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ID1820200400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/202 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . 20159 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20159 B I .9 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzler- amt Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20159 B Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 20159 C Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 20165 B Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20172 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20175 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20179 C Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20182 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20184 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20186 D Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20188 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20190 A Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20192 A Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20193 D Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20194 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20196 B Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20197 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20199 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20200 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20201 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20203 C I .10 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/9805, 18/9824 . . . . . . . 20201 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20201 D Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20206 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20208 A Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20209 A Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20211 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20213 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20214 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20216 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20217 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218 D Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20219 D Karl-Heinz Wange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20221 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016II I .11 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/9813, 18/9824 . . . . . . . 20222 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20222 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20223 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20225 A Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20226 D Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20228 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20231 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20232 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20234 A Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20234 D Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20237 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20238 A Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20239 C I .12 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwick- lung Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20240 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20240 C Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20241 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20243 B Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 20244 C Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 20245 D Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20248 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20249 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20250 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20252 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20253 A Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20254 A Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20255 A Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20256 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20258 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20259 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20259 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20261 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20159 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Niema Movassat (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20261 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .11 .2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 23 .11 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 23 .11 .2016 Gleicke, Iris SPD 23 .11 .2016 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 23 .11 .2016 Heller, Uda CDU/CSU 23 .11 .2016 Hennrich, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 23 .11 .2016 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 23 .11 .2016 Kofler, Dr. Bärbel SPD 23 .11 .2016 Kretschmer, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 23 .11 .2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 23 .11 .2016 Schimke, Jana CDU/CSU 23 .11 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .11 .2016 Schnieder, Patrick CDU/CSU 23 .11 .2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 23 .11 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 23 .11 .2016 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 23 .11 .2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 23 .11 .2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 23 .11 .2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 202. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt EPL 05 Auswärtiges Amt EPL 14 Verteidigung EPL 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Meine Damen und Herren! 2014 hat auf dem
    Lindauer Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger Mario
    Vargas Llosa vor jungen Menschen gesagt:

    Die Bereitschaft, mit denen zusammenzuleben, die
    anders sind, war vielleicht der außergewöhnlichste
    Schritt auf dem Weg des Menschen zur Zivilisation,
    ein Schritt, welcher der Demokratie vorausging und
    sie überhaupt erst möglich gemacht hat .

    Mich hat diese Aussage berührt, weil sie noch einmal
    auf das zurückkommt, was uns ausmacht, was wir ver-
    treten: dass diese Bereitschaft Voraussetzung dafür ist,
    dass Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Achtung der
    Menschenwürde für jeden und jede gelten und damit die
    Voraussetzungen für Frieden da sind .

    Viele Menschen machen sich in diesen Tagen Sor-
    gen um die Stabilität unserer so gewohnten Ordnung .
    Ich glaube, etwas mehr als ein Vierteljahrhundert nach-
    dem wir alle den Fall der Mauer erlebt haben, nachdem
    Deutschland wiedervereint wurde, nachdem wir alle
    diese Werte leben konnten, nachdem die europäische

    Einigung mit den mittel- und osteuropäischen Ländern
    vollendet werden konnte, stellt sich plötzlich heraus, dass
    das, was wir für selbstverständlich gehalten haben, so
    selbstverständlich nicht ist, dass der freiheitliche demo-
    kratische Rechtsstaat, die soziale Marktwirtschaft, das
    Gewaltmonopol des Staates und die Bereitschaft, jeden
    und jede, jeden Bürger und jede Bürgerin, als Teil des
    Volkes zu begreifen, nicht mehr so da sind, wie das eine
    Weile lang ganz selbstverständlich zu sein schien .

    Was heißt das für uns? Das heißt für uns, noch einmal
    zu schauen: In welchem Umfeld findet diese Diskussion 
    statt? Da hat sich etwas verändert . Neben der fortschrei-
    tenden  Globalisierung  findet  diese  Diskussion  auch  in 
    einem völlig anderen medialen Umfeld statt .

    Ich glaube, wir dürfen das, was da im Zusammenhang
    mit dem Internet, mit der Digitalisierung passiert – und
    das ist Teil unserer Realität –, nicht unterschätzen . Wir
    haben Regelungen für alles, was Pressefreiheit ausmacht:
    die  Sorgfaltspflicht  der  Journalisten  und  vieles  andere 
    mehr . Zugleich haben wir heute viele, die Medien wahr-
    nehmen, die auf ganz anderen Grundlagen basieren, die
    weniger kontrolliert sind . Ich will darin nicht die einzige
    Ursache sehen, ich will nur darauf aufmerksam machen,
    dass Meinungsbildung heute grundsätzlich anders erfolgt
    als vor 25 Jahren, dass heute Fake-Seiten, Bots, Trol-
    le Meinungsbilder verfälschen können, dass heute sich
    selbst regenerierende Meinungsverstärkungen durch be-
    stimmte Algorithmen stattfinden. Wir müssen lernen, uns 
    damit auseinanderzusetzen .

    Ich glaube, dies könnte auch eine spannende Frage für
    dieses Haus sein . Ich kann diese Debatte heute natürlich
    nicht führen, aber wir müssen wissen: Um Menschen zu
    erreichen, um Menschen zu begeistern, müssen wir mit
    diesen Phänomenen umgehen und, wo notwendig, sie
    auch regeln . Deshalb unterstütze ich auch die Ansätze
    von Justizminister Maas, von Innenminister de Maizière,
    Hassreden, Hasskommentare, vernichtende und mit der
    Achtung der Menschenwürde nicht in Übereinstimmung
    zu bringende Dinge anzusprechen und alles zu unterneh-
    men, um das zu unterbinden, weil das unseren Grundsät-
    zen widerspricht .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Diese Sorge um Stabilität wird natürlich auch verstärkt
    durch das, was um uns herum passiert . Populismus und
    politische Extreme nehmen in westlichen Demokratien
    zu . Demokratische Streitkultur, die wir brauchen, die wir
    auch in diesem Hause praktizieren – wir haben ja gerade
    eben ein Stück davon gehört –,


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    muss selbstverständlich sein, damit müssen wir uns aus-
    einandersetzen .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Aber es muss im Geiste des Respekts vor der Würde des
    jeweils anderen stattfinden. Das ist das Wesentliche, und 
    das passiert eben an vielen Stellen nicht mehr .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben besorgniserregende, ja alarmierende Ereig-
    nisse in der Türkei . Ich will hier ganz offen sagen: Der
    Putschversuch ist zu verurteilen – das hat die Bundes-
    regierung gemacht, das hat die Europäische Union ge-
    macht –, und gegen jede Form von Terrorismus ist vor-
    zugehen; und das macht die Bundesregierung . Wir haben
    in über 4 000 Fällen Verfahren gegen PKK-Angehörige
    eingeleitet; aber unser Rechtsstaat kommt eben zu Urtei-
    len, die die Politik nicht zu beeinflussen hat. Und diese 
    rechtsstaatlichen Urteile sind dann auch zu akzeptieren .
    Die Bundesregierung ist jedenfalls genauso wie jeder in
    Europa dem Kampf gegen den Terrorismus verpflichtet, 
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dieser Kampf rechtfertigt aber nicht die Einschrän-
    kung der Pressefreiheit, die Verhaftung von Tausenden
    und Abertausenden von Menschen . Insofern müssen wir
    das deutlich kritisieren und gleichzeitig – dafür werbe
    ich allerdings auch – den Gesprächsfaden mit der Tür-
    kei aufrechterhalten . Ich begrüße außerordentlich die ja
    nicht einfache Reise des Bundesaußenministers . Auch
    ich werde den Gesprächsfaden mit der Türkei natürlich
    aufrechterhalten; denn auch wir haben ein Interesse da-
    ran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise
    zu kooperieren . Das schließt aber nicht aus, dass das, was
    dort an alarmierenden Entwicklungen zu sehen ist, klar
    angesprochen wird, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben im Zusammenhang mit der Krim und der
    Ukraine den Bruch des Völkerrechts und die Verletzung
    der territorialen Integrität eines Landes zu konstatieren .
    Leider sind unsere Gespräche über die Umsetzung der
    Minsker Vereinbarungen noch nicht so weit gediehen,
    wie ich mir das wünschen würde . Die Situation in Sy-
    rien, insbesondere wenn man das sieht, was in Aleppo
    passiert, macht uns jeden Tag beklommen . Ich muss ganz
    ehrlich sagen: Es gibt sehr viele Indizien dafür, dass hier
    bewusst Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen
    bombardiert werden .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)


    Mit Verlaub: Das ist international verboten . Das ist straf-
    rechtlich zu verfolgen .


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kriegsverbrechen!)


    Das muss das Assad-Regime auch wissen . Und es ist sehr
    bedauerlich, dass Russland dieses Regime unterstützt,
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dennoch werden wir natürlich auch hier immer wieder
    alle Versuche unternehmen, um politische Lösungen zu
    finden, auch wenn es noch so aussichtlos erscheint wie 
    im Augenblick .

    Und wir haben den internationalen Terrorismus: die
    große Bedrohung, neue Bedrohung, asymmetrische Be-
    drohung, gegen die wir ankämpfen müssen . Dieser Ter-
    ror richtet sich ja nicht nur in anderen Ländern gegen die
    Bürgerinnen und Bürger . Vielmehr haben auch wir mit
    dieser terroristischen Herausforderung zu kämpfen . Er ist
    Teil des Alltags unserer Städte . Gegen ihn zu kämpfen,
    ist Teil unseres Kampfes für Freiheit .

    Meine Damen und Herren, in dieser Situation, die jetzt
    doch sehr viel unübersichtlicher und komplizierter ist, als
    sie es viele Jahre lang war, gibt es natürlich zwei Mög-
    lichkeiten, darauf zu reagieren . Diese Reaktionen sehen
    wir überall auf der Welt . Entweder ziehe ich mich auf
    mich und mein Land zurück, schotte mich ab und versu-
    che, einfache Antworten auf das zu finden, was so kom-
    pliziert erscheint . Oder aber wir treten ein dafür, dass wir
    unsere Werte, die wir für richtig und wichtig halten, nicht
    nur bei uns zu Hause stärken, sondern versuchen, sie ge-
    meinsam mit unseren europäischen Partnern, gemeinsam
    mit den Vereinigten Staaten von Amerika, gemeinsam
    mit Verbündeten auf der ganzen Welt in die Welt zu tra-
    gen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich glaube, dass wir heute bei der voranschreiten-
    den Globalisierung darauf setzen sollten, gemeinsam zu
    handeln . Als Bundesrepublik Deutschland können wir
    selbstverständlich nicht alle Probleme lösen . Wir können
    weder den gesamten Hunger der Welt bekämpfen, noch
    können wir für 65 Millionen Flüchtlinge die Probleme lö-
    sen, noch können wir überall die politischen Ordnungen
    so verändern, wie wir uns das wünschen . Aber sind wir
    dazu bereit, mit unserer Erfahrungsgeschichte der sozi-
    alen Marktwirtschaft, einer gesellschaftlichen Ordnung,
    von der ich nach wie vor glaube, dass sie ein Höchstmaß
    an wirtschaftlicher Stärke und sozialer Gerechtigkeit mit
    sich bringt, in diesem Sinne für eine Schärfung, für eine
    Gestaltung der Globalisierung einzutreten? Oder sind wir
    dazu nicht bereit und ziehen uns auf uns selbst zurück?

    Vor dieser Frage stehen wir . Diese Frage müssen wir
    beantworten . Ich sage, dass wir auf Gemeinsamkeit, auf
    Multilateralismus, auf Gestaltung der Globalisierung zu-
    sammen mit anderen setzen sollten . Das ist das, wofür
    ich werbe .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns
    noch einmal daran, was nach der Katastrophe des Ho-
    locaust und des Zweiten Weltkriegs die großartige Ant-
    wort der internationalen Staatengemeinschaft war . Es
    war die Gründung der Vereinten Nationen . Es war die
    Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der sich über
    190 Staaten angeschlossen haben . Sie ist leider auch heu-
    te noch nicht vollständig umgesetzt . Angesichts dieser
    unglaublichen Bedrohung dieser Welt, die am Abgrund

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    stand, hat sich die Staatengemeinschaft aber dafür ent-
    schlossen . Ich halte diese Antwort auch nach wie vor für
    richtig .

    Bei allem, was wir zu leisten haben, hat es im ver-
    gangenen Jahr zwei Dinge gegeben, die uns Hoffnung
    machen . Ich nenne hier die Agenda 2030 für nachhaltige
    Entwicklung dieser Welt und das Pariser Klimaschutz-
    abkommen .

    Deutschland wird ab dem 1 . Dezember dieses Jahres
    die Präsidentschaft der G 20 übernehmen . Die G 20 sind
    auch der Versuch, mit den größten und wichtigsten Wirt-
    schaftsländern dieser Erde Globalisierung menschlich zu
    gestalten und gleichzeitig für eine vernünftige Finanz-
    und Wirtschaftsordnung zu sorgen .

    Meine Damen und Herren, es gibt flagrante Steuerun-
    gerechtigkeiten . Aber wir haben dem doch nicht tatenlos
    zugesehen. Die Transparenzinitiative des Bundesfinanz-
    ministers, die von den 20 wichtigsten Finanzministern
    dieser Welt gemeinsam beschlossen wurde, ist doch ein
    Schritt in die richtige Richtung . Lassen Sie uns das doch
    wenigstens sagen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Tatsache, dass die Europäische Union sich mit der
    Frage der Steuerzahlungen von Apple und Google be-
    schäftigt, ist doch ein Schritt in die richtige Richtung .

    Wenn wir nie aussprechen, wo wir mal einen Schritt
    gemacht haben, werden die Menschen auch den Mut für
    den nächsten und übernächsten Schritt verlieren . Damit
    ist nicht eine ideale Welt geschaffen worden, aber es sind
    Schritte gemacht worden, die in die richtige Richtung ge-
    hen. Ich finde, es gehört zur Redlichkeit, das den Men-
    schen in Deutschland auch zu sagen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Ein besonderer Schwerpunkt während unserer
    G-20-Präsidentschaft wird auch das Thema Afrika
    sein . Afrika ist der Kontinent, der von der wirtschaftli-
    chen Entwicklung der gesamten Menschheit bislang am
    stärksten abgekoppelt ist . Wir werden gerade mit Blick
    auf die Migration viele Partnerschaften unternehmen, so
    wie wir das jetzt für Mali und Niger seitens der Bundes-
    republik Deutschland zusammen mit Frankreich, Italien
    und der Europäischen Kommission praktizieren . Aber es
    darf sich nicht auf Migration beschränken, sondern die
    eigentliche Frage ist: Wie kommen wir von der klassi-
    schen Entwicklungshilfe zu einer wirklichen wirtschaft-
    lichen – und auf eigenen Füßen stehenden – Entwicklung
    afrikanischer Staaten? Ich glaube, hier lohnt sich jede
    Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und jeder
    Versuch, neue Wege zu gehen, neben dem, was wir bisher
    richtigerweise und guterweise gemacht haben, was aber
    noch keine ausreichenden Resultate gezeigt hat .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    In unserem Haushalt zeigen sich diese Prioritäten .
    Zum Beispiel ist allein in dieser Legislaturperiode der
    Haushalt des Entwicklungsministeriums um 2 Milli-
    arden Euro gestiegen . Wenn wir uns die Ausgaben für
    die humanitäre Hilfe anschauen: Zu Beginn dieser Le-

    gislaturperiode waren es 438 Millionen Euro, heute sind
    es 1,3 Milliarden Euro . Damit haben wir Menschen in
    Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon und anderswo
    die Möglichkeit gegeben, menschenwürdig zu leben . Es
    ist richtig eingesetztes Geld, um Menschen in der Nähe
    ihrer Heimat Chancen zu geben . Deshalb sind diese An-
    stiege nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch die richti-
    ge Antwort auf die Herausforderungen dieser Welt .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Natürlich kann Deutschland das nicht alleine schaffen,
    nicht alleine lösen, sondern wir müssen sehen, dass diese
    Fragen – Fragen der Migration, Fragen der politischen
    Lösungen – internationaler Lösungen bedürfen . Dazu
    können wir einen Beitrag leisten . Wir haben dazu als Ers-
    tes unsere europäischen Partner . Deutschland als Teil der
    Europäischen Union muss seinen Beitrag leisten, aber
    die Europäische Union muss es insgesamt machen . Ja,
    wir hatten in diesem Jahr durch das Ergebnis des Refe-
    rendums von Großbritannien einen schweren Einschnitt
    in der Geschichte der Europäischen Union . Deshalb ha-
    ben wir 27 Mitgliedstaaten uns im Herbst in Bratislava
    getroffen und haben überlegt: Was müssen wir anders
    machen? Was fehlt den Menschen nicht nur in Großbri-
    tannien, sondern auch den Menschen in anderen Ländern
    der Europäischen Union? Oder: Was läuft nicht so, wie
    wir es uns eigentlich wünschen?

    Für mich sind das Dinge, die als Erstes mit der Fra-
    ge zu tun haben: Was sind unsere Prioritäten? Ich glau-
    be, hier wird im Augenblick Europa als Ganzes seinem
    Wohlstandsversprechen durch die soziale Marktwirt-
    schaft, das wir für uns zu Hause durch eine gute Arbeits-
    marktlage einlösen können, nicht gerecht . Deshalb geht
    es um die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung der
    Zukunft . Hier haben wir insbesondere das Thema der Di-
    gitalisierung  als  ein  zentrales Thema  identifiziert. Wei-
    tere Themen sind die öffentlich-privaten Investitionen
    durch den Juncker’schen Investitionsfonds, wenn ich das
    so einmal lax sagen darf, der Kampf gegen die Jugendar-
    beitslosigkeit, aber nicht allein durch staatliche Interven-
    tionen, sondern durch mehr Wettbewerbsfähigkeit auch
    der europäischen Länder . Ohne Reformen – das haben
    wir auch in Deutschland mit der Agenda 2010 gesehen –
    kann man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen . Das al-
    les muss zusammengehen: staatliche Unterstützung mit
    wirtschaftlichen Reformen . Dann hat Europa eine Chan-
    ce, seinem Wohlstandsversprechen zu entsprechen, mei-
    ne Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dann geht es um die Frage der Glaubwürdigkeit . Eu-
    ropa hat sich oft viel vorgenommen und sehr oft das nicht
    eingelöst, was es sich vorgenommen hat . Europa hat oft
    sehr langsame Entscheidungsmechanismen . Wenn wir
    uns einmal überlegen, in welcher Zeit technologischer
    Umwälzungen wir leben, und wenn wir daran denken,
    dass es manchmal Jahre gedauert hat, bis sehr einfache
    Themen, zum Beispiel das Thema Netzneutralität, in Eu-
    ropa gelöst wurden, dann kann man nur sagen: Europa
    hält mit den Entwicklungen der Zeit manchmal nicht
    Schritt . Das heißt, es muss schneller entschieden werden,

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    und das, was entschieden wird, muss umgesetzt werden,
    und darüber muss Bericht erstattet werden . Das ist das,
    was wir in Bratislava besprochen haben und was jetzt
    auch eingelöst werden muss . Ansonsten leidet die Glaub-
    würdigkeit europäischen Handelns sehr, und das wird die
    Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Zweite sind die Fragen der Sicherheit – Sicherheit
    im Inneren, Sicherheit im Sinne einer äußeren Sicherheit .
    Meine Damen und Herren, hier bin ich sehr froh, dass
    sowohl die Innenminister als auch die Verteidigungs-
    minister in den letzten Wochen und Monaten wichtige
    Beschlüsse gefasst haben . Auch wir, die Bundesrepublik
    Deutschland, mussten über unseren Schatten springen .
    Wir waren nicht immer für eine einheitliche europäische
    Grenzschutzpolizei – jetzt ist sie da . Wir waren auch
    nicht in der Lage, durchzusetzen, dass es ein einheitli-
    ches Einreise- und Ausreiseregister gibt . Die Idee besteht
    seit zehn Jahren – jetzt kommt es endlich dazu, dass die
    Vorschläge auf dem Tisch liegen . Ich kann nur hoffen,
    dass die Innenminister das sehr schnell beraten und in die
    Tat umsetzen; denn das ist etwas, was Sicherheit für die
    Bürgerinnen und Bürger gibt und einer der besten Schrit-
    te im Kampf gegen den Terrorismus ist .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Und ja, auch die Kooperation im Verteidigungsbereich
    muss gestärkt werden . Der Lissabon-Vertrag lässt dies
    im Übrigen in Form einer strukturierten Zusammenarbeit
    zu . Aber auch hier gab es immer wieder Sorgen: Geht
    denn das zusammen mit der NATO? Meine Damen und
    Herren, warum soll es eigentlich nicht in Kameradschaft
    und Kooperation mit der NATO gehen? Es gibt doch ge-
    nügend Gründe, dass die vielen – auch nicht so großen –
    europäischen Staaten Kompetenzen und Möglichkeiten
    bündeln und diese dann der NATO anbieten . Ich kann
    überhaupt nicht erkennen, dass es da Grund für große
    Diskussionen gibt. Deshalb finde ich diesen Schritt, den 
    unsere Verteidigungsministerin ja auch sehr vorangetrie-
    ben hat, absolut richtig .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dann kommen wir zu dem Thema: Wie werden wir
    das zu Hause mit entsprechenden finanziellen Ressour-
    cen unterlegen? Da bin ich einerseits sehr froh, dass im
    Bereich der inneren Sicherheit erhebliche Anstrengungen
    gemacht wurden . Es wurde gestern schon darüber gespro-
    chen: Tausende von neuen Stellen bei den Behörden der
    inneren Sicherheit . Ich glaube und kann nur hoffen, dass
    die Angebote so attraktiv sind, dass sich auch genügend
    Menschen dafür entscheiden, sie wahrzunehmen; denn
    das ist für uns natürlich von allergrößter Wichtigkeit .

    Es spiegelt sich andererseits im Verteidigungsetat wi-
    der, dass wir noch nicht da sind, wo wir in der Erwar-
    tung unserer NATO-Partner sein müssten . Es gibt eine
    Vielzahl von kleineren europäischen Ländern, die die
    Zielvorgabe eines Anteils des Verteidigungsetats am
    Bruttoinlandsprodukt von 2,0 Prozent erfüllen und die in

    ziemlich wenigen Jahren ihren Verteidigungsetat so ge-
    steigert haben . Ich weiß, dass wir ein ganzes Stück davon
    entfernt sind, ich will es auch nicht für die nahe Zukunft
    sagen, aber die Richtung muss klar sein: dass wir uns
    dem nähern, was wir alle miteinander übrigens – nicht
    nur Christdemokraten, auch Sozialdemokraten –


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir nicht! – Zuruf des Abg . Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


    als Beitrag zur NATO versprochen haben, und das auch
    durchsetzen, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich bin der festen Überzeugung, dass all das, worüber
    ich jetzt gesprochen habe, zutiefst im Interesse der Bür-
    gerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland
    ist . Es gibt heute nicht mehr „Hier ist Außenpolitik, und
    da ist Innenpolitik“ . Die Welt ist viel zu verwoben, als
    dass die Sicherheit, der Wohlstand, die Prosperität unse-
    rer Bürgerinnen und Bürger nicht von all dem abhängt,
    was wir in den internationalen Beziehungen tun, was dort
    stattfindet.

    Deshalb haben wir uns ja auch – insbesondere, wenn
    ich das sagen darf, die Sozialdemokraten – die Sache
    nicht ganz leicht gemacht, als es um den internationalen
    und fairen Handel ging . Ich sage ganz offen: Ich habe
    allergrößten Respekt davor. Ich finde es richtig und gut, 
    dass zum Schluss der Weg gefunden wurde, dass das
    CETA-Abkommen, dieses Freihandelsabkommen mit
    Kanada, von der Europäischen Union jetzt unterzeichnet
    werden konnte und dann auch ratifiziert werden kann. 

    Was steckt dahinter? Dahinter steckt doch im Grunde
    die Frage: Wie wird Globalisierung gestaltet? Diese Fra-
    ge ist jahrelang so beantwortet worden, dass wir einfach
    mal Freihandelsabkommen geschlossen haben, bei denen
    es um die Absenkung von Zöllen ging . Als ich noch Um-
    weltministerin war, ist immer wieder die Frage gestellt
    worden – bei der WTO zum Beispiel –: Was sind denn
    das für Freihandelsabkommen, die die Frage des Um-
    weltschutzes, die die Frage der Produktionsbedingungen
    in der Landwirtschaft, die die Frage von Kinderarbeit, die
    solche Fragen wie Ausbeutung der natürlichen Ressour-
    cen überhaupt nicht berücksichtigen? Und für jemanden,
    der soziale Marktwirtschaft als gesellschaftliches Modell
    denkt, konnte die Antwort nur unbefriedigend sein . Das
    waren keine Handelsabkommen, die uns wirklich gleiche
    Chancen, gleiche Möglichkeiten gegeben haben und die
    menschliche Gestaltung der Globalisierung auch in ande-
    ren Teilen der Welt möglich gemacht haben .

    Und weil wir diese Kritik aufgenommen haben, gibt
    es heute Handelsabkommen, die eine völlig neue Qua-
    lität haben . CETA ist das erste dieser Qualität, und ein
    Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von
    Amerika kann es auch nur auf der gleichen Qualitätsstufe
    geben .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Dieses Abkommen entspricht nun in vielen Teilen – ich
    meine: was ist ideal? – und in einer völlig neuen Qualität
    all den Anforderungen, die wir an Globalisierung stellen .

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das setzt Standards, die auch auf andere Auswirkungen
    haben . Und just da sind diejenigen, die damals gegen die
    einfachen Zollabkommen waren – von denen wir gelernt
    haben –, nun mindestens so entschieden gegen dieses
    Abkommen wie gegen die, die vorher abgeschlossen
    wurden, und das kann ich nicht verstehen . Ich bitte da-
    rum, die ganze Sache noch einmal zu überdenken .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist nicht sachlich, sondern ideologisch! – Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


    Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin nicht froh, dass
    das  transpazifische  Abkommen  jetzt  wahrscheinlich 
    nicht Realität wird.  Ich weiß nicht, wer davon profitie-
    ren wird – ich will mich heute hier mit meinen Progno-
    sen zurückhalten –, ich weiß nur eines: Es wird weitere
    Handelsabkommen geben, und die werden dann nicht die
    Standards haben wie dieses Abkommen und auch das an-
    gedachte TTIP-Abkommen . Meine Damen und Herren,
    das hat etwas zu tun mit Arbeitsplätzen in der Globali-
    sierung, mit fairen Wettbewerbsbedingungen und mit
    menschlicher Gestaltung der Globalisierung .

    Wir sind in Deutschland im Augenblick in einer rela-
    tiv guten Lage; das ist vielfach gesagt worden . Allein in
    den letzten fünf Jahren sind 2,7 Millionen Arbeitsplätze
    entstanden . Interessant ist, sich einmal anzuschauen: Wer
    hat mehr Beschäftigung gefunden? Das sind zu etwa ei-
    nem Drittel Frauen, die stärker ins Erwerbsleben gehen,
    das sind zu einem weiteren Drittel Menschen, die län-
    ger arbeiten können – die Lebensarbeitszeit verlängert
    sich; das ist richtig und von uns gewünscht –, und zu
    einem dritten Drittel sind es Menschen aus der Europäi-
    schen Union, die in Deutschland Arbeit suchen, weil sie
    zu Hause  keine  finden. Auch  das  ist  in  einem Binnen-
    markt eine positive Wirkung und im Übrigen ein Beitrag
    Deutschlands zur Lösung mancher Probleme in der Eu-
    ropäischen Union .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Bund nimmt seit 2014 keine neuen Schulden
    mehr auf, die Reallöhne und die Renten steigen . Aber bei
    allem, was es noch zu kritisieren gibt – und ich weiß,
    dass viele Menschen Not haben, und ich halte die Zahl
    der Menschen, die von Arbeitslosengeld II, von Hartz IV
    abhängig sind, auch für viel zu hoch; daran müssen wir
    arbeiten –, dürfen wir sagen: Den Menschen in Deutsch-
    land ging es noch nie so gut wie im Augenblick . Auch
    das muss einmal festgehalten werden .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Quatsch!)


    Der Bundeshaushalt 2017 setzt den Kurs fort, nicht auf
    Kosten der jungen Generation zu leben, sondern in sie
    zu investieren . Eckhardt Rehberg hat es gestern gesagt:
    Die Investitionsquote ist so hoch wie seit langem nicht .
    Mit 11 Prozent ist sie immer noch überschaubar, würde
    ich sagen, wenn wir an über 50 Prozent Sozialquote des
    Haushalts denken . Aber diese Sozialquote zeigt doch,
    dass es nun wirklich ein Haushalt der sozialen Markt-

    wirtschaft ist und kein Haushalt, der sich rein auf Inves-
    titionen und die schwarze Null konzentriert . Vielmehr ist
    es ein Haushalt, der auch für soziale Gerechtigkeit sorgt,
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Haushalt für Forschung und Bildung hat sich in
    den letzten zehn Jahren verdoppelt . Er steigt auch in
    diesem Jahr wieder um 7 Prozent . Der Bund engagiert
    sich inzwischen bei Ländern und Kommunen weit über
    seine Kompetenzen hinaus: sei es durch den Hochschul-
    pakt, sei es durch Initiativen zur Lehrerausbildung, sei
    es durch Hilfe für kommunale Infrastruktur . Wir haben
    alleine für finanzschwache Kommunen ein Programm in 
    Höhe von inzwischen 7 Milliarden Euro aufgelegt .

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
    Kollegen, ein Punkt, der mich bei all den Verhandlungen
    mit den Ländern umtreibt, ist: Wie können wir eigentlich
    punktgenau helfen? Wir haben als Hilfsmöglichkeiten
    die Mehrwertsteueranteile, wir haben den Königsteiner
    Schlüssel, und da geht es nicht immer nach Bedürftigkeit,
    sondern es geht sehr oft nach Stärke . Und das führt dann,
    wenn wir nicht gerade den KdU-Schlüssel nehmen, der
    aber auch nur begrenzt sinnvoll ist in diesem Zusammen-
    hang, immer dazu, dass wir sozusagen doch mehr mit der
    Gießkanne helfen als punktuell dort, wo es geboten ist .


    (Thomas Oppermann [SPD]: Das hätten wir anders haben können! – Gegenruf des Abg . Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Quatsch, Kollege Oppermann, was Sie da erzählen!)


    – Mit Herrn Oppermann habe ich mich im kleinen Kreis
    schon des Öfteren darüber auseinandergesetzt . Damit das
    jetzt  auch  öffentlich  wird:  Herr  Oppermann  findet  die 
    Verteilung der Mittel für die Kommunen nicht ausrei-
    chend zielführend .


    (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ausnahmsweise mal mit Herrn Oppermann einer Meinung!)


    Er hat deshalb gesagt, dass die 5 Milliarden Euro, um
    die im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe die
    Kommunen entlastet werden, anders verteilt werden
    müssen, als das jetzt festgelegt wurde .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Nun habe ich – ich glaube, das sagt die ganze Bun-
    desregierung – einfach gesagt, nachdem wir Stunden und
    Aberstunden und noch mehr Stunden mit den Minister-
    präsidenten der Länder und den kommunalen Spitzen-
    verbänden gesprochen haben: Wenn Sie mir einen ande-
    ren und aus Ihrer Sicht – vielleicht bzw . wahrscheinlich
    dann sogar auch aus meiner Sicht – gerechteren Vertei-
    lungsschlüssel vorlegen und die Ministerpräsidenten da-
    mit einverstanden sind: Chapeau! Dann wird es anders
    gemacht .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Das muss ins Protokoll! – Thomas Oppermann [SPD]: Es hätte gereicht, wenn Volker Kauder damit einverstanden gewesen wäre! – Gegenruf Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel des Abg . Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, ja! Hauptsache, man findet einen Schuldigen!)





    (A) (C)


    (B) (D)


    Aber, meine Damen und Herren, die Wahrscheinlich-
    keit, dass Herr Oppermann, den ich schätze und der vie-
    les bewirken kann, dies schafft, erscheint mir sehr gering .


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der SPD: Wieso? – Na, na!)


    – Ich meine das ganz freundschaftlich . – Den Kommunen
    nun gar nichts zu geben,


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das fände er auch nicht gut!)


    weil man das, was einem vorschwebt, noch nicht erreicht
    hat, halte ich für die schlechtere Lösung . Deshalb müs-
    sen wir weiter daran arbeiten und vielleicht andere Ver-
    teilungsmechanismen ausprobieren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es gibt einen Punkt, bei dem ich noch nicht überzeugt
    bin, dass wir ausreichend über ihn sprechen, und der für
    die Arbeit der Bundesregierung in dieser Legislaturperi-
    ode aber ein wirklicher Schwerpunkt war . Ich meine die
    Frage: Wie gehen wir mit der Digitalisierung um, und
    was bedeutet Digitalisierung? Ich habe dies schon am
    Anfang meiner Rede als Auswirkung auf unsere gesell-
    schaftlichen Diskussionen angesprochen, aber ich will
    es auch jetzt noch einmal als Auswirkung auf unsere Ar-
    beitsplätze, unsere öffentliche Daseinsvorsorge und vie-
    les andere mehr nennen: Wir werden nicht klarkommen,
    wenn wir bestimmte Dinge einfach verbieten und uns
    den neuen Möglichkeiten nicht öffnen .

    Ich kann gut verstehen, warum man Uber nicht ha-
    ben will und warum die Taxifahrer sagen, das wollen sie
    nicht . Aber bitte glauben Sie nicht, dass wir den Mög-
    lichkeiten der Digitalisierung entgehen können . Auch
    hier müssen wir es wieder schaffen, sie in das, was wir
    öffentliche Daseinsvorsorge nennen, vernünftig einzu-
    beziehen . Es wird vielleicht Möglichkeiten geben, den
    öffentlichen Personennahverkehr im ländlichen Raum
    viel besser zu gestalten als mit den klassischen Bus- und
    Zugstrukturen .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es wird Möglichkeiten geben, die viele Menschen wie-
    der beruhigen werden . Es wird Möglichkeiten geben, wie
    wir unsere Städte umweltfreundlicher gestalten . Lassen
    Sie uns das offen angehen . Die Veränderungen werden
    schneller kommen, als wir denken .

    Wir haben uns neulich in kleinerem Kreise damit be-
    schäftigt, welche disruptiven Veränderungen es allein in
    der Automobilindustrie gibt . Es werden nicht mehr alle
    Menschen ein Auto besitzen wollen, das Auto wird auto-
    nom fahren können, und die Antriebstechnologien wer-
    den sich dramatisch verändern . Entweder reagieren wir
    darauf – unsere Automobilindustrie ist dazu in der Lage,
    das Rahmenwerk dafür wird gestaltet, und der Bundes-
    verkehrsminister hat hier wichtige Schritte eingeleitet –,
    oder wir sind zu langsam, und andere werden uns über-

    trumpfen . Meiner Meinung nach steht in einer von uns
    vielleicht noch nicht voll erfassten Tragweite – ich be-
    ziehe mich da mit ein – die Frage unserer industriellen
    Wertschöpfung auf dem Prüfstand, mit allen Möglichkei-
    ten, die wir haben, als Gewinner aus dem Wettbewerb
    herauszukommen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dazu gehört eine ehrliche Analyse, wo wir stehen . Ich
    bin sehr froh, dass wir den anderen bei der Standardi-
    sierung, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Indus-
    trie 4 .0, nach Maßgabe aller ein bis zwei Jahre voraus
    sind; daran haben der Wirtschaftsminister, aber auch die
    Forschungsministerin erheblichen Anteil . Da haben wir
    vieles geschafft, da sind wir international spitze, und da
    geben wir den Ton an – aber eben nicht bei der Batte-
    rieherstellung und auch noch nicht bei der künstlichen
    Intelligenz . Da müssen wir nachholen . Ich glaube, wir
    alle sollten uns intensiv mit diesen Themen beschäftigen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Weiter haben wir den großen Bereich des Umbaus
    unserer Energieversorgung . Es ist ja nun viel Kritisches
    über den Klimaschutzplan gesagt worden . Aber, liebe
    Kolleginnen und Kollegen, wir als Regierung müssen
    uns schon damit beschäftigen – ich verstehe eine vorpre-
    schende Umweltministerin natürlich in vollem Maße –,
    wie Klimaschutz, Arbeitsplätze und die Sorgen der Men-
    schen in einen vernünftigen Einklang gebracht werden
    können . Ich glaube, Frau Hendricks war fast die Einzi-
    ge, die auf der Marrakesch-Konferenz einen detaillierten
    Klimaschutzplan vorlegen konnte . Nun kann man nati-
    onal viel streiten und sagen: Das alles ist nicht genug . –
    Aber Fakt ist erst einmal, dass wir das Land waren, das
    nach der Pariser Klimaschutzkonferenz schon etwas vor-
    weisen konnte, wie wir die nächsten Schritte angehen
    wollen . Deshalb sollen wir unser Licht da nicht unter den
    Scheffel stellen, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben ja hier im Eingangsstatement von der lin-
    ken Seite etwas über den Zustand unserer sozialen Si-
    cherungssysteme gehört . Wissen Sie, ich glaube: Die
    Rentenversicherung kann angesichts des demografischen 
    Wandels nicht solide bleiben, wenn wir nicht neben der
    gesetzlichen Rentenversicherung auch andere Formen
    der Absicherung weiterentwickeln und fortentwickeln .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dass man nun auch noch die staatlichen Zuschüsse zur
    betrieblichen Rente infrage stellt, halte ich für absolut
    falsch . Wir sollten Betriebe bzw . Arbeitgeber ermutigen,
    hier etwas zu machen .


    (Zurufe von der LINKEN)


    Und der Bundesfinanzminister sowie die Bundesarbeits-
    ministerin haben das getan . Nun können wir ja über die
    Inhalte streiten . Ich halte die Fortentwicklung der betrieb-
    lichen Versorgung für richtig, ich halte die Verbesserung
    der Erwerbsunfähigkeitsrente für richtig, ich halte auch
    die private Vorsorge für richtig . Man muss sie verbessern

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    und vereinheitlichen . Es muss klarer werden, was dort
    stattzufinden hat. Aber erzählen Sie den Menschen bitte 
    nicht, dass bei veränderter Demografie alles  so bleiben 
    kann, wie es ist, ohne dass die Lohnzusatzkosten so stei-
    gen, dass es kein Mensch bezahlen kann .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wenn diese Große Koalition etwas geschafft hat, dann
    ist  es  der Riesenfortschritt  im Bereich  der  Pflegeversi-
    cherung . Wir haben in dieser Legislaturperiode allein
    drei  Pflegestärkungsgesetze  verabschiedet  oder  werden 
    sie verabschieden. Wir haben den Pflegebegriff – „end-
    lich“, würde Ulla Schmidt sagen – so umgestellt, dass er
    auch Demenzkrankheiten vernünftig miteinbezieht . Wir
    haben die ambulante Pflege gestärkt, wir haben die sta-
    tionäre Pflege gestärkt. Wir haben die Stellung derer, die 
    Pflegearbeiten verrichten, verbessert. 


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und Hunderttausende Stellen fehlen!)


    Ich weiß, dass das alles immer noch ein Riesenproblem
    bleibt – im Übrigen ein Problem, das fast in jeder Familie
    auf der Tagesordnung steht . Darüber wird politisch viel
    zu selten gesprochen, und wenn, dann vielleicht nur von
    den Fachministern . Aber auch hier ist es doch so: Wir
    haben die finanziellen Leistungen im Bereich der Pflege 
    um 20 Prozent erhöht. Ich finde, das sollte man den Men-
    schen auch sagen, damit sie nicht den Eindruck haben, es
    wird schlechter . Damit können wir deutlich machen, was
    uns wichtig ist, wofür wir einstehen und was wir voran-
    bringen wollen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Meine Damen und Herren, angesichts der großen
    Herausforderungen des letzten Jahres im Zusammen-
    hang mit den vielen bei uns ankommenden Flüchtlingen
    möchte ich – im Rückblick auf das vergangene Jahr und
    auch auf den vergangenen Teil dieses Jahres – sagen: Bei
    allen kritischen Diskussionen, die wir auch im föderalen
    Betrieb zwischen Bund, Ländern und Gemeinden haben,
    hat sich im letzten Jahr ein großartiges Maß an Zusam-
    menarbeit und Zusammenhalt der Hauptamtlichen und
    der vielen, vielen Ehrenamtlichen gezeigt, auf das unser
    Land wirklich stolz sein kann, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben die Dinge geordnet und gesteuert . Wir ha-
    ben das EU-Türkei-Abkommen abgeschlossen .


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schande!)


    – Ja,


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schande!)


    ganz vorsichtig! Das ist Ihre Möglichkeit, sich frei zu
    äußern . – Ich halte die Bekämpfung der illegalen Migra-
    tion, die Tatsache, den Schleusern das Handwerk zu le-
    gen, wenn sie übelste Geschäfte mit Menschen machen,
    sowie die Tatsache, etwas dagegen zu tun, dass wieder
    Menschen – in diesem Jahr waren es bisher 4 500 oder

    mehr – ertrinken, für eines der notwendigsten Gebote po-
    litischen Handelns .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da hat niemand was dagegen!)


    Wer auf Schlepper und Schleuser setzen muss, weil er
    nicht politisch gestalten kann, der macht seine Arbeit
    nicht in dem Sinne, wie ich mir das vorstelle . Deshalb
    müssen wir schauen, wo wir auch mit anderen Ländern –
    insbesondere mit Blick auf den Norden Afrikas, aber auch
    auf Afrika insgesamt – Partnerschaften eingehen können
    und wie wir die Lebensbedingungen dort verbessern und
    legale Möglichkeiten der Migration schaffen können .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – Hier haben wir noch Arbeit – das ist richtig – und auch
    noch eine ganze Menge Streit vor uns .

    Wir haben ein Integrationsgesetz verabschiedet und
    damit ein jahrzehntelanges Versäumnis wiedergutge-
    macht und für die Zukunft eine bessere Regelung –
    Fordern und Fördern – gefunden . Wir haben klare An-
    forderungen formuliert und gesagt, was wir von denen
    erwarten, die bei uns zu Hause sein wollen oder eine be-
    stimmte Zeit bei uns verleben . Dazu gehört das Erlernen
    der Sprache, dazu gehört die Akzeptanz unserer gesell-
    schaftlichen Ordnung . Das ist ganz selbstverständlich .

    Angesichts der negativen Beispiele, die es natürlich
    gibt und die man auch nicht unter den Tisch kehren soll-
    te, will ich ganz deutlich sagen: Es ist gut, dass sich die
    überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge der Integration
    stellt und mit viel Eifer, mit viel Fleiß und viel Kraft ver-
    sucht, gerade in den Integrationskursen erfolgreich zu
    sein .

    Aber die Menschen erwarten, dass das, was von un-
    serem Rechtsstaat als gerichtliche Urteile ausgesprochen
    wird, vom Staat auch umgesetzt wird . Und das heißt, dass
    diejenigen, die kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bei uns
    bekommen, die nicht als Asylbewerber anerkannt werden
    und die keinen subsidiären oder Flüchtlingsschutz nach
    der Genfer Konvention bei uns erhalten, unser Land auch
    wieder verlassen müssen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich finde, diese Erwartung der Bürgerinnen und Bürger 
    ist gerechtfertigt . Dadurch wird auch die Bereitschaft er-
    höht, denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchen .

    Auch hier unternehmen wir viele Anstrengungen, um
    das gemeinsam mit den Ländern – das sage ich ausdrück-
    lich – zu verbessern . Ich muss allerdings sagen: Ich habe
    in einer Koalitionsvereinbarung, die nicht weit von hier
    getroffen wurde, gelesen, dass das Winterabschiebever-
    bot wieder eingeführt werden soll .


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sehr gut!)


    Sie müssen einmal zur zuständigen Ausländerbehörde
    gehen und sich anhören, was die Menschen darüber sa-
    gen . Das ist genau das gegenteilige Signal von dem, was
    wir brauchen, und das führt Menschen zum Schluss in

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    mehr Not, als wenn sie wüssten, dass sie bei uns keine
    Chance haben, und es hilft ihnen nicht . Das ist meine tie-
    fe Überzeugung .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, wir leben in Zeiten rasan-
    ter globaler Veränderungen . Wir haben die Möglichkei-
    ten, Veränderungen schrittweise menschlich zu gestal-
    ten . Das setzt Offenheit voraus . Ich bin zutiefst davon
    überzeugt: Offenheit wird uns mehr Sicherheit bringen
    als Abschottung – mehr Sicherheit im Blick auf die
    wirtschaftliche Situation, mehr Sicherheit im Blick auf
    Soziales und mehr Sicherheit im Blick auf Frieden und
    Freiheit .

    Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns an
    dieser Arbeit weiter dranbleiben . Wir haben als Bundes-
    regierung in den letzten eineinhalb Jahren einen Bürger-
    dialog durchgeführt . In diesem Bürgerdialog sind Frieden
    und Sicherheit noch einmal als die zentralen Bedürfnisse
    der Menschen in Deutschland genannt worden . Deshalb
    ist es aller Mühe wert, im Geiste dieses Haushaltes wei-
    terzuarbeiten und da, wo es Probleme gibt – und sie gibt
    es –, sie natürlich zu lösen .

    Herzlichen Dank .


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Anton Hofreiter das Wort .


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Anton Hofreiter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Sehr geehrte Frau Merkel! Die Wahl von
    Trump zum nächsten US-Präsidenten war ein Schub für
    mehr Nationalismus und Ressentiments . Aber es gibt
    überhaupt keinen Grund, dass wir in Deutschland oder
    in Europa abfällig auf die USA blicken . Auch hier in Eu-
    ropa feiern Rechtsextreme und Rechtspopulisten Erfol-
    ge, auch hier in Deutschland sitzen Rechtspopulisten in
    immer mehr Landesparlamenten, auch hier glauben sie,
    dass ihre Stunde gekommen ist .

    All denjenigen, denen die liberale Demokratie am
    Herzen liegt, muss das große Sorgen machen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Vieles, was wir sicher glaubten, steht infrage . Vieles, was
    selbstverständlich erschien und vielleicht viel zu vielen
    noch immer selbstverständlich erscheint, steht infrage:
    der demokratische Umgang, eine rationale, kooperative
    Außenpolitik, Verlässlichkeit internationaler Verträge,
    der Schutz von Minderheiten, die Herrschaft des Rech-
    tes, der Respekt voreinander . Bei allen Meinungsver-
    schiedenheiten, bei allen unterschiedlichen Positionen,
    die wir hier im Deutschen Bundestag haben: Wir müssen

    uns gemeinsam den Demagogen, den Nationalisten und
    den Autoritären entgegenstellen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Christine Lambrecht [SPD])


    Freiheit, Solidarität und Humanismus stehen auf dem
    Spiel, für alle .

    Für mich ist auch eines klar: Keine soziale Not und
    keine gefühlte Identitätsverunsicherung rechtfertigen
    oder entschuldigen gar im Geringsten rassistische, frau-
    enfeindliche oder homophobe Handlungen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


    Wer andere Menschen angreift oder herabsetzt, in Wort
    oder Tat, nur weil er einer echten oder gefühlten Gruppe
    angehört, die einem selbst nicht so zu passen scheint, der
    hat von uns eine ganz glasklare Antwort verdient: Kein
    Fußbreit der Gewalt, kein Fußbreit dem Hass!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


    Aber der Kampf gegen rechts kann nicht nur aus kla-
    ren Worten bestehen . Denn was heißt denn „kämpfen“
    im Geschäft der demokratischen Politik? Das heißt über-
    zeugen, das heißt Menschen mitnehmen, das heißt dafür
    sorgen, dass aggressive Stimmungen am Ende nicht zu
    Paralleluniversen in rechtsradikalen Echokammern füh-
    ren, es heißt, Menschen zu überzeugen, die noch nicht
    überzeugt sind . Ich glaube, da können wir alle besser
    werden, da müssen wir alle besser werden, da müssen
    wir Grüne auch besser werden .

    Wenn wir vom ökologischen Umbau reden, dann müs-
    sen wir auch die Sorgen derjenigen berücksichtigen, die
    Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Große Worte!)


    Das ist eine Aufgabe, die auch wir Grüne haben, und ich
    glaube, wenn ich mir den nächsten Wahlkampf anschaue,
    dann haben alle demokratischen Parteien die Aufgabe,
    eine Sprache zu finden, die die Menschen überzeugt, mit-
    nimmt und für diese Demokratie wieder begeistert .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Klar erscheint auch, dass dieses Wahlergebnis in den
    USA – insbesondere wenn man sich die Wahlergebnis-
    se in den ehemaligen Industriegebieten, im sogenannten
    Rust Belt, anschaut – auch ein Protest war – auf hässliche
    und destruktive Art und Weise – gegen eine ungeregelte
    Globalisierung und ein Protest gegen den sozialen Ab-
    stieg .

    Viele kämpfen seit Jahren gegen die ungeregelte Glo-
    balisierung, die nur wenigen kurzfristig Gewinne bringt .
    Politische Entscheidungen haben diese ökonomische
    Globalisierung ermöglicht; politische Entscheidungen
    könnten auch eine Globalisierung ermöglichen, die so-

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    zial und ökologisch gerechter ist . Das ist nicht einfach,
    aber es ist möglich, und es gilt, diese optimistische Hal-
    tung gegen die scheinbare Alternativlosigkeit des Beste-
    henden zu setzen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Umso schlimmer ist es, dass die Kritik an der Globa-
    lisierung nur von rechts außen kommt, und dies nach den
    historischen Irrtümern des 19 . und 20 . Jahrhunderts . Wir
    lehnen die nationalistische Kritik an der Globalisierung
    aufs Schärfste ab . Nationalismus kann keine Lösung
    sein; er ist ein historisch gefährlicher Irrweg .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Aber wir müssen auch verstehen, was passiert, warum
    die Menschen für den Brexit gestimmt haben, warum die
    Menschen für Trump gestimmt haben . Den Nationalis-
    ten, den Rechtspopulisten und den Rechtsradikalen ge-
    lingt es zu gut, den Unmut der Menschen, ihre Angst und
    ihre Frustration auf ihre Mühlen zu leiten .

    Der Unmut entsteht gar nicht automatisch gegen Min-
    derheiten. Der Unmut  entsteht  häufig  aus Alltagserfah-
    rungen: dass in ländlichen Regionen die Infrastruktur
    nicht mehr funktioniert; aus Angst vor sozialem Abstieg;
    aus Frust darüber, dass der Lohn trotz Vollzeitarbeit nicht
    für eine bezahlbare Wohnung reicht; aus dem Ärger des
    kleinen Kaffeehausbesitzers darüber, dass er voll Steuern
    zahlt, während sein Konkurrent von Starbucks nur einen
    minimalen Steuersatz zahlt . Wir müssen darauf achten
    und dürfen nicht zulassen, dass dieser Ärger und dieser
    Frust am Ende an Minderheiten ausgelassen werden,
    dass die Schwächsten der Schwachen zu Sündenböcken
    erklärt werden .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


    Wir müssen verhindern, dass es den Rechtspopulisten
    und den Rechtsradikalen in Europa weiter gelingt, ein
    Bündnis zu schmieden, das zum Brexit geführt hat, ein
    Bündnis zu schmieden, das am Ende die Wahl von Trump
    ermöglicht hat, ein Bündnis zu schmieden aus Rassisten
    und Homophoben, mit sozial Verunsicherten, mit Men-
    schen, die Angst vor dem sozialen Abstieg haben .

    Dafür brauchen wir eine Politik, die dafür sorgt, dass
    die Infrastruktur auch in den ländlichen Regionen wie-
    der ankommt und funktioniert, eine Politik, die dafür
    sorgt, dass die sozialen Sicherungssysteme wirklich für
    alle sicher sind und die Zweiklassenmedizin abgeschafft
    wird, eine Politik, die dafür sorgt, dass ausreichend Geld
    für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung gestellt wird,
    eine Politik, die dafür sorgt, dass der Arbeitsmarkt wie-
    der für alle Menschen funktioniert, eine Politik, die eine
    Bildungsoffensive ermöglicht, damit wieder jedes Kind
    eine Chance auf sozialen Aufstieg hat, und eine Politik,
    die ermöglicht, dass jeder, der Arbeit hat, ausreichend
    verdient, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu
    können .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrte Frau Merkel, in diesen schwierigen Zei-
    ten haben Sie angekündigt, für die CDU wieder als Kanz-
    lerin kandidieren zu wollen .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wieder einmal ist unklar geblieben, wohin Sie mit dem
    Land eigentlich wollen und was Sie mit Ihrer Kanzler-
    schaft anstellen wollen . Im letzten Wahlkampf war Ihr
    Motto: Sie kennen mich ja! – In diesem Wahlkampf wird
    das nicht reichen . Es wird auch nicht reichen, zu erklä-
    ren: Wir machen einfach weiter so .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Man weiß, dass es keinen Besseren gibt!)


    Was hat Ihre Regierung in den letzten acht oder zehn
    Jahren denn getan gegen das Auseinanderfallen der Eu-
    ropäischen Union? Was hat Ihre Regierung denn getan
    gegen die weitere Spaltung unserer Gesellschaft? Was
    hat Ihre Regierung denn getan, um die Fluchtursachen
    wirklich zu bekämpfen und sich für einen fairen Welt-
    handel einzusetzen? Was hat Ihre Regierung getan in den
    letzten Monaten und Jahren, um den Klimaschutz durch-
    zusetzen?

    Schauen wir uns die einzelnen Punkte einmal an .
    Die Europäische Union ist seit fast acht Jahren in der
    Dauerkrise, seit der verkorksten Bankenrettung nach der
    Finanzmarktkrise . Dieser Zustand ist in den letzten Mo-
    naten und Jahren nicht besser, sondern eher schlimmer
    geworden .

    Wir haben gesehen: Großbritannien hat sich für den
    Austritt aus der Europäischen Union entschieden . Wir
    müssen befürchten, dass in Frankreich Frau Le Pen Prä-
    sidentin wird . In Italien sind die Zustände nicht besser
    geworden, und es besteht die Gefahr, dass dort Rechtspo-
    pulisten an die Macht kommen . In Griechenland herrscht
    Hoffnungslosigkeit und das Gefühl, Europa lässt sie mit
    den vielen Geflüchteten, die kommen, im Stich.

    In all diesen Jahren waren Sie Kanzlerin des mäch-
    tigsten Landes innerhalb der Europäischen Union . Jetzt
    rechtfertigen Sie sich immer damit – und es wird damit
    gerechtfertigt –, Ihnen hätten die Partner gefehlt und Sie
    hätten alles richtig gemacht . Sie haben immer stur und
    brav auf das Einhalten von Regeln gepocht und immer
    stur und brav darauf gepocht, dass die Sparvorschläge
    umgesetzt werden .

    Man hätte vor sieben oder acht Jahren noch darüber
    streiten können, ob diese Politik erfolgreich ist . Aber
    nach acht Jahren nicht erfolgreicher Politik könnte diese
    Bundesregierung überlegen, ob das wirklich die richtige
    Politik war .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Nach acht Jahren, in denen innerhalb der Europäischen
    Union weiterhin 20 Millionen Menschen arbeitslos sind,
    könnte die SPD überlegen, ob sie nicht ihr ganzes Ge-
    wicht dafür einsetzen könnte, innerhalb der Europäi-
    schen Union zu einer Investitionsoffensive zu kommen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die SPD könnte sich dafür einsetzen, dass endlich ausrei-
    chend Geld für eine soziale und ökologische Transforma-

    Dr. Anton Hofreiter






    (A) (C)



    (B) (D)


    tion innerhalb der Europäischen Union ausgegeben wird,
    damit die Menschen wieder den Glauben haben, dass das
    wunderbare Projekt der Europäischen Union nicht nur
    für Frieden, sondern auch für Wohlstand für sie persön-
    lich steht .

    Wo bleibt da die SPD? Setzen Sie sich endlich dafür
    ein, dass wir eine offensive Investitionspolitik auf eu-
    ropäischer Ebene bekommen . Denn sonst haben viel zu
    viele das Gefühl, Europa lässt sie im Stich .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Schauen wir uns die Spaltung unserer Gesellschaft
    an . Sie haben davon gesprochen, Frau Merkel, dass es
    den Menschen in Deutschland so gut geht wie noch nie .
    Ja, der Durchschnitt kann allerdings vieles verdecken .
    Hinter „den Menschen“ verbergen sich nämlich ganz un-
    terschiedliche Schicksale . Es gibt die Reichsten der Rei-
    chen, die in den letzten Jahren deutlich reicher geworden
    sind, und wir hatten noch nie so viele Milliardäre und
    Millionäre in Deutschland .

    Aber es gibt auch die anderen Gruppen, die sich hin-
    ter diesem Durchschnitt verstecken . Inzwischen ist jeder
    zehnte Arbeitnehmer bzw . jede zehnte Arbeitnehmerin
    von Armut bedroht, obwohl sie Arbeit haben . Das ist
    doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren, doppelt so viel
    wie zu Beginn Ihrer Kanzlerschaft .

    Oder wenn man sich anschaut, wie sich das Aufstiegs-
    versprechen entwickelt hat: Für viel zu viele ist das Auf-
    stiegsversprechen immer noch ein Versprechen, das für
    sie nicht gilt, weil sie aus bildungsfernen Haushalten
    bzw . aus Arbeiterhaushalten kommen und weil für sie
    eben nicht gilt, dass sie die gleichen Chancen haben, ein
    Gymnasium oder eine Universität zu besuchen . Das liegt
    nicht daran, dass sie weniger können, sondern daran, dass
    sie eine andere Herkunft haben .

    All das versteckt sich hinter dem Durchschnitt, und all
    das ist politisch änderbar .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Denn es ist politisch durchsetzbar, ein faireres Steuersys-
    tem zu haben . Es ist politisch durchsetzbar, eine bessere
    Ausstattung der Infrastruktur, zum Beispiel einen besse-
    ren Breitbandausbau, zu haben, damit abgehängte länd-
    liche Regionen an die boomenden Städte angeschlossen
    werden . Es ist möglich, ausreichend Geld zur Verfügung
    zu stellen, damit es auch in München, Frankfurt, Berlin,
    Stuttgart und anderen Metropolen wieder ausreichend
    bezahlbaren Wohnraum auch für die Menschen mit nied-
    rigerem Einkommen gibt . Es ist möglich, eine andere
    Arbeitsmarktpolitik zu machen und wieder mehr Geld
    zur Verfügung zu stellen, damit die Langzeitarbeitslosen
    wieder eine Chance haben, einen guten sozialversiche-
    rungspflichtigen Job zu bekommen. 

    All das ist möglich . Sie hatten zehn Jahre Zeit . Fangen
    Sie doch wenigstens jetzt damit an!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Merkel, Sie haben von der gerechten Gestaltung
    der Globalisierung gesprochen . Sie haben davon gespro-
    chen, dass die neuen Freihandelsabkommen besser sind,

    weil sie Standards festlegen . Das klang alles gut . Das
    Problem ist nur: Dem ist nicht so . Wenn Sie sich näm-
    lich  die Verträge  genau  ansehen,  dann finden Sie  zwar 
    zum Beispiel das Vorsorgeprinzip im Vertrag zu CETA
    erwähnt, aber nur  im Vorwort.  Im Vertrag selbst finden 
    Sie die von Ihnen selbst hochgelobten Standards nicht .

    Im Vertrag finden Sie stattdessen eine Konzernjustiz 
    außerhalb  unserer  öffentlichen Gerichtsbarkeit.  Sie fin-
    den im Vertrag stattdessen eine Bedrohung der Verbrau-
    cherschutz- und Umweltschutzstandards, und Sie finden 
    im Vertrag stattdessen die Möglichkeit und dementspre-
    chend den Druck auf die Kommunen, ihre kommunale
    Daseinsvorsorge zu privatisieren .

    Das, was Sie zur Regelung der Globalisierung vorge-
    stellt haben, wäre zwar schön . Bloß, die Verträge machen
    leider genau das Gegenteil . Deshalb lehnen wir diese
    Verträge ab .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir reden sehr viel von CETA und TTIP . Bei diesen
    Verträgen sollte man aber nie die EPAs vergessen, die mit
    den Ländern Westafrikas und Zentralafrikas abgeschlos-
    sen werden sollen .


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


    Wenn man sich mit den EPAs befasst, dann kommt man
    zu Ihren Aussagen zur Bekämpfung der Fluchtursachen .

    Ich will Ihnen überhaupt nicht vorwerfen, Frau
    Merkel, dass auch Sie keine gute Lösung für die Schre-
    cken des Bürgerkriegs in Syrien haben, dass Sie keine
    gute Lösung dafür haben, wie wir den Bürgerkrieg im
    Irak oder in Afghanistan beenden können . Das wirft Ih-
    nen niemand vor . Wir würden uns sehr wünschen, dass es
    dafür eine Lösung gäbe . Es gibt aber nur kleine, schwie-
    rige, tastende Schritte in Richtung Lösung, und die Rolle,
    die Russland dabei spielt, ist mehr als kontraproduktiv .
    Denn das, was in Aleppo passiert, sind schlicht Kriegs-
    verbrechen, und das kann man auch genau so nennen: Es
    sind Kriegsverbrechen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Dazu würde ich mir auch von dem einen oder anderen
    hier im Haus eine klare Aussage wünschen .

    Was man aber dieser Regierung vorwerfen kann, ist
    die Aussetzung des Familiennachzugs .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Da hatten wir eine Lösung . Glauben Sie wirklich, dass
    die Mütter, die Väter und die minderjährigen Kinder,
    wenn sie hier bei uns sind, ruhig schlafen und sich ver-
    nünftig in unsere Gesellschaft integrieren können, wenn
    der Familiennachzug ausgesetzt bleibt? Das könnten Sie
    ändern; das könnten Sie anpacken . Deshalb appelliere ich
    an Sie: Lassen Sie den Familiennachzug wieder zu, sei es
    aus christlichen oder sei es aus humanitären Gründen!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Dr. Anton Hofreiter






    (A) (C)



    (B) (D)


    Was man Ihnen vorwerfen kann, ist, dass bei den
    Fluchtursachen, die wir verändern könnten, nichts pas-
    siert . Ich sehe keine Initiative der Bundesregierung, end-
    lich dafür zu sorgen, dass die hoch subventionierten euro-
    päischen Fischerflotten aufhören, die Gewässer vor den 
    Küsten Afrikas, insbesondere vor denen Westafrikas und
    Zentralafrikas,  leerzufischen,  sodass  die  einheimischen 
    Fischer zu Schleppern werden und Menschen – weil sie
    selbst keine Nahrungsgrundlage mehr haben – hierher-
    transportieren . Das wäre zu ändern und wäre eine echte
    Bekämpfung der Fluchtursachen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich sehe auch keine Initiative, die endlich einen fai-
    ren Umgang mit den Kleinbauern Afrikas zum Ziel hat .
    Zehntausende Kleinbauern sind in den Ruin getrieben
    worden durch den zunehmenden Export von gefrorenem
    Geflügelfleisch,  Milchpulver  und  anderen  Landwirt-
    schaftsprodukten aus der Europäischen Union . Von 2001
    bis 2014 hat der Export von gefrorenem Geflügelfleisch 
    um 300 Prozent zugenommen und hat Tausende und
    Abertausende Bäuerinnen und Bauern in den Ruin ge-
    trieben. Deren Söhne haben nun teilweise als Geflüchtete 
    Schutz bei uns gefunden . Sie wurden von ihren Familien
    geschickt in der verzweifelten Hoffnung, etwas Geld für
    die Ernährung der Familie zu beschaffen . Das könnten
    Sie verändern . Deshalb: Verändern Sie es endlich, und
    sprechen Sie nicht immer nur abstrakt von Fluchtursa-
    chenbekämpfung!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Schauen wir uns den Klimaschutz an . Frau Merkel,
    Sie haben gesagt, es sei Ihnen immerhin gelungen, Frau
    Hendricks mit einem Klimaschutzplan nach Marrakesch
    zu schicken; nun wisse man, was die nächsten Schritte
    seien, die in Deutschland zu gehen seien . Sie haben recht:
    Es ist Ihnen gelungen, Frau Hendricks mit einem Kli-
    maschutzplan nach Marrakesch zu schicken . Aber man
    weiß deshalb nicht, welches die nächsten Schritte sind,
    die in Deutschland zu gehen sind . Von Maßnahmen steht
    nämlich nichts im Klimaschutzplan . Sie haben zugelas-
    sen, dass dieser Klimaschutzplan von allen Maßnahmen
    entkernt worden ist .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Gabriel hat damit begonnen und hat den Plan zum
    Kohleausstieg aus dem Klimaschutzplan herausgestri-
    chen . Herr Dobrindt hat dann weitergemacht und hat alle
    Maßnahmen, die dazu gedacht waren, die Autoindustrie
    zu modernisieren, aus dem Klimaschutzplan heraus-
    gestrichen . Geendet hat es mit Herrn Schmidt, der alle
    Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft herausgestri-
    chen hat . Deshalb: Es genügt nicht, nur einen Plan zu ha-
    ben, in dem nichts steht . Klimaschutz muss konkret sein
    und bedeuten, dass wir beginnen, in Deutschland aus der
    Kohle auszusteigen und die erneuerbaren Energien wie-
    der flottzumachen, und das nicht  nur  aus Klimaschutz- 
    und Umweltschutzgründen, sondern auch aus industrie-
    politischen Gründen; denn die Zukunft wird die moderne
    Energieversorgung sein . Dort werden die Arbeitsplätze
    der Zukunft entstehen . Hier besteht die Möglichkeit,
    Menschen Hoffnung zu geben . Wenn Sie es schon nicht
    aus Klimaschutzgründen machen, dann sollten Sie we-

    nigstens aus industriepolitischen Gründen aufhören, auf
    die alten Technologien des 18 . und 19 . Jahrhunderts zu
    setzen . Setzen Sie stattdessen auf die Technologien des
    21 . Jahrhunderts .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das würde bedeuten, die Chancen, die in der Digi-
    talisierung  und  Elektrifizierung  der  Mobilitätssparte 
    bestehen, zu nutzen . Die Frage, ob Arbeitsplätze im Be-
    reich des Verbrennungsmotors erhalten bleiben oder ob
    Arbeitsplätze im Bereich der emissionsfreien Fahrzeuge
    geschaffen werden, stellt sich nicht . Die Gefahr besteht
    doch, dass Arbeitsplätze im Bereich des Verbrennungs-
    motors verloren gehen und neue Arbeitsplätze nicht in
    Deutschland, sondern in den USA bei Tesla, in Japan bei
    Toyota und in Südkorea bei Hyundai entstehen . Deshalb
    ist es an der Zeit, endlich die Chancen der Moderne zu
    nutzen und auf die Digitalisierung und die Elektrifizie-
    rung zu setzen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das sagen nicht nur wir . 40 große deutsche Unternehmen
    haben Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass sie von
    der Bundesregierung sowohl aus Klimaschutzgründen
    als auch aus Gründen der Arbeitsplatzsicherung mehr
    Klimaschutz erwarten . Selbst die IG Metall fordert in-
    zwischen einen Umbau der Autoindustrie, auch aus Ar-
    beitsplatzgründen . Ich erwarte von Ihnen, dass Sie end-
    lich für einen Klimaschutzplan sorgen, der den Namen
    auch verdient .

    Ich glaube, wir brauchen für die ganz großen Heraus-
    forderungen, vor denen wir stehen, und vor dem Hin-
    tergrund der großen Unsicherheiten eine Politik, die die
    wirklichen Probleme angeht . Deshalb lassen Sie uns da-
    für sorgen, dass wir eine Politik gestalten, die sozial ist,
    die gerecht ist, die ökologisch ist und die die Menschen
    in diesem Land mitnimmt . Dann haben wir alle Chancen,
    dass es auch in Zukunft den Menschen in diesem Land
    gut geht .

    Vielen Dank .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)