Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich grundsätzlich noch einmal festhalten: Die Ab-
schaffung der Optionspflicht war ein wichtiger Schritt
zur Integration von jungen Migranten in unserer Gesell-
schaft . Ich denke, das dürfen wir uns von der CDU/CSU
nicht kaputtmachen lassen .
Wenn es nach der Union geht, soll ein Mensch nur ei-
nen Pass besitzen dürfen, gleichsam als Test seiner Loya-
lität zu Deutschland . Das ist ein Denkansatz, der in der
Tat aus dem vorigen Jahrhundert stammt . Loyalität zu
einer Gesellschaft kann man eben nicht an der Frage der
Staatsbürgerschaft messen . Die Wiedereinführung der
Optionspflicht würde einen Generalverdacht gegenüber
den hier geborenen Kindern bedeuten, denen Sie damit
das Signal geben würden: Ihr gehört nur zu uns, wenn ihr
euch für einen deutschen Pass entscheidet, andernfalls
bleibt ihr dauerhaft Fremde . – Damit wird Integration er-
schwert, und das ist genau der falsche Ansatz .
Meine Damen und Herren, wir können nach dem
CDU-Parteitag feststellen, dass führende Vertreter der
Union vom Parteitagsbeschluss abrücken . Das ist eine er-
freuliche Nachricht . Andererseits muss man sagen: Den
Leitantrag muss man genau lesen; denn der Beschluss
zur Optionspflicht ist noch lange nicht das Schlimmste
gewesen, was auf dem CDU-Parteitag beschlossen wur-
de . Man muss hier sehr deutlich sagen: Diese rassistische
Rhetorik, die Sie für den Wahlkampf 2017 in diesem An-
trag ankündigen, ist wirklich unerträglich .
Dafür möchte ich gerne ein paar Beispiele geben .
Der Antrag enthält Forderungen, die darauf hinaus-
laufen, das Asylrecht bis zum Gehtnichtmehr zu ver-
schärfen: Ausweitung der Abschiebehaft, rücksichtslose
Abschiebung; wir haben hier eben eine Debatte über Ab-
schiebungen nach Afghanistan geführt . Im Leitantrag der
Union wird sogar gesagt, dass es eine nationale Kraftan-
strengung geben soll, um diese Dinge umzusetzen . Ich
denke, genau mit dieser Rhetorik gießen Sie Wasser
auf die Mühlen von Rechtsextremisten, und Sie unter-
graben zugleich die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft in
Deutschland, die viel größer ist, als Sie hier unterstellen .
Rechtspopulismus in Reinkultur ist auch die Forde-
rung nach einem Burkaverbot, die Sie dort niederge-
schrieben haben; denn Sie wollen lediglich Ressenti-
ments gegen Muslime bestärken . Das würde den Frauen
überhaupt nichts nutzen – absolut nichts .
Im CDU-Leitantrag wird auch gefordert, Internie-
rungslager für Flüchtlinge in Nordafrika zu schaffen, also
in Ländern, in denen schwere Menschenrechtsverletzun-
gen an der Tagesordnung sind . Wenn Flüchtlingen der
Zugang zu fairen Asylverfahren gewaltsam verweigert
wird, wird faktisch das internationale Flüchtlingsrecht
aufgekündigt .
Dr. Stephan Harbarth
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 2016 21121
(C)
(D)
In dem Leitantrag wird das Türkei-Abkommen als
sehr erfolgreiches Beispiel genannt . Ich halte das wirk-
lich für einen schlechten Witz; denn auch dabei geht es
nur um Abschottung und Entrechtung von Flüchtlingen .
Zehntausende sind dort zurzeit in primitiven Lagern
untergebracht; sie leiden unter Perspektivlosigkeit und
menschenunwürdigen Verhältnissen . Das darf so nicht
sein . Also weiten Sie nicht Ihre Zusammenarbeit mit der
Diktatur Türkei auf nordafrikanische Regime aus, die
ebenfalls nicht rechtsstaatlich sind!
Zu welchen Hetzkampagnen die Union imstande ist,
zeigt auch die Äußerung von Bayerns Finanzminister
Markus Söder . Erst gestern behauptete er, wegen der
Flüchtlinge gebe es einen Kontrollverlust hinsichtlich
unserer Straßen und Plätze . Gegen die Flüchtlinge will er
jetzt den sogenannten Heimatschutz in Stellung bringen .
Das Bundeskriminalamt hat im Übrigen schon mehr-
fach bestätigt, dass Flüchtlinge keineswegs krimineller
sind als andere Menschen . Aber davon lassen sich Söder
und die Union nicht beeindrucken . So deutlich wie Herr
Söder hat im Übrigen noch nie ein CSU-Mann Flüchtlin-
ge als Bedrohung, ja als Gegner bezeichnet, die man be-
kämpfen müsse . Das ist wirklich menschenverachtende
Hetze, meine Damen und Herren .
Ein deutschtümelnder Wahlkampf mit rassistischen
Schlammschlachten ist das Letzte, was wir jetzt brau-
chen . Ich kann nur an die Union appellieren: Kommen
Sie zur Besinnung, erkennen Sie an, dass in einer Ge-
sellschaft Menschen mit vielen Identitäten und vor allen
Dingen auch mit verschiedenen Staatsbürgerschaften zu-
sammenleben können . Denn sonst verschieben Sie den
gesellschaftlichen Diskurs immer weiter nach rechts und
stärken am Ende damit die rechtsextremistischen Scharf-
macher . Das können wir in der gegenwärtigen Situation
alle nicht wollen .