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ID1818600200

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    Plenarprotokoll 18/186 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 186. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. September 2016 Inhalt: Würdigung von Bundespräsident a. D. Walter Scheel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18407 A Begrüßung des Olympiateilnehmers Andreas Toba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18408 A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksache 18/9200 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18408 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksache 18/9201 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18408 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 18408 B Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 18414 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18418 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18423 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18423 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18427 C Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18432 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18434 C Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18437 B Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18438 D Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 18440 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18442 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18443 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18444 B Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18445 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18447 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18448 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18449 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18452 C Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18453 D Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18456 A Michelle Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18457 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18458 C Dr . Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18459 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18461 D Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18462 D Dr . Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18463 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 186 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 7 . September 2016II Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18465 A Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18466 B Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18468 C Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18470 D Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18472 A Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18473 B Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18475 A Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 18477 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18478 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18480 B Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18480 C Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18480 D Dr . Karl A . Lamers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18481 C Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18483 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18484 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18485 D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 18486 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18489 A Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18490 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18492 A Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . . 18493 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18494 C Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18496 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18497 B Dagmar G . Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18498 C Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18500 C Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18501 D Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18503 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18504 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18505 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 186 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 7 . September 2016 18407 186. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 7. September 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Gabriela Heinrich (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 186 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 7 . September 2016 18505 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 07 .09 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 07 .09 .2016 Bülow, Marco SPD 07 .09 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 07 .09 .2016 Gerster, Martin SPD 07 .09 .2016 Hellmich, Wolfgang SPD 07 .09 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 07 .09 .2016 Kolbe, Daniela SPD 07 .09 .2016 Lach, Günter CDU/CSU 07 .09 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 07 .09 .2016 Lösekrug-Möller, Gabriele SPD 07 .09 .2016 Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 07 .09 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Neu, Dr . Alexander S . DIE LINKE 07 .09 .2016 Rix, Sönke SPD 07 .09 .2016 Rosemann, Dr . Martin SPD 07 .09 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 07 .09 .2016 Schmelzle, Heiko CDU/CSU 07 .09 .2016 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 07 .09 .2016 Stadler, Svenja SPD 07 .09 .2016 Steffen, Sonja SPD 07 .09 .2016 Storjohann, Gero CDU/CSU 07 .09 .2016 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07 .09 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 07 .09 .2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 07 .09 .2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 186. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt EPL 05 Auswärtiges Amt EPL 14 Verteidigung EPL 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Bartsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir be-

    handeln heute den letzten Haushalt in dieser Legislatur
    bzw . den letzten Haushalt der Großen Koalition, und wir
    haben, glaube ich, in einer Frage einen ganz großen Kon-
    sens: Jeder hier im Haus will, dass diese Große Koaliti-
    on möglichst beendet wird. Ich finde, das ist ein solider
    Ausgangspunkt .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse Brömer [CDU/CSU]: Wir haben doch noch gar nicht Weihnachten!)


    Am Sonntag hat Mecklenburg-Vorpommern gewählt .
    Es gibt ein Signal: Berlin, wir haben ein Problem! Ich
    glaube, meine Damen und Herren, wir alle hier im Haus
    haben ein Problem, und niemand sollte versuchen, das
    anderen zuzuschieben .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn einer in besonderer Weise hier Verantwortung hat,
    dann ist das jemand, der nicht dem Parlament angehört,
    nämlich Horst Seehofer . Er hat zu diesem Ergebnis in
    Mecklenburg-Vorpommern wirklich sehr viel beigetra-
    gen .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, ich habe gestern viel darü-
    ber gehört, wie gut es uns geht, und ich habe viel von den
    tollen Taten der Großen Koalition gehört .


    (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt ja auch!)


    Ja, uns geht es gut, gar keine Frage . Aber eines ist auch
    klar: Die Verunsicherung in unserem Land war noch nie
    so groß . Jahrzehntelang war es völlig normal, dass der
    Satz galt: Unseren Kindern soll und wird es einmal bes-
    ser gehen . – Jetzt haben wir eine andere Situation .

    „Ganze Gruppen, ganze Regionen interessieren
    euch nicht“, habe ich in meinem Heimatland Mecklen-
    burg-Vorpommern gehört . Und: „Ihr hört uns nicht mehr
    zu .“ Der soziale Zusammenhalt in unserem Land, meine
    Damen und Herren, ist gefährdet . Das hat auch mit Ih-
    rer Politik zu tun . Sie haben den sozialen Zusammenhalt
    eben nicht im Blick . Sie regieren hier visionslos . Wenn
    ich mir nur das anschaue, was im letzten Sommerkino
    abgelaufen ist, könnte ich die gesamte Redezeit damit
    verbringen, darüber zu berichten .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na denn mal los! – Johannes Kahrs [SPD]: Viel Spaß dabei!)


    Und es geht ja aktuell weiter . Herr Gabriel sagt, dass
    TTIP gescheitert ist . Die Kanzlerin sagt, dass TTIP wun-
    derbar ist . Minister Schäuble fordert den Rücktritt eines
    anderen Ministers, nämlich den von Herrn Maas .


    (Johannes Kahrs [SPD]: Wann hat er denn das gemacht?)


    Was ist denn das für eine Koalition? Frau Merkel, mich
    würde einmal interessieren, ob Sie wirklich diese Koa-
    lition zu Ende bringen wollen . Das können Sie hier als
    nächste Rednerin nach mir ja sagen . Sie haben die Ver-
    unsicherung verstärkt . Auf der anderen Seite sagen viele
    Menschen: Es ändert sich ja nichts . – Deutschland wird
    nicht von Zuversicht, sondern von Angst regiert, meine
    Damen und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Vor allem die Linke wird doch von ihrer Angst regiert!)


    Präsident Dr. Norbert Lammert






    (A) (C)



    (B) (D)


    Es gibt kein einziges wirkliches Reformvorhaben für das
    nächste Jahr . Sie verwalten und gestalten nicht, meine
    Damen und Herren .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie auch nicht!)


    Aber demokratische Politik muss Chancen erhöhen . Die-
    se Koalition schafft genau das nicht.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist zweifelsfrei so, dass wir große Herausforderun-
    gen haben: das Drama des Syrien-Krieges, die Flücht-
    linge, den Terror des IS, zerfallende Staaten im Nahen
    Osten, den Brexit, die Euro-Krise, die Ukraine-Krise, die
    Attentate des Sommers, Globalisierung und Digitalisie-
    rung, die ungeheuer schnellen Veränderungen . Das sind
    Riesenherausforderungen . Wir haben auf der anderen
    Seite aber auch das Engagement von ganz vielen in unse-
    rem Land . Und diese brüskieren Sie mit einer Politik, die
    Ängstlichkeit ausstrahlt . Wo Geradlinigkeit, Besonnen-
    heit und Sachlichkeit notwendig sind, herrscht bei Ihnen
    Panikmache und teilweise eben Hetze . Wo ist denn der
    Unterschied, wenn Herr Gauland Herrn Boateng nicht
    als Nachbarn haben will und Herr Söder sagt, Özil solle
    keinen Elfmeter mehr schießen? Erklären Sie mir einmal
    den Unterschied .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir alle haben gesehen, dass die Flüchtlinge das The-
    ma waren . Aber mit Ihrem Hin und Her auf diesem Ge-
    biet, wo Haltung gefragt ist, verunsichern Sie die Men-
    schen . Der Grundsatz muss doch sein: Flüchtlinge sind
    die Botschafter der Kriege und des Elends dieser Welt . –
    Es darf einfach nicht sein, dass die Überschrift „Flucht-
    ursachen bekämpfen“ zu einer Farce wird . Ich habe heu-
    te früh gelesen, dass UNICEF sagt, 28 Millionen Kinder
    seien auf der Flucht, meine Damen und Herren . Jeder
    zweite Flüchtling ist ein Kind . Das muss uns doch alle
    beunruhigen . Dies ist doch eine Aufgabe für uns .

    Und was machen Sie? Sie exportieren weiter Waf-
    fen in hoher Größenordnung . Die Rüstungsexporte sind
    von 2014 bis 2015 auf 7,86 Milliarden Euro verdoppelt
    worden . 2015 wurden mehr Genehmigungen erteilt . Das
    betraf auch Länder wie Katar – dabei ging es um Kampf-
    panzer –, Saudi-Arabien und ähnliche . Deutschland lie-
    fert sogar Waffen in akute Kriege.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das erkläre ich Ihnen nachher mal!)


    Unter den größten Kunden befinden sich Golfstaaten, die
    seit über einem Jahr einen blutigen Krieg im Jemen füh-
    ren . Sie machen sich damit mitschuldig . Sie produzieren
    neue Flüchtlingsströme . Es ist blutiges Geld, das da ver-
    dient wird, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich nenne Ihnen zu Fluchtursachen ein einfaches Bei-
    spiel: In meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpom-
    mern gibt es relativ viele Bauern . Der Milchpreis wird

    dort runtergepresst . Die Bauern können dort kaum da-
    von leben . Deutschland aber exportiert Milchpulver nach
    Afrika . Wir machen die Lebensgrundlagen der Menschen
    dort kaputt und wundern uns, dass sie dann ihre Länder
    verlassen . Wir müssen eine andere Ordnung der Welt-
    wirtschaft erreichen, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist ja gut, dass die Ausgaben im Entwicklungs etat
    steigen . Ja, das ist eine richtige Entscheidung . Es ist aber
    zu spät, es ist zu wenig und immer noch weit weg von
    dem Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für
    Entwicklungspolitik auszugeben .

    Das Allerschlimmste auf diesem Feld ist allerdings,
    dass Sie sich mit dem Flüchtlingsdeal in Abhängigkeit
    von Herrn Erdogan begeben haben . Spätestens nach dem
    Militärputsch wurden in der Türkei Demokratie und
    Rechtsstaat faktisch abgeschafft. Pressefreiheit? In Re-
    daktionen wurde regelrecht einmarschiert . Journalisten
    wurden willkürlich verhaftet . Reaktion? Nahezu null!
    Die Frauenrechte werden mit Füßen getreten . Reaktion?
    Nahezu null! Die Türkei war über Jahre ein Transitland
    des Terrorismus, hat mit dem IS Geschäfte gemacht und
    tut das vielleicht noch heute . Reaktion? Nahezu null!

    Aktuell überschreiten türkische Panzer die syrische
    Grenze und agieren dort brutal gegen Kurdinnen und
    Kurden . Der IS hatte sich im Übrigen zuvor zurückge-
    zogen . Seltsam, dass der IS das gewusst hat . Dabei wird
    gegen die Kurden von YPG vorgegangen, die den Mas-
    senmord an den Jesiden verhindert haben . Reaktion? Na-
    hezu null! Das kann doch nicht wahr sein . Ein Wort der
    Kritik? Fehlanzeige! Das geht doch nicht, meine Damen
    und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Nun gibt es einen handfesten Skandal, bei dem auch
    um Menschenrechte geschachert wird . Wir haben hier
    eine Armenien-Resolution verabschiedet – ich bedanke
    mich ausdrücklich bei den mutigen elf türkischstämmi-
    gen Abgeordneten aus allen Fraktionen –, und dann wird
    diese von der Bundesregierung relativiert .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Das ist falsch! Es wird nicht wahrer, nur weil Sie es ständig wiederholen! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist ein Märchen!)


    Es gibt ein planmäßiges Herumeiern des Regierungs-
    sprechers . Die Formulierungen sind mit der Türkei abge-
    stimmt. Das ist doch offensichtlich ein Deal. Die Türkei
    begrüßt das . Wir dürfen dann noch einmal niederknien .
    Nun dürfen sogar Abgeordnete nach Incirlik fahren .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn, was Sie erzählen!)


    Das ist ein demokratischer Offenbarungseid.


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Im Kern geht es doch um etwas ganz anderes . Es geht
    um ein neues Bundeswehrmandat für AWACS . Wir for-
    dern: Ziehen Sie die Soldaten aus der Türkei ab! Das
    wäre eine richtige Maßnahme .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind doch verrückt!)


    Mit dem Flüchtlingsdeal und den Kniefällen vor Herrn
    Erdogan haben Sie sich erpressbar gemacht, hat sich
    Deutschland erpressbar gemacht, hat sich Europa er-
    pressbar gemacht . Frau Merkel, Ihnen ist der politische
    Kompass abhandengekommen . Es kann doch nicht sein,
    dass deutsche Außenpolitik Menschenrechte zur Ver-
    handlung stellt . Das geht nicht .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will Ihnen ein anderes Beispiel, ein regelrechtes
    Paradebeispiel für Ihre Politik nennen . Das ist Ihr Agie-
    ren beim Katastrophenschutz . Es ist völlig klar: Für den
    Katastrophenfall müssen praktikable und effektive Pläne
    griffbereit sein. Für Cyberangriffe und Naturkatastro-
    phen ist ein Zivilschutzkonzept richtig und notwendig .
    Mehr Verantwortung beim Bund und ein höheres Maß
    an Sicherheit, auch das ist richtig, gar keine Frage . Wir
    stimmen dem zu . Das ist übrigens auf Drängen des Par-
    laments geschehen . Ich habe damals an der entsprechen-
    den Sitzung des Haushaltsausschusses teilgenommen,
    in der wir das fraktionsübergreifend in Auftrag gegeben
    haben . Aber das Falscheste ist, Hysterie an den Tag zu
    legen und Horrorszenarien eines bevorstehenden Krieges
    aufzuzeigen . Besonnenheit und kühler Kopf sind gefragt .
    Sie produzieren aber die Überschrift: Bundesregierung
    fordert die Menschen zu Hamsterkäufen auf . – Das ist
    unverantwortlich .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Danach haben noch Fachkräfte aus der Union die
    Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert. Dann wird
    permanent der Einsatz der Bundeswehr im Inneren the-
    matisiert . Es darf aber keine Militarisierung des Katastro-
    phenschutzes geben . Sie verunsichern die Menschen .
    Seit Jahren leisten ehrenamtlich und hauptberuflich täti-
    ge Kräfte bei Feuerwehren und THW bewundernswerte
    Arbeit . Wir sollten diese Menschen würdigen und unter-
    stützen und ihnen nicht in den Rücken fallen . Aber genau
    das machen Sie .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die Union betreibt Politik bei der inneren Sicherheit
    nach dem Motto: Verschärfung, Verschärfung und noch
    einmal Verschärfung! Dieses Motto entspricht genau
    dem, was Herr de Maizière nach den schrecklichen An-
    schlägen in Paris gesagt hat, nämlich dass ein Teil der
    Antworten die Bevölkerung verunsichern könne . Ja, Sie
    haben im Sommerloch die Bevölkerung verunsichert, ge-
    nauso wie Herr Caffier und Herr Henkel mit Forderungen
    nach Abschaffung des Doppelpasses, nach Burkaverbot,
    Rucksackverbot und mehr Videoüberwachung . Jede Wo-

    che wurde eine neue Sau durchs Dorf getrieben . Das ist
    eine Angstmacherkoalition . Wir brauchen aber etwas
    völlig anderes . Es darf keine Beschränkung unserer frei-
    heitlichen Ordnung geben . Wir müssen das Signal aus-
    senden: Wir lassen uns unser Leben von den Terroristen
    nicht kaputtmachen . – Das ist das richtige Signal .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir brauchen nicht mehr Videoüberwachung und kei-
    ne schärfere Vorratsdatenspeicherung – obwohl es das al-
    les in Frankreich gibt, hat es nichts verhindert –, sondern
    einen handlungsfähigen Staat . Dazu gehört gut ausgebil-
    detes und ausgestattetes Personal im öffentlichen Dienst,
    insbesondere bei der Polizei .

    Herr Schäuble hat gestern den schönen Satz gesagt:
    „Es gab und gibt keinen Sparkurs in der inneren Sicher-
    heit .“ Frau Merkel, Sie haben gleich die Gelegenheit, das
    wirklich klarzustellen . Seit 1998 wurden 17 000 Stellen
    bei der Polizei abgebaut – und das bei mehr und größeren
    Aufgaben . Sie haben eine verfehlte Personal- und Spar-
    politik zu verantworten,


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie haben gestern nicht zugehört!)


    in den Ländern und im Bund, meine Damen und Herren .


    (Lachen bei der CDU/CSU)


    – In dem einen oder anderen Land regieren Sie doch auch
    noch, oder nicht? Sie können aufhören, aber noch ist es
    so .


    (Zuruf von der CDU/CSU: Populist! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Reden Sie jetzt über 16 Landeshaushalte? Das hätten Sie am Anfang sagen müssen!)


    Die Deutsche Polizeigewerkschaft sagt: „Die Politik
    hat die Polizei geschwächt, gedemütigt und vernachläs-
    sigt .“ In den vergangenen 15 Jahren ist die Polizei zum
    Sparopfer geworden .


    (Zuruf von der CDU/CSU: Kommen Sie mal zur Wahrheit!)


    – Das ist die Wahrheit. – Sie haben den öffentlichen
    Dienst kaputtgespart . Ich habe doch den Einzelplan 06
    über viele Jahre hinweg mitberaten . Es war doch die Op-
    position, die mehr Polizisten gefordert hat .


    (Lachen bei der CDU/CSU)


    – So ist es . Das ist schlicht die Wahrheit . – Herr de
    Maizière hat das wegen des Diktats der schwarzen Null
    abgelehnt . Das ist die Realität . Dafür gibt es Zeugen .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Heute stellt sich Herr Gabriel hin und sagt: Wir haben
    das durchgesetzt . – Auch das stimmt nicht . Die Bundes-
    regierung hat einen Entwurf vorgelegt, und die Parla-
    mentarier haben ihn verändert . Das ist doch die Realität .

    Das eigentliche Problem ist aber doch ein anderes .
    Auch bei der inneren Sicherheit gilt das Diktat der schwar-
    zen Null . Die Fixierung auf das Dogma der schwarzen

    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Null ist falsch . Ich will Hans-Helmut Kotz zitieren – der
    war immerhin im Vorstand der Bundesbank und ist heute
    Wirtschaftsprofessor an der Harvard-Universität –: Der
    Fetisch der schwarzen Null schädigt Deutschland . – Der
    Mann hat schlicht recht .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich will zwei Aspekte dazu sagen . Der erste Aspekt
    ist: Sie reden von Investitionen und haben wieder voll-
    mundig angekündigt, was Sie alles machen werden . Ich
    meine, das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steu-
    erzahler . Aber ich will Ihre eigenen Zahlen noch einmal
    vortragen .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Also, los mal!)


    Vor zwei Jahren lagen die Investitionen bei 9,9 Pro-
    zent der Gesamtausgaben . In Ihrem Finanzplan für 2020
    stehen 8,8 Prozent . Der Anteil der Investitionen sinkt .
    Sie streuen den Leuten Sand in die Augen . Was ist das
    Ergebnis? Wir hinken beim Ausbau des digitalen Netzes
    hinterher . Da muss übrigens auch einmal auf dem Land
    endlich etwas getan werden . Ich weiß, wovon ich rede .


    (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wir haben marode Brücken, die für große Lasten ge-
    sperrt werden müssen . Wir haben ein Bildungssystem,
    das unterfinanziert ist und noch im 19. Jahrhundert fest-
    steckt. Kluge öffentliche Investitionen führen im Übri-
    gen dazu, dass das Wirtschaftswachstum steigt . Wir ha-
    ben ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent . Das kann
    doch nicht zufriedenstellen .

    Hinzu kommt, dass wir aktuell einen Überschuss von
    18,5 Milliarden Euro haben . Nun weiß ich, dass dieser
    Überschuss von Bund, Ländern, Kommunen und Sozi-
    alversicherungen erwirtschaftet wird . Das ist mir schon
    klar . Aber erklären Sie das einmal den Menschen in Vor-
    pommern, wenn sie von einem Überschuss von 18,5 Mil-
    liarden Euro lesen, aber bei ihnen kein Bus mehr fährt .
    Das ist nicht erklärbar . Lösen Sie endlich den Investiti-
    onsstau auf .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir fordern eine soziale Investitionsoffensive. Ma-
    chen Sie das Land sozial und kulturell fit. Zeigen Sie, dass
    sich die Lebensqualität der Menschen vor Ort verbessert .
    Das ist Aufgabe von Politik . Es müssen endlich wieder
    Busse über die Dörfer fahren . Dann sind die Menschen
    auch politischen Problemen gegenüber aufgeschlossener .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch Sache der Landesregierung!)


    Sie spielen aktuell doch die Schwachen gegen die
    Schwächsten aus . Ich will nur ein Beispiel sagen: der
    soziale Wohnungsbau . Bezahlbarer Wohnraum für alle
    wäre notwendig . Deswegen müssten Sie in dem Haus-
    haltsplan eine deutliche Erhöhung der Mittel für den so-
    zialen Wohnungsbau vornehmen . Sie müssten die Städ-
    tebaufördermittel für zehn Jahre auf 2 Milliarden Euro

    festschreiben und, und, und . Es gibt doch Möglichkeiten,
    und es gibt vor allem Notwendigkeiten .


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Der zweite Aspekt . Wir brauchen endlich eine große
    Steuerreform . Die Schere zwischen Arm und Reich bei
    Einkommen und Vermögen geht immer weiter auseinan-
    der . Sie zwingen die Südländer zu Strukturreformen ein-
    schließlich Steuerreformen, aber in Deutschland: kom-
    plette Fehlanzeige . Die hohe Ungleichheit ist schädlich
    für das soziale Gefüge .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist doch nicht zu akzeptieren, dass die 500 Reichs-
    ten in Deutschland ein Vermögen von 723 Milliarden
    Euro haben . Das ist obszön, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Hinzu kommt, dass deren Vermögen im letzten Jahr um
    58 Milliarden Euro gestiegen ist . Das sind 8,7 Prozent .
    Sagen Sie das einmal denjenigen, die unter großen Mü-
    hen etwas Geld für die Ausbildung ihrer Kinder abge-
    knapst haben, die das Geld auf dem Sparbuch haben und
    0,01 Prozent Zinsen bekommen . Da läuft doch etwas
    schief, wenn bei den Vermögenden solche Summen hin-
    zukommen . Ich sage es noch einmal: 58 Milliarden Euro .
    Der Landeshaushalt von Mecklenburg-Vorpommern hat
    7 Milliarden Euro . Da ist doch etwas schief .

    Die 14 reichsten Großfamilien verfügen über ein Ver-
    mögen von 138 Milliarden Euro . Es gibt jedes Jahr mehr
    Milliardäre, und Milliardär zu sein, ist nicht normal . Sie
    spielen auf der anderen Seite die Schwachen gegen die
    Schwächsten aus und erhöhen den Hartz-IV-Regelsatz
    um 5 Euro . Da ist doch etwas schief in unserer Gesell-
    schaft .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist Aufgabe des Staates, hier zu steuern .

    Es muss endlich das Kapital mehr beteiligt werden .
    Schaffen Sie die Abgeltungsteuer ab. Wir brauchen die
    Wiedererhebung der Vermögensteuer als Millionärssteu-
    er . Was ist eigentlich aus der in Ihrem Koalitionsvertrag
    vereinbarten Einführung einer Finanztransaktionsteuer
    geworden?

    Im Übrigen ist doch das, was bei der Erbschaftsteu-
    er passiert, ein Stück aus dem Tollhaus . Ich will daran
    erinnern: 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die
    damals geltende Regelung als verfassungswidrig er-
    klärt – 2014! –, und es hat Sie aufgefordert – und zwar
    einstimmig –, bis Juni 2016 eine veränderte Regelung
    vorzulegen . Es gab dann ein peinliches Gezerre, insbe-
    sondere mit Herrn Seehofer . Jetzt haben Sie die Frist
    verstreichen lassen . Nun ist der Vermittlungsausschuss
    angerufen worden . Jeder, der zehn Minuten zu lange im
    Halteverbot steht, bekommt ein Knöllchen, und Sie las-
    sen eine solche Frist, die das Bundesverfassungsgericht
    gesetzt hat, verstreichen . Sie verspielen Vertrauen in den
    Rechtsstaat, wenn Sie nicht einmal einen Beschluss des

    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesverfassungsgerichts akzeptieren . Das geht so
    nicht .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zur Sache selbst will ich nur feststellen: Das, was Sie
    da machen, ist keine Reform; das ist maximal ein Re-
    förmchen . In den nächsten zehn Jahren werden 3,1 Billi-
    onen Euro vererbt . Nehmen Sie doch wegen meiner die
    Vereinigten Staaten oder Großbritannien oder Frankreich
    oder wen auch immer zum Vorbild, was deren Regelung
    zu Erbschaftsteuer angeht . Dann hätten wir deutlich hö-
    here Einnahmen; sie lägen um das Fünffache, das Sechs-
    fache oder das Zehnfache höher .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Deshalb existieren in Amerika fast keine Familienbetriebe mehr!)


    Das ist die Realität .


    (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wenn Sie jetzt von Steuerreformen reden, sagen wir
    als Linke: Ja, Sie haben uns an Ihrer Seite . Auch wir wol-
    len die kleinen und mittleren Einkommen entlasten . Ich
    denke an Handwerker sowie kleine und mittlere Unter-
    nehmen . Vielleicht kann man die Freibeträge anheben .
    Die Arbeit zu entlasten, das wäre wirklich einmal eine
    gute Idee. Ich hoffe, dass Ihre Worte nicht wieder nur
    Wahlkampfgetöse sind . Aber erst wenn Sie vor allen
    Dingen die Steuerkriminellen aufspüren und bestrafen –
    dazu will ich Sie dringend auffordern –, dann ist auch
    bei höheren Investitionen ein ausgeglichener Haushalt
    möglich .

    Es ist im Übrigen grotesk: Apple soll 13 Milliarden
    Euro nachzahlen,


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    und Irland wehrt sich dagegen . Das kann ja nicht sein .
    Dieses Geschäftsmodell können wir doch nicht akzep-
    tieren . Gleichzeitig spricht sich eine Fachkraft wie der
    bayerische Finanzminister, Herr Söder, gegen diese
    Nachzahlung aus, nur weil Apple seinen Firmensitz in
    München hat . Na, wo leben wir denn? Das kann doch
    wohl nicht wahr sein .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bleibe dabei: Die teuersten Flüchtlinge sind die Steu-
    erflüchtlinge.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Was ist eigentlich nach Panama-Leaks passiert? Zu-
    nächst gab es eine Ankündigungswelle, und jetzt brem-
    sen Sie, Herr Schäuble, sogar beim Engagement der
    OECD . Es muss endlich ein weltweiter Datenaustausch
    der Banken und Steuerbehörden sichergestellt werden,
    um diesen Kriminellen das Handwerk zu legen; das wäre
    notwendig . Da bremsen Sie . Sie haben doch Druck auf

    die Krisenländer ausgeübt . Üben Sie doch einmal da
    Druck aus, wo wirklich Kriminelle am Werk sind .

    Ein weiterer Punkt . Ihre Politik hat in vielen Krisen-
    ländern das System zum Wanken gebracht . Schauen Sie
    sich doch einmal die Lage in Spanien, in Italien an . Die
    Jugendarbeitslosigkeit ist dort weiter verheerend, auch in
    Griechenland . Vielen jungen Menschen Europas werden
    die Lebensperspektiven geraubt . Aber gerade diese Ge-
    neration brauchen wir doch, um die ursprünglichen Wer-
    te Europas wieder mit Leben zu erfüllen .

    Ich will einmal die Frage stellen: Was ist eigentlich
    aus den in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbarten Vorha-
    ben geworden? Es gibt eine lange Liste der Versäumnis-
    se . Die Finanztransaktionsteuer habe ich schon erwähnt .
    Das Betreuungsgeld hat sich als verfassungswidrig he-
    rausgestellt . Stichwort „Bundesteilhabegesetz“: Im Ko-
    alitionsvertrag steht, die Kommunen sollten um 5 Mil-
    liarden Euro entlastet werden . Die Entlastung, die jetzt
    eintritt, liegt bei 11,5 Millionen Euro .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist völlig falsch! Bleiben Sie doch einmal bei der Wahrheit!)


    Das entspricht nicht dem, was in Ihrem Koalitionsvertrag
    steht . Was Sie bei der Überprüfung von Leiharbeit und
    Werkverträgen vorgelegt haben, entspricht nicht einmal
    Ihren dünnen Vorgaben im Koalitionsvertrag . Das führt
    sogar zu Verschlechterungen für Leiharbeitskräfte und
    für Stammbeschäftigte . Sie zementieren die Zweiklas-
    senbelegschaften .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Betriebs- und Personalräte müssen doch wenigstens ein
    zwingendes Mitspracherecht haben . Das ist original sozi-
    aldemokratisch; mehr ist das doch gar nicht .

    Ein in Ihrem Koalitionsvertrag formuliertes Ziel ha-
    ben Sie wirklich erreicht; das ist gut . Frau Merkel hat ge-
    sagt: Die Maut wird es mit mir nicht geben . – Das haben
    Sie zustande gebracht – wunderbar, Glückwunsch!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Eine andere Sache will ich hier dann auch noch benen-
    nen; das ist die Rentenangleichung Ost .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ah, jetzt aber!)


    – Für Sie, Herr Kauder; das ist auch für Baden-Württem-
    berg wichtig .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Gut, ich höre!)


    Erst einmal ist festzuhalten, dass es da keine Lösung
    gibt . 26 Jahre nach der deutschen Einheit unterschiedli-
    che Rentenwerte – erzählen Sie das den Menschen; das
    versteht niemand; das akzeptiert auch niemand .

    Im Übrigen will ich darauf hinweisen: Frau Merkel,
    Sie haben 2005 gesagt: In dieser Legislatur klären wir
    das . – 2005! Das ist schon ein bisschen her .

    Jetzt passiert im Wahlkampf Folgendes: Frau Nahles
    und Herr Sellering erklären in Schwerin: Wir lösen das
    Problem . – Viele Menschen, ich auch, haben gedacht:

    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Oh, Mensch, das ist jetzt einmal eine gute Maßnahme,
    das gucke ich mir in der Sache an . – Da gibt es manches
    zu kritisieren, vor allen Dingen dass die Höherwertung
    wegfallen soll .


    (Lachen bei der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Wir wollen die Gleichstellung, aber ein bisschen gleicher soll es schon sein!)


    Das geht natürlich nicht,


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Aha!)


    solange die Löhne im Osten niedriger sind . Aber das ei-
    gentliche Problem ist: Im Haushalt: Fehlanzeige! Das,
    was Sie da gemacht haben, ist letztlich Folgendes: Sie
    haben den Menschen Sand in die Augen gestreut .


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das machen Sie hier gerade! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen Sie doch gerade!)


    Es wird nichts geben . Es war eine reine Wahlkampfmaß-
    nahme . Meine Damen und Herren, es ist unfassbar, wie
    Sie die Leute dort in Schwerin verklapst haben; nichts
    anderes ist da passiert .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir brauchen eine solide Rentenreform,


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es bringt euch nichts, wenn ihr wie die AfD redet!)


    die lebensstandardsichernd im Alter ist, die Altersarmut
    verhindert . Die ist möglich, und die ist auch notwendig .
    Aber dazu muss das Rentenniveau angehoben werden
    und darf nicht weiter sinken .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Meine Damen und Herren, ich habe schon über das
    gewaltige Vermögen in unserer Gesellschaft geredet; im-
    mer noch unfassbar .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist denn das von der PDS hingekommen, das Vermögen? – Gegenruf der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Jetzt kommt aber die ganz alte Kiste! – Weiterer Gegenruf der Abg . Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das würde uns wirklich mal interessieren! Damit könnten wir eine Menge anfangen!)


    – Herr Kauder, man merkt, dass Sie aus dem vorigen
    Jahrhundert sind; man merkt es deutlich .


    (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das bin ich eben nicht! Jedes Mal, wenn es Ihnen peinlich ist, machen Sie solche Sprüche! Wo ist das Geld hingegangen, das Vermögen?)


    Ich habe schon über das Vermögen der 500 Reichsten
    berichtet:


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Gehören Sie dazu!)


    723 Milliarden Euro . Auf der anderen Seite haben wir –
    das sollte auch Sie beunruhigen – 2 Millionen Kinder, die
    in Armut leben .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist das volkseigene Vermögen von Ihnen geblieben? Das können Sie zurückgeben!)


    Jedes siebte Kind unter 15 Jahren ist abhängig von
    Hartz IV und vom Jobcenter . Kinderarmut, wie Sie wis-
    sen, bringt häufig weitere gesellschaftliche Kosten. Ar-
    mut darf nicht vererbt werden; da sind wir uns doch hof-
    fentlich einig. Sie trifft im Übrigen in besonderer Weise
    Alleinerziehende, 90 Prozent davon Frauen, und kinder-
    reiche Familien und Familien mit Migrationshintergrund .
    Das alles hat dann Auswirkungen auf die Gesundheit, auf
    die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe und, und,
    und .

    Ihr Bildungs- und Teilhabepaket ist aber ein büro-
    kratisches Monster, und Sie haben das Hartz-IV-System
    jetzt noch einmal repressiver gestaltet, meine Damen
    und Herren . Was wir brauchen, ist ein Aktionsplan gegen
    Kinderarmut – mehrjährig, mehrdimensional und finan-
    ziell gut ausgestattet .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In einer Demokratie darf Herkunft kein Schicksal sein,
    meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich stelle fest, dass die Koalition ein Jahr vor der Wahl
    de facto am Ende ist . Die drei Parteien arbeiten nicht
    mehr fürs Land und nicht mehr für Europa, sondern sie
    arbeiten allesamt zuerst auf eigene Rechnung . Das ist an-
    gesichts der komplizierten gesellschaftlichen Situation,
    angesichts der riesigen Herausforderungen, vor denen
    wir stehen, wirklich nicht zu akzeptieren, und das sollte
    wirklich zügig beendet werden . So, meine Damen und
    Herren, kann es nicht weitergehen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir brauchen in der zentralen Industriemacht Europas
    einen Politikwechsel, damit das Land nicht weiter ge-
    spalten wird, meine Damen und Herren,


    (Beifall bei der LINKEN)


    damit die große Idee „Europa als Friedensprojekt“ erhal-
    ten bleibt und ausgebaut wird . Dieses große, auch kultu-
    relle Projekt darf doch nicht zerstört werden .

    Nie war die Krise Europas größer als heute . Es ist doch
    nicht nur der Brexit . Schauen Sie sich an, wie die Lage in
    den Ländern ist! Es ist, glaube ich, die größte Krise, die
    Europa jemals hatte . Deswegen brauchen wir einen Po-
    litikwechsel hier in Deutschland . Meine lieben Sozialde-
    mokraten, insbesondere Herr Gabriel: Ja, die Linke will
    diesen Politikwechsel auch in Regierungsverantwortung
    übernehmen . Dass das ein für alle Mal klar ist!


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wenn es die Wiederherstellung des Sozialstaats gibt,
    wenn es eine friedliche Außenpolitik gibt und wenn jedes
    Kind die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung hat,

    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    dann sind wir selbstverständlich dazu bereit, und zwar
    wir alle .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Eines ist klar: Das, was Sie hier für das letzte Jahr an-
    geboten haben, meine Damen und Herren, gefährdet den
    sozialen Zusammenhalt in unserem Land, das gefährdet
    Europa, und das strahlt vor allen Dingen keinerlei Zuver-
    sicht aus, geschweige denn eine Vision .

    Herzlichen Dank .


    (Anhaltender Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort erhält nun die Bundeskanzlerin .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns
    an die Generaldebatte vor einem Jahr: Sie stand damals
    ganz im Zeichen einer großen Fluchtbewegung nach Eu-
    ropa . Bis August des letzten Jahres waren bereits über
    400 000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen, und
    am 19 . August gab der Bundesinnenminister eine Prog-
    nose ab, dass bis Ende des Jahres rund 800 000 Flücht-
    linge kommen werden .

    In meiner Rede vor einem Jahr habe ich gesagt: Wir
    können nicht einfach so weitermachen wie bisher . Wir
    müssen Regelungen überdenken, Abläufe verbessern,
    Entscheidungen schneller fällen, national, europäisch
    und international .

    Hinter uns liegt ein Jahr, in dem uns vieles abverlangt
    wurde, in dem viele mit angepackt haben und viele über
    sich hinausgewachsen sind . Deshalb möchte ich als Ers-
    tes den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen danken, die
    sich so eingesetzt haben, dass wir diese Situation bewäl-
    tigen .


    (Beifall im ganzen Hause)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter uns liegt ein
    Jahr voller Entscheidungen . Wir haben Regelungen ge-
    troffen, um die Situation zu steuern, zu ordnen und so die
    Flüchtlingszahlen auf Dauer zu reduzieren . Wir haben
    grundlegende Abläufe im Bundesamt für Migration und
    Flüchtlinge verändert,


    (Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


    Entscheidungen werden schneller gefällt, wir haben eine
    bessere Asylgesetzgebung, Stichworte sind: Asylge-
    setzpakete I und II . Wir haben das Ganze als nationale
    Kraftanstrengung bezeichnet, und wir haben mit Kom-
    munen und Ländern gemeinsam Lösungen gefunden, bei
    denen der Bund die Kosten der Unterkunft für Flüchtlin-
    ge übernimmt, eine jährliche Integrationspauschale von
    2 Milliarden Euro für drei Jahre zahlt . Wir geben mehr
    für den Wohnungsbau aus, mehr für Kindertagesstätten –

    im Übrigen für alle Menschen in Deutschland, nicht nur
    für Flüchtlinge .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir haben zum ersten Mal ein Bundesintegrationsge-
    setz . Dabei geht es um das Erlernen der Sprache, um das
    Kennenlernen der Rechtsordnung und der Kultur unseres
    Landes . Es gibt Integrationskurse für Asylbewerber mit
    guter Bleibeperspektive . Es gibt Angebote für alle, und
    es gibt auch Sanktionen, wenn diese Angebote nicht ge-
    nutzt werden .

    Wir haben darüber hinaus für die Aufrechterhaltung
    der inneren Sicherheit vieles verbessert und die Sicher-
    heitsstrukturen gestärkt . Damit hatten wir schon vor
    den Anschlägen von Ansbach und Würzburg begonnen .
    Terrorismus ist kein neues Problem, das erst mit den
    Flüchtlingen gekommen ist . Weil aber auch nicht jeder
    Flüchtling in guter Absicht kommt, werden wir weitere
    Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Sicherheit in
    Deutschland zu stärken . Die Menschen dürfen von uns
    verlangen, dass wir das Menschenmögliche tun, um ihre
    Sicherheit zu gewährleisten .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir werden bis 2018 rund 4 200 zusätzliche Stellen
    bei der Bundespolizei sowie 1 000 neue Stellen für die
    Sicherheitsbehörden des Bundes schaffen, zusätzliche
    Mittel für eine vernünftige Ausstattung, zeitgemäße
    Technik und eine moderne materielle Ausstattung ausge-
    ben, und wir werden noch in diesem Herbst eine neue
    Cybersicherheitsstrategie bis 2020 verabschieden .

    Dies alles sind sehr wichtige Schritte, und die Situati-
    on heute ist um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr,
    und zwar für alle . Aber es bleibt natürlich viel zu tun .
    Ein großes Problem sind die Rückführungen, der Vollzug
    der Ausreisepflicht für Menschen, die nicht hier bei uns
    bleiben können . Und mit Recht erwarten die Bürgerin-
    nen und Bürger von uns, dass wir denen helfen, die Hilfe
    brauchen, dass wir aber auch denen, die kein Bleiberecht
    haben, sagen: Ihr müsst unser Land wieder verlassen,
    sonst können wir die Aufgabe nicht bewältigen . Und na-
    türlich sind die Herausforderungen der Integration noch
    nicht abgeschlossen: Integration, was Sprache anbelangt,
    aber auch Integration in den Arbeitsmarkt . Hier ist vieles
    auf den Weg gekommen, aber hier bleibt auch noch viel
    zu tun .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Thomas Oppermann [SPD])


    Wir haben uns bei dem, was wir getan haben, nicht nur
    auf die nationale Ebene konzentriert, sondern haben auch
    europäisch und international viel bewegt . Ja, es ist rich-
    tig: Die Solidarität innerhalb Europas lässt zu wünschen
    übrig . Hieran müssen wir weiter arbeiten .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber es ist auch richtig, dass wir heute einen sehr viel
    besseren Schutz der EU-Außengrenzen haben als vor ei-
    nem Jahr, indem wir Frontex vollkommen neu aufgestellt

    Dr. Dietmar Bartsch






    (A) (C)



    (B) (D)


    haben; es ist jetzt wirklich eine europäische Grenzagen-
    tur . Auch Deutschland hat hier seine Position verändert .
    Wir haben eine NATO-Mission in der Ägäis, und ja,
    wir haben ein Abkommen mit der Türkei verabschiedet,
    ein Abkommen zwischen der Europäischen Union, also
    28 Mitgliedstaaten, und der Türkei .


    (Zurufe von der LINKEN)


    Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn die
    Türkei Menschenrechte verletzt, dann wird das beim Na-
    men genannt .


    (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn in der Türkei ein Militärputsch scheitert, dann sa-
    gen wir, dass es gut ist, dass der gescheitert ist, und dass
    es richtig war, dass die Menschen auf die Straße gegan-
    gen sind .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Aber ich plädiere hier dafür, dass wir über die Frage, mei-
    ne Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
    wie wir den Schutz unserer Außengrenzen und damit die
    Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sicher-
    stellen, Einigkeit erreichen, wenn wir auch die Menschen
    draußen überzeugen wollen . Bei maritimen Grenzen, bei
    Seegrenzen, geht es nicht anders, als dass man mit dem
    Nachbarn spricht, wenn man die Menschen nicht ertrin-
    ken lassen will und den Schleppern nicht die Hoheit über
    die Geschäfte lassen will . Und das dürfen wir nicht .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Das EU-Türkei-Abkommen ist in beiderseitigem In-
    teresse . Es ist gut für viele Flüchtlinge, wenn sie in der
    Nähe ihrer Heimat bleiben können . Es ist richtig, dass
    wir Geld für die Beschulung und das Leben der Flücht-
    linge an der türkisch-syrischen Grenze ausgeben . Und es
    ist richtig, dass wir auch die Illegalität bekämpfen, weil
    Schlepper und Schleuser mit den Menschen ein unglaub-
    liches Spiel spielen . Und es ist, seitdem wir dieses Ab-
    kommen haben, so gut wie niemand mehr in der Ägäis
    ertrunken, während das in den ersten zwei Monaten noch
    Hunderte Menschen waren, Frauen und Kinder . Da kann
    man doch nicht zugucken, da muss man doch mit dem
    anderen Land eine Regelung finden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Deshalb ist das Abkommen mit der Türkei ein Modell
    für weitere solcher Abkommen, mit Ägypten, mit Liby-
    en, wenn es eines Tages einmal eine vernünftige Regie-
    rung haben sollte, mit Tunesien und anderen Ländern,
    wo immer das notwendig ist, damit nicht Schlepper und
    Schleuser sozusagen über uns befinden können.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, natürlich haben wir auch
    viel auf den Weg gebracht – aber noch längst nicht ge-
    nug – in unserer Kooperation mit Afrika . Der gestiegene
    Entwicklungshaushalt spricht dafür . Wir haben den Val-
    letta-Aktionsplan . Jetzt heißt es aber auch für die Euro-
    päische Union, das Ganze umzusetzen . Wenn wir über
    Europa sprechen, müssen wir vielleicht sowieso nicht

    so viel neu erfinden, sondern einfach das, was wir schon
    einmal beschlossen haben, umsetzen, und zwar schneller
    als bisher . Dann ist schon viel gewonnen für Akzeptanz
    für Europa .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Deutschland hat sich bereit erklärt, zusammen mit
    Frankreich und Italien und der Europäischen Kommis-
    sion eine Migrationspartnerschaft für Niger und Mali
    zu übernehmen . Durch Niger kommen 90 Prozent der
    Flüchtlinge, die dann in Libyen in See stechen . Deshalb
    ist das ein sehr sinnvoller Schritt . Wir haben bei der Lon-
    doner Konferenz endlich dafür gesorgt, dass die Flücht-
    linge in Jordanien, im Libanon besser verpflegt werden,
    dass die Welternährungsorganisation ausreichende Mittel
    für dieses Jahr hat, und wir werden das für nächstes Jahr
    wieder sicherstellen .

    Natürlich ist noch viel zu tun . In Libyen ist die Lage
    absolut unzufriedenstellend . Der schreckliche Bürger-
    krieg und der Kampf gegen den IS in Syrien fordern so
    viele Opfer . Es ist eine grauenvolle Lage . Ich kann nur
    hoffen, dass Russland und die Vereinigten Staaten von
    Amerika vorankommen bei der Einigung über einen
    Waffenstillstand, dass es aufhört, dass Krankenhäuser
    bombardiert werden, Ärzte zu Schaden kommen und die
    Menschen in Aleppo so schrecklich leiden . Das ist ein
    unhaltbarer Zustand .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt haben
    wir heute eine ganz andere Situation als zu der Zeit der
    Debatte vor genau einem Jahr . Sie ist geordneter, Rege-
    lungen wurden überdacht, Abläufe verbessert, Entschei-
    dungen schneller getroffen. Wir haben die Ordnung und
    Steuerung der Flüchtlingsbewegung in Deutschland er-
    reicht . Wir haben die Zahl der bei uns ankommenden
    Flüchtlinge deutlich reduziert . Wir kommen gleichzeitig
    national und international unserer humanitären Verant-
    wortung nach, und das nicht nur in Sonntagsreden .

    Wir haben heute im Übrigen auch einen anderen Zu-
    stand, als wir ihn Mitte März hatten, als in Baden-Würt-
    temberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz gewählt
    wurde . Die Wahlen vor drei Tagen in Mecklenburg-Vor-
    pommern und die Wahlen, die in zehn Tagen in Berlin
    stattfinden, finden unter anderen Voraussetzungen statt
    als die Wahlen im März . Und dennoch mussten wir vor
    drei Tagen einen Wahlsonntag erleben, an dem letztlich
    nur die AfD gewonnen hat, und zwar zweistellig . Sie hat
    allen anderen Parteien Prozente abgenommen, gar nicht
    so sehr in absoluten Stimmzahlen, indem sie vor allem
    auch Nichtwähler mobilisiert hat . Das hat dazu geführt,
    dass die Christlich Demokratische Union im Landtag
    hinter der AfD liegt . Uns alle treibt die Frage um: Wie
    gehen wir mit einer solchen Situation um?

    Wählerbeschimpfungen bringen gar nichts . Das ist
    auch nicht angebracht . Ich habe das noch nie richtig ge-

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    funden . Politiker, die wie wir Verantwortung tragen, soll-
    ten sich sowieso in ihrer Sprache mäßigen .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn auch wir anfan-
    gen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die,
    die es immer noch einfacher und noch klarer ausdrücken
    können .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Horst Seehofer!)


    Wenn wir anfangen, dabei mitzumachen, dass Fakten
    beiseitegewischt oder ignoriert werden können, dann
    sind verantwortbare und konstruktive Antworten in der
    Sache nicht mehr möglich . Wenn wir anfangen, uns
    sprachlich und tatsächlich an denen zu orientieren, die an
    Lösungen nicht interessiert sind, verlieren am Ende wir
    die Orientierung .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Jeder von uns muss sich nach Wahlabenden wie dem
    vom Sonntag an die eigene Nase fassen, selbstkritisch
    schauen, was in Zukunft anders und besser gemacht wer-
    den kann . Das versteht sich von selbst, und es gibt ja auch
    noch genug Probleme zu lösen . Es versteht sich auch von
    selbst, dass Sorgen, ob nun begründet oder unbegründet,
    ernst zu nehmen sind, auch indem wir zeigen, dass das
    Ernstnehmen von Sorgen und das Erläutern von Fakten
    zwei Seiten ein und derselben Medaille sind,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    indem wir alle gemeinsam gut daran tun, zu erkennen,
    dass eine Partei wie die AfD nicht nur eine Herausforde-
    rung für die Christlich Demokratische Union ist – auch
    wenn deren Protagonisten das munter verbreiten und
    andere es mehr oder weniger gerne aufgreifen, zum Teil
    wider besseres Wissen –, sie vielmehr eine Herausforde-
    rung für uns alle in diesem Hause ist, meine Damen und
    Herren .


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wenn wir untereinander nur den kleinen Vorteil su-
    chen, um zum Beispiel irgendwie mit einem blauen Auge
    über einen Wahlsonntag zu kommen, gewinnen nur die,
    die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bin ganz sicher: Wenn wir uns das verkneifen und bei
    der Wahrheit bleiben, dann gewinnen wir . Wir gewinnen
    dann so das Wichtigste zurück, was wir brauchen: Ver-
    trauen der Menschen,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    und zwar indem wir uns über die eine Frage – ich halte
    sie für die zentrale – klar werden, im besten Sinne auch
    streiten und die besten Antworten suchen . Sie lautet: Wel-
    ches Land wollen wir heute, im 21 . Jahrhundert, sein?
    Welches Land wollen wir als größte Volkswirtschaft in
    der Europäischen Union sein? Welche Rolle wollen wir
    international spielen? Wie dienen wir unserem Land in
    diesen Zeiten der Globalisierung am besten? Wie er-
    halten wir unseren Wohlstand und arbeiten an einer gu-
    ten Zukunft für Deutschland? Und wie geben wir den
    Menschen Halt und Orientierung und geben dem Druck
    zu vermeintlich einfachen Lösungen, die bestenfalls
    Scheinlösungen sind, gleichzeitig nicht nach? Und das in
    einer Zeit des demografischen Wandels, in einer Zeit, in
    der es so viele Flüchtlinge gibt, wie es seit dem Zweiten
    Weltkrieg noch nie der Fall war, in Zeiten der Bedrohung
    durch den internationalen Terrorismus, in Zeiten, in de-
    nen die territoriale Unversehrtheit auch in Europa keine
    Selbstverständlichkeit mehr ist, wie wir es im Fall der
    Ukraine erlebt haben, in Zeiten, in denen das Austritts-
    referendum Großbritanniens ein tiefer Einschnitt für die
    Europäische Union ist, in Zeiten, in denen einige Konti-
    nente ein Freihandelsabkommen nach dem anderen ab-
    schließen und wir zögern, ob es CETA oder TTIP ist, in
    Zeiten, in denen viele Länder gerade von Deutschland
    eine wichtige Rolle erwarten, wie wir es jetzt wieder bei
    G 20 mit Händen greifen konnten .

    Deutschland ist wirtschaftlich stark und stabil .
    Deutschland hat trotz aller Probleme einen großen sozi-
    alen Zusammenhalt, und dieser soziale Zusammenhalt
    ist unser größtes Pfund . Meine Antwort auf die von mir
    gestellte Frage lautet: Wir dienen unserem Land in die-
    sen Zeiten der Globalisierung am besten, wenn wir uns
    an unseren Werten orientieren, die uns zu dem gemacht
    haben, was wir heute sind – das ist Freiheit, das ist Si-
    cherheit, das ist Gerechtigkeit und das ist Solidarität –,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    wenn wir den Menschen eine gute wirtschaftliche und
    soziale Perspektive geben, wenn wir die wirtschaftliche
    und soziale Stärke unseres Landes weiter ausbauen . Es
    ist jede Mühe wert, sich dafür mit ganzer Kraft einzu-
    setzen .

    Die Ausgangslage dafür ist gut, und der Haushalt für
    das Jahr 2017 spiegelt genau das wider . Es ist ein Gestal-
    tungshaushalt, in dem die Schwerpunkte so gesetzt sind,
    dass wir damit Antworten auf die Probleme unserer Zeit
    geben können . Dazu gehört, dass es zum dritten Mal ein
    Haushalt ist, der ohne Neuverschuldung auskommt . Und
    wir wissen: Es ist nicht die schwarze Null, von der im-
    mer geredet wird, sie hat nicht die Bedeutung, sondern es
    geht um die Tatsache, dass wir denen, die nach uns Haus-
    halte aufstellen werden, Freiräume eröffnen und nicht die
    Schulden ansteigen lassen .

    Wir haben eine gute Wirtschaftslage . Der private Kon-
    sum ist im Übrigen der Treiber unseres Wachstums . Das
    zeigt: Die Menschen haben Vertrauen in die wirtschaftli-
    che Entwicklung . Der Arbeitsmarkt ist in sehr guter Ver-
    fassung . Die Zahl der Arbeitslosen ist im August 2016

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    die geringste seit 25 Jahren . Die Zahl der Erwerbstätigen
    entwickelt sich positiv; inzwischen sind es 43,7 Millio-
    nen Menschen. Immer mehr Menschen finden eine Ar-
    beitsstelle und haben teil am gesellschaftlichen Erfolg .

    Die Kaufkraft der deutschen Arbeitnehmerinnen und
    Arbeitnehmer ist 2016 genauso wie 2015 gestiegen . Es
    gibt kräftige Reallohnzuwächse . Das spiegelt sich auch
    in dem Anstieg der Renten wider: Wir hatten die höchste
    Anpassung der Renten seit 23 Jahren .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


    Das BAföG ist zum 1 . August um 7 Prozent gestiegen,
    mit dem Wohnzuschlag addiert sogar um fast 10 Prozent .
    Wir haben die guten Einnahmen genutzt, um die sozia-
    le Sicherheit zu stärken, und die Sozialausgaben steigen
    erheblich, von 171 Milliarden Euro im Jahre 2017 auf
    187 Milliarden Euro im Jahre 2020 . Das alles ist keine
    Selbstverständlichkeit .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Das alles spiegelt sich in Maßnahmen wider: Maßnah-
    men für Langzeitarbeitslose, Verbesserungen im Ärzte-
    und Krankenhausbereich, in der Pflege, in der Rentenver-
    sicherung . Wir werden im Herbst noch weitere Schritte in
    der Koalition diskutieren .

    Aber eines geht nicht, Herr Bartsch, nämlich dass man
    sagt: Okay, wir gleichen die Renten derjenigen an, die
    in den neuen Bundesländern Renten beziehen, aber wir
    nehmen keine Angleichung bei denen vor, die heute Ar-
    beitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind . –


    (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Solange dort die Löhne niedriger sind! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)


    Wem wollen Sie eigentlich in den alten Bundesländern
    erklären, dass die Arbeitsstunde in den neuen Ländern
    höher bewertet wird als in den alten Ländern, aber die
    Rentner in den neuen Ländern genau dieselbe Rente be-
    kommen wie in den alten? Das wird nicht klappen; das
    ist Spaltung .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)


    Damit zeigen Sie, dass Sie eben nicht Gesamtdeutsch-
    land im Blick haben . So kann man die Einheit nicht ge-
    stalten . Im Osten etwas versprechen und im Westen dann
    damit nicht auftreten, das geht auf gar keinen Fall .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Meine Damen und Herren, wir investieren in die Zu-
    kunft unseres Wirtschaftsstandorts, weil wir wissen, dass
    der Rest der Welt auch nicht schläft . Wir investieren in
    Bildung und Forschung . Die Ausgaben hierfür steigen
    von 21,1 Milliarden Euro auf 22,7 Milliarden Euro . Seit
    2005 haben wir die Forschungsausgaben nahezu verdop-
    pelt . Wir haben die Exzellenzinitiative neu aufgelegt .
    Wir investieren in Infrastruktur und Verkehr jedes Jahr
    2 Milliarden Euro mehr . Wir treiben den Breitbandaus-
    bau voran . Hier haben wir erhebliche Mittel ausgegeben:
    1,3 Milliarden Euro für schnelles Internet . Wir investie-

    ren in strategisch wichtige Industriebereiche, zum Bei-
    spiel gemeinsam mit anderen europäischen Ländern in
    die Mikroelektronik . Das ist eine ganz wichtige strategi-
    sche Investition für die Zukunft .

    Wir konzentrieren uns auf zwei große Herausforde-
    rungen . Das eine ist die Digitalisierung, Industrie 4 .0, die
    Digitale Agenda der Bundesregierung . Wo immer man in
    Europa hinguckt, merkt man: Das wird sehr genau ver-
    folgt und auch für absolut notwendig gehalten . Wenn es
    darum geht: „Wo muss Europa besser werden?“, wird
    diese digitale Entwicklung ein Kernbereich sein .

    Die Bundesregierung wird ein Open-Data-Gesetz vor-
    legen, mit dem wir zeigen, dass der Rohstoff der Zukunft
    Daten sind und daher das 21 . Jahrhundert entsprechend
    gestaltet werden muss . Wir müssen in den nächsten Jah-
    ren im Übrigen die Digitalisierung unserer gesamten
    staatlichen Aktivitäten voranbringen . Wir haben heute
    einen Zustand, dass wir es geschafft haben, innerhalb
    eines Jahres alle föderalen Ebenen zu vernetzen, wenn
    es um das Kerndatensystem für Flüchtlinge geht . Aber
    von einem Kerndatensystem für Bürgerinnen und Bür-
    ger in Deutschland sind wir noch weit entfernt . Das muss
    schnellstmöglich nachgeholt werden . E-Governance ist
    eine der ganz wichtigen Aufgaben .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich würde gerne im Zusammenhang mit den Gesprä-
    chen über einen Bund-Länder-Finanzausgleich auch da-
    rüber sprechen, wie viel Kooperation wir brauchen; denn
    der Bürger in Deutschland interessiert sich nicht dafür,
    welche Ebene gerade zuständig ist, sondern er will einen
    Zugang für sich haben, um alles digital erledigen zu kön-
    nen, was man früher eben nicht konnte .

    Meine Damen und Herren, wir werden in die zukünf-
    tigen Strukturen investieren müssen, zum Beispiel in den
    5G-Mobilfunkstandard, und das nicht nur in Deutsch-
    land, sondern in ganz Europa; denn davon wird abhän-
    gen, ob das autonome Fahren und viele andere Anwen-
    dungen wie die Telemedizin überhaupt möglich sind .

    Der zweite große Bereich, in dem wir weiterarbeiten
    müssen, aber auch vieles geschafft haben, ist das Lang-
    fristprojekt der Energiewende . Dazu gehört natürlich der
    Klimaschutzplan, an dem wir arbeiten . Aber es muss ein
    Klimaschutzplan sein, bei dem wir es schaffen, Arbeits-
    plätze und die Sorge um das Klima in einen vernünftigen
    Einklang zu bringen .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben eine gewaltige Novelle zum Erneuerba-
    re-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht, und wir wer-
    den diesen Weg weiter beschreiten .

    Wir haben natürlich noch einiges zu tun: das Entgelt-
    gleichheitsgesetz, die Fragen der Rente – das habe ich
    angesprochen –, die Reform der Erbschaftsteuer . Ich bitte
    nur darum, dass man im Bundesrat nicht blockiert, mei-
    ne Damen und Herren . Die Verschonungsregel bei der
    Erbschaftsteuer ist eine Regel für die Arbeitnehmerinnen
    und Arbeitnehmer und für die Zukunft des Mittelstandes,

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    für Familienunternehmen, die ein ganz wichtiger Bau-
    stein deutschen Erfolgs sind, die eben nicht von einem
    Tag auf den anderen denken, sondern langfristig . Das ist
    genau das, was der globalen Wirtschaft heute fehlt . Des-
    halb müssen Familienunternehmer gestärkt werden .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben also vieles zu tun und vieles vor uns, so-
    wohl in der Außenpolitik als auch in der Innenpolitik .
    Wir wissen, dass sich die Welt in einem kritischen Zu-
    stand befindet. Wir brauchen auch nichts schöner zu ma-
    len, als es ist . Aber wir dürfen den Menschen in unserem
    Land auch sagen: Unsere Finanzen sind geordnet, die
    Wirtschaft ist stark, wir haben einen guten gesellschaftli-
    chen Zusammenhalt, und wir zeigen Menschlichkeit und
    Hilfsbereitschaft .


    (Zuruf von der LINKEN)


    Das alles ist unverzichtbar, um unsere Interessen und
    Werte auch angesichts der Globalisierung behaupten zu
    können und den Menschen in unserem Land Halt und
    Perspektive zu geben, und das gerade in Zeiten so gewal-
    tiger und schnell ablaufender Veränderungen .

    Deutschland hat sich seit der Gründung der Bundes-
    republik immer wieder verändert . Veränderung ist nichts
    Schlechtes . Gerade wir – wenn ich zum Beispiel mich
    nehme –, die wir die deutsche Einheit erlebt haben, ha-
    ben gesehen, wie Veränderung zum Besseren möglich ist .
    Veränderung ist auch ein notwendiger Teil unseres Le-
    bens . Dass unser Land dabei immer stark war und auch
    weiter stark sein wird, das beruht auf Voraussetzungen .
    Diese Voraussetzungen spiegeln sich wider in unserer Li-
    beralität, in unserer Demokratie, in unserem Rechtsstaat,
    in unserem überwältigenden Grundbekenntnis zur sozi-
    alen Marktwirtschaft, einer Ordnung also, die mit wirt-
    schaftlicher Stärke die Schwächsten in unserem Lande
    auffängt. Das alles, das, was ich gerade genannt habe, das
    wird sich nicht ändern .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland wird
    Deutschland bleiben, mit allem, was uns daran lieb und
    teuer ist .

    Herzlichen Dank .


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)