunkt, heute ist hier eine Vorentscheidung getroffen worden. Er hat damit Ihre vorherige, so gut organisierte Abstimmung gegen das Volk gemeint, diese Vorentscheidung für den Krieg.
Aber ich möchte eine Frage an Herrn Schoettle richten. Herr Schoettle, genügt es denn angesichts einer solchen Erkenntnis, in welcher Gefahr sich vor allem die Arbeiterklasse befindet, sich hier hinzustellen und den Haushalt abzulehnen? Sie haben von der Tarnung des Kampfes der Reaktion gegen Ihre eigene Partei .unter dem Vorwand des Antibolschewismus gesprochen. Meinen Sie nicht auch, daß es Zeit wäre, Ihre eigene antikommunistische Propaganda einzustellen
und Überlegungen anzustellen, wem der Antibolschewismus dient? Den Herren in der Mitte dient er, und unserem Volk und unserer Arbeiterklasse schadet er. Herr Schoettle, ich bin der Meinung, es ist hohe Zeit, daß die Arbeiterklasse sich wieder auf ihre Verpflichtung besinnt, rechtzeitig diesen Faschisierungsprozeß abzustoppen und die Kriegsgefahr aus der Welt zu schlagen. Herr Schoettle, als Marxist — —
— Herr Schoettle, Slansky ist auch Ihr Bundesgenosse nicht. Denn einen Verräter an der Arbeiterklasse können Sie ja wohl nicht zu Ihren Bundesgenossen zählen.
Einen Verräter an- der Arbeiterklasse können Sie ja nicht gut zu einem Bundesgenossen für die Arbeiterklasse machen. Aber, Herr Schoettle, bleiben wir einmal ernst! Sind Sie nicht auch der Meinung, daß uns diese Reaktion bald wieder in eine Lage bringt, in der wir 1933 schon einmal waren? Und muß da nicht bald der Zeitpunkt eintreten, wo auch Sie begreifen, wie gut und wie wertvoll es ist, wenn die Arbeiterklasse geeint diesen Elementen Widerstand leistet? Herr Schoettle, überprüfen Sie einmal, ob das richtig ist, was Sie sagen, daß mit uns keine Bundesgenossenschaft einzugehen sei. Machen Sie sich einmal frei von den Eierschalen, die Sie aus der Zusammenarbeit mit dieser Reaktion an sich hängen haben, und besinnen Sie sich einmal darauf, daß Sie ja gelegentlich einmal vorgeben, ein Kind der Arbeiterklasse zu sein.
Ich komme zum Schluß. Wir sind der Auffassung, daß gegen diese reaktionären Maßnahmen, gegen dieses Kabinett des Adenauer-Regimes, gegen dieses Kabinett, das die Herrschaft der deutschen Monopolherren, der Großjunker, der Kriegstreiber, der Militaristen und der Revanchepolitiker darstellt, nur ein Mittel gegeben ist: die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und der Zusammenschluß aller deutschen Kräfte, die den Frieden und die Einheit wollen.
— Wenn Sie diese Front nicht zu fürchten brauchten, hätten Sie es ja nicht nötig, hier dieses Manöver zu machen, diesen Schandvertrag hinter dem Rücken des Volkes und gegen das Volk durchzupeitschen. Wagen Sie doch einmal die Volksentscheidung, wagen Sie doch einmal, das Volk über Ihren Generalvertrag in Reih und Glied treten zu lassen. Wo bleiben Sie und Ihr Adenauer dann?
Ich komme zum Schluß. Wir lehnen diesen Nachtragshaushalt ab. Er ist ein Haushalt, dessen Mittel in der Hauptsache der Kriegsvorbereitung dienen. Er ist ein Haushalt, der zur Folge haben muß, daß die Massenbelastung in Form von direkten und indirekten Steuern noch größer werden muß. Er ist ein Haushalt, der zur Folge haben muß, daß die Sozialleistungen noch mehr abgedrosselt werden. Er ist ein Haushalt, der das zur Folge haben muß, was einmal ein Sozialdemokrat zu Recht in den Satz geprägt hat: „Die Armen werden immer ärmer." Die Armen werden immer ärmer in dieser Regierung des Herrn Dr. Konrad
Adenauer und unter seiner sozialen Marktwirtschaft!
Das mußte ich zu den Dingen einmal sagen, weil es hier gesagt werden muß, um Ihnen die Möglichkeit zu nehmen, diesen Etat draußen vor dem Volk anders darzustellen, als er wirklich ist. Das ist ein Etat, mit dem Sie die Vorbereitung auf den Krieg fortsetzen und steigern. Wer dem Etat zustimmt, stützt dieses Kabinett der Kriegsvorbereitung, stützt aber auch diese Minister, die über solche Organisationen wie den BDJ heute schon den Terror organisieren und die Mordlisten für aufrechte Demokraten, aufrechte deutsche Menschen aufstellen lassen, deutsche Menschen, die Gegner dieses Systems sind.
— Sie brauchen nicht mehr verrückt zu werden! Wenn ich einen Ordnungsruf riskieren wollte, würde ich sagen: Sie sind das schon längst, sonst säßen Sie als kleiner Mann nicht in dieser Partei.
— Ich bin fertig. Ich habe Ihnen das gesagt, was gesagt werden mußte.
Nun gibt es für Sie nur eins: entweder fortzufahren in dieser Politik der Kriegsvorbereitung oder sich auf Ihre Verpflichtung unserem Volk gegenüber zu besinnen, Schluß zu machen mit
dieser Regierung, die den Krieg bedeutet,
und dafür zu sorgen. daß auch in Westdeutschland eine Politik betrieben wird, die zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, zum Abschluß eines Friedensvertrages, zum Aufbau eines friedliebenden, demokratischen, einheitlichen und starken Deutschlands führt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Wechselwirkungen zwischen Opposition, Regierungskoalition und Regierung ist es selbstverständlich, daß die Kritik der Opposition, allerdings nuanciert, ob sie gleich neben der Mitte oder ganz links anfängt, eine 'Kritik besonderer Art 'ist. Aber auch derjenige, der auf der Seite der Opposition sitzt und an dem von der Regierung eingebrachten Nachtragshaushalt glaubt Kritik üben zu müssen, sollte sich doch den Haushalt etwas näher ansehen.
Der Kollege Schoettle hat die Begründung, die der Herr Finanzminister dem von ihm eingebrachten Haushalt gegeben hat, als sehr mager bezeichnet. Dabei ist er wohl von der Tradition ausgegangen, die auch im Reichstag geübt wurde, daß die Beratung des Haushalts die politische Debatte des Jahres ist. Aber, Herr Kollege 'Schoettle, wenn Sie sich 'während der Haushaltsdebatte einmal die Besetzung dieses Hauses genau angesehen haben, müssen 'Sie mit mir feststellen, daß ihr nicht mehr die politische Bedeutung beigemessen wird wie früher.
— Ich bedaure das auch.
Aber das mag daran liegen, — —
Herr Abgeordneter, ich bitte, einen Augenblick zu unterbrechen, wenn ich läute! — Ich möchte doch, damit keine Mißdeutung entsteht, darauf hinweisen, daß wegen der zahllosen Verpflichtungen gleichzeitig eine Reihe von Ausschüssen und andere Beratungskörper tagen und daß die schwache Besetzung des Hauses weitgehend darauf zurückzuführen ist.
Es mag auch daran liegen, daß wir in der turbulenten Zeit, in der wir noch leben, uns allzuoft im Jahr mit dem Haushalt beschäftigen müssen. Ich glaube, Herr Kollege Schoettle, daß es im nächsten Jahr, in dem wir uns wahrscheinlich nur einmal mit dem Haushalt zu beschäftigen brauchen, nicht mehr so sein wird.
Nun haben Sie, Herr Kollege Schoettle, davon gesprochen, daß in dem jetzigen Haushalt eine ganze Reihe von Polstern versteckt seien, die man aufzudecken versuchen müsse. Ich meine, gerade der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der la nicht zum erstenmal federführend bei der Beratung eines Haushalts tätig gewesen ist, müßte wissen, daß wir das Haushaltsjahr 1949 mit einem Defizit von 244 Millionen, das Jahr 1950 mit einem Defizit von 380 Millionen und das Jahr 1951 mit einem Defizit von 1 300 Millionen abgeschlossen haben. Wenn wir in den hinter uns liegenden Jahren diese Defizite feststellen mußten, was auch Herr Kollege Schoettle hätte tun können, dann werden auch 'im Nachtragshaushalt kaum irgendwelche Reserven und Polster vorhanden sein.
Wenn Herr Kollege Schoettle ,im Haushalt besonders auf die Position verwiesen hat, die sich mit dem Flüchtlingsrentengesetz beschäftigt, und wenn er hier ein Polster von 175 Millionen DM gefunden zu haben glaubt, dann hätte er nur einige Seiten weiterblättern sollen, um festzustellen, daß dort 160 Millionen DM wieder gestrichen 'sind, und zwar deshalb, weil dieses Flüchtlingsrentengesetz nicht, wie beabsichtigt war, im September 1951, sondern erst im kommenden Jahr am 31. März in Kraft treten soll. Auch dieses Polster ist also nicht vorhanden. Ich wünschte auch, wir würden Gelegenheit finden, eine ganze Reihe Polster aufzustöbern, um einige Dinge zu ordnen, deren Ordnung wünschenswert wäre.
Wenn Herr Kollege Schoettle im Zusammenhang mit der Beurteilung der Sozialpolitik hier darauf verwiesen hat, daß in der Kriegsopferversorgung nicht das Notwendige getan worden sei, dann möchte ich doch darauf verweisen, daß wir noch am heutigen Tage im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über eine bessere Gestaltung der Kriegsopferversorgung einig geworden sind. Auch in der hinter uns liegenden Zeit sind wir gerade, soweit die Kriegsopferversorgung in Frage kommt, immer zwischen Koalition und Opposition einig geworden, wenn auch erst nach langen und schwierigen Beratungen, die nicht immer leicht
verlaufen sind. Aber wenn -wir am Schluß der Beratungen die Dinge übersahen, dann hier in diesem Hause zur Schlußabstimmung kamen, ist doch gerade in der Kriegsopferversorgung immer eine Einigung zwischen Opposition und Koalition zustande gekommen.
Sodann ist noch auf die demokratische Entwicklung und auf Vorgänge in einigen Parteien verwiesen worden. Wenn Herr Kollege Schoettle auf Bad Ems hingewiesen hat, dann wird er sich auch erinnern, daß in -den Ausführungen, die dort und auch schon vorher 'gemacht wurden, Begriffe wie „temperierter Sozialismus" und „temperierter Liberalismus" gefallen sind. Ich glaube, diese Temperierung in -der Erhitzung - wenn ich es einmal so nennen soll — scheint in Baden-Württemberg so weit gediehen zu sein, daß dort bereits eine Zusammenschweißung zwischen den beiden Vertretern des Sozialismus und des Liberalismus zustande gekommen ist.
Soweit die wirtschaftliche Entwicklung angesprochen wurde und soweit -der Haushalt auf diese wirtschaftliche Entwicklung Einfluß genommen hat, glaube ich, daß -die Wirtschaftspolitik, die von der Regierung und auch von der Koalition gestützt worden -ist, beachtenswerte Erfolge gehabt hat. Wenn wir neben den Zahlen, die von meinem Kollegen Dr. Wuermeling schon angesprochen wurden, einmal bedenken, daß wir, obwohl wir im Bundesgebiet noch rund eine Million Arbeitslose haben, in einer ganzen Reihe Sektoren der Wirtschaft nicht in der Lage sind, -die dort benötigten Arbeitskräfte zu stellen; wenn wir feststellen müssen, daß wir im Bergbau und in der Landwirtschaft nicht in der Lage sind, die angeforderten Arbeitskräfte 'zur Verfügung zu stellen, wobei wir diese Zahl mit rund 400 000 ansprechen können; wenn -wir wissen, daß sehr viele Menschen ohne Arbeit sind, weil sie nicht an -der richtigen Stelle sitzen, weil es bisher trotz -der Bemühungen im Wohnungsbau noch nicht möglich war, dort den notwendigen Wohnraum zu schaffen, wo Arbeitsmöglichkeiten sind — das sind auch einige Hunderttausende —; wenn wir also all diese Tatsachen zusammennehmen, dann können wir, glaube ich, feststellen, daß dank der sozialen Marktwirtschaft das beinahe erreicht ist, was die Opposition mit Vollbeschäftigung bezeichnet. Wenn wir die Dinge so sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist doch auf dem Gebiete -der sozialen Marktwirtschaftetwas geleistet worden, und es ist auch von der Seite der Haushaltsgebarung her, die irgendwie lenkend mit in unsere gesamte Wirtschaftspolitik eingreift, manches getan worden. Ich glaube, wenn alle verantwortungsbewußt — auch die Opposition — im Haushaltsausschuß an der Durchberatung dieses Plans mitarbeiten, wird es auch für -den Rest dieses Jahres gelingen, einen Gesamthaushalt gut durchberaten dem Haus vorzulegen, -der geeignet sein wird, auch weiter die notwendige finanzielle Voraussetzung für unsere gesamte Politik zu schaffen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbfell.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mündliche Bericht — Drucksache Nr. 3874, Bericherstatter Herr Kollege Gengler — verlangt, daß die Bundesregierung prufen soll, ob Maßnahmen bezüglich der Bereitstellung von angemessenen Mitteln im außerordentlichen Haushalt für Zwecke der öffentlichen Wasserversorgung und der Wasserbeseitigung durchgeführt werden können. Ich glaube, es ist im Haushaltsausschuß bei der Prüfung dieser Frage nicht genügend beachtet worden, daß das Bundesministerium für Wirtschaft bereits im Juni 1950 ein Memorandum über die Notlage der gemeindlichen, gewerblichen und industriellen Wasserwirtschaft im ganzen Gebiet der Bundesrepublik vorgelegt hat und darin zu dem Schluß gekommen ist, daß das, was der Herr Berichterstatter gestern hier vorgetragen hat, das Minimum dessen darstellt, was wir nötig haben. In den nächsten acht Jahren sollen mindestens 5 bis 6 Milliarden DM aufgewendet werden, um die Versorgung mit Trink- und Gebrauchswasser sowie die Abwasserbeseitigung durchzuführen. Alle Länder haben berichtet und erklären, daß sie nicht in der Lage sind, Mittel bereitzustellen, um eine Landeswasserversorgung oder kommunale Waserversorgungen entsprechend zu finanzieren.
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister erklärt, die industrielle Produktionskapazität habe zur Voraussetzung, daß a) im Bergbau, b) in der Textilwirtschaft, c) in der Metallwirtschaft und auch weitere Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft zur Voraussetzung haben, daß die Wasserversorgung geregelt werde, so ist das für uns ein Grund, uns ernsthaft zu überlegen, daß die von uns gestellte Forderung, man möge einmal 100 1 Millionen DM in den Haushaltsplan einstellen, eine sehr bescheidene ist. Bei 6 Milliarden DM Aufwand sind 100 Millionen DM ja nur ein Anfang. Wenn im Haushaltsausschuß von einem Vertreter gesagt worden ist, daß dies eine Aufgabe der Länder sei und insbesondere die Gemeinden veranlaßt werden müßten, die Wasserversorgung durchzuführen, so möchte ich demgegenüber sagen, daß der gesamte Wasserhaushalt als „Bundeshaushalt" zu sehen ist und eine einzige Aufgabe darstellt, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam zu lösen haben.
Man kann die industrielle Kapazität, wenn man die wirtschaftliche Seite betrachtet, nicht von der kommunalen Seite trennen, und man kann in den Gemeinden keine Erweiterung des Wohngebiets durchführen, wenn die Voraussetzungen für die Wasserversorgung nicht gegeben sind. In einem Teil des südlichen Gebiets unserer Bundesrepublik sind Untersuchungen durch die Chemischen Landesuntersuchungsämter angestellt worden, und in 1495 Gemeinden sind 70 % der Trinkwasseranlagen so stark verseucht, daß sie beanstandet werden müssen; nur 30 % haben ein einigermaßen keimfreies Wasser.
Die Abwässerbeseitigung ist mindenstens ebenso wichtig wie die Trinkwasserversorgung. Der Rhein führt soviel Schmutzwasser, daß in den vergangenen Jahren durch das Sterben der Fische für hunderttausende Mark Schaden entstanden ist, und es ist uns bekannt, daß die holländische Regierung wegen der verseuchten Gewässer, die wir durch mangelhafte Klärung unserer Abwässer verursachen, Schadensersatzansprüche stellen will. Ich glaube, daß wir allen Grund haben, diesem Problem unsere besondere Beachtung zu schenken.
Es geht einfach nicht an, daß der Bundesfinanzminister erklärt: Ich bin nicht imstande, diese 100 Millionen DM in den Haushalt einzustellen. Wenn man den Bundeshaushalt im gesamten sieht, so darf dieser Betrag keine Rolle spielen, da die Forderung insbesondere vom Herrn Wirtschaftsminister gestellt wird und er seinem Kollegen Schäffer sagen muß, daß es Zeit ist, nun einmal in seine Tasche zu greifen. Aber wir wissen es ja aus dem Wohnungsausschuß, daß der Minister auch für den gesteigerten Wohnungsbau kein Geld haben will, daß er auf der andern Seite aber in der Lage ist, hunderte Millionen DM für andere Zwecke zur Verfügung zu stellen. Wir glauben, daß sich der Haushaltsausschuß mit dieser Frage noch einmal beschäftigen muß, daß er diesen Antrag, wie es in dem Mündlichen Bericht heißt, erneut überprüft, und daß diese 100 Millionen das Minimum dessen darstellen, was im Bundeshaushalt eingesetzt werden muß. Ich verweise auf den Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, der erklärt, daß er sich hinter diesen Antrag stellt, und verweise weiter auf den Schriftlichen Bericht an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, mit dem sich der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft ebenfalls einstimmig hinter den Antrag stellt und weiter erklärt, daß zur Abwässerbeseitigung weitere Mittel ih den Haushaltsplan eingestellt weren sollen.
Es sind also drei Ausschüsse in der Forderung einig. Der Haushaltsausschuß kann sich diesen Forderungen nicht entziehen. Wir beantragen deshalb, daß man diese Forderung des Antrags Lausen und Genossen erneut im Haushaltsausschuß überprüft und die 100 Millionen DM als Minimum in den Haushaltsplan einstellt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die Zahlen, die gestern der Herr Bundesfinanzminister über die Entwicklung des Ordinariums von 1950 auf 1952 genannt hat, sind erschütternd. Die Ausgaben sind von 12,4 Milliarden in zwei Jahren auf 20,8 Milliarden gestiegen. Gewiß kann man hieraus eine besondere Leistungsfähigkeit der Wirtschaft herauslesen; aber auf der anderen Seite ist es doch erschütternd, daß der deutsche Steuerzahler gezwungen worden ist, in so ungeheuerem, steigendem Umfang Mittel für den öffentlichen Bedarf aufzubringen. Die öffentlichen Investitionen, die zum Teil aus dem Extraordinarium finanziert worden sind, sind in der gleichen Zeit immer stärker gestiegen. Immer weiter hat sich öffentliches Vermögen gebildet, während leider bei den Privatleuten von einer entsprechenden Vermögensbildung keine Rede sein kann, weil hier der Steuerdruck viel zu groß ist.
Das ist eine Entwicklung, die uns mit ernster Sorge erfüllt. Des Fleißes der Edlen ist es wert, sehr eingehend einmal die Frage zu prüfen, ob und inwieweit gerade bei der Vermögensbildung der öffentlichen Hand eingegriffen und dafür gesorgt werden kann, daß jedenfalls die Aktivwerte, die sich hier neu bilden, doch irgendwie wieder in private Hände überführt werden oder daß zum mindesten der Steuerzahler, der diese Milliarden Jahr für Jahr aufbringen muß, in irgendeiner Form aus den Erträgnissen des werbend angelegten öffentlichen
Vermögens auch wieder entschädigt wird. Wir sträuben uns bei der FDP mit allen Mitteln gegen diese fortschreitende stille Sozialisierung, die in dieser ganzen Investitionspolitik der öffentlichen Haushalte liegt.
Nun das Zweite, was diese Zahlen bedeuten: Es ist tragisch, daß nicht einmal die Aufgaben gut et-füllt wurden, deren Erfüllung Gewähr dafür bietet, daß der Staatsapparat einwandfrei funktioniert. Die gestrige Debatte über die notwendigen Aufbesserungen der Beamtenbesoldung hat uns nicht befriedigt. Schon im September haben wir mit allem Nachdruck das Kabinett gebeten, sich dieser Fragen anzunehmen. Wir haben es außerordentlich bedauert, daß es nun Ende November geworden ist und wir bis heute noch nicht klar sehen, was eigentlich geschehen soll. Wir werden uns 'jedenfalls den Haushaltsplan sehr eingehend daraufhin ansehen. Wir werden auch unsere endgültige Entscheidung über den Nachtragshaushalt, wie wir das bereits im September dem Kabinett mitgeteilt haben, unter dem Gesichtspunkt prüfen, ob der unbedingten Staatsnotwendigkeit einer Gewährleistung eines angemessenen Lebensunterhalts der Staatsbediensteten irgendwie entsprochen worden ist.
Es ist nicht ganz so, wie es hier in der Debatte dargestellt worden ist und wie es auch gestern aus der Rede des Herrn Bundesfinanzministers heraus klang, daß die Ausgaben zum weitaus überwiegenden Teil, zu über 80 % zweckgebunden sind. Das gilt selbstverständlich für die Besatzungslasten, für die Verteidigungsausgaben; aber auf dem uns vorgelegten Blatt ist über die Haushaltsgestaltung ein sehr erheblicher Teil von Ausgaben durchaus verschiedener Art unter dem Rubrum „Sozialleistungen, Wohnungsbau, Subventionen" zusammengefaßt, von dem das nicht ohne weiteres gilt. Gerade bei den Subventionen sind meine Freunde allerdings der Ansicht, daß sehr ernsthaft geprüft werden muß, wie diese enormen Ausgaben gesenkt werden können. Wir sind nicht der Ansicht, daß alle diese Subventionen, insbesondere auch beim Konsumbrot, absolut volkswirtschaftlich zweckmäßig und unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse notwendig und empfehlenswert sind.
Wir kündigen hier eine eingehende nachträgliche Prüfung der Haushaltsansätze an.
Was immer wieder leider auch von sehr vielen unserer Kollegen übersehen wird, ist die Tatsache, daß man letztlich die Ausgaben nicht senken kann, wenn immer wieder neue und nicht vordringliche Ausgabenwünsche erhoben werden. Hier müssen wir, auch im Interesse des Parlaments, zu einer stärkeren Disziplin kommen. Herr Kollege Kalbfell hat gerade eben zu dem Antrag über die Wasserversorgung gesprochen. Gerade das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Finanzpolitik nicht mit Aussicht auf Erfolg getrieben werden kann. Im Haushaltsausschuß waren Forderungen in einer ziffernmäßigen Höhe gestellt worden, die für jeden, der die Etatverhältnisse kennt, praktisch gar nicht zur Diskussion stehen konnte, weil gar keine Möglichkeit besteht, solche Anforderungen zu befriedigen. Es hat erhebliche Mühe gekostet, diese Ziffern aus dem Antrag herauszubekommen. Wir können uns deshalb auch nicht Ihrem Antrag, Herr Kollege Kalbfell, anschließen, die Sache nochmals an den Haushaltsausschuß zurückzuüberweisen, sondern wir beantragen, daß der Antrag, so wie er jetzt in der Drucksache Nr. 3874 vorliegt, angenommen wird, weil wir uns nichts von einer nochmaligen Diskussion versprechen.
Nun eine Frage an den - allerdings nicht anwesenden — Herrn Bundesfinanzminister, die Frage des Extraordinariums. Nach den Besprechungen, die wir Ihrem sehr schönen Aufsatz im Bundesanzeiger Nr. 187, vom 26. September 1952, Herr von Schmiedeberg, verdanken, besteht ein Anleihebedarf von rund 986 Millionen DM. Daraufhin sind ja nun wohl 500 Millionen durch die geplante neue Anleihe gedeckt, so daß immer noch 486 Millionen offen bleiben. Wir möchten hier klarstellen, daß diese Anleiheoperationen jedenfalls nicht die vordringliche Lastenausgleichsanleihe stören dürfen, bei der ganz klare Bindungen der Koalition und des Kabinetts vorliegen. Wir erwarten mit aller Bestimmtheit — auch gerade mit Rücksicht auf das, was Herr Kollege Schoettle gesagt hat —, daß diese Anleihe unbedingt hinter der 500-Millionen-Anleihe effektuiert wird.
Damit entsteht für uns weiter die Frage: Hat es überhaupt Zweck — und sollte hier nicht eine Revision unserer Haushaltstechnik erfolgen —, daß wir immer große Extraordinarien beschließen, ohne daß feststeht, inwieweit wir langfristige Anleihen aufnehmen können? Meines Erachtens muß hier gegenüber der Neigung, möglichst viel Ausgaben ins Extraordinarium hineinzupacken, eine schärfere Kritik als bisher einsetzen. Wenn der Herr Finanzminister die Anforderungen schärfer prüft und sich dagegen wehrt, so wird er hierbei unsere Unterstützung haben.
Die große grundsätzliche Frage, die sich bei allen Etatdebatten ergibt, ist letztlich die, ob wir uns einen Segen für alle unsere steuerzahlenden Mitbürger, für den Arbeiter genau so gut wie für den Industriellen, davon versprechen, wenn wir immer weiter Ausgaben erhöhen, die wir doch decken müssen. Kein Finanzwissenschaftler wird die Richtigkeit der Adolph Wagnerschen sozialen Steuerlehre bestreiten. Wir wissen sehr wohl, daß die Steuern andere zusätzliche Aufgaben haben und nicht nur die, Einnahmen zu verschaffen; aber es muß auch einmal von der Tribüne eines modernen Parlaments der Satz gesprochen werden: Wir haben dieses an sich richtige Prinzip im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts zweifellos überspannt: Wir drohen allmählich in eine asoziale Finanzpolitik hineinzugeraten, asozial, weil sie immer mehr und mehr dem einzelnen Staatsbürger die Selbstverantwortlichkeit nimmt, indem sie ihn einfach der Mittel beraubt,
um selbst Rücklagen zu sammeln. Das Kollektiv
tritt immer mehr an die Stelle der Einzelverantwortlichkeit. Es wird ein großer Mißbrauch mit
dem Begriff des „Sozialen" getrieben. Auch in der
Finanzpolitik ist der Punkt gekommen, wo wir
alles daransetzen müssen, auch wenn das manchmal weh tut, einen grundsätzlichen Wandel der
Auffassungen und der Entwicklung herbeizuführen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir im vorigen Jahre, etwa im November, den Überrollungshaushalt abschlossen, da handelte es sich um etwa 15 Milliarden. Als wir den Nachtrags- und Ergänzungshaushalt für 1951 berieten, ging es auf 19 bis 20 Milliarden in die
Höhe. In diesen Verhandlungen, die sehr eingehend gewesen sind, haben wir uns mit sehr vielen Positionen des Haushalts befaßt, und am letzten Ende sind die Veränderungen, die der Haushaltsausschuß für den Etat beschlossen hat, ganz unwesentlich gewesen; auch sind die Monita der Opposition gegen die Ansätze nur unwesentlich gewesen. Das läßt doch wohl erkennen, daß der Herr Bundesfinanzminister, der ja so manchmal eine schlechte Note bekommen hat, den Haushalt mit sehr großem Eifer und mit großer Sachkenntnis aufgestellt hat. Ich glaube deswegen auch, wir werden bei den Beratungen, die jetzt vor uns liegen und die sich nicht auf den Haushalt insgesamt, sondern nur auf den uns vorgelegten Nachtrag beziehen, wohl bald feststellen, daß wir uns nicht so sehr in den Details zu erschöpfen brauchen; denn es hilft ja nichts, lange darüber zu reden und am Schluß doch ja sagen zu müssen. Ungefähr die Hälfte des nachgeforderten Betrags entfällt allein auf den Verteidigungsbeitrag, der unserer Festsetzung entzogen ist; denn selbst wenn in der nächsten Woche die Verträge nicht genehmigt werden sollten, dürfte das gegenüber den von den Alliierten anzufordernden Summen haushaltsmäßig keinen Unterschied machen.
Ich möchte mich, nachdem zwei Herren meiner Fraktion vorher gesprochen haben, auf Weniges beschränken und zunächst einmal den uns vorliegenden Antrag der Föderalistischen Union zum Anlaß nehmen, daran eine mehr grundsätzliche Erwägung anzuknüpfen.
Es werden hier Kredite für Wiederherstellungsarbeiten an denkmalspflegerisch wertvollen Gebäuden beantragt. Ja, meine Damen und Herren, sich und wahrscheinlich viele von Ihnen haben schon immer Freude daran gehabt, in unseren alten deutschen Städten die Dome, die Rathäuser und die Bürgerhäuser aus alten Zeiten mit ihrer handwerklichen Kunst zu sehen. Ihre Wiederherstellung, soweit das möglich ist, wäre für uns alle ein großer Gewinn, nicht nur für uns Alte, sondern auch für die Jungen, die durch solche Erzeugnisse der Vergangenheit wieder ein inneres Verhältnis zur alten deutschen Geschichte bekommen sollen. Aber ein Betrag von 300 000 Mark, wie er hier für das Bundesgebiet eingesetzt worden ist, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch ein Betrag von drei Millionen DM dürfte als absolut unzulänglich zu bezeichnen sein. Hier stehe ich allerdings entgegen der Föderalistischen Union als Mitglied einer Partei, die die Einheitlichkeit Deutschlands betont, auf dem Standpunkt, daß dies Angelegenheit der Länder ist,
wie das auch der Bundesrat bei seiner Kritik am Haushaltsplan ausgeführt hat. Aber ein solcher an sich kleiner Betrag bei einer ungeheuren Anzahl von Objekten erfordert für all die voraussichtlich einlaufenden Anträge Bearbeitungs- und Entscheidungskosten, die gänzlich außerhalb des Nutzens stehen, der damit geschaffen werden soll. Wir sollten — deswegen bringe ich das grundsätzlich vor — nicht in die Länderangelegenheiten eingreifen und Verwaltungsaufgaben mit gewissen finanziellen Förderungen verbinden, die den Bund belasten und letztlich doch keine wesentliche Erhöhung der Leistungen mit sich bringen können.
Über die Subventionen hat mein Kollege Nöll von der Nahmer schon gesprochen. Ich möchte aber
nicht verfehlen, dabei auf den Posten von 30 Millionen DM, der für die Bundesbahn neu angefordert wird, zu verweisen. Wenn das auch die Darlehensform hat, so kann man es, wenigstens im Moment, auch als Subvention bezeichnen.
Wir haben dann eine Summe von insgesamt 60 Millionen DM im Haushaltsplan. Ich stehe auf dem Standpunkt — auch ein großer Teil meiner Fraktion —, es ist Zeit, daß die Bundesbahn von derartigen Dingen losgelöst wird, da sie in der Lage ist, diese Ausbesserungen an Anlagen und rollendem Material, die wir an sich technisch für durchaus notwendig erachten, aus eigenen Einnahmen vorzunehmen. Aber nun den Bund als • Quelle anzuzapfen, 'halten wir nicht für richtig. Es darf nicht verschwiegen werden, daß die Bundesbahn bei den niedrigsten Tarifklassen der vertikalen Staffelung heute mit einem Preisindex von 250 rechnen kann. Die Rohstoffe, die zu diesen Tarifen befördert werden, haben schon Indices von 350 bis 400, liegen also mit den ihnen zugehörenden Frachten wesentlich über dem Frachtenindex der Bundesbahn.
Ein kurzes Wort zu den Einnahmen. Ich möchte die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers eher als optimistisch denn als pessimistisch bezeichnen. Ein Vergleich mit dem Steueraufkommen in den schon übersehbaren Monaten dieses Jahres ergibt, daß sie weit über dem liegen, was sich ergeben würde, wenn man nach denselben Prinzipien weiterrechnete. Ich bin deswegen auch der Meinung: man kann hoffen, daß die weiteren Monate gewisse Erhöhungen bringen. Aber immerhin, ich würde dem Bundesfinanzminister Glück wünschen, wenn es ihm gelänge, bei der Abrechnung festzustellen, daß die von ihm vorgesehenen Zahlen erreicht worden sind.
Aber ich habe noch eine andere Sorge: daß wir vielleicht zu sehr geneigt sind, dasjenige, was als Steuer ausgeschrieben ist, auch schon als Steuereinnahmen zu betrachten. Auf dem großen Gebiete der kleinen und mittleren Industrie, des Handels und des Einzelhandels, soweit die Betriebe als Personalgesellschaften geführt werden, ist zu erwarten, daß die jetzt schon langsam eintretende Verknappung der Mittel — bisher sind zum Teil immer noch die Finanzämter Darlehnsgeber gewesen — sich über das Frühjahr weiter fortsetzt und im Sommer 1953 zu ihrem Kulminationspunkt kommen wird. Dann wird eben die Frage nicht mehr sein, ob man das Geld bekommt, sondern es wird heißen: entweder Konkurs oder Stundung. In keinem beider Fälle aber wird der Herr Bundesfinanzminister auf den Eingang des Geldes rechnen können. Deswegen möchte ich das, was auch der Herr Kollege Nöll von der Nahmer eben ausdrücklich gesagt hat, noch einmal ganz klar herausstellen. Die Verlagerung des Kapitals aus den Händen der Wirtschaft in die Hände des Staates bedrängt vor allen Dingen die Industrien der Weiterverarbeitung, die die kapitalintensivsten sind und die als die kapitalintensivsten auch die Arbeitsplätze für die vielen Leute stellen, die dort arbeiten sollen. Deswegen wird es notwendig sein, auch schon bei der Haushaltsberatung eine sehr vorsichtige Schätzung zu machen, um zu vermeiden, daß infolge derartiger späterer Stundungen oder Verluste die geschätzten Zahlen nicht erreicht werden.
Das Wort hat als Berichterstatter zu Punkt 3 b Herr Abgeordneter Gengler.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kalbfell hat vorhin, wenn ich ihn recht verstanden habe, den Antrag gestellt, den Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 3874 betreffend Maßnahmen zur Förderung der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden nochmals an den Haushaltsausschuß zurückzuverweisen. Er hat insbesondere bemängelt, daß in diesem Antrag keine bestimmten Millionenzahlen — wie er sie vorgetragen hat — für Förderungsbeiträge des Bundes enthalten sind.
Ich darf unter Bezugnahme auf meine bereits gestern gemachten Ausführungen erneut darauf hinweisen, daß diese Zahlen auf Grund eines von mir gestellten Antrags zunächst darin enthalten waren. Ich habe mich aber dann im Laufe der Aussprache im Haushaltsausschuß davon überzeugen lassen, daß es bei diesem Antrag nicht tunlich ist, feste Zahlen zu nennen. Herr Kollege Nöll von der Nahmer hat bereits vorhin bemerkt, daß es sich hier um getrennte Aufgabengebiete handelt, und es ist im Ausschuß mit Nachdruck darauf hingewiesen worden, daß dieses Gebiet der Wasserversorgung ein Aufgabengebiet ist, das bisher nicht als dem Bund zugehörig zu betrachten war und ist.
Ich darf bemerken: die 13 000 Wasserwerke — rund 13 000 sind es! —, die wir im Bundesgebiet haben, sind vorwiegend im Besitz der öffentlichen Hand, hier wiederum vorwiegend im Besitz von »Gemeinden und Gemeindeverbänden, teilweise auch im Besitz von Ländern. Es ist nun als notwendig bezeichnet worden, daß diese zunächst Beteiligten an der Wasserversorgung, wozu auch das Gebiet der Abwässerbereinigung zählt — wir haben es als gleich wichtig herausgestellt —, also zunächst die direkt beteiligten Länder und Gemeinden sich über die Probleme, die Bauwünsche im einzelnen klarwerden. Die Bundesregierung wird in diesem Antrag aufgefordert, mit den Ländern einen Plan für die öffentliche Wasserversorgung zur Beseitigung des Wassermangels und zur Abwässerbeseitigung aufzustellen. Im Nachsatz ist allerdings auch darauf hingewiesen, daß dafür die Länder in erster Linie ihre Haushaltsmittel zur Verfügung stellen sollen.
Der Herr Kollege Kalbfell hatte recht, wenn er bemerkte — das habe ich gestern auch ausgeführt —, daß man in sämtlichen Ausschüssen bereit war, erstens einmal die Bedeutung dieser Frage anzuerkennen und herauszustellen; und es herrschte zweitens auch Übereinstimmung darüber, daß auch der Bund hier in bestimmtem Umfang mithelfend eingreifen soll. Aber das muß letzten Endes dann das Ergebnis der Verhandlungen sein, die der Bund mit den Ländern zu führen hat.
Ich halte es daher für richtig — ich kann wohl sagen, in Übereinstimmung mit den Regierungsparteien —, daß wir heute diesen Antrag annehmen, damit dann seitens des Bundes die Dinge mit den Ländern klargestellt werden. Wir haben dann bei späterer Gelegenheit — sei es im Rahmen noch dieses Etats oder des späteren — die Möglichkeit, erneut auf solche Förderungsmaßnahmen auch mit Hilfe des Bundes zurückzukommen. Mit diesem Antrag Drucksache Nr. 3874 soll
zunächst der Weg vorgezeichnet werden, auf dem` die Angelegenheit in Angriff genommen werden soll. Im übrigen darf ich nochmals auch zur Notiz der Bundesregierung bemerken, daß wir uns im Hohen Hause — das haben die Ausschußberatungen gezeigt — sehr intensiv der Förderungsmaßnahmen für die Wasserversorgung wie auch zur Abwässerbeseitigung annehmen werden.
Zum Schluß möchte ich die Regierung noch auf die Probleme aufmerksam machen, wie sie rings um den Bodensee entstanden sind, insbesondere auf die Frage der Abwässerreinigung. Es ist mir mitgeteilt worden, daß seitens des Schweizer Bundes die an den Bodensee und den Oberrhein grenzenden Kantone aufgefordert worden sind, Vorschläge für die Abwässerreinigung bis Ende dieses Jahres einzureichen. Es wäre durchaus angebracht, wenn rund um den Bodensee und den Oberrhein bis Basel auf deutscher Seite in gleicher Richtung verfahren würde. Wenn man dem Problem der Wasserabschöpfung aus dem Bodensee nunmehr aktiv nahetreten will — Lindau trinkt ja schon das Bodenseewasser —, dann ist Vorbedingung dazu die Reinigung der Abwässer.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Sie gestern bereits den Bericht des Herrn Kollegen Brese zu Drucksache Nr. 3875 entgegengenommen haben, kann ich mich im wesentlichen darauf beschränken, Ihnen diese Angelegenheit noch einmal in die Erinnerung zurückzurufen; auf weitergehende sachliche Ausführungen kann ich verzichten. Es handelt sich hier — unbeschadet der sehr erwünschten sozialen Auswirkungen, nämlich Erhaltung von Arbeitsplätzen — keineswegs um eine Subvention, vor allen Dingen nicht um eine Subvention an die landwirtschaftlichen Erzeuger von Flachs und Hanf, sondern es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine handelspolitische Maßnahme; es handelt es sich um den Versuch, die Preisstützungsmaßnahmen wenigstens in etwa auszugleichen, die in den Ländern vorgenommen werden, aus denen wir diese Rohstoffe für unsere Textilindustrie beziehen müssen.
Wir bitten Sie deshalb zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht nur der Ernährungsausschuß, der sich diese Angelegenheit seit Jahren hat viel Zeit kosten lassen, sondern auch der Haushaltsausschuß diesen Bemühungen zustimmt. Wir bitten das ganze Haus, durch eine einstimmige Annahme dieses Antrages sein Interesse daran zu bekunden, damit der Bundesfinanzminister davon so beeindruckt wird, daß er diese 5 Millionen noch in seinen Haushalt einbaut.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
— Er ist nicht da.
— Die Wortmeldung liegt mir vor. Er hat mich eben noch nach dem Verlauf 'der Sitzung gefragt.
Also unter diesen Umständen ist die Rednerliste erschöpft.
Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich zunächst um den Punkt 3 a, Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952, Drucksache Nr. 3800. Es ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. Ich glaube kaum, daß sich dagegen Widerspruch erhebt. — Es ist so beschlossen.
Zu Punkt 3 b, Förderungsmaßnahmen der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden, Drucksache Nr. 3874, ist Zurückverweisung an den Ausschuß beantragt worden.
— Ist das wieder zurückgezogen? — Also dann käme es zur Beschlußfassung über Drucksache Nr. 3874. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; das ist angenommen.
Punkt 3 c, Erhaltung des deutschen Flachs- und Hanfanbaues, Drucksache Nr. 3875. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist ebenfalls die Mehrheit; angenommen.
Dann ist mit dieser Sache die Aussprache über den Punkt 16, Kredite für Wiederherstellungsarbeiten an denkmalspflegerisch wertvollen Gebäuden, Drucksache Nr. 3816, verbunden worden. Da ist Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Kulturpolitik beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts (Nr. 3802 der Drucksachen).
Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes hat der -Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf- Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts ist die Frucht einer langen, ich darf sagen, hingebungsvollen Arbeit. Ich habe Sie, meine Damen und Herren, über den Fortgang dieser Arbeit unterrichtet. Sie haben von mir Denkschriften bekommen, die insbesondere eine Zusammenstellung des entscheidenden Materials, auch in der Form der Rechtsvergleichung, enthalten, und konnten, ich muß schon sagen, seit Jahren an der Diskussion über dieses Problem teilhaben.
Ich glaube, daß über den Sinn und den Inhalt des Begriffs der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht viel zu sagen ist. Es wäre falsch, diese Gleichberechtigung zu dogmatisieren und eine Doktrin aus ihr zu machen.
Meine Damen und Herren, bei dieser Unruhe ist nicht gut zu verstehen, was vom Redner ausgeführt wird. Mit Rücksicht auf die Bedeutung des Gegenstandes scheint mir Aufmerksamkeit angebracht zu sein.
Vielleicht gestatten Sie mir, daß ich zur Interpretation dessen, was der Parlamentarische Rat mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau erstrebt hat, auf die Worte zweier weisen Frauen dieses Gremiums zurückgreife. Zunächst einmal das, was Frau Dr. Selbert von der Sozialdemokratischen Partei, deren Stimme wir heute sehr vermissen werden, gesagt hat:
Es ist ein grundlegender Irrtum, bei der
Gleichberechtigung von der Gleichheit auszugehen. Die Gleichberechtigung beruht auf der
Gleichwertigkeit, die die Andersartigkeit anerkennt. Mann und Frau sind nicht gleich.
Ihre Besorgnis,
— zu den Männern gewandt
daß die Gleichstellung der Frau Gleichmacherei sei, ist daher unbegründet. Ich bin mir vollkommen darüber klar, daß die Reform des bürgerlichen Rechts mit aller Vorsicht Schritt für Schritt erfolgen muß, und zwar unter Überprüfung jedes einzelnen Paragraphen unter dem Gesichtspunkt, ob er der Gleichberechtigung entspricht, aber auch unter Einordnung unter die Erkenntnis, daß die Ehe eine Lebensgemeinschaft besonderer Art ist, in der nicht der eine oder andere Ehegatte den Ausschlag gibt. Das Ich des einen und das Ich des andern müssen hinter den höheren Zweck der Ehe als einer besonderen Lebensgemeinschaft zurücktreten. So und nicht anders möchte ich auch eine Reform des Eherechts und des ehelichen Güterrechts sehen.
Dazu als Ergänzung das, was unsere sehr verehrte Frau Kollegin Dr. Helene Weber ausgeführt hat:
Wir denken durchaus an den eigenen Wert und
die Würde der Frau und nicht an eine schema-
tische Gleichstellung und Gleichberechtigung.
Gleichberechtigung ist nicht Gleichschaltung
und Gleichsetzung. Gleichberechtigung berück-
sichtigt die Verschiedenartigkeit von Männern
und Frauen, berücksichtigt den Eigenwert und
die Persönlichkeitswürde beider Geschlechter.
Ich glaube, das sind Gedanken, von denen unsere Aussprache ausgehen sollte. Was Gleichberechtigung der Geschlechter im Familienrecht bedeutet, kann nicht allein dem Art. 3 des Grundgesetzes entnommen, sondern muß in der Verbindung mit Art. 6, dem Grundsatz des Schutzes der Familie, gefunden werden. Die beiden Bestimmungen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Der Gesetzgeber muß — das ist die Aufgabe, die er auf diesem Gebiete überhaupt haben kann — dafür sorgen, daß Ehe und Familie keinen Schaden nehmen. Die beiden Grundsätze lassen sich meines Erachtens durchaus in Einklang bringen, wenn man die natürliche Ordnung zur Richtschnur der gesetzlichen Regelung nimmt.
Nun zu den einzelnen problematischen Fragen, die sich uns stellen, zunächst auf dem Gebiete der persönlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander. Die goldene Regel jeder Ehe ist in dem § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches festgelegt:
Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Sie schulden einander Treue und Beistand.
Aus dieser goldenen Regel ergibt sich, das ist
meine Meinung, alles Weitere, ergeben sich Rechte
und Pflichten der Ehegatten, ergibt sich die Ver-
pflichtung der Ehegatten, sich in der Ehe zur Einmütigkeit durchzuringen.
Nun kommt die Frage, wie die rechtliche Lage ist, wenn Ehegatten sich nicht verstehen, wenn Ehegatten ihre Meinungsverschiedenheit nicht überbrücken können. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß der Gesetzgeber hier klärend eingreifen kann. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß der Gesetzgeber das Leben ändern könnte. Das Leben bleibt so, wie es ist. Wer entscheidet in der Ehe? Der willensstärkere Teil, einmal der Klügere, dann die Klügere, und manchmal gibt der Klügere auch nach. Zu glauben, daß man vom Gesetzgeber her wirklich Normen schaffen könne, ist nach meiner Meinung eine Utopie. Über die gesetzliche Regelung besteht hier eine Unstimmigkeit zwischen der Mehrheit des Kabinetts und einer Minderheit des Kabinetts, der ich angehöre. Ich habe mir das Recht vorbehalten, meinen Standpunkt hier zu vertreten. Das Kabinett hat Ihnen eine Formulierung des § 1354 BGB vorgeschlagen, die, wenn die Ehegatten sich nicht einigen, bei- wichtigen Fragen der ehelichen Lebensgemeinschaft auf einen Stichentscheid des Mannes hinausläuft. Allerdings wird einschränkend festgelegt, daß die Frau den Stichentscheid, wenn er dem wohlverstandenen Interesse beider Ehegatten nicht entspricht, nicht als verbindlich anzuerkennen braucht. Ich meine, es ist richtig, diesen § 1354 BGB, der bisher schon dem Ehemann die Entscheidung in allen die eheliche Lebensgemeinschaft angehenden Fragen übertrug, ersatzlos zu streichen. Sie werden diese Frage entscheiden müssen.
Die zweite bedeutsame Frage betrifft das Verhältnis der Eltern zu den Kindern. Hier ist meines Erachtens die Sachlage eine andere als bei dem Verhältnis der Ehegatten zueinander. Bei den Ehegatten braucht sich der Gesetzgeber nicht einzumengen. Er kann es ihnen überlassen, ob sie sich zusammenraufen oder nicht. Ganz anders ist es, wenn es um das Wohl der Kinder geht. Hier muß notfalls eine Entscheidung getroffen werden. Mein Entwurf schlägt Ihnen vor, die Möglichkeit eines Stichentscheids des Vaters vorzusehen. Im § 1627 des Entwurfs ist festgelegt, daß beide Elternteile die elterliche Gewalt haben, daß sie sie in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle der Kinder ausüben müssen und daß jeder Elternteil insoweit auch den geäußerten oder mutmaßlichen Willen des anderen Elternteils berücksichtigen muß. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Eltern versuchen, zu einer Einigung zu gelangen. Nur wenn diese Einigung nicht möglich ist. soll der Vater verpflichtet sein, unter Berücksichtigung der Auffassung der Mutter die Entscheidung zu treffen, die dem wohlverstandenen Interesse des Kindes am besten entspricht. Aber auch diese Bestimmung hat eine Einschränkung. Die Mutter kann notfalls zum Vormundschaftsgericht gehen und beantragen, daß die Entscheidung einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten ihr übertragen wird, wenn die Entscheidung des Vaters in einer Angelegenheit von besonderer Bedeutung dem Wohle des Kindes widerspricht oder wenn die ordnungsmäßige Verwaltung des Kindesvermögens es erfordert. Wenn der Vater seine Verpflichtung. bei Meinungsverschiedenheiten den Versuch einer gütlichen Einigung zu machen und bei seiner Entscheidung auch die Auffassung der Mutter zu berücksichtigen, beharrlich verletzt, kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag die Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit der Mutter übertragen. Gegen diese Vorschläge sind Bedenken erhoben worden. Ich halte sie für notwendig, nicht der Eltern, sondern, wie gesagt, der Kinder wegen. Bestimmte Fragen müssen eben entschieden werden, sie können nicht in der Schwebe bleiben. Das Kind muß z. B. einen Vornamen haben. Es scheint mir töricht zu sein, eine solche Entscheidung dem Vormundschaftsgericht übertragen zu wollen. Am Ende würden dann vielleicht alle Knaben Konrad heißen und in Nordrhein-Westfalen alle Mädchen Christine.
In solchen Fällen muß eben eine Entscheidung innerhalb der Familie getroffen werden.
Es gibt aber auch viel ernstere Fragen, die Frage, der Erziehung in einer bestimmten Konfession oder des Schulbesuchs, die Frage, ob ein Kind einer Operation unterzogen werden soll oder nicht. Der Arzt, der nur mit der Zustimmung eines Elternteils operierte, würde sich des Vergehens der Körperverletzung schuldig machen. Hier muß also im Interesse des Kindes ein Elternteil zur Entscheidung befugt sein, und hier muß notfalls die Mutter zurücktreten. Ich halte es für unmöglich, solche Fragen dem Vormundschaftsrichter zu übertragen. Gerade das wäre nach meiner Meinung eine Gefährdung der Ehe und der Familie, wenn wirklich alle internen Vorgänge der Familie einem Richter unterbreitet werden sollten. Ich bin der Meinung, daß der Richter dadurch auch überfordert würde. Er kann gar nicht eine zutreffende Entscheidung fällen; jedenfalls ist es für ihn sehr schwierig, sich in die Situation hineinzufinden, sich eine genaue Kenntnis der internen familiären Vorgänge zu verschaffen. Ich möchte gerade umgekehrt sagen: je verantwortungsvoller eine Entscheidung ist, je bedeutender sie für das Verhältnis der Eltern untereinander und der Eltern zu den Kindern ist, um so weniger darf man diese Entscheidung aus der Familie hinaustragen, ganz abgesehen davon, daß sie in vielen Fällen auch zu spät käme. Deswegen mein Vorschlag. Bei richtig verstandener Auslegung der Art. 3 und 6 des Grundgesetzes widerspricht er nicht dem Grundsatz der Gleichberechtigung.
Vielleicht darf ich nun noch zu einigen Einzelproblemen Stellung nehmen. Zunächst die Frage des Namens. Mein Entwurf geht davon aus, daß die Einheit der Familie auch im Namen zum Ausdruck kommen soll. Das ist — ich möchte sagen — eine Überlieferung in Deutschland, an der wir nicht rütteln sollten. Es gibt eine ergreifende römische Trauungsformel. Da sagt die Frau — wenn ich es genau im Kopfe habe —: „tu es Gaius, ego tua Gaia", du bist der Gaius, und ich bin von nun an deine Gaia. Nun, das ist die Mystik des Namens. 'Ich glaube, an dem, was durch Jahrhunderte gewachsen ist, soll man nichts ändern.
Es handelt sich auch nur um eine Ordnungsvorschrift. Daß die Frau das Recht haben soll, ihren Mädchennamen dem Ehe- und Familiennamen beizufügen, versteht sich von selbst.
Bedeutsam ist auch die Frage des Rechtes der Frau auf Berufsarbeit.
— Ich meine, ich m u ß nicht vortragen, Herr Gerstenmaier!
Das Recht der Frau auf Berufsarbeit wird anerkannt. Jedoch darf die Hauptaufgabe der Frau, ihre Pflichten als Frau und als Mutter zu erfüllen, durch Arbeiten außer dem Hause nicht beeinträchtigt werden.
Das Recht der Frau auf Führung des Haushaltes — das betone ich ausdrücklich, weil zum Teil insoweit mein Entwurf vollkommen mißverstanden wird — soll nicht beschränkt werden. Dieses Recht ergibt sich ohne weiteres aus dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft, wie sie in § 1353 des Entwurfs umschrieben ist, und aus der natürlichen Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau in der Ehe.
Die Frage des Unterhalts wird ebenfalls in der öffentlichen Diskussion mißverstanden. Nach geltendem Recht hat der Mann der Frau nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren. Die Frau hat dem Mann nur dann Unterhalt zu gewähren, wenn der Mann außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Diese Vorschriften werden durch andere Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches modifiziert. Die Frau ist zu unentgeltlichen Arbeiten im Hauswesen und im Geschäft des Mannes verpflichtet, soweit eine solche Tätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.
Die Unterhaltsbestimmungen werden dann weiter durch die Vorschriften des ehelichen Güterrechts über den ehelichen Aufwand ergänzt. Nach dem gesetzlichen Güterstand ist der Mann berechtigt, die Nutzung des eingebrachten Gutes der Frau für sich zu verwenden. Reicht die Nutzung des Vermögens der Frau und das Einkommen des Mannes nicht zum Familienunterhalt aus, so muß die Frau
auch den Stamm ihres Vermögens für den Unterhalt der Familie zur Verfügung stellen. Ähnliche Bestimmungen gelten bei den jetzt noch in Kraft befindlichen anderen Güterständen.
Der Entwurf faßt nun diese Bestimmungen über die Unterhaltspflicht und den ehelichen Aufwand zusammen und sieht folgende Regelung vor: Beide Ehegatten haben nach Maßgabe ihrer Arbeitskraft und der Einkünfte ihres Vermögens den angemessenen Unterhalt der Familie zu bestreiten. Das bedeutet aber nicht, meine Damen und Herren, daß die Frau im Einzelfall verpflichtet ist, Geldmittel für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sieht der Entwurf vor, daß die Frau in der Regel ihrer Unterhaltspflicht vollkommen dadurch genügt, daß sie den gemeinschaftlichen Haushalt leitet und, soweit es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist, im Haushalt arbeitet. Sie ist nur dann verpflichtet, erwerbstätig zu sein, wenn die Arbeitskraft des Mannes und die Vermögenseinkünfte der Ehegatten nicht ausreichen, um den angemessenen Unterhalt der Familie zu bestreiten. Aber auch in diesem Fall ist sie nur dann zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn ihr dies nach den Umständen des einzelnen Falles zuzumuten ist.
Ich glaube, daß diese Regelung, die der Entwurf Ihnen vorschlägt, den jetzt herrschenden tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen unseres Volkes entspricht. Wenn die Frau im Haushalt arbeitet, wird der Mann die Mittel bereitstellen müssen, um den Unterhalt' der Familie zu bestreiten. Arbeiten aber Mann und Frau, so stellen beide Ehegatten ihren Arbeitsverdienst für den Unterhalt zur Verfügung.
Eine ähnliche Regelung sieht der Entwurf auch bei Getrenntleben vor. Vielleicht ersparen Sie mir, das im einzelnen auszuführen.
Bedeutsam ist die Regelung des Güterrechts. Der bisher geltende gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, bei dem der Ehemann das eingebrachte Gut der Frau verwaltet und die Nutzungen aus diesem eingebrachten Gut der Frau zieht, ist keinesfalls vereinbar mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung. An seine Stelle kann meines Erachtens auch keine der bisher bestehenden Gütergemeinschaften treten, die das Bürgerliche Gesetzbuch als Wahlgüterstände geregelt hat, da bei all diesen Güterständen — der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft — stets der Mann das Gesamtgut verwaltet. Dieses Vorrecht steht mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht in Einklang. Diese Gütergemeinschaften können auch nicht in irgendeiner geänderten Form übernommen werden, denn eine gemeinschaftliche Verwaltung des Vermögens ist praktisch undurchführbar und würde nur zu Komplikationen des Rechtsverkehrs und der Verhältnisse innerhalb der Ehe führen.
Es kann deswegen nach meiner Meinung als gesetzlicher Güterstand nur die Gütertrennung vorgeschlagen werden. Aber die jetzt bestehende Gütertrennung stellt die Frau schlecht, besonders die Frau, ich will einmal sagen, des Mittelstandes, die bei der Auflösung der Ehe, z. B. im Falle der Scheidung, aus dem Vermögen, das die Ehegatten gemeinschaftlich verdient, erdient haben, nichts erhält, im Falle der Scheidung auf einen sehr fragwürdigen Unterhaltsanspruch beschränkt ist und im Falle des Todes des Mannes ein ganz bescheidenes Erbrecht hat. Ich halte es auch nicht für möglich, diese Schlechterstellung der Frau durch irgendwelche Modifizierungen des Erbrechts oder durch einen Entschädigungsanspruch, über den der Richter entscheiden müßte, zu verbessern.
Deswegen komme ich zu dem Vorschlag, besonders um all die Mängel einer reinen Gütertrennung zu vermeiden, als gesetzlichen Güterstand die Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinnes einzuführen. Die Grundsätze dieses Güterstandes sind folgende:
Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen vollkommen selbständig. Nur über sein Vermögen im ganzen kann er nicht verfügen; dazu braucht er die Zustimmung des anderen Ehegatten. Bei der Beendigung des Güterstandes wird festgestellt, welchen Wert das Vermögen der Ehegatten beim Beginn des Güterstandes gehabt hat, und welchen Wert es beim Ende des Güterstandes hat. Der Überschuß ist der Zugewinn. Ich brauche das nicht im einzelnen zu begründen; Sie ersehen die Gründe aus dem Entwurf und seinen Motiven.
Der Grundsatz ist: Dem Ehegatten, der den größeren Zugewinn erzielt hat, gehört zunächst ein Viertel des Mehrgewinnes im voraus, und zwar deswegen, weil er ja auch das größere Risiko hatte. In Höhe der Hälfte des Restbetrages, also der drei Viertel, schuldet er dem anderen Ehegatten eine in Geld zu entrichtende Ausgleichsforderung. Das ist der „Ausgleich des Zugewinnes", der besonders die Härten, unter denen bisher die Ehefrau im Falle der Auflösung der Ehe zu leiden hatte, beseitigen soll. Endet der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten, dann besteht keine Ausgleichsforderung, wenn der verstorbene Ehegatte den geringeren Zugewinn erzielt hat.
Ein kurzes Wort zur Überleitung des bestehenden Güterstandes der Verwaltung und Nutznießung in das neue Recht: Mein ursprünglicher Vorschlag ging auf reine Gütertrennung. Dem Vorschlage des Bundesrats, daß der Ausgleich des Zugewinnes auch auf schon bestehende Ehen ausgedehnt werden solle, daß aber jeder Ehegatte innerhalb einer bestimmten Frist die Möglichkeit haben müsse, durch öffentliche Erklärung diese Wirkung auszuschließen, bin ich beigetreten.
Als Wahlgüterstand regelt der Entwurf noch die Gütergemeinschaft in einer Form, die den Grundsätzen der Gleichberechtigung Rechnung trägt. Ich will es mir ersparen, auf Einzelheiten einzugehen.
Auch über viele andere Fragen, die wir klären müßten, brauche ich nicht zu sprechen, z. B. über den Wegfall des Aussteueranspruchs der Tochter, der nicht mehr zeitgemäß ist, auf die Ausgestaltung der elterlichen Gewalt im einzelnen, z. B. die Übertragung der gesamten elterlichen Gewalt auf einen Ehegatten nach der Scheidung der Ehe oder im Falle des Getrenntlebens, die Beibehaltung der elterlichen Gewalt nach Wiederverheiratung einer Witwe, die Umgestaltung der Beistandschaft, der Wegfall der elterlichen Nutznießung am Kindesvermögen und vieles andere. Soviel zur Durchführung des Grundsatzes der Gleichberechtigung.
Daneben bezweckt mein Entwurf die Vereinheitlichung des Familienrechts, die Beseitigung von Sondergesetzen, die seit 1933 geschaffen wurden, die Beseitigung der familienrechtlichen Landesgesetze aus der Zeit nach 1945 und insbesondere die Beseitigung des Kontrollratsgesetzes Nr. 16 vom 20. Februar 1946, unseres augenblicklichen Ehegesetzes. Es erscheint mir nicht erträglich, daß Rechtsgrundlage für Eheschließung und Ehescheidung weiterhin ein Kontrollratsgesetz sein soll. Ich halte es nicht für möglich, zur Zeit eine Reform dieses Eherechts durchzuführen, und schlage vor, dieses Gesetz unverändert in das Bürgerliche Gesetzbuch einzufügen und lediglich eine Bestimmung, den. § 48 dieses Kontrollratsgesetzes, zu ändern. Diese Bestimmung ermöglicht es jedem der Ehegatten, nach dreijähriger Trennung die Scheidung der Ehe herbeizuführen, wenn eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Auch der Ehegatte, durch dessen alleiniges oder überwiegendes Verschulden die Ehe zerrüttet worden ist, kann trotz des Widerspruchs des schuldlosen Teiles unter Umständen die Scheidung der Ehe erzwingen, wenn auch die Rechtsprechung, auch die des Bundesgerichtshofes, sehr zurückhaltend ist. Eine solche Regelung erscheint mir weiterhin nicht tragbar und widerspricht unserem Rechtsempfinden. Wer die Ehe durch sein alleiniges oder sein überwiegendes Verschulden zerstört hat, darf in keinem Fall das Recht haben, gegen den Willen des Ehegatten die Ehescheidung herbeizuführen. Wir wissen doch, daß besonders die ältere Frau unter diesem Damoklesschwert steht, daß der Mann die jüngere Frau findet und sich von der andern trennen will. Die Rechtsordnung kann das keinesfalls billigen.
Das wäre wohl das Wesentliche. Sie werden es mir nachsehen, wenn ich nicht alle Einzelheiten vortrage. Vielleicht haben Sie aus meinen Darlegungen erkannt, daß es am Ende nur auf wenige große Entscheidungen ankommt. Das Material ist so gesichtet, daß es einer langwierigen Beratung nicht bedarf. Wir stehen vor der Frist des 1. April 1953. Wenn wir bis dahin dieses Gesetz nicht verabschiedet und in Kraft gesetzt haben, würde ein Rechtschaos entstehen; denn dann würde alles Recht, das mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung in Widerspruch steht, außer Kraft treten, und jeder Richter müßte in jedem einzelnen Fall entscheiden, ob eine Bestimmung noch in Kraft ist oder nicht. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich nur das eheliche Güterrecht und die Komplikationen vor, die hier entstehen würden! Es scheint mir untragbar zu sein, und ich halte es auch für unmöglich, daß wir mit dem Gedanken spielen, diese Frist des 1. April 1953 hinauszuschieben. Es tut mir leid, daß sich die Dinge so lange verzögert haben. Es war nicht nur meine Schuld. Vielleicht waren wir zu eifrig und zu gewissenhaft, und es sind dann so viele Schwierigkeiten entstanden,
auch — ich habe Ihnen das schon angedeutet — im Kabinett. Die Dinge sind nicht einfach und sind am Ende auch Gegenstand tiefer ethischer und religiöser Entscheidungen. Aber wie gesagt, die Fronten sind klar, und der Bundestag muß sich zu einer Entscheidung durchringen. Es ist meine Überzeugung: er kann sich auch in der uns zur Verfügung stehenden Zeit zu dieser Entscheidung durchringen.
Ich würde es, wenn ich mir einen Rat gestatten darf, nicht für richtig halten, einen besonderen Unterausschuß oder einen Sonderausschuß für dieses Familienrechtsgesetz einzuberufen.
Ich schlage vor, daß der Rechts- und Verfassungsausschuß für zuständig erklärt wird zur Beratung des Gesetzes und daß dort ein Unterausschuß gebildet wird, der die Arbeiten fördern kann.
Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs treten wir nunmehr in die Aussprache ein. Der Ältestenrat hat dazu eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß dieser Gesetzentwurf in so später Stunde behandelt werden muß. Es ist auch bedauerlich, daß dieser umfangreiche Gesetzentwurf in erster Lesung in zwei Stunden behandelt werden muß. In dieser Zeit lassen sich die Probleme, die in dem Gesetzentwurf stecken, gerade ansprechen und anreißen, aber nicht behandeln. Insbesondere kann man auch nicht dazu grundsätzlich Stellung nehmen. Andrerseits handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf um eine der bedeutungsvollsten und inhaltsschwersten Aufgaben, die dem ersten Deutschen Bundestag zur Lösung aufgegeben sind; greifen doch die Bestimmungen dieses Gesetzes tief in das Leben jedes einzelnen Staatsbürgers und in die Gestaltung seines Daseins und Schicksals ein.
Die Bundesregierung erfüllt mit der Vorlage dieses Gesetzes eine ihr vom Grundgesetzgeber auferlegte Aufgabe, nämlich: die sich aus dem art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes — „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" — auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts ergebenden notwendigen Folgerungen zu ziehen, da, wie bereits vom Herrn
Bundesjustizminister hervorgehoben worden ist, nach Art. 117 am 31. März 1953 das entgegenstehende Recht außer Kraft tritt. Sie hat sich — das darf man sagen — diese Aufgabe nicht leicht gemacht. Wir sind davon unterrichtet, daß die Vorarbeiten seit Januar 1950 im Gange waren. Die Ergebnisse sind der Öffentlichkeit laufend durch Denkschriften mitgeteilt worden. Es ist dankbar zu begrüßen, daß damit die Allgemeinheit nachdrücklich zur Mitarbeit und Erörterung dieser schwierigen Fragen und zur Stellungnahme aufgerufen wurde, welches Anliegen ja auch verstanden wurde. Vielleicht hat aber auch — das sei angemerkt — der zeitliche Abstand der Denkschriften die Diskussion insoweit fehlgeleitet, als Probleme, die in der ersten Denkschrift behandelt wurden, dadurch ungebührlich in den Vordergrund traten und ein Übergewicht gewannen, was ihnen nach meiner Meinung tatsächlich nicht zukam, insbesondere wenn man die weiteren Denkschriften berücksichtigt.
Es dauerte immerhin zweieinhalb Jahre, ehe der Gesetzentwurf fertiggestellt werden konnte. Schon äußerlich zeigt er durch seinen Umfang, wie vielfältig und tiefgreifend die zu lösenden Probleme sind. Ohne damit schon jetzt ein Urteil über die Frage, ob der Entwurf gelungen ist und Zustimmung verdient, abgeben zu wollen, sei bemerkt, daß der Entwurf eine sorgfältige Arbeit darstellt und daß für die einzelnen Gesetzesvorschläge eine umfassende und ausgezeichnete Begründung gegeben wird. Ich glaube, daß es deshalb unsere Pflicht und Schuldigkeit ist, all denen, die daran mitgearbeitet haben, Dank und Anerkennung auszusprechen.
Der Entwurf gliedert sich, wie schon seine Überschrift ausweist, in zwei Teile, nämlich einmal behandelt er das Gleichberechtigungsproblem, und weiter erhebt er den Anspruch, Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts zu bringen. Was das letzte angeht, so glaube ich, daß diese Überschrift doch etwas fehlgegriffen ist. Eine Rechtsuneinheitlichkeit besteht meines Erachtens nämlich gerade auf dem Gebiete des Eherechts nicht. Wohl ist es richtig, daß wir jetzt unter fremdem Recht, unter Kontrollratsrecht, insoweit leben, als das Ehescheidungsrecht in Frage kommt. Aber deswegen, daß es nun gerade ins BGB wieder übernommen werden soll, kann man doch nicht von einer Wiederherstellung der Rechtseinheit sprechen, wenn eine Zersplitterung auf diesen wichtigen Gebieten tatsächlich nicht besteht. Die wenigen Änderungen, die nach 1945 erfolgt sind, betreffen nur Nebenfragen, Befreiung von Ehehindernissen und dergleichen, sind also absolut nicht tiefgreifend. Infolgedessen wird die Frage zu erheben sein, ob es zweckmäßig ist, die Bestimmungen über Eheschließung und Ehescheidung in diesem Gesetzentwurf mit zu behandeln
und sie wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch zu übernehmen.
Von gewichtiger Seite wird die Meinung vertreten, daß es nicht angebracht sei, Ehe und Familie im Vierten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs und erst hinter Kauf, Miete, Pacht, Leihe, Hypothekenrecht und dergleichen abzuhandeln. Es wird deshalb von mancher Seite gefordert, es möge ein besonderes Gesetz über Ehe und Familie, die ja Grundlage des Staates sind, geschaffen werden. Ich persönlich will nicht so weit gehen. Mir ist als
Juristen seit meiner Jugend das Bürgerliche Gesetzbuch ans Herz gewachsen, und ich würde mich freuen, wenn das Bürgerliche Gesetzbuch wieder die Funktion übernähme, die ihm ursprünglich zukam, nämlich unsere bürgerlichen Rechtsbeziehungen samt und sonders zu regeln, wenn es also wieder die Kodifikation des gesamten bürgerlichen Rechts würde.
Wir müssen aber von unserer Fraktion aus starke Bedenken dagegen anmelden, daß das Kontrollrats-Ehescheidungsrecht, das ja ein nur in wenigen Punkten abgewandeltes Nazigesetz über Ehescheidung übernommen hat, nun in Bausch und Bogen per Akklamation in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wird. Ich glaube nicht, daß wir diesen Schritt mittun werden.
Nach meiner Meinung werden wir auch gar nicht die Zeit dazu haben. Der Herr Bundesjustizminister hat selber die Reformbedürftigkeit des Ehescheidungsrechts anerkannt und zugegeben, daß wir die Zeit zu einer durchgreifenden Reform nicht hätten. Ja, meine Damen und Herren, dann ist es aber meiner Meinung nach schließlich gleichgültig, ob nun das lediglich mit anderer Paragraphenfolge ins Bürgerliche Gesetzbuch übernommene Kontrollratsgesetz angewandt wird oder ob wir das andere Gesetz, das dann einheitlich im gesamten Gebiet der Bundesrepublik gilt, weiter anwenden. Das ist an sich keine entscheidende Frage.
An und für sich begrüßen wir seitens unserer Fraktion den Fortschritt, den wir in § 1571 erblicken, nämlich, daß bei dreijähriger Heimtrennung und Zerrüttung der Ehe auch der Widerspruch des unschuldigen Ehegatten genügt, um das Scheidungsbegehren abzuweisen. Wir werden auf alle Fälle überlegen müssen, ob wir nicht insoweit wenigstens den jetzigen § 48 des Ehegesetzes werden ändern müssen.
Ich habe schon gesagt: der Zeitdruck macht eine Reform unmöglich. Diese Frage der Reform des Ehescheidungsrechts ist weder wissenschaftlich noch in der Öffentlichkeit hinreichend erörtert und geklärt, als daß sie jetzt bereits gelöst werden könnte. Nach meiner Meinung werden wir auch genug Arbeit mit der Gleichberechtigung haben. Es steckt in dem Gesetz doch mehr darin als nur einige Probleme. Auch die praktischen Lösungen werden uns im einzelnen recht viel Arbeit machen. Der Grundgesetzgeber hat vielleicht die Arbeitsüberlastung, unter der der erste Bundestag zu leiden hat, in diesem Umfang nicht vorausgesehen und hat deshalb geglaubt, der Bundestag werde bis zum 31. März 1953 ausreichend Zeit haben — das waren damals rund vier Jahre —, sich mit diesen Problemen zu beschäftigen. Uns bleiben knapp drei Monate, um diese Fragen zu lösen. Wir sind — das betone ich — zur Mitarbeit bereit und werden mitarbeiten, melden aber in dieser Hinsicht schon jetzt unsere Bedenken an, ob es möglich sein wird, in dieser Zeit die Probleme zu lösen und so zu regeln, daß wir wirklich etwas Gutes schaffen.
Die Gleichberechtigung als solche wird deshalb nach unserer Meinung soweit wie möglich in Angriff genommen und bearbeitet werden müssen. Wir begrüßen die Grundhaltung des Entwurfs, insbesondere seine Auslegung des Art. 3 Abs. 2 und die darin zum Ausdruck kommende Meinung, daß eine allgemeine Gleichmacherei abzulehnen sei,
daß, auch der Art. 3 Abs. 2 nicht für sich isoliert
betrachtet werden könne, sondern im Zusammen-
halt und im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere den Artikeln 2, 6, 7 und 20.
Der Grundgedanke und das Grundrecht, das in Art. 6 Abs. 1 enthalten ist: „Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz des Staates", liegt uns gerade in der heutigen Zeit mit ihrer beklagenswerten Tendenz zur Auflösung von Ehe und Familie besonders am Herzen und legt uns auch nach unserer Meinung eine besondere Verpflichtung auf. Unsere Mitarbeit wird deshalb unter dem Leitgedanken stehen: Es darf unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung nichts geschehen, was Ehe oder Familie gefährden oder die Auflösungstendenz vorantreiben und begünstigen könnte. Wir befinden uns insoweit im Ausgangspunkt, in den Grundlagen, in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen, die die kompetenten Vertreter beider christlichen Kirchen zu dem Entwurf eingenommen haben.
Nun noch einzelne grundsätzliche Bemerkungen.
In den Erörterungen in der Öffentlichkeit war die Stellungnahme zur Frage des sogenannten Letztentscheidungsrechts oder des Stichentscheids in Ehe und Familie — die §§ 1354 und 1628 — am erregtesten und ausgiebigsten. Sie nahm einen so breiten Raum ein, daß man meinen könnte, diese Frage sei der Angel- und Schlüsselpunkt der gesamten Gleichberechtigung. Das schießt doch meines Erachtens über das Ziel hinaus und gibt diesem Problem eine Bedeutung, die ihm praktisch nicht zukommt. Es besteht weithin Einigkeit darüber, daß diese Frage in gesunden und guten Ehen überhaupt keine Rolle spielt. Hier regelt sich alles nach der natürlichen Bedeutung und Ordnung der Dinge, und ich meine, daß damit für 90 bis 95 % der Ehen und Familien diese Frage überhaupt keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Ob sie in den kranken Ehen die Bedeutung hat, wie vielfach behauptet wird, wird im Ausschuß zu prüfen sein. Meine praktische Erfahrung als Anwalt geht jedenfalls nicht in dieser Richtung.
Einigkeit besteht weiter darüber, daß sich der Staat in die internen Dinge des Familien- und Ehelebens nicht einmischen soll, eine Entscheidung einer staatlichen Stelle bei Nichteinigung der Eheleute also nicht in Frage kommen kann. Ich bin der Ansicht, daß es sich hier überhaupt nicht entscheidend um ein Problem der Gleichberechtigung handelt, sondern um ein solches von Ehe und Familie. Unter diesem Gesichtspunkt müssen die Probleme auch untersucht, geprüft und gelöst werden.
Welches Leitbild uns bei der Schaffung eines neuen Eherechts vor Augen steht, wird Ihnen Frau Kollegin Dr. Rehling anschließend für unsere Fraktion darlegen. Ich möchte mich auf den Hinweis beschränken, daß es uns angebracht erscheint, auch in positiver Weise das herauszustellen, was wir unter Ehe und Familie sowie unter deren Ordnung im Wesen verstehen.
Das Gesetz soll sich meines Erachtens nicht nur mit den Grenzfällen und den sogenannten kranken Ehen beschäftigen, sondern auch positiv die Gesichtspunkte herausstellen, die für Ehe und Familie wesentlich sind. In dieser Hinsicht begrüßen wir die erweiterte Fassung des § 1353 Abs. 2, wo es heißt:
Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Sie schulden einander Treue und Beistand.
Daraus läßt sich ohne weiteres die grundsätzliche Auffassung von der Ehe ableiten und formulieren, daß sie nämlich grundsätzlich unauflöslich ist, bis der Tod sie scheidet. Man sollte meines Erachtens dieses Prinzip im § 1564, wo die Scheidung erörtert ist, auch herausstellen und etwa sagen: „Die Ehe wird durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst. Im übrigen ist sie grundsätzlich unauflöslich, es sei denn, daß einer der nachfolgenden Tatbestände erfüllt ist."
Ebenso wird zu erwägen sein, ob man die Stellung der Frau in Haushalt und Familie nicht positiv herausstellen soll. Ich freue mich, daß der Herr Bundesjustizminister eben in seiner Begründung ausdrücklich hervorgehoben hat, daß das auch seine Auffassung ist. Man sollte ruhig sagen, daß die Frau berechtigt und verpflichtet ist, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten, statt, wie der Entwurf es tut, dieses Prinzip in Nebensätzen herauszustellen. So kommt es auch in den §§ 1356 und 1360 zum Ausdruck. Insbesondere in der letzten Bestimmung heißt es, daß die Frau ja ihren Beitrag zum Unterhalt durch die Leitung im Hauswesen und ihre Mitarbeit im Hause leistet. Wir erheben diese Forderung um deswillen, weil wir glauben, daß sich dann auch die „faktische Kraft des Normativen" auf die Gestaltung von Ehe und Familie maßgeblich auswirken wird.
Eine Vorschrift fordert noch unseren Widerspruch heraus: das ist die Regelung der Unterhaltsansprüche bei Getrenntleben und nach der Scheidung. Hier ist eine wesentliche Verschlechterung für die Frau eingetreten. Ein namhafter Rechtslehrer hat davon gesprochen, daß es sich hier um die „Rache der Männer" handle, die den Frauen die Gleichberechtigung geben müßten. Es geht aber unseres Erachtens nicht an, grundsätzlich die Frau darauf zu verweisen, daß sie sich aus Einkünften ihres Vermögens oder aus einer ihr zumutbaren Arbeit ernähren soll, so daß der Mann meisthin behaupten wird: du kannst ja arbeiten, du kannst ja selbst verdienen; ich brauche dir keinen Unterhalt mehr zu zahlen. Diese Tendenz würde nach meiner Meinung zur Zerstörung der Ehe beitragen und jedenfalls den Mann nicht an der Ehe festhalten, sondern ihm bei vorhandenen Spannungen eher Veranlassung geben, die Scheidung zu betreiben.
Noch ein Wort zum Güterrecht. Der derzeitige gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung ist mit dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes unvereinbar. Der Entwurf schlägt Gütertrennung mit sogenannter Zugewinnsteilung vor. Es ist — das bedauere ich sehr — keine Zeit mehr, sich grundsätzlich mit dieser wichtigen Frage auseinanderzusetzen. Wir begrüßen aber grundsätzlich den Gedanken, daß die Frau an der Mehrung des Vermögens in der Ehe hinfort beteiligt sein soll, da sie dazu in aller Regel entweder positiv durch Mitarbeit im Geschäft oder Betrieb oder ihre Arbeit in Haushaltsführung und -leitung beizutragen hat. Ob eventuell eine abgeänderte Errungenschaftsgemeinschaft nicht doch vorzuziehen sein wird, wird im Ausschuß zu prüfen sein.
Ich beantrage namens meiner Fraktion, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wir widersprechen auch einer Überweisung an einen Sonderausschuß. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist für diese Dinge zuständig, und wir sollten uns hüten, für jede Sache einen besonderen Ausschuß zu bilden. Wir haben unseres Erachtens bereits genug Ausschüsse. Es wird auch
möglich sein, durch Bildung eines Unterausschusses im Rechtsausschuß die Probleme so in Behandlung zu nehmen, daß sie, wenn es überhaupt möglich ist, rechtzeitig abgeschlossen werden können.
Unsere Arbeit im Ausschuß soll unter dem Leitsatz stehen: Alles tun, um Ehe und Familie zu schützen, zu sichern und zu fördern; alles vermeiden, was Ehe und Familie gefährden oder ihre Bande lockern kann!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Rehling.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der uns vorliegende Gesetzentwurf gehört wohl auch deswegen zu den bedeutendsten, die wir in der ersten Wahlperiode dieses Bundestages zu beraten haben, weil j a nun einmal Ehe und Familie die Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft sind. Gerade in der heutigen Zeit, in der uns immer wieder die Krisis der Familie deutlich wird, merken wir, daß sie gleichzeitig auch eine Krisis der Gemeinschaft überhaupt ist, wirkt sie sich doch stärkstens z. B. auf die heranwachsende Jugend aus; und es sollte uns sehr zu denken geben, wenn Kriminalisten uns immer wieder bestätigen, daß 90 % der kriminellen Jugendlichen aus zerstörten Familien kommen.
Die innere Ausrichtung der Familie, ihr sittlicher Gehalt sind maßgebend für Wert und Bestand eines Volkes und letztlich des Staates.
In der aus der Ehe herauswachsenden Familie ist die Möglichkeit aller organischen Gliederung der menschlichen Gesellschaft gegeben. In ihr ist gegründet die sozialpolitische Potenz der Sitte, aus welcher das Gesetz hervorgewachsen ist. Sie ist überhaupt die notwendige Voraussetzung aller öffentlichen Entwicklung der Völker.
Es erscheint mir selbstverständlich, daß wir die uns vorliegende gesetzgeberische Arbeit nur tun können im Blick auf das Leitbild von Ehe und Familie, das einem jeden von uns vor Augen steht. Gerade die Tatsache, daß wir uns in einer offenbaren Krisis der Familie befinden, die durch die mit der wachsenden Differenziertheit der Zivilisation in sie eindringenden Zersetzungskeime hervorgerufen wurde, stellt uns erneut sehr ernst vor die Frage nach dem Wesen und dem Kern dieser Institution. Maßgebend für die Betrachtungsweise meiner politischen Freunde ist es, daß wir Ehe und Familie nicht als Naturgegebenheit, nicht als einen Zweckverband werten — die Geschichte lehrt uns, daß das allzuleicht geschah und immer wieder geschieht —, sondern als ein göttliches Gefüge, als ein Stück der Schöpfungsordnung Gottes. Von hier aus hat das Wesen der Familie in der Geschichte des Abendlandes seine entscheidenden Züge eingeprägt bekommen. Nach christlicher Auffassung sind Ehe und Familie eine vorgegebene Institution, eine Gemeinschaft, in die Mann und Frau eintreten, ohne über sie zu verfügen. Sie ist das große Wagnis ihres Lebens, in das sie hineingehen mit dem ganzen Einsatz ihrer Person. Zu Ehe und Familie kann man sich nicht nach Neigung verpflichten und sich nach Belieben wieder davon abwenden, sondern hier gilt es, die große Lebensaufgabe zu lösen.
Wenn der autonome Menschengeist nicht haltmacht vor Ehe und Familie, dann wird es gerade in diesem Bezirk erschütternd deutlich, wohin das Nur-Menschliche ohne eine transzendente Bezogenheit führt.
Gerade die Fülle der Ehescheidungen von heute zeigt, in welche Unnatur der Mensch gerät, der sich vorredet, daß er nur natürliche Bindungen anerkennen und sie lösen könne, wenn sie unnatürlich geworden seien. Die Ehe wird, wie mein Kollege Weber schon betonte, auf Ausschließlichkeit und auf Lebensdauer hin geschlossen. Sie ist für uns grundsätzlich unauflöslich.
Wir halten es für erforderlich und wünschenswert, daß auf diese für unser Leitbild entscheidenden Wesensmerkmale der Ehe in den Erläuterungen zum neuen Gesetz mit dem gleichen Nachdruck hingewiesen wird, wie das in den Motiven zum BGB und in den damaligen Reichstagsverhandlungen geschah, wo ausgeführt wurde, daß „der christlichen Gesamtauffassung des deutschen Volkes entsprechend die Ehe als eine vom Willen der Ehegatten unabhängige rechtliche und sittliche Ordnung anzusehen und ihrem Begriff nach unauflöslich" sei. Es sei auch gleich klar gesagt, daß wir nicht, wie ein Abgeordneter der SPD im Parlamentarischen Rat ausführte, die Familie als ein Produkt der Rechtsordnung ansehen. Der Staat begründet sie nicht mit seiner Rechtsordnung; er soll nur die Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung der auch für ihn vorgegebenen Institution schaffen und in den Riß springen, wenn die Familie in schwerer Krise steht. Was er bieten kann, ist und bleibt immer ein Surrogat, ein Ersatz, mit allen Mängeln, die ihm anhaften. Daher sollte man sich hüten, den Staat im Gesetz zum Ehepartner zu machen.
Der Grundsatz der Gleichberechtigung, der in diesem Gesetzentwurf durchgeführt werden soll, hat eine Vorgeschichte. Schon als die Vorarbeiten zum BGB begannen, hoffte man in den Kreisen der Frauenbewegung, man werde ihren schon in den 70er Jahren ausgearbeiteten Vorschlägen auf Abänderung der Zivilgesetzgebung bezüglich der Rechte der Frau Rechnung tragen. Aber diese Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch. Trotz aller Protestversammlungen, Resolutionen und Flugblätter ging man über ihre Wünsche hinweg. Es zeigte sich, daß das BGB zwar in der Form entgegenkommender war als das Preußische Landrecht, daß in Einzelheiten wohl der individuellen Eigenart und den veränderten sozialen Verhältnissen Rechnung getragen wurde, daß aber alle wesentlichen Entscheidungen zugunsten des Ehemannes fielen. Aufs Ganze gesehen ist das BGB von 1900 in seinem familienrechtlichen Teil der Familie als Institution günstig. Allerdings ist diese Absicht in zahlreichen Bestimmungen in so robuster Form verwirklicht, daß man eher auf eine Bevorzugung des Mannes vor der Frau als auf die Sicherung der Familie zu schließen geneigt ist.
Es wäre gewiß wünschenswert gewesen, wenn in den folgenden Jahrzehnten die Rechtsstellung der Frau den veränderten soziologischen Verhältnissen tatsächlich in angemessener Form angepaßt worden wäre. Die Formulierung in Art. 119 der Weimarer Verfassung hatte keinerlei praktische Auswirkungen. Ich finde es sehr bedauerlich, daß der nahezu einstimmig gefaßte Beschluß des 33. Deutschen Juristentages vom Mai 1924 bezüglich der Reform des ehelichen Güterrechts und der Unterhaltsansprüche der schuldlos geschiedenen
Frau im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat. Es ist doch einfach nicht zu leugnen, daß die Wirklichkeit des Lebens eine Entwicklung in dieser Richtung forderte. Denn durch das Maschinenzeitalter und die Fortschritte der Technik hat die Frau es lernen müssen, zeitweise oder dauernd auf eigenen Füßen zu stehen. Dadurch wurde auch der geistige Ring, den die Beschlossenheit ihres Wirkens im Hause um sie zog, gesprengt, eine vielfache Bewährung von ihr gefordert, und eine Fülle neuer Wirkungsformen und neuer Lebensprobleme, die sie allein meistern mußte, ließen sie geistig und wirtschaftlich aus der Sphäre des Hauses heraustreten. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, was die Frauen während der beiden Weltkriege auf Gebieten, die früher nie zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörten, haben leisten müssen, wie sie in Berufen, die früher für sie nie in Frage gekommen wären, den Mann ersetzen mußten und auch voll ersetzt haben und selbständig und voll verantwortlich die Pflichten des Mannes auch in der Familie durch lange Jahre hindurch übernehmen mußten und wie sie im Einsatz, beim materiellen und ideellen Aufbau der Existenz von Familie und Volk in unserer notvollen Gegenwart in nichts hinter dem Manne zurückgestanden haben. Darüber hinaus hat ja auch die jahrzehntelange Zusammenarbeit der Geschlechter auf den Arbeitsplätzen, in den Büros, an den Universitäten ihr Verhältnis zueinander maßgeblich beeinflußt.
Es geht für uns nun heute darum, gesetzgeberisch eine sinnvolle Lösung zu finden, die einerseits der veränderten Stellung der Frau innerhalb der Gemeinschaft gebührend Rechnung trägt, aber auch der Grundidee von Ehe und Familie gerecht wird. Es ist schon vorhin darauf verwiesen worden, daß
der Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht schematisch ausgelegt werden kann. Auch auf den Zusammenhang von Art. 3 und Art. 6 des Grundgesetzes ist abgehoben worden. Es geht für uns darum, die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, daß Mann und Frau gerade die sich aus ihrer biologischen und funktionellen Verschiedenheit ergebenden Eigenschaften nach besten Kräften im Dienste der kleinen Gemeinschaft entwickeln können, um damit dem Wohle der großen menschlichen Gemeinschaft zu dienen.
Wir unterscheiden uns grundsätzlich von der Auffassung, die in dem Gesetz „Der Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau" vom 27. September 1950 in der Ostzone niedergelegt ist, wo zwar in § 12 die Festigung der gesunden Familie als eine der wichtigsten Aufgaben des Staates hingestellt wird, aber diese Feststellung, wie die folgenden Paragraphen zeigen, rein deklamatorisch ist, wie denn ja auch in ostzonalen Pressestimmen immer wieder betont wird, der Grundsatz der Gleichberechtigung verlange, daß die Frau tunlichst von ihren Pflichten in Ehe und Familie befreit wird, damit sie ihre Kräfte dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbau zur Verfügung stellen kann.
Wir begrüßen es, daß Recht und Pflicht der Frau zur Erwerbstätigkeit im Regierungsentwurf durch die Sorgepflicht für die Familie begrenzt werden, einmal, weil wir die Doppelbelastung für die Frau nicht als Normalzustand sehen möchten, zum andern, weil wir um 'die Bedeutung der Aufgaben wissen, die eine Mutter im Hause mit der Erziehung ihrer Kinder für Volk und Staat erfüllt. Die Grundlinien des Charakters werden in der frühen Kindheit gezogen. Alle spätere Erziehung in der Schule ist nur ein Ausziehen dieser Grundlinien, eine Tatsache, die ja auch in der modernen Tiefenpsychologie immer wieder betont wird.
Bei dem Zusammenhang von Art. 3 und Art. 6 kann es sich nicht um eine Überordnung des einen Artikels über den andern, sondern um ein Korrelat, um eine Wechselbeziehung handeln. Beide müssen gemeinsam den Bereich von Ehe und Familie bestimmen. Nur durch eine sinnvolle Auslegung können die Meinungen, welche die Verfassung an zwei Stellen ausspricht, miteinander verbunden werden. Die Ehe kommt ja doch nicht durch einen Vertrag, der die Abgrenzung individueller Rechte festlegt, zustande, sie ist vielmehr die engste Gemeinschaft, .die das Rechtsleben kennt. In dieser Gemeinschaft geht es nicht in erster Linie um die Betonung von Rechten, sondern um die Übernahme von Pflichten. Zur Gemeinschaft gehören gegenseitiges Einordnen und gegenseitige Rücksichtnahme. Auf diesen Charakter der Ehe als einer Lebensgemeinschaft ist, wie der Herr Bundesjustizminister vorhin sagte, besonders hingewiesen. Wir meinen allerdings, daß außer in § 1353 auch noch in einigen anderen Paragraphen diese Gemeinschaft stärker betont werden könnte.
Ich teile die Bedenken meines Kollegen Weber, das Ehescheidungsrecht in der vorliegenden Fassung en bloc wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Gerade in diesem Teil des Eherechts ist in der Vergangenheit die 'Benachteiligung der Frau besonders deutlich geworden.
Die in den nächsten Monaten vor uns liegende Arbeit wird nicht leicht sein. Gewiß können wir die Krise der Familie, die nur ein Teil der geistigen Krise des Abendlandes ist, nicht auf gesetzgeberischem Wege überwinden.
Wenn wir aber Ehe und Familie als die Grundpfeiler der Gemeinschaft in Volk und Staat anerkennen, müssen wir in den Ausschußberatungen dafür sorgen, daß die Tragfähigkeit dieser Pfeiler nicht gemindert wird.
Das Wort hat Frau Meyer-Laule.
Herr Präsident! Meine Herrn und Damen! Lassen Sie mich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf einige grundsätzliche Feststellungen treffen. Die Forderung auf Gleichberechtigung hat keine Gleichmacherei zum Ziel,
Mit Fug und mit Dankbarkeit berufen wir uns, gerade wir Sozialdemokraten, auf einen Vorkämpfer der Frauenemanzipation, auf August Bebel und viele andere, die als Schrittmacher der Frau den Weg in eine moderne und gerechte Zukunft vorbereitet haben. Ich möchte doch hoffen und wünschen, daß dieser fortschrittliche Geist nicht vor dem Bundeshaus haltmacht.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Nadig.
Meine Herren und Damen! Bei der Verkündung des Grundgesetzes und des in ihm enthaltenen Art. 3 ging eine freudige Bewegung durch die Reihen der Frauen. Nach dem klaren Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" gab es keinen Zweifel, daß nun gegenüber der Ehefrau altes Unrecht gutgemacht, ihre Bevormundung durch den Mann beseitigt und sie zur Gefährtin erhoben war. Die Bewegung, die Art. 3 in der Frauenwelt auslöste, ist im letzten Jahr, in dem der Vollzug der Gleichberechtigung diskutiert wurde, neu aufgelebt. Die Frauen erwarten, daß der Gesetzgeber im Familienrecht die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau vollzieht.
Der Parlamentarische Rat wollte eine echte' Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Deshalb hat er im Grundgesetz dafür weitgehende Sicherungen vorgesehen. Der Art. 3 ist in die Grundrechte aufgenommen und mit einem klagbaren Rechtsanspruch versehen. Dieses Grundrecht darf in seinem Wesensgehalt nicht angetastet werden. Die Sicherung wird noch unterstützt durch den Art. 117 des Grundgesetzes, der festlegt, daß alles dem Art. 3 des Grundgesetzes entgegenstehende Recht bis zum 31. März 1953 abgeändert sein muß. Die Bedeutung des Art. 3 wird durch den Art. 117 besonders unterstrichen. Das Grundgesetz verlangt die Durchführung der Gleichberechtigung auf allen Rechtsgebieten.
Leider erfüllt der uns heute vorgelegte Entwurf diese Aufgabe nicht. Wir bedauern, daß die Gesetzesvorlage in den verschiedensten Punkten im Widerspruch zum Grundgesetz steht. Auch materiell hat der Entwurf sich nicht an die ihm durch das Grundgesetz gestellte Aufgabe gehalten. Er ist weit darüber hinausgegangen und will gleichzeitig die Wiederherstellung der Rechtseinheit und die Neuordnung des Eherechts herbeiführen.
Uns ist es nicht verwunderlich, daß die Vorlage, kaum bekanntgeworden, von allen Seiten Proteste hervorrief. Das Bemühen des Kabinetts um einen Kompromiß in allen Ehren; aber in dieser Frage kann es keinen Kompromiß geben,
wenn man nicht die Verfassung verletzen will. Der uns vorgelegte Kompromiß ist nicht tragbar. Die Vorlage wirkt um so peinlicher, als die Öffentlichkeit nach den im vorigen Jahr herausgegebenen Denkschriften von Frau Dr. Hagemeyer annehmen mußte, daß die Regierung die Neuordnung des Familienrechts so vornehmen werde, daß zum mindesten der Vorwurf der Verfassungsuntreue nicht erhoben werden könne.
Für die kulturelle Entwicklung der Gesamtheit ist das Familien- und Eherecht von hoher Bedeutung. Darum müssen die Veränderungen, die sich im sozialen und wirtschaftlichen Leben der Familie vollzogen haben, in der gesetzlichen Regelung ihren Niederschlag finden. Das Bürgerliche Gesetzbuch war bereits bei seinem Inkrafttreten weit überholt und wirklichkeitsfremd. Wir sollten dafür sorgen, daß dieser Vorwurf nicht auch gegenüber der Neuordnung des Familienrechts erhoben werden kann.
Die Gesetzesvorlage kann die Rechtseinheit auf keinen Fall wiederherstellen. Das Bürgerliche Gesetzbuch wie das Ehegesetz des Kontrollrats sind noch geltendes Recht in der Ostzone. Würden wir die vorgeschlagenen Änderungen dieser Gesetze vornehmen, so würde eine noch größere Rechtsunsicherheit und -ungleichheit erzielt und die Trennung zwischen Ost und West vertieft werden. Wir halten den gegenwärtigen Zeitpunkt für diese Maßnahme für nicht geeignet und sprechen uns gegen die Neufassung des erweiterten Familien- und Eherechts aus.
Wir halten es außerdem für falsch, die Anpassung des Familienrechts an das Grundgesetz mit anderen Reformvorschlägen zu verbinden. Unseres Erachtens muß die jetzige Reform auf die im Grundgesetz gestellte Aufgabe nach Art. 117 des Grundgesetzes beschränkt werden.
Diese Aufgabe ist auch in der Öffentlichkeit vor-
bereitet. Der Deutsche Juristentag von 1950 und
andere Fachkreise haben sich ausführlich zu diesen Problemen geäußert. Wir sind der Meinung, daß der materielle Inhalt auch fristgemäß bearbeitet werden kann, was bei der erweiterten Familienrechtsreform nicht möglich wäre.
Nicht einverstanden sind wir mit dem § 1354 BGB, der in der Gesetzesvorlage nur eine ganz geringe Änderung erfahren hat. Trotz seines jetzigen Wortreichtums ist das Entscheidungsrecht des Ehemanns voll und ganz in ihm verankert. Wir bedauern sehr, daß die Regierung diese familienfeindliche und verfassungswidrige Bestimmung in die Vorlage aufgenommen hat. Sie will ganz zweifellos dieses Recht dem Mann erhalten und verstößt damit gegen das Grundgesetz.
Die Regierung meint in ihrer Begründung, daß die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruhende Ehe leichter gefährdet sei als die unter der Vorherrschaft des Mannes stehende. Es ist nicht gesagt, auf welche Unterlagen die Regierung ihre Auffassung stützt. Bisher ist es aber eine Tatsache, daß der starke Zerfall und die Auflösung der Ehe in die Zeit der Vorherrschaft des Mannes fällt. Sollte die einseitige Bevormundung der Frau nicht auch eine Ursache sein? Ich bin überzeugt, daß die gleichmäßige Verteilung des Entscheidungsrechts auf beide Ehegatten den Gesamtcharakter der ehelichen Gemeinschaft hebt und zu ihrer Aufwärtsentwicklung beiträgt.
Wenn von bestimmter Seite darauf hingewiesen wird, daß in der Ehe nur der Mann entscheiden kann und daß die männliche Entscheidung der göttlichen Ordnung entspricht, so möchte ich diesen Kreisen sagen, daß nach der Bibel Gott dem Mann eine Gefährtin gab und keine Untertanin.
Weiter führt die Regierung in ihrer Begründung zu § 1354 aus, daß sie ihren abweichenden Standpunkt und die Beibehaltung des Entscheidungsrechts des Ehemanns auf Art. 6 des Grundgesetzes stütze. Nach ihrer Auffassung hat Art. 6 in bezug auf den Art. 3 einschränkende Wirkung. Diese Auffassung weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück. Nur die Ehe, die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruht, steht unter Verfassungsschutz. Der Art. 6 kann niemals eine Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz rechtfertigen. Das wird im besonderen durch die verschiedenen Protokolle des Parlamentarischen Rats unterstrichen.
Dieselben Widersprüche, die wir beim Entscheidungsrecht des Ehemanns haben, finden wir bei der Regelung der elterlichen Gewalt. Auch hier ist eindeutig das Entscheidungsrecht des Vaters festgelegt und damit gegen das Grundgesetz verstoßen. Es ist keine elterliche, sondern eine väterliche Gewalt, die man in der Gesetzesvorlage verankert hat. Warum soll die elterliche Gewalt nicht beiden, Vater und Mutter gleichmäßig, übertragen werden, übt doch in der Praxis in unzähligen Fällen die Mutter die elterliche Gewalt aus. Den Frauen ist es am unverständlichsten, daß man nicht bereit ist, Vater und Mutter gleiches Recht über ihre Kinder zu geben.
Viele Mütter haben jahrelang nicht nur hohe Opfer für ihre Familien auf sich genommen, sie waren auch jahrelang gezwungen, die elterlichen Pflichten allein auszuüben. Diese hohe Leistung der gegenwärtigen Müttergeneration hat der Gesetzgeber anzuerkennen.
Es ist wohl das mindeste, daß man diesen Müttern auch das gleiche Recht wie dem Vater überträgt. Die elterliche Gewalt muß nach unserer Auffassung gleichmäßig auf Vater und Mutter verteilt werden. Damit würde der Gesetzgeber das anerkennen, was in der Praxis längst Tatsache geworden ist.
Viel leichter als Rechte überträgt die Gesetzesvorlage auf die Frauen weitere Pflichten. Die Frage der Unterhaltspflicht ist in der Gesetzesvorlage neu geregelt. Sie hat für die Frauen eine erhöhte Verantwortung gebracht. Gegen die jetzt vorgeschlagene Regelung der Unterhaltspflicht ist sehr viel einzuwenden. Vor allem vermissen wir eine klare Formulierung und Abgrenzung der Aufgaben. Der Entwurf setzt bei der Frau eine Fülle von Leistungen voraus, da sie nicht nur das gemeinsame Hauswesen leitet, die Hausarbeit verrichtet und die Kinder versorgt; darüber hinaus verankert er ihre Pflicht, unter bestimmten Voraussetzungen erwerbstätig zu sein. Auf der anderen Seite hat der Ehemann nur die Pflicht, einen Beitrag zum gemeinsamen Unterhalt der Familie zur Verfügung zu stellen. So scheint uns die Unterhaltsregelung für die Familie untragbar. Zu allererst muß sichergestellt werden, daß die Frau nicht gesetzlich zu Doppelleistungen verpflichtet wird und der Ehemann nicht allein bestimmen kann, wann die Frau eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen hat. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, eine lebensnahe und vernünftige Regelung der Unterhaltspflicht vorzunehmen.
Die Neuordnung des Güterrechts ist nicht nur am dringendsten; sie ist im Gesetzentwurf am umfassendsten vorgenommen. Die Sozialdemokratische Partei hatte im Sommer dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Neugestaltung des Familienrechts vorbereitet. Wir glauben, daß dieser Vorschlag gegenüber dem der Regierung einige Verbesserungen enthält. Wie der Regierungsentwurf, gehen auch wir von der Gütertrennung und der Zugewinstgemeinschaft aus. Wir halten den Vorschlag der Regierung, die Teilung des Zugewinstes nach dem Gesichtspunkt des Einkommens nicht für richtig. In dieser Fassung zeigt sich, daß man den Gelderwerb von vornherein höher einschätzt als die Tätigkeit der Hausfrau und Mutter. Der Zugewinst hängt mehr oder weniger von der Arbeit der Frau ab. Von ihrer Tüchtigkeit und ihrer Leistung wird es abhängen, ob überhaupt Zugewinst vorhanden ist. Die Regelung in der Regierungsvorlage widerspricht der Gerechtigkeit und vor allen Dingen der Einheit der Ehe. Der Zugewinst ist nach unserer Auffassung zu gleichen Teilen auf die Eheleute zu verteilen.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf neben der Gütertrennung und dem Zugewinst das Hausgut vorgesehen. Es ist das erste Mal, daß das Hausgut im Güterrecht erscheint. Es umfaßt das Recht auf die Wohnung, den Hausrat sowie den Anspruch auf die Versicherungen. Es wird gemeinsames Eigentum, über das die Eheleute nur gemeinsam verfügen können. Damit hat die Familie zum erstenmal eine wirtschaftliche Sicherung in ihrem engeren Raum erhalten. Die Bedeutung des Hausguts liegt in dem Schutz und der Sicherung der Familie. Das zu erreichen, halten wir für eine der vordringlichsten und notwendigsten Maßnahmen. Ich hoffe, daß das Hohe Haus unserem Vorschlag folgen wird.
Ich erlaube mir, zu beantragen, den Entwurf, der seinerzeit von der Sozialdemokratischen Partei
ausgearbeitet wurde, neben der Vorlage der Regierung dem Ausschuß als Material zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Meitinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sinne des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes ist nur aus dem Grundgesetz selber und aus seiner Entstehungsgeschichte zu verstehen. In Art. 6 Abs. 1 stellt das gegenwärtig geltende Grundgesetz, ebenso wie das bereits in der Weimarer Verfassung der Fall war, neben den Grundsatz der Gleichberechtigung das Prinzip, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Die Begriffe der Familie und der Ehe werden im Grundgesetz selber nicht bestimmt, sie werden, als bereits institutionell gegeben, vorausgesetzt. Es kann sich hiernach nur um die bisher in Deutschland herkömmlichen Institutionen handeln. Das sind Ehe und Familie in der abendländisch-christlichen Prägung.
Das Ziel der gesetzlichen Regelung ist hiernach: Erhaltung und Schutz der Ehe abendländisch-christlicher Prägung in ihrer Grundstruktur. Die Gleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes ist nicht als eine weitgehende Verselbständigung und unterschiedslose Gleichstellung von Mann und Frau zu verstehen, sondern es ist bei dem Begriff der Gleichberechtigung von der Gleichwertigkeit auszugehen. Eine Gleichmacherei ist nicht das Ziel der Gleichberechtigung, vielmehr ist den unterschiedlichen Anlagen der Partner und den verschiedenen Funktionen von Mann und Frau in Familie und Staat Rechnung zu tragen. Auch eine Lebensgemeinschaft zwischen Ehepartnern, die nicht auf dem Boden der christlichen Anschauung und Lehre stehen oder den sakramentalen Charakter der Ehe leugnen, ist von starken ethischen Werten getragen und so sehr von unwägbaren subtilen Kräften beherrscht, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht nach den groben schematischen Maßstäben und Regeln eines ausschließlich oder überwiegend materialistisch-biologischen Zweckverbandes, sondern nur unter Berücksichtigung der von Natur gegebenen körperlichen und geistigen Unterschiede und Funktionen verwirklicht werden kann. Es muß vermieden werden, daß durch eine allzu weitgehende Verselbständigung der beiden Partner ehelockernde oder sogar -auflösende und -zerstörende Tendenzen geschaffen werden, statt durch eine sorgfältige Abstimmung und Abstufung bei der Verwirklichung der Gleichberechtigung ehefestigend zu wirken. Die Grundsätze der Gleichberechtigung und des Schutzes der abendländisch-christlichen Ehe sind entsprechend der natürlichen Ordnung zu einer harmonischen Einheit zu führen.
Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander ist danach zu streben, dem Grundsatz der Gleichberechtigung insoweit Rechnung zu tragen, daß diese in gegenseitigem Einvernehmen handeln und stets bemüht sind, bei Meinungsverschiedenheiten zu einer Einigung zu gelangen. Wird eine solche nicht erzielt, steht dem Ehemann der Stichentscheid zu. Diese Regelung bejahen wir auch hinsichtlich der Handhabung der elterlichen Gewalt. Diese soll dem Vater und der Mutter während der Dauer der Ehe gleichzeitig und nebeneinander zustehen. In Streitfällen bezüglich der Ausübung dieser Gewalt ist zwischen den Ehepartnern möglichst Einigung zu erzielen; gegebenenfalls ist dem Ehemann die Endentscheidung vorzubehalten. Das Familienleben soll sich möglichst in der Familie abspielen
und nicht ohne Not vor irgendein öffentliches Forum gezerrt werden.
Bezüglich der Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Ehegemeinschaft versucht der Entwurf, dem Grundsatz der Gleichberechtigung insoweit gerecht zu werden, als er den Güterstand der Gütertrennung als den Normgüterstand, den gesetzlichen Güterstand, einführt an Stelle des bisherigen allgemeinen Güterstandes, des Güterstandes der Nutznießung und Verwaltung des Mannes. Jeder der Ehegatten soll über sein eigenes Vermögen selbst verfügen und dieses selbst verwalten können. Für den Zugewinn während der Ehe ist dem Ehepartner für den Fall der Auflösung der Ehe ein entsprechender Ausgleich zu gewähren. Die erbrechtlichen Bestimmungen sind entsprechend anzupassen. Neben diesem gesetzlichen Güterstand, dem Zugewinngüterstand, sind vertragliche Güterstandsvereinbarungen zuzulassen. Solchen Neuerungsbestrebungen kann im Rahmen einer harmonischen Lösung der Frage der Gleichberechtigung in Verbindung mit der Erhaltung und dem Schutz der Ehe christlich-abendländischer Prägung auf Grund der natürlichen Ordnung Rechnung getragen werden. Es ist jedoch Aufgabe der Ausschüsse, den vorgelegten Regierungsentwurf bezüglich der ins Detail gehenden Bestimmungen unter den vorgenannten Gesichtspunkten eingehend zu prüfen, insbesondere darauf zu achten, daß nicht ehezerstörende Momente durch allzu starkes Eingreifen des Staates in die Ehegemeinschaft hineingetragen werden. Die Familie ist als primär, der Staat als sekundär zu sehen. Das Eingreifen der Gerichte in die eheliche Gemeinschaft ist auf das notwendigste Mindestmaß zu beschränken.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zunächst muß ich meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß so wenig männliche Kollegen im Saal sind.
Ich habe fast das Gefühl, als hätten sie den Kampf um die Gleichberechtigung schon aufgegeben.
— Na, Herr Wuermeling: Um wessen Gleichberechtigung? Daß sich dieses Gesetz auch mit der Gleichberechtigung des Mannes befaßt, das können Sie nachlesen, wenn Sie sich das Unterhaltsrecht ansehen; da ist das sehr klar dargelegt.
Von meinen Vorrednern ist schon soviel Schönes gesagt worden, daß ich mich auf die Dinge beschränken möchte, die wirklich unmittelbar mit dem Gesetz etwas zu tun haben. Es ist wohl unbestritten, daß keiner von uns die Absicht hat, ein Gesetz zu schaffen, das in irgendeiner Form dem Wesen und dem Bestand der Ehe widerstrebt.
Nur sind die Ansichten drüber ein wenig verschieden,
ob die Formulierungen, wie sie im Gesetz vorgesehen sind, wirklich diesem Erfordernis gerecht werden.
Ich bin sehr froh darüber, daß der Herr Justizminister in seinen Ausführungen zum § 1354 bereits die Ansicht ausgesprochen hat, die auch meine Partei vertritt. Wir meinen, in einem Gesetz, in dem die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert ist, hat eine Bestimmung, wie sie in § 1354 formuliert ist, nicht zu erscheinen, weil sie nämlich dem Grundgesetz widerspricht.
Es ist nicht richtig, wenn heute gesagt wird, daß die strikte Durchführung des Art. 3 des Grundgesetzes dem Art. 6 entgegensteht.
Es ist sehr wohl möglich, daß in einer guten Ehe beide Partner gleichberechtigt sind, ja, ich möchte sogar sagen: das ist die gute Ehe und das ist die echte christliche Ehe, bei der beide miteinander alles beraten, miteinander alles entscheiden, alle Sorgen und alle Verantwortung miteinander tragen.
Wenn ein Teil eine Vormachtstellung hat — und es wäre eine Vormachtstellung des Mannes, wenn der § 1354 in dieser Form bestehenbliebe —, besteht die Gefahr, daß der Sinn und der Wert der Ehe zerstört werden.
Ich weiß, daß Sie mir sagen werden: Es gibt Fälle, in denen die Ehegatten nicht einig sind. Ja, wenn es nur Mann und Frau betrifft und wenn beide nicht einig sind, dann vermag ich überhaupt nicht einzusehen, warum immer irgendeine Entscheidung gefällt werden soll. Dann bleibt eben mal die Entscheidung weg. Dann wird es nicht so wichtig gewesen sein, was da entschieden werden sollte. Oder wenn beide Teile ehewillig sind, dann wird auch einmal ein Teil still sein, wenn der andere eine Entscheidung gefällt hat, die nicht in seinem Sinn ist. Glauben Sie wirklich, daß Sie in schlechten Ehen, wo wirklich nichts zu retten ist, die Ehe retten, wenn Sie dem Mann das letzte Entscheidungsrecht geben? Ich bin aber der Überzeugung, daß sich in vielleicht noch zu rettenden Ehen dann die Fronten nur versteifen und die Ehen restlos zerrüttet werden.
So meinen wir, wir sollten in dem Gesetz nicht erst eine Bestimmung verankern, durch die letzten Endes dem Mann die Möglichkeit gegeben wird, praktisch ohne sich um die Einwilligung der Frau zu bemühen, eine Entscheidung zu fällen. Wenn Sie meinen, daß das dem christlichen Sinn der Ehe nicht gerecht wird, ja, meine Herren und Damen, hat denn das alte Eherecht wirklich immer christliche Ehen dadurch gewährleistet, daß es die patriarchalische Ordnung enthielt?
Ich bin der Ansicht, daß es nicht möglich ist, das so zu regeln. Im Gegenteil, wenn wir dem Mann eine Vormachtstellung und die letzte Entscheidung einräumen, wird unter Umständen der böswillige und ehefeindliche Mann, nämlich derjenige, der aus der Ehe herausstrebt, die Frau ins Unrecht setzen. Er wird sie schikanieren und sie letzten Endes in die
Rolle des Ehestörers hineindrängen. Der § 1354 hat früher schon selbständig keine Rolle gespielt. Es ist aus diesem Paragraphen kaum einmal geklagt worden. Aber beim Ehescheidungsprozeß war es letzten Endes oft von sehr großer Bedeutung, ob die Frau den Weisungen des Mannes gefolgt war.
Etwas anderes! Wenn wir den § 1354 in dieser Form beibehalten, dann ist es sehr bedenklich, die Unterhaltsregelung in der Form zu belassen, wie sie jetzt im Gesetz vorgesehen ist. Denn dann hat ja praktisch der Mann zu bestimmen, ob der Beitrag der Frau zum Unterhalt ausreicht oder ob sie nicht vielleicht auch noch außerhalb der Ehe erwerbstätig sein muß. Diese Bestimmung des § 1354 ist im Zusammenhang mit dem Unterhaltsrecht sehr gefährlich. Die Erwerbstätigkeit der Frau sollte in 'die eigene selbstverantwortliche Entscheidung der Frau gestellt werden. Auch wir sind der Ansicht, daß, wenn sie durch die Eheschließung Pflichten übernommen hat, diese Pflichten vorgehen sollen und daß sie sich überlegen muß, ob sie in der Lage ist, die freiwillig übernommenen Pflichten mit ihrem Beruf in Einklang zu bringen.
Ich wäre sehr froh, wenn man bei diesem Paragraphen, der von der Erwerbstätigkeit der Frau spricht und ihr die Pflicht auferlegt, bei ihrem Beruf auf die Familie Rücksicht zu nehmen, vielleicht auch einen kleinen Satz anfügte, daß auch der Mann sich der Pflichten bewußt sein soll, die er gegenüber der Familie hat und die weit über das hinausgehen, was er durch den Verdienst für die Familie erfüllt zu haben glaubt. Wir sollten auch den Mann mehr daran binden, an die Pflichten innerhalb der Familie zu denken und sich nicht nur als der Geldverdiener und der Ernährer — im engeren Sinn des Wortes — der Familie zu fühlen.
Wenn wir heute - und da muß ich leider sagen, daß meine Fraktion in dem Punkt, den sich jetzt besprechen will, nicht ganz einig ist — zu diesem Entwurf sprechen, möchte ich allerdings auch unsere Stellungnahme zu § 1628 des Entwurfs vortragen, und zwar sowohl von dem Standpunkt der einen Seite aus als auch von dem der andern. Ein Teil meiner Freunde ist der Ansicht, daß durch die Lösung, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, die beste Lösung im Interesse des Kindes gefunden ist, der andere Teil — und dazu gehöre natürlich ich —ist eben der Ansicht, daß das nicht die beste Lösung ist, sondern daß es im Gegenteil im Interesse des Kindes liegt, wenn sich beide Teile einigen müssen und wenn sie es nicht tun, eventuell beide, nämlich Vater und Mutter, zum Vormundschaftsrichter gehen müssen.
Wenn Sie schon sagen, meine Herren, daß ein Teil entscheiden muß, dann steht die Mutter dem Kind ja noch näher als der Vater. Sie umsorgt das Kind. Sie wollen doch immerhin die Verhältnisse bei uns nicht verkennen. Der Vater hört ja in der Regel das meiste über das Kind nur über die Mutter; denn er ist ja meistens den ganzen Tag nicht da.
— Aber, meine Herren, wir Frauen sind ja gar nicht so, wir überlassen Ihnen ja die volle Mitbestimmung!
Wir halten es nicht für gut,
wenn nur ein Teil, nach dem Entwurf der Vater, entscheidet. Wir halten es deswegen nicht für gut,
weil die Autorität der Mutter erheblich herabgemindert wird, wenn sie sich zuletzt immer dem Willen des Vaters beugen muß.
— Gut, ich weiß, Sie sagen mir, in guten Ehen kommt das nicht vor. Aber, meine Herren, das ist ja überhaupt kein Gesetz für die guten Ehen, das ist doch nur ein Gesetz für die schlechten Ehen, ebenso wie das Strafgesetzbuch ja letzten Endes nicht für die ist, die nicht straffällig werden. Wenn beide im Fall der Nichteinigung genötigt sein werden, zum Vormundschaftsrichter zu gehen, dann glaube ich, das sich das alle sehr überlegen werden; und der Weg zum Vormundschaftsrichter wird noch weit seltener beschritten werden, als-es bisher der Fall war. Mir scheint, wenn man nur dem einen Teil letztlich die Entscheidung aufbürdet — und ich weiß, meine Herren, daß Sie das ja nicht als ein Vorrecht, sondern als eine Pflicht empfinden —, ist die Ehe wirklich gefährdet, wird der Streit in die Familie wesentlich mehr hineingetragen, als wenn der Vater von vornherein weiß: Ich muß mir überlegen, ob ich es so tun kann, ich muß weit mehr als bisher auf die Frau Rücksicht nehmen.
Wenn wir schon von Gleichberechtigung reden, dann muß ich Ihnen auch eines sagen. Wenn dieses Gesetz nur für schlechte Ehen in Frage kommt — und das ist der Fall, wie ich schon einmal sagte —, dann vermag ich nicht einzusehen, warum man die Frau schlechter stellen soll, indem man ihr das Odium aufbürdet, daß sie ihre familiären Dinge
aus der Ehe zum Richter trägt.
Das ist eine wesentliche nicht nur rechtliche, sondern meines Erachtens auch eine moralische Schlechterstellung der Frau. Ehe eine Frau sich dazu entschließt, hat sie meistens schon ein Martyrium hinter sich. Wenn sie heute zum Vormundschaftsrichter geht und erreicht, daß dem Vater in der einen oder anderen Sache die Entscheidung genommen wird, dann ist die Ehe sicher kaputt. Erreicht sie es nicht, dann hat sie bestimmt ein Martyrium. Ob beide Situationen für die Kinder richtig sind, das möchte ich Ihrer Entscheidung überlassen.
Meine Herren, ist es nicht wirklich grotesk, wenn man sich überlegt, daß eine Frau hier im Bundestag durch ihre Stimme über das Geschick einer ganzen Nation entscheiden kann, während sie zu Hause, wenn sie vielleicht mit ihrem Manne gerade nicht so gut steht, sich dem Votum des Mannes fügen muß?
Unter Umständen könnte der Mann dann auch sagen: Du darfst nicht in den Bundestag gehen.
Wieweit das geht, das werden Sie wohl nicht verantworten können.
Aber das ist nicht das einzige, was ich an dem
Gesetz zu beanstanden habe. Ich finde auch, daß
die Frage des Aussteueranspruchs der Tochter
nicht ganz gerecht geregelt ist. Ich bin absolut der
daß sie in der alten Form antiquiert
ist. Aber sollte man nicht, wie der Bundesrat vorschlägt, eine Lösung finden, daß Sohn und Tochter entweder ein Anspruch auf eine Ausstattung oder
auf eine Berufsausbildung gegeben wird? Ich glaube, daß man die Frage einmal ventilieren sollte.
Wenn wir schon zum Ehescheidungsrecht noch einmal Stellung nehmen sollen, dann möchte ich sagen, daß es mir an sich lieber gewesen wäre, wir waren zum Verschuldensprinzip zurückgekommen Meine Fraktion ist anderer Meinung. Wenn aber schon das Zerrüttungsprinzip gewählt wird, dann, meine Herren, darf es nicht weiter gefaßt werden, als es der Gesetzentwurf vorsieht.
Zum Schluß habe ich noch eine persönliche Bitte, vor allem an meine männlichen Kollegen.
Bitte, lassen Sie die Erörterung dieses Gesetzentwurfes nicht zu einem Kampf gegen die Gleichberechtigung der Frau werden.
Ich glaube, daß Sie damit allen, und auch sich selber, keinen guten Dienst erwiesen.
Es ist einfach nicht mehr möglich, daß der Frau eine andere Stellung eingeräumt wird als die des gleichen Rechts auf Grund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Leistung. Bedenken Sie, daß nur Mütter, die in freier, selbstverantwortlicher Weise in der Familie wirken, auch freie und verantwortungsbewußte Staatsbürger erziehen können.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Beratung stehende Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Durchführung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes beschäftigt, wie wir alle wissen, seit Monaten in dem Für und Wider die Öffentlichkeit. Es sind nicht nur die Frauen, um deren gesetzliche Besserstellung es in diesem Gesetzentwurf geht, vielmehr spürt man in allen ernsthaften Diskussionen, daß diese Frage der Stellung der Frau in der Gesellschaft in ihrer vollen Bedeutung anerkannt wird. Weiterhin ist es interessant, daß die jüngere Generation — auch die jüngere Generation der Männer — sich in der vollen Bejahung der Gleichberechtigung der Frau viel aufgeschlossener zeigt als die ältere. Eine Befragung des EMNID-Instituts zu dieser Frage ergab z. B., daß von den Befragten im Alter von 16 bis 30 Jahren 45 % voll, 27 % mit Einschränkungen dafür waren. Dagegen waren es im Alter von 31 bis 65 Jahren nur noch 32 % und über 65 Jahre nur noch 20 %.
Es ist weiterhin interessant, daß der höchste Prozentsatz für die volle Gleichberechtigung der Frau nach diesen Untersuchungen bei den Angehörigen der freien und selbständigen Berufe, der Beamten und Angestellten liegt, nämlich 47 %. Bei den Arbeitern sind es 38 %. Der niedrigste Prozentsatz liegt bei den Landwirten mit 25 %.
Aus solchen Untersuchungen geht wohl hervor, wie sehr diese Frage auch in der soziologischen und sozialen Bewertung der Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft eine Rolle spielt und nicht
zuletzt — das ist auch schon angedeutet worden — ein Generationsproblem ist.
Bei der Kürze der Redezeit, die mir zur Verfügung steht, kann ich nur stichwortartig zu den wichtigsten Artikeln des Gesetzes, nämlich zu § 1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der das Verhältnis der Ehegatten zueinander bestimmt, und zu den §§ 1627 und 1628 über die elterliche Gewalt und die Stellung des Vaters, sprechen. Es scheint mir unnötig zu sein, all das zu wiederholen, was von ,den Vorrednern aus juristischen oder grundsätzlichen Erwägungen zur Begründung ihrer Zustimmung oder Ablehnung ausgeführt worden ist. Bei der Bedeutung dieser Rechtsreform und bei der Tragweite der Entscheidung darüber liegt auch die Gefahr nahe, daß man nur vom juristischen, d. h. schematischen Gleichberechtigungsanspruch ausgeht und dabei. die Beziehungen von Mann lind Frau, um die es in der Ehe und in der beiderseitigen Stellung im Familienleben geht, nicht genügend bewertet. Es muß zweifellos ausgesprochen werden, daß eine Reform des Familienrechts und der Stellung der Frau und der Familie in ihrer Reichweite nicht nur für die gegenwärtig lebende Generation bestimmend ist, sondern vielleicht auf Jahrhunderte hinaus das Gesellschaftsbild unseres Volkes gestalten wird.
Darum scheint es mir notwendig zu sein, die in dem Regierungsentwurf vorgesehene Vormachtstellung des Mannes in Ehe und Familie nicht nur von der Rechtsstellung der Eheleute, sondern auch von der Bedeutung der Ehe und Familie her zu betrachten, wie es auch eine Reihe von Vorrednern getan haben.
Von allen Kreisen, die sich mit der heutigen Situation von Ehe und Familie beschäftigen, wird
überwiegend festgestellt, daß deren Festigkeit seit der Jahrhundertwende, insbesondere seit dem ersten Weltkrieg, nachgelassen hat. Die starke Zunahme der Ehescheidungen spricht dafür ein beredtes Wort. Dabei braucht man nicht von einem generellen Zerfall unserer Ehen und Familien zu sprechen., wie es heute geschieht. Zu allen Zeiten hat sich die Familie als die menschliche Gemeinschaft erwiesen, die auch in Krisenzeiten in ihrer Grundlage nicht zerstört werden kann. Die Familie bestimmt in ihrer Festigkeit und Lockerung in entscheidendem Maße das Volks- und Gesellschaftsbild.
Ich muß zum Schluß kommen. Lassen Sie mich in der Betrachtung doch noch eine sehr wichtige Erkenntnis herausstellen, die nach meiner Ansicht in der Debatte nicht genügend zum Ausdruck gekommen ist. Die Frau stellt in unserer Zeit die tragende Kraft im Zusammenhalt von Ehe und Familie dar. Die Erziehung der Kinder liegt doch vorwiegend in ihren Händen. Der im Gesetz erhobene Vorrechtsanspruch ides Mannes setzt für ihn eine Position in der Familie voraus, die er in der Mehrzahl der Familien heute nicht mehr besitzt. Deshalb scheint es mir notwendig zu sein — nicht allein aus rechtlichen Gründen., sondern auch verstärkt aus der tatsächlichen Stellung, die die Frau in der Familie heute einnimmt —, ihr durch das Gesetz die Grundlagen und die Anerkennung zu geben, die sie entsprechend ihrer Leistung und Stellung in der Familie verdient. Damit würden wir auch dem § 6 unseres Grundgesetzes am besten Rechnung tragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und auch Kollegen, soweit Sie anwesend sind! Es scheint besonderer Mut dazu zu gehören, jetzt als Mann die Tribüne zu betreten. Ich habe gehört, daß Frau Dr. Ilk „für die Frauen", also für sämtliche deutschen Frauen, gesprochen hat.
Ich lehne es ab, für die Männer zu sprechen, jedenfalls nicht für alle.
Ich bin mir bewußt, ,daß ich mit einigen Kollegen, z. B. der SPD, keineswegs übereinstimme, und erinnere daran, daß wir uns alle, Frauen und Männer, nach dem Grundgesetz als Vertreter des ganzen Volkes fühlen sollen, die Frauen also nicht allein für die Mehrheit der Frauen und wir armen Männer nicht für die Minderheit der Männer.
In diesem Sinne möchte ich für meine Fraktion zunächst grundsätzlich erklären, daß es kein Wunder ist, daß das Bürgerliche Gesetzbuch, das in den Jahren zwischen 1870 und 1890 entworfen und fortgebildet, 1896 beschlossen wurde und 1900 in Kraft getreten ist, in seinem materiellen Ehebestandsrecht, nicht im Scheidungsrecht, nach zwei erschütternden europäischen totalen Kriegen mittlerweile erneuerungsbedürftig ist.
Darüber kann kein Zweifel sein. Und darüber, daß es auch ohne den geharnischten Befehl in den Artikeln 3 und 117 des Grundgesetzes allerhöchste Zeit ist, gewisse Unmöglichkeiten des gegenwärtigen Ehe-, insbesondere Ehegüterrechts, abzustellen, sollte im ganzen Hause eine völlig einhellige Ansieht obwalten, ob Mann, ob Frau, ist egal.
Aber über die Frage, was nun „Gleichberechtigung" bedeutet, meine lieben Freunde — ein Schlagwort, das mittlerweile sicherlich hundert Jahre alt ist —,
darüber kann man nicht nur wissenschaftliche Doktorarbeiten schreiben, darüber kann man auch in ethisch-philosophischen Denkergemeinschaften vielleicht Monate tagen, ohne zu einer Übereinstimmung zu kommen; denn das hängt schließlich etwas von dem Boden ab, auf dem man Fuß gefaßt hat.
Nun darf ich dazu einmal folgendes sagen, wobei ich keineswegs weiß, ob jede Frau und jeder Mann meiner Fraktion es auch so begründen würden. Aber ich sehe es wie folgt: Die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann besteht, wo zwei Individuen, a) Mann, b) Frau einem Dritten c) gegenüberstehen. Gegenüber einem Dritten ist es im Rechtlichen ganz gleichgültig, ob da eine Frau oder ob da ein Mann steht. Aber Mann und Frau in der Ehe? Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das „zwei" bleiben, dann ist die Ehe vom ersten Tag an kaputt.
Wenn die nicht eine Einheit werden, wenn zwischen diesen Partnern eine Gleichberechtigung gefordert wird, dann ist das dasselbe, wie wenn Sie von dem Bauch des Menschen verlangen, daß er ebenso wie das Gehirn funktionieren soll. Erst beides zusammen gibt einen vollen Menschen.
— Jawohl, das sind organische Unterschiede, da gibt es keinen Zweifel. Wir haben deswegen auch niemals daran Anstoß genommen, daß eine Frau mit 16 Jahren heiratet, und niemals hat ein Mann ge-. fordert, auch mit 16 Jahren heiraten zu dürfen. Warum diese Verschiedenheit? Wie ist das mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar? „Erkläret mir, Graf Oerindur . . . !" Das liegt in der Natur der Sache, und ebenda liegt denn auch vieles andere in der Ehe, über das man nicht weiter reden sollte, nämlich in der Natur der Sache.
Insbesondere liegt es in der Natur der Ehe, daß keineswegs gesagt, ja, bei guten Ehen wohl gar zu verneinen ist, ob der sich nach außen noch so energisch gebärdende Mann in der Ehe wirklich immer der starke, herrschende Teil ist.
Ich sage Ihnen ganz offen, daß man, je protzenhafter der Mann nach außen hin auftritt, bezüglich seines Innenverhältnisses um so skeptischer sein muß. Deswegen hat Herr Kollege Weber so elendiglich recht, wenn er sagt, daß es eine Anmaßung des Gesetzgebers ist, hier alles und jedes so regeln, zu wollen, daß es nun keinen Anstoß in der Ehe mehr gibt. Das ist die Quadratur des Zirkels. Damit werden wir bis zum 31. März 1953 nicht und auch nicht bis zum 31. März 1973 fertig, denn das ist urregelbar. Ich übergehe daher den immer wieder zitierten § 1354.
Ich frage mich auch, ob das alles wirklich so mit der Weisheit letztem Schluß geregelt ist. Ich muß zunächst einmal sagen: mir würde es, materialistisch gesehen, mehr anstehen, zu erklären, daß in den wichtigen Dingen, d. h. in den Dingen, die etwas kosten, der Ehegatte entscheidet, der für die Ehe arbeitet, nicht der kranke Mann, der gar nichts verdient, sondern dann die Frau, die mit unendlichem Bärenfleiß hinter den Geschäften herläuft und die trotzdem zu Hause nichts zu sagen haben soll. Nein, wer durch seine Arbeit die Kosten bestreitet, wer die Familie ernährt, der soll das größere Recht haben — ob Mann oder Frau, ist° mir dabei ganz gleichgültig —, wobei ich davon ausgehe, daß der verdienende Ehepartner auf Grund seines Arbeitens in der Gesellschaft und durch seine Stellung im Leben immerhin ein mächtiger Faktor ist.
Umgekehrt habe ich mich gewundert, daß in diesem Gleichmachungsgesetz nichts über den Fall drinsteht, daß der Mann wegen Unfähigkeit, wegen Bresthaftigkeit oder Lebensuntüchtigkeit nicht arbeiten kann oder will und daß daher die Frau arbeiten muß. Warum soll der Mann dann eigentlich keine Hausarbeit machen? Warum soll er sich dann auf die faule Haut legen können und nicht den Dienstboten ersetzen? Das sehe ich nicht ein. Wenn wir von Gleichberechtigung reden — und ich rede hier sozusagen als Geschlechtsloser —,
dann bitte für beide Teile!
— Das kann man in meinem Alter, das ist das: Komische, man wird dann sehr gerecht!
— Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich über die Heiterkeit. Aber ich meine, diese Gesichtspunkte sollten zum Tragen kommen.
Ich möchte aber noch etwas weiteres sagen, warum ich die Lösung dieser Gleichheitsidee im Interesse der Frauen für vollkommen unmöglich halte.
Ich meine den § 1579, auf den, glaube ich, Kollege Weber schon hingewiesen hat und dessen Gestaltung für mich völlig unannehmbar ist. Heute ist es so, daß der allein für schuldig erklärte Mann grundsätzlich der Frau Unterhalt nach der Scheidung zu leisten hat, es sei denn, daß ihr nach ihrer Ausbildung oder nach den sonstigen Umständen eine eigene Arbeit zuzumuten ist. Die Regel: es ist ihr nicht zuzumuten, wenn sie minderjährige Kinder hat.
Heute heißt es: Der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Ehegatte hat dem anderen Unterhalt zu gewähren. Die Frau, die meinetwegen vor 20 Jahren einen Beruf aufgegeben hat, 20 Jahre Haushaltsträgerin war, dort gearbeitet und keinen Pfennig verdient hat, die sich dann eines Fehltritts schuldig gemacht hat und bei der Ehescheidung als schuldig verurteilt wird, wobei der Mann froh ist, sie loszuwerden, — diese Frau muß dann den Mann unterhalten? Das ist mir ganz unbegreiflich! Wie kommt sie dazu? Wovon soll sie es denn machen? Sie hat ja gar keinen Beruf mehr und kann nichts! Nein, der Ehegatte, der in der Ehe den Verdienst durch seine Arbeit herbeigeführt hat, muß dem anderen, wenn er unschuldig ist, weiterhin Unterhalt gewähren. Eine andere Lösung halte ich für unmöglich.
Ich sage ganz offen: Es ist nicht denkbar, innerhalb der kurzen Redezeit zu den vielen Problemen in diesem Gesetz mehr oder weniger humorvoll oder ernst Stellung zu nehmen. Es ist ja auch schon sehr vieles gesagt. Ich muß nur zum Schluß noch eines sagen: Wenn unser verehrtes Kabinett drei Jahre, ja vielleicht schon über drei Jahre dazu gebraucht hat, um uns nun diese Vorlage vorzulegen — und das Kabinett besteht, wenn ich nicht irre, aus 14 Ministern —, so ist es für den Bundestag, der aus 402 Abgeordneten besteht, eine Zumutung, damit in drei Monaten fertigzuwerden. Ich will aber gern hoffen, daß es gelingt. Wenn es gelingt, so nur deshalb, weil ich mit Herrn Kollegen Weber als Rechtskenner die Vorlage für eine ganz ausgezeichnete Arbeit und Verhandlungsgrundlage halte, die wir nicht, meine ich, von A bis Z umzuformen brauchen, wo wir nur zu den einzelnen strittigen Bestimmungen, für die wir am besten besondere Unterausschüsse bestellen,
uns klarzuwerden haben. Ich bin der Ansicht, daß es möglich ist, fertigzuwerden und hoffe, daß es geschieht.
Dann noch ein ganz kurzer Schlußhinweis. Man sagt mir, daß in sozialpolitischen Gesetzen und auch wohl anderwärts noch, jedenfalls in Gesetzen, die nicht unter der Kontrolle des Justizministeriums stehen, Vorschriften enthalten seien, in denen der Gleichberechtigungsgedanke, und zwar der echte, nicht gewahrt ist. Ich bitte vorzusorgen, daß wir in dieser Beziehung nicht in den Zustand des Rechtschaos versinken, wie der Herr Minister der Justiz schon zu Beginn gesagt hat.
Ich wünsche der Vorlage eine möglichst rasche, gründliche und aufgeschlossene Bearbeitung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strohbach.
Meine Herren und Damen! Art. 3 des Grundgesetzes sagt absolut eindeutig: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt".
Das ist kein formaler Grundsatz, sondern ein durchaus reales Grundrecht, dem der Zusatz angefügt
ist, daß alle Gesetze, die diesem Grundrecht entgegenstehen, bis spätestens 31. März 1953 außer Kraft gesetzt und durch neue ersetzt werden müssen. Die Adenauer-Regierung hat sich damit bis zum allerletzten Termin Zeit gelassen, und wir haben die Befürchtung, daß sie es in der Absicht tut, mit diesem bedeutungsvollen Gesetz ebenso zu verfahren wie mit manchem anderen zuvor, nämlich es mit möglichster Eile über die Bühne gehen zu lassen, um die ihr unliebsame Diskussion darüber möglichst abzukürzen.
Wenn man den Gesetzentwurf durchsieht, erfährt man auch, warum die Regierung ihn so spät vorlegt. Es ist offenkundig, daß sie eine wirkliche Gleichberechtigung der Frau nicht will. Der Gesetzentwurf der Regierung beläßt es in den entscheidenden Punkten bei dem bisherigen Zustand des männlichen Vorrechts. Der vorliegende Entwurf hat deshalb auch das gleiche Schicksal erlebt wie alle wichtigen Gesetzentwürfe vorher. Diejenigen, die er in erster Linie betrifft, nämlich die Frauen, lehnen ihn eindeutig ab. Alle Frauenorganisationen, die sich bisher zu dem Entwurf geäußert haben, verwerfen ihn entweder ganz und bezeichnen ihn mit Recht als verfassungswidrig, oder sie lehnen ihn mindestens in seinen entscheidenden Teilen ab. Das hat seinen Grund in der einfachen Tatsache, daß in diesem Entwurf in allen wesentlichen Fragen nur eine Neuformulierung der bisherigen Vorrechte des Mannes enthalten ist, die das der Frau im Grundgesetz zugestandene Recht ebenso ignoriert wie die Wirklichkeit des Lebens. Sie restauriert Rechtszustände, die schon bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor rund 50 Jahren von allen fortschrittlichen Menschen jener Zeit als veraltet bezeichnet und heftig umstritten worden waren.
Der reaktionäre Charakter der Regierungsvorlage wird besonders deutlich im § 1354, in dem es zwar heißt:
Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die Ehe und Familie betreffen, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.
Diese richtige Feststellung wird aber im gleichen Paragraphen sofort wieder illusorisch gemacht durch den Satz:
Ist dies nicht möglich, so ist der Mann berechtigt und verpflichtet, unter Berücksichtigung der Auffassung der Frau die Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die dem wohlverstandenen Interesse der Ehegatten nicht entspricht, ist für die Frau nicht verbindlich.
Hier soll also festgelegt werden, daß es im Falle von Meinungsverschiedenheiten beim Stichentscheid des Mannes bleibt. Wenn die Frau damit nicht einverstanden ist, dann fängt für sie erst der Kampf um ihr gutes Recht an.
In § 1356 heißt es:
Die Frau ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, aber dieses Recht wird sofort wieder eingeschränkt durch den Nachsatz:
soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.
In § 1360 heißt es dagegen:
Sie ist . . . verpflichtet, erwerbstätig zu sein, wenn die Arbeitskraft des Mannes und die Vermögenseinkünfte der Ehegatten nicht ausreichen, um den angemessenen Unterhalt zu bestreiten.
Das heißt also: die Regierung will durch dieses Gesetz den Frauen die alleinige Pflicht zur Betreuung der Familie, aber auch die Pflicht zur Erwerbstätigkeit bei ungenügenden Einkünften des Mannes auferlegen. Ihre Rechte, in diesen Fragen selbst entscheiden zu können, sind aber jeweils durch den Stichentscheid des Mannes außer Kraft gesetzt.
Diese Vorschrift halten wir aber auch aus einem anderen Grunde für verwerflich. Damit kann sich nämlich der Staat im Falle von Krankheit oder sonstiger Erwerbsbeschränkung _des Mannes auf dieses Gesetz berufen und von der Ehefrau verlangen, daß sie für den Unterhalt der Familie aufkommt. Einer solchen unerhörten Abwälzung sozialer Verpflichtungen des Staates auf die Frau müssen wir schärfstens widersprechen.
Besonders kraß tritt der reaktionäre Geist des Gesetzes dort in Erscheinung, wo es sich mit der Betreuung und Erziehung der Kinder beschäftigt. Schon allein die Tatsache, daß hier fortgesetzt von elterlicher Gewalt statt von elterlicher Sorge die Rede ist,
zeigt, wes Geistes Kind die Verfasser dieser Vorlage sind. Aber auch in diesem ganzen Kapitel ist die unbedingt notwendige Verpflichtung
zur gemeinsamen Entscheidung ersetzt durch den Stichentscheid des Vaters.
Angesichts dieser wenigen Beispiele darf man wohl sagen, daß ein solches Gesetz mit Gleichberechtigung nichts zu tun hat.
Der vorliegende Entwurf ist überhaupt nur ein Teil der Maßnahmen, die notwendig sind, um die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau herzustellen, und er ist nicht einmal der entscheidendste Teil. Um die Gleichberechtigung der Frau zu verwirklichen, muß man ihr zuallererst volle soziale Sicherheit geben. Das kann aber nur erreicht werden, wenn man den Frauen das Recht auf freie Berufswahl, eine gründliche Berufsausbildung in diesem selbsterwählten Beruf und die Sicherung aller Aufstiegsmöglichkeiten einräumt und wenn man die immer noch bestehende Ungleichheit in der Entlohnung beseitigt.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit — das ist längst nicht mehr nur eine Forderung der Sozialisten, sondern eine Forderung der ganzen Frauenbewegung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund muß es sich deshalb zum Grundsatz machen, daß kein Tarifvertrag mehr abgeschlossen wird, in dem diese Forderung nicht berücksichtigt ist.
In der Begründung der Regierung zu der Gesetzesvorlage heißt es, daß es eine Auffassung gebe, die die Gleichbehandlung von Mann und Frau als Gleichmacherei ablehne und zu dem Schluß komme, daß die physiologischen und funktionellen Verschiedenheiten der Geschlechter zu berücksichtigen seien. Es wäre viel ehrlicher gewesen, wenn die Regierung gleich gesagt hätte, daß sie aus dieser Verschiedenheit die Minderberechtigung der Frau ableite; denn aus dem Gesetzentwurf geht j a hervor, daß eben in allen Angelegenheiten des ehelichen und häuslichen Lebens, der Erziehung der Kinder usw. die letzte Entscheidung beim Manne bleibt. Ausgerechnet auf dem Gebiet also, auf dem die Frau von Natur aus unbestreitbar über das bessere Einfühlungsvermögen verfügt, will ihr dieser Regierungsentwurf
den männlichen Stichentscheid zumuten. Damit beleidigt die Regierung all die Millionen Frauen, die in einem unerhört harten Lebenskampf um die Erhaltung ihrer Familien stehen und von denen eher mehr als weniger verlangt wird als von den Männern. Es wird behauptet, der Stichentscheid des Mannes sei unentbehrlich, denn einer müsse j a den Ausschlag geben. Das ist nicht wahr und durch die Wirklichkeit bereits widerlegt.
Wir sind in dieser Frage völlig einer Meinung mit den zahlreichen Frauenverbänden, die verlangen, daß in allen diesen Fragen nur die gemeinsame Entscheidung gelten soll. Dieser Grundsatz gilt z. B. in der Deutschen Demokratischen Republik,
seitdem die dortige Verfassung in Kraft ist, und es hat sich erwiesen, daß er richtig und auch realisierbar ist. Es könnte uns überhaupt sehr von Nutzen sein, wenn wir uns auf dem Gebiet der Gleichberechtigung der Frau die diesbezügliche Gesetzgebung der DDR zum Vorbild nehmen würden.
Dort ist die volle Gleichberechtigung der Frau sofort mit der Verkündung der Verfassung in Kraft getreten und durch das Gesetz zum Schutze von Mutter und Kind und über die Rechte der Frau vervollständigt worden. Es heißt z. B. in diesem Gesetz in § 14:
Die Eheschließung hat für die Frau keine Einschränkung oder Schmälerung ihrer Rechte zur Folge. Das bisherige Alleinbestimmungsrecht des Mannes in allen Angelegenheiten des ehelichen Lebens ist zu ersetzen durch das gemeinsame Entscheidungsrecht beider Eheleute.
Selbst namhafte Wissenschaftler wie z. B. Professor
Dr. Hedemann haben erklärt, daß diese Seite der
Rechtsentwicklung in der DDR einen belebenden
Wert habe.
Frau Kollegin Jaeger hat in einem Schreiben an -die Abgeordneten behauptet, daß die meisten Ehefrauen die männliche Autorität erhalten wissen möchten und daß die wenigsten die persönliche und geistige Freiheit wünschen. Das ist eine unerhörte Unterstellung, die ich im Namen all der Frauen zurückweise, die in der Vergangenheit bewiesen haben, daß sie bereit und auch imstande sind, gleichberechtigt mit dem Mann und gemeinsam mit dem Mann das Leben zu meistern. Unsere Aufgabe muß es sein, den Frauen dieses Recht durch eine fortschrittliche Gesetzgebung zu garantieren. Der vorliegende Entwurf tut genau das Gegenteil. Wir möchten hoffen, daß die vielen guten und fortschrittlichen Vorschläge der Frauenverbände in diesem Gesetz Aufnahme finden, und fordern alle Frauen und auch die fortschrittlichen Männer auf, noch mehr als bisher und noch vernehmbarer als bisher ihre Meinung zu sagen und sich für eine fortschrittliche Gesetzgebung auf dem Gebiete der Gleichberechtigung von Mann und Frau einzusetzen. An den Frauen selbst wird es dann liegen, einem solchen Gesetz Leben und Inhalt zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir würden -der uns vom Grundgesetz gestellten Aufgabe nicht gerecht werden, wenn wir die Aussprache über die Gleichberechtigung nur
unter dem Gesichtspunkt des Juristisch-Theoretischen oder nur unter allgemein politischen Gesichtspunkten führen würden. Es wäre verhängnisvoll, nicht zu sehen, wie sich diese Fragen draußen im täglichen Leben abspielen und in den letzten fünfzig Jahren entwickelt haben. Gerade darum möchte ich auf Grund einer langjährigen anwaltlichen Erfahrung zu diesem Problem etwas sagen. Denn wenn auch die Menschen vor dem Gericht die Wahrheit zu sagen haben, sie offenbaren sich doch erst und wohl zumeist nur in der Ruhe und der Vertraulichkeit des anwaltlichen Beratungszimmers.
Erst dann sieht man klar und deutlich, daß das bisherige Ehe- und Familienrecht, das wir abzuändern haben, weit mehr als fünfzig Jahre alt ist; erst dann sieht man, daß nicht nur fünf Jahrzehnte, sondern Welten dazwischen liegen, wenn man die Ereignisse seit der Jahrhundertwende nach ihrer Bedeutung und nach dem Gewicht der Ereignisse und nicht nach der Zahl der Jahre bemißt. Daher ist die Beseitigung des jetzigen Eherechts und die Anpassung des Familienrechts an den Art. 3 des Grundgesetzes so dringend notwendig.
Noch nie ist es gut gewesen, wenn bei der Gestaltung der menschlichen Lebensbeziehungen das Recht hinter den tatsächlichen Ereignissen zurückgeblieben ist. Immer war die lebendige Entwicklung, stärker, erfreulicherweise war sie immer stärker, und nur wenn wir rechtzeitig die Probleme richtig erkennen und wenn wir rechtzeitig das richtige Recht setzen, 'können wir verhüten, daß eine neue Entwicklung falsche Wege geht.
Daher bedauern wir — und der Herr Bundesjustizminister hat selber festgestellt, daß das Gesetz sehr spät kommt —, daß der Entwurf erst jetzt vorgelegt wird. Ich darf daran erinnern, daß das Hohe Haus auf Grund eines Antrags der sozialdemokratischen Fraktion vom 3. November 1949, also vor bereits mehr als drei Jahren, am 2. Dezember 1949 die Regierung aufgefordert hat, alsbald einen Gesetzentwurf über die Gleichberechtigung vorzulegen.
Noch mehr aber bedauern wir, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf vollgepackt ist mit Reformbestrebungen — an sich erfreulichen Reformbestrebungen — auf anderen Rechtsgebieten, z. B. dem Ehescheidungs- und dem Kindschaftsrecht, alles Bestrebungen, die wir in ihrer Bedeutung nicht verkennen wollen, die jedoch eine zusätzliche und unnötige Belastung für dieses Gesetz bedeuten. Denn wir sind nach der Verfassung gezwungen, binnen vier Monaten — bis zum 31. März 1953 — fertig zu werden. Es würde dem Auftrag, den die Verfassung diesem ersten Bundesparlament gegeben hat, nicht gerecht werden, würden wir das Anpassungsgesetz nicht fristgemäß vorlegen.
Es wäre keine Lösung, zu sagen, nach dem Ablauf der Frist trete die Gleichberechtigung ja automatisch in Kraft. Wie können wir von dem einzelnen Richter draußen verlangen, daß e r dann in jedem einzelnen Fall — und bei der Mannigfaltigkeit des ehelichen Lebens wird jeder Fall anders liegen — dieses schwere Problem löst, mit dem wir hier nicht rechtzeitig fertig geworden sind! Darin liegt die ungeheure Gefahr der Rechtszersplitterung; darin liegt die Gefahr, daß, wenn wir die Lösung dieses Problems einer Vielzahl von Urteilen überantworten, der Grundsatz von der Gleichberechtigung an Gehalt und Wert verliert. Gerade weil es so eilig ist, weil wir bis zum 31. März des nächsten Jahres mit der dritten Lesung fertig sein müssen, beantragen wir, daß nicht der Rechts- und Verfassungsausschuß, der mit einer Fülle anderer Fragen
überlastet ist, diesen Gesetzentwurf zur Beratung überwiesen erhält, sondern daß wir einen Sonderausschuß einsetzen, der in der Lage ist, sich allein mit dieser Aufgabe zu befassen. Nur so haben wir die Garantie, rechtzeitig fertig zu werden.
Natürlich wissen auch wir, daß es in guten Ehen gar nicht auf Paragraphen ankommt.
Aber das 'gilt doch für jedes Gebiet menschlicher_ Lebensbeziehungen. Aktuell wird doch ein Gesetz überhaupt erst dann, wenn eine Verständigung zwischen den beteiligten Partnern nicht mehr möglich Ist. Zum Beispiel kommt es in einer moralisch guten Wirtschaftsordnung auch nicht auf die einzelnen Paragraphen an, und trotzdem bestreitet niemand die Notwendigkeit, daß der Staat für Konfliktfälle bestimmte Normen setzen muß. So ist es auch hier. Auch Eheleute leben nicht nach den formalen Vorschriften ei- es Gesetzes, sondern nach einer eigenen. selbst geschaffenen Ordnung, die in der Vielheit der Gestaltungsmöglichkeiten, die sich zwischen zwei Menschen in der ehelichen Gemeinschaft ergibt, ihren Ausdruck findet und die von Ehe zu Ehe einen verschiedenen Inhalt haben wird.
Wo jedoch diese Ordnung, die sich zwei Menschen bei der Gründung der ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffen haben — oder geglaubt haben, daß sie sie geschaffen hätten —, zerbricht, da wird nach unserer jetzigen Rechtsordnung der Mann freier u -d die Frau unfreier. Der Mann wird freier, und die Frau wird gerade dann einem Gehorsam zum Manne unterworfen, ohne daß das Gesetz danach fragt, ob der Mann oder die Frau schuldig wurde. Darin liegt eine auf die Dauer unerträgliche Verletzung des Rechtsgefühls.
Der Regierungsentwurf hat hier keine Wandlung
geschaffen. Er beläßt es bei dem, was bisher war und was in Tausenden und aber Tausenden von Fällen zu so vielen Ungerechtigkeiten und Unglück geführt hat. Der Bundesrat schlägt mit Recht die Streichung jener Vorschriften vor, die im Konfliktfall dem Mann das Entscheidungsrecht geben. Auch die Vereinigung der evangelischen Frauenarbeit hat sich den Vorschlägen ,des Bundesrates angeschlossen. Trotzdem hält die Bundesregierung an ihrem Entwurf fest, weil, wie die Begründung sagt, eine Gleichstellung der Frau nicht den tatsächlichen Verhältnissen im Leben entspreche. Das ist ja nicht wahr!
Es gibt eine interessante Rundfrage in einem Telle Norddeutschlands. Sie ergab, daß je nach den örtlichen Verschiedenheiten bei 11 bis 17 % der Ehen die Entscheidungen vom Manne allein gefällt werden, in 14 bis 16 % die Entscheidungen bei der Frau lagen, daß aber in 55 bis 73 % der Fälle die Ehe auf der Grundlage dier vollen Gleichberechtigung durchgeführt wird. Daher ist die Behauptung der Regierung, die volle Gleichberechtigung widerspreche den tatsächlichen Verhältnissen, abwegig. Der Regierungsentwurf hält das Vorrecht des Mannes im entscheidenden Augenblick aufrecht. Erst wenn er dieses Recht mißbraucht, kann sich die Frau zur Wehr setzen, aber nur 'durch den Ehescheidungsprozeß. Wenn sie glaubt, die Entscheidung des Mannes nicht akzeptieren zu können, gibt es nur den Weg der Ehescheidung.
Es ist übrigens immer nützlich, über die Grenzen des eigenen Landes hinwegzusehen. Die Familienordnungen Schwedens, Norwegens und Dänemarks, des größten Teiles der Vereinigten Staaten, teilweise auch Englands kennen die volle Mitberechtigung der Frau bei allen Fragen in der Ehe.
Ich darf außerdem auf Canon 1111 des Corpus Juris Canonici verweisen:
Beide Ehegatten haben von Beginn der Ehe an
gleiche Rechte und Pflichten in bezug auf die
besonderen Handlungen des ehelichen Lebens.
Und wenn wir auf die neueste Zeit zurückgreifen wollen, die Erklärung der Menschenrechte der UNO vom 10. Dezember 1940, -dann verweise ich auf Art. 16, der besagt, daß Männer und Frauen bei der Eheschließung, während der Ehe und bei der Auflösung der Ehe die gleichen Rechte haben müssen.
Interessant ist nun die Begründung, die die Regierung dafür gibt, warum sie an dem Alten festhält. Sie sagt, Gleichberechtigung im Eheleben gefährde den Zusammenhalt der Familie, und das Grundgesetz enthalte außer der Forderung nach der Gleichberechtigung auch die Forderung nach dem Schutz der Familie durch den Staat.
Nun bestreitet niemand die Richtigkeit des Art. 6. Aber ist denn diese Beweisführung überhaupt richtig? Art. 3 ist eine Generalvorschrift. Er ist die Grundlage auch für Art. 6 und dafür, wie sich innerhalb der Ehe das Zusammenleben zwischen den Eheleuten vollziehen soll. Art. 6 regelt etwas völlig anderes. Er regelt das Verhältnis der Ehe zum Staat und die Verpflichtung des Staates, diese Ehe als Institution zu schützen. Die Bedeutung von Art. 6 ist sicher ebenso groß wie die des Art. 3, aber beide überschneiden sich überhaupt nicht. Art. 6 gibt lediglich die Garantie dafür, daß die Ehe so, wie sie sich in unseren jahrtausendelangen abendländischen Vorstellungen entwickelt hat, weiter die Grundlage des staatlichen Lebens sein soll. Aber darüber hinaus hat Art. 6 niemals — und das war auch nicht die Absicht im Parlamentarischen Rat — den Sinn haben sollen, daß die Ehe in der heutigen Ausgestaltung endgültig verfassungsmäßig festgelegt werden soll. Das wäre eine unerträgliche Erstarrung.
Mit dem Hinweis auf Art. 6 übersieht man zugleich den Art. 1 des Grundgesetzes, mit dem unsere Verfassung beginnt. Der erste Satz unseres Grundgesetzes lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wenn wir die volle Gleichberechtigung, wie Art. 3 sie vorschlägt, nicht durchführen, dann widerspricht das letztlich auch der Würde des Menschen, und es verletzt im tiefsten jedes Rechtsgefühl.
Wir wenden uns noch gegen ein Zweites. Der Deutsche Juristentag 1952 hat nach sehr sorgfältigen Beratungen auch bei dem Verhältnis der Eltern zum Kind die volle Gleichberechtigung der Eltern bei der Kindererziehung anerkannt. Der Regierungsentwurf ist an diesen Beratungen vorbeigegangen. Er legt das Entscheidungsrecht allein in die Hände des Mannes, wenn er auch aus optischen Gründen versucht, das etwas zu verschleiern. Aber letzten Endes bleibt es dabei: da, wo sich beide Eltern einig sind, hat die Frau recht; da aber, wo die Eltern sich nicht einig sind, gilt die Meinung des Mannes.
Wenn die Frau erst dann das Recht hat, sich gegen den Mißbrauch der väterlichen Gewalt bei der Kindererziehung zu wehren, wenn der Vater beharrlich an seiner mißbräuchlichen Entscheidungsbefugnis festhält, dann drängt man die Mutter — nicht nur die Ehefrau! — in die Rolle des Störenfrieds in der Familie. Dem Mißbrauch nur mit Hilfe des Gerichts zu wehren, muß die Grundlage einer jeden Ehe zerstören.
Bei dieser Gelegenheit darf ich an das Gesetz über die religiöse Kindererziehung von 1921 erinnern. Damals hat man, und zwar auf Veranlassung der kirchlichen Kreise, durchgesetzt, daß die Entscheidung, in welcher Religion das Kind zu erziehen ist, nicht nur dem Vater, sondern in gleichem Maße auch der Mutter zustünde. Warum kann bei der so lebenswichtigen Entscheidung der konfessionellen Erziehung des Kindes der Mutter das gleiche Recht anvertraut werden, aber nicht bei den übrigen Fragen, vor allem auch bei der Frage der Berufswahl? Sehen Sie, meine Damen und Herren, es mag durchaus so sein, daß — um bei dem Beispiel der Berufswahl zu bleiben — der Vater durch seine Berufsarbeit besser als die Frau die Arbeitsmarktlage zu übersehen vermag und es auch besser beurteilen kann, in welchem Beruf das Kind später 'bessere Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten hat. Aber ist denn das im Leben immer entscheidend? Wäre es nicht viel richtiger, bei der Berufswahl auch darauf zu achten, welche Tätigkeit dem Kind nach seiner Natur, nach seinem Wesen liegt? Und ist denn die Mutter als Erzieherin nicht viel besser geeignet, sie, die die Entwicklung des Kindes kennt, mitzuentscheiden, welche Arbeit dem Kinde frommt? Dafür aber ist auch notwendig, daß die Frau in dem Maße, in dem sie das Gefühl bekommt, sich bei den Meinungsverschiedenheiten nicht mehr allein dem Willen des Mannes beugen zu müssen, eine viel selbstbewußtere Position bekommt und somit ihre Rechte viel besser verteidigen kann; und in dem gleichen Maße, in dem der Mann die Grenzen seiner Macht erkennt, wird er sich in der Ehe einzurichten versuchen.
Die Gleichberechtigung — das sei zum Schluß gesagt — bringt natürlich auch gleiche Pflichten,
d. h. neue Pflichten für die Frau. Wir Sozialdemokraten haben alle Veranlassung, das zu sagen. Denn schon einmal hat sich die SPD auf dem Gebiete der Politik für die Gleichberechtigung der Frau eingesetzt und ihr das Wahlrecht verschafft. Aber 'die Frau hat es der SPD nicht gedankt. Trotzdem würden wir um der Würde der Frau willen heute wieder für dieses Recht kämpfen.
Welche primitiven Vorstellungen darüber früher geherrscht haben, dazu möchte. ich zum Schluß noch ein Beispiel aus der Kölner Zeit vor dem ersten Weltkrieg geben. Im Jahre 1909 lehnten die bürgerlichen Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung von Köln die Mitarbeit der Frau in den Verwaltungsdeputationen ab, da sie, wie es heißt, „die Gemütlichkeit der Sitzungen störe".
Welten liegen zwischen diesem Jahr und heute!
Die heutige Aussprache des Bundestages hat erfreulicherweise einmal weggeführt von all den Problemen der Außen- und Innenpolitik. Sie hat hingeführt zu dem, was wir im allgemeinen als die kleinste Zelle des Staates und der menschlichen Gemeinschaft ansehen. Es ist gut, daß sich .der Bundestag auch einmal damit befaßt hat. Denn darin liegt doch schließlich zugleich unser aller Besinnung auf die elementarsten Grundlagen unsres Daseins.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Meine Damen und Herren! Ich gebe dem Herrn Kollegen Ewers recht: die Gleichberechtigung ist ein ganz großes Schlagwort unseres Jahrhunderts geworden. Als ich
eben allen Rednern und Rednerinnen zugehört habe, da dachte ich, es geht dem Worte Gleichberechtigung wie dem Worte Frieden. Was versteht man eigentlich darunter und welche Konsequenzen zieht man daraus? Eigentlich sollte der Kampf der Geschlechter in unserer Zeit zu Ende sein. Ich bin erstaunt, daß es da noch so viele Spitzen und Kanten und noch so viel Einseitigkeiten gibt, wie heute hervorgetreten sind.
Im alten Reichstag ist die Gleichberechtigung der Geschlechter schon in die Weimarer Verfassung hineingeschrieben worden: „Ehe und Familie beruhen auf der Gleichberechtigung der Geschlechter". Ich darf sagen, daß wir die Feststellungen der Rednerinnen, die davon gesprochen haben, daß die Frau eine größere Verantwortung heute hat und daß sie im Lebenskampf steht, sämtlich anerkennen. Die Stellung der Frau in der Ehe und Familie ist heute nicht mehr so, wie sie vor 50 Jahren war. Wir geben denen recht, die das geschildert haben. Diese Situation haben wir auch in Weimar gesehen. Aber wir haben die Gleichberechtigung damals schon in christlichem Sinne ausgelegt. Auch in der juristischen Literatur wurde von der Gleichberechtigung wie von einer menschlich-sittlichen Gleichbewertung gesprochen.
Ich wende mich aber gegen die Redner und Rednerinnen, die die Ehe und Familie nur als etwas Tatsächliches, Wirkliches dargestellt haben. Wir sehen Ehe und Familie auch im Lebenskampf. Aber sie ist für uns auch noch etwas ganz anderes. Sie ist für uns, für alle Christen — und ich nehme gar nicht in Anspruch, daß nur in der CDU und CSU Christen sind — auch etwas, was vom göttlichen Wort und von der christlichen Lehre abhängt, und weil es so ist, weil die Ehe ein großes Geheimnis umschließt, deshalb kann man die Gleichberechtigung nicht so sehen, wie es von vielen gesehen worden ist.
Wir haben das auch in Weimar gesagt und waren uns klar darüber, daß, wenn man das Wort Gleichberechtigung nicht richtig auffaßt und wenn man • ihm nicht eine rechte Deutung gibt, eine Gefahr für Ehe und Familie entstehen kann.
Dreißig Jahre später ist die Gleichberechtigung im Parlamentarischen Rat wieder besprochen worden. Frau Nadig war ja damals auch im Parlamentarischen Rat und sie weiß, wie wir darum gerungen haben. Wir haben im Grundsatzausschuß diesen Satz von der Gleichberechtigung von Mann und Frau überhaupt nicht gewählt, wir haben nur jenen Satz gewünscht, daß keine Benachteiligung und keine Bevorzugung sein soll um des Geschlechtes willen.
— Ja, aber daraus geht eine Konsequenz hervor. Indem wir das sagten, wußten wir ganz genau, daß Mann und Frau verschieden sind,
daß die Frau auch bevorzugt werden soll. Ich bin dafür, daß sie bevorzugt werden soll. Wir haben eben gewußt, daß gleiche Rechte und gleiche Pflichten für Mann und Frau etwas Verschiedenes bedeuten. Wir wollten damals einen Satz einfügen, der nachher allerdings gestrichen wurde: „Was gleich ist, soll gleich, was verschieden ist, soll verschieden behandelt werden". Wenn wir uns schließlich geeinigt haben auf diesen Satz der Gleichberechtigung von Mann und Frau, dann ist dazu zu sagen, daß wir das nur aus den Gründen getan haben, von denen der Herr Justizminister sprach. Er hat die Stellen, die sich darauf beziehen, vorge-
lesen. Wir haben viel mehr darüber gesagt. Wir haben lange gerungen um den Sinn. Ich hätte es für die CDU und CSU gar nicht verantworten können, wenn ich nicht die Gleichberechtigung so aufgefaßt hätte, daß sie keine formale Gleichberechtigung sein soll, sondern eine Gleichberechtigung organischer Art und eine Gleichberechtigung, die nicht nur dem Biologischen gerecht wird, sondern auch dem Geistig-Seelischen. Das muß ich hier sagen, weil daraus hervorgeht, daß auch in der Familienrechtsreform diese Dinge ihre ganz bestimmten Konsequenzen haben.
Nun komme ich zu den Ausführungen von Herrn Dr. Menzel und auch zu denen der anderen Redner und Rednerinnen. Für uns ist der Art. 3 des Grundgesetzes ganz eng mit dem Art. 6 verbunden, wie wir überhaupt finden, daß das ganze Grundgesetz zusammengehört. Herr Dr. Menzel hat richtig gesagt, daß auch der Art. 1 von der Würde von Mann und Frau dazu gehört, und zwar Mann u n d Frau. Ehe und Familie sind ein Ganzes, das Mann und Frau umfaßt, etwas Einheitliches, etwas Neues, Drittes, was aus beiden hervorgegangen ist und weiterleben muß. Wir haben diesen Artikel 6 so aufgefaßt, daß der dem Art. 3 eine wesentliche Bedeutung geben soll, nämlich die Bedeutung, daß die Gleichberechtigung der Geschlechter mit den Aufgaben in Ehe und Familie zusammenhängt.
the und Familie — darum geht es. Es geht weniger um die Gleichberechtigung der Geschlechter als um Ehe und Familie
und um die Ordnung in der Ehe und Familie. Wir
wissen, daß sie heute im Bürgerlichen Gesetzbuch
nicht so berücksichtigt ist, wie es sein sollte. Wir wollen die Besserstellung der Frau, aber wir sagen: „Was hat sie zu schaffen für Ehe und Familie, was hat der Mann zu schaffen in Ehe und Familie, und was schaffen sie beide?" Für uns sind
Ehe und Familie von einer natürlichen Ordnung und von einer christlichen Ordnung. Sie sind nicht nur Wirklichkeit, nicht nur reale Tatsachen des Lebens. Sie sind christliches Leben und Geheimnis.
— Ja, wenn wir uns einig sind, bin ich sehr erfreut. Wenn wir uns darüber einig sind, dann werden wir uns auch noch über anderes einigen können.
Die Gleichberechtigung hängt auch noch mit dem Art. 2 zusammen. In Art. 2 werden die Individualrechte zugunsten der Gemeinschaft eingeschränkt. Das trifft auf keine Gemeinschaft so stark zu wie auf die Ehe und Familie. Wenn ich das sage, wenn ich von Einschränkungen spreche, dann meine ich Mann und Frau. Ich bin der Meinung, daß die Ehescheidungsgesetzgebung, wie sie sich im Regierungsentwurf befindet, nicht so bleiben kann, vielmehr haben wir für die Ehescheidung bestimmte Forderungen, vor allem zugunsten der Frau.
Ja, selbst der Art. 20, der von einer sozialen Bundesrepublik spricht, zeigt an, daß es im ganzen Grundgesetz nicht nur um Individualrechte, sondern auch um Sozialrechte und um Gemeinschaftsrechte geht. Wenn man das alles richtig bedenkt, wenn man der Gleichberechtigung den richtigen Standort gibt, wenn man Ehe und Familie überordnend ansieht, wenn wir als Christen sagen, daß Ehe und Familie auch ein großes Geheimnis sind, dann kommen wir bei dem Gesetzentwurf, den wir zu
beraten haben, gemeinsam zu neuen Regelungen zum Wohl von Ehe und Familie.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Herr Abgeordneter Dr. Menzel hat beantragt, für die Beratung dieses Gesetzentwurfs einen Sonderausschuß mit 27 Mitgliedern einzusetzen. Bevor ich über die Überweisungsanträge abstimmen lasse, muß zu diesem Antrag Stellung genommen werden. Der Bundestag hat die Möglichkeit, einen Sonderausschuß einzusetzen.
— Meine Damen und Herren, der Antrag ist gestellt.
Der Abgeordnete Weber hat Überweisung an den
— Ja, das ist bekannt. Aber der Antrag ist gestellt. Ich muß ja schließlich über den Antrag, der gestellt ist, abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Einrichtung eines Sonderausschusses für diesen Gesetzentwurf zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich darf unterstellen, daß Sie mit der Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einverstanden sind. — Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt. f
Meine Damen und Herren,_ es sind verschiedene Wünsche an mich herangetragen worden, bestimmte Punkte der Tagesordnung vorzuziehen. Ich habe nicht den Eindruck, daß das ein förderliches Verfahren ist, da jeder überzeugt ist, daß die Sache, die ihn besonders interessiert, am wichtigsten ist. Ich würde Ihnen also vorschlagen, in gemeinsamer Anstrengung zu versuchen, so viel wie möglich von der Tagesordnung zu erledigen.
Ich darf darauf hinweisen, daß nach einer mir gewordenen Mitteilung eine Verständigung der Fraktionen darüber erzielt worden ist, daß der Punkt 20:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Auftragslenkung für Berlin ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus und der sozialen Sicherheit Berlins
heute abgesetzt werden soll. Stimmt das? — Das ist der Fall.
Wir haben, um das noch einmal festzustellen, Punkt 16 mit Punkt 3 verbunden; der ist also auch erledigt.
Auch Punkt 21 — Emissionsgesetz — wird dann aufgerufen, wenn er der Reihenfolge nach drankommt.
Meine Damen und Herren, ich rufe zunächst Punkt 5 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Behrisch gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. März 1952 (Nr. 3723 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ewers. — Bitte!
Meine Damen und Herren, ich bitte, durch größere Ruhe dem Berichterstatter die Arbeit zu erleichtern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für einen Fall, über den ich namens der Mehrheit des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität — der ich allerdings nicht angehöre, sondern ich bin bei der Minderheit — berichten muß. Es ist deswegen eine Sache, über die streitig abgestimmt werden muß, hoffentlich ohne Debatte.
Ich möchte zunächst den Sachverhalt so kurz wie möglich schildern. Die ganze Sache spielt in Hof, wo Herr Kollege Behrisch an einer Zeitung mitarbeitet, glaube ich, und beheimatet ist. Es ist ein Großkampf zwischen einer dortigen unpolitischen generalanzeigerartigen Tageszeitung „Frankenpost", deren Herausgeber ein Mann namens Poppenberger ist, der von irgenwo aus dem Osten stammt, und der „Oberfränkischen Volkszeitung", die der SPD nahesteht. Es handelt sich um die Stellung des Kollegen Behrisch in der Frage der Befreiung der bei Tito gefangen gehalten gewesenen deutschen Kriegsgefangenen. Herr Behrisch war zusammen mit einem anderen Kollegen des Bundestages, nämlich Herrn Blachstein, im Frühjahr 1951— ich glaube, es war im Mai oder Juni — in Belgrad und Umgebung. Dann sind ab Herbst die Gefangenen entlassen worden. Darum dreht sich der sachliche Streit. Er geht von einer öffentlichen Kundgebung des Heimkehrerverbandes vom 25. November 1951 aus, auf der Kollege Behrisch Propagandazettel verteilte, in denen er seine Verdienste um die Heimkehr der Kriegsgefangenen aus Jugoslawien schilderte, und zwar war es eine angeblich überparteiliche, von einem Vorsitzenden Fischer einberufene Großkundgebung. Dazu hat die ihm feindliche Zeitung „Frankenpost" einen kleinen Vermerk, einen Artikel gebracht, ,,Eine Feststellung" heißt die Überschrift des Artikels. Auf diesen Artikel, in dem dieses Verfahren des Herrn Kollegen Behrisch mit sehr scharfen Angriffen wegen seiner persönlichen Vergangenheit festgehalten war, hat Herr Behrisch mit einem Artikel geantwortet, der Gegenstand des heutigen Verfahrens ist und dessen Überschrift lautet: „Lügt Poppenberger bewußt, oder ist der Herr Frankenpost-Redakteur nur total unfähig?" Ich komme auf den Artikel gleich zurück. Ich habe das nur wegen des Überblicks vorweggenommen.
Wegen dieses Artikels vom 1. Dezember hat Herr Poppenberger am 29. Januar — also rechtzeitig — Strafantrag gestellt. Der Artikel lag damals acht Wochen zurück. Am gleichen Tage fand eine Versammlung statt, in der Herr Kollege Trischler von der FDP über die gesamte Frage der Entlassung der Kriegsgefangenen aus den jugoslawischen Lagern redete. Darüber 'hat dann die „Frankenpost", also jene „Generalanzeiger"-Zeitung, berichtet. Diesem Versammlungsbericht hat sie einen
Vorspann vorgesetzt, in dem Herr Behrisch nach dem Referat des Herrn Kollegen Trischler als entlarvt hingestellt war. Es stand darin, daß er überhaupt kein Verdienst habe, das Verdienst gebühre dem inzwischen verstorbenen Herrn Botschafter Ullrich — so hieß er wohl — und nicht Herrn Behrisch. Der schmücke sich mit fremden Federn.
Wegen dieses Artikels hat dann Herr Behrisch wiederum gegen Poppenberger Strafantrag gestellt. Als der Fall Behrisch zu uns kam, teilte uns der Staatsanwalt mit, er werde beide Fälle 'im Offizialverfahren aufnehmen und möchte wissen, ob wir die Immunität des Herrn Behrisch aufhöben, damit das Verfahren in Gang kommen könne. Das ist die Sachlage. Sie "sehen, meine Herren: der Hintergrund der beiden Beschuldigungen — die von Behrisch richtet sich gegen einen Redakteur namens Unger und einen namens Dollkopf; der Herr Poppenberger wußte von den ihn beleidigenden Ausführungen gar nichts — ist politischer Art.
Der Artikel von Behrisch enthält Beleidigungen vom ersten bis zum letzten Wort mit einer kurzen sachlichen Zwischenphase. In ihm sind folgende Sätze enthalten: Herr Poppenberger gehe mit „maßloser Arroganz" vor, er sei eine „unverschämte, verlogene oder dumme Persönlichkeit", sein „Benehmen sei das eines Flegels oder Lümmels", er sei „grenzenlos verlogen oder grenzenlos dumm". „Herr Poppenberger ist mir zu dreckig, als daß ich mir an ihm die Finger schmutzig machen möchte. Er darf sich aber hiermit als von mir öffentlich geohrfeigt vorkommen." Das waren die Schlußworte des Artikels. Das Ganze, wie gesagt, in Hof in Nordbayern.
Die Frage ist 'die, ob man deswegen die Immunität aufheben soll oder nicht. Die Mehrheit des Ausschusses sagt: Die ganze Situation kommt von der Politik her; ein politischer Gegner, Herr Poppenberger, wird hier durch den Kakao gezogen; die Sache hat nichts Verleumderisches; es sind keine Behauptungen aufgestellt, die erlogen sind; es ist eine bajuwarische Art, sich am Gegner zu reiben.
Dazu sagen unsere Kollegen aus Bayern, die die örtlichen Verhältnisse kennen, daß die Persönlichkeit des Herrn Poppenberger und seine „Frankenpost" nicht gerade erstklassigen Rang hätten. Ich referiere pflichtgemäß, ich kann darüber kein Urteil abgeben.
— Sie kennen sie auch, Herr Kollege Strauß? Dann bitte ich nachher um Ihr Urteil über Poppenberger und die „Frankenpost".
Was sagt nun die Minderheit? Die Minderheit, die klein war — das sage ich gleich —, erklärte: Politische Beleidigung wird zwar stets immunisiert; wenn sich aber jemand aus politischen Motiven zu Schimpfreden hinreißen läßt wie hier — der Angegriffene sei ein „Flegel", ein „Lümmel", er ist mir zu „dreckig, die Finger schmutzig zu machen", er „solle sich als geohrfeigt fühlen"; das alles gedruckt in einer Tageszeitung —,
dann ist das eine Verbalinjurie nach § 185. Die Frage ist die, ob auch ein Abgeordneter wegen solcher Verbalinjurien wie jeder andere Politiker, wenn er sie ausspricht, zur Rechenschaft zu ziehen ist.
Ob wir also einen Bundestagsabgeordneten in Schutz nehmen sollen und müssen, im Interesse des Parlaments natürlich, wenn er sich in einem Artikel, nicht in der Hitze des Gefechts, zu solchen gedruckten Schimpfreden hinreißen läßt, darüber haben Sie, meine Damen und Herren, abzustimmen. Ich betone: die Mehrheit sagt: Nein, nicht aufheben, weil Herr Behrisch keine Verleumdung begangen hat und weil die 'Beleidigung unzweifelhaft im politischen Kampf gefallen ist. Als Berichterstatter habe ich Sie aufzufordern, diesem Antrag der Mehrheit zu entsprechen.
Meine Damen und Herren! der Mündliche Bericht ist nicht noch einmal verteilt worden, da er bereits wiederholt verteilt worden ist. Es handelt sich um die Drucksache Nr. 3723 mit dem Antrag, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Behrisch nicht zu erteilen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des 'Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Frau Abgeordnete Kalinike hat bei mir den Wunsch ausgesprochen, den Punkt 24 c — betreffend Änderung des Einkommensteuergesetzes — vorzuziehen, und hat sich, da ich das abgelehnt habe, zur Geschäftsordnung gemeldet. Meine Damen und Herren, darf ich mich Ihrer Meinung vergewissern, die ich vorhin dahin festgestellt zu halben glaubte, daß eine Änderung der Reihenfolge nicht erfolgen solle?
— Das ist die 'Mehrheit des Hauses. Dann bedaure ich, das Wort zur Geschäftsordnung nicht geben zu können.
Zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Langer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 22. Juli 1952 (Nr. 3724 der Drucksachen),
bitte ich Herrn Abgeordneten Gengler um einen kurzen Bericht.
Ich entspreche gern dem Wunsche des Herrn Präsidenten nach einem kurzen Bericht. — Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 22. Juli 1952 auf Antrag des Oberstaatsanwalts in Bonn ersucht, -
Herr Abgeordneter Gengler, darf ich Sie eben mal unterbrechen. — Frau Abgeordnete Kalinke bedroht mich mit einem Finger. Ich weiß nicht, warum.
Frau Abgeordnete Kalinke, ich hatte Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung nicht erteilt. Sie hatten sich gerade unterhalten, als ich das bekanntgab. Ich hatte mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß ich das nach der überwiegenden Willensmeinung des Hauses, die Reihenfolge der Punkte nicht zu ändern, nicht könne. Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung nach meinem Ermessen und gebe es in diesem Falle nicht.
Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 22. Juli 1952 auf Antrag des Oberstaatsanwalts in Bonn ersucht, eine Entscheidung des Bundestages über die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Langer herbeizuführen.
Der Ausschuß hat sich bereits vorher auf Grund einer Petition mit der politischen Vergangenheit des Abgeordneten Langer befassen müssen. Aus den Akten des Staatsanwalts geht hervor, daß der Abgeordnete Langer in dem Verdacht steht, eine Unterschlagung zum Nachteil des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen begangen zu haben, indem er ihm zur Verfügung gestellte Mittel nicht zweckentsprechend verwendet haben soll. Abgeordneter Langer steht weiterhin in dem Verdacht, seine Aufstellung als Bewerber für die Bundestagswahl unter falschen Voraussetzungen erwirkt zu haben, indem er verschwieg, seit 1933 der NSDAP angehört zu haben.
Auf Grund dieses Sachverhalts beantragt der Ausschuß, die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Langer gemäß dem Antrag Drucksache Nr. 3724 zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Auch diese Drucksache ist nicht erneut verteilt worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Zum nächsten Punkt, Punkt 7 der Tagesordnung.
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Lampl gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. Oktober 1951 (Nr. 3748 der Drucksachen),
ist Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Mücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminster der Justiz hat um eine Entscheidung des Bundestages betreffend die Immunität des Herrn Abgeordneten Lampl gebeten auf Grund einer Anzeige, die Herr Franz Weiß aus Königshofen/Unterfranken gegen Herrn Kollegen Lampl bei der Staatsanwaltschaft Schweinfurt erstattet hat.
Zum Gegenstand dieser Strafanzeige wurden ge- macht einmal der Vorwurf angeblicher Steuerhinterziehung und zum andern der Vorwurf angeblicher Amtsunterschlagung und angeblicher Untreue. Diese Delikte soll der Herr Kollege Lampl begangen haben als damaliger Leiter des Landwirtschaftsamtes in Königshofen, während der An- zeigende dort Angestellter war. Die Anzeige wurde erst erstattet, nachdem vorher der Herr Kollege Lampl auf Grund der Behauptungen des Anzeigenden gegen den Anzeigenden bereits beim Amtsgericht Königshofen Privatklage wegen Beleidigung erhoben hatte.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich davon überzeugt, daß hinter dieser Anzeige örtliche politische Differenzen — hier Bayernpartei contra CSU — gestanden haben. Er
Dr, Mücke)
wurde in seiner Auffassung besonders bestärkt durch die aktenkundig gewordene Tatsache, daß, die Herrn Kollegen Lampl vorgesetzte Dienstbehörde, das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit der Angelegenheit befaßt, keine Veranlassung genommen hat, auch nur ein Disziplinarverfahren gegen Herrn Kollegen Lampl einzuleiten, weil dort neben der offenbaren Haltlosigkeit der Behauptungen des Anzeigenden Weiß der örtliche politische Hintergrund dieser Angelegenheit einwandfrei festgestellt wurde. Dieser dem Ausschuß erkennbare politische Hintergrund war auch für den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität bestimmend, dem Hohen Hause vorzuschlagen, die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Kollegen Lampl wegen der vom Anzeigenden Weiß behaupteten Straftaten nicht zu erteilen. Ich darf Sie bitten, diesem Vorschlag zu entsprechen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Auch dieser Bericht ist nicht noch einmal verteilt worden. Ich komme zur Abstimmung und bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses über die Feststellung des Erlöschens des Bundestagsmandats des Abgeordneten Dr. Dorls (Nr. 3870 der Drucksachen, Umdruck Nr. 707).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schneider, den ich im Augenblick nicht im Saal sehe.
— Dr. Schneider wird geholt.
Ich rufe inzwischen Punkt 9 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes in Verbindung mit
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstattung von Gebühren für im Armenrecht beigeordnete Vertreter in Patent- und Gebrauchsmustersachen .
Die Regierung verweist auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine allgemeine Aussprache in der ersten Beratung vor. Ich schlage Ihnen vor, die Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu überweisen. Ich darf unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen .
Hier verweist die Regierung ebenfalls auf die gedruckte Begründung. Auch hier wird Ihnen vorgeschlagen: keine Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Das gleiche gilt für Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen .
Ich darf unterstellen, daß auch hier die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht erfolgt. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung .
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 3854 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Laforet. Soll auf die Berichterstattung verzichtet werden, Herr Abgeordneter?
— Auf die Berichterstattung soll verzichtet werden. Das Haus ist damit einverstanden. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten. Zur zweiten Beratung rufe ich auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zur
dritten Beratung
keine Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben — Das ist die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
- Bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung zur Ergänzung des Allgemeinen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 und das Zusatzprotokoll zur Vierten Zusatzvereinbarung zum Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 .
Die Regierung verweist auch hier auf eine schriftliche Begründung. Eine Aussprache zur ersten Beratung braucht nach einem Vorschlag des Ältestenrats nicht stattzufinden. — Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ist das Haus mit der Überweisung einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Gleichstellung der Kriegsgeschädigten (Nrn. 3731, 124, 1934, 2177 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Nr. 124 der Bayernpartei vom 25. Oktober 1949 wurde dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Beratung federführend und den Ausschüssen für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen sowie für Heimatvertriebene zur Mitberatung überwiesen. Der Antrag beinhaltet die Gleichstellung aller Kriegsgeschädigten, somit der Heimatvertriebenen, Ausgebombten und Heimkehrer bei allen gesetzlichen Maßnah- men. Darüber hinaus soll den Spätheimkehrern noch besondere Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß gewährt werden.
Der Ausschuß für Sozialpolitik befaßte sich bereits in der Sitzung vom 18. Januar 1950 mit dem Antrag. Er kam nach längerer Beratung zu der Ansicht, daß eine Gleichstellung, soweit sie überhaupt denkbar und möglich erschien, in den voraufgegangenen Gesetzen erfolgt sei und für die Spätheimkehrer ein Sondergesetz geschaffen werden solle. Darum ersuchte er die Antragsteller bereits in dieser Sitzung um Zurückziehung ihres Antrages. Dieser Bitte wurde jedoch nicht entsprochen.
Eine erneute Beratung fand dann im Ausschuß für Sozialpolitik am 18. Januar 1951 statt. In der 121. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Februar 1951 wurde vom Ausschuß für Sozialpolitik Bericht erstattet und folgender Antrag gestellt:
Der Bundestag wolle beschließen,
den vorliegenden Antrag als erledigt zu betrachten, da in den bereits erlassenen Bundes- und Ländergesetzen und durch die in den einzelnen Gemeinden durchgeführten Maßnahmen die in dem Antrag geforderte Gleichstellung ihre Erledigung gefunden hat.
Das Hohe Haus schloß sich diesem Antrag jedoch nicht an, und es wurde Rückverweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik beschlossen. Dieser Ausschuß befaßte sich in der Sitzung vom 13. April 1951 nochmals mit der Vorlage. Erneut wurde dann im Plenum am 9. Mai 1951 Bericht erstattet und folgender Antrag gestellt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Um der Aufsplitterung des Volkes in verschiedenartig bevorrechtigte Gruppen zu steuern, wird die Bundesregierung ersucht, bei Gesetzentwürfen und Regierungsmaßnahmen betreffend die Fragen der Heimatvertriebenen, der Bombengeschädigten und der Heimkehrer grundsätzlich von der Gleichberechtigung dieser drei Gruppen auszugehen.
Das Hohe Haus stimmte auch diesem zweiten Bericht und Antrag des Ausschusses damals nicht zu, und es wurde erneut Rückverweisung an den Ausschuß beschlossen.
Am 2. April 1952 wurde der Antrag dann in einem Unterausschuß, und zwar aus Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses, des Kriegsopferausschusses und des Ausschusses für Heimatvertriebene, beraten. Es wurde der einstimmige Beschluß gefaßt, es bei dem Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses, wie er dem Hohen Hause in der Sitzung vom 9. Mai 1951 bereits vorgetragen war, zu belassen.
Nachträglich hat dann der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen in einer erneuten Beratung den Wunsch geäußert, bei dieser Gleichstellung auch die Evakuierten noch mit einzubeziehen. Der Ausschuß für Sozialpolitik, der sich abschließend in der Sitzung vom 4. April 1952 mit dem Antrag und dem Beschluß des gebildeten Unterausschusses befaßte, stimmte diesem Wunsch des Kriegsopferausschusses zu. Unter dem 19. Sep-19. September 1952 hat sich der Ausschuß für Heimatvertriebene nochmals mit dem gleichen Antrage beschäftigt. Er kam zu dem Beschluß, den Antrag der Bayernpartei — Drucksache Nr. 124 — im Hinblick auf das verabschiedete Heimkehrergesetz, das verabschiedete Gesetz über den Lastenausgleich, das kurz vor der Verabschiedung stehende Bundesvertriebenengesetz und das in Vorbereitung befindliche Evakuiertengesetz für erledigt zu erklären.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat es trotzdem bei dem Beschluß des Unterausschusses vom 9. Mai 1952 belassen. Er stellt heute durch den Berichterstatter folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Um der Aufsplitterung des Volkes in verschiedenartig bevorrechtigte Gruppen zu steuern, wird die Bundesregierung ersucht, bei Gesetzentwürfen und Regierungsmaßnahmen betreffend die Fragen der Heimatvertriebenen, der Kriegssachgeschädigten, der Evakuierten und der Heimkehrer grundsätzlich von der Gleichberechtigung dieser Gruppen auszugehen.
Er war sich dabei bewußt, daß eine formale Gleichstellung nicht stattfinden könne und solle.
Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, diesem Beschluß nun zuzustimmen, da es die dritte Berichterstattung über diesen Antrag ist.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Ältestenrat hatte Ihnen ursprünglich eine Redezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. Darf ich fragen, ob wir dabei verbleiben, oder wünschen Sie Verzicht auf eine Redezeit?
— Herr Müller verzichtet nicht. Ich bitte die Damen und Herren, abzustimmen. Wer ist dafür, daß eine Redezeit von 40 Minuten festgesetzt wird?
Wer ist dagegen? — Das letzte ist die Mehrheit; also muß ich feststellen, daß Verzicht auf eine Redezeit beschlossen worden ist.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, den Herr Abgeordneter Schüttler Ihnen vorgetragen hat. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3731, der nicht erneut verteilt worden ist, Ihnen aber von dem Abgeordneten Schüttler vorgetragen worden ist, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit, ist angenommen.
Ich rufe jetzt auf den Punkt 8, nachdem der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Schneider, eingetroffen ist:
Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses über die Feststellung des Erlöschens des Bundestagsmandats des Abgeordneten Dr. Dorls (Nr. 3870 der Drucksachen, Umdruck Nr. '707).
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bisher nicht üblich gewesen, daß man in einer Sache wie der vorliegenden im Parlament Bericht erstattet. Bis jetzt sind ,die Empfehlungen des Wahlprüfungsausschusses ohne Debatte jeweils einstimmig angenommen worden.' Aber ich gebe zu, daß der Fall Doris besonders gelagert ist.
Durch Urteil vom 23. Oktober 1952 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Sozialistischen Reichspartei festgestellt und deren Auflösung verfügt. Nach Ziffer I, 4 des Urteils fallen die Bundestags- usw. -mandate der Abgeordneten, die auf Grund von Wahlvorschlägen der Sozialistischen Reichspartei gewählt sind oder zur Zeit der Urteilsverkündung dieser Partei angehören, ersatzlos fort. Das Bundesverfassungsgericht hat dann weiter in den Gründen seines Urteils vom 23. Oktober ausgeführt, daß, da es für den einzelnen individuellen Fall diese Voraussetzung nicht feststellen könne und auch nicht wolle, die jeweiligen Wahlprüfungsinstanzen der Parlamente, um die es sich handle, festzustellen hätten, ob individuell gesehen die den ersatzlosen Fortfall des Mandats begründenden Tatsachen in der Person des jeweilig betroffenen Abgeordneten vorlägen.
Wir waren also in dem, was wir zu beurteilen hatten, sehr beschränkt. Wir hatten nämlich einfach festzustellen, ob die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht als Voraussetzung des Mandatsverlustes normiert hatte, in der Person des Abgeordneten Dorls feststanden und nachgewiesen sind, nämlich die Frage, ob er auf einen Vorschlag der verbotenen Partei gewählt oder später zu ihr übergewechselt ist und zur Zeit der Verkündung des Urteils ihr noch angehört hat. Wir sind in diese Prüfung eingetreten und haben durch Zeugenvernehmung und auch durch die Feststellungen des Gerichts selbst festgestellt, daß das der Fall war. Der Abgeordnete Dr. Dorls war zwar nicht auf einen Wahlvorschlag der SRP zum Bundestag gewählt; -er ist aber dann später zu ihr übergewechselt, ja, er war ihr Gründer und hat ihr bis zum Schluß, also bis zur Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, angehört, wobei wir ja auch an die Tatsache gebunden waren, die das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß die sogenannte Selbstauflösung keine rechtliche Bedeutung hatte.
Nachdem das festgestellt war, konnten wir nur noch die einzige Schlußfolgerung ziehen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil schon gezogen hatte, nämlich daß die Voraussetzungen des Mandatsverlustes in der Person des Abgeordneten Dr. Dorls gegeben waren. Wir waren weiter nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht, der besagt, daß die Entscheidungen dieses Gerichts sowohl die Parlamente wie die Gerichte binden, gebunden, auch auszusprechen, daß dieser Mandatsverlust mit dem Tage der Verkündung des Urteils, so wie es das Bundesverfassungsgericht verkündet hatte, eingetreten ist.
Da uns die Aufgabe zugewiesen war, das in einem Verfahren nach dem Wahlprüfungsgesetz festzustellen, mußten wir formell, obwohl das eigentlich materiell keinen rechten Sinn hat, genau nach den Vorschriften dieses Gesetzes verfahren. Wir mußten dem Abgeordneten Dr. Dorls wie in allen Fällen, die wir behandeln, auch eine Rechtsmittelbelehrung erteilen und ihm die Möglichkeit einräumen, gegen diesen Beschluß, den zu fassen der Wahlprüfungsausschuß dem Plenum empfiehlt, gemäß § 48 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht das Rechtsmittel der Beschwerde, wie sie in Art. 41 des Grundgesetzes verankert ist, einzulegen. Weil das so war und der Ausschuß eine Tatsache übersehen hatte, die in diesem Verfahren auch eine Rolle spielt, habe ich vorgeschlagen und schlage Ihnen jetzt vor den in Umdruck Nr. 707 formulierten Beschluß, dem Tenor als Abs. 2 hinzuzusetzen:
Bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung kann der Abgeordnete Dr. Dorls an den Arbeiten des Deutschen Bundestages nicht teilnehmen.
Das entspricht der Lösung des § 16 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes. Dort heißt es:
Der Bundestag kann jedoch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließen, daß der Abgeordnete bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht an den Arbeiten des Bundestages teilnehmen kann.
Ich möchte jedenfalls anregen, daß das Haus diesen Absatz 2 dem Tenor in der Drucksache Nr. 3870 hinzusetzt. Ich glaube nicht, daß die Sache irgendwie eine praktische Bedeutung erlangen wird; denn ich nehme nicht an, daß der Abgeordnete Dr. Dorls überhaupt die Absicht hat, Beschwerde einzulegen. Da nämlich das Bundesverfassungsgericht in Frage käme, würde das nur eine Formalie bedeuten. Es würde ja sofort durch Beschluß die Beschwerde als offensichtlich unbegründet kostenpflichtig verwerfen. Da für diesen Fall im Gesetz die Möglichkeit besteht, ganz erhebliche Kosten aufzuerlegen, glaube ich, daß dieser formellen Angelegenheit eine praktische Bedeutung nicht zukommt.
Ich bitte das Hohe Haus, entsprechend meinem Vorschlag zu beschließen.
Meine Damen und Herren, darf ich, ehe ich Herrn Abgeordneten Renner das Wort gebe, darauf hinweisen — Herr Abgeordneter Schneider wies bereits darauf hin —, daß dieser Beschluß gemäß § 16 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages bedarf und daß nach § 16 Abs. 3 auch die Möglichkeit besteht, daß das Bundesverfassungsgericht im Falle der Beschwerde auf Antrag von. einem Zehntel der Mitglieder des Bundestages eine gleiche Anordnung erläßt. Ich möchte das nur zur Erklärung der rechtlichen Möglichkeiten gesagt haben.
Herr Abgeordneter Renner!
Ich lasse mich nicht auf eine Diskussion über die Berechtigung oder die Richtigkeit des Verbots oder der Erklärung der Verfassungswidrigkeit dieser Partei ein. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur daran erinnern, daß wir die einzige
Fraktion gewesen sind, die das Verbot bereits vor Monaten hier verlangt hat, ohne daß das Hohe Haus darauf eingegangen ist.
Die Rechtslage ist von dem Herrn Berichterstatter geklärt worden. Ich behaupte, daß das Grundgesetz keine Möglichkeit zuläßt, einem gewählten Abgeordneten das Mandat abzusprechen mit der Begründung, die Partei, auf deren Liste oder für die er gewählt worden sei, sei verfassungswidrig. In der ganzen Debatte im Parlamentarischen Rat um diesen Artikel hat niemand auch nur andeutungsweise eine derartige Möglichkeit bejaht. Ja, ich behaupte, daß bereits im Parlamentarischen Rat diese Möglichkeit einstimmig abgelehnt worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nach unserer Auffassung also, statt im Rahmen des Grundgesetzes zu urteilen, ob diese Partei verfassungswidrig ist oder nicht, eigenes Verfassungsrecht geschaffen. Das ist nicht die Funktion des Bundesverfassungsgerichts.
Aber da Sie ja offensichtlich bereit sind, widerspruchslos diese Kompetenzüberschreitung des Bundesverfassungsgerichts anzuerkennen und hinzunehmen, halte ich mich verpflichtet, doch noch auf eine Seite der Sache einzugehen, um die ganz eigenartige derzeitige Haltung der Fraktionen ins rechte Licht zu setzen und sie mit der ursprünglichen Haltung bei der Abfassung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu vergleichen. In dem Regierungsentwurf zu diesem Gesetz, Bundestagsdrucksache Nr. 788, hieß es:
Die Aberkennung eines Mandates, das Angehörige der verbotenen Parteien besitzen, ist nicht vorgesehen, weil das nur vertretbar wäre, wenn damit eine Neuwahl des Parlaments verbunden werden könnte. Die Abgeordneten der verbotenen Parteien bleiben als Fraktionslose Mitglieder des Parlaments.
So der urspüngliche Regierungsentwurf.
In dem zuständigen Ausschuß, der sich laut- Beschluß des Bundestags mit diesem Entwurf befaßt hat, hat lediglich der Herr Abgeordnete Kiesinger einmal die 'Meinung vertreten, es sei keine Verfassungsverletzung, wenn ein solcher Mandatsverlust ausgesprochen werde. Er hat aber damals erklärt, daß er eine derartige Aberkennung für politisch nicht zweckmäßig ansehe, und seiner Auffassung nach sei es 'der Ausdruck einer rechtlichen Fiktion, wenn man die aktivsten Vorkämpfer einer verfassungswidrigen Partei als Abgeordnete des ganzen Volkes betrachte und für tabu erkläre.
Ich erinnere daran, welche Diskussion urn den Charakter eines Mandats im Parlamentarischen Rat geführt worden ist und daß damals das Mandat absolut von der Fraktion bzw. von der Partei getrennt worden ist. Niemand kann heute die Richtigkeit meiner Feststellung bestreiten. Aber in diesem Ausschuß hat dann der damalige Abgeordnete Zinn eine ganz scharf ablehnende Stellungnahme zu der Auffassung des Herrn Kollegen Kiesinger vorgetragen, und Herr Dr. Geiger vom Bundesjustizministerium hat damals ausgeführt, in der Frage der Aberkennung eines Mandats sei man im 'Ministerium der Meinung, daß sich der Art. 21 des Grundgesetzes nur auf die Vernichtung der Parteiorganisation beziehe, nicht aber auf die einzelnen Angehörigen der Partei, auch nicht auf ihre Abgeordneten.
Wir haben den Tatbestand vor uns, daß das Bundesverfassungsgericht hier gegen den klaren Charakter des Grundgesetzes, gegen die klaren Auffassungen, die sich im Parlamentarischen Rat darüber herausgebildet haben, und darüber hinaus gegen den klaren, eindeutigen Text des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine Anordnung getroffen hat, die als verfassungswidrig anzusprechen ist. Es kommt hinzu, 'daß durch diesen Spruch auch das Wahlgesetz verletzt worden ist. Nach § 7 dieses Gesetzes verliert ein Abgeordneter nämlich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sein Mandat, etwa durch Verzicht oder idurch strafgerichtliche Aberkennung der Rechte aus öffentlicher Wahl. Es liegt also auch ein Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz vor.
Ich bin der Auffassung, daß man sich bei diesem Tatbestand nicht so leichtfertig und leichtherzig über Grundgesetz und Bundesverfassungsgerichtsgesetz hinwegsetzen 'darf. Dem Bundesverfassungsgericht muß klar und eindeutig dargetan werden, daß der Bundestag der Auffassung ist, daß das Gericht mit seinem Urteil in diesem Punkt seine Kompetenzen absolut überschritten hat.
Wir sind also auf Grund der rechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht in der Lage, dem Vorschlag der Wahlprüfungskommission unsere Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter von Merkatz zu einer kurzen Erklärung.
Abg. Renner: Der war übrigens im Ausschuß auch dagegen, der Herr von Merkatz!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte von vornherein feststellen zu dürfen, daß meine Ausführungen keine Option in diesem konkreten Fall bedeuten. Aber ich, glaube, daß hier ein Prinzip in Frage steht, das wir nicht so leichtfertig abhand'el'n dürfen. Es steht mir nicht zu, ein Urteil des Hohen Bundesverfassungsgerichts zu kritisieren.
Aber die Frage der Zugehörigkeit zu diesem Hause, die Frage des Mandats, das unabhängig von der Parteizugehörigkeit zu beurteilen ist, ist die Grundlage eines parlamentarisch-demokratisch regierten Staates. Ich möchte seitens meiner Fraktion einen ausdrücklichen Protest zu Protokoll geben, daß die Aberkennung des Mandats nicht durch ein individuelles Verfahren durchgeführt worden ist, sondern daß sie global und, wie ich glaube, im Widerspruch zum Wesen des Mandats und zu den Verfassungsgrundsätzen mit in den Spruch gegen die Partei — als Exekutionsfolge — eingeschlossen worden ist.
Meine Damen und Herren! Wir leben im Vorfeld zu dem gewaltigsten totalitären Regime, das es auf der Erde jemals gegeben hat. Wir haben allen Anlaß, die Fragen der Grundlagen der demokratischen Freiheit mit besonderer Sorgfalt im Sinne des rechtsstaatlichen Denkens zu prüfen. Ich begrüße die außerordentlich korrekte Behandlung des Falles durch den Wahlprüfungsausschuß, der die Rechtskraft der Aberkennung des Mandats von dem in diesem Parlament für diese Frage beschlossenen Gesetz abhängig macht. Die Rechtskraft tritt also erst nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels ein. Ich begrüß? diese Lösung, die mit Rücksicht auf die Bindung dieses Hohen Hauses an den Urteilsspruch das Äußerste war, was juristisch in der Verteidigung des Wesens des Mandats vom Wahlprüfungsausschuß judiziert werden konnte. Ich begrüße diese Entscheidung des Wahlprüfungs-
ausschusses, weil sie dem autonomen Recht des Hauses, im Rahmen der Wahlprüfung allein über das Mandat zu erkennen, vollkommen Rechnung trägt.
Für die Zukunft möchte ich, wie gesagt, namens meiner politischen Freunde, grundsätzlich diesen Protest zu Protokoll geben, damit künftig die Aberkennung des individuellen Mandats durch individuelle Verfahren erfolgt. Die Entscheidung so, wie sie gefällt worden ist, zu kritisieren, steht mir, wie gesagt, nicht an. Aber sie bedeutet unter Umständen eine Handhabe, ein Präjudiz, das überaus folgenreich werden kann in einem Stadium, in dem sich eine freiheitliche Demokratie zu einer totalitären Demokratie wandelt. Ich halte mich für verpflichtet, in dieser Stunde auf die Gefahr dieser Entscheidung hinzuweisen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses hat mi r mitgeteilt, daß der Ausschuß damit einverstanden ist, wenn wir angesichts der Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit für den Beschluß, soweit er in Umdruck Nr. 707 zu Abs. 2 vorgeschlagen ist, die Abstimmung über diesen Antrag — nicht eine Fortsetzung der Debatte — am nächsten Mittwoch vornehmen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der
Fraktion der SPD betreffend Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte für in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit und den Antrag der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Entschädigungsgesetz für Arbeitsleistungen ehemaliger Kriegsgefangener und Iden Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vorlage eines Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Heimkehrergesetz .
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Um die Dinge zu klären, darf ich auf folgendes hinweisen. Die Föderalistische Union hat mir mitgeteilt, daß sie bei den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung mit einer Überweisung an die Ausschüsse ohne Begründung und Beratung einverstanden sei. Für Punkt 19 ist, wenn ich recht unterrichtet bin, eine Verständigung der Fraktionen herbeigeführt worden, daß auf eine allgemeine Aussprache in dritter Beratung verzichtet werden kann. Punkt 20 ist abgesetzt worden. Mir ist mitgeteilt worden, daß man mit der Erledigung des Punktes 21 in erster, zweiter und dritter Beratung — wenn ich recht unterrichtet bin: ohne Aussprache — einverstanden sei und daß, ebenfalls im Einverständnis mit den Antragstellern, .die Gesetzentwürfe unter Punkt 23 ohne Beratung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden können.
— Dias ist noch nicht gesagt; das kommt noch. Ich gebe im Augenblick nur einen allgemeinen Fahrplan,
Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Probst!
Frau Dr. Probst , Berichterstatterin: Meine sehr geehrten Herren und Damen! Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat in seinen letzten drei Sitzungen die ihm überwiesenen Anträge, nämlich den Antrag Drucksache Nr. 3674 der Fraktion der SPD betreffend Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte für in der Gefangenschaft geleistete Arbeit, den Antrag der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion betreffend Entschädigungsgesetz für Arbeitsleistungen ehemaliger Kriegsgefangener, Drucksache Nr. 3693, und den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vorlage eines Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Heimkehrergesetz, Drucksache Nr. 3703, gründlich und intensiv beraten. Das Ergebnis dieser Beratung liegt idem Hohen Hause in dem Bericht und dem gemeinsamen Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3855 vor. Erlauben Sie mir, zur Begründung des Ausschußantrages die von dem Ausschuß erarbeiteten Argumente in Kürze vorzutragen.
Im Zusammenhang mit Ziffer 2 des Antrages der SPD Drucksache Nr. 3674, in dem die Bundesregierung ersucht wird, die Anerkennung der Arbeit der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten als Reparationsleistung zu erwirken, wurden Sachverständige des Auswärtigen Amtes, des Bundesjustizministeriums und des Finanzministeriums zu den einschlägigen völkerrechtlichen Fragen gehört. Daraus ergab sich, daß über die Reparationsfrage als solche in diem internationalen Gespräch von deutscher Seite nicht verhandelt worden und die endgültige Regelung bis zu den Beratungen über den Friedensvertrag vertagt ist. Es ist von deutscher Seite keine Anerkennung von Reparationsleistungen erfolgt. Von seiten einzelner Mitglieder des Ausschusses wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß im Gegenteil in § 34 der Genfer Konvention die Rede ist von dem Guthaben, das dem Kriegsgefangenen aus seinem Lohn für die geleistete Arbeit zusteht und das ihm bei der Beendigung seiner Gefangenschaft auszuhändigen und im Falle des Todes den Hinterbliebenen als Erbe auf diplomatischem Wege zuzustellen ist. Es wurde ferner darauf Bezug genommen, daß in einzelnen alliierten Staaten bestimmte Stichtage, meistens das Jahr 1947, festgelegt sind. Ein nach diesem Stichtage neu erworbenes Vermögen stellt ein echtes Auslandsguthaben dar, das keiner Beschlagnahme unterliegt.
Im Laufe einer eingehenden Aussprache kam der Ausschuß zu der Überzeugung, daß es nicht seine Aufgabe sei, sich mit den aus dem Antrag ergebenden außenpolitischen Fragen zu beschäftigen. Die Antragsteller erklärten sich daraufhin bereit, auch unter diem Gesichtspunkt der Beschleunigung der Gesetzesarbeit, die Ziffer 2 des Antrages Drucksache Nr. 3674 auszuklammern.
In den Begründungen der genannten Anträge und in der sich anschließenden Debatte bekannte sich der Ausschuß einmütig dazu, daß den Kriegsgefangenen, Zivilverschleppten und Internierten unabhängig von der Erfüllung ihrer Ansprüche an die Gewahrsamsländer ein Rechtsanspruch zuzuerkennen ist. Die Kriegsgefangenen haben stellvertretend für das ganze Volk größte Entbehrungen und Arbeitsleistungen auf sich nehmen müssen. Die deutschen Kriegsgefangenen, Zivilverschleppten und Internierten sind durch den Krieg und seine Folgen schwer betroffen. Ihr Rechtsanspruch ist eine Art Wiedergutmachung. Es muß die Lücke geschlossen
werden, die im Lastenausgleich in bezug auf die in der Soforthilfe gewährten Leistungen entstanden ist.
Dieser Rechtsanspruch — so wurde in der Debatte ausgeführt — ist aber nicht nur als bloßer Entschädigungsanspruch für geleistete Arbeit zu werten. Der Ausschuß hat sich davon überzeugt, daß eine solche Rechtsgrundlage nicht ausreichend ist und der Größe der vollbrachten Leistungen und des Opfers sowie der Besonderheit des Einzelfalles nicht gerecht zu werden vermag. Die geleistete Arbeit als Grundlage für die gesetzliche Regelung gibt einen sozial nicht immer gerechten Maßstab. Es könnte bei einer solchen gesetzlichen Regelung z. B. der in der Gefangenschaft schwer erkrankte nicht berücksichtigt werden, da er ja nicht zu arbeiten in der Lage war. Es kann im Einzelfall so sein, daß der früher Heimgekehrte, der also in der Gefangenschaft kürzer gearbeitet hat, unter Umständen viel mehr der Hilfe der Allgemeinheit bedarf als ein anderer. Es kann also nicht schematisch abgefunden werden nur unter dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit.
Der Rechtsanspruch ist vielmehr über den Entschädigungsanspruch hinausgehend ethisch und moralisch fundiert in der tiefen Verpflichtung und der Dankesschuld des deutschen Volkes. Im Ausschuß wurde darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber es bei der Gestaltung der beiden großen Sozialgesetze der Bundesrepublik — des Bundesversorgungsgesetzes und des Lastenausgleichsgesetzes — bewußt vermieden hat, auf das reine Entschädigungsprinzip abzustellen, das ja immer das Prinzip der Abfindung in sich schließt.
Es wurde im Ausschuß darauf Bezug genommen,
daß das Lastenausgleichsgesetz davon abgesehen hat, das bloße Entschädigungsprinzip allein zur Grundlage des Rechts zu machen. Das Lastenausgleichsgesetz hat die Möglichkeit geschaffen, über die Abgeltung des Schadenswertes als solchen hinaus Leistungen zu gewähren. In der Unterhaltshilfe des Lastenausgleichsgesetzes hat die derzeitige soziale Lage des Anspruchsberechtigten Berücksichtigung gefunden. Ebenso tritt im Bundesversorgungsgesetz an die Stelle der notwendigerweise begrenzten und immer schablonisierenden bloßen Entschädigung das individuell anpassungsfähige Versorgungsprinzip, mit dem man im begründeten Einzelfall über die Höhe des reinen Entschädigungsanspruchs hinauszugehen in. der Lage ist und eine Fortdauer der Leistungen ermöglicht.
Weiter wurde im Ausschuß darauf hingewiesen, daß sowohl im Bundesversorgungsgesetz wie im Lastenausgleichsgesetz die gleiche Erkenntnis zugrunde gelegt ist, daß nämlich nur eine Synthese zwischen dem quotalen Entschädigungsanspruch und der Anpassung an die individuell differenzierten sozialen Verhältnisse des Einzelschicksals der Nachkriegszeit unter Berücksichtigung des wirtschaftlich Möglichen eine annähernd gerechte Lösung der schweren Probleme der sozialen Kriegsfolgen ermöglichen kann.
Nach langen und eingehenden Beratungen einigte sich der Ausschuß auf den vorliegenden Antrag, in dem der Grundgedanke des Lastenausgleichsgesetzes seinen Niederschlag gefunden hat und in dem im Anschluß an den Lastenausgleich eine Eingliederungshilfe gefordert wird. Ich darf den Antrag mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen und dabei eine redaktionelle Korrektur anbringen. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag den Entwurfeines Gesetzes vorzulegen, welcher in Anerkennung des Anspruchs der durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Kriegsgefangenen, Zivilverschleppten und Zivilinternierten eine die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigende Entschädigung und die für die Eingliederung der genannten Gruppen notwendige Hilfe regelt.
Ich bitte das Hohe Haus im Namen des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, dem vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 3855 seine Zustimmung zu geben und damit die Anträge Drucksachen Nrn. 3674, 3693 und 3703 als 'erledigt zu betrachten.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Ausprache zu verzichten.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3855 in der redaktionell abgeänderten Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Der Punkt 16 der Tagesordnung ist bereits vorhin erledigt worden Im Einvernehmen mit den Antragstellern schlage ich Ihnen vor, die Punkte 17:
Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Deutsche Kriegsgefangene und Zivilinternierte (Nr. 3807 der Drucksachen),
und 18:
Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Regelung der Rückgabe der Gebäude und Grundstücke des deutschen Auswärtigen Dienstes im Ausland (Nr. 3808 der Drucksachen),
ohne Begründung und ohne Aussprache dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. — Das Haus ist mit der Überweisung einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Zu Punkt 19 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Wohnraummangelgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (Nr. 3822 der Drucksachen, Umdruck Nr. 708),
liegt Ihnen ein Schriftlicher Bericht *) des Berichterstatters, des Herrn Abgeordneten Kalbfell, vor. Ich darf annehmen, daß auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wird. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung § 1, — § 2, —§ 3. — Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist. angenommen.
Zu § 4 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Paul und Genossen auf Umdruck Nr. 709 vor. — Bitte, Herr Abgeordneter Paul!
*) Siehe Anlage 2 Seite 11085.
Meine Damen und Herren! Ich will kurz unseren Streichungsantrag zu § 4 dieses Gesetzes begründen. Durch diesen Paragraphen sollen der Bundesregierung und den Länderregierungen Ermächtigungen gegeben werden, in den genannten Fällen weitere Aufhebungen der Wohnraumbewirtschaftung zu verfügen. Die Länderregierungen sind sogar ermächtigt, diese Befugnis auf die einzelnen Stadt- und Kreisverwaltungen zu übertragen. Wir sind der Meinung, daß die heutige wohnraumpolitische Situation nicht mit der Lage nach dem ersten Weltkrieg zu vergleichen ist. Das ergibt sich schon aus der Vorlage dieses Gesetzentwurfs. Es ist deshalb gar nicht zweckmäßig, jetzt schon davon zu reden, daß noch weitere Aufhebungen der Wohnraumbewirtschaftung erfolgen sollen. Ich möchte Sie besonders darauf hinweisen, daß es auf diesem Gebiet sowieso schon zweierlei Recht gibt. Diejenigen Personen, die über größere Einkommen und über Vermögen verfügen, sind gegenüber dem Bevölkerungsteil, der nicht im Besitz eines größeren Einkommens oder eines Vermögens ist, schon bevorrechtigt.
Wir sind der Meinung, daß es, wenn der Zeitpunkt einmal heranreift, in dem jene Voraussetzungen gegeben sind, die hier im § 4 für die weitere Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung genannt werden, Aufgabe dieses Parlamentes sein sollte, durch ein neues Gesetz die Wohnraumbewirtschaftung dann weiter zu lockern. Aber in der heutigen Periode sollte das in diesem Hause keiner tun.
Außerdem sind wir aus grundsätzlichen Erwägungen heraus der Meinung, daß es überhaupt auch nicht am Platze ist, der Regierung solche weitgehenden Ermächtigungen zu geben. Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß man diesen Paragraphen streichen sollte. Ich ersuche Sie, im Interesse der Wohnungsuchenden keine weiteren Möglichkeiten in der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung zuzulassen, und bitte Sie deshalb, unserem Streichungsantrag zu § 4 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag, den Herr Abgeordneter Paul begründet hat, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 4 in der Fassung des Ausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Ich rufe auf die §§ 5, — 6, — 7. — Keine Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Inzwischen ist ein Umdruck Nr. 710 mit einem interfraktionellen Änderungsantrag zu den §§ 8, 14, 18, 30 und 31 verteilt worden. Darf ich unterstellen, daß der Antrag Umdruck Nr. 708 damit überholt ist?
— Der Antrag der Deutschen Partei Umdruck
Nr. '708 ist damit überholt. Sollen die Anträge Umdruck Nr. 710 einzeln begründet werden?
— Ist nicht erforderlich.*)
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 710 Ziffer 1 zu § 8. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 8 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; § 8 ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 9, — 10, — 11, — 12 — und 13. — Keine Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zum Änderungsantrag zu § 14, Umdruck Nr. 710 Ziffer 2, wird ebenfalls auf Begründung verzichtet. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Ich bitte die Damen und Herren, die § 14 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 15 hat Herr Abgeordneter Paul einen weiteren Änderungsantrag gestellt.
keine Rolle!)
Meine Damen und Herren! Wir beantragen, daß in § 15 Abs. 1 der letzte Satz gestrichen wird. Darin heißt es nämlich, daß die Wohnungsbehörden einem Wohnungsuchenden nur dann eine Wohnung zuweisen können, wenn sie geprüft haben, daß er die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, insbesondere die preisrechtlich zugelassene Miete zahlen kann. Sie muten hier der Wohnungsbehörde allerhand zu. Sie soll also die Möglichkeit, j a die Pflicht haben, den sozialen Zustand einer Familie und ihre Einkommensverhältnisse zu untersuchen. Das wird zu großen Schnüffeleien Anlaß geben.
Wir sind der Meinung, daß die Zuteilung einer Wohnung an einen, der dringlich eine Wohnung sucht, nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob er in jedem Falle in der Lage ist, auf eine längere Zeit hinaus die Miete zu zahlen. Bei der Wohnungszuteilung sollte allein entscheidend sein, in welchen Wohnverhältnissen der Wohnungsuchende lebt. In dem Gesetzentwurf wird ja auch ganz deutlich gesagt, daß Wohnungen in erster Linie denjenigen zugeteilt werden, die in die Dringlichkeitsstufen eingegliedert sind. Wenn es bei diesem Satz verbliebe, würden sich sehr schwere Auswirkungen für die Flüchtlinge und die sonstigen sozial Bedrängten ergeben. Diese kommen schon heute nur sehr schlecht in den Besitz einer Wohnung, vor allem einer Neubauwohnung, weil sie in den meisten Fällen gar nicht in der Lage sind, die hohen Mieten für Neubauwohnungen zu zahlen. Wenn Sie das aber jetzt auf alle Wohnungen ausdehnen wollen, wird es wohl bald so sein, daß eine Flüchtlingsfamilie oder eine kinderreiche Familie,
*) Vgl. schriftliche Begründung: Anlage 3 Seite 11097.
die kein so gesichertes Einkommen hat, überhaupt nicht mehr in den Besitz einer Wohnung gelangt und in ihrem Notquartier oder in der Baracke bleiben muß. Wir sind der Meinung, daß allein die Bedürftigkeit für den Anspruch auf eine Wohnung maßgebend sein sollte und daß es nicht die Aufgabe der Wohnungsbehörde sein kann, hinsichtlich des Verdienstes, des Einkommens eine Vorprüfung vorzunehmen, um erst nach entsprechender Feststellung die Wohnung zu vergeben.
In dem Bericht des Ausschusses wird gesagt, daß die Wohnungsbehörden unter Umständen von den Hausbesitzern oder Wohnungsbesitzern, wenn es sich um Gesellschaften handelt, sogar regreßpflichtig gemacht werden können. Diese Festlegung ist nach meiner Ansicht vollständig abwegig. Es ist doch untragbar, eine Wohnungsbehörde regreßpflichtig zu machen, wenn sie einem sozial Schwachen eine Wohnung zugeteilt hat.
Ich möchte Sie im Interesse der sozial bedrängten Menschen, die überhaupt keine oder eine nicht ausreichende Wohnung haben, bitten, gemäß unserem Antrag den letzten Satz des § 15 Abs. 1 zu streichen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Sie haben den Antrag des Abgeordnten Paul gehört. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 16 und 17. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 18 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 710 Ziffer 3 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich danke. Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 18 in der geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 19, — 20, — 21, — 22, — 23, —24, — 25, — 26, — 27, — 28, — 29. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Angenommen.
Ich rufe auf § 30, dazu Änderungsantrag Umdruck Nr. 710 Ziffer 4. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 30 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 31 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 710 Ziffer 5 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 31 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ebenfalls angenommen.
Ich rufe auf die §§ 32, — 33, — 34, — 35, — 36, — 37, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, 1 um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Die zweite Beratung ist beendet.
Ich schlage Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache in der
dritten Beratung
zu verzichten. Änderungsanträge sind nicht gestellt.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Wohnraummangelgesetz. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Nr. 3734 der Drucksachen).
— Meine Damen und Herren, mir ist von sämtlichen Fraktionen des Hauses mitgeteilt worden, daß diese Gesetze ohne Verzögerung angenommen und erledigt werden könnten. Darf ich Ihnen den Vorschlag machen, noch 5 Minuten auszuhalten!
Wenn ich recht unterrichtet bin, ist interfraktionell vereinbart worden, die erste, zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes durchzuführen und auf eine Aussprache zu verzichten.
Die erste Beratung ist damit erledigt. Ich komme zur
zweiten Beratung
und rufe aus der Drucksache Nr. 3734 auf § 1, —§ 2, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die in der Schlußabstimmung dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens — Emissionsgesetz — zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Gegen wenige Stimmen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine Aussprache vor. — Sie sind damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, dieses Gesetz dem Ausschuß für Rechtswesen und, Verfassungsrecht zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 23:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich (Nr. 3844 der Drucksachen);
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kather, Wackerzapp, Dr. von Golitschek und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ausgleichsleistungen an Sowjetzonenflüchtlinge ;
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kather, Wackerzapp, Dr. von Golitschek und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FU betreffend Einmalige Zuwendung an Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (Nr. 3823 der Drucksachen).
Mir ist mitgeteilt worden, daß die Fraktionen sich im Einvernehmen mit den Antragstellern darüber verständigt haben, diese Gesetzentwürfe und Anträge ohne Begründung und Aussprache dem Ausschuß für den Lastenausgleich zu überweisen. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist?
— Dann darf ich fragen, wer für die Überweisung an den Lastenausgleichsausschuß ohne Begründung und ohne Aussprache ist. — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; die Überweisung ist erfolgt.
Zu Punkt 24, erste Beratungen zu Entwürfen von Gesetzen zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, ist mir mitgeteilt worden, daß es von den Fraktionen nicht als möglich angesehen wird, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich mache Ihnen daher den Vorschlag, die Sitzung jetzt abzubrechen.
— Frau Abgeordnete Kalinke hat ums Wort gebeten. Zur Geschäftsordnung, Frau Abgeordnete?
— Bitte schön!
Ich bitte das Hohe Haus, von Punkt 24 dann wenigstens den Punkt 24 c noch kurz zu erledigen
und den Gesetzentwurf zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, der die Weihnachtsgratifikation betrifft, heute wenigstens noch dem Ausschuß zu überweisen,
damit in der nächsten Woche die Verabschiedung erfolgen kann. Ich mache darauf aufmerksam, daß diejenigen — —
Ich stelle fest, daß ich das Haus in aller Gründlichkeit und mit allem Ernst darauf aufmerksam
mache, daß dann die von diesem Haus beschlossenen Anträge nicht verwirklicht werden können und die Empfänger von Weihnachtsgratifikationen die notwendige Steuermäßigung nicht bekommen werden, wenn Sie nicht bereit sind, diese fünf Minuten noch zu opfern.
Ich bitte daher um Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich hatte versucht, festzustellen, ob eine Überweisung an den Ausschuß ohne Ausprache möglich sei. Die Frage ist von den Fraktionen verneint worden. Ich habe das pflichtgemäß dem Hause mitgeteilt. Frau Abgeordnete Kalinke hat nun zur Geschäftsordnung den Antrag gestellt, den Punkt 24 c ohne Aussprache dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
- Diese Überweisung scheint mir nur sehr schwer möglich zu sein, wenn die Fraktionen erklären, daß sie auf eine Aussprache über diese Frage nicht verzichten können. Darf ich Ihnen vorschlagen, Frau Abgeordnete Kalinke, Ihren geschäftsordnungsmäßigen Antrag unter diesen Umständen nicht aufrechtzuerhalten?
Meine Damen und Herren, das Haus müßte dann eine Abkürzung der Besprechungszeit beschließen. Wir haben vereinbart, daß diese Punkte zusammen behandelt werden: Da die übrigen Anträge von den Fraktionen begründet und besprochen werden sollen, bedaure ich, über diesen Antrag nicht abstimmen lassen zu können.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. Dezember, 13 Uhr 30, und schließe die 239. Sitzung.
Meine Damen und Herren, darf ich noch einen Augenblick um Aufmerksamkeit bitten, obwohl ich die Sitzung schon geschlossen habe. Es haben sich bei der Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling Zwischenrufe und Ausführungen ergeben, die von der „trojanischen Kavallerie" in den Bereich des Militärischen und des Zoologischen hineingegangen sind, die sich vom „Küchenbullen" bis zum „Esel" und „Riesenroß" hin erweitert haben. Ein großer Teil dieser Ausführungen ist dem Hause und mir durch den Lärm nicht verständlich gewesen. Ich muß feststellen, daß sowohl der Abgeordnete Dr. Wuermeling in seinen Ausführungen wie der Abgeordnete Renner in seinen Zwischenrufen die Grenze des parlamentarisch Üblichen überschritten haben. Ich möchte das ausdrücklich noch getan haben.
Ich schließe die Sitzung.