Rede:
ID1820200200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. erhält: 1
    4. nun: 1
    5. die: 1
    6. Bundeskanzlerin: 1
    7. FrauDr: 1
    8. .: 1
    9. Merkel: 1
    10. .\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/202 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . 20159 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20159 B I .9 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzler- amt Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20159 B Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 20159 C Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 20165 B Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20172 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20175 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20179 C Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20182 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20184 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20186 D Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20188 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20190 A Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20192 A Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20193 D Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20194 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20196 B Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20197 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20199 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20200 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20201 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20203 C I .10 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/9805, 18/9824 . . . . . . . 20201 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20201 D Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20206 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20208 A Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20209 A Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20211 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20213 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20214 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20216 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20217 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218 D Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20219 D Karl-Heinz Wange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20221 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016II I .11 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/9813, 18/9824 . . . . . . . 20222 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20222 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20223 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20225 A Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20226 D Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20228 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20231 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20232 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20234 A Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20234 D Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20237 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20238 A Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20239 C I .12 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwick- lung Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20240 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20240 C Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20241 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20243 B Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 20244 C Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 20245 D Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20248 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20249 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20250 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20252 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20253 A Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20254 A Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20255 A Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20256 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20258 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20259 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20259 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20261 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20159 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Niema Movassat (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20261 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .11 .2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 23 .11 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 23 .11 .2016 Gleicke, Iris SPD 23 .11 .2016 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 23 .11 .2016 Heller, Uda CDU/CSU 23 .11 .2016 Hennrich, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 23 .11 .2016 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 23 .11 .2016 Kofler, Dr. Bärbel SPD 23 .11 .2016 Kretschmer, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 23 .11 .2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 23 .11 .2016 Schimke, Jana CDU/CSU 23 .11 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .11 .2016 Schnieder, Patrick CDU/CSU 23 .11 .2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 23 .11 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 23 .11 .2016 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 23 .11 .2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 23 .11 .2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 23 .11 .2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 202. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt EPL 05 Auswärtiges Amt EPL 14 Verteidigung EPL 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sahra Wagenknecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau

    Bundeskanzlerin! Es ist schon verblüffend, wie Politik
    manchmal funktioniert .


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    – Ich weiß gar nicht, was Sie daran so lustig finden. – In 
    Deutschland wachsen soziale Ungleichheit und Verunsi-
    cherung und mit ihnen die Zahl der Wählerstimmen der
    AfD .


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Gleich im ersten Satz! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Kaufen Sie sich doch mal eine neue Platte! Die ist kaputt!)


    In Europa ist die deutsche Regierung so isoliert wie lange
    nicht mehr .


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Der zweite Satz ist auch nicht besser!)


    Als bevorzugten Partner hat sich die Kanzlerin ausge-
    rechnet einen türkischen Diktator ausgesucht, der Jour-
    nalisten und Oppositionelle ins Gefängnis werfen lässt
    und die Todesstrafe großartig findet.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    Trotz allem scheint sich die CDU/CSU – das zeigt Ihre
    wunderbare Stimmung heute – auf ein Weiter-so mit die-
    ser Kanzlerin, mit Frau Merkel, allen Ernstes zu freuen .


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich kann nur sagen: Die Menschen in diesem Land kön-
    nen sich darauf nicht freuen . Ich sage Ihnen deswegen
    auch: Dazu wird es nicht kommen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Angesichts Ihres Verhaltens fällt einem wirklich nur
    noch der Satz von Albert Einstein ein:

    Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim
    Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich
    etwas ändert .






    (A) (C)



    (B) (D)


    Am Ende ändert sich dann doch meistens etwas, aber
    vielleicht anders als erhofft .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei Ihnen ändert sich gar nichts! Sie sind knallrot von oben bis unten! – Gegenruf der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ruhe da drüben!)


    In den USA hat die Führung der Demokraten den
    Hoffnungsträger Bernie Sanders verhindert,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    um dann mit einer Kandidatin des Establishments, die im
    Grunde all das verkörpert,


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir sind in Deutschland!)


    was die Menschen an der Demokratie verzweifeln lässt,
    Donald Trump den Weg ins Weiße Haus zu ebnen . Das
    sollte nicht nur der SPD zu denken geben, sondern na-
    türlich auch der CDU, die immerhin auch schon Kanzler
    hatte, die den Unterschied zwischen einer Demokratie
    und einer Oligarchie, einer Reichtumsherrschaft, noch
    ganz gut kannten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wohlstand für alle, Frau Merkel – es wäre nett, wenn
    Sie mir zuhören könnten –: Damit war anderes gemeint
    als die marktkonforme Verwaltung eines globalisierten
    Raubtierkapitalismus, der die Mittelschicht zerstört und
    diese Gesellschaft immer tiefer sozial spaltet .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In der alten CDU übrigens wäre eine Situation, in der
    man sogar gemeinsam mit der SPD nicht einmal mehr
    die Hälfte der Wählerinnen und Wähler erreicht, noch
    komplett unvorstellbar gewesen .


    (Ulli Nissen [SPD]: Und was ist mit dem Wahlergebnis der Linken gewesen?)


    Aber damals wusste auch die SPD noch, dass Arbei-
    terparteien nicht dafür gegründet worden waren, ihre
    Minister an zahlungskräftige Wirtschaftslobbyisten zu
    vermieten und denen dann die Wünsche von den Augen
    abzulesen,


    (Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist eine Blamage!)


    mögen sie nun Senkung der Lohnkosten oder CETA hei-
    ßen .

    Und Sie machen weiter, als wäre nichts passiert . Als
    untrügliches Signal des großkoalitionären Weiter-so
    schlagen Sie uns jetzt also gemeinsam Frank-Walter
    Steinmeier für das Amt des nächsten Bundespräsidenten
    vor .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Hätten  wir  mit  der  Kandidatur  des  profilierten  Agen-
    da-Kritikers Christoph Butterwegge nicht noch ein biss-
    chen  Frischluft  in  Ihren  muffigen  Konsens  gebracht, 

    dann hätten Sie die Bundesversammlung auch gleich
    ganz absagen können .


    (Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Frischluft? Der Sozialismus von gestern!)


    Es sind doch genau solche Wahlen, bei denen es nichts
    mehr zu entscheiden gibt, die die Menschen an der De-
    mokratie verzweifeln lassen und


    (Thomas Oppermann [SPD]: Glauben Sie nicht an Ihren eigenen Kandidaten?)


    die auch demokratische Entscheidungen zu einer Farce
    machen .

    Als die Briten im Juni für den Ausstieg aus der EU vo-
    tierten, waren Sie alle geschockt, um dann mit doppelter
    Energie das Konzernschutzabkommen CETA in der EU
    durchzuboxen . Klasse gemacht! Beim nächsten Exit-Re-
    ferendum haben die Befürworter ein Argument mehr auf
    ihrer Seite .


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Als vor zwei Wochen die US-Bürger für Trump statt
    für Ihre gemeinsame Favoritin Clinton stimmten, waren
    Sie wieder alle geschockt .


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Für wen waren Sie denn?)


    Aber Ihre einzige Schlussfolgerung scheint zu sein, jetzt
    einen europäischen Hochrüstungswettlauf zu starten .
    Glauben Sie wirklich, das ist es, worauf die Millionen
    Abstiegsgefährdeten in Europa und die verlorene Gene-
    ration in den Krisenländern gewartet haben? Offenbar
    hat selbst ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr
    drauf als Sie .


    (Lachen bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der SPD: Der neue Rassismus!)


    Denn immerhin hat der Mann begriffen,


    (Thomas Oppermann [SPD]: Neuer Bündnispartner!)


    dass staatliche Industriepolitik besser ist als billige
    Dienstleistungsjobs und dass gegen Krise und marode In-
    frastruktur nicht Kürzungspolitik hilft, sondern ein groß
    angelegtes öffentliches Investitionsprogramm .


    (Beifall bei der LINKEN – Thomas Jurk [SPD]: Vor 27 Jahren ist das in der DDR zusammengebrochen! – Thomas Oppermann [SPD]: Sie haben jetzt den richtigen Partner gefunden!)


    Weil schon die Ankündigung dieses Programms zu
    höheren Zinsen in den USA geführt hat, wird Europa un-
    ter Ihrer Führung wohl lieber mit seinem Geld neue Brü-
    cken und moderne Netze  in den USA finanzieren,  statt 
    den Niedergang der europäischen Infrastruktur endlich
    zu stoppen und Industriearbeitsplätze auch in Frankreich
    und Italien zu verteidigen und zu retten . Aber merken Sie
    denn gar nicht, dass es genau diese fatale Politik ist, die
    Europa spaltet und immer mehr kaputtgehen lässt?

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Sollte im nächsten Jahr tatsächlich Marine Le Pen
    französische Präsidentin werden, dann werden Sie wie-
    der alle geschockt sein, und wahrscheinlich beklagen Sie
    dann wieder die Verführungsmacht geschickter Popu-
    listen und das Zeitalter des Postfaktischen . Aber wenn
    etwas postfaktisch ist, dann sind das nicht die Emotio-
    nen der Menschen, die sich von Ihrer Politik im Stich ge-
    lassen fühlen, sondern die Lügenmärchen, die Sie ihnen
    erzählen, um zu begründen, dass diese Politik angeblich
    alternativlos ist .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ist es denn wirklich so schwer zu verstehen? Die
    US-Bürger haben doch gar nicht in erster Linie den Mil-
    liardär Donald Trump gewählt .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was Sie alles wissen!)


    Sie haben das Weiter-so abgewählt, und dafür hatten sie
    in einem Land, wo die mittleren Löhne heute unter dem
    Niveau der 80er-Jahre liegen, natürlich allen Grund .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Sie haben eine enge Beziehung zu den USA, oder?)


    Auch in Deutschland haben immer mehr Menschen gute
    Gründe, enttäuscht und wütend zu sein: über eine groß-
    koalitionäre Einheitspolitik, die sich für ihre elementaren
    Lebensinteressen und Zukunftsängste überhaupt nicht
    mehr interessiert,


    (Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist Quatsch!)


    sondern gleichgültig und emotionslos immer wieder Ent-
    scheidungen fällt, die die Reichen noch reicher, die Kon-
    zerne noch unverschämter und das Leben der arbeitenden
    Mitte und der Ärmeren noch unsicherer und prekärer ma-
    chen. Ich finde, eine solche Politik ist unglaublich und sie 
    ist verantwortungslos .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Gucken Sie sich doch an, wie sich dieses Land in den
    letzten 20 Jahren verändert hat! Trotz boomender Export-
    wirtschaft und trotz Wirtschaftswachstum lebt heute in
    Deutschland jeder sechste Rentner in Armut und muss
    sich um seine Lebensleistung betrogen fühlen .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 2,5 Prozent der Rentner kriegen Grundsicherung! Informieren Sie sich doch mal! So ein Unsinn, den Sie hier erzählen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: So viel zu Rot-Rot-Grün!)


    Immer mehr Kinder beginnen ihr Leben mit der Grund-
    erfahrung, dass sie von der schönen bunten Welt ausge-
    schlossen sind und dass ihnen das Leben viel weniger
    bieten wird als anderen . Millionen Arbeitnehmer werden
    in Leiharbeit, Werkverträgen und Dauerbefristungen zu
    Beschäftigten zweiter Klasse degradiert . Diejenigen,
    deren Löhne kein Tarifvertrag mehr regelt – das ist in-
    zwischen jeder zweite –, verdienen heute 18 Prozent we-
    niger als im Jahr 2000 . Diesen Menschen erzählen Sie,
    Deutschland gehe es gut, und sie sollen sich freuen über

    Ihre erfolgreiche Politik . Das ist doch der blanke Hohn,
    was Sie da machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie erzählen ihnen, die Agenda 2010 habe ein Jobwun-
    der ausgelöst . Ja, wir hatten in Deutschland einmal
    5 Millionen Arbeitslose . Heute bekommen nur noch
    800 000 Menschen Arbeitslosengeld . Aber dafür gibt es
    4,3 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger, die
    alle arbeiten möchten, teilweise sogar Arbeit haben, teil-
    weise sogar Vollzeit arbeiten und trotzdem von staatli-
    chen Lohnersatzleistungen abhängig bleiben . Das macht
    in der Summe noch immer 5,1 Millionen Menschen . Was
    ist das denn für ein Fortschritt?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die CDU einschließlich der Kanzlerin sollte aufhö-
    ren, die Agenda 2010 als Erfolgsmodell zu preisen,
    und sollte endlich wieder ein humanes Arbeitsrecht
    in Deutschland durchsetzen, wenn sie einen deut-
    schen Donald Trump verhindern will .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Diesen weisen Satz hat Ihnen in der letzten Woche Ihr
    ehemaliger Generalsekretär Heiner Geißler zugerufen .
    Wenn diese Mahnung schon bei der CDU/CSU auf taube
    Ohren stößt: Müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen von der SPD, nicht zumindest in Ihren Stühlen ver-
    sinken, wenn Sie merken, dass ein ehemaliger CDU-Ge-
    neralsekretär, der sich treu geblieben ist, inzwischen weit
    links von Ihnen steht? Gleichen Lohn für gleiche Arbeit
    hat die SPD bei der letzten Wahl versprochen . Und was
    haben Sie gemacht? Ein Gesetz, das es Daimler, BMW
    und Co . in Zukunft sogar erleichtert, reguläre Jobs dauer-
    haft durch Leiharbeit zu ersetzen oder an Werkvertrags-
    unternehmen auszulagern . Das ist doch schäbig . Ihnen
    glaubt doch niemand irgendetwas, wenn Sie solche Po-
    litik machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wie viele selbst von denjenigen in Deutschland, die
    sich all das noch leisten können, was für andere bereits
    zum unerschwinglichen Luxus geworden ist – eine gute
    Ausbildung der Kinder, private Vorsorge für das Alter,
    Urlaubsreisen, Wohneigentum –, leben in der ständigen
    Angst, nach der nächsten Betriebsverlagerung auch zu
    den Verlierern zu gehören oder eiskalt aussortiert zu wer-
    den, wenn sie krank werden oder wenn sie nicht mehr
    ständig Höchstleistungen erbringen können? Der Ameri-
    can Dream ist längst auch bei uns ausgeträumt . Wer au-
    ßerhalb der Oberschicht glaubt denn heute noch, dass es
    den Kindern einmal besser gehen wird als ihren Eltern?
    Die meisten erleben das Gegenteil . Das ist nicht Ergeb-
    nis einer Naturgewalt namens Globalisierung, sondern
    Ergebnis politischer Entscheidungen .

    Auch Ihre Legende, rabiate Rentenkürzungen seien
    notwendig, um die junge Generation vor zu hohen Be-
    lastungen zu bewahren, passt bestens in das Zeitalter des
    Postfaktischen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Rechnen wir doch einmal nach . Der aktuelle Beitrags-
    satz in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt bei
    18,7 Prozent, hälftig gezahlt von Unternehmen und Be-
    schäftigten . Zusätzlich sollen die Beschäftigten 4 Prozent
    ihres Einkommens in einen jener sinnlosen Riester-Ver-
    träge versenken, von denen inzwischen jeder weiß, dass
    sie nur Banken und Versicherungen reich machen . Aber
    wer glaubte, die Maschmeyer-Kumpel Schröder und
    Riester seien schon der Tiefpunkt gewesen, dem beweist
    Frau Nahles, dass es noch schlimmer geht .


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die Gewerkschaften  finden  das  gut! Reden Sie mal  mit denen!)


    Ich rede von ihren Plänen für eine sogenannte Betriebs-
    rente, die genauso wie die Riester-Rente allein von den
    Beschäftigten gezahlt werden soll und die sich von den
    unsäglichen Riester-Produkten eigentlich nur in einem
    einzigen Punkt unterscheidet: Bei Riester mussten die
    Anbieter zumindest noch den Erhalt der eingezahlten
    Beiträge garantieren . Die Betriebsrente subventioniert
    der Staat auch dann, wenn das volle Verlustrisiko auf den
    künftigen Rentner abgewälzt wird .

    Wenn wir zusammenzählen, dann laufen die Renten-
    pläne der Großen Koalition darauf hinaus, dass Arbeit-
    nehmer in Zukunft bis zu 20 Prozent ihres Einkommens
    für die Altersvorsorge aufwenden sollen, um damit Ren-
    tenansprüche zu erwerben, die sich, anders als die Um-
    lagerente, bei der nächsten großen Finanzkrise in heiße
    Luft  auflösen  können.  Das  dann  noch  als  Entlastung 
    der jungen Generation zu verkaufen – darauf muss man
    wirklich erst einmal kommen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dabei brauchen Sie nur über die bayerischen Alpen
    hinauszuschauen, um zu sehen, wie es vielleicht besser
    geht und wie man eine Rentenreform vernünftig machen
    kann . Nachdem in Österreich Rentenkürzungen à la Ries-
    ter am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert sind,


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    hat man eben die gesetzliche Rente zukunftsfest ge-
    macht . Das heißt, es gibt heute einen einheitlichen Topf,
    in den alle einzahlen, auch Selbstständige und Beamte .
    Der Beitragssatz liegt bei 22,8 Prozent, allerdings zah-
    len die Unternehmen mehr als die Beschäftigten . Die-
    ses System finanziert  für  langjährig Versicherte Renten 
    von 1 800 Euro im Monat; die Mindestrente beträgt
    1 030 Euro .

    Und Sie muten Menschen, die ihr Leben lang hart ge-
    arbeitet haben, Armutsrenten von 1 000 Euro und weni-
    ger zu . Das sind 800 Euro weniger als in Österreich . Das
    ist doch unglaublich . Stoppen Sie endlich diese verant-
    wortungslose Rentenpolitik, die millionenfache Altersar-
    mut produziert!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Bei der Krankenversicherung ist es genau das Glei-
    che . Seit Ende der hälftigen Finanzierung steigt der Zu-
    satzbeitrag der Arbeitnehmer . Er steigt auch deshalb,
    weil der Pauschalbeitrag, den der Bund an die Kassen
    für Hartz-IV-Bezieher überweist, die realen Kosten nicht

    deckt . Das heißt, je mehr Hartz-IV-Empfänger – Sie wis-
    sen, dass die meisten Flüchtlinge ab dem nächsten Jahr
    Hartz IV bekommen werden –, desto teurer wird es für
    den Postzusteller und die Aldi-Kassiererin, während der
    privat versicherte Chef von ihnen und natürlich auch die
    Konzerne, bei denen sie arbeiten, von der Finanzierung
    von solchen gesellschaftlichen Aufgaben komplett ver-
    schont werden . Das ist doch ein Skandal . Wenn man sich
    diese Politik anschaut, dann muss man fast schon den
    Verdacht haben, dass Sie einen geheimen Werbevertrag
    mit der AfD abgeschlossen haben . Es ist doch unglaub-
    lich, was Sie machen .


    (Beifall bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Postboten gegen Flüchtlinge ausspielen: Das ist doch widerlich!)


    Es ging also bei den Krankenkassen wie bei der Zer-
    schlagung der Rente nie um etwas anderes als um die
    Senkung der Lohnkosten und die Steigerung der Unter-
    nehmensgewinne . Von wegen, mit den Gewinnen stei-
    gen auch die Investitionen . Wissen Sie, wie hoch die
    Reinvestitionsquote deutscher Industrieunternehmen im
    Inland heute ist? 5 Prozent . Das heißt, 95 Prozent der
    Gewinne, die sie durch Ihre Politik so erfolgreich erhöht
    haben, werden an die Eigentümer ausgeschüttet, in Fi-
    nanzanlagen geparkt oder eben für Investitionen im Aus-
    land genutzt . Trotzdem verzichten Sie bis heute darauf,
    wieder einen größeren Teil der Unternehmensgewinne
    zur Finanzierung des Sozialstaates heranzuziehen . Wir
    halten das für völlig unverantwortlich .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Aus allen wichtigen Bereichen, in denen er früher dem
    Leben der Menschen Stabilität und Sicherheit gegeben
    hat, hat sich der Staat zurückgezogen . Nicht nur die So-
    zialversicherungen wurden demoliert, auch kommunale
    Wohnungen wurden privaten Renditejägern auf dem Sil-
    bertablett serviert, genau wie Krankenhäuser und Pflege-
    einrichtungen . Weil es sich nicht rechnet, fährt zu kleinen
    Orten kein Bus mehr, und der nächste Arzt ist meilenweit
    entfernt .

    Auch der jahrelange Personalabbau bei der Polizei
    hat ganze Wohnviertel zu nächtlichen No-go-Areas ge-
    macht . In den baufälligen Schulen dieser Viertel werden
    von überlasteten Lehrern auch nicht die hochqualifizier-
    ten Fachkräfte der Zukunft ausgebildet, sondern junge
    Menschen, von denen viele im Leben nie eine Chance
    bekommen werden, weil das chronisch unterfinanzierte 
    Bildungssystem dieses reichen Landes noch nicht einmal
    in der Lage ist, ihnen elementare Lese-, Schreib- und
    Rechenfähigkeiten beizubringen . 21 Milliarden Euro
    weniger als der Durchschnitt der OECD-Staaten gibt
    Deutschland jährlich für seine Schulen und Universitäten
    aus . Was für ein Armutszeugnis, Frau Merkel .


    (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Unerträglich!)


    Sagen Sie jetzt nicht: Bildung ist doch Ländersa-
    che . – Es ist Ihr steuerpolitisches Wohlfühlprogramm für
    Konzerne und Superreiche, das die Verantwortung dafür
    trägt, dass viele Länder und Kommunen ihre Aufgaben
    überhaupt nicht mehr erfüllen können . Sie feiern sich

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    für Ihre schwarze Null . – Wissen Sie überhaupt, wie die
    Realität in vielen armen Städten und Gemeinden dieses
    Landes aussieht?


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Es wäre gut, wenn Sie die Realität mal aufnehmen würden!)


    Dort hat Ihre Kombination aus staatlicher Reichtumspfle-
    ge und „Wir schaffen das!“ dramatische Folgen . Wegen
    der zusätzlichen Aufgaben ist die Verschuldung vieler
    Städte und Gemeinden im letzten Jahr weiter gewachsen,
    gerade auch in Nordrhein-Westfalen .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nordrhein-Westfalen! Rot-Grün!)


    Überschuldete Gemeinden können ihren Bürgern immer
    weniger bieten: keine ordentlichen Kitas, keine Biblio-
    thek, kein Zuschuss zum Kulturverein oder auch zum
    Sportverein . In Gelsenkirchen, wo 40 Prozent aller Kin-
    der in Hartz-IV-Familien aufwachsen, werden gerade
    mehrere Schwimmbäder geschlossen . Im überschuldeten
    Duisburg muss in den nächsten Jahren jede achte Stel-
    le gestrichen werden, also noch weniger Erzieherinnen,
    noch weniger Personal an Krankenhäusern .

    Ihre tollkühnen Privatisierungspläne gehen immer
    weiter . Jetzt sollen sogar die Autobahnen, die die Men-
    schen mit ihren Steuern bezahlt haben, über sogenannte
    öffentlich-private Partnerschaften an Finanzinvestoren
    verscherbelt werden . Sind Sie denn von allen guten Geis-
    tern verlassen?


    (Beifall bei der LINKEN)


    „Der einfache Bürger kämpft um das Überleben,


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


    während die Profiteure, die reiche Oberschicht, sich nicht 
    um uns kümmern“,


    (Thomas Oppermann [SPD]: Sagen Sie mal was über die Eliten!)


    schrieb mir vor kurzem eine 31-jährige Hochschulabsol-
    ventin, die heute bei Air Berlin als Flugbegleiterin arbei-
    tet und selbst um diesen Job jetzt bangen muss .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie sollten aufhören, dieses Land schlechtzureden!)


    „Wo ist denn die Lebensqualität geblieben, die jedem
    Menschen zusteht?“, fragt sie in ihrer Mail . „Anstatt
    das Leben zu genießen, ist man ständig darauf bedacht,
    seine Arbeit nicht zu verlieren, denn in diesem heutigen
    Deutschland gibt es keine Garantien und keine Sicher-
    heiten mehr .“ So weit eine junge, 31-jährige Frau, die ein
    Hochschulstudium absolviert hat .

    Ein mittelständischer Unternehmer schildert mir in ei-
    ner Mail, wie ihm große Konzerne unter Ausnutzung ih-
    rer Marktmacht die Luft zum Atmen nehmen . Er schreibt:
    „Als Kind italienischer Einwanderer bin ich hier geboren
    und aufgewachsen, habe also Deutschland in einer Zeit

    erlebt, als noch alles möglich war mit ehrlicher Arbeit .
    Heute ist das anders .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mein Gott! Tante Sahras Märchenstunde!)


    In einem konzerngesteuerten Land, wie wir es heute ha-
    ben, gibt es keine Demokratie .“


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    – Das ist das Zitat aus der Mail eines Bürgers . Ich muss
    sagen: Wie Sie reagieren, wenn man hier Stimmen von
    Bürgerinnen und Bürgern vorträgt, das zeigt die ganze
    Arroganz Ihrer Politik .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Da müssen Sie sich nicht wundern, dass Ihnen immer die
    Wähler weglaufen .

    Ich muss auch sagen: Wie erklären Sie einem ums
    Überleben kämpfenden Mittelständler, dass er für je-
    den Euro Gewinn mindestens 30 Prozent Steuern zahlen
    muss,


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Bei euch müsste er 50 Prozent Steuern zahlen!)


    während Konzerne wie Google, Apple und Facebook in
    Europa mit Steuersätzen von 0,005 Prozent verwöhnt
    werden? Oder wie erklären Sie einem hart arbeitenden
    Beschäftigten, dass schon ab einem Einkommen von
    1 140 Euro ein Steuersatz von 24 Prozent fällig wird,
    während es die schwerreichen Erben von Milliardenver-
    mögen nach Auffassung der Großen Koalition offenbar
    komplett überfordern würde, auch nur einen einzigen
    Euro Erbschaftsteuer zu zahlen?


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das stimmt doch alles gar nicht!)


    Oder wie erklären Sie es einem Kleinsparer, der sein
    mühsam Erspartes durch Bankgebühren und Niedrig-
    zinsen wegschmelzen sieht, dass das Vermögen der
    500 Reichsten in Deutschland jedes Jahr um 9 bis 10 Pro-
    zent steigt und inzwischen den irren Betrag von 723 Mil-
    liarden Euro erreicht hat? Oder wie erklären Sie einer al-
    leinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin, dass von ihr bei
    sogenanntem sozialwidrigem Verhalten – das liegt schon
    vor, wenn sie ein kleines Geldgeschenk für ihr Kind nicht
    angemeldet hat – neuerdings drei Jahre rückwirkend alle
    Leistungen zurückgefordert werden können, während
    zum Beispiel das Management der Deutschen Bank, das
    allein seit 2009 Boni in Höhe von 24 Milliarden Euro
    eingestrichen hat, nie Gefahr läuft, auch nur einen Euro
    zurückgeben zu müssen, egal wie sozialwidrig oder auch
    kriminell das Geschäftsmodell dieser Bank ist oder ob sie
    dadurch irgendwann wieder in so viele Schwierigkeiten
    kommt, dass sie beim Staat wieder die Hand aufhalten
    muss? Sie können das alles gar nicht erklären, weil es
    dafür keine objektiven Gründe gibt . Die einzige Erklä-
    rung ist Ihr fehlender Mut, sich mit den wirtschaftlich
    Mächtigen anzulegen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Natürlich ist das alles nicht alternativlos . Natürlich
    kann man auch die Riesenvermögen der Multimillionäre

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    besteuern, statt Städte und Gemeinden am langen Arm
    verhungern zu lassen . Natürlich kann man Patent- und
    Lizenzgebühren, die nur dazu dienen, Konzerngewinne
    in Steueroasen zu verschieben, einfach nicht mehr als
    gewinnmindernd anerkennen, und dann sind die ganzen
    Steuertricks der Multis erledigt . Das können Sie hier in
    Deutschland beschließen . Dafür brauchen Sie noch nicht
    einmal die EU .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Natürlich kann man den Sozialstaat wiederherstel-
    len und ein ordentliches Arbeitsrecht schaffen, das die
    Beschäftigten schützt und die Verhandlungsmacht der
    Gewerkschaften stärkt . Natürlich kann man schlicht po-
    litisches Rückgrat haben und sich den eiskalten Rendite-
    kalkülen globaler Konzerne entgegenstellen, statt ihnen
    die Beschäftigten schutzlos und wehrlos auszuliefern .

    Aber wer das alles nicht tut, der sollte dann auch auf-
    hören, sich den Trumps und Le Pens dieser Welt mora-
    lisch überlegen zu fühlen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das sind Sie nicht .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihre Rede fördert die! Unfassbar! Populisten unter sich!)


    Denn es ist Ihre gemeinsame Politik, die die Rechte in-
    zwischen auch in Deutschland stark gemacht hat .

    Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben Herrn Trump nach
    seiner Wahl zur Anerkennung von Demokratie, Freiheit
    und Respekt vor dem Recht und der Würde des Men-
    schen aufgefordert . Ganz abgesehen davon, dass wir uns
    ähnlich deutliche Worte an die Adresse Ihres türkischen
    Freundes Erdogan auch einmal gewünscht hätten:


    (Beifall bei der LINKEN)


    Bedurfte es wirklich eines Donald Trump, um zu verste-
    hen, dass es um Demokratie, Freiheit und Menschenwür-
    de in der westlichen Welt nicht mehr gut bestellt ist?

    Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat die USA
    schon vor Jahren eine „Oligarchie mit unbegrenzter po-
    litischer Korruption“ genannt . Dass eine Supermacht,
    die mit ihren völkerrechtswidrigen Ölkriegen und ihren
    Drohnenmorden ganze Regionen dieser Welt chaotisiert
    und islamistische Terrorbanden damit so gestärkt hat,
    dass die als Vorkämpferin für Demokratie und Freiheit
    ausfällt, das hätte man, glaube ich, auch vor Trump schon
    begreifen können .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Aber der entfesselte Globalkapitalismus ist überall
    mit Demokratie und Menschenwürde unvereinbar, auch
    in Europa . Auch die Kriege, an denen sich europäische
    Staaten beteiligt haben, haben noch keinem Land De-
    mokratie und Freiheit gebracht . Im Gegenteil: Sie haben
    Hunderttausenden Zivilisten den Tod gebracht und Milli-
    onen aus ihrer Heimat vertrieben .

    Es war wirklich ein Fortschritt, als mit Blick auf die
    russischen Bombardements in Aleppo plötzlich sogar
    die  Bundesregierung  anfing,  von  den  Verbrechen  des 

    Krieges, von zerstörten Krankenhäusern und Schulen zu
    sprechen . Aber was ist mit all den zerstörten Kranken-
    häusern und Schulen dort, wo sich Deutschland und sei-
    ne Verbündeten an Kriegen beteiligt haben? Glauben Sie
    wirklich, dass es für das von einer Bombe zerfetzte Kind
    einen Unterschied macht, ob diese Bombe von einem
    russischen Flieger oder im Namen der westlichen Werte-
    gemeinschaft abgeworfen wurde? Wir glauben das nicht .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deshalb fordern wir Sie auf: Geben Sie nicht noch
    mehr Geld für Rüstung aus . Bereiten Sie nicht noch mehr
    Krieg vor, sondern treten Sie aus der militärischen Infra-
    struktur der US-dominierten NATO aus, und holen Sie
    die Bundeswehr aus ihren Einsätzen zurück .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deutschland wird nicht in Afghanistan, nicht in Syrien
    und auch nicht in Mali verteidigt . All diese Kriege ha-
    ben den islamistischen Terror doch nur gestärkt und ihn
    letztlich sogar nach Deutschland geholt . Ein Ende dieser
    Kriegsbeteiligungen wäre wirklich das Beste, was Sie
    für die Sicherheit der Menschen, auch hier im Land, tun
    könnten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ein Wort noch zur CSU . Die CSU hat auf ihrem letz-
    ten Parteitag den erfrischenden Vorschlag gemacht, dass
    man den radikalisierten politischen Islam bekämpfen
    sollte. Auch wir finden es überfällig, dass dschihadisti-
    sche Rekrutierungsvereine in Deutschland endlich ver-
    boten werden . Aber wo hat denn der politische Islam
    seine wichtigste Basis? Das sind doch die islamistischen
    Kopf-ab-Diktaturen am Golf, die terroristische Mörder-
    banden weltweit finanzieren und hochrüsten. Es ist nach 
    eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung auch die
    Türkei, die eine Schlüsselrolle bei der Organisierung und
    Bewaffnung von Terrormilizen  spielt. Da finden wir es 
    schon erstaunlich, dass es die christlich-sozialen Antiis-
    lamkämpfer aus Bayern offenbar überhaupt nicht stört,
    dass ausgerechnet die Türkei im ersten Halbjahr 2016
    von Platz 25 auf Platz 8 der Bestimmungsländer deut-
    scher Rüstungsexporte hochgerückt ist und dass auch
    Saudi-Arabien und Katar heute mit mehr deutschen Waf-
    fen beliefert werden als je zuvor . Was ist denn das für
    eine wahnwitzige Politik?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Da muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie den politischen Is-
    lam bekämpfen wollen – hier ist ein lohnendes Betäti-
    gungsfeld –, dann setzen Sie sich endlich gemeinsam mit
    uns dafür ein, Rüstungsexporte in islamistische Diktatu-
    ren sowie in Kriegs- und Spannungsgebiete zu verbieten .
    Das wäre überfällig . Damit würden Sie sich tatsächlich
    darum verdient machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In seinem Buch Rückkehr nach Reims schreibt der
    französische Schriftsteller Didier Eribon über die Ursa-
    chen für den Aufstieg der französischen Rechten etwas,
    was sich meines Erachtens eins zu eins auf Deutschland
    übertragen lässt . Ich zitiere ihn:

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    So widersprüchlich es klingen mag, bin ich mir doch
    sicher, dass man die Zustimmung zum Front Natio-
    nal . . . als eine Art politische Notwehr der unteren
    Schichten interpretieren muss . Sie versuchten, ihre
    kollektive Identität zu verteidigen, oder jedenfalls
    eine Würde, die seit je mit Füßen getreten worden
    ist und . . . sogar von denen missachtet wurde, die sie
    zuvor repräsentiert und verteidigt hatten .


    (Dr . Peter Tauber [CDU/CSU]: Klingt wie einer von der AfD!)


    – Wenn Sie Eribon in die Nähe der AfD rücken, beweisen
    Sie damit wirklich Ihr Bildungsniveau; es tut mir leid .
    Das ist wirklich unglaublich .


    (Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das, was Sie vorlesen! Schlecht vorgelesen!)


    Sehr geehrte Damen und Herren, auch bei uns wird die
    Demokratie nur eine Zukunft haben, wenn die Menschen
    wieder das Gefühl bekommen, dass ihre Würde und ihre
    elementaren Lebensbedürfnisse von der Politik geach-
    tet und anerkannt werden und sie wichtiger sind als die
    Wunschlisten irgendwelcher Wirtschaftslobbyisten . Neh-
    men Sie das endlich ernst, wenn Sie nicht irgendwann da-
    für verantwortlich sein wollen, einem deutschen Donald
    Trump den Weg ins Kanzleramt geebnet zu haben .


    (Lebhafter Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Da arbeiten Sie doch dran! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Eigentlich fast traurig!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort erhält nun die Bundeskanzlerin Frau

Dr . Merkel .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Meine Damen und Herren! 2014 hat auf dem
    Lindauer Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger Mario
    Vargas Llosa vor jungen Menschen gesagt:

    Die Bereitschaft, mit denen zusammenzuleben, die
    anders sind, war vielleicht der außergewöhnlichste
    Schritt auf dem Weg des Menschen zur Zivilisation,
    ein Schritt, welcher der Demokratie vorausging und
    sie überhaupt erst möglich gemacht hat .

    Mich hat diese Aussage berührt, weil sie noch einmal
    auf das zurückkommt, was uns ausmacht, was wir ver-
    treten: dass diese Bereitschaft Voraussetzung dafür ist,
    dass Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Achtung der
    Menschenwürde für jeden und jede gelten und damit die
    Voraussetzungen für Frieden da sind .

    Viele Menschen machen sich in diesen Tagen Sor-
    gen um die Stabilität unserer so gewohnten Ordnung .
    Ich glaube, etwas mehr als ein Vierteljahrhundert nach-
    dem wir alle den Fall der Mauer erlebt haben, nachdem
    Deutschland wiedervereint wurde, nachdem wir alle
    diese Werte leben konnten, nachdem die europäische

    Einigung mit den mittel- und osteuropäischen Ländern
    vollendet werden konnte, stellt sich plötzlich heraus, dass
    das, was wir für selbstverständlich gehalten haben, so
    selbstverständlich nicht ist, dass der freiheitliche demo-
    kratische Rechtsstaat, die soziale Marktwirtschaft, das
    Gewaltmonopol des Staates und die Bereitschaft, jeden
    und jede, jeden Bürger und jede Bürgerin, als Teil des
    Volkes zu begreifen, nicht mehr so da sind, wie das eine
    Weile lang ganz selbstverständlich zu sein schien .

    Was heißt das für uns? Das heißt für uns, noch einmal
    zu schauen: In welchem Umfeld findet diese Diskussion 
    statt? Da hat sich etwas verändert . Neben der fortschrei-
    tenden  Globalisierung  findet  diese  Diskussion  auch  in 
    einem völlig anderen medialen Umfeld statt .

    Ich glaube, wir dürfen das, was da im Zusammenhang
    mit dem Internet, mit der Digitalisierung passiert – und
    das ist Teil unserer Realität –, nicht unterschätzen . Wir
    haben Regelungen für alles, was Pressefreiheit ausmacht:
    die  Sorgfaltspflicht  der  Journalisten  und  vieles  andere 
    mehr . Zugleich haben wir heute viele, die Medien wahr-
    nehmen, die auf ganz anderen Grundlagen basieren, die
    weniger kontrolliert sind . Ich will darin nicht die einzige
    Ursache sehen, ich will nur darauf aufmerksam machen,
    dass Meinungsbildung heute grundsätzlich anders erfolgt
    als vor 25 Jahren, dass heute Fake-Seiten, Bots, Trol-
    le Meinungsbilder verfälschen können, dass heute sich
    selbst regenerierende Meinungsverstärkungen durch be-
    stimmte Algorithmen stattfinden. Wir müssen lernen, uns 
    damit auseinanderzusetzen .

    Ich glaube, dies könnte auch eine spannende Frage für
    dieses Haus sein . Ich kann diese Debatte heute natürlich
    nicht führen, aber wir müssen wissen: Um Menschen zu
    erreichen, um Menschen zu begeistern, müssen wir mit
    diesen Phänomenen umgehen und, wo notwendig, sie
    auch regeln . Deshalb unterstütze ich auch die Ansätze
    von Justizminister Maas, von Innenminister de Maizière,
    Hassreden, Hasskommentare, vernichtende und mit der
    Achtung der Menschenwürde nicht in Übereinstimmung
    zu bringende Dinge anzusprechen und alles zu unterneh-
    men, um das zu unterbinden, weil das unseren Grundsät-
    zen widerspricht .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Diese Sorge um Stabilität wird natürlich auch verstärkt
    durch das, was um uns herum passiert . Populismus und
    politische Extreme nehmen in westlichen Demokratien
    zu . Demokratische Streitkultur, die wir brauchen, die wir
    auch in diesem Hause praktizieren – wir haben ja gerade
    eben ein Stück davon gehört –,


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    muss selbstverständlich sein, damit müssen wir uns aus-
    einandersetzen .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Aber es muss im Geiste des Respekts vor der Würde des
    jeweils anderen stattfinden. Das ist das Wesentliche, und 
    das passiert eben an vielen Stellen nicht mehr .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben besorgniserregende, ja alarmierende Ereig-
    nisse in der Türkei . Ich will hier ganz offen sagen: Der
    Putschversuch ist zu verurteilen – das hat die Bundes-
    regierung gemacht, das hat die Europäische Union ge-
    macht –, und gegen jede Form von Terrorismus ist vor-
    zugehen; und das macht die Bundesregierung . Wir haben
    in über 4 000 Fällen Verfahren gegen PKK-Angehörige
    eingeleitet; aber unser Rechtsstaat kommt eben zu Urtei-
    len, die die Politik nicht zu beeinflussen hat. Und diese 
    rechtsstaatlichen Urteile sind dann auch zu akzeptieren .
    Die Bundesregierung ist jedenfalls genauso wie jeder in
    Europa dem Kampf gegen den Terrorismus verpflichtet, 
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dieser Kampf rechtfertigt aber nicht die Einschrän-
    kung der Pressefreiheit, die Verhaftung von Tausenden
    und Abertausenden von Menschen . Insofern müssen wir
    das deutlich kritisieren und gleichzeitig – dafür werbe
    ich allerdings auch – den Gesprächsfaden mit der Tür-
    kei aufrechterhalten . Ich begrüße außerordentlich die ja
    nicht einfache Reise des Bundesaußenministers . Auch
    ich werde den Gesprächsfaden mit der Türkei natürlich
    aufrechterhalten; denn auch wir haben ein Interesse da-
    ran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise
    zu kooperieren . Das schließt aber nicht aus, dass das, was
    dort an alarmierenden Entwicklungen zu sehen ist, klar
    angesprochen wird, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben im Zusammenhang mit der Krim und der
    Ukraine den Bruch des Völkerrechts und die Verletzung
    der territorialen Integrität eines Landes zu konstatieren .
    Leider sind unsere Gespräche über die Umsetzung der
    Minsker Vereinbarungen noch nicht so weit gediehen,
    wie ich mir das wünschen würde . Die Situation in Sy-
    rien, insbesondere wenn man das sieht, was in Aleppo
    passiert, macht uns jeden Tag beklommen . Ich muss ganz
    ehrlich sagen: Es gibt sehr viele Indizien dafür, dass hier
    bewusst Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen
    bombardiert werden .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!)


    Mit Verlaub: Das ist international verboten . Das ist straf-
    rechtlich zu verfolgen .


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kriegsverbrechen!)


    Das muss das Assad-Regime auch wissen . Und es ist sehr
    bedauerlich, dass Russland dieses Regime unterstützt,
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dennoch werden wir natürlich auch hier immer wieder
    alle Versuche unternehmen, um politische Lösungen zu
    finden, auch wenn es noch so aussichtlos erscheint wie 
    im Augenblick .

    Und wir haben den internationalen Terrorismus: die
    große Bedrohung, neue Bedrohung, asymmetrische Be-
    drohung, gegen die wir ankämpfen müssen . Dieser Ter-
    ror richtet sich ja nicht nur in anderen Ländern gegen die
    Bürgerinnen und Bürger . Vielmehr haben auch wir mit
    dieser terroristischen Herausforderung zu kämpfen . Er ist
    Teil des Alltags unserer Städte . Gegen ihn zu kämpfen,
    ist Teil unseres Kampfes für Freiheit .

    Meine Damen und Herren, in dieser Situation, die jetzt
    doch sehr viel unübersichtlicher und komplizierter ist, als
    sie es viele Jahre lang war, gibt es natürlich zwei Mög-
    lichkeiten, darauf zu reagieren . Diese Reaktionen sehen
    wir überall auf der Welt . Entweder ziehe ich mich auf
    mich und mein Land zurück, schotte mich ab und versu-
    che, einfache Antworten auf das zu finden, was so kom-
    pliziert erscheint . Oder aber wir treten ein dafür, dass wir
    unsere Werte, die wir für richtig und wichtig halten, nicht
    nur bei uns zu Hause stärken, sondern versuchen, sie ge-
    meinsam mit unseren europäischen Partnern, gemeinsam
    mit den Vereinigten Staaten von Amerika, gemeinsam
    mit Verbündeten auf der ganzen Welt in die Welt zu tra-
    gen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich glaube, dass wir heute bei der voranschreiten-
    den Globalisierung darauf setzen sollten, gemeinsam zu
    handeln . Als Bundesrepublik Deutschland können wir
    selbstverständlich nicht alle Probleme lösen . Wir können
    weder den gesamten Hunger der Welt bekämpfen, noch
    können wir für 65 Millionen Flüchtlinge die Probleme lö-
    sen, noch können wir überall die politischen Ordnungen
    so verändern, wie wir uns das wünschen . Aber sind wir
    dazu bereit, mit unserer Erfahrungsgeschichte der sozi-
    alen Marktwirtschaft, einer gesellschaftlichen Ordnung,
    von der ich nach wie vor glaube, dass sie ein Höchstmaß
    an wirtschaftlicher Stärke und sozialer Gerechtigkeit mit
    sich bringt, in diesem Sinne für eine Schärfung, für eine
    Gestaltung der Globalisierung einzutreten? Oder sind wir
    dazu nicht bereit und ziehen uns auf uns selbst zurück?

    Vor dieser Frage stehen wir . Diese Frage müssen wir
    beantworten . Ich sage, dass wir auf Gemeinsamkeit, auf
    Multilateralismus, auf Gestaltung der Globalisierung zu-
    sammen mit anderen setzen sollten . Das ist das, wofür
    ich werbe .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns
    noch einmal daran, was nach der Katastrophe des Ho-
    locaust und des Zweiten Weltkriegs die großartige Ant-
    wort der internationalen Staatengemeinschaft war . Es
    war die Gründung der Vereinten Nationen . Es war die
    Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der sich über
    190 Staaten angeschlossen haben . Sie ist leider auch heu-
    te noch nicht vollständig umgesetzt . Angesichts dieser
    unglaublichen Bedrohung dieser Welt, die am Abgrund

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    stand, hat sich die Staatengemeinschaft aber dafür ent-
    schlossen . Ich halte diese Antwort auch nach wie vor für
    richtig .

    Bei allem, was wir zu leisten haben, hat es im ver-
    gangenen Jahr zwei Dinge gegeben, die uns Hoffnung
    machen . Ich nenne hier die Agenda 2030 für nachhaltige
    Entwicklung dieser Welt und das Pariser Klimaschutz-
    abkommen .

    Deutschland wird ab dem 1 . Dezember dieses Jahres
    die Präsidentschaft der G 20 übernehmen . Die G 20 sind
    auch der Versuch, mit den größten und wichtigsten Wirt-
    schaftsländern dieser Erde Globalisierung menschlich zu
    gestalten und gleichzeitig für eine vernünftige Finanz-
    und Wirtschaftsordnung zu sorgen .

    Meine Damen und Herren, es gibt flagrante Steuerun-
    gerechtigkeiten . Aber wir haben dem doch nicht tatenlos
    zugesehen. Die Transparenzinitiative des Bundesfinanz-
    ministers, die von den 20 wichtigsten Finanzministern
    dieser Welt gemeinsam beschlossen wurde, ist doch ein
    Schritt in die richtige Richtung . Lassen Sie uns das doch
    wenigstens sagen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Tatsache, dass die Europäische Union sich mit der
    Frage der Steuerzahlungen von Apple und Google be-
    schäftigt, ist doch ein Schritt in die richtige Richtung .

    Wenn wir nie aussprechen, wo wir mal einen Schritt
    gemacht haben, werden die Menschen auch den Mut für
    den nächsten und übernächsten Schritt verlieren . Damit
    ist nicht eine ideale Welt geschaffen worden, aber es sind
    Schritte gemacht worden, die in die richtige Richtung ge-
    hen. Ich finde, es gehört zur Redlichkeit, das den Men-
    schen in Deutschland auch zu sagen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Ein besonderer Schwerpunkt während unserer
    G-20-Präsidentschaft wird auch das Thema Afrika
    sein . Afrika ist der Kontinent, der von der wirtschaftli-
    chen Entwicklung der gesamten Menschheit bislang am
    stärksten abgekoppelt ist . Wir werden gerade mit Blick
    auf die Migration viele Partnerschaften unternehmen, so
    wie wir das jetzt für Mali und Niger seitens der Bundes-
    republik Deutschland zusammen mit Frankreich, Italien
    und der Europäischen Kommission praktizieren . Aber es
    darf sich nicht auf Migration beschränken, sondern die
    eigentliche Frage ist: Wie kommen wir von der klassi-
    schen Entwicklungshilfe zu einer wirklichen wirtschaft-
    lichen – und auf eigenen Füßen stehenden – Entwicklung
    afrikanischer Staaten? Ich glaube, hier lohnt sich jede
    Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und jeder
    Versuch, neue Wege zu gehen, neben dem, was wir bisher
    richtigerweise und guterweise gemacht haben, was aber
    noch keine ausreichenden Resultate gezeigt hat .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    In unserem Haushalt zeigen sich diese Prioritäten .
    Zum Beispiel ist allein in dieser Legislaturperiode der
    Haushalt des Entwicklungsministeriums um 2 Milli-
    arden Euro gestiegen . Wenn wir uns die Ausgaben für
    die humanitäre Hilfe anschauen: Zu Beginn dieser Le-

    gislaturperiode waren es 438 Millionen Euro, heute sind
    es 1,3 Milliarden Euro . Damit haben wir Menschen in
    Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon und anderswo
    die Möglichkeit gegeben, menschenwürdig zu leben . Es
    ist richtig eingesetztes Geld, um Menschen in der Nähe
    ihrer Heimat Chancen zu geben . Deshalb sind diese An-
    stiege nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch die richti-
    ge Antwort auf die Herausforderungen dieser Welt .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Natürlich kann Deutschland das nicht alleine schaffen,
    nicht alleine lösen, sondern wir müssen sehen, dass diese
    Fragen – Fragen der Migration, Fragen der politischen
    Lösungen – internationaler Lösungen bedürfen . Dazu
    können wir einen Beitrag leisten . Wir haben dazu als Ers-
    tes unsere europäischen Partner . Deutschland als Teil der
    Europäischen Union muss seinen Beitrag leisten, aber
    die Europäische Union muss es insgesamt machen . Ja,
    wir hatten in diesem Jahr durch das Ergebnis des Refe-
    rendums von Großbritannien einen schweren Einschnitt
    in der Geschichte der Europäischen Union . Deshalb ha-
    ben wir 27 Mitgliedstaaten uns im Herbst in Bratislava
    getroffen und haben überlegt: Was müssen wir anders
    machen? Was fehlt den Menschen nicht nur in Großbri-
    tannien, sondern auch den Menschen in anderen Ländern
    der Europäischen Union? Oder: Was läuft nicht so, wie
    wir es uns eigentlich wünschen?

    Für mich sind das Dinge, die als Erstes mit der Fra-
    ge zu tun haben: Was sind unsere Prioritäten? Ich glau-
    be, hier wird im Augenblick Europa als Ganzes seinem
    Wohlstandsversprechen durch die soziale Marktwirt-
    schaft, das wir für uns zu Hause durch eine gute Arbeits-
    marktlage einlösen können, nicht gerecht . Deshalb geht
    es um die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung der
    Zukunft . Hier haben wir insbesondere das Thema der Di-
    gitalisierung  als  ein  zentrales Thema  identifiziert. Wei-
    tere Themen sind die öffentlich-privaten Investitionen
    durch den Juncker’schen Investitionsfonds, wenn ich das
    so einmal lax sagen darf, der Kampf gegen die Jugendar-
    beitslosigkeit, aber nicht allein durch staatliche Interven-
    tionen, sondern durch mehr Wettbewerbsfähigkeit auch
    der europäischen Länder . Ohne Reformen – das haben
    wir auch in Deutschland mit der Agenda 2010 gesehen –
    kann man die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen . Das al-
    les muss zusammengehen: staatliche Unterstützung mit
    wirtschaftlichen Reformen . Dann hat Europa eine Chan-
    ce, seinem Wohlstandsversprechen zu entsprechen, mei-
    ne Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dann geht es um die Frage der Glaubwürdigkeit . Eu-
    ropa hat sich oft viel vorgenommen und sehr oft das nicht
    eingelöst, was es sich vorgenommen hat . Europa hat oft
    sehr langsame Entscheidungsmechanismen . Wenn wir
    uns einmal überlegen, in welcher Zeit technologischer
    Umwälzungen wir leben, und wenn wir daran denken,
    dass es manchmal Jahre gedauert hat, bis sehr einfache
    Themen, zum Beispiel das Thema Netzneutralität, in Eu-
    ropa gelöst wurden, dann kann man nur sagen: Europa
    hält mit den Entwicklungen der Zeit manchmal nicht
    Schritt . Das heißt, es muss schneller entschieden werden,

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    und das, was entschieden wird, muss umgesetzt werden,
    und darüber muss Bericht erstattet werden . Das ist das,
    was wir in Bratislava besprochen haben und was jetzt
    auch eingelöst werden muss . Ansonsten leidet die Glaub-
    würdigkeit europäischen Handelns sehr, und das wird die
    Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Zweite sind die Fragen der Sicherheit – Sicherheit
    im Inneren, Sicherheit im Sinne einer äußeren Sicherheit .
    Meine Damen und Herren, hier bin ich sehr froh, dass
    sowohl die Innenminister als auch die Verteidigungs-
    minister in den letzten Wochen und Monaten wichtige
    Beschlüsse gefasst haben . Auch wir, die Bundesrepublik
    Deutschland, mussten über unseren Schatten springen .
    Wir waren nicht immer für eine einheitliche europäische
    Grenzschutzpolizei – jetzt ist sie da . Wir waren auch
    nicht in der Lage, durchzusetzen, dass es ein einheitli-
    ches Einreise- und Ausreiseregister gibt . Die Idee besteht
    seit zehn Jahren – jetzt kommt es endlich dazu, dass die
    Vorschläge auf dem Tisch liegen . Ich kann nur hoffen,
    dass die Innenminister das sehr schnell beraten und in die
    Tat umsetzen; denn das ist etwas, was Sicherheit für die
    Bürgerinnen und Bürger gibt und einer der besten Schrit-
    te im Kampf gegen den Terrorismus ist .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Und ja, auch die Kooperation im Verteidigungsbereich
    muss gestärkt werden . Der Lissabon-Vertrag lässt dies
    im Übrigen in Form einer strukturierten Zusammenarbeit
    zu . Aber auch hier gab es immer wieder Sorgen: Geht
    denn das zusammen mit der NATO? Meine Damen und
    Herren, warum soll es eigentlich nicht in Kameradschaft
    und Kooperation mit der NATO gehen? Es gibt doch ge-
    nügend Gründe, dass die vielen – auch nicht so großen –
    europäischen Staaten Kompetenzen und Möglichkeiten
    bündeln und diese dann der NATO anbieten . Ich kann
    überhaupt nicht erkennen, dass es da Grund für große
    Diskussionen gibt. Deshalb finde ich diesen Schritt, den 
    unsere Verteidigungsministerin ja auch sehr vorangetrie-
    ben hat, absolut richtig .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dann kommen wir zu dem Thema: Wie werden wir
    das zu Hause mit entsprechenden finanziellen Ressour-
    cen unterlegen? Da bin ich einerseits sehr froh, dass im
    Bereich der inneren Sicherheit erhebliche Anstrengungen
    gemacht wurden . Es wurde gestern schon darüber gespro-
    chen: Tausende von neuen Stellen bei den Behörden der
    inneren Sicherheit . Ich glaube und kann nur hoffen, dass
    die Angebote so attraktiv sind, dass sich auch genügend
    Menschen dafür entscheiden, sie wahrzunehmen; denn
    das ist für uns natürlich von allergrößter Wichtigkeit .

    Es spiegelt sich andererseits im Verteidigungsetat wi-
    der, dass wir noch nicht da sind, wo wir in der Erwar-
    tung unserer NATO-Partner sein müssten . Es gibt eine
    Vielzahl von kleineren europäischen Ländern, die die
    Zielvorgabe eines Anteils des Verteidigungsetats am
    Bruttoinlandsprodukt von 2,0 Prozent erfüllen und die in

    ziemlich wenigen Jahren ihren Verteidigungsetat so ge-
    steigert haben . Ich weiß, dass wir ein ganzes Stück davon
    entfernt sind, ich will es auch nicht für die nahe Zukunft
    sagen, aber die Richtung muss klar sein: dass wir uns
    dem nähern, was wir alle miteinander übrigens – nicht
    nur Christdemokraten, auch Sozialdemokraten –


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir nicht! – Zuruf des Abg . Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


    als Beitrag zur NATO versprochen haben, und das auch
    durchsetzen, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich bin der festen Überzeugung, dass all das, worüber
    ich jetzt gesprochen habe, zutiefst im Interesse der Bür-
    gerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland
    ist . Es gibt heute nicht mehr „Hier ist Außenpolitik, und
    da ist Innenpolitik“ . Die Welt ist viel zu verwoben, als
    dass die Sicherheit, der Wohlstand, die Prosperität unse-
    rer Bürgerinnen und Bürger nicht von all dem abhängt,
    was wir in den internationalen Beziehungen tun, was dort
    stattfindet.

    Deshalb haben wir uns ja auch – insbesondere, wenn
    ich das sagen darf, die Sozialdemokraten – die Sache
    nicht ganz leicht gemacht, als es um den internationalen
    und fairen Handel ging . Ich sage ganz offen: Ich habe
    allergrößten Respekt davor. Ich finde es richtig und gut, 
    dass zum Schluss der Weg gefunden wurde, dass das
    CETA-Abkommen, dieses Freihandelsabkommen mit
    Kanada, von der Europäischen Union jetzt unterzeichnet
    werden konnte und dann auch ratifiziert werden kann. 

    Was steckt dahinter? Dahinter steckt doch im Grunde
    die Frage: Wie wird Globalisierung gestaltet? Diese Fra-
    ge ist jahrelang so beantwortet worden, dass wir einfach
    mal Freihandelsabkommen geschlossen haben, bei denen
    es um die Absenkung von Zöllen ging . Als ich noch Um-
    weltministerin war, ist immer wieder die Frage gestellt
    worden – bei der WTO zum Beispiel –: Was sind denn
    das für Freihandelsabkommen, die die Frage des Um-
    weltschutzes, die die Frage der Produktionsbedingungen
    in der Landwirtschaft, die die Frage von Kinderarbeit, die
    solche Fragen wie Ausbeutung der natürlichen Ressour-
    cen überhaupt nicht berücksichtigen? Und für jemanden,
    der soziale Marktwirtschaft als gesellschaftliches Modell
    denkt, konnte die Antwort nur unbefriedigend sein . Das
    waren keine Handelsabkommen, die uns wirklich gleiche
    Chancen, gleiche Möglichkeiten gegeben haben und die
    menschliche Gestaltung der Globalisierung auch in ande-
    ren Teilen der Welt möglich gemacht haben .

    Und weil wir diese Kritik aufgenommen haben, gibt
    es heute Handelsabkommen, die eine völlig neue Qua-
    lität haben . CETA ist das erste dieser Qualität, und ein
    Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von
    Amerika kann es auch nur auf der gleichen Qualitätsstufe
    geben .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Dieses Abkommen entspricht nun in vielen Teilen – ich
    meine: was ist ideal? – und in einer völlig neuen Qualität
    all den Anforderungen, die wir an Globalisierung stellen .

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das setzt Standards, die auch auf andere Auswirkungen
    haben . Und just da sind diejenigen, die damals gegen die
    einfachen Zollabkommen waren – von denen wir gelernt
    haben –, nun mindestens so entschieden gegen dieses
    Abkommen wie gegen die, die vorher abgeschlossen
    wurden, und das kann ich nicht verstehen . Ich bitte da-
    rum, die ganze Sache noch einmal zu überdenken .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist nicht sachlich, sondern ideologisch! – Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


    Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin nicht froh, dass
    das  transpazifische  Abkommen  jetzt  wahrscheinlich 
    nicht Realität wird.  Ich weiß nicht, wer davon profitie-
    ren wird – ich will mich heute hier mit meinen Progno-
    sen zurückhalten –, ich weiß nur eines: Es wird weitere
    Handelsabkommen geben, und die werden dann nicht die
    Standards haben wie dieses Abkommen und auch das an-
    gedachte TTIP-Abkommen . Meine Damen und Herren,
    das hat etwas zu tun mit Arbeitsplätzen in der Globali-
    sierung, mit fairen Wettbewerbsbedingungen und mit
    menschlicher Gestaltung der Globalisierung .

    Wir sind in Deutschland im Augenblick in einer rela-
    tiv guten Lage; das ist vielfach gesagt worden . Allein in
    den letzten fünf Jahren sind 2,7 Millionen Arbeitsplätze
    entstanden . Interessant ist, sich einmal anzuschauen: Wer
    hat mehr Beschäftigung gefunden? Das sind zu etwa ei-
    nem Drittel Frauen, die stärker ins Erwerbsleben gehen,
    das sind zu einem weiteren Drittel Menschen, die län-
    ger arbeiten können – die Lebensarbeitszeit verlängert
    sich; das ist richtig und von uns gewünscht –, und zu
    einem dritten Drittel sind es Menschen aus der Europäi-
    schen Union, die in Deutschland Arbeit suchen, weil sie
    zu Hause  keine  finden. Auch  das  ist  in  einem Binnen-
    markt eine positive Wirkung und im Übrigen ein Beitrag
    Deutschlands zur Lösung mancher Probleme in der Eu-
    ropäischen Union .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Bund nimmt seit 2014 keine neuen Schulden
    mehr auf, die Reallöhne und die Renten steigen . Aber bei
    allem, was es noch zu kritisieren gibt – und ich weiß,
    dass viele Menschen Not haben, und ich halte die Zahl
    der Menschen, die von Arbeitslosengeld II, von Hartz IV
    abhängig sind, auch für viel zu hoch; daran müssen wir
    arbeiten –, dürfen wir sagen: Den Menschen in Deutsch-
    land ging es noch nie so gut wie im Augenblick . Auch
    das muss einmal festgehalten werden .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Quatsch!)


    Der Bundeshaushalt 2017 setzt den Kurs fort, nicht auf
    Kosten der jungen Generation zu leben, sondern in sie
    zu investieren . Eckhardt Rehberg hat es gestern gesagt:
    Die Investitionsquote ist so hoch wie seit langem nicht .
    Mit 11 Prozent ist sie immer noch überschaubar, würde
    ich sagen, wenn wir an über 50 Prozent Sozialquote des
    Haushalts denken . Aber diese Sozialquote zeigt doch,
    dass es nun wirklich ein Haushalt der sozialen Markt-

    wirtschaft ist und kein Haushalt, der sich rein auf Inves-
    titionen und die schwarze Null konzentriert . Vielmehr ist
    es ein Haushalt, der auch für soziale Gerechtigkeit sorgt,
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Haushalt für Forschung und Bildung hat sich in
    den letzten zehn Jahren verdoppelt . Er steigt auch in
    diesem Jahr wieder um 7 Prozent . Der Bund engagiert
    sich inzwischen bei Ländern und Kommunen weit über
    seine Kompetenzen hinaus: sei es durch den Hochschul-
    pakt, sei es durch Initiativen zur Lehrerausbildung, sei
    es durch Hilfe für kommunale Infrastruktur . Wir haben
    alleine für finanzschwache Kommunen ein Programm in 
    Höhe von inzwischen 7 Milliarden Euro aufgelegt .

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
    Kollegen, ein Punkt, der mich bei all den Verhandlungen
    mit den Ländern umtreibt, ist: Wie können wir eigentlich
    punktgenau helfen? Wir haben als Hilfsmöglichkeiten
    die Mehrwertsteueranteile, wir haben den Königsteiner
    Schlüssel, und da geht es nicht immer nach Bedürftigkeit,
    sondern es geht sehr oft nach Stärke . Und das führt dann,
    wenn wir nicht gerade den KdU-Schlüssel nehmen, der
    aber auch nur begrenzt sinnvoll ist in diesem Zusammen-
    hang, immer dazu, dass wir sozusagen doch mehr mit der
    Gießkanne helfen als punktuell dort, wo es geboten ist .


    (Thomas Oppermann [SPD]: Das hätten wir anders haben können! – Gegenruf des Abg . Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Quatsch, Kollege Oppermann, was Sie da erzählen!)


    – Mit Herrn Oppermann habe ich mich im kleinen Kreis
    schon des Öfteren darüber auseinandergesetzt . Damit das
    jetzt  auch  öffentlich  wird:  Herr  Oppermann  findet  die 
    Verteilung der Mittel für die Kommunen nicht ausrei-
    chend zielführend .


    (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ausnahmsweise mal mit Herrn Oppermann einer Meinung!)


    Er hat deshalb gesagt, dass die 5 Milliarden Euro, um
    die im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe die
    Kommunen entlastet werden, anders verteilt werden
    müssen, als das jetzt festgelegt wurde .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Nun habe ich – ich glaube, das sagt die ganze Bun-
    desregierung – einfach gesagt, nachdem wir Stunden und
    Aberstunden und noch mehr Stunden mit den Minister-
    präsidenten der Länder und den kommunalen Spitzen-
    verbänden gesprochen haben: Wenn Sie mir einen ande-
    ren und aus Ihrer Sicht – vielleicht bzw . wahrscheinlich
    dann sogar auch aus meiner Sicht – gerechteren Vertei-
    lungsschlüssel vorlegen und die Ministerpräsidenten da-
    mit einverstanden sind: Chapeau! Dann wird es anders
    gemacht .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Das muss ins Protokoll! – Thomas Oppermann [SPD]: Es hätte gereicht, wenn Volker Kauder damit einverstanden gewesen wäre! – Gegenruf Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel des Abg . Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, ja! Hauptsache, man findet einen Schuldigen!)





    (A) (C)


    (B) (D)


    Aber, meine Damen und Herren, die Wahrscheinlich-
    keit, dass Herr Oppermann, den ich schätze und der vie-
    les bewirken kann, dies schafft, erscheint mir sehr gering .


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der SPD: Wieso? – Na, na!)


    – Ich meine das ganz freundschaftlich . – Den Kommunen
    nun gar nichts zu geben,


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das fände er auch nicht gut!)


    weil man das, was einem vorschwebt, noch nicht erreicht
    hat, halte ich für die schlechtere Lösung . Deshalb müs-
    sen wir weiter daran arbeiten und vielleicht andere Ver-
    teilungsmechanismen ausprobieren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es gibt einen Punkt, bei dem ich noch nicht überzeugt
    bin, dass wir ausreichend über ihn sprechen, und der für
    die Arbeit der Bundesregierung in dieser Legislaturperi-
    ode aber ein wirklicher Schwerpunkt war . Ich meine die
    Frage: Wie gehen wir mit der Digitalisierung um, und
    was bedeutet Digitalisierung? Ich habe dies schon am
    Anfang meiner Rede als Auswirkung auf unsere gesell-
    schaftlichen Diskussionen angesprochen, aber ich will
    es auch jetzt noch einmal als Auswirkung auf unsere Ar-
    beitsplätze, unsere öffentliche Daseinsvorsorge und vie-
    les andere mehr nennen: Wir werden nicht klarkommen,
    wenn wir bestimmte Dinge einfach verbieten und uns
    den neuen Möglichkeiten nicht öffnen .

    Ich kann gut verstehen, warum man Uber nicht ha-
    ben will und warum die Taxifahrer sagen, das wollen sie
    nicht . Aber bitte glauben Sie nicht, dass wir den Mög-
    lichkeiten der Digitalisierung entgehen können . Auch
    hier müssen wir es wieder schaffen, sie in das, was wir
    öffentliche Daseinsvorsorge nennen, vernünftig einzu-
    beziehen . Es wird vielleicht Möglichkeiten geben, den
    öffentlichen Personennahverkehr im ländlichen Raum
    viel besser zu gestalten als mit den klassischen Bus- und
    Zugstrukturen .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es wird Möglichkeiten geben, die viele Menschen wie-
    der beruhigen werden . Es wird Möglichkeiten geben, wie
    wir unsere Städte umweltfreundlicher gestalten . Lassen
    Sie uns das offen angehen . Die Veränderungen werden
    schneller kommen, als wir denken .

    Wir haben uns neulich in kleinerem Kreise damit be-
    schäftigt, welche disruptiven Veränderungen es allein in
    der Automobilindustrie gibt . Es werden nicht mehr alle
    Menschen ein Auto besitzen wollen, das Auto wird auto-
    nom fahren können, und die Antriebstechnologien wer-
    den sich dramatisch verändern . Entweder reagieren wir
    darauf – unsere Automobilindustrie ist dazu in der Lage,
    das Rahmenwerk dafür wird gestaltet, und der Bundes-
    verkehrsminister hat hier wichtige Schritte eingeleitet –,
    oder wir sind zu langsam, und andere werden uns über-

    trumpfen . Meiner Meinung nach steht in einer von uns
    vielleicht noch nicht voll erfassten Tragweite – ich be-
    ziehe mich da mit ein – die Frage unserer industriellen
    Wertschöpfung auf dem Prüfstand, mit allen Möglichkei-
    ten, die wir haben, als Gewinner aus dem Wettbewerb
    herauszukommen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dazu gehört eine ehrliche Analyse, wo wir stehen . Ich
    bin sehr froh, dass wir den anderen bei der Standardi-
    sierung, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Indus-
    trie 4 .0, nach Maßgabe aller ein bis zwei Jahre voraus
    sind; daran haben der Wirtschaftsminister, aber auch die
    Forschungsministerin erheblichen Anteil . Da haben wir
    vieles geschafft, da sind wir international spitze, und da
    geben wir den Ton an – aber eben nicht bei der Batte-
    rieherstellung und auch noch nicht bei der künstlichen
    Intelligenz . Da müssen wir nachholen . Ich glaube, wir
    alle sollten uns intensiv mit diesen Themen beschäftigen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Weiter haben wir den großen Bereich des Umbaus
    unserer Energieversorgung . Es ist ja nun viel Kritisches
    über den Klimaschutzplan gesagt worden . Aber, liebe
    Kolleginnen und Kollegen, wir als Regierung müssen
    uns schon damit beschäftigen – ich verstehe eine vorpre-
    schende Umweltministerin natürlich in vollem Maße –,
    wie Klimaschutz, Arbeitsplätze und die Sorgen der Men-
    schen in einen vernünftigen Einklang gebracht werden
    können . Ich glaube, Frau Hendricks war fast die Einzi-
    ge, die auf der Marrakesch-Konferenz einen detaillierten
    Klimaschutzplan vorlegen konnte . Nun kann man nati-
    onal viel streiten und sagen: Das alles ist nicht genug . –
    Aber Fakt ist erst einmal, dass wir das Land waren, das
    nach der Pariser Klimaschutzkonferenz schon etwas vor-
    weisen konnte, wie wir die nächsten Schritte angehen
    wollen . Deshalb sollen wir unser Licht da nicht unter den
    Scheffel stellen, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben ja hier im Eingangsstatement von der lin-
    ken Seite etwas über den Zustand unserer sozialen Si-
    cherungssysteme gehört . Wissen Sie, ich glaube: Die
    Rentenversicherung kann angesichts des demografischen 
    Wandels nicht solide bleiben, wenn wir nicht neben der
    gesetzlichen Rentenversicherung auch andere Formen
    der Absicherung weiterentwickeln und fortentwickeln .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dass man nun auch noch die staatlichen Zuschüsse zur
    betrieblichen Rente infrage stellt, halte ich für absolut
    falsch . Wir sollten Betriebe bzw . Arbeitgeber ermutigen,
    hier etwas zu machen .


    (Zurufe von der LINKEN)


    Und der Bundesfinanzminister sowie die Bundesarbeits-
    ministerin haben das getan . Nun können wir ja über die
    Inhalte streiten . Ich halte die Fortentwicklung der betrieb-
    lichen Versorgung für richtig, ich halte die Verbesserung
    der Erwerbsunfähigkeitsrente für richtig, ich halte auch
    die private Vorsorge für richtig . Man muss sie verbessern

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    und vereinheitlichen . Es muss klarer werden, was dort
    stattzufinden hat. Aber erzählen Sie den Menschen bitte 
    nicht, dass bei veränderter Demografie alles  so bleiben 
    kann, wie es ist, ohne dass die Lohnzusatzkosten so stei-
    gen, dass es kein Mensch bezahlen kann .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wenn diese Große Koalition etwas geschafft hat, dann
    ist  es  der Riesenfortschritt  im Bereich  der  Pflegeversi-
    cherung . Wir haben in dieser Legislaturperiode allein
    drei  Pflegestärkungsgesetze  verabschiedet  oder  werden 
    sie verabschieden. Wir haben den Pflegebegriff – „end-
    lich“, würde Ulla Schmidt sagen – so umgestellt, dass er
    auch Demenzkrankheiten vernünftig miteinbezieht . Wir
    haben die ambulante Pflege gestärkt, wir haben die sta-
    tionäre Pflege gestärkt. Wir haben die Stellung derer, die 
    Pflegearbeiten verrichten, verbessert. 


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und Hunderttausende Stellen fehlen!)


    Ich weiß, dass das alles immer noch ein Riesenproblem
    bleibt – im Übrigen ein Problem, das fast in jeder Familie
    auf der Tagesordnung steht . Darüber wird politisch viel
    zu selten gesprochen, und wenn, dann vielleicht nur von
    den Fachministern . Aber auch hier ist es doch so: Wir
    haben die finanziellen Leistungen im Bereich der Pflege 
    um 20 Prozent erhöht. Ich finde, das sollte man den Men-
    schen auch sagen, damit sie nicht den Eindruck haben, es
    wird schlechter . Damit können wir deutlich machen, was
    uns wichtig ist, wofür wir einstehen und was wir voran-
    bringen wollen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Meine Damen und Herren, angesichts der großen
    Herausforderungen des letzten Jahres im Zusammen-
    hang mit den vielen bei uns ankommenden Flüchtlingen
    möchte ich – im Rückblick auf das vergangene Jahr und
    auch auf den vergangenen Teil dieses Jahres – sagen: Bei
    allen kritischen Diskussionen, die wir auch im föderalen
    Betrieb zwischen Bund, Ländern und Gemeinden haben,
    hat sich im letzten Jahr ein großartiges Maß an Zusam-
    menarbeit und Zusammenhalt der Hauptamtlichen und
    der vielen, vielen Ehrenamtlichen gezeigt, auf das unser
    Land wirklich stolz sein kann, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben die Dinge geordnet und gesteuert . Wir ha-
    ben das EU-Türkei-Abkommen abgeschlossen .


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schande!)


    – Ja,


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schande!)


    ganz vorsichtig! Das ist Ihre Möglichkeit, sich frei zu
    äußern . – Ich halte die Bekämpfung der illegalen Migra-
    tion, die Tatsache, den Schleusern das Handwerk zu le-
    gen, wenn sie übelste Geschäfte mit Menschen machen,
    sowie die Tatsache, etwas dagegen zu tun, dass wieder
    Menschen – in diesem Jahr waren es bisher 4 500 oder

    mehr – ertrinken, für eines der notwendigsten Gebote po-
    litischen Handelns .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da hat niemand was dagegen!)


    Wer auf Schlepper und Schleuser setzen muss, weil er
    nicht politisch gestalten kann, der macht seine Arbeit
    nicht in dem Sinne, wie ich mir das vorstelle . Deshalb
    müssen wir schauen, wo wir auch mit anderen Ländern –
    insbesondere mit Blick auf den Norden Afrikas, aber auch
    auf Afrika insgesamt – Partnerschaften eingehen können
    und wie wir die Lebensbedingungen dort verbessern und
    legale Möglichkeiten der Migration schaffen können .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – Hier haben wir noch Arbeit – das ist richtig – und auch
    noch eine ganze Menge Streit vor uns .

    Wir haben ein Integrationsgesetz verabschiedet und
    damit ein jahrzehntelanges Versäumnis wiedergutge-
    macht und für die Zukunft eine bessere Regelung –
    Fordern und Fördern – gefunden . Wir haben klare An-
    forderungen formuliert und gesagt, was wir von denen
    erwarten, die bei uns zu Hause sein wollen oder eine be-
    stimmte Zeit bei uns verleben . Dazu gehört das Erlernen
    der Sprache, dazu gehört die Akzeptanz unserer gesell-
    schaftlichen Ordnung . Das ist ganz selbstverständlich .

    Angesichts der negativen Beispiele, die es natürlich
    gibt und die man auch nicht unter den Tisch kehren soll-
    te, will ich ganz deutlich sagen: Es ist gut, dass sich die
    überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge der Integration
    stellt und mit viel Eifer, mit viel Fleiß und viel Kraft ver-
    sucht, gerade in den Integrationskursen erfolgreich zu
    sein .

    Aber die Menschen erwarten, dass das, was von un-
    serem Rechtsstaat als gerichtliche Urteile ausgesprochen
    wird, vom Staat auch umgesetzt wird . Und das heißt, dass
    diejenigen, die kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bei uns
    bekommen, die nicht als Asylbewerber anerkannt werden
    und die keinen subsidiären oder Flüchtlingsschutz nach
    der Genfer Konvention bei uns erhalten, unser Land auch
    wieder verlassen müssen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich finde, diese Erwartung der Bürgerinnen und Bürger 
    ist gerechtfertigt . Dadurch wird auch die Bereitschaft er-
    höht, denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchen .

    Auch hier unternehmen wir viele Anstrengungen, um
    das gemeinsam mit den Ländern – das sage ich ausdrück-
    lich – zu verbessern . Ich muss allerdings sagen: Ich habe
    in einer Koalitionsvereinbarung, die nicht weit von hier
    getroffen wurde, gelesen, dass das Winterabschiebever-
    bot wieder eingeführt werden soll .


    (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sehr gut!)


    Sie müssen einmal zur zuständigen Ausländerbehörde
    gehen und sich anhören, was die Menschen darüber sa-
    gen . Das ist genau das gegenteilige Signal von dem, was
    wir brauchen, und das führt Menschen zum Schluss in

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    mehr Not, als wenn sie wüssten, dass sie bei uns keine
    Chance haben, und es hilft ihnen nicht . Das ist meine tie-
    fe Überzeugung .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, wir leben in Zeiten rasan-
    ter globaler Veränderungen . Wir haben die Möglichkei-
    ten, Veränderungen schrittweise menschlich zu gestal-
    ten . Das setzt Offenheit voraus . Ich bin zutiefst davon
    überzeugt: Offenheit wird uns mehr Sicherheit bringen
    als Abschottung – mehr Sicherheit im Blick auf die
    wirtschaftliche Situation, mehr Sicherheit im Blick auf
    Soziales und mehr Sicherheit im Blick auf Frieden und
    Freiheit .

    Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns an
    dieser Arbeit weiter dranbleiben . Wir haben als Bundes-
    regierung in den letzten eineinhalb Jahren einen Bürger-
    dialog durchgeführt . In diesem Bürgerdialog sind Frieden
    und Sicherheit noch einmal als die zentralen Bedürfnisse
    der Menschen in Deutschland genannt worden . Deshalb
    ist es aller Mühe wert, im Geiste dieses Haushaltes wei-
    terzuarbeiten und da, wo es Probleme gibt – und sie gibt
    es –, sie natürlich zu lösen .

    Herzlichen Dank .


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)