Rede von
Dirk
Fischer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
wirtschaftliche Lage der Staatsbahnen war Anfang der
90er-Jahre dramatisch . Wir müssen uns einmal daran er-
innern, wo wir herkommen: Der Verkehrsträger Schiene
drohte seine intermodale Konkurrenzfähigkeit vollstän-
dig zu verlieren . Wir hatten steigende Haushaltsbelas-
tungen durch ungeplante Milliardenverluste, die jährlich
vom Bundeshaushalt aufgefangen werden mussten . Des-
wegen ist die im Dezember 1993 vom Bundestag be-
schlossene Bahnreform dringend notwendig gewesen als
eine wichtige Weichenstellung für die Bahnpolitik . Aber
sie war natürlich auch dringend notwendig, weil wir die
Integration der Reichsbahn schaffen mussten.
Ich will daran erinnern, dass wir dann ab 1994 die
Deutsche Bahn AG als ein Wirtschaftsunternehmen in
privatrechtlicher Form, aber im Eigentum des Bundes
geführt haben. Ebenso wichtig war uns damals die Öff-
nung des deutschen Schienennetzes für nichtstaatliche
Bahnunternehmen . Das Ziel lautete: Mehr Wettbewerb
Sören Bartol
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621084
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schafft mehr qualitativ hochwertige und bezahlbare An-
gebote . Nichtbundeseigene Schienenunternehmen haben
sich in diesen Jahren deutliche Marktanteile erobert . Ich
denke hier an die Sparten Nahverkehr und Güterverkehr:
Der Anteil der privaten Unternehmen ist – gemessen an
den Trassenkilometern – von 2 Prozent im Jahr 1999 auf
mittlerweile 25 Prozent im Jahr 2014 gestiegen .
Die staatliche Aufgabe besteht darin, die Investitionen
in die bundeseigene Schieneninfrastruktur zu tragen und
Neu- und Ausbau sowie Erneuerung zu finanzieren. Für
die Ersatzinvestitionen in das bestehende Schienennetz
sowie für Neu- und Ausbau haben wir im Haushalt 2016
rund 4,7 Milliarden Euro vorgesehen . Durch zusätzliche
Mittel für Verkehrsinvestitionen steigen diese Investiti-
onsmittel für die Schiene bis 2018 schrittweise auf rund
5,6 Milliarden Euro an . Insgesamt wird der Bund für
Ersatzinvestitionen und Instandhaltung im Rahmen der
LuFV II von 2015 bis 2019 28 Milliarden Euro zur Ver-
fügung stellen .
Dann muss darauf hingewiesen werden, dass der Bund
seit der Übertragung der Verantwortung für den Schie-
nenpersonennahverkehr auf die Bundesländer ab 1996
den Ländern mit Regionalisierungsmitteln – mittlerweile
8,2 Milliarden Euro – eine nachhaltige finanzielle Un-
terstützung gibt . Bis 2031 werden die Länder für diesen
Zweck insgesamt mehr als 150 Milliarden Euro aus dem
Steueraufkommen des Bundes erhalten .
Die Bahnreform hat die Grundlage dafür geschaffen,
dass der Schienenverkehr in Deutschland nach Jahren
des Niedergangs einen neuen Aufschwung erlebt hat . Wir
können eine positive Entwicklung sowohl im Güter- als
auch im Personenfern- und -nahverkehr bilanzieren .
Seit der Bahnreform hat sich der Verkehr auf der
Schiene in Deutschland beim Personenverkehr deutlich
erhöht . 1994 waren es 65,2 Milliarden Personenkilo-
meter, 2015 über 91 Milliarden Personenkilometer; ein
Plus von knapp 40 Prozent . Der Güterverkehr legte von
70,6 Milliarden Tonnenkilometern auf über 116 Milliar-
den Tonnenkilometer zu; ein Plus von knapp 65 Prozent .
Das sind eindeutige Erfolgszahlen, die niemand ignorie-
ren kann .
Darüber hinaus erwirtschaftete die Deutsche Bahn AG
2013 ein um 5,2 Milliarden Euro höheres operatives Er-
gebnis vor Zinsen und Steuern, also das EBIT, als 1994 .
Seit 2009 zahlt dieses Unternehmen dem Eigentümer
Bund eine Dividende von bisher insgesamt 1,75 Milliar-
den Euro .
Allein in Deutschland wurden 2012 von der DB
AG 2,9 Milliarden Euro aus Eigenmitteln investiert,
11 000 Mitarbeiter neu eingestellt und rund 2 400 Auszu-
bildende übernommen .
Der Bund als Eigentümer hat gegenüber der DB AG
eine besondere Verpflichtung. Es wurde schon darge-
stellt: Der Haushaltsausschuss hat mit der Eigenkapital-
erhöhung und einem befristeten Verzicht auf einen Teil
der Dividende diese Verantwortung des Bundes für sein
Unternehmen ganz deutlich dokumentiert .
Wenn die Grünen in ihrem Antrag ausführen, dass der
Anteil des Schienenverkehrs am gesamten Verkehrsauf-
kommen stagniert und der Schienengüterverkehr rück-
läufig ist, dann sind das im Grunde genommen falsche
Behauptungen, die durch nichts bewiesen werden .
Natürlich ist es dem Bund ein besonderes Anliegen,
dass sein Unternehmen eine positive Bilanz aufweist und
einen starken Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf
der Schiene hat . Deswegen sage ich: Wer hier ein Fern-
verkehrssicherungsgesetz oder ein Gesetz zur Gewähr-
leistung des Schienenpersonenfernverkehrs einfordert,
der muss auch sehen, dass damit über die 8,2 Milliarden
Euro hinaus, die wir für den Nahverkehr ausgeben, ein
weiterer mehrfacher Milliardenbetrag auf den Bundes-
haushalt zukommen würde .
Das kann man nur fordern, wenn man hofft, Herr Kolle-
ge Gastel, von der Regierungsverantwortung noch mög-
lichst lange befreit zu bleiben . Sonst würde man so etwas
nicht fordern .
Im Übrigen: Als Sie in der Regierungsverantwortung
waren, haben Sie zur Gewährleistung des Schienenper-
sonenfernverkehrsangebotes das Grundgesetz so inter-
pretiert, dass es nicht um das Angebot gehe, sondern nur
darum, dass der Bund eine Infrastruktur vorhalten müsse,
auf der sich ein eigenwirtschaftlicher Personenfernver-
kehr vollziehen könne . Das war Ihre Position . Warum
schreiben Sie jetzt das Gegenteil dessen auf, was Sie
in langen Jahren der Regierungsverantwortung hier im
Deutschen Bundestag vertreten haben?
Ich kann nur sagen: Ich freue mich über das neue Fern-
verkehrskonzept . Damit wird auch der Fehler von Mehdorn
repariert, der den eigenwirtschaftlichen Interregio zerstört
hat und ihn in einen bezuschussten Nahverkehr überführt
hat . Dieser Fehler wird jetzt endlich behoben .
Das Fazit unserer Debatte muss lauten: Die Bahnre-
form war richtig, notwendig und erfolgreich, aber es be-
steht noch Handlungsbedarf, um sie zu optimieren und
weiter voranzutreiben . Ich glaube, daran sollten wir ge-
meinsam arbeiten; Herr Kollege Bartol hat das für unsere
Koalition eben erklärt .
Dirk Fischer
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