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    Plenarprotokoll 18/168 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. April 2016 Inhalt Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Tschernobyl und Fukushima mah- nen – Verantwortungsbewusster Um- gang mit den Risiken der Atomkraft und weitere Unterstützung der durch die Reaktorkatastrophen betroffenen Menschen Drucksache 18/8239 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Andrej Hunko, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiko-Reakto- ren abschalten – Atomausstieg in Eu- ropa beschleunigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 30 Jahre Tschernobyl, 5 Jahre Fukushima – Atomausstieg konsequent durchsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Atomkraftwerk Cattenom sofort abschalten Drucksachen 18/7875, 18/7656, 18/7668, 18/8266 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Dr . Franziska Brantner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Keine öffentlichen Forschungsgelder für den Wiedereinstieg in atomare Technologien – 6. Energiefor- schungsprogramm vollständig in Richtung Energiewende weiterentwickeln Drucksachen 18/5211, 18/8262 . . . . . . . . . . . . 16565 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Europaweiten Atomausstieg voranbringen – Euratom-Vertrag reformie- ren oder aussteigen Drucksache 18/8242 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16566 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16567 D Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16568 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16570 C Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16571 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 16572 B Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16573 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16574 C Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16575 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16576 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016II Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16576 D Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16578 A Tagesordnungspunkt 25: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Weiterentwicklung der Konzeption zur Er- forschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes Drucksache 18/7730 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16580 B Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 16580 C Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16581 D Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 16583 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16585 B Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 16586 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 16587 D Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16588 D Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16590 A Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16591 B Tagesordnungspunkt 26: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses: Sammelübersicht 289 zu Petitionen Drucksache 18/8092 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16592 B Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16592 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16593 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16594 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16595 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16595 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16597 A Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . . 16598 B Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16599 B Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 16599 C Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16601 B Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16602 D Kerstin Kassner (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . 16603 D Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsge- bundenen Energieversorgung Drucksache 18/8184 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16605 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16605 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 16606 C Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16607 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . 16608 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16609 B Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16610 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16611 B Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16612 B Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Dr . Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Bundes- verkehrswegeplan zum Bundesnetzplan weiterentwickeln Drucksache 18/8083 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16613 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16613 C Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16615 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16615 B Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16616 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16617 B Stefan Zierke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16617 D Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16619 B Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16620 C Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16621 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16622 B Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16623 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16625 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 16627 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Empfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 289 (Drucksache 18/8092) zur Petition 4-18-11-81503-001721 (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 16628 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 III Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . . 16628 A Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16628 C Kersten Steinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16629 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 16629 D Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16630 B Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16630 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16631 A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16631 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16565 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. April 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16627 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Bleser, Peter CDU/CSU 29 .04 .2016 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 29 .04 .2016 Castellucci, Dr . Lars SPD 29 .04 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 29 .04 .2016 Fuchs, Dr . Michael CDU/CSU 29 .04 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 29 .04 .2016 Gohlke, Nicole DIE LINKE 29 .04 .2016 Grindel, Reinhard CDU/CSU 29 .04 .2016 Gröhe, Hermann CDU/CSU 29 .04 .2016 Held, Marcus SPD 29 .04 .2016 Holmeier, Karl CDU/CSU 29 .04 .2016 Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Klingbeil, Lars SPD 29 .04 .2016 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Kühn-Mengel, Helga SPD 29 .04 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 29 .04 .2016 Lotze, Hiltrud SPD 29 .04 .2016 Ludwig, Daniela CDU/CSU 29 .04 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 29 .04 .2016 Middelberg, Dr . Mathias CDU/CSU 29 .04 .2016 Müller, Bettina SPD 29 .04 .2016 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Scheuer, Andreas CDU/CSU 29 .04 .2016 Schulte, Ursula SPD 29 .04 .2016 Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 29 .04 .2016 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 29 .04 .2016 Thönnes, Franz SPD 29 .04 .2016 Ulrich, Alexander DIE LINKE 29 .04 .2016 Veit, Rüdiger SPD 29 .04 .2016 Veith, Oswin CDU/CSU 29 .04 .2016 Vogt, Ute SPD 29 .04 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 29 .04 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 29 .04 .2016 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 29 .04 .2016 Whittaker, Kai CDU/CSU 29 .04 .2016 Wicklein, Andrea SPD 29 .04 .2016 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 29 .04 .2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 201616628 (A) (C) (B) (D) Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Empfehlung des Peti- tionsausschusses Sammelübersicht 289 (Druck- sache 18/8092) zur Petition 4-18-11-81503-001721 (Tagesordnungspunkt 26) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich stimme für die Petition von Inge Hannemann, und damit stimme ich heute mit weiteren 90 000 Unterstützerinnen und Unter- stützer dieser Petition zu . Ich stimme für die Petition von Frau Hannemann, weil man von Hartz IV nicht leben kann . Genau das ist aber von der Mehrheit der hier im Bun- destag vertretenen Parteien politisch gewollt: Hartz IV heißt Armut und Entbehrung per Gesetz . Deshalb hat Die Linke als einzige Partei von Anfang an Nein dazu gesagt . Ich stimme dafür, Sanktionen abzuschaffen, weil im vergangenen Jahr in den Amtsstuben der Jobcenter und der Optionskommunen knapp eine Million Mal Sank- tionen verhängt wurden: 416 292 Menschen wurden 2015 erstmals mit der Kürzung des Existenzminimums bestraft . Die meisten davon nur wegen Meldeversäum- nissen . Einem nackten Menschen kann man nicht in die Ta- sche greifen . Aber wissen Sie, was diese Zahl bedeutet? Genau das . Einem von 200 Menschen in diesem reichen Land wurde 2015 noch einmal in die Tasche gegriffen, obwohl man mit Hartz IV eh nichts in der Tasche hat . 108 Euro waren das im Durchschnitt . Einem von 200 Menschen in unserem Land wurde 2015 damit das Existenzminimum verweigert, einem von 200 Menschen wurden die Menschenrechte gekürzt . Das darf nicht sein . Darum stimme ich für die Petition . Inge Hannemann zitiert in ihrer Petition das Bundes- verfassungsgericht: Das Existenzminimum gehört zur Menschenwürde . Es ist ein unverfügbares Grundrecht und muss zu jeder Zeit garantiert werden . Richtig, sage ich, und deshalb stimme ich heute gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses . Der Sozialstaat soll die Menschenwürde schützen und soll vor Zukunftsängsten schützen . Doch die Sanktionen bewirken das genaue Gegenteil, sie machen Angst . An dieser Angst haben die Arbeitgeber in den Jahren seit der Einführung von Hartz IV nicht schlecht verdient: Die Zunahme von Leiharbeit und Niedriglöhnen seit der Einführung von Hartz IV wäre ohne Sanktionen kaum möglich gewesen . Deshalb ist meine Stimme für die Petition zur Ab- schaffung der Sanktionen auch eine Stimme für gute Ar- beit und gute Löhne . Cornelia Möhring (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Dass die Petition von Frau Hannemann mit Ablehnung abgeschlossen wurde, ist ein Armuts- zeugnis . Die Petentin und mit ihr die 90 000 Unterstütze- rinnen und Unterstützer der Petition fordern die Abschaf- fung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . Hierbei geht es um nicht weniger als die Achtung der Menschenwürde: Die Ga- rantie des menschenwürdigen Existenz- und Teilhabemi- nimums ist ein in Artikel 1 und 20 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verankertes Grundrecht jedes Menschen, der sich in Deutschland aufhält. Das Sozialstaatsgebot verpflich- tet den Staat, dieses Grundrecht zu gewährleisten . Die Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzmini- mums durch Sanktionen verletzt dieses Grundrecht . Was diese Verletzung für den Alltag der von Sanktio- nen betroffenen Menschen bedeutet, hat Frau Hannemann als langjährige Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Ham- burg in der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschus- ses eindrücklich geschildert: Sanktionen entwürdigen die Leistungsberechtigten, sie bedeuten im Effekt Elend und Ausschluss . Sanktionen erzeugen Zukunftsängste, sind psychisch stark belastend . Verlust von Selbstvertrauen, Schlafstörungen oder Depressionen sind keine seltenen Erscheinungen . Viele Betroffene werden mit der Situati- on nicht fertig und werden krank . Insbesondere bei jun- gen Erwachsenen nehmen Sanktionen sogar Wohnungs- losigkeit in Kauf . Nicht selten führen Sanktionen in die soziale Isolation, weil mit Rückzug aus dem eigenen Umfeld reagiert wird . Oftmals verschulden sich sanktio- nierte Menschen, um überhaupt noch halbwegs über die Runde zu kommen . Sanktionen werden – so hat es auch Hannemann in der öffentlichen Sitzung ausgeführt – von den Betroffenen als Strafen verstanden; Strafen für ein Verhalten, welches die Jobcenter als falsch bewerten . Sanktionen behandeln damit erwachsene Menschen wie unmündige Kleinkin- der, denen ein Erziehungsberechtigter sagt, was es zu tun und zu lassen hat . Das Jobcenter wird im Auftrag des Gesetzgebers zu einem „Erziehungsberechtigten“ . Eine Funktion, die dem Jobcenter nicht zukommt, denn: Leis- tungsberechtigte sind keine unmündigen Kinder, son- dern vollwertige Mitbürgerinnen und Mitbürger, deren Würde und Autonomie zu respektieren ist . Hannemann macht das Problem konkret deutlich: Leistungsberech- tigte haben vielfach gute Gründe, den Anforderungen der Jobcenter nicht nachzukommen, sei es die x-te als sinnlos empfundene, aber trotzdem vom Jobcenter auf- erlegte Maßnahme, sei es der berechtigte Widerstand ge- gen einen nicht existenzsichernden Job . Hannemann sagt zu Recht: Die betroffenen Menschen wissen selbst am besten, welche Maßnahmen hilfreich und nützlich sind und welche Auflagen ihrer Würde widersprechen. Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen Anstrengun- gen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bü- rokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Jobcentern massiv an Zeit und Empathie für das Eingehen auf die individuellen Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen . Hilfe und Unterstützung statt Gängelung und Entwürdigung – das ist das Leitmo- tiv von Inge Hannemann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16629 (A) (C) (B) (D) Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr aus- gesprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sanktion um über 100 Euro reduziert . Wird mit diesen beiden Eckdaten gerechnet, so spart die öffentliche Hand Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthalte- nen Leistungen . Der Staat spart damit auf Kosten der Hartz-IV-Berechtigten, auf Kosten also von Menschen, die in Armut leben . Sanktionen unterschreiten Leistungen, die bereits un- abhängig von den Kürzungen bereits viel zu gering sind . Ein Leben in Hartz IV bedeutet – politisch gewollt – ein Leben in Armut und Entbehrung . Eine Kürzung dieser bereits unzureichenden Leistung führt zu erheblichen sozialen Verwerfungen . Diese die Würde des Menschen verachtende Praxis muss endlich ein Ende haben . Kersten Steinke (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Gründen die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 91 500 Menschen haben die Petition unterstützt . Frau Hannemann hat in einer öffentlichen Sitzung des Petiti- onsausschusses aus ihrer Erfahrung als langjährige Mit- arbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich ge- macht, dass Sanktionen die Leistungsberechtigten nicht nur entwürdigen, sondern auch Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Dieser Argumen- tation und der Forderung der Petition kann ich mich aus Gesprächen mit Betroffenen nur anschließen . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausge- sprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sank- tion um über 100 Euro reduziert . Dadurch kann der Staat Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthaltenen Leistungen auf Kosten der Ärmsten sparen . Sanktionen stellen eine Unterschreitung des men- schenwürdigen Existenzminimums dar . Es ist nicht zu akzeptieren, wenn in einem reichen Land wie Deutsch- land Menschen – trotz anerkannter Hilfebedürftigkeit – existentieller Not bis hin zu Obdachlosigkeit ausgesetzt werden . Mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht wird ausgeführt, dass die Garantie des menschenwürdi- gen Existenzminimums durch die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot ein zwingender Auftrag an den Staat ist . Das Existenzminimum ist stets und zu jeder Zeit zu garantieren, so die Urteile . Mit diesem Grundrecht ist eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenz- minimums durch Sanktionen nicht zu vereinbaren . Diese Einschätzung der Petentin wird mittlerweile auch geteilt von dem Sozialgericht Gotha (S 15 AS 5157/14) . Das Sozialgericht führt die verfassungsrechtlichen Beden- ken an den Sanktionsregeln bei Hartz IV aus und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt . Mehr als jeder dritte Widerspruch und 40 Pro- zent aller Klagen gegen Hartz-IV-Sanktionen bekommen Recht . Sanktionen sind für die Betroffenen Strafen . Sanktio- nen behandeln damit erwachsene Menschen wie unmün- dige Kleinkinder, denen ein Erziehungsberechtigter sagt, was es zu tun und zu lassen hat . Das Sanktionsregime unterstellt, dass die Erwerbslosigkeit und die Hilfebe- dürftigkeit der Betroffenen in erster Linie ein Ergebnis falschen Verhaltens sei und durch Sanktionsandrohungen korrigiert werden könne . Das Jobcenter wird im Auftrag des Gesetzgebers zu einem ,,Erziehungsberechtigten“ . Eine Funktion, die dem Jobcenter nicht zukommt, denn: Leistungsberechtigte sind keine unmündigen Kinder, sondern vollwertige Mitbürgerinnen und Mitbürger, de- ren Würde und Autonomie zu respektieren ist . Die Pe- tentin macht das Problem konkret deutlich: Leistungsbe- rechtigte haben vielfach gute Gründe, den Anforderungen der Jobcenter nicht nachzukommen, sei es die x-te als sinnlos empfundene, aber trotzdem vom Jobcenter auf- erlegte Maßnahme, sei es der berechtigte Widerstand ge- gen einen nicht existenzsichernden Job . Hannemann sagt zu Recht: Die betroffenen Menschen wissen selbst am besten, welche Maßnahmen hilfreich und nützlich sind und welche Auflagen ihrer Würde widersprechen. Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen Anstrengun- gen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bü- rokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Jobcentern massiv an Zeit und Empathie für das Eingehen auf die individuellen Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen . Hilfe und Unterstützung statt Gängelung und Entwürdigung – das ist das Leitmo- tiv von Inge Hannemann, denn Arbeitslosigkeit ist das Ergebnis der strukturellen Probleme des Kapitalismus . Betroffene werden zu Tätern der Arbeitsmarktkrise um- gedeutet . Zudem blendet das Aktivierungskonzept aus, dass Hartz-IV-Leistungsberechtigte bereits jetzt vielfäl- tig aktiv sind – sie gehen bereits Erwerbsarbeit nach (so- genannte Aufstocker), sie leisten Erziehungs- oder Pfle- gearbeit, sie sind ehrenamtlich aktiv . Sie suchen aktiv nach Erwerbsarbeit . Die Bereitschaft zur Erwerbsarbeit muss ihnen nicht aufgezwungen werden . Im Gegenteil: Die Betroffenen empfinden die Erwerbslosigkeit als Ausschluss aus einem wichtigen Aspekt der sozialen Teilhabe . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ich stimme der Ablehnung der Petition von Inge Hannemann nicht zu . Es gibt gute Gründe, die Sanktionsregelung bei Hartz IV (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII) abzuschaffen . Mit 90 000 Stimmen für die Petition war das Quorum für eine öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses deut- lich überschritten – was die gesellschaftliche Brisanz und das hohe Interesse der Bürgerinnen und Bürger zeigt . Sanktionen bewirken, dass das menschenwürdige Existenz- und Teilhabeminium unterschritten wird und Menschen in Not in noch größere Not gezwungen wer- den, Unterversorgung und drohende Obdachlosigkeit in- klusive . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausgesprochen . Mit Bezug auf das Bundesverfassungs- gericht führt die Petentin mit Recht aus, dass das men- schenwürdige Existenzminimum durch die Menschen- würde und das Sozialstaatsgebot zwingender Auftrag des Staates ist . Auch einer juristischen Prüfung hält die Sanktionspra- xis oft nicht stand, wie kürzlich eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katja Kipping zeigte . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 201616630 (A) (C) (B) (D) Sanktionen entmündigen die von Hartz IV und So- zialhilfe betroffenen Menschen und despektieren deren Würde und Autonomie . Statt Hilfe und Unterstützung er- fahren sie einen bürokratischen Apparat, der sie maßre- gelt und gängelt . Sanktionen führen stärker zu sozialem Rückzug, belasten den gesundheitlichen Zustand und die subjektive Befindlichkeit der Sanktionierten, wie eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zu Ursa- chen und Auswirkungen von Sanktionen bei Hartz IV und Sozialhilfe aufzeigt, die im Auftrag des Ministeri- ums für Arbeit, Integration und Soziales, NRW, erstellt wurde . Die Sanktionspraxis unterstellt den Menschen in Hartz IV und Sozialhilfe, dass sie durch eigenes falsches Verhalten in diese Hilfebedürftigkeit geraten sind oder verbleiben . Die Sanktionen nehmen den Menschen das Recht, Nein zu sagen – zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen, -zeiten oder zu geringen Löhnen, und zermürbt sie . Die Konzessionsbereitschaft – also die Bereitschaft dahin gehend, Zugeständnisse zu machen, steigt. Profiteure dieser Praxis sind bekanntlich die Leiharbeitsfirmen, die die Betroffenen in nicht nachhaltige Jobs und prekäre Le- benssituationen trotz Arbeit zwingen . Wie schon in unserem Antrag „Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozial- hilfe abschaffen“ (18/1115) dargelegt, sind Sanktionen nicht nur in Bezug auf Demokratie und Verfassungsrecht abzulehnen, sie sind überdies arbeitsmarktpolitisch gera- dezu sinnlos . Katrin Werner (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Grün- den die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 90 000 Menschen habe die Petition unterstützt . Damit war das Quorum für eine öffentliche Sitzung des Petiti- onsausschusses deutlich überschritten . Frau Hannemann hat in dieser öffentlichen Sitzung aus ihrer Erfahrung als langjährige Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich gemacht, dass Sanktionen die Leistungsberech- tigten entwürdigen und im Effekt Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Dieser Argumen- tation und der Forderung der Petition kann ich mich mit meinen eigenen Erfahrungen nur anschließen . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausge- sprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sank- tion um über 100 Euro reduziert . Wird mit diesen beiden Eckdaten gerechnet, so spart die öffentliche Hand Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthaltenen Leis- tungen . Der Staat spart damit auf Kosten der Ärmsten, auf Kosten der Hartz-IV-Berechtigten und ihrer Kinder . Das Sanktionsregime unterstellt, dass die Erwerbs- losigkeit und die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen selbstverschuldet seien . Die falschen Verhaltensweisen, so die Unterstellung weiter, könne durch „Aktivierung“, durch Sanktionsandrohungen korrigiert werden . Diese Vorstellung geht an der Wirklichkeit vorbei . Zunächst ignoriert die Idee der Aktivierung die Tatsache, dass Ar- beitslosigkeit das Ergebnis der strukturellen Probleme des Kapitalismus ist . Stattdessen werden die Betroffe- nen zu den Verantwortlichen der Arbeitsmarktkrise um- gedeutet . Zudem blendet das Aktivierungskonzept aus, dass Hartz-IV-Leistungsberechtigte bereits jetzt viel- fältig aktiv sind – sie gehen bereits Erwerbsarbeit nach (sogenannte Aufstocker), sie leisten Erziehungs- oder Pflegearbeit, sie sind ehrenamtlich aktiv, sie suchen aktiv nach Erwerbsarbeit . Die Bereitschaft zur Erwerbsarbeit muss ihnen nicht aufgezwungen werden . Im Gegenteil: Die Betroffenen empfinden die Erwerbslosigkeit als Aus- schluss aus einem wichtigen Aspekt der sozialen Teilha- be . Die Vorstellung einer „Hängemattenmentalität“ bei den Betroffenen, die quasi mit Gewalt ausgetrieben wer- den müsse, geht an der Wirklichkeit vorbei und befördert soziale Diskriminierung und Stigmatisierung . Birgit Wöllert (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann – mit der Forderung, die Normen im Zweiten Buch Sozialgesetz- buch und im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ersatzlos zu streichen, die Möglichkeiten von Sanktionen bzw . Leistungseinschränkungen vorsehen – kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Gründen die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 91 500 Menschen haben die Petition unterstützt . Frau Hannemann hat in einer öffentlichen Sitzung des Petiti- onsausschusses aus ihrer Erfahrung als langjährige Mit- arbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich ge- macht, dass Sanktionen die Leistungsberechtigten nicht nur entwürdigen, sondern auch Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Sanktionen stellen eine Unterschreitung des men- schenwürdigen Existenzminimums dar . Es ist nicht zu akzeptieren, wenn in einem reichen Land wie Deutsch- land Menschen – trotz anerkannter Hilfebedürftigkeit – existentieller Not bis hin zu Obdachlosigkeit ausgesetzt werden . Mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht wird ausgeführt, dass die Garantie des menschenwürdi- gen Existenzminimums durch die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot ein zwingender Auftrag an den Staat ist . Das Existenzminimum ist stets und zu jeder Zeit zu garantieren, so die Urteile . Mit diesem Grundrecht ist eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenz- minimums durch Sanktionen nicht zu vereinbaren . Diese Einschätzung der Petentin wird mittlerweile auch vom Sozialgericht Gotha (S 15 AS 5157/14) geteilt . Das So- zialgericht führt die verfassungsrechtlichen Bedenken an den Sanktionsregeln bei Hartz IV aus und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorge- legt . Zudem sind Hartz-IV-Sanktionen grundrechtswid- rig, weil sie das ohnehin zu geringe Existenzminimum kürzen . Sie verletzen das Recht auf Berufsfreiheit, weil schon die Sanktionsandrohung einen faktischen Zwang ausübt, einer nicht frei gewählten Arbeitstätigkeit nach- zugehen . Hinzu kommt, dass jedem dritten Widerspruch und 40 Prozent aller Klagen gegen Hartz-IV-Sanktionen stattgegeben wird . Hier entstehen hohe Kosten, die bei Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16631 (A) (C) (B) (D) Abschaffung der Sanktionen wirksamen arbeitsmarktpo- litischen Maßnahmen zugutekommen könnten . Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen An- strengungen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bürokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern der Jobcenter massiv an Zeit, um auf die individuel- len Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen einzugehen . Menschen, die von Sanktionen betroffen sind, haben nur selten die Möglichkeit, die finanziellen Einbußen zu überbrücken . Die Folgen sind abzusehen und belegt: Durch Leistungskürzungen werden Betroffene in die so- ziale Isolation getrieben, der Weg zurück auf den Arbeits- markt und in die Mitte der Gesellschaft wird erschwert oder gar verhindert . Viele, besonders junge Erwerbslose, brechen nach Sanktionserfahrungen ihren Kontakt zu den zuständigen Behörden ab und verschwinden damit sowohl aus der Statistik als auch aus den öffentlichen Unterstützungssystemen . Positive Effekte auf den Ar- beitsmarkt sind dagegen nicht spürbar . Aus den vorgenannten Gründen stimme ich gegen die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses, das Peti- tionsverfahren abzuschließen . Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Die Petition von Frau Hannemann verfolgt ein richtiges Ziel . Der Hartz-IV-Regelsatz soll das Existenzminimum sichern . Der Regelsatz ist ohnehin schon viel zu knapp bemessen . Davon sollen Menschen das bezahlen, was sie zu ihrer Existenz, also zum Nötigsten, brauchen . Von diesem Geld darf grundsätzlich nichts mehr weggekürzt werden . Denn das bedeutet, Menschen staatlicherseits in existentielle Not zu stoßen . Die Jobcenter verhängen Sanktionen für geringfügig- ste Regelverletzungen, in den meisten Fällen dafür, dass Termine versäumt wurden . Wir wissen von Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern der Jobcenter, dass Sanktionen eingesetzt werden, um die Ausgaben der Jobcenter zu reduzieren . Das führt zusätzlich zu einer exzessiven An- wendung von Sanktionen . Dass diese rechtlich oft nicht gerechtfertigt sind, beweist die hohe Zahl von erfolgrei- chen Widersprüchen und Klagen . Und dabei kennen bei Weitem nicht alle Betroffenen ihre Rechte und wissen, dass sie Einspruch erheben können . Das Sanktionsregime bedeutet deshalb andauernde Rechtsbrüche durch eine staatliche Einrichtung . Es soll Menschen Angst machen und sie gefügig machen, damit sie jeden noch so schlechten Job annehmen, der ihnen an- geboten wird . Dieses Vorgehen ist einer Demokratie un- würdig . Es ist ein dauernder Angriff auf die Menschen- würde . Frau Hannemann hat mit ihrem Anliegen daher vollkommen Recht . Hartz IV und sein Sanktionsregime gehören abgeschafft . Wir brauchen eine sanktionsfreie soziale Mindestsicherung, die ein Leben in Würde er- möglicht . Es stünde dem Bundestag gut zu Gesicht, sich für die Grundrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern un- seres Landes einzusetzen, die unter dem Hartz-IV-Sank- tionsregime existenziell zu leiden haben . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 944 . Sitzung am 22 . April 2016 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezoge- nen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU so- wie zur Ausführung der entsprechenden Vor- gaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) – Gesetz zu dem Vertrag vom 28. April 2015 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zu- sammenarbeit und zur Änderung des Vertrages vom 2. Februar 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung – Gesetz zu dem Vertrag vom 24. Oktober 2014 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Nutzung und Verwaltung des Küstenmeers zwischen 3 und 12 Seemeilen – … Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 Drucksachen 18/7983, 18/8129 Nr. 1.1 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezem- ber 2015 Drucksachen 18/7984, 18/8129 Nr. 1.2 Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zwölfter Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2009 und 2010 Drucksachen 17/6236, 18/641 Nr. 1 16632 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2011 und 2012 Drucksachen 17/14424, 18/641 Nr. 22 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2013 und 2014 Drucksachen 18/4532, 18/4732 Nr. 2 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energi- en-Wärmegesetz (EEWärmeG-Erfahrungsbericht) Drucksachen 17/11957, 18/770 Nr. 15 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Erfahrungsbericht zum Erneuerba- re-Energien-Wärmegesetz (2. EEWärmeG-Erfah- rungsbericht) Drucksachen 18/6783, 18/6933 Nr. 1.5 Verteidigungsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014) Drucksachen 18/7410, 18/7605 Nr. 4 Ausschuss für Verkehr und digitale Agenda – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ÖPP-Projekte im Betrieb Drucksachen 18/6898, 18/7116 Nr. 2 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltbericht 2015 Auf dem Weg zu einer modernen Umweltpolitik Drucksachen 18/6470, 18/6605 Nr. 1.7 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Auswärtiger Ausschuss Dokumentennummer Drucksache 18/7733 Nr . A .1 Ratsdokument 5801/16 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Dokumentennummer Drucksache 18/7612 Nr . A .30 Ratsdokument 14992/15 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung Dokumentennummer Drucksache 18/7934 Nr . A .26 Ratsdokument 5857/16 168. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 24, ZP 6 u. 7 Tschernobyl und Fukushima – Risiken der Atomkraft TOP 25 Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa TOP 26 Petitionen zum Thema „Arbeitslosengeld II“ TOP 27 Vergabe von Wegenutzungsrechten zur Energieversorgung TOP 28 Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Philipp Lengsfeld


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine
    Rede zu diesem Thema mit einem Bekenntnis starten:
    Ich war tatsächlich schon immer gegen die Atomkraft .
    Zugegeben, meine Motivation als Jugendlicher war si-
    cherlich auch ein Stück weit politisch geprägt; denn ich
    bin in Ostberlin eher SED-kritisch aufgewachsen, und in
    den Jahren vor dem Mauerfall waren die Genossen von
    der SED noch nicht die stringenten Atomkraftgegner, als
    die sie sich heute darstellen .


    (Christian Haase [CDU/CSU]: Ah, Wendehälse!)


    Aber da bis auf die Grünen alle Fraktionen hier im Haus
    eine Lernkurve durchgemacht haben, will ich da weder
    zu streng noch zu einseitig sein .

    Ich habe meine Haltung auch im Studium der Physik,
    während der Promotion oder in späteren Lebensabschnit-
    ten nicht grundlegend geändert . Dies hat natürlich auch
    sehr gute Gründe . Sie sind hier genannt worden . Ich wie-
    derhole sie: Die Atomkraft hat das Sicherheitsproblem –
    gar keine Frage –, wie unter anderem die Katastrophen
    von Tschernobyl und Fukushima unterstrichen haben .
    Die Atomkraft hat das Problem der Lagerung der langle-
    bigen Abfälle; auch das ist erwähnt worden . Jedes Pro-
    blem ist für sich sehr gravierend . In der Kombination ist
    die Technik tatsächlich unattraktiv und nicht mehr zeit-
    gemäß . Das gilt für die Kernfusion übrigens nicht .

    Aber ich möchte hier trotzdem für mehr Augenmaß
    in der deutschen Debatte werben . Dazu muss ich noch
    einmal einige Gedanken auf die beiden schon erwähnten
    Katastrophen verwenden . Natürlich muss bei einer Erin-
    nerung immer auch eine Analyse erfolgen .

    Starten wir mit Tschernobyl, der Reaktorkatastrophe
    in der Sowjetunion . Hier erscheint mir die momentane
    deutsche Erinnerung größtenteils doch recht einseitig;
    denn diese Katastrophe hat nicht nur die Probleme der
    Atomkraft verdeutlicht, sondern in genauso krasser Wei-
    se die Schwächen und Unmenschlichkeiten des sowjet-
    kommunistischen Systems aufgedeckt . Auch daraus
    kann man etwas lernen .


    (Beifall des Abg . Dr . Georg Nüßlein [CDU/ CSU])


    Der Sowjetkommunismus hat immer seine Wissen-
    schaftlichkeit betont . Der gesamte Ostblock wurde durch
    Ingenieure und durch eine ingenieursgeprägte Weltsicht
    dominiert . Die Natur war etwas – das kann man zum Bei-
    spiel in einem der schlechteren Brecht-Gedichte nachle-
    sen –, was sich der neue Sowjetmensch untertan macht .
    Die Atomkraft war die fast perfekte Energieform für die-
    se Art Weltsicht . Aber diese Überheblichkeit gepaart mit
    Herrschaftswissen, totaler Intransparenz und einer nicht
    gewünschten, oft aktiv unterdrückten Verantwortungs-
    und Fehlerkultur führte in der Nacht zum 26 . April 1986
    direkt in die Katastrophe . Der Unfall von Tschernobyl
    war nämlich die Folge eines geplanten Testexperiments –
    mein Kollege hat es erwähnt – am gerade einmal drei
    Jahre alten Reaktor .

    Leider hatte diese neue Generation von sowjetischen
    grafitmoderierten Siedewasserreaktoren inhärente De-
    signschwächen, die aber ein wohlgehütetes Geheimnis
    waren . Diese Schwächen offenbarten sich in der Phase
    der Vorbereitung des Experiments . Statt aber abzubre-
    chen, überbrückte das Personal mehrere Sicherheitsstre-
    cken, um das von oben gewünschte Experiment durch-
    führen zu können . Trotz zunehmender, immer ernsterer
    Warnsignale wurde der aufwendige Test nicht etwa abge-
    blasen, sondern letztlich gestartet, und damit wurde der
    Reaktor direkt in die Luft gejagt .

    Auch in unmittelbarer Reaktion kam es zu katastro-
    phalen behördlichen Fehlleistungen . Es wurde versucht,
    die Katastrophe in der systemüblichen Art zu vertuschen .
    Evakuierungen fanden zu zaghaft und viel zu spät statt .
    Die 1 .-Mai-Parade in Kiew fand statt trotz massiver Risi-
    ken und Belastungen der Bevölkerung . Die Katastrophe
    von Tschernobyl, ihre Vor- und Nachgeschichte sind ein
    wesentlicher Grund, warum das Sowjetsystem wenige
    Jahre später zerbrochen ist .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Reden Sie mal über Fukushima!)


    Der Unfall von Fukushima stellt sich dagegen doch et-
    was anders dar . Ja, auch die Katastrophe von Fukushima
    hat die Schwächen der Atomkraft brutal aufgedeckt – gar
    keine Frage –: ein sehr unwahrscheinliches Restrisiko –
    aber es ist nun einmal vorhanden –, nämlich die Kombi-
    nation von Erdbeben und Tsunami, die nicht genügende
    Redundanz der Sicherung der Kühlsysteme des sehr alten
    Reaktors und die Grundcharakteristika der Technik .

    Trotzdem, Frau Kollegin Kotting-Uhl, ist die Bilanz
    hier eine völlig andere . Der Unfall von Fukushima war
    ein Kollateralschaden einer gigantischen Tsunamikata-
    strophe – das wurde hier gar nicht in dieser Deutlichkeit
    gesagt –, die circa 18 000 Menschen in Japan das Le-
    ben gekostet hat . Und: Die japanischen Behörden haben
    ganz anders reagiert als die sowjetischen . Vielleicht hät-
    te man es noch besser machen können, aber sie haben
    konsequent evakuiert; sie haben konsequent Jodtabletten
    verteilt .


    (Ulli Nissen [SPD]: Das hilft uns ja weiter! Also: Jodtabletten für alle! – Weiterer Zuruf von der SPD: Super!)


    Marco Bülow






    (A) (C)



    (B) (D)


    – Ja, es ist einfach so .


    (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der atomare Tod kommt langsam!)


    Ohne Fukushima in irgendeiner Weise kleinreden zu
    wollen: Es muss konstatiert werden, dass zumindest nach
    aktuellem Kenntnisstand auch fünf Jahre nach der Kata-
    strophe kein Todesfall auf die Verstrahlung im Zuge des
    Unfalls zurückzuführen ist .

    Warum diskutiere ich diese Punkte so ausführlich?
    Weil es niemandem nützt, wenn man eine Technik ein-
    fach nur dämonisiert und nicht auch den zwingend not-
    wendigen abgewogenen und umsichtigen Umgang mit
    jeglicher Technik mitdenkt . Es reicht nicht, immer nur
    auf einer Technik herumzuhacken .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wenn es auch mancher nicht hören will: Radioaktivi-
    tät ist auch ein natürlicher Prozess . Gammastrahlen sind
    Teil des elektromagnetischen Spektrums .


    (Ulli Nissen [SPD]: Oh Mann! Ich kriege gleich eine Krise!)


    Strahlenschutz und Reaktorsicherheit genügen physika-
    lischen Gesetzen,


    (Ulli Nissen [SPD]: Wo sind wir denn heute?)


    die eigentlich leicht zu verstehen sind, meine lieben Kol-
    leginnen und Kollegen . Wir sollten deshalb weg von Pa-
    nikmache


    (Ulli Nissen [SPD]: Panikmache?)


    und hin zu rationalen Abwägungen .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Auf Basis von diffusen, teils völlig irrationalen deut-
    schen Ängsten werden wir mit anderen Nationen nicht
    auf Augenhöhe verhandeln können .

    Gehen wir in diesem Licht die im Zusammenhang mit
    den Jahrestagen der beiden Reaktorkatastrophen disku-
    tierten Themen, die hier heute immer erwähnt wurden,
    noch einmal durch:

    Starten wir mit den Reaktoren unserer Nachbarn! In
    den Verhandlungen mit unseren Nachbarländern mit dem
    völlig berechtigten Anliegen, überalterte Reaktoren ab-
    zuschalten, müssten wir eigentlich nicht nur appellieren,
    sondern zahlen . Ich sage mal: 1 Milliarde Euro, 2 Milli-
    arden Euro aus der jährlichen 25-Milliarden-EEG-Um-
    verteilung wären sicherlich sehr hilfreich und könnten
    bestimmte Denkprozesse stark beschleunigen . Aber dies
    ist momentan natürlich weder politisch noch rechtlich
    abzubilden . Nachdenken sollten wir darüber vielleicht
    trotzdem .


    (Ulli Nissen [SPD]: Ja, nachdenken sollte man, bevor man eine solche Rede hält!)


    Auch der sehr zügige massive Ausbau von Wind- und
    Solarenergie in diesem Land hilft nicht – Herr Krischer,
    da können Sie noch so sehr den Kopf schütteln –, son-
    dern ist eine zusätzliche Belastung auch in diesen Ver-

    handlungen; denn er macht unser Netz instabiler und un-
    sere Abhängigkeit von den Nachbarnetzen größer .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Versorgungssicherheit ist auch ein Sicherheitsthema .
    Ein größerer Blackout in Deutschland oder Europa


    (Ulli Nissen [SPD]: Wo planen Sie das Atomkraftwerk?)


    wäre keine Unbequemlichkeit, sondern eine Katastrophe
    größeren Ausmaßes . Deshalb können wir zum Beispiel
    in den Fragen der Atomverträge nicht wie der Elefant im
    Porzellanladen agieren .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Wer ist der Elefant im Porzellanladen? Das sind doch Sie!)


    Zuletzt zur Forschung; Frau Kotting-Uhl, Sie warten
    schon darauf . Ich bin der festen Überzeugung


    (Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, was hilft es uns?)


    – Ihnen hilft das nicht, aber vielleicht anderen im Land –,


    (Marco Bülow [SPD]: Eltern, die ihre Kinder durch Schilddrüsenkrebs verlieren, werden sich bestimmt damit trösten!)


    dass auch in Zukunft eine sichere, also auch versorgungs-
    sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung aus
    einem Mix bestehen wird . Aber selbst wenn dem nicht
    so wäre, selbst wenn Sie mit Ihrem 100-Prozent-Glau-
    ben recht hätten: Es ist keine gute Portfoliopolitik, alles
    auf eine Karte zu setzen – erst recht nicht in einem For-
    schungsportfolio .


    (Ulli Nissen [SPD]: Sie planen den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg, oder?)


    Deshalb: Finger weg von der Sicherheitsforschung!
    Finger weg von den kleinen Resten der Kernforschung!
    Und vor allem: Finger weg von der Fusionsforschung!

    Vielen Dank .


    (Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Unglaublich diese Rede! Unglaublich! – Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Selbst den eigenen Leuten peinlich!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zur Abstimmung über die vorlie-
genden Anträge . Unter dem Tagesordnungspunkt 24 a
geht es um die Abstimmung über den Antrag der Koa-
litionsfraktionen auf Drucksache 18/8239 mit dem Titel
„Tschernobyl und Fukushima mahnen – Verantwortungs-
bewusster Umgang mit den Risiken der Atomkraft und
weitere Unterstützung der durch die Reaktorkatastro-
phen betroffenen Menschen“ . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von
Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Dr. Philipp Lengsfeld






(A) (C)



(B) (D)


Unter dem Punkt 24 b unserer Tagesordnung stimmen
wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf der
Drucksache 18/8266 ab .

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf der Drucksache 18/7875 mit dem Titel
„Risiko-Reaktoren abschalten – Atomausstieg in Europa
beschleunigen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf der Drucksache 18/7656 mit dem Titel „30 Jahre
Tschernobyl, 5 Jahre Fukushima – Atomausstieg konse-
quent durchsetzen“ . Wer stimmt der Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Auch hier ist mit den gleichen Mehrheiten
die Beschlussempfehlung angenommen .

Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung, hier
auf der Drucksache 18/8266, empfiehlt der Ausschuss
die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/7668 mit dem Titel „Atom-
kraftwerk Cattenom sofort abschalten“ . Wer stimmt die-
ser Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Mit der gleichen Mehrheit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .

Unter dem Zusatzpunkt 6 geht es um die Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Keine öffentli-
chen Forschungsgelder für den Wiedereinstieg in atoma-
re Technologien – 6 . Energieforschungsprogramm voll-
ständig in Richtung Energiewende weiterentwickeln“ .
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/8262, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/5211 abzuleh-
nen . Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch hier ist die
Beschlussempfehlung mit Mehrheit der Koalition gegen
die Stimmen der Opposition angenommen .

Schließlich wird unter Zusatzpunkt 7 interfraktionell
die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/8242 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist einver-
nehmlich, und damit ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Weiterentwicklung der Konzeption zur Er-
forschung, Bewahrung, Präsentation und
Vermittlung der Kultur und Geschichte der
Deutschen im östlichen Europa nach § 96 des
Bundesvertriebenengesetzes

Drucksache 18/7730

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss

Auch hierzu soll nach einer interfraktionellen Verein-
barung 60 Minuten debattiert werden .

Wenn diejenigen, die daran in besonderer Weise be-
teiligt sind, Platz genommen haben, eröffne ich die Aus-
sprache . Ich erteile das Wort der Staatsministerin Monika
Grütters .


(Beifall bei der CDU/CSU)


M
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Monika Grütters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)



    Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
    ren Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kennen Sie ja
    das schmale Büchlein Reisende auf einem Bein, das Her-
    ta Müller nach ihrer Flucht aus Rumänien vor 28 Jahren
    veröffentlicht hat . Es ist ein Buch über das Gefühl des
    Fremdseins fern der Heimat, über das Aufbrechenmüssen
    und das Nicht-ankommen-Können, über den Verlust des
    Gleichgewichts, wenn man mit dem Standbein noch im
    früheren Leben steht . Reisende auf einem Bein waren die
    Heimatvertriebenen und später auch die deutschstämmi-
    gen Aussiedler aus dem östlichen Europa. Die Pflege des
    Kulturguts ihrer Herkunftsgebiete, im Bundesvertriebe-
    nengesetz festgeschrieben als eine gemeinsame staatli-
    che Aufgabe von Bund und Ländern, half ihnen dabei,
    am Ende dann doch mit beiden Beinen in der neuen Hei-
    mat anzukommen .

    Bis heute ist es ein wichtiges Anliegen, das reiche kul-
    turelle Erbe der Deutschen im östlichen Europa zu be-
    wahren, zu erforschen und zu vermitteln, so wie es § 96
    des Bundesvertriebenengesetzes vorsieht . Die Mittel
    dafür kommen am Ende dann Archiven, Museen, For-
    schungsinstituten und mittlerweile vier Juniorprofessu-
    ren zugute . In meinem Etat hat die Förderung mit rund
    23,7 Millionen Euro im Jahr 2015 eine Höhe erreicht, die
    auch monetär unsere sehr große Wertschätzung für das
    gemeinsame kulturelle Erbe im östlichen Europa zum
    Ausdruck bringt .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Nicht zuletzt angesichts der EU-Beitritte der östlichen
    Nachbarstaaten – das ist ja eine Entwicklung, die sich
    erst im Verlauf der Anwendung dieses Paragrafen erge-
    ben hat – und der neuen Qualität der Zusammenarbeit
    geht es nun darum, die Förderkonzeption aus dem Jahr
    2000 – so alt ist sie nämlich schon – im europäischen
    Geist weiterzuentwickeln . Darauf haben sich die Regie-
    rungsparteien auch im Koalitionsvertrag verständigt . Wir
    möchten die Grundlage, die im demografischen Wandel
    Bestand hat und die getragen ist von unseren gewachse-
    nen Bindungen in Europa, neu formulieren .

    Dabei geht es erstens darum, den Erinnerungstransfer
    von einer Generation zur nächsten sicherzustellen . Das,
    was die Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur im
    Allgemeinen betrifft, bezieht sich auf das Thema Um-
    gang mit unseren östlichen Nachbarn und den Vertrie-
    benen der ersten Generation . Je weniger Zeitzeugen es

    Präsident Dr. Norbert Lammert






    (A) (C)



    (B) (D)


    gibt – auch aus diesem Bereich –, desto wichtiger wird
    eine professionelle und zeitgemäße Bildungs- und Öf-
    fentlichkeitsarbeit .

    Es geht zweitens darum, neue Partner zu finden und
    neue Zielgruppen zu erschließen . Neben Vertriebenen
    und Flüchtlingen sind das mittlerweile ganz besonders
    die Spätaussiedler, die eine starke gemeinschaftliche und
    gesellschaftliche Kraft geworden sind . Ihre Bedeutung
    soll sich unter anderem in der Erforschung und Vermitt-
    lung ihrer Kultur und Geschichte auch in regionalen Mu-
    seen spiegeln .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es geht drittens darum, europäische Kooperationen
    zu stärken . Sie wissen selbst um die Situation in vielen
    Ländern des östlichen Europas . Wer mit Partnern vor Ort
    kooperieren möchte, muss Geld mitbringen . Deswegen
    werden wir mehr Geld und Mittel in die Hand nehmen
    für unsere bundesgeförderten Museen, die Vermittlungs-
    und Forschungseinrichtungen .

    Schließlich geht es viertens darum, die Chancen der
    Digitalisierung auch in diesem Bereich zu nutzen . Sie ist
    hier wie überall wichtig . Wir wollen eine digitale Infra-
    struktur für die Wissenschaft und die Museen entwickeln .

    Guter Wille allein reicht natürlich nicht aus, um all
    das umzusetzen, was wir uns im Zusammenhang mit der
    Weiterentwicklung von § 96 des Bundesvertriebenenge-
    setzes vorgenommen haben . Sie, liebe Kolleginnen und
    Kollegen, haben mir bereits für das Jahr 2016 zusätzliche
    Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben, die zum Teil auch
    in diesen Politikbereich fallen, zur Verfügung gestellt .
    Dafür danke ich Ihnen, dem Hohen Haus, sehr . Doch wir
    brauchen mehr als ein einmaliges Signal: Wir brauchen
    einen dauerhaften Aufwuchs, um den gesamten Förder-
    bereich zukunftsorientiert aufzustellen . Dafür setze ich
    mich natürlich auch in den fortlaufenden Haushaltsbera-
    tungen ein .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Ebenso – auch das ist mir wichtig – setze ich mich
    für die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ein .
    Am 1 . April – das war ja erst vor kurzem – hat die pro-
    movierte Historikerin Gundula Bavendamm ihr Amt
    als neue Direktorin angetreten . Ich bin mir sicher, dass
    sie als durchsetzungsstarke, erfahrene und erfolgreiche
    Museumsmanagerin das Know-how mitbringt, um den
    weiteren Ausbau des für uns so wichtigen Ausstellungs-,
    Informations- und Dokumentationszentrums mit der
    notwendigen Überzeugungskraft engagiert und zügig
    voranzutreiben . Die Kollegin Lotze hat bei ihrer Vor-
    stellung gesagt: Die lässt sich die Butter nicht vom Brot
    nehmen . – Ich glaube, das ist in diesem Bereich und bei
    dieser Aufgabe eine ganz wichtige Eigenschaft . Sie hat
    das AlliiertenMuseum hervorragend geleitet . Deshalb
    freue ich mich, dass wir sie für diese wichtige Aufgabe
    gewinnen konnten .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Meine Hoffnung ist, meine Damen und Herren, dass
    uns die deutschen Erfahrungen mit Flucht und Vertrei-
    bung auch in besonderer Weise fähig machen zur Empa-

    thie mit Menschen, die heute hier bei uns in Deutschland
    Zuflucht suchen. Auch wenn man die Flucht aus Syrien,
    Irak oder Afghanistan heute aus vielerlei Gründen nicht
    direkt mit der Vertreibung aus Ostpreußen, Schlesien und
    Pommern vergleichen kann, so sind die Erfahrungen der
    „Reisenden auf einem Bein“, wie es Herta Müller aus-
    gedrückt hat, heute wie damals vielfach ähnlich . Gerade
    die Auseinandersetzung mit dem deutschen Kulturerbe in
    Mittel- und Osteuropa kann sehr wohl helfen, nicht nur
    die Geschichte ganz Europas besser zu verstehen, son-
    dern auch die Krisen und Konflikte, in deren Angesicht
    Europa sich heute in der Welt bewähren muss .

    Es geht um Themen, die Deutschland und Europa
    heute mehr denn je beschäftigen: um Fragen des Zusam-
    menlebens unterschiedlicher Kulturen, um Fragen der
    wechselseitigen Wahrnehmung und Anerkennung . Die
    Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundesvertrie-
    benengesetz ist damit aktueller denn je . Mit ihrer Wei-
    terentwicklung sorgen wir dafür, dass sie auch in Zu-
    kunft einen maßgeblichen Beitrag zum Zusammenhalt in
    Deutschland und in Europa leisten kann .

    Für Ihre Mitarbeit und Hilfe sind wir Ihnen dankbar .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)