Rede von
Stephan
Mayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-
ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich habe gehofft, dass
diese letzte Debatte vor der Weihnachtspause in einer
Sebastian Hartmann
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621128
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vorweihnachtlichen, ruhigen, sachlichen, unaufgeregten
Form abläuft. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt.
Wenn man sich als objektiver Beobachter der Debat-
te die Reden der Opposition und leider auch der SPD
angehört hat mit den Vorwürfen, die uns als CDU/CSU
gemacht wurden, dann ist man, glaube ich, erstaunt . Da
kamen die Vorwürfe: Hetze, Populismus, Ideologie, Ras-
sismus, Türkenfeindlichkeit . Kein Vorwurf, den Sie uns
gemacht haben, war Ihnen zu billig .
Ich sage Ihnen eines ganz deutlich, weil Sie uns, der
CDU/CSU, jetzt mehrmals den Vorwurf gemacht haben,
wir würden mit der Debatte zur Spaltung der Nation, zur
Spaltung unseres Volkes, beitragen:
Das Gegenteil ist der Fall . Sie tragen mit Ihrer Rhetorik
und Ihren unerhörten Vorwürfen zur Spaltung und zur
Polarisierung unserer Gesellschaft bei .
Ein verständiger und neutraler Beobachter dieser Debatte
muss doch den Eindruck haben, dass Sie an der Realität
in unserem Land vollkommen vorbeidiskutieren .
Ich möchte eines klarstellen: Frau Kollegin Künast,
Ihr Kollege Mutlu hat behauptet, mein Kollege Harbarth
hätte Ihnen ein falsches Zitat in den Mund gelegt . Sie
wissen, ich bin Ihnen zur Seite gesprungen und habe
viel Verständnis für Ihren Unmut über die jüngste Fake
News, die Ihnen zugeschrieben wurde . Aber mein Kol-
lege Harbarth hat vollkommen recht: Sie haben dieses
Zitat bezüglich der Vorgehensweise von Polizisten in
Moscheen in einer Sendung von Maischberger gebracht,
und zwar am Dienstag, den 6 . Oktober 2015 .
Ich wollte das hier nur richtigstellen, meine sehr verehr-
ten Kolleginnen und Kollegen .
Ich möchte deutlich machen: Ich habe Sympathie für
den Parteitagsbeschluss der CDU, was die Rückkehr zur
früheren Rechtslage anbelangt . Ich möchte auch hervor-
heben: Worüber regen Sie sich von den Grünen und von
der SPD auf, wenn die CDU oder auch die CSU in einem
Beschluss die Rückkehr zur früheren Rechtslage fordert?
Genau Sie haben diese Rechtslage 1999 herbeigeführt .
Sie wenden sich gegen etwas, wofür Sie 1999 selbst wa-
ren .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
wir haben in dieser Legislaturperiode das Staatsange-
hörigkeitsrecht verändert. Wir haben die Optionspflicht
nicht abgeschafft, sondern nur eingeschränkt. Ich möchte
auch keinen Hehl daraus machen: Das war nicht unser
Wunsch, das war der Wunsch unseres Koalitionspartners .
Wir haben uns insofern koalitionsvertragstreu verhalten .
Wir haben die Optionspflicht unter bestimmten Vo-
raussetzungen für die Menschen aufgehoben – sie konn-
ten also beide Staatsbürgerschaften behalten –, bei de-
nen es klare Indizien dafür gibt, dass sie in die deutsche
Gesellschaft integriert sind . Die Voraussetzungen dafür
sind, dass sie bis zu ihrem 21 . Lebensjahr mindestens
acht Jahre in Deutschland gelebt haben, sechs Jahre zur
Schule gegangen sind oder einen erfolgreichen Schulab-
schluss oder einen erfolgreichen Berufsschulabschluss
gemacht haben . Das sind klare Indizien .
Ich bin auch der Überzeugung, es wäre jetzt falsch, in
gesetzgeberischen Aktionismus zu verfallen
und in der laufenden Legislaturperiode noch einmal
Hand an das Staatsangehörigkeitsrecht zu legen . Ich
möchte aber auch die Frage stellen, ob wir nicht viel-
leicht vorschnell gehandelt haben . Führen wir uns die
Entwicklungen der letzten Wochen und Monate vor Au-
gen: den Putschversuch in der Türkei am 15 . Juli dieses
Jahres, in der Folge davon die innerstaatlichen Konflikte
in der Türkei, die auch klare Auswirkungen in Deutsch-
land haben .
Auch in Deutschland gab es Demonstrationen von
türkischen Staatsangehörigen und von deutschen Staats-
angehörigen türkischer Herkunft für Erdogan und ge-
gen Erdogan . Wir haben doch klar gesehen, dass diese
Vorkommnisse in der Türkei, auch die bilateralen Span-
nungen zwischen der Türkei und Deutschland, auf unser
Land nicht ohne Auswirkungen geblieben sind und nicht
ohne Auswirkungen bleiben .
Deswegen ist die Frage vollkommen berechtigt: Wem
gilt die Loyalität eines türkischen Staatsangehörigen oder
eines deutschen Staatsangehörigen türkischer Herkunft,
wenn er in Deutschland demonstriert? Gehört die Loya-
lität dem Volk mit einer Bundeskanzlerin Angela Merkel
Stephan Mayer
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 2016 21129
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oder dem Volk mit einem Präsidenten Erdogan? Das ist
doch eine berechtigte Frage, Herr Kollege Lischka .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind
klar der Auffassung: Es muss beim Grundsatz bleiben,
dass man nur eine Staatsangehörigkeit hat, die Mehrstaa-
tigkeit muss die Ausnahme bleiben . Es ist ein Irrglaube,
meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition und
von der SPD, zu denken, dass man Integration über einen
Ausweis erreicht .
Man erreicht Integration über tatsächliche Maßnahmen .
Eines möchte ich Ihnen zum Abschluss ins Stamm-
buch schreiben . Erst seit Angela Merkel im Bundeskanz-
leramt sitzt, ist Integration ganz oben auf der politischen
Agenda angekommen .
Sie haben immer nur geschwätzt und geredet .
Aber Sie haben für Integration nichts getan . – Ich möchte
zu meiner Hoffnung zurückkehren, dass wir die weitere
Debatte in der erforderlichen Sachlichkeit und auch in
der erforderlichen Ruhe führen können .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der
festen Überzeugung, dass es richtig ist, in der verbleiben-
den Zeit der Legislaturperiode das Staatsangehörigkeits-
recht so zu belassen, wie es ist .
Aber im Wahlkampf werden wir mit Sicherheit mit unse-
ren Wählerinnen und Wählern über dieses gesellschafts-
politisch wichtige Thema sehr intensiv diskutieren . Das
werden wir von der CDU und von der CSU machen .