Rede von
Dr.
Karin
Thissen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr
geehrter Herr Minister Schmidt, es verschlägt mir vor
Freude fast die Sprache, dass Sie uns den Ernährungs-
politischen Bericht, schon ein Jahr nachdem er erstellt
wurde, präsentieren .
Dieses schnelle Arbeiten bin ich aus Ihrem Haus so gar
nicht gewöhnt . Ich betrachte es als eine Art vorweih-
nachtliche Überraschung .
Dem Bericht entnehmen wir, dass das Thema Ernäh-
rung einen immer höheren Stellenwert bekommt, in der
Bundesregierung, aber auch im Rahmen der G 7 und der
G 20 . Im Bericht erfahren wir auch, wie wichtig für die
Lebensmittelsicherheit die Trennung von Risikobewer-
Ingrid Pahlmann
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 2016 21061
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tung und Risikomanagement ist . Wir lesen beeindru-
ckende Fremdwörter: Europäisches Schnellwarnsystem,
Nationaler Rückstandskontrollplan, Allgemeine Verwal-
tungsvorschrift Rahmen-Überwachung . Wir erfahren,
was das ist, wie gut miteinander vernetzt und verzahnt
das alles ist und dass uns diese Strukturen im Prinzip vor
Lebensmittelkrisen, Skandalen und Katastrophen wie
BSE, Dioxin, Ehec und bayerischen Salmonelleneiern
hätten schützen können müssen .
Obwohl das alles fast so gut wie perfekt ist, kann man
es immer noch verbessern . Deswegen gibt es in dem Ab-
schnitt über die Lebensmittelsicherheit auch das Kapitel:
Was bleibt zu tun?
Da lesen wir: proaktive Aufgabe der Politik, Vorsorge-
prinzip, Feinjustierung . Feinjustierung, Herr Minister,
ist, wie ich finde, ein ganz tolles Wort. Das hört sich an
wie: Bloß nicht zu lange und zu dolle an den Gesetzen
rumschrauben!
Dazu fällt mir doch der Arbeitsauftrag aus dem Koali-
tionsvertrag ein: die rechtssichere Formulierung des § 40
Absatz 1a LFGB . Da geht es darum, dass für Verbraucher
klar und eindeutig ersichtlich wird, in welchen Betrieben
sauber und hygienisch mit Lebensmitteln umgegangen
wird und in welchen nicht . An diesem Gesetzentwurf,
Herr Minister, wurschteln Sie sozusagen fleischlos sage
und schreibe schon drei Jahre herum .
Umso erstaunter war ich, im Ernährungspolitischen Be-
richt auf Seite 15 zu lesen, dieser Gesetzentwurf sei in-
zwischen in Ihrem Hause sozusagen Fleisch geworden .
Ach echt? Kann man diesen Gesetzentwurf einmal lesen?
Haben Sie offiziell etwas in die Wege geleitet, und ich
habe es verpennt? Ich kenne nur ein Ministeriumspa-
pier – meine Damen und Herren, ein Ministeriumspapier
ist so etwas wie ein Gesetzentwurfsimitat, also so etwas
Ähnliches wie Analogkäse –, das seit kurzem durch die
Gänge wabert .
Und der Formulierungsvorschlag in diesem Gesetzent-
wurfsimitat ist wieder einmal das Papier nicht wert, auf
dem er steht .
Der wird uns doch von den Gerichten wieder einkassiert,
bevor die Tinte, mit der er geschrieben wurde, getrocknet
ist .
Herr Minister, lassen Sie es uns doch endlich einmal
gescheit anpacken .
Wir, die SPD, sind bereit; wir wollen effektiven Verbrau-
cherschutz
zeitnah und unmittelbar und nicht weiterhin nur angebli-
chen Schutz der Verbraucher auf dem Papier . Ich sage es
noch einmal klar und eindeutig: Wir wollen keine Här-
tefallklausel . Wir wollen kein Geschacher um eine Buß-
geldschwelle . – So haben wir uns im Koalitionsvertrag
nicht geeinigt . Wir haben ein Mehr an Verbraucherschutz
und Transparenz vereinbart . Ihr Entwurf sieht weniger
Transparenz vor .
Herr Minister, Ihrem Kapitel „Was bleibt zu tun?“
hänge ich meine Weihnachtswunschliste an . Die lautet:
flächendeckende Transparenz, Vergleichbarkeit und ef-
fektive Rechtsdurchsetzung . Das wünschen sich übrigens
auch alle Verbraucherinnen und Verbraucher, und nicht
nur zu Weihnachten .
Ich danke Ihnen fürs Zuhören .