Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Gäste! In wenigen Stunden wird
dieses Hohe Haus in die Weihnachtsferien gehen . Aber
kurz vorher wollen wir noch einen gemeinsamen Antrag
von CDU/CSU und SPD besprechen, den ich bereits im
Januar initiiert habe: „Kultur baut Brücken – der Beitrag
von Kulturpolitik zur Integration“ ist Titel und Motto
dieses Antrages . Das Thema ist hochaktuell .
Seitdem im Herbst 2015 Hunderttausende von Flücht-
lingen nach Deutschland gekommen sind, stellt sich
uns die Frage: Wie gelingt die Integration all derer, die
hier ein Bleiberecht haben? Natürlich haben darauf zu-
erst andere Ressorts eine Antwort gesucht, allen voran
die Innenpolitiker und die Arbeits- und Sozialpolitiker .
Aber die Aufgabe ist so groß, dass alle gefordert sind,
eben auch wir Kultur- und Medienpolitiker . Wir fragen
Ulrich Lange
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621088
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uns: Leistet die Kultur ihren Beitrag, und hat sie dafür die
richtigen Bedingungen?
Die erste Frage kann ich sofort beantworten: Ja, die
Kultur leistet einen beeindruckenden Beitrag . Um direkt
aus unserem Antragstext zu zitieren:
Integration kann nicht allein auf staatlicher Ebe-
ne gestaltet werden . Sie ist vielmehr ein Prozess,
an dem sich zunächst die Zuwanderer selbst und
auf der Seite der aufnehmenden Gesellschaft auch
möglichst viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen .
Das ist im letzten Jahr in beeindruckendem Maße
geschehen . Bundesweit war die Hilfsbereitschaft
von Haupt- und Ehrenamtlichen überwältigend . Ge-
rade das ehrenamtliche Engagement im kulturellen
Sektor leistete in der Vergangenheit und leistet auch
heute einen wichtigen Beitrag zur Etablierung einer
„Willkommenskultur“ in unserem Land.
Jeder von uns weiß, dass diese Willkommenskultur
dieses Jahr mehrfach auf die Probe gestellt wurde . Ich
erinnere nur an die Silvesternacht in Köln, mit der das zu
Ende gehende Jahr so dramatisch begann .
Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist eines
von zentraler Bedeutung: Wir sind ein Rechtsstaat, und
im Rechtsstaat gelten die Regeln für alle, die sich hier
aufhalten . Wer unsere Gesetze bricht, der muss mit einer
Strafe rechnen . Wer sich an die Gesetze hält, der ist frei,
hier nach seiner Façon zu leben .
Ich zitiere erneut aus dem Antrag:
Deutschland ist eine europäische Kulturnation, ge-
prägt von den Werten der Aufklärung, von Freiheit
und Humanität . . . . Die aufnehmende Gesellschaft
gibt einen durch Werte und Regeln kulturell gepräg-
ten Rahmen vor, der Orientierung für diejenigen
bietet, die hier leben wollen .
Das sage ich auch ganz besonders an die Adresse der
neuen Populisten in unserem Land . Eine Kultur der Ab-
grenzung und Intoleranz – egal aus was sich diese Intole-
ranz speist – ist mit unserer Kultur nicht vereinbar .
Wer hierherkommt, hat oft Schlimmstes erlebt . Das ist
keine leichte Startbedingung, um sich geräuschlos ein-
zufügen . Trotzdem muss der Wille zur Integration beim
Flüchtling selbst vorhanden sein . Es kommt aber auch
darauf an, welche Angebote wir ihm machen . Gerade zu
Beginn ist es wichtig, dass Angebote gemacht werden,
die auch ohne deutsche Sprachkenntnisse funktionieren .
Spätestens hier kommt die Kultur ins Spiel . Es gibt
unzählige Projekte in Deutschland, in denen gemeinsam
getanzt, musiziert, gemalt, gelesen oder gesungen wird .
Viele gute Projekte gab es auch schon vorher; denn das
Thema Integration ist nicht erst seit dem Herbst 2015 ak-
tuell .
Ich nenne nur zwei Beispiele: Das Programm des Bör-
senvereins des Deutschen Buchhandels „Fußball trifft
Kultur“ führt junge Menschen mit Migrationshintergrund
spielerisch an Kultur heran . Im Rahmen des Programms
„Multaka: Treffpunkt Museum“ werden Flüchtlinge
durch zuvor qualifizierte Syrer und Iraker zum Beispiel
durch das Museum für Islamische Kunst der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz geführt .
Die meisten der unzähligen Projekte leben vom ehren-
amtlichen Engagement . Auch deshalb wollen wir heute
allen, die sich 2015 und 2016 in der Flüchtlingshilfe und
in der Integrationsarbeit engagiert haben, Danke sagen .
Wir danken für Ihre Zeit, wir danken für Ihre Offenheit,
und wir danken auch für Ihr Durchhaltevermögen .
Ich hatte anfangs gefragt: Hat die Kultur die richti-
gen Bedingungen für die Integrationsarbeit? Diese Fra-
ge stellte sich zuallererst unsere Kulturstaatsministerin
Monika Grütters . Bereits im Januar lud sie die Kultur-
schaffenden aus allen Bereichen – Bühne, Tanz, Muse-
um, Musik usw . – zum Gespräch darüber ein, was für
Flüchtlinge getan wird und wo auch noch nachgebessert
werden muss . Sie hat zügig reagiert und gemeinsam mit
vielen anderen Bestehendes ausgebaut und Neues hinzu-
gefügt . Erst gestern hat Frau Grütters die Auftaktrede für
die „Initiative Kulturelle Integration“ gehalten.
Sie hat diese Initiative gemeinsam mit der Bundesar-
beitsministerin, mit dem Bundesinnenminister, mit der
Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration
und mit dem Deutschen Kulturrat ins Leben gerufen . Ziel
ist ein Dialog zwischen Politik, Kultur und Zivilgesell-
schaft darüber, was Integration ist und wie sich Kultur
hier einbringen kann . Die Ergebnisse sollen am Tag der
kulturellen Vielfalt, dem 21 . Mai 2017, präsentiert wer-
den . Ich freue mich darauf .
Der 21 . Mai 2017 ist im Übrigen auch der Tag, den
die bundesweite Initiative „Kultur öffnet Welten“ zum
Aufhänger für ihre Aktionswoche gemacht hat . Diese
Initiative wurde dieses Jahr gestartet und soll sich jähr-
lich wiederholen .
Auch sonst ist in den letzten Monaten viel passiert:
Der Haushaltsausschuss hat zum Beispiel erst vor we-
nigen Wochen dem „Kompetenzverbund Kulturelle Inte-
gration und Teilhabe“ 3 Millionen Euro für die nächsten
drei Jahre zugesichert . Der Verbund will Kultureinrich-
tungen dabei beraten, wie sie sich dem Thema Integrati-
on am besten nähern .
Auch die Kulturstiftung des Bundes hat in der Zwi-
schenzeit ein bemerkenswertes Modellprogramm –
„360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesell-
schaft“ – auf den Weg gebracht. Auch hier geht es darum,
Kulturinstitutionen für Menschen mit Migrationshinter-
grund zu öffnen.
Natürlich muss hier auch das größte und erfolgreichs-
te Projekt der kulturellen Bildung erwähnt werden, das
es in Deutschland gibt: „Kultur macht stark. Bündnisse
für Bildung“ aus dem Hause von Bundesbildungsminis-
Ute Bertram
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terin Johanna Wanka . Letztes Jahr wurde es spontan um
Maßnahmen für junge Flüchtlinge bis 26 Jahre erweitert .
Wir sind froh, dass das Programm fortgeführt wird, und
fordern dies auch in unserem Antrag deutlich .
Damit bin ich bei den Forderungen . Denn auch wenn
vieles schon gut läuft, so gibt es doch auch immer wieder
Beispiele dafür, was noch besser gemacht werden kann .
Drei will ich Ihnen nennen:
Ich habe in Gesprächen immer wieder festgestellt,
dass leider oft der eine nicht weiß, was der andere macht .
Die berühmten Best-Practice-Beispiele sind aus meiner
Sicht extrem wichtig . Wir wünschen uns, dass noch mehr
Möglichkeiten zur Vernetzung geschaffen werden. Das
hilft gerade kleinen Einrichtungen, voneinander zu ler-
nen .
Wir fordern auch, dass die Kommunen bei der digi-
talen Neuausrichtung ihrer Stadtbibliotheken unterstützt
werden . Viele Stadtbibliotheken fristen ein trauriges
Dasein, obwohl sie nicht nur für Einheimische, sondern
auch für viele Flüchtlinge und Zugezogene ein beson-
derer Ort sind. Sie sind öffentlich; dort kann man sich
kostenlos aufhalten und kann sich weiterbilden . Da muss
sich noch etwas tun .
Wir fordern, in Integrationskursen auch ganz ge-
zielt kulturelle Aktivitäten einzubeziehen . Wir haben in
Deutschland ein fast einmalig dichtes Netz von Museen,
Theatern und anderen Kultureinrichtungen . Wer dieses
Land kennen- und hoffentlich auch lieben lernen will,
sollte daher früh und regelmäßig mit unseren kulturellen
Einrichtungen in Berührung kommen .
Am Ende meiner Rede möchte ich all denjenigen dan-
ken, die an diesem Antrag so mitgewirkt haben, dass wir
noch zu einem konstruktiven Abschluss gekommen sind .
Ich danke meinem Kollegen Burkhard Blienert und der
Fraktion der SPD für die gute Zusammenarbeit . Mein
Dank geht natürlich auch an die Kollegen der CSU .
Zu guter Letzt möchte ich noch einen persönlichen
Dank an Volker Kauder, Michael Kretschmer und Marco
Wanderwitz richten .
Ich denke, wir können ganz selbstbewusst sagen: Un-
sere vielen staatlichen und nichtstaatlichen Aktivitäten
in der kulturpolitischen Integrationsarbeit stehen uns als
einer der größten westlichen Kulturnationen bestens zu
Gesicht . Wir sind nicht blauäugig . Wir sind tolerant, und
wir sind weltoffen. Das wollen wir 2017 auch bleiben.
Vielen Dank .