Rede von
Dr. Dr. h.c.
Bernd
Fabritius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der vorliegende EU-Bericht zu Menschen-
rechten und Demokratie bestätigt, dass Menschenrechte
weltweit in der Defensive sind . In Russland ist die Zivil-
gesellschaft seit Jahren in existenzieller Bedrängnis, und
die Türkei ist dabei, vollständig in eine menschenrechts-
verachtende Autokratie abzugleiten .
Der IPU-Ausschuss für die Menschenrechte von Par-
lamentariern befasst sich aktuell mit 459 Fällen, in de-
nen Parlamentsmitglieder bedroht, verhaftet oder getötet
werden . In Europa führend in dieser Liste der Schreck-
lichkeiten ist ebenfalls die Türkei .
Es gibt noch ein weiteres Land, über das wir sprechen
müssen . Es geht um ein Land, in dem Polizeigewalt zum
Alltag gehört und das von Rassismus geprägt ist . Dieses
Land ignoriert internationale Menschenrechtsabkom-
men. Seine Behörden und seine Gesetzeshüter pflegen
mehr als vereinzelt rechtes Gedankengut . Über interna-
tionale Organisationen trägt das Land Unheil in die Welt .
Es ist ein Land, in dem Flüchtlinge schlecht behandelt
werden . Dieses Land, meine Damen und Herren, ist:
Deutschland aus Sicht des Deutschen Instituts für Men-
schenrechte .
Es passt gut, dass wir heute auch über den ersten Be-
richt dieses Institutes an den Deutschen Bundestag disku-
tieren, den ich zu meinem Schwerpunkt machen möchte .
In seinem Bericht sollte das Institut laut Gesetz – ich zi-
tiere – „dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht
über die Arbeit der Institution sowie die Entwicklung der
Menschenrechtssituation in Deutschland“ vorlegen. An
einem solchen Bericht wäre ich sehr interessiert gewe-
sen . Letztlich ist er Grundlage dafür, die Voraussetzun-
gen der Finanzierung dieses Instituts – es geht um eini-
ge Millionen Euro jährlich – prüfen zu können . Leider
Fehlanzeige .
Das Institut wählt ein „Schwerpunktthema“ – wen
wundert es? –: Flüchtlinge und deren menschenrechts-
widrige Behandlung in Deutschland, sowie zwei weitere
punktuelle Aspekte, die es länglich diskutiert . Das war’s .
Sogar der Berliner Tagesspiegel, meine Damen und Her-
ren, zeigt sich darüber mehr als erstaunt . Ein Überblick
über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in
Deutschland, eine Darstellung der Tätigkeit des Instituts,
insbesondere auch zur Umsetzung der neuen Herausfor-
derungen durch das DIMR-Gesetz, einschließlich etwa
Verbreiterung der Mitgliederbasis zur Spiegelung der ge-
samten pluralistischen Gesellschaft? Leider auch Fehlan-
zeige .
Laut § 2 dieses Gesetzes obliegen dem Institut In-
formation, wissenschaftliche Forschung, Beratung, Di-
alogförderung . Bei näherer Lektüre des Berichts über-
kommt einen aber Verwunderung . Das Institut teilt mit,
es habe – ich zitiere – „2015 für eine menschenrechts-
konforme Asyl- und Migrationspolitik geworben“ und
wolle das auch weiterhin tun . Asylpolitik, meine Damen
und Herren, deren Kern die Umsetzung eines wichtigen
Menschenrechtes ist, ist tatsächlich ein sehr wichtiges
Aufgabenfeld dieses Instituts . Für Migrationspolitik hin-
gegen gilt das nicht . Es gibt gerade kein Menschenrecht
auf Migration im Sinne einer freien Wahl des gewünsch-
ten Wohnsitzlandes, das einen Zuzug nach Deutschland
außerhalb der Systematik des Asylrechts und der Genfer
Flüchtlingskonvention ermöglichen müsste .
Über die Frage, ob Deutschland über die Asylgewäh-
rung hinaus ein Einwanderungsland sein soll oder nicht,
kann und muss man sicher debattieren – gerne in Politik
und Gesellschaft –, aber es ist keine Aufgabe dieses In-
stituts, solche politischen Fragen, die eben nicht gestellt
sind, ungefragt zu beantworten
oder gar für eine Migrationspolitik zu werben . Wir brau-
chen ein Institut, das neutral, objektiv und sachlich die
Situation in unserem Land beobachtet, darüber infor-
miert und kritische Punkte benennt . Werbung für eine
bestimmte Politik und Emotionalisierung – der Bericht
ist voll mit Fotos, die zwar berühren, aber keinen anderen
Zweck verfolgen als Emotionalisierung – gehören nicht
zu den Aufgaben des Instituts .
Die fachlich gebotene Differenzierung zwischen
„Asyl“ und „Migration“ – –
Angelika Glöckner
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 201621070
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