Rede von
Özcan
Mutlu
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst
einmal zwei Sätze vorweg . Das beste Beispiel, wie sich
Fake News verbreiten, hat vorhin der Kollege Harbarth
geboten, indem er schlichtweg etwas verbreitet hat, was
die Kollegin Künast nie so gesagt hat . Es ist einfach un-
verschämt, dass Sie dem Haus das antun .
Wenn ich die heutige Debatte und frühere Debatten zu
diesem Thema in diesem Hause Revue passieren lasse,
frage ich mich mit Blick auf die CDU/CSU-Fraktion und
auch auf den Staatssekretär, bei dem man nicht wusste,
ob er hier auf einem CDU-Parteitag oder für die Bundes-
regierung redet,
ernsthaft: In welchem Jahrhundert leben Sie? Ihre partei-
politischen Spielchen auf dem Rücken junger Menschen
auszutragen, ist einfach nur schäbig .
Diese Debatte und das, was wir heute hier erlebt haben,
ist Gift für die Integration und spaltet unsere Gesell-
schaft .
Ich kann mich noch sehr genau an die Zeiten von
Roland Koch erinnern, der damals mit seiner Kampagne
gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die im Übrigen
später, wie Kollegin Dağdelen gesagt hat, in eine „Aus-
länder raus“-Kampagne ausgeartet ist, unserem Land
geschadet hat . Mit dieser Kampagne damals wurde die
Integrationspolitik dieses Landes um Jahre, wenn nicht
sogar um Jahrzehnte zurückgeworfen .
Nichts anderes tun Sie heute hier in diesem Hause und
mit Ihrem Parteitagsbeschluss . Es ist beschämend, dass
eine große Volkspartei wie die CDU/CSU sich wieder
einem derartigen Populismus hingibt und nichts aus den
Fehlern der Vergangenheit gelernt hat .
Akzeptieren Sie endlich, dass es Millionen Menschen
mit doppelter Staatsbürgerschaft gibt . Das ist in der mo-
dernen Welt auch unvermeidbar . Ich weiß, dass sich die
CDU/CSU, wie so oft, schwertut mit den Realitäten .
Aber Vielfalt ist in unserem Einwanderungsland nun ein-
mal Tatsache, und das ist auch gut so .
Wir reden inzwischen von hybriden Identitäten . Verges-
sen Sie einfach mal die Pässe . Etliche Studien, interna-
tionale wie nationale, zeigen, dass die doppelte Staats-
bürgerschaft kein Integrationshindernis ist; im Gegenteil .
Daran ändert sich auch nichts, wenn Teile der CDU/CSU
das weiterhin wider besseres Wissen und fälschlicher-
weise behaupten .
Ihre Behauptungen sind ein massives Integrationshin-
dernis . Noch schlimmer: Sie stellen mit Ihrem Vorhaben
die größte Einwanderungsgruppe unter Generalverdacht .
Es geht Ihnen allein um die Menschen, die aus der Türkei
stammen und seit Generationen bei uns leben . Diese Un-
gleichbehandlung hat einen Namen: Türkenfeindlichkeit,
und das grenzt an Rassismus .
Haben Sie schon einmal eine Deutschrussin oder ei-
nen Deutschpolen gefragt, ob er oder sie Loyalitätspro-
bleme hat? Das sind nämlich die größten Gruppen der
Doppelstaatler, die hier in Deutschland leben . Es wird in
Ihren Debatten immer der Eindruck vermittelt, als wür-
de es darum gehen, zwischen willkommenen und nicht
willkommenen Herkunftsländern zu unterscheiden, und
die Türkei ist nicht willkommen. Das schafft Ängste und
Ressentiments, und das ist nicht gut, weder für unser Zu-
sammenleben noch für die Integration in diesem Land .
Sie geben den Jugendlichen, die hier geboren und auf-
gewachsen sind, immer wieder das Gefühl: Ihr gehört
nicht hierher . Ihr seid anders . Wir wollen euch nicht .
Damit treiben Sie die jungen Menschen erst recht in die
Arme Ankaras, und damit schaffen Sie genau die Paral-
lelgesellschaften, die Sie beklagen . Dann wundern Sie
sich, warum .
Ich kann Ihnen sagen: Das ist weder unser Ziel, noch
darf es das Ziel von irgendjemandem in diesem Haus
sein . Sie stärken damit nämlich die Populisten . So jeden-
falls – das kann ich Ihnen von diesem Pult aus sagen –
werden Sie die Wählerinnen und Wähler, die Sie an die
AfD verloren haben, nicht zurückgewinnen . Mit dieser
gefährlichen Scheindebatte schaffen Sie mehr Unsicher-
heit und mehr Ängste und spalten die Gesellschaft .
Parl. Staatssekretär Dr. Günter Krings
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621126
(C)
(D)
Die Einführung der Optionspflicht löst keine Proble-
me, sondern sie schafft viel mehr Probleme. Dabei brau-
chen wir gerade jetzt, in diesen Tagen und Monaten, ei-
nen größeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein
Aufeinanderzugehen .
Natürlich müssen wir auch über Probleme reden .
Es gibt bei der Integration auch Probleme . Keiner bestrei-
tet das; das hat auch Kollege Volker Beck nie bestritten .
Aber unsere Aufgabe ist es, im Hinblick auf diese Pro-
bleme nach konkreten Lösungen zu suchen und gezielte
Maßnahmen zu ergreifen, besonders im Bereich der Bil-
dung . Die Ablenkungsmanöver mit der Argumentation
gegen die doppelte Staatsbürgerschaft helfen definitiv
nicht; sie spielen nur der AfD in die Hände .