Rede von
Sabine
Leidig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! Es ist schon erstaunlich – eigentlich kann
ich es mir nur durch den Genuss von viel Glühwein auf
Weihnachtsmärkten erklären –,
dass Staatssekretär Ferlemann sagt, alles sei in Butter,
die Bahn sei auf einem tollen Weg . Wenn man sich die
Nachrichten anschaut, die in den letzten Wochen in den
Zeitungen zu lesen waren, dann weiß man, dass Bahn-
chef Grube plant, den operativen Konzerngewinn, EBIT,
um 770 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen, und zwar –
hören Sie gut zu! – mit einem Schrumpf- und Abbau-
programm à la Mehdorn unter dem irreführenden Titel
„Operative Exzellenz“.
In Zukunft soll im Kerngeschäft der Bahn massiv
eingespart werden . Bei der Wartung von Infrastruktur
und Zugflotten sollen allein die Personalkosten in der
Instandhaltung um 15 Prozent sinken . Ein erheblicher
Stellenabbau wird befürchtet . Die Schließungen von Zu-
greparaturwerken sind schon längst in den Strategiepa-
pieren von Grube vorgesehen . Zum Glück wehren sich
Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621080
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die Beschäftigten und auch die Länder dagegen. Ich finde
diesen Widerstand total wichtig und notwendig .
Die Spitze des DB Konzerns plant einen Kahlschlag
beim Güterverkehr . Bei DB Cargo sollen über 2 000 Ar-
beitsplätze wegfallen, und 173 Verladestationen sollen
geschlossen werden . Ich bitte Sie, natürlich gibt es viele
Eisenbahnen, die nicht DB AG sind, aber die Eisenbah-
nen fordern unisono – ob es das Netzwerk Europäischer
Eisenbahnen ist oder der Verband Deutscher Verkehrsun-
ternehmen –, dass die Güterverkehrsstruktur erhalten
bleibt und ausgeweitet wird . Wir haben gerade im Ver-
kehrsausschuss darüber gesprochen . Sie sagen: Selbstver-
ständlich ist es eine gute Alternative zum Lkw-Verkehr,
wenn es auch kleinräumig wieder Güteranschlussstellen
gibt . Das muss passieren .
Auch da gibt es zum Glück massiven Widerstand der Be-
schäftigten, die sich wehren und unsere volle Solidarität
haben . Sie haben 50 000-mal mehr Verstand im Hirn als
ihre Konzernspitze .
Dann gab es noch Neuigkeiten aus dem Bahnleben .
Die DB AG hat dieser Tage ein ganz wichtiges Angebot
im Schienenfernverkehr komplett eingestellt . Der letzte
Nachtzug hat letzte Woche Berlin verlassen . Auch hier
gibt es eine breite öffentliche Initiative, die um die Ret-
tung der Nachtzüge kämpft . Ich will einmal ein Zitat
bringen, das in einem Blog zu lesen ist:
Der Lokführer lässt den Zug mit dem Signalhorn
„weinen“ – was auch bei mir für Gänsehaut sorgt. …
eine Tradition geht … zu Ende. Es bleibt die Hoff-
nung, dass sich Europa eines Besseren besinnt und
den Schatz seines engmaschigen, grenzüberschrei-
tenden Bahnnetzes
– und Nachtzugnetzes –
wieder zu nutzen weiß .
Das wäre zukunftsfähig . LunaLiner ist ein Konzept,
das von Bürgerinitiativen und den Beschäftigten entwi-
ckelt worden ist . Dass die österreichische Bundesbahn
jetzt Nachtzüge fährt, ist okay . Aber das ist doch kein
Glanzlicht für die Bahnpolitik in Deutschland . Es ist ein
Armutszeugnis, dass Sie da nicht zukunftsfähig sind .
– Nacht-ICEs? Setzen Sie sich mal zwölf Stunden in ei-
nen ICE; fahren Sie morgens um zwei von Ihrer Heimat
zu irgendeinem ICE-Haltepunkt und warten da drei Stun-
den im ungeheizten Warteraum . Das ist doch absurd!
Dummerweise gibt es nicht nur einen Rückzug bei
der DB AG, sondern es gibt auch merkwürdige Offen-
siven . Beispielsweise klagt die Bahn gegen das Land
Baden-Württemberg – was ich total kurios finde –, weil
dieses sich an den absurd gesteigerten Kosten für Stutt-
gart 21 zu Recht nicht beteiligen will, denn dieses absur-
de Projekt haben die Bundespolitik und die Bahn zu ver-
antworten . Sie müssen zusehen, dass sie aus der Grube
herauskommen, die sie sich da gegraben haben .
Die Deutsche Bahn AG hat das kommunale Busun-
ternehmen der Stadt Pforzheim niederkonkurriert . Was
ist das denn für ein absurdes Geschäftsgebaren? Es ist
volkswirtschaftlicher Unsinn, dass wir ein Bundesun-
ternehmen gegen kommunale Unternehmen in Stellung
bringen .
Wir brauchen endlich ein Ende dieses blödsinnigen
Börsen- und Privatisierungskurses der Bahn .
Die Bahn muss dafür sorgen, dass viele Angebote in der
Fläche gemacht werden, dass die Angebote bezahlbar
werden, dass getaktet wird usw ., und die Politik muss
dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen . Es
ist einfach nicht wahr, dass der Bundesverkehrswegeplan
ein Schienenausbauprogramm ist . Quatsch! Es ist vor
allen Dingen ein Straßenausbauprogramm . Sie wissen
ganz genau, dass die Kritik der Verbände – und nicht nur
der Umweltverbände, sondern vieler Verkehrsverbände,
auch regionaler Verkehrsunternehmen – völlig berechtigt
ist, dass in die Bahn viel zu wenig investiert wird, dass
die Investitionen nicht ordentlich geplant sind und dass
wir damit weiterhin das Problem haben, dass die Straße
zugunsten der Schiene ausgebaut wird .
Wir fordern, dass das Projekt, das die Grünen vor-
schlagen, endlich in Angriff genommen wird, nämlich
eine Reform der Bahnreform . Wir haben das schon vor
zwei Jahren anlässlich von 20 Jahren Bahnreform ge-
fordert . Die Reformkommission ist eine gute Idee . Ent-
scheidend ist, wer drinsitzt . Selbstverständlich müssen
die Kommunen und Länder drinsitzen . Selbstverständ-
lich müssen Bahnfachleute drinsitzen . Selbstverständlich
müssen Vertreter der Beschäftigten drinsitzen, ebenso die
hervorragenden Eisenbahninitiativen, die tolle Vorschlä-
ge machen, was man konkret tun könnte, um die Bahn
zu verbessern . Das heißt, es muss eine Demokratisierung
Sabine Leidig
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 2016 21081
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der Bahn stattfinden, damit die Bahn den Bedürfnissen
der Bevölkerung wirklich gerecht wird .
Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich es ex-
trem bedauerlich finde, dass die SPD offensichtlich
zugestimmt hat, dass der Vertrag von Bahnchef Grube
verlängert wird, obwohl deutlich erkennbar ist, dass er
die Bahn nicht vorwärtsbringt, dass seine Fernverkehrs-
strategie nicht realisiert wird . Sie haben zugestimmt, dass
Pofalla sein Nachfolger wird . Ich weiß überhaupt nicht,
was das soll . Warum sorgen Sie nicht dafür, dass an der
Spitze der Deutschen Bahn AG, des größten öffentlichen
Unternehmens, erfolgreiche Eisenbahnunternehmer ste-
hen
und nicht Leute aus der Automobilindustrie und aus an-
deren Bereichen,
deren Herzensanliegen vielleicht der Bilanzgewinn und
EBIT ist, aber nicht, wie die Leute umweltverträglich
und klimafreundlich mobil sein können?
Danke .