Rede von
Harald
Petzold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Da
hat uns die Große Koalition mit dem Antrag „Kultur baut
Brücken“ ein zumindest auf den ersten Blick schönes
Geschenkpaket auf den vorweihnachtlichen Gabentisch
gelegt .
Sie haben im Einleitungsteil richtig festgestellt, dass Ge-
sellschaft und Kultur nichts Statisches sind, nichts sind,
das man sozusagen auf immer und ewig in derselben
Form verteidigen muss . Sie haben richtigerweise festge-
stellt, dass Integration keine Einbahnstraße ist, sondern
ein Prozess, bei dem alle Beteiligten Bereicherung erfah-
ren . Sie haben zu Recht anerkennende Worte für das Eh-
renamt gefunden und gesagt, dass es durch hauptamtli-
che Kräfte unterstützt werden muss und dass es Angebote
zur Weiterbildung braucht .
Sie haben – das freut mich als medienpolitischen Spre-
cher natürlich ganz besonders – auf die enorme Bedeu-
tung unserer unabhängigen und qualitativ hochwertigen
Presse- und Medienlandschaft hingewiesen, die eine
enorme Mitverantwortung hat für differenzierte Bericht-
erstattung, für Widerspiegelung der vielfältigen sozialen
und kulturellen Realität in unserem Land . Das freut uns,
und das ist natürlich ein schönes Angebot .
Wenn wir dann allerdings die Schleife lösen und das
Geschenkpapier aufdröseln, dann stellen wir schnell fest,
dass viel buntes Papier und viel schmückendes Rundum
verwendet worden ist, dass der Karton sehr groß ist, aber
der Inhalt sehr knapp . Ich will das an drei Beispielen be-
legen .
Sie schreiben zu Recht über die wichtige Arbeit der
soziokulturellen Zentren und würdigen deren Arbeit
sowie das Engagement von Bibliotheken, Volkshoch-
schulen, Museen, Theatern, also unserer reichhaltigen
Kulturszene; sie leistet wirklich eine wichtige Arbeit .
Als Abgeordneter, der aus einem vor allem ländlich ge-
prägten Wahlkreis kommt, kann ich nur bestätigen: Das
ist richtig . Diese Arbeit ist notwendig, um Barrieren zu
überwinden . Diese Arbeit ist notwendig, um Vorurteile
abzubauen . Diese Arbeit ist notwendig, um Ängste auf-
zugreifen und abzubauen und um auf Fremdes neugierig
zu machen . In meinem Wahlkreis habe ich selber erlebt,
wie professionelle Theaterleute Schülertheaterprojek-
te – beispielsweise das Schülertheater „Wir – 2015“ des
Gymnasiums auf dem Leonardo-da-Vinci-Campus in
Nauen – unterstützt haben, in denen diese Ängste vor
Fremden aufgegriffen worden sind.
Ich frage mich, wenn ich mir den Antrag genauer
ansehe: Was nützt er den soziokulturellen Zentren? Er
bringt sie keinen Schritt weiter nach vorne . Den wich-
tigsten Punkt, damit wir überwinden, dass die soziokul-
Ute Bertram
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621090
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(D)
turellen Zentren keine Bundesunterstützung bekommen,
also das Kooperationsverbot, umgehen Sie natürlich wie-
der . Es bleibt erhalten und hindert uns daran, die Arbeit
der sozio kulturellen Zentren mitfinanzieren zu können
und damit eine wirkliche Solidarität leisten zu können,
die den Zentren tatsächlich hilft .
– Lieber Ulrich Petzold, vergessen Sie das Luftholen
nicht, sonst gehen die Feiertage für Sie in die falsche
Richtung .
Zweites Beispiel . Die Integrationsbeauftragte hat in
ihrem gerade vorgelegten 11 . Bericht ausgeführt, dass
die Kulturarbeit von und mit Geflüchteten und ihre Per-
spektiven mittel- und langfristig in die Programme der
Kunst- und Kultureinrichtungen eingebunden werden
müssen . Für diese herausfordernden Aufgaben müssen
nach Auffassung der Beauftragten die notwendigen Res-
sourcen zur Verfügung gestellt werden . Lesen Sie das auf
Seite 337 noch einmal nach . Genau das machen Sie näm-
lich nicht . Stattdessen halten Sie am Fetisch der schwar-
zen Null fest .
Drittes Beispiel. Ihr Antrag heißt „Kultur baut Brü-
cken“. Das stimmt, aber ihre Asylpolitik reißt diese Brü-
cken wieder ein . Wenn ich an die Afghanistan-Debatte
von gestern denke, kann ich nur sagen: Sie ist ein raben-
schwarzes Beispiel dafür, wie unernst es Ihnen mit dem
vielen bunten Geschenkpapier ist .
Ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf die Stimmen
der Schülerinnen und Schüler, die sich für den Verbleib
ihrer afghanischen Mitschülerinnen und Mitschüler aus-
sprechen, die gemeinsam mit ihnen Weihnachtslieder
gesungen haben und die Weihnachtsgeschichte an ihren
Schulen aufführen wollen. Schieben Sie sie nicht wieder
ab . Wir werden nachher noch eine Debatte dazu haben,
wie Flüchtlinge geschützt werden sollen . Ich vermute, es
wird wieder in dieselbe Richtung gehen wie gestern . Da-
mit ist all das bunte Geschenkpapier nichts wert .
Am Unverständlichsten ist es, dass Sie keine Behand-
lung des Antrags im Ausschuss wollen, dass Sie eine
Sofortabstimmung hier im Plenum beantragen und nicht
unserem Antrag folgen wollen, im Ausschuss für Kul-
tur und Medien noch einmal darüber zu beraten und mit
der Öffentlichkeit zu beraten, wie wir mehr Inhalt in das
schöne bunte Weihnachtspaket bekommen . Deswegen
appelliere ich an Sie: Stimmen Sie mit uns der Überwei-
sung in den Ausschuss für Kultur und Medien zu, damit
wir das noch einmal gemeinsam besprechen können .
Vielen Dank und allen schöne Weihnachten und einen
guten Jahreswechsel .