1) Anlage 12
        Berichtigung
        151 . Sitzung, Seite 14854 A, letzter Absatz, dritter
        Satz, ist wie folgt zu lesen: „Zurzeit kann ich nur so viel
        sagen: Die Bundesregierung prüft aktuell die Einstufung
        von Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten
        im Sinne von § 29 a des Asylverfahrensgesetzes in Ver-
        bindung mit dem bekannten Artikel 16 a Absatz 3 unse-
        res Grundgesetzes .“
        Dr. Bärbel Kofler
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15033
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Albsteiger, Katrin CDU/CSU 28 .01 .2016
        Feiler, Uwe CDU/CSU 28 .01 .2016
        Fischer (Karlsru-
        he-Land), Axel E .
        CDU/CSU 28 .01 .2016
        Gleicke, Iris SPD 28 .01 .2016
        Gohlke, Nicole DIE LINKE 28 .01 .2016
        Groth, Annette DIE LINKE 28 .01 .2016
        Hardt, Jürgen CDU/CSU 28 .01 .2016
        Hitschler, Thomas SPD 28 .01 .2016
        Holzenkamp, Franz-
        Josef
        CDU/CSU 28 .01 .2016
        Hübinger, Anette CDU/CSU 28 .01 .2016
        Jantz, Christina SPD 28 .01 .2016
        Kühn (Tübingen),
        Christian
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        28 .01 .2016
        Launert, Dr . Silke CDU/CSU 28 .01 .2016
        Lühmann, Kirsten SPD 28 .01 .2016
        Mattfeldt, Andreas CDU/CSU 28 .01 .2016
        Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 28 .01 .2016
        Nahles, Andrea SPD 28 .01 .2016
        Nietan, Dietmar SPD 28 .01 .2016
        Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 28 .01 .2016
        Radomski, Kerstin CDU/CSU 28 .01 .2016
        Rawert, Mechthild SPD 28 .01 .2016
        Röring, Johannes CDU/CSU 28 .01 .2016
        Scheuer, Andreas CDU/CSU 28 .01 .2016
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Schlecht, Michael DIE LINKE 28 .01 .2016
        Schwabe, Frank SPD 28 .01 .2016
        Schwartze, Stefan SPD 28 .01 .2016
        Spahn, Jens CDU/CSU 28 .01 .2016
        Tank, Azize DIE LINKE 28 .01 .2016
        Thönnes, Franz SPD 28 .01 .2016
        Timmermann-Fechter,
        Astrid
        CDU/CSU 28 .01 .2016
        Veit, Rüdiger SPD 28 .01 .2016
        Wicklein, Andrea SPD 28 .01 .2016
        Woltmann, Barbara CDU/CSU 28 .01 .2016
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Katja Keul, Peter Meiwald, Uwe
        Kekeritz, Monika Lazar, Corinna Rüffer, Beate
        Müller-Gemmeke, Irene Mihalic und Dr. Wolfgang
        Strengmann-Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN) zu der namentlichen Abstimmung über die
        Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
        ses zu dem Antrag der Bundesregierung
        Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
        Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
        cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
        stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
        ordnungspunkt 8)
        Die Ausbildung und Ausrüstung der kurdischen Pe-
        schmerga erfolgt nach wie vor ohne verfassungsrecht-
        liche Grundlage außerhalb eines Systems kollektiver
        Sicherheit . Diesen Bruch mit unserer Verfassung lehnen
        wir ab .
        Die Entwicklung des letzten Jahres hat außerdem un-
        sere Befürchtungen bestätigt, dass dieser verfassungs-
        widrige Einsatz auch nicht geeignet ist, Frieden zu för-
        dern und Menschenleben zu schützen .
        Die Behauptung, dass yesidische Zivilbevölkerung
        mit Hilfe deutscher Waffen gerettet worden sei, ist nicht
        zu halten . Gerettet wurden diese Menschen allenfalls von
        syrischen Kurdenverbänden, die sich mittlerweile in be-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615034
        (A) (C)
        (B) (D)
        waffneten Auseinandersetzungen mit den von deutschen
        Streitkräften unterstützten Verbänden befinden.
        Es gibt nach wie vor kein einheitliches Kommando
        über die immer weiter zersplitterten kurdischen Milizen .
        Innerhalb dieser Milizen gibt es konträr verlaufende In-
        teressen und Auseinandersetzungen .
        Die Berichte, nach denen kurdische Gruppierungen
        sich untereinander bekämpfen, häufen sich .
        Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe ge-
        gen Peschmergaverbände, die vorsätzlich arabische Dör-
        fer zerstören, nachdem sie diese vom IS zurückerobert
        haben .
        Präsident Barzani regiert seit August 2014 ohne de-
        mokratische Legitimation . Ein Parlament existiert quasi
        nicht mehr .
        Die von Deutschland gelieferten Kleinwaffen werden
        inzwischen auf regionalen Schwarzmärkten gehandelt .
        Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der irakischen
        Zentralregierung in Bagdad, die nach wie vor die ver-
        fassungsmäßigen Zahlungen an die Regionalregierung
        in Erbil verweigert, sodass diese kurz vor dem Bankrott
        steht .
        In Anbetracht dieser Gesamtgemengelage ist es nicht
        zu verantworten, weitere Kleinwaffen und Ausbildungs-
        unterstützung für kämpfende Einheiten in dieser Region
        zu gewähren .
        Der Einsatz verstößt gegen unsere Verfassung und
        wirkt darüber hinaus kontraproduktiv .
        Wir lehnen diesen Einsatz daher insgesamt ab .
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/
        CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die
        Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
        ses zu dem Antrag der Bundesregierung
        Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
        Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
        cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
        stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
        ordnungspunkt 8)
        Der internationale Kampf gegen die Terrororganisati-
        on IS zeigt auch dank der Lieferung militärischer Aus-
        rüstung an die Peschmerga und dem Einsatz deutscher
        Soldatinnen und Soldaten zur Ausbildung der kurdischen
        Sicherheitskräfte und irakischen Streitkräfte Erfolge . Es
        ist gelungen, Flüchtlinge zu schützen, den IS zurückzu-
        schlagen und Territorium zurückzugewinnen .
        Zur Absicherung und Verstetigung dieser Erfolge halte
        ich die Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher
        Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicher-
        heitskräfte der Region Kurdistan-Irak und der irakischen
        Streitkräfte aufgrund humanitärer Verantwortung für die
        in der Region lebenden Menschen und Flüchtlinge, aber
        auch aus sicherheitspolitischen Gründen für sinnvoll und
        notwendig .
        Nachdem der irakische Außenminister alle Mitglied-
        staaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im
        Kampf gegen die Terrororganisation ISIS auch im Wege
        militärischer Ausbildung gebeten hat, ist der Einsatz als
        sogenannte Intervention auf Einladung völkerrechtlich
        zulässig .
        Gemäß Artikel 87 a Absatz 2 GG dürfen die Streitkräf-
        te außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit
        dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt . Ein Fall, in
        dem das Grundgesetz den Einsatz zulässt, ist Artikel 24
        Absatz 2 GG, auf den die Bundesregierung ihren Antrag
        stützt . Diese verfassungsrechtliche Begründung über-
        zeugt mich nicht .
        Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
        richts kann sich die Bundesrepublik Deutschland gemäß
        Artikel 24 Absatz 2 GG zur Friedenswahrung an Ent-
        scheidungen einer internationalen Organisation binden .
        Das umfasst auch die Übernahme der mit der Zugehörig-
        keit zu einem kollektiven Sicherheitssystem typischer-
        weise verbundenen Aufgaben und damit auch für eine
        Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die „im Rah-
        men und nach den Regeln“ dieses Systems stattfinden.
        Unzweifelhaft liegt kein spezielles Mandat des VN-Si-
        cherheitsrates vor, das ausdrücklich die Entsendung von
        Soldaten zur Friedenssicherung vorsieht und das den
        Rahmen und die Regeln des Einsatzes bestimmt .
        Aus diesem Grund bezieht sich die Bundesregierung
        im Antrag auf die Sicherheitsratsresolution 2170 (2014)
        vom 15 . August 2014 und die Resolution 2249 (2015)
        vom 20 . November 2015 sowie auf die Erklärung des
        Präsidenten des Sicherheitsrates vom 19 . September
        2014 . In der Resolution 2170 (2014) wird die Terrororga-
        nisation IS als Bedrohung für die internationale Sicher-
        heit bezeichnet . Zudem werden darin die durch IS be-
        gangenen Menschenrechtsverletzungen verurteilt sowie
        Sanktionen gegen einzelne Mitglieder dieser Organisati-
        on beschlossen . Ein Mandat für den Einsatz von Streit-
        kräften enthält diese Resolution nicht . Gleiches gilt für
        die Resolution 2249 (2015) . Auch die Erklärung des Prä-
        sidenten des Sicherheitsrates vom 19 . September 2014
        reicht meines Erachtens nicht aus, weil sie im Kern le-
        diglich den Aufruf enthält, den Irak zu unterstützen, und
        es sich dabei zudem im Ergebnis um eine politische Er-
        klärung handelt . Daher halte ich Artikel 24 Absatz 2 GG
        nicht für die richtige Rechtsgrundlage .
        Nach meiner Überzeugung findet der Einsatz der Bun-
        deswehr aber eine verfassungsmäßig tragfähige Rechts-
        grundlage in Art . 87 a Absatz 2 1 . alt . GG . Der Begriff
        der „Verteidigung“ umfasst nach überwiegender Auf-
        fassung nicht nur die reine Landesverteidigung, sondern
        auch die sogenannte Drittstaaten-Nothilfe im Sinne von
        Artikel 51 der VN-Charta . Der Bundeswehreinsatz ist
        daher als solcher verfassungsgemäß .
        Weil ich den Einsatz der Bundeswehr in dieser Aus-
        bildungsmission unabhängig von der seitens der Bundes-
        regierung gewählten verfassungsrechtlichen Begründung
        für verfassungsgemäß und politisch geboten halte, stim-
        me ich dem Einsatz der Bundeswehr zu .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15035
        (A) (C)
        (B) (D)
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Nina Scheer (SPD) zu der
        namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
        empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
        Antrag der Bundesregierung
        Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
        Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
        cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
        stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
        ordnungspunkt 8)
        Wie bereits der vorangegangene Antrag (Entschlie-
        ßungsantrag Bundestagsdrucksache 18/2459 vom
        1 . September 2014) zur Erteilung eines Bundeswehr-
        mandats ist auch der heute zur Abstimmung stehende
        Antrag „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
        scher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
        cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak
        und der irakischen Streitkräfte“ von dem Bestreben ge-
        tragen, Menschenleben von Verfolgten zu retten, hiermit
        auch einen Beitrag zum Schutz der Staatlichkeit des Irak
        sowie für die Stabilität der gesamten Region zu leisten,
        die angesichts der IS-Terroristen in akuter Gefahr ist .
        Auch wenn ich dieses Bestreben teile, halte ich es den-
        noch für unverzichtbar, Maßnahmen zu vermeiden, de-
        ren Folgewirkungen das friedenschaffende Ziel ihrerseits
        erschweren können . Das betreffende Bundeswehrmandat
        umfasst im Zuge der Ausbildungsunterstützung – wie be-
        reits das vorangegangene – auch Waffenlieferungen an
        Sicherheitskräfte im Nord-Irak (Peschmerga) . Als Folge
        von Waffenlieferungen, zumal an regionale Sicherheits-
        kräfte, sehe ich die Gefahr, dass jene in falsche Hände
        geraten und somit das Ziel einer zu stärkenden Selbstver-
        teidigung unterwandert wird .
        Die heute vorliegenden Informationen lassen vermuten,
        dass Waffen, auch aus Deutschland, vor Ort auf Märkten
        verkauft wurden . Zudem konnten bislang Berichte nicht
        entkräftet werden, dass die Peschmerga massenhafte Zer-
        störungen von Häusern arabischer Zivilisten vornahmen,
        um eine mutmaßliche Unterstützung der Bewohner für
        den IS zu sanktionieren, somit Rache übten . Nach ei-
        nem Bericht von Amnesty International seien Tausende
        Häuser mit Planierraupen zerstört, in die Luft gesprengt
        oder angezündet worden . Der Verdacht von Kriegsver-
        brechen durch kurdische Kämpfer steht damit wiederholt
        im Raum . Zudem besteht Unklarheit, wie sich eine – mit
        Hilfe militärischer Unterstützungsmaßnahmen – gestärkte
        Peschmerga jenseits des Kampfes gegen den IS gegenüber
        der Zentralregierung des Irak in Bagdad verhalten wird .
        Waffenlieferungen der betreffenden Art halte ich vor
        diesem Hintergrund für nicht geeignet, den erstrebten
        friedenschaffenden Effekt zu erzielen, ohne hierbei zu-
        gleich die Gefahr neuer Gewalt und Bedrohung einzuge-
        hen . Wo militärische Maßnahmen zum Schutz vor dem
        IS und humanitärer Not notwendig sind, sollte neben den
        nationalen Streitkräften der betreffenden Staaten auch
        die Völkergemeinschaft durch UN-Schutztruppen Ver-
        antwortung übernehmen .
        Insofern werde ich bei der Abstimmung über die Ver-
        längerung des Bundeswehrmandats mit Nein stimmen .
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Matthias W. Birkwald (DIE
        LINKE) zu der Abstimmung über den Entschlie-
        ßungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN (Drucksache 18/7377) zur Beratung des
        Antrags der Bundesregierung
        Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
        Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
        cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
        stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
        ordnungspunkt 8)
        Das Votum der Fraktion DIE LINKE lautet Ableh-
        nung .
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Matthias W. Birkwald (DIE
        LINKE) zu der Abstimmung über den von der
        Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge-
        setzes zu dem Abkommen vom 14. November 2012
        zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
        Republik Polen über die Zusammenarbeit im Be-
        reich des Eisenbahnverkehrs über die deutsch-pol-
        nische Staatsgrenze (Tagesordnungspunkt 29 a)
        Das Votum der Fraktion DIE LINKE lautet Zustim-
        mung .
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel
        Bas, Burkhard Blienert, Willi Brase, Marco Bülow,
        Petra Crone, Bernhard Daldrup, Martin Dörmann,
        Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier, Dagmar
        Freitag, Michael Gerdes, Kerstin Griese, Michael
        Groß, Ulrich Hampel, Sebastian Hartmann, Dirk
        Hedenblut, Wolfgang Hellmich, Dr. Barbara
        Hendricks, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek,
        Ralf Kapschack, Ulrich Kelber, Arno Klare, Dr. Hans-
        Ulrich Krüger, Dr. Karl Lauterbach, Michelle
        Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, Dietmar Nietan,
        Mahmut Özdemir (Duisburg), Sabine Poschmann,
        Joachim Poß, Achim Post (Minden), Andreas
        Rimkus, Petra Rode-Bosse, René Röspel, Axel
        Schäfer (Bochum), Udo Schiefner, Ulla Schmidt (Aa-
        chen), Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte, Frank
        Schwabe, Stefan Schwartze, Norbert Spinrath, Peer
        Steinbrück, Christoph Strässer, Michael Thews, Dirk
        Vöpel, Dirk Wiese und Gülistan Yüksel (alle SPD) zu
        den Abstimmungen über
        – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD
        Menschen- und umweltgerechten Ausbau der
        Rheintalbahn realisieren
        und
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615036
        (A) (C)
        (B) (D)
        – den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
        SPD
        Menschen- und umweltgerechte Realisierung
        europäischer Schienennetze (Zusatztagesord-
        nungspunkte 4 und 5)
        Der Deutsche Bundestag beschließt heute zwei Anträ-
        ge zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Belastungen,
        die durch die Realisierung von europäisch bedeutsamen
        Schienenprojekten entstehen . Mit dieser persönlichen
        Erklärung möchten wir unser Abstimmungsverhalten zu
        diesen Anträgen erläutern .
        Der Antrag „Menschen- und umweltgerechten Ausbau
        der Rheintalbahn realisieren“ sieht vor, dass der Bund
        Kosten in Höhe von 1 521,4 Millionen Euro übernimmt,
        die durch zusätzlichen Lärmschutz an der Ausbaustrecke
        Karlsruhe—Basel im Abschnitt von Offenburg bis nach
        Basel entstehen . Wir erkennen die erhebliche bundespo-
        litische Bedeutung der Strecke im Rahmen des europä-
        ischen TEN-Kernkorridors, die geleistete konstruktive
        Arbeit des Projektbeirats Rheintalbahn und das finanzi-
        elle Engagement des Landes Baden-Württemberg an und
        stimmen dem Antrag daher gemeinsam mit den Kolle-
        ginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion zu .
        Mit der Entscheidung zur Rheintalbahn werden aus
        unserer Sicht neue Maßstäbe auch für andere Schienen-
        verkehrsprojekte gesetzt . Anlieger von Bahnanlagen sind
        in ganz Deutschland gleichermaßen von Schienenlärm
        betroffen . Der bei der Rheintalbahn angelegte Maßstab
        sollte daher für alle schutzbedürftigen Bürgerinnen und
        Bürger gelten . Dieser Erkenntnis folgt der Antrag „Men-
        schen- und umweltgerechte Realisierung europäischer
        Schienennetze“ in Ansätzen . Er sieht vor, dass künftig
        auch in anderen Fällen besonderer regionaler Betroffen-
        heit durch Schienengüterverkehre ein Schutz von An-
        wohnern und Umwelt erreicht werden kann, der über das
        gesetzlich vorgegebene Maß hinausgeht .
        Wir bedauern sehr, dass die CDU/CSU keine – von uns
        wiederholt vorgeschlagenen – weitergehenden Beschlüsse
        mitgetragen hat, die bei anderen bundes- und europaweit
        bedeutsamen Strecken ein ähnlich hohes Schutzniveau
        von Mensch und Umwelt wie bei der Rheintalbahn ver-
        bindlich vorsehen . Zur Vermeidung von zahlreichen Kla-
        gen und im Sinne eines zügigen Baubeginns halten wir
        zusätzliche Lärmschutz- und Sicherheitsmaßnahmen – die
        im Vorfeld mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
        abgestimmt sind – im laufenden Planfeststellungsverfah-
        ren des dreigleisigen Ausbaus der Betuwe-Linie zwischen
        Emmerich und Oberhausen und beim sechsgleisigen
        Ausbau der Strecke Duisburg—Düsseldorf im Zuge des
        Rhein-Ruhr-Express für zwingend erforderlich . Darüber
        hinaus ist der Lärmschutz an der gesamten Mittelrheintal-
        strecke (Köln—Mainz) deutlich zu verbessern . Schließ-
        lich wollen wir Kommunen, die an den besonders stark
        befahrenen europäischen Güterverkehrskorridoren liegen,
        beim Neubau von Bahnunterführungen stärker als bisher
        unterstützen, um die Sicherheit zu erhöhen und eine besse-
        re Verkehrsabwicklung zu ermöglichen .
        Die heute verabschiedeten Anträge können aus unse-
        rer Sicht nur ein erster Schritt sein . Die NRW-Landes-
        gruppe in der SPD-Bundestagsfraktion wird sich dafür
        einsetzen, im Rahmen weiterer parlamentarischer Ver-
        fahren einen vergleichbaren Schutz von Mensch und
        Umwelt vor Schienenverkehrsbelastungen zu erreichen,
        wie er heute für die Rheintalbahn beschlossen wurde .
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg),
        Bernhard Daldrup, Cansel Kiziltepe und Christian
        Petry (alle SPD) zur Abstimmung über den vom
        Bundesrat eingebrachten Entwurf eines … Geset-
        zes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
        zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der
        Seeschifffahrt (Tagesordnungspunkt 16)
        Dieses Gesetz ermöglicht eine weitere Subvention
        der Seeschifffahrtswirtschaft, denn schon heute haben
        Reeder mit Schiffen unter deutscher Flagge erhebliche
        Steuervergünstigungen in der Lohnsteuer: 40 Prozent
        der Lohnsteuer müssen nicht an das zuständige Finanz-
        amt weiterleitgeleitet werden . Die Lohnsteuer erhält also
        nicht die Gemeinschaft, sondern der Reeder . Mit die-
        sem Gesetz wird der bisherige Satz von 40 Prozent auf
        100 Prozent erhöht . Die Lohnsteuer entfällt vollständig .
        Die Subvention der Reedereien erreicht ihr bisheriges
        Maximum .
        Diese Subvention soll Beschäftigung und Know-how
        in der deutschen Seeschifffahrt sichern . Es existiert je-
        doch keine Verpflichtung, mit den gewonnenen Summen
        etwa Arbeit und Ausbildung von Seeleuten in Deutsch-
        land zu fördern . Sie erfolgt faktisch bedingungslos . Die
        bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die
        Erwartungen im Zusammenhang mit Steuergeschenken
        weder bei der Beschäftigung noch bei der Zahl der Schif-
        fe unter deutscher Flagge erfüllt haben .
        Der Lohnsteuereinbehalt ist ein Steuergeschenk: Die
        jährlichen Steuermindereinnahmen belaufen sich laut
        Stellungnahme der Bundesregierung auf 50 Millionen
        Euro . Derartige Subventionen schaden der Akzeptanz
        des Steuersystems, weil gegen den Grundsatz der Steu-
        ergerechtigkeit verstoßen wird . Andere Branchen werden
        ermuntert, Gleichstellung zu verlangen .
        Die Seeschifffahrt ist eine subventionierte Branche
        und genießt beispielsweise auch bei der Tonnagebesteue-
        rung und der ermäßigten Stromsteuer für den Landstrom
        Vorteile . Auch hier sind die Reeder zu keiner konkreten
        Gegenleistung verpflichtet. Es ist nicht erkennbar, dass
        der aktuelle Trend, unter der Flagge von ,,Niedriglohn-
        ländern‘‘ zu fahren, begrenzt würde . Im Gegenteil: Trotz
        schon bisheriger Steuersubventionen hat die Zahl der un-
        ter deutscher Flagge fahrenden Schiffe auf nur etwa 200
        abgenommen .
        Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) be-
        tont, dass das Ziel der Maßnahme in Einklang mit dem
        Verständnis der EU-Kommission von staatlichen Bei-
        hilfen darin liege, „Steuern sowie sonstige Kosten und
        Belastungen von Reedereien und Seeleuten aus der Ge-
        meinschaft auf ein Niveau zu senken, das dem allgemei-
        nen Weltstandard entspricht“ . In die Praxis des Gesetzes
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15037
        (A) (C)
        (B) (D)
        übertragen, bedeutet dies: Die bestehende Regel, dass ein
        Schiff unter deutscher Flagge mindestens vier EU-See-
        leute an Bord haben muss, soll auf zwei EU-Seeleute
        abgesenkt werden . Damit widerspricht dieser Geset-
        zesvorschlag der Zielsetzung der Regierung, deutsches
        Know-how in der Seeschifffahrt abzusichern . Wenn wir
        diesen Gedanken beispielsweise in Tarif- bzw . Lohnver-
        handlungen fortsetzen, begeben wir uns auf eine interna-
        tional getriebene Abwärtsspirale .
        Unser Maßstab politischen Handelns ist aber nicht
        die Beförderung einer Abwärtsspirale von steuer- und
        arbeitsrechtlichen Standards, sondern im Gegenteil das
        Streben nach qualifizierten gemeinsamen Standards, fai-
        ren Löhnen, gerechter und gleichmäßiger Besteuerung .
        Damit lässt sich fachpolitisch eine Zustimmung zu
        diesem Gesetz nicht begründen . Wenn wir gleichwohl
        zustimmen, so nicht deshalb, weil argumentiert wird, an-
        dernfalls ginge es den Reedern noch schlechter – nein,
        wir sehen in diesem Gesetz die letzte Möglichkeit, zu be-
        obachten, ob sich die Hoffnungen des Bundesrates, der
        dieses Gesetz eingebracht hat, erfüllen, und wir wollen
        uns nicht dem Vorwurf aussetzen, nicht doch alles ver-
        sucht zu haben, die deutsche Seeschifffahrt zu stärken .
        Nun ist es an den Reedern, zu zeigen, dass sie es ver-
        stehen, die mit den ungewöhnlich hohen Subventionen
        verknüpften Ziele auch zu erreichen .
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung
        der Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parla-
        ments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Ände-
        rung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung
        der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betref-
        fend bestimmte Organismen für gemeinsame Anla-
        gen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die
        Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik
        und Sanktionen (Tagesordnungspunkt 14)
        Fritz Güntzler (CDU/CSU): Wir beraten heute ab-
        schließend den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der
        Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und
        des Rates vom 23 . Juli 2014 zur Änderung der Richtli-
        nie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Ver-
        waltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen
        für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im
        Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Ver-
        gütungspolitik und Sanktionen . Mit diesem Gesetzes-
        vorhaben überführen wir die überarbeitete europäische
        OGAW-V-Richtlinie in das Kapitalanlagegesetzbuch
        (KAGB), also in nationales Recht .
        Für unsere Zuschauer und Gäste auf der Tribüne,
        die sich vielleicht nicht täglich mit dem Thema Finanz-
        marktregulierung beschäftigen, sei kurz erklärt: OGAW
        bedeutet Organismen für gemeinsame Anlagen in Wert-
        papieren . Dies sind Investmentfonds, die in gesetzlich
        definierte Arten von Wertpapieren und andere Finanzin-
        strumente investieren .
        Die sogenannte OGAW-Richtlinie wurde erstmals am
        20 . Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und
        Verwaltungsvorschriften für diese erlassen . Dies hat zu
        einem Abbau von Wettbewerbsunterschieden innerhalb
        der EU geführt . Bevor ich auf die Einzelheiten des vor-
        liegenden Gesetzentwurfs eingehe, lassen Sie mich noch
        kurz einen Blick zurück auf die Entstehung des KAGB
        werfen .
        Seit etwas mehr als zwei Jahren ist das Gesetz nun in
        Kraft . Es bildet die rechtliche Grundlage für offene und
        geschlossene Fonds . Mit dem über 300 Paragrafen star-
        ken KAGB wurden ein verlässlicher Schutz für Anleger
        und ein einheitlicher rechtlicher Standard für die Branche
        geschaffen . Ziel ist es, dass kein Finanzmarktakteur, kein
        Finanzprodukt und kein Finanzmarkt ohne eine ange-
        messene Regulierung bleiben soll .
        Heute kann man feststellen, dass dieses Vorhaben ge-
        lungen ist . Das KAGB bietet Anlegern angemessenen
        Schutz und findet in der Finanzwirtschaft Akzeptanz. Dies
        spiegelt sich auch in dem Ergebnis einer Umfrage wider,
        die eine der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
        (pwc) gemeinsam mit zwei Wirtschaftsverbänden (ZIA
        und BSI) erstellt hat . Danach sehen die Rechtsanwender
        in der Praxis die neuen gesetzlichen Rahmenbedingun-
        gen vorwiegend als Chance und weniger als Hindernis .
        Die Befragung aus dem Jahr 2014 ergab allerdings
        auch, dass noch einige Unklarheiten im KAGB bestan-
        den . Auf diese Kritik haben wir schon reagiert und das
        KAGB seit Inkrafttreten immer wieder angepasst und
        Klarstellungen vorgenommen . Die letzten umfangreiche-
        ren Änderungen haben wir 2014 mit dem Finanzmarkt-
        anpassungsgesetz vorgenommen .
        Heute beraten wir nun eine weitere Novellierung des
        KAGB . Diese steht unter dem Stichwort „Weitere Erhö-
        hung des Anlegerschutzes“ . Es geht dabei um drei The-
        menkomplexe: erstens Verwahrstellenregulierung, zwei-
        tens Mitarbeitervergütung, drittens Sanktionen .
        Neben den Maßnahmen zur nationalen Umsetzung der
        Vorgaben der OGAW-V-Richtlinie schaffen wir auch die
        gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen Alternative
        Investmentfonds Darlehen vergeben dürfen . Auf dieses
        Thema komme ich später noch zurück . Die schon an-
        gesprochene Anhörung hat gezeigt, dass dies ein wich-
        tiges Anliegen des Mittelstandes, vor allem aber von
        Start-up-Unternehmen ist .
        Ich hatte eingangs gesagt, dass wir mit diesem Gesetz
        den Anlegerschutz stärken . So werden die Vergütungs-
        systeme von OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften
        künftig keine Anreize für das Eingehen übermäßiger
        Risiken mehr enthalten . Sie werden besser auf die lang-
        fristigen Interessen der Anleger und das Erreichen der
        Anlageziele des OGAW abgestimmt sein .
        Außerdem erweitern wir die Haftung der Verwahr-
        stellen . Diese haben ja im Wesentlichen zwei Aufga-
        ben: Zum einen verwahren sie die Vermögenswerte des
        OGAW . Zum anderen überwachen sie die Verwaltungs-
        gesellschaften zum Schutze der Anleger . Der Gesetzent-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615038
        (A) (C)
        (B) (D)
        wurf sieht vor, dass sich OGAW-Verwahrstellen künftig
        nicht mehr exkulpieren können, wenn einem von ihnen
        in Anspruch genommenen sogenannten Unterverwahrer
        Finanzinstrumente abhandenkommen .
        Die Sanktionen bei Rechtsverstößen werden insge-
        samt verschärft und neu strukturiert . Lassen Sie mich auf
        einige Punkte eingehen, die wir im parlamentarischen
        Verfahren diskutiert haben .
        Die Darlehensvergabe durch AIF hatte ich schon an-
        gesprochen . Mit diesem Gesetz schaffen wir national ei-
        nen Rahmen für die Darlehensvergabe durch AIF . Durch
        diese nicht bankgestützte Finanzierungsform schaffen
        wir einen weiteren Beitrag für die Finanzierung der Re-
        alwirtschaft . Wir haben dabei sowohl den Mittelstand als
        auch Start-ups und ihre Investoren, zum Beispiel Wag-
        niskapitalgeber, im Blick .
        Gleichzeitig haben wir mit den getroffenen Regelun-
        gen Vorsorge getroffen, um eine uferlose Darlehensver-
        gabe zu verhindern (Stichwort: „Schattenbankproblema-
        tik“), und somit dem Anlegerschutz Rechnung getragen .
        Künftig dürfen geschlossene Spezial-AIF Gesellschaf-
        terdarlehen bis zu einem Umfang von 50 Prozent des
        Fondsvermögens vergeben . Diese Gesellschafterdarle-
        hen werden ihrer Höhe nach nicht das Zweifache der An-
        schaffungskosten der jeweiligen Beteiligung überschrei-
        ten dürfen .
        Anderes gilt für geschlossene Publikums-AIF . Aus
        Anlegerschutzgründen soll hier die Vergabe von Gesell-
        schafterdarlehen nur bis zu einem Umfang von 30 Pro-
        zent des Fondsvermögens erlaubt sein . Gesellschafter-
        darlehen sollen bei den geschlossenen Publikums-AIF
        ihrer Höhe nach auch nicht das Einfache der Anschaf-
        fungskosten der Beteiligung überschreiten dürfen .
        Mit Übergangsvorschriften wollen wir sicherstellen,
        dass bisher rechtmäßig vergebene Darlehen nicht zurück-
        gefordert werden müssen .
        Allen AIF, also auch den offenen Spezial-AIF, wird
        künftig die Restrukturierung und Prolongation (Verwal-
        tung) von erworbenen Darlehensforderungen erlaubt
        sein . Diese Flexibilisierung soll, auch wieder im Sinne
        der Anleger, dazu beitragen, dass es nicht zu vorschnel-
        len Veräußerungen von Darlehen und den damit einher-
        gehenden Wertverlusten im Markt kommt .
        Wir haben ausführlich die Regulierung von darle-
        hensaufkaufenden Spezial-AIF diskutiert . Wesentlicher
        Diskussionspunkt war die unterschiedliche Regulierung
        für aufkaufende Fonds und vergebende Fonds . Darle-
        hensaufkaufende Spezial-AIF unterfallen nicht den Re-
        gelungen zur Vergabe von Darlehen durch geschlossene
        Spezial-AIF . Diese Regelungen sollen Laufzeiteninkon-
        gruenzen und Run-Risiken verhindern .
        Die Bundesbank hat in ihrer Stellungnahme gefordert,
        darlehensaufkaufende Spezial-AIF auch dieser Regulie-
        rung zu unterwerfen . Wir haben uns diese Forderung sehr
        genau angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen,
        diese nicht umzusetzen . Folgende Gründe haben uns
        dazu bewogen:
        Bei der originären Darlehensvergabe durch eine Bank
        sind alle Anforderungen einzuhalten, auch wenn das ver-
        gebene Darlehen weiterveräußert wird . Man kann also
        Regulierungsvorgaben nicht durch den Umweg über eine
        „Fronting-Bank“ umgehen .
        Darlehensaufkaufende offene Spezial-AIF existieren
        bereits . Besondere Risiken sind dabei nicht aufgefallen .
        Das Millionenkreditmeldeverfahren und Risikoma-
        nagementvorgaben finden Anwendung.
        Die Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen ein an-
        gemessenes Liquiditätsmanagement sicherstellen .
        Das Thema ist auf der Agenda des FSB (financial sta-
        bility board) . Es ist sinnvoll, die Ergebnisse dieser Arbei-
        ten abzuwarten, bevor wir national eine Regelung treffen .
        Die Grünen haben in der Anhörung und im Ausschuss
        gefordert, auch Zertifikate zu regulieren und möglichst
        dem OGAW-Regime zu unterwerfen . Darauf zielt auch
        Ihr Entschließungsantrag ab . Es ist festzuhalten: Zerti-
        fikate, auch wenn sich ihr Wert beispielsweise an einem
        Aktienindex orientiert, sind keine OGAW . Es handelt
        sich um Schuldverschreibungen. Zertifikate sind auch
        nicht gänzlich unreguliert . Ich nenne hier zum Beispiel
        das Produktinformationsblatt und das Wertpapierpros-
        pektgesetz .
        Wenn Sie also für Veränderungen, Ihrem Antrag nach
        für Verschärfungen bei der Regulierung von Zertifikaten
        sind, müssten wir darüber bei einer anderen Gelegenheit
        sprechen . Wir haben vereinbart, Herr Schick, dass wir
        uns zu diesem Thema austauschen . Ich möchte an dieser
        Stelle nur vorwegschicken, dass wir weiterhin bestrebt
        sind, dafür zu sorgen, dass Finanzprodukte umsichtig re-
        guliert werden .
        Wir schaffen Rechtssicherheit für Bürgergenossen-
        schaften . § 2 Absatz 4 b KAGB soll gestrichen werden .
        Nach dieser Regelung sind auf Genossenschaften aus-
        nahmsweise nicht alle KAGB-Regelungen anwendbar .
        Mit der Streichung dieser Regelung beseitigen wir
        eine Unklarheit im KAGB . Damit wird deutlich, dass es
        sich bei Genossenschaften nicht um Investmentvermö-
        gen im Sinne des KAGB handelt .
        Wir sind auch in Gesprächen mit der BaFin zu der
        Auffassung gelangt, dass Genossenschaften Gesellschaf-
        ten sind, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb
        oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale
        oder kulturelle Belange zu fördern . Diese zwingende
        Ausrichtung auf einen besonderen Förderzweck schließt
        eine im Vordergrund stehende fondstypische reine Ge-
        winnerzielungsabsicht aus . Die genossenschaftlichen
        Prüfungsverbände schließen durch ihre regelmäßigen
        Prüfungen aus, dass es zu Missbrauch kommt . Sollte sich
        eine Genossenschaft doch zu einem Investmentvermö-
        gen entwickeln, ist es der BaFin weiterhin unbenommen,
        einzugreifen .
        Damit schaffen wir auch Erleichterungen und Rechts-
        sicherheit für die rund 900 Bürgerenergiegenossenschaf-
        ten in Deutschland .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15039
        (A) (C)
        (B) (D)
        Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Der einheitli-
        che Binnenmarkt in Europa für Investmentfonds schrei-
        tet mithilfe von OGAW V voran . Hinter der kryptischen
        Bezeichnung „OGAW“ verbergen sich „Organismen für
        gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“, wobei „Orga-
        nismen“ hier mitnichten etwas mit kleinen krabbelnden
        Tierchen zu tun haben .
        Doch damit nicht genug: In dem Gesetzentwurf fin-
        den sich auch noch AIF; das sind im Gegensatz zu den
        offenen, jederzeit handelbaren OGAW-Investmentfonds
        Alternative Investmentfonds wie zum Beispiel Geschlos-
        sene Fonds, die unter anderem in Immobilien investieren
        können . Bei den AIF gibt es dann noch Publikums-AIF
        für die „breite Masse“ sowie Spezial-AIF für Professi-
        onelle . Diese unterteilen sich jeweils wieder in offene
        und geschlossene AIF . Vergessen darf man auch nicht
        die ELTIF, die europäischen langfristigen geschlossenen
        Investmentfonds, die vor allem Infrastrukturinvestition-
        en im Blick haben . Wie man merkt, keine ganz einfache
        Materie . Von Transparenz und Verständlichkeit für einen
        durchschnittlichen Anleger ganz zu schweigen .
        Doch ich möchte kurz für die Verbraucherinnen und
        Verbraucher, für die Menschen außerhalb der Finanzwis-
        senschaft erläutern, warum diese Investmentfondsregu-
        lierung keine reine Spaßveranstaltung für Finanz-Nerds
        ist, sondern durchaus für viele Menschen in diesem
        Land von Belang ist . Denn viele Menschen wurden ge-
        zwungen, nachdem die vergangenen Bundesregierungen
        die gesetzliche Rente Stück für Stück geschleift hatten,
        privat für ihr Alter vorzusorgen, und dies geschah und
        geschieht oft in Form von Renten- oder Lebensversiche-
        rungen, die Kundengelder in Investmentfonds investie-
        ren (fondsgebundene Renten-/Lebensversicherungen) .
        Für diese Altersvorsorgeprodukte gilt gerade kein Garan-
        tiezins wie bei der klassischen Lebensversicherung . Die
        Verbraucher sind vollends auf die Entwicklung des bzw .
        der Investmentfonds angewiesen, in die eingezahlt wird .
        Fahren diese Fonds Verluste ein und stürzen ab, ist ganz
        schnell auch das angesparte Vermögen fürs Alter futsch .
        Daneben wurden zahlreiche Verbraucher aufgrund der
        Warnungen vor der Niedrigzinsphase in angeblich ren-
        diteträchtigere Anlagen getrieben, wodurch viele Men-
        schen ihr Geld in geschlossene Investmentfonds, also in
        der Regel hochriskante unternehmerische Beteiligungen,
        steckten . Nimmt man dies alles zusammen, ist es für Ver-
        braucher durchaus von Belang, wie nun die Investment-
        fonds reguliert werden .
        Den höheren Bußgeldrahmen sowie die Haftungsver-
        schärfung für die Verwahrstellen dieser Fonds begrüßen
        wir ohne Weiteres . Doch wir sehen im Gesetzentwurf
        auch eine Reihe von Regelungen, die zu Problemen füh-
        ren können .
        Beispielsweise ist es bedenklich, dass Alternative
        Investmentfonds, die AIF, nun großflächiger Kredite
        vergeben dürfen. Wir finden es falsch, dass sogar Publi-
        kums-AIF, also Fonds, die auch an Kleinanleger verkauft
        werden, in großem Maße Kredite vergeben dürfen . Den
        OGAW ist dies jedenfalls bis jetzt untersagt .
        Darlehen sollten von Fonds beispielsweise nicht an
        Beteiligungsunternehmen vergeben werden dürfen . Denn
        da habe ich die Sorge, dass die AIF davon Gebrauch ma-
        chen werden, um Unternehmen, an denen sie beteiligt
        sind, künstlich am Leben zu erhalten . So kann dezent ein
        Fehlinvestment vertuscht werden . Dies wollen wir als
        Linke nicht zulassen .
        Mit der erweiterten Kreditvergabe holt man sich zu-
        meist ein unnötiges Risiko ins Boot, das bei einem Ken-
        tern letztlich nur die Privatanleger als Leichtmatrosen
        nass werden lässt . Denn wie oben bereits erwähnt: Ge-
        hen die Fonds in höheres Risiko, winken nicht unbedingt
        nur höhere Renditen, es drohen auch höhere Verluste, die
        am Ende voll auf die Altersvorsorge der breiten Bevöl-
        kerung durchschlagen . Wir sollten wirklich mal weiter-
        denken, wie es unter anderem die Verbraucherzentralen
        angeregt haben, ob diese Publikums-AIF, die geschlosse-
        nen Fonds, überhaupt an Privat-/Kleinanleger vertrieben
        werden dürfen . Aus linker Sicht sind diese Fonds nicht
        sinnvoll für die Altersvorsorge .
        Die Bundesregierung sieht hier wie so oft keinerlei
        Risiken; Risiken seien noch nicht einmal „bekannt“,
        wie wir gestern im Finanzausschuss hören mussten .
        Geschickt will Schwarz-Rot den Eindruck vermitteln,
        man begrenze allenthalben das Risiko . Da passt es ins
        Bild, dass regelmäßig betont wird, man will den Schat-
        tenbankensektor stärker regulieren . Doch bisher ist das
        nicht mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis . Viel schlim-
        mer: Durch die Möglichkeiten exzessiver Kreditvergabe
        werden ohne Not Türen geöffnet für regulatorische Un-
        gleichgewichte und leider auch für eine weitere Verlage-
        rung von Geschäften in den Schattenbankbereich .
        Ein Beispiel für das regulatorische Gefälle ist die un-
        gleiche Behandlung kreditaufkaufender und kreditver-
        gebender Fonds, obwohl beide den gleichen Risiken am
        Markt unterliegen . Stellen Sie sich vor, ein beliebiger
        Fonds kauft spanische Immobilienanleihen, ausgehend
        davon, dass der versprochene Wirtschaftsaufschwung
        endlich – trotz der Troika-Politik – eintritt und die Im-
        mobilienwerte wieder steigen . Das geschieht aber nicht;
        die Werte bleiben im Keller, und die Immobilienpapie-
        re liegen wie Blei in den Regalen . Anleger, die in die-
        se Fonds investiert haben, werden natürlich in Krisen-
        situationen schnellstmöglich versuchen, aus diesem
        Fonds auszusteigen . Ein Wettrennen wird einsetzen,
        wer seine Schäfchen als Erster ins Trockene bringt . An-
        dererseits behandelt der Gesetzentwurf kreditvergeben-
        de Fonds vollkommen anders; dort ist die Vergabe klar
        begrenzt (30 Prozent), wenn auch nach unserer Ansicht
        zu schwach . Und ein Wettrennen zum Schafstall ist auch
        deshalb unwahrscheinlicher, weil die allgemeine Kredit-
        vergabe geschlossenen Fonds vorbehalten bleibt . Das ist
        nicht nur eine klare Öffnung von Bankgeschäften für den
        weniger regulierten Schattenbankenbereich, das ist auch
        die klare Aufforderung an gewitzte Finanzmarktakteure,
        hier eine schnelle Mark zu machen .
        Die schon erwähnten ELTIF befördern die weitere Ge-
        schäftsverlagerung ins Schattenbanking . Denn was viele
        nicht wissen: Diese Fonds dürfen auch in Nachrangdarle-
        hen, stille Beteiligungen, Kredite oder Genussrechte in-
        vestieren . Das heißt: Diese Fonds dürfen in Produkte des
        Grauen Kapitalmarkts investieren, die Anlegern bereits
        massive Verluste in Millionenhöhe beschert haben . Und
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615040
        (A) (C)
        (B) (D)
        diese Fonds übernehmen zugleich Bereiche des klassi-
        schen Bankgeschäfts wie das Kreditgeschäft, was weiter
        in den „Schatten“ führt .
        Gerade bezüglich des Anlagespektrums und der An-
        lagemöglichkeiten kann man schon einen Hang zur Dere-
        gulierung feststellen . Ich hoffe, Sie von der Regierungs-
        bank gehen dabei nicht dem Überregulierungsgejammer
        so manches Branchenvertreters auf den Leim . Die Linke
        möchte riskantes Anlageverhalten in Finanzprodukten
        für Privatanleger eindämmen, die Finanzmärkte ent-
        schlacken und transparenter machen, um für mehr Fi-
        nanzstabilität zu sorgen, und wir wollen Kleinanleger
        bzw . Altersvorsorgesparer vor Verlusten schützen .
        Vielleicht gelingt es der Bundesregierung in der nächs-
        ten OGAW-Runde, bei OGAW VI, auf Regulierungskurs
        zu bleiben und Verbraucher stärker zu schützen . Dann
        können wir das nächste Mal dem Gesetzentwurf auch
        zustimmen . An dieser Stelle geht das für die Linke nicht .
        Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf erfolgende Um-
        setzung der europäischen Vorgaben zu Verwahrstellen,
        Vergütungs- und Sanktionsregeln bei Investmentfonds ist
        grundsätzlich zu begrüßen . Leider lässt sich jedoch am
        vorliegenden Gesetzentwurf auch exemplarisch aufzei-
        gen, wie die Interessen der Finanzbranche die Gesetzge-
        bung der Bundesregierung negativ beeinflussen. Risiken
        für die Finanzstabilität und den Anlegerschutz erkennen
        Sie zwar . Sie beseitigen diese aber nicht wirksam . Das ist
        unser Hauptkritikpunkt bezüglich des Gesetzentwurfes .
        Deswegen werden wir dem Gesetz nicht zustimmen .
        So haben Sie zwar – was grundsätzlich zu begrüßen
        ist – die Umsetzung der OGAW-V-Richtlinie zum An-
        lass genommen, die Kreditaufnahme und -vergabe durch
        Alternative Investmentfonds und damit einen Teil des
        Schattenbankensektors zu regulieren . Jedoch scheuen
        Sie eine konsistente Regulierung der Vorschriften für
        die Kreditvergabe und für den Aufkauf unverbriefter
        Kreditforderungen . Zukünftig können Kredite nur von
        geschlossenen Spezial-AIF vergeben werden . Das Kre-
        ditportfolio muss dabei diversifiziert sein, und die He-
        belung der Kreditvergabe wird beschränkt . Diese aus Fi-
        nanzstabilitätssicht sinnvollen Regeln können die Fonds
        jedoch einfach umgehen . Anstatt einen Kredit zu verge-
        ben, müssen sie nur unverbriefte Kreditforderungen auf-
        kaufen . Dann gelten keine vergleichbaren Vorgaben zur
        Risikostreuung, keine vergleichbaren Vorgaben zur He-
        belung der Verschuldung . Und den Kreditaufkauf können
        sie sogar – anders als die Kreditvergabe – auch in offenen
        Fonds strukturieren . Dabei hatte das Bundesministerium
        der Finanzen in seinem Referentenentwurf noch zutref-
        fend darauf hingewiesen, dass die Fristentransformation
        eine der Hauptwurzeln der Finanzkrise war . Daher sollte
        nach dem Referentenentwurf der Aufkauf von unver-
        brieften Kreditforderungen durch offene Spezial-AIF
        limitiert werden . Auch die Deutsche Bundesbank hat
        im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich
        darauf hingewiesen, dass sich darlehensaufkaufende
        und darlehensvergebende Fonds im Risiko nicht unter-
        scheiden . Der Rat der Deutschen Bundesbank lautete
        daher, beide Anlageformen vergleichbar zu regulieren .
        Von Ihrem eigenen Regulierungsansatz und dem Rat der
        Deutschen Bundesbank weichen Sie aus einem einzigen
        Grund ab: Sie schaffen es nicht, dem Druck der Finanz-
        branche standzuhalten .
        Auch an anderer Stelle – beim Anlegerschutz – nimmt
        Ihre Politik zu oft auf Brancheninteressen Rücksicht .
        So gelingt es der Bundesregierung seit 2008 nicht, bei
        Zertifikaten ein vergleichbares Schutzniveau wie bei
        Investmentfonds zu schaffen. Dabei sind Zertifikate in
        Deutschland in Form der Lehman-Zertifikate zum Sinn-
        bild für die Finanzkrise des Jahres 2008 geworden . Da-
        mals hatten unerfahrene Kleinanlegerinnen und Klein-
        anleger in Zertifikate mit Bezug zur Investmentbank
        Lehman Brothers investiert . Als diese pleiteging, waren
        die Ersparnisse und die private Altersvorsorge Tausender
        Kleinanlegerinnen und Kleinanleger betroffen . Auch hier
        werfe ich Ihnen nicht vor, dass Sie das Problem nicht er-
        kennen. Im Gegenteil: Der finanzpolitische Sprecher der
        CDU, Otto Bernhardt, ließ sich 2009 von der Presse da-
        mit zitieren, dass das Verbot von bestimmten Zertifikaten
        geprüft werde . Vorzuwerfen ist Ihnen jedoch, dass Sie
        bis heute weder für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger
        ungeeignete Zertifikate vom Markt genommen noch eine
        produktspezifische Regulierung von Zertifikaten vorge-
        legt haben .
        Die mit Zertifikaten verbundenen Risiken und Pro-
        bleme haben sich seit 2008 hingegen nicht wesentlich
        verändert. Der deutsche Zertifikatemarkt ist mit rund
        70 Milliarden Euro weiterhin mit Abstand der größte
        Zertifikatemarkt in der EU. Die Hälfte des ausstehenden
        Emissionsvolumens entfällt auf Landesbanken und die
        Spitzeninstitute des Sparkassen- und Genossenschafts-
        sektors und damit auf Vertriebsverbünde, die in wesent-
        lichem Umfang auf Kleinanlegerinnen und Kleinanleger
        ausgerichtet sind .
        Auch die Bezeichnungen von Zertifikaten sind zum
        Teil weiterhin irreführend . So stuft der Deutsche Deri-
        vate Verband knapp 50 Prozent des Marktvolumens als
        Anlagezertifikate mit Kapitalgarantie ein. Trotz des da-
        mit offensichtlichen erheblichen Sicherheitsbedürfnisses
        der Anleger fallen diese Zertifikate weiterhin weder unter
        die Einlagensicherung, noch sind sie, ähnlich wie Invest-
        mentfonds, als Sondervermögen vor der Insolvenz des
        Emittenten geschützt .
        Das Versagen Ihres vertriebsbezogenen Regulierungs-
        ansatzes bei Finanzinstrumenten zeigt sich insbesonde-
        re auch bei der Produktgestaltung von Zertifikaten. Für
        Kleinanleger ungeeignete Zertifikatestrukturen sind im-
        mer noch am Markt verbreitet . So weisen Bonitätsanlei-
        hen, die bei der Insolvenz von Lehman Brothers zu emp-
        findlichen Verlusten geführt haben, auch heute noch ein
        erhebliches Marktvolumen auf .
        Gleichzeitig besteht mit dem für Investmentfonds
        geltenden Kapitalanlagegesetzbuch eine Blaupause für
        die Regulierung von Zertifikaten. Beide Produktgruppen
        sind bezüglich der Anlageidee in wesentlichen Teilen
        austauschbar . So kann zum Beispiel die Entwicklung des
        deutschen Aktienindex DAX sowohl über ein Zertifikat
        als auch über einen Investmentfonds nachvollzogen wer-
        den .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15041
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ihnen ist daher an dieser Stelle auch vorzuwerfen,
        dass Sie die Novellierung des KAGB nicht genutzt ha-
        ben, um Zertifikaten endlich den Rahmen zu geben, den
        der Anlegerschutz gebietet .
        Anlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung
        des Rechts der Unterbringung in einem psychia-
        trischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz-
        buches und zur Änderung anderer Vorschriften
        (Tagesordnungspunkt 17)
        Reinhard Grindel (CDU/CSU): Der vorliegende Ge-
        setzentwurf ist keine „Lex Mollath“ . Für das Parlament
        verbietet es sich geradezu, allein aus Gründen eines Ein-
        zelfalls gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen . Die
        Koalition reagiert mit dieser Reform des Maßregelvoll-
        zugs vielmehr auf eine Vielzahl von berechtigten Mah-
        nungen aus der Rechtswissenschaft und dem Gesund-
        heitswesen .
        Es trifft zu: Immer mehr Menschen werden immer
        länger gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs in die geschlos-
        sene Psychiatrie eingewiesen . Das sind jetzt keine Mas-
        senphänomene, aber der Anstieg von rund 4 000 Perso-
        nen im Jahr 2000 auf heute gut 6 500 Personen ist doch
        eine beachtliche Steigerung .
        Deshalb ist der Gesetzgeber jetzt wirklich veranlasst,
        darüber zu entscheiden, in welcher Weise wir dem Ver-
        hältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Abwägung zwischen
        der Schutzpflicht des Staates gegenüber der Allgemein-
        heit, also potenziellen Opfern, und den Freiheitsrechten
        der Täter noch stärker als bisher Geltung verschaffen
        können . Das ist im Kern das Ziel des Gesetzentwurfs .
        Dabei können wir aufbauen auf den sehr konstrukti-
        ven Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
        Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem
        psychiatrischen Krankenhaus, die im März 2014 gebildet
        wurde .
        Die Ziele des Gesetzentwurfs sind die stärkere Be-
        schränkung der Anordnung der Unterbringung auf gravie-
        rende Fälle, die zeitliche Begrenzung der Unterbringung
        bei weniger schwer wiegenden Gefahren und der Ausbau
        der prozessualen Sicherungen, um unverhältnismäßig
        lange Unterbringungen zu vermeiden . Die Schwelle der
        Erheblichkeit wird heraufgesetzt, indem es sich bei den
        künftig zu erwartenden Taten um solche handeln muss,
        durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheb-
        lich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder
        schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird . Al-
        lerdings verbieten sich hier schematische Lösungen nach
        dem Motto: Alles, was unter einer Höchststrafe von fünf
        Jahren liegt, ist nicht erheblich . Auch etwa die perma-
        nente Bedrohung, man werde jemanden umbringen, kann
        zu solchen seelischen Belastungen für das Opfer führen,
        dass es sich um eine erhebliche Tat handelt . Die Gerichte
        haben nach wie vor auf die besonderen Umstände des
        Einzelfalls abzustellen . Der Gesetzentwurf bietet inso-
        fern eine Reihe von Leitplanken, anhand derer sich die
        Gerichte bei der Beachtung des Verhältnismäßigkeits-
        grundsatzes orientieren können .
        Was die Anordnungsvoraussetzungen angeht, sollen
        zunächst die Voraussetzungen angehoben werden, wenn
        es nur um die Vermeidung wirtschaftlicher Schäden geht .
        Der permanente Ladendiebstahl scheint dabei nicht in
        Betracht zu kommen, wohl aber die fortgesetzte Beschä-
        digung von Kunstgegenständen, wie wir sie von den so-
        genannten Säureattentätern kennen .
        Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu
        erwarten sind, durch die Opfer seelisch oder körperlich
        schwer geschädigt werden . Das ist erst für die Fortdauer
        eines Maßregelvollzugs nach sechs Jahren erforderlich
        oder einer Unterbringung, die der der Sicherungsverwah-
        rung nach zehn Jahren entspricht .
        Neu ist die Einführung einer Darlegungspflicht, die
        verlangt wird, wenn aus nichterheblichen Anlasstaten auf
        die Gefahr künftiger erheblicher Gefahren für die Allge-
        meinheit geschlossen wird . Der Gesetzentwurf sieht vor,
        dass besondere Umstände vorliegen müssen, die trotz
        einer nichterheblichen Anlasstat auf eine positive Ge-
        fährlichkeitsprognose schließen lassen . Die Feststellung
        dieser besonderen Umstände zwingt das anordnende Ge-
        richt auch in dieser Hinsicht zu einer besonderen Beach-
        tung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . Es wird im
        Ergebnis darauf ankommen, zu prüfen, ob es besondere
        Anhaltspunkte in der Person des Täters oder den Tatum-
        ständen gibt, dass er bei nächster Gelegenheit etwa ein
        deutlich höheres Maß an Gewaltanwendung an den Tag
        legen würde .
        In prozessualer Hinsicht geht es darum, dass mit
        dem Gesetzentwurf die Anforderungen an die jährli-
        chen Gutachten konkretisiert werden . Wir wollen auch
        dem Vorwurf der Fließband- oder Gefälligkeitsgutachten
        entgegenwirken . So wird die zeitliche Frequenz deutlich
        erhöht, in der externe Gutachter eingeschaltet werden
        müssen, und auch bei diesen externen Gutachtern soll es
        öfter als bisher zu einem personellen Wechsel kommen .
        Im ersten Durchgang im Bundesrat hat der Justizmi-
        nister des Landes Bayern, der sich bei diesem Thema in
        besonderer Weise auch schon bei unseren Koalitionsver-
        handlungen engagiert hat, für eine Beteiligung der Öf-
        fentlichkeit bei den mündlichen Anhörungen des Unter-
        gebrachten geworben . Dadurch solle bei diesem Thema
        vor allem für mehr Transparenz gesorgt werden, um dem
        Eindruck entgegenzuwirken, hinter den hohen Mauern
        der psychiatrischen Krankenhäuser seien die Menschen
        hilflos den Gutachtern und Richtern ausgesetzt.
        Ich bin dafür, dass wir über den übrigens aus meiner
        Sicht bisher einzigen gravierenden Kritikpunkt am Ge-
        setzentwurf in der öffentlichen Anhörung intensiv disku-
        tieren, weil ich mir schon vorstellen kann, dass es auch
        zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Untergebrach-
        ten und möglicherweise auch potenzieller Opfer Argu-
        mente geben mag, die gegen eine solche Öffnung der
        Anhörungen sprechen .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615042
        (A) (C)
        (B) (D)
        Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Wir als Gesetz-
        geber haben, wenn wir heute erstmals über die Novel-
        lierung des Rechts der Unterbringung in einem psychia-
        trischen Krankenhaus debattieren, die folgenden beiden
        Aspekte zu beachten: den Schutz der Öffentlichkeit vor
        möglichen Gefahren, die von einzelnen untergebrachten
        Personen ausgehen könnten, aber auch den Schutz des
        einzelnen Untergebrachten vor eventuellen Fehleinschät-
        zungen durch Behörden und Gerichte .
        Die anstehende Gesetzesänderung stärkt die thera-
        peutischen Erfolgsmöglichkeiten und ermöglicht einen
        zielgenaueren und effizienteren Einsatz der begrenzten
        Ressourcen im Bereich der Entziehungseinrichtungen .
        Ziel der Änderungen der §§ 63 ff . StGB ist es, die stei-
        genden Zahlen der in einem psychiatrischen Kranken-
        haus oder einer Entzugsklinik untergebrachten Personen
        zu senken und die Voraussetzungen einer Unterbringung
        und ihrer Dauer zu regulieren .
        Der kontinuierliche Anstieg und die wachsende Dauer
        der untergebrachten Personen haben den Anlass geboten,
        eine Gesetzesänderung herbeizuführen: Im Jahr 2000
        waren 4 089 Personen in solchen Einrichtungen unter-
        gebracht; diese Zahl ist bis zum Jahr 2013 um mehr als
        50 Prozent auf 6 652 Personen angestiegen . Auch die
        durchschnittliche Unterbringungsdauer hat sich von
        6,2 Jahren in 2008 auf acht Jahre in 2012 erhöht .
        Für die Unterbringung in einer Entziehungsklinik ist
        eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg erforder-
        lich . Es ist daher von Bedeutung, dass der Betroffene
        durch die Behandlung geheilt wird oder über einen er-
        heblichen Zeitraum von Rückfällen abgehalten wird . Für
        diese Anordnung ist daher eine präzise Prognose erfor-
        derlich, wie lange eine solche Unterbringung erforderlich
        ist .
        Durch das Anfügen der Frist aus § 67 d I 1 und 3 StGB
        wird der Therapie eine zeitliche Grenze von zwei Jahren
        gesetzt, soweit keine Freiheitsstrafe verhängt wurde, da
        sich der Täter durch seine Sucht in einem schuldunfähi-
        gen Zustand befand . Dies hat den Zweck, den Streit in
        der Rechtsprechung über die Dauer solcher Maßnahmen
        zu beenden . Diese Höchstdauer ist meiner Meinung nach
        vernünftig, da eine sinnvolle Prognose über die Dauer
        von drei Jahren nicht wirklich möglich ist .
        Wurde eine freiheitsentziehende Maßnahme verhängt,
        kann die Therapiedauer auch auf diese Zeit verlängert
        werden . Dies ist besonders bei Straftätern, die über die
        Suchtmittelabhängigkeiten hinaus an weiteren psychi-
        schen Erkrankungen leiden, erforderlich, da in diesen
        Fällen eine Entwöhnung durchaus länger dauern kann .
        Die Behandlungsdauer soll dadurch nicht verlängert wer-
        den; diese Verlängerung gilt nur für besonders schwieri-
        ge Fälle .
        Durch die Erweiterung des § 67 StGB um einen Ab-
        satz 6 soll eine wichtige Entscheidung des BGH umge-
        setzt werden, wonach die Zeit des Maßregelvollzugs in
        Härtefällen auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe
        anzurechnen ist . Durch diese Änderung wird bei einer
        Gesamtstrafe der Maßregelvollzug berücksichtigt .
        Wie wir wissen, verfolgen Freiheitstrafen und frei-
        heitsentziehende Maßnahmen unterschiedliche Zwecke,
        weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander ange-
        ordnet werden können . Geschieht dies, ist jedoch gebo-
        ten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke bei-
        der Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden,
        ohne dabei in das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II
        2 GG mehr als notwendig einzugreifen . Diese genannten
        Vorgaben sind nicht schematisch zu sehen, sondern die-
        nen nur als Kriterien für die Abwägung im Einzelfall . Im
        Vordergrund muss immer die Verhältnismäßigkeit zwi-
        schen dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten und
        dem Maßregelvollzug stehen . Dies setzt eine schonende
        Anwendung der staatlichen Gewalt gegenüber dem Bür-
        ger und nur eine Anwendung bei einer wirklichen Dring-
        lichkeit voraus . Der Vollzug der anderen Freiheitsstrafe
        muss zu einer unbilligen Härte für den Untergebrachten
        führen . Ein wesentliches Kriterium dafür sind vor allem
        der erzielte Therapieerfolg und eine anschließende Ge-
        fährdung durch eine Vollstreckung der Freiheitsstrafe .
        Diese Kriterien sind für jeden Fall einzeln abzuwägen
        und unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu be-
        leuchten . Dabei spielt auch und vor allem das Verhalten
        des Untergebrachten während der Therapie eine erhebli-
        che Rolle . Im vorgelegten Gesetzentwurf gibt es auch ein
        Regelbeispiel, bei welchem es nicht zu einer Anrechnung
        der Zeit in der Einrichtung auf die Freiheitsstrafe kom-
        men soll . Dies soll die präventive Wirkung der Strafan-
        drohung untermauern .
        § 67 d VI StGB setzt für die Dauer der Entziehungs-
        maßnahme eine Höchstfrist von sechs Jahren voraus,
        welche nur unter besonderen Umständen verlängert wer-
        den kann . Durch diese Regelung soll auch der Grundsatz
        der Verhältnismäßigkeit in den Fortdauerentscheidungen
        gewahrt werden . Eine längere Unterbringung ist daher
        nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr be-
        steht, dass durch den Untergebrachten Taten begangen
        werden, durch die dem Opfer schwere seelische oder
        körperliche Schädigungen zugefügt werden . Nach zehn
        Jahren gilt Absatz 3 entsprechend . Diese Vorschrift gilt
        für § 63 und § 64 StGB gleichermaßen . Diese erhebliche
        Beeinträchtigung, die gefordert wird, setzt den Rahmen
        für die Angemessenheit der Fortdauer erheblich höher,
        um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf
        das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II 2 GG zu wahren .
        Ob solche erheblichen Straftaten drohen, hat das Gericht
        nach der Neufassung in einer umfassenden Einzelfall-
        prüfung und unter Berücksichtigung aller Umstände zu
        bewerten . Je länger die Unterbringung andauert, desto
        eingehender hat das zuständige Gericht die einzelnen
        Umstände zu prüfen und zu würdigen .
        In § 67 d VI 2 und 3 StGB werden die Verhältnis-
        mäßigkeitsgrundsätze speziell für die Unterbringung
        in einer psychiatrischen Einrichtung dargelegt . Da eine
        Unterbringung in einer solchen Einrichtung auch „le-
        benslänglich“ erfolgen kann, sind an die Verhältnismä-
        ßigkeit große Anforderungen zu stellen . Dabei sind auch
        wieder die konkret zu erwartenden Straftaten zu beach-
        ten und in die Abwägung einzubeziehen . Die Vorausset-
        zungen an die Verhältnismäßigkeit sind umso strenger,
        je länger der Untergebrachte in einer psychiatrischen
        Einrichtung untergebracht wurde . Die Fortsetzung der
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15043
        (A) (C)
        (B) (D)
        Unterbringung wird nach sechs und nach zehn Jahren an
        erhöhte Voraussetzungen geknüpft .
        Wir haben hier einen umfangreichen Entwurf vorlie-
        gen, der die von mir eingangs genannten beiden Aspekte
        „Schutz der Öffentlichkeit“ und „Schutz der einzelnen
        untergebrachten Person“ ausreichend würdigt .
        Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und be-
        danke mich für die Aufmerksamkeit .
        Dirk Wiese (SPD): Über die letzten Jahre ist eine
        stetig steigende Anzahl von Unterbringungen in psychi-
        atrischen Krankenhäusern gemäß § 63 des Strafgesetz-
        buches zu verzeichnen . Auch die Unterbringungsdauer
        selbst ist deutlich gestiegen .
        Dem entgegen steht die Tatsache, dass es keine kon-
        kreten Belege für einen parallelen Anstieg der Gefähr-
        lichkeit der Untergebrachten gibt . Darüber hinaus wur-
        den durch die Medien Fälle bekannt, die auf Missstände
        bei der Einweisung und vor allem bei der stetigen Be-
        gutachtung der Eingewiesenen hinweisen . Dies alles gab
        Anlass für den heute hier vorliegenden Gesetzentwurf,
        der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Un-
        terbringung nach § 63 StGB eine wesentlich stärkere Be-
        deutung verleihen wird .
        Unverhältnismäßige, insbesondere unverhältnismäßig
        lange Unterbringungen werden hiermit künftig besser
        vermieden werden können . Hervorheben möchte ich wie
        meine Vorredner, dass der Gesetzentwurf auf dem Ergeb-
        nis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Novellierung
        des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen
        Krankenhaus basiert . Diese wurde in Umsetzung einer
        Vorgabe des Koalitionsvertrags und einer entsprechen-
        den Bitte der Konferenz der Justizministerinnen und
        Justizminister vom Bundesministerium der Justiz und für
        Verbraucherschutz eingesetzt und geleitet .
        Die mit Vertretern der Landesjustizverwaltungen, der
        AG Psychiatrie der Länder sowie des Bundesministe-
        riums für Gesundheit besetzte Arbeitsgruppe nahm am
        14 . März 2014 ihre Arbeit auf . In insgesamt fünf Sitzun-
        gen wurde ein Diskussionsentwurf erarbeitet, auf dem
        der vorliegende Gesetzentwurf basiert . Ich denke, dass
        dies ein hervorragendes Beispiel für die gute Zusammen-
        arbeit zwischen Bund und Ländern ist .
        Der Kollege Christian Lange hat die wichtigsten Punk-
        te des Entwurfs bereits dargestellt; ich verzichte daher auf
        Wiederholungen . Lassen Sie mich aber kurz klarstellen,
        dass wir uns natürlich der Verantwortung gegenüber der
        Bevölkerung bewusst sind . Die Vermeidung von unver-
        hältnismäßig langen Unterbringungen hat nicht zwangs-
        weise eine Senkung des Schutzes der Allgemeinheit vor
        Straftätern zur Folge . Gewalt- oder Sexualstraftäter, bei
        denen die Gefahr besteht, dass sie aufgrund ihres Zustan-
        des auch zukünftig erhebliche Straftaten begehen, durch
        welche die potenziellen Opfer seelisch oder körperlich
        schwer geschädigt werden, können zum Schutz der All-
        gemeinheit weiterhin unbefristet untergebracht werden .
        Es geht vielmehr darum, Fälle zu vermeiden, die wir
        auch aus den Medien kennen, also Fälle, in denen Men-
        schen zu wenig rechtliches Gehör geschenkt wird und
        diese sich womöglich in Unterbringung befinden, ob-
        wohl kein Grund mehr dazu besteht .
        Hier bin ich auch schon beim nächsten Thema: Ich
        möchte mich bei den verschiedenen Verbänden für die
        bereits jetzt erfolgte Zusendung der Stellungnahmen zum
        Thema bedanken . Es sei Ihnen versichert, dass wir uns
        dem Thema mit der gebotenen Sorgfalt annehmen wer-
        den und selbstverständlich auch Ihre Stellungnahmen in
        die Arbeit mit einfließen lassen werden.
        Um zwei Punkte zu nennen, wo ich schon jetzt denke,
        dass wir sie uns genauer anschauen sollten:
        Erstens die Bestellung von Pflichtverteidigern. Die-
        ser Punkt ist mir auch bei diversen Veranstaltungen zum
        Thema sowohl von ärztlicher als auch von juristischer
        Seite genannt worden .
        Zweitens denke ich, dass es auch sinnvoll sein wird,
        sich das Zusammenspiel von § 63 und § 64 StGB bei der
        Anrechenbarkeit von Freiheitsstrafen genau anzuschau-
        en, um zu verhindern, dass Straftäter hier durch Taktieren
        und beispielsweise vorsätzlichen Verbleib im Maßregel-
        vollzug Vorteile bei der Haftanrechnung erlangen .
        Ich freue mich jedenfalls auf die bevorstehende Sach-
        verständigenanhörung und die Beratungen im Rechtsaus-
        schuss .
        Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wenn wir heute
        in der ersten Lesung über ein Gesetz zur Novellierung
        des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen
        Krankenhaus gemäß § 63 StGB reden, will ich zunächst
        grundsätzlich werden . Auch das muss manchmal sein .
        Die Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-
        kenhaus trifft Personen, die eine rechtswidrige Tat im
        Zustand der Schuldfähigkeit oder verminderten Schuld-
        fähigkeit begangen haben . Eine Unterbringung in einem
        psychiatrischen Krankenhaus kommt in Betracht, wenn
        die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt,
        dass von ihm infolge dieses Zustandes erhebliche rechts-
        widrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die All-
        gemeinheit gefährlich ist .
        Es handelt sich also um eine Prognoseentscheidung .
        Diese ist – wir haben das bei der Sicherungsverwahrung
        immer wieder diskutiert – immer problematisch, wenn
        sie am Ende zu einer Freiheitsentziehung führt . Wir Lin-
        ken haben die Sicherungsverwahrung abgelehnt, und ich
        verhehle nicht, dass mir Initiativen für die Abschaffung
        des § 63 StGB durchaus sympathisch sind . Dennoch
        kann ich mich diesen Initiativen nicht ganz anschließen .
        Das Problem liegt in der sogenannten Zweispurigkeit
        im Strafsystem . Im Unterschied zur Sicherungsverwah-
        rung, die zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe verhängt
        wird, geht es bei der Unterbringung nach § 63 StGB aber
        eben gerade um Menschen, die nicht oder nur bedingt un-
        ter das Strafrecht fallen . Das ist der zentrale Unterschied
        zum Recht der Sicherungsverwahrung, welche nach der
        Verbüßung einer Freiheitsstrafe verhängt wird .
        Wichtig finden wir aber vor diesem Hintergrund –
        und das ist meine erste Kritik am vorliegenden Gesetz-
        entwurf –, dass die Unterbringung nach § 63 StGB auf
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615044
        (A) (C)
        (B) (D)
        diejenigen Personen beschränkt wird, die schuldunfähig
        sind . Denn hier handelt es sich um Menschen, die, wenn
        sie eine Straftat in einem Zustand der Schuldfähigkeit
        begangen hätten, mit Freiheitsentzug bestraft werden
        würden . Wir schlagen also konkret vor, die Menschen,
        die bedingt schuldfähig sind, aus dem Anwendungsbe-
        reich des § 63 StGB herauszunehmen . Dies würde auch
        wesentliche Folgeprobleme bei den Regelungen zur Rei-
        henfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) verhindern .
        Nun verlangt der § 62 StGB, dass Maßregeln der Bes-
        serung und Sicherung nur angeordnet werden dürfen,
        „wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und
        zu erwartenden Taten“ sowie zum Grad der vom Täter
        ausgehenden Gefahr außer Verhältnis stehen . Und hier
        komme ich zur zweiten Kritik am Gesetzentwurf: Wir
        glauben, dass diesem Grundsatz mit dem Gesetzentwurf
        nicht ganz Rechnung getragen wird . Aus ganz grundsätz-
        lichen Erwägungen finden wir es falsch, in den Anwen-
        dungsbereich des § 63 StGB auch Taten aufzunehmen,
        die schwere wirtschaftliche Schäden anrichten . Am Ende
        ist eben auch die Unterbringung in einem psychiatrischen
        Krankenhaus eine Freiheitsentziehung, und diese ist aus
        unserer Sicht unverhältnismäßig, wenn es um wirtschaft-
        liche Schäden geht, erst recht, wenn es um die Prognose
        für zukünftige Straftaten geht .
        Darüber hinaus sind wir wegen des Verhältnismäßig-
        keitsprinzips für eine Höchstgrenze der Unterbringung in
        einem psychiatrischen Krankenhaus .
        Nun sehen auch wir aber auch, dass der Gesetzent-
        wurf nicht unwesentliche Verbesserungen im Bereich
        des Rechtes der Unterbringung in einem psychiatrischen
        Krankenhaus enthält . Jenseits der grundsätzlichen Kritik
        sehen wir durchaus das Bemühen, Verbesserungen vor-
        zunehmen, vor allem im Hinblick auf die Vorschläge in
        der Strafprozessordnung zur Begutachtung durch ärztli-
        che oder psychologische Sachverständige. Diese finden
        wir tatsächlich unterstützenswert .
        Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Ich bin froh, dass wir endlich über eine Reform
        der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern
        nach § 63 StGB diskutieren; denn der Änderungsbedarf
        ist groß und eine Reform schon lange überfällig . Das
        Schicksal von Gustl Mollath oder von Ilona Haslbauer
        hat bundesweit für Aufsehen gesorgt . Sie haben deutlich
        gemacht, dass es strukturelle Defizite im Maßregelvoll-
        zug gibt, die zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die
        Freiheitsrechte Einzelner führen . Dazu gehören nicht nur
        eine fälschliche Einstufung als psychisch krank und ge-
        fährlich, sondern auch, dass vermindert Schuldfähige oft
        sehr lange und ohne zeitliche Begrenzung festgehalten
        werden .
        Die Zahl der Menschen, die auf Grundlage des
        § 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern unterge-
        bracht werden, hat in den letzten Jahren erheblich zuge-
        nommen . Oft sind sie jahrelang eingesperrt und mit Me-
        dikamenten „versorgt“, ohne dass ein dementsprechendes
        Anlassverhalten dies rechtfertigen könnte. Häufig wird
        ihnen auf entwürdigende Weise viel länger die Freiheit
        entzogen, als dies bei einer strafrechtlichen Verurteilung
        wegen derselben Tat der Fall gewesen wäre . Eine Maßre-
        gel aber darf für den betroffenen Menschen nicht grund-
        rechtsverletzender sein als eine Kriminalstrafe .
        Der vorliegende Gesetzentwurf versucht diese Unver-
        hältnismäßigkeit etwas zu korrigieren . Das ist ein Schritt
        in die richtige Richtung . Leider ist dieser Schritt aber
        viel zu kleinteilig . Das sehen auch viele Fachverbände
        und Juristen so, die befürchten, dass die vorgeschlagenen
        Änderungen sich kaum auf die Praxis auswirken werden .
        Die Bundesregierung ist gefragt, ein Gesamtkonzept
        zum Umgang mit vermindert schuldfähigen oder in Kri-
        sensituationen gewaltbereiten Patientinnen und Patienten
        vorzulegen, in dessen Mittelpunkt die individuelle Un-
        terstützung und Versorgung besonders schwer psychisch
        kranker Menschen stehen . Der beste Schutz der Allge-
        meinheit besteht aus frühzeitiger Hilfe, Therapie und
        Krisenintervention, denn jede psychische Erkrankung,
        jede Suchterkrankung und jede psychische Auffälligkeit
        hat eine Vorgeschichte . Dazu gehören stationsersetzende
        Behandlungsmöglichkeiten, eine flexible und wohnort-
        nahe Versorgung zwischen ambulanter und stationärer
        Behandlung, ausreichend ambulante Krisenintervention
        und -begleitung sowie die Einbeziehung von Psychothe-
        rapie und psychosozialer Unterstützung vor Ort . Insge-
        samt müssen die Angebotsformen sich verstärkt am indi-
        viduellen Bedarf der Erkrankten und ihrer Angehörigen
        orientieren . Nach einer forensischen Behandlung braucht
        es eine gute und intensive in die Gemeindepsychiatrie
        eingebettete Nachsorge .
        Im Vergleich zur Allgemeinpsychiatrie hat der Maßre-
        gelvollzug in den letzten Jahren viel weniger von patien-
        tenorientierten Reformen profitiert. Daher ist es dringend
        notwendig, dass wir in diesem Gesetzgebungsverfahren
        auch über eine Öffnung des § 63 StGB für ambulante
        Behandlungen und damit die Beachtung des – auch vom
        Bundesverfassungsgericht betonten – Ultima-Ratio-Ge-
        bots bezüglich der Unterbringung diskutieren . Es muss
        möglich sein, dass in jedem Fall weniger einschneiden-
        de, nicht freiheitsentziehende Maßnahmen geprüft wer-
        den und, wenn nötig, angeordnet werden . Dafür müssen
        natürlich auch geeignete ambulante Therapieangebote
        ausgebaut werden . In dem Eckpunktepapier aus dem
        BMJ aus dem Jahr 2013 heißt es noch: „erforderlich ist
        ggf . eine Stärkung der ambulanten Versorgung vor Ort,
        da eine Unterbringung immer nur das letzte Mittel sein
        darf .“ Warum dieser Punkt in dem vorliegenden Entwurf
        völlig ausgeklammert wird, ist unverständlich . Nur so
        kann wirklich eine ausgewogene Gewichtung zwischen
        dem Freiheitsentzug des Einzelnen einerseits und dem
        Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft andererseits ge-
        schaffen werden . Es ist jedenfalls wenig hilfreich, wenn
        die gesetzlichen Änderungen sich darauf beschränken,
        dass Betroffene zwar ein paar Jahre früher aus der Unter-
        bringung entlassen werden, sie aber mangels ambulanter
        Therapieangebote und Unterstützung im Alltag nach kur-
        zer Zeit in eine geschlossene Abteilung der Allgemein-
        psychiatrie eingewiesen werden .
        Wir sehen auch großen Änderungsbedarf hinsichtlich
        des gesamten Gutachterwesens – dieses muss grundle-
        gend auf den Prüfstand .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15045
        (A) (C)
        (B) (D)
        Der Gesetzentwurf sieht erhöhte Anforderungen an
        (externe) Sachverständigengutachten bei der Überprü-
        fung der Unterbringung nach § 67 e StGB vor, die aus un-
        serer Sicht jedoch nicht ausreichend sind . Insbesondere
        ist fraglich, ob nichtapprobierte Rechtspsychologen für
        die notwendige Begutachtung ausreichend Fachkenntnis
        haben . Die Bundespsychotherapeutenkammer schlägt in-
        sofern vor, als Sachverständige nur Psychologische Psy-
        chotherapeuten oder Fachärzte für Psychiatrie bzw . Psy-
        chosomatische Medizin zuzulassen, die zusätzlich über
        ausreichend Erfahrung in der forensischen Psychiatrie
        sowie entsprechende Fachkenntnisse in der Gutachten-
        erstellung verfügen .
        Die vorgeschlagene Regelung zur externen Begut-
        achtung sollte aber aus weiteren Gründen nochmals
        hinterfragt werden . Insbesondere dahin gehend, ob wir
        hier mit wenig den Einzelfall berücksichtigenden Rege-
        lungen hinsichtlich Begutachtungsintervallen sowie der
        zu benennenden Gutachter tatsächlich unverhältnismä-
        ßiger Unterbringung entgegenwirken können . Möglich
        wäre auch, eine flexible Lösung im Gesetz vorzusehen.
        Diskussionswürdig ist zum Beispiel der Vorschlag, Ver-
        fahrensbeteiligten die Möglichkeiten einzuräumen, beim
        Vollstreckungsgericht anlass- und anliegenbezogen die
        Einleitung eines externen Gutachtens anzuregen .
        Die Bundesregierung adressiert wichtige Punkte –
        bleibt aber halbherzig, wenn es konkret wird . Sie benennt
        engere Anordnungsvoraussetzungen, um die Schwelle zur
        Unterbringung zu erhöhen . Dabei geht sie jedoch nicht
        weit genug . Die neuen Voraussetzungen berücksichtigen
        längst nicht ausreichend den Grundsatz der Verhältnis-
        mäßigkeit . Taten mit nur wirtschaftlichem Schaden soll-
        ten keine unbefristete Unterbringung rechtfertigen . Nicht
        verhältnismäßig ist, dass bei Vorliegen von „besonderen
        Umständen“ auch leichtere Ausgangstaten für eine Un-
        terbringung ausreichen sollen .
        Ich erwarte, dass die Koalitionsfraktionen die vielsei-
        tige Kritik ernst nehmen und den Gesetzentwurf nach-
        bessern, um eine verhältnismäßige Gewichtung zwi-
        schen dem Freiheitsentzug des Einzelnen einerseits und
        dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft andererseits
        zu schaffen .
        Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun-
        desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die
        geplante Novellierung des Rechts der Unterbringung ge-
        mäß § 63 des Strafgesetzbuches soll besser als bislang
        unverhältnismäßige Unterbringungen vermeiden hel-
        fen . Denn die Statistiken zeigen uns, dass in den letzten
        Jahren die Zahl der Untergebrachten und vor allem die
        Dauer ihrer Unterbringung immer weiter gestiegen sind,
        ohne dass es zugleich Belege für einen entsprechenden
        Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt . Zu-
        gleich wollen wir mit dem Entwurf auch das Vertrauen
        der Öffentlichkeit in die Richtigkeit justizieller Entschei-
        dungen stärken, das nicht zuletzt durch den Fall Mollath
        in jüngerer Zeit gelitten hat .
        Lassen Sie mich kurz anhand von drei Punkten auf un-
        seren Regierungsentwurf eingehen . Wie Sie wissen, sieht
        er insbesondere folgende Änderungen zur Vermeidung
        unverhältnismäßiger und vor allem unverhältnismäßig
        langer Unterbringungen vor:
        Erstens . Nach dem Entwurf soll § 63 StGB nur noch
        bei drohenden Taten angeordnet werden können, „durch
        welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich ge-
        schädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer
        wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“ . Die blo-
        ße Gefahr von Vermögensdelikten mit vergleichsweise
        geringen Schäden soll also nicht mehr ausreichen . Die
        Zeiten, in denen Schadenswerte von 100 Euro zu Unter-
        bringungen führten, wären damit vorbei . Zugleich wird
        durch die genannte Formulierung konkretisiert, wann
        bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter von
        erheblichen Straftaten auszugehen ist . Und schließlich
        soll ausdrücklich normiert werden, dass das Gericht er-
        höhten Darlegungsanforderungen unterliegt, wenn es aus
        lediglich nicht erheblichen Anlasstaten dennoch auf die
        zukünftige Gefahr erheblicher Taten schließen und die
        Unterbringung daher anordnen will .
        Zweitens . Für die Fortdauer der Unterbringung sieht
        der Entwurf vor, dass eine Fortdauer über sechs Jahre in
        der Regel nur noch möglich sein soll, wenn Taten drohen,
        durch die die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ ge-
        schädigt werden oder in die Gefahr einer schweren see-
        lischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden .
        Die bloße Gefahr rein wirtschaftlicher Schäden soll also
        für eine Unterbringung über sechs Jahre hinaus grund-
        sätzlich nicht mehr ausreichen .
        Die Fortdauer über zehn Jahre hinaus soll – ebenso
        wie bei der Sicherungsverwahrung – schließlich nur noch
        möglich sein bei der Gefahr von Taten, durch welche die
        Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt wer-
        den .
        Und schließlich – drittens – sieht unser Entwurf beim
        Ausbau der prozessualen Sicherungen Neuerungen für
        die regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der Unter-
        bringung vor . Zum einen soll klargestellt werden, dass
        es bei jeder jährlichen Überprüfung einer gutachterlichen
        Stellungnahme der Klinik bedarf . Zum anderen soll die
        Frequenz für die Notwendigkeit eines externen Gutach-
        tens von fünf auf drei Jahre und für Unterbringungen ab
        sechs Jahren auf zwei Jahre erhöht werden . Zudem darf
        der externe Gutachter in der Regel nicht das jeweils vo-
        rangegangene Gutachten erstellt haben . Damit soll vor
        allem der Gefahr sich selbst bestätigender Routinebegut-
        achtungen begegnet werden . Schließlich ist die zwingen-
        de mündliche Anhörung des Untergebrachten auch bei
        der Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung
        vorgesehen .
        Darüber hinaus sieht der Entwurf zwei weitere Än-
        derungen vor: Zum einen setzen wir mit ihm eine Ent-
        scheidung des Bundesverfassungsgerichts um, wonach
        in Härtefällen Zeiten des Maßregelvollzugs auch auf ver-
        fahrensfremde Freiheitsstrafe angerechnet werden kön-
        nen müssen . Zum anderen soll klargestellt werden, dass
        eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, neben
        der zugleich eine Freiheitsstrafe verhängt werden soll,
        auch dann in Betracht kommt, wenn die Behandlung vo-
        raussichtlich mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmen
        wird .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615046
        (A) (C)
        (B) (D)
        Insgesamt schlägt der Ihnen vorliegende Entwurf
        maßvolle Änderungen vor, um den bereits vom Bundes-
        verfassungsgericht vorgegebenen Grundsatz der Verhält-
        nismäßigkeit im Maßregelrecht zu stärken, insbesondere
        bei der Unterbringung nach § 63 StGB, ohne dabei – und
        auch dies ist mir wichtig – die berechtigten Sicherheits-
        interessen der Allgemeinheit vor psychisch gestörten
        Straftätern zu vernachlässigen .
        Dass wir hier die grundsätzlich richtige Balance
        zwischen Freiheits- und Sicherheitsinteressen gefun-
        den haben, liegt sicher auch daran, dass der Entwurf in
        einer vom Bundesministerium der Justiz und für Ver-
        braucherschutz geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe
        vorbereitet und dabei frühzeitig auch der Sachverstand
        der Gesundheitsseite einbezogen wurde . Die breite und
        grundsätzliche Unterstützung, die der Entwurf dort und
        im Bundesrat gefunden hat, erhoffe und wünsche ich mir
        natürlich auch in diesem Hohen Haus .
        Anlage 11
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
        gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
        zung der prüfungsbezogenen Regelungen der
        Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der
        entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU)
        Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprü-
        fung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse
        (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) (Tages-
        ordnungspunkt 18)
        Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Erstens . Der hier zu
        diskutierende Gesetzentwurf der Bundesregierung will
        im Wesentlichen zahlreiche Vorschriften des Rechts der
        Abschlussprüfung geänderten europäischen Vorgaben
        anpassen . Im Mittelpunkt steht dabei die Umsetzung der
        prüfungsbezogenen Vorgaben der überarbeiteten Ab-
        schlussprüferrichtlinie; andere Vorgaben wurden schon
        durch das inzwischen in Kraft getretene APAReG um-
        gesetzt . Aber es geht nicht nur um die Anpassung deut-
        schen Rechnungslegungsrechts an geänderte europäische
        Richtlinien . Es geht auch darum, nationale Vorschrif-
        ten so zu gestalten, dass keine Konflikte mit der diesen
        Bereich regelnden, aber unmittelbar geltenden neuen
        EU-Verordnung 537/2014 auftreten .
        Die Bundesregierung hatte zu diesem Gesetz schon
        vor Monaten einen Referentenentwurf bekannt gemacht,
        der Gegenstand intensiver Diskussion in Fachkreisen
        war und den auch wir mit zahlreichen Betroffenen erör-
        tert haben . Das Ergebnis dieser Überlegungen hatten wir
        bereits dem Bundesministerium der Justiz und für Ver-
        braucherschutz mitgeteilt, und ich möchte ausdrücklich
        Dank sagen dafür, dass das BMJV zahlreiche der in die-
        ser Phase angesprochenen Kritikpunkte im jetzt vorge-
        legten Regierungsentwurf bereits berücksichtigt hat . Im
        europäischen Recht eingeräumte Mitgliedstaatenwahl-
        rechte werden dabei in weitem Umfang ausgeübt, sodass
        insgesamt die im deutschen Recht verankerten Grund-
        prinzipien so weit wie möglich unverändert bleiben kön-
        nen (Stichwort: Eins-zu-eins-Umsetzung) .
        Zweitens . Die Abschlussprüfung – das sei vor den
        weiteren Detailüberlegungen zur Sache betont – spielt
        eine hervorragende Rolle bei der Überwachung vor allem
        großer Unternehmen bzw ., worauf zurückzukommen ist,
        solcher von „öffentlichem Interesse“ . Denn sie versucht
        in ebendiesem öffentlichen Interesse sicherzustellen,
        dass die Rechenschaftslegung dieser Unternehmen kor-
        rekt ist – weil eine fehlerhafte Rechnungslegung nicht
        nur die Interessen der aktuellen Gesellschafter, Mitarbei-
        ter und Geschäftspartner berührt, sondern eben auch der
        zukünftigen . Insoweit stellt sie auch einen Baustein des
        Kapitalmarktrechts dar .
        Angesichts dieser zentralen Rolle des Abschlussprü-
        fers kommen seiner Qualifikation (die nicht Gegenstand
        dieses Gesetzgebungsverfahrens ist), seiner Auswahl
        durch die zuständigen Gesellschaftsorgane und der Art
        und Weise, wie er seine Tätigkeit erbringt, entscheiden-
        de Bedeutung zu . Im Kern geht es dabei darum, dass er
        ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit gegenüber den
        Gesellschaftsorganen aufweisen muss, die ja bei der
        „gewöhnlichen“ Gesellschaft sonst selbst die entspre-
        chenden Kontrollen durchführen könnten . Sichergestellt
        werden soll dies – soweit hier relevant – einerseits da-
        durch, dass ein Abschlussprüfungsmandat nur eine be-
        stimmte Höchstlaufzeit haben soll (nach Artikel 17 Ab-
        satz 1 der erwähnten EU-Verordnung im Grundsatz zehn
        Jahre), und andererseits durch das Verbot von oder die
        Offenlegungspflicht in Bezug auf Tätigkeiten, die mit der
        Prüfungstätigkeit in Konflikt stehen könnten. Allerdings
        ist Vorsicht geboten: Kürzere Mandatslaufzeiten mögen
        zwar nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“ die Prü-
        fungsintensität erhöhen; das ist aber nur um den Preis
        eines erhöhten Einarbeitungsaufwands in das neue Man-
        dat möglich, der wiederum mit höheren Prüferhonoraren
        kompensiert werden muss .
        Drittens . Von daher ist es richtig, wenn der deutsche
        Gesetzgeber von der durch Artikel 17 Absatz 4 der Ver-
        ordnung eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen
        will, die Höchstlaufzeiten des Mandats zu verlängern .
        Nicht recht einleuchten will dabei aber, dass Banken und
        Versicherungen nach § 318 Absatz 1 a HGB-RegE nicht
        von der maximalen Verlängerung der Rotationsdauer
        profitieren sollen – obwohl doch gerade hier der erwähn-
        te Einarbeitungsaufwand besonders hoch ist .
        Was schließlich den Bereich der Vermeidung von Inte-
        ressenkonflikten angeht, will § 319 a Absatz 1 Nummer 2
        HGB-RegE konkretisieren, welche Steuerberatungsleis-
        tungen neben dem Prüfungsmandat nicht erbracht wer-
        den dürfen . Abgesehen davon, dass die derzeit gewählte
        Formulierung nicht wirklich klar ist (geht es um Steuer-
        beratung oder um Steuerplanung?), dürfte die insoweit
        vorgesehene Genehmigungspflicht der Erbringung sol-
        cher Leistungen durch den Aufsichtsrat wohl auch über
        die EU-Vorgaben hinausgehen .
        Viertens . Ein anderer Punkt betrifft die in § 171 Ab-
        satz 2 AktG-RegE vorgeschlagene Berichtspflicht des
        Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, wenn es keinen
        Prüfungsausschuss gibt . Das ist widersinnig und system-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15047
        (A) (C)
        (B) (D)
        fremd – und möglicherweise eine Folge der Orientierung
        der zugrunde liegenden EU-Richtlinie am (in Deutsch-
        land nur im Rahmen der Europäischen Aktiengesell-
        schaft möglichen) monistischen Governance-System (ein
        Punkt, der möglicherweise auch noch an weiteren Stellen
        des Entwurfs bei der Auslegung zu berücksichtigen ist) .
        Fünftens . Nachbesserungsbedarf besteht wohl auch
        bei der Übergangsregelung, wo die „Kurzläuferproble-
        matik“ nicht vollständig erfasst ist: Ab wann beginnt hier
        der Rotationszeitraum zu laufen? Beginnt die Zehnjah-
        resfrist mit der letzten Bestellung des Abschlussprüfers
        oder erst mit Inkrafttreten des Gesetzes? Wird es zum
        Beispiel auch möglich sein, in 2016 die Verlängerungs-
        option wahrzunehmen, wenn der Abschlussprüfer für
        2005 bestellt wurde?
        Bei der erstmaligen Erstreckung der Regelungen auf
        nicht kapitalmarktorientierte Banken und Versicherun-
        gen als „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ (Pu-
        blic Interest Entities – PIE) müsste darüber hinaus noch
        klargestellt werden, ob der relevante Zeitraum schon
        ab Inkrafttreten der europäischen Richtlinie läuft, da
        Deutschland nur eine Ausnahme genutzt hat, oder erst ab
        Inkrafttreten des AReG .
        Sechstens . Schließlich und abschließend frage ich
        mich, ob nach den europäischen Vorgaben (Notwendig-
        keit „wirksamer“ Sanktionen bei Verstößen gegen euro-
        päisches Recht) wirklich auch strafrechtliche Sanktionen
        erforderlich sind . Jedenfalls sollte klargestellt werden,
        worauf sich die Sanktionierung bezieht – um zu vermei-
        den, dass auch Einzelheiten der (laufenden) Buchfüh-
        rung als Grundlage solcher Sanktionen gegenüber dem
        Abschlussprüfer dienen können .
        Ich freue mich auf die weiteren Beratungen!
        Metin Hakverdi (SPD): Die Reform der Abschluss-
        prüfung ist ein weiterer wichtiger Baustein, um künfti-
        gen Finanzkrisen vorzubeugen . Die Abschlussprüferin-
        nen und Abschlussprüfer haben bei der Entstehung der
        Finanzkrise keine glückliche Rolle gespielt .
        Ich war Mitglied des Untersuchungsausschusses der
        Hamburgischen Bürgerschaft für die HSH Nordbank . Ich
        habe in meiner Tätigkeit viel über Abschlussprüfer ge-
        lernt . Zum Beispiel habe ich gelernt, dass eine Prüfungs-
        gesellschaft der HSH Nordbank hinsichtlich der Bilanz
        eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt hat und
        dann nur wenige Monate später eine andere Prüfungs-
        gesellschaft zu einem ganz anderen Ergebnis kam . Die-
        se zweite Gesellschaft hat in der Bilanz eklatante Fehler
        festgestellt . Diese Fehler waren mitursächlich dafür, dass
        die Krise der Bank zu spät erkannt wurde . Fatal war aber
        auch, dass mit einem falschen Prüfungsergebnis die Auf-
        sichtsmöglichkeiten des Aufsichtsrates unterlaufen wur-
        den . Mit dem falschen Prüfungsergebnis trat der Vorstand
        vor den Aufsichtsrat und sagte, alles sei in Ordnung .
        Die Aufsichtsratsmitglieder, die wir fragten, warum
        sie die kommende Krise der HSH Nordbank nicht gese-
        hen haben, haben sich alle mit Verweis auf die Prüfungs-
        ergebnisse entschuldigt . Wie hätten sie als Mitglieder des
        Aufsichtsrates Fehler sehen können, die nicht einmal die
        Prüfungsgesellschaften aufgedeckt haben?
        In Zukunft darf uns so etwas nicht noch einmal passie-
        ren . In diesem Bereich müssen die richtigen Schlüsse aus
        der Krise gezogen werden .
        Erstens . Die Zwangsrotation bei den ausgewählten
        Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist notwendig . Es darf
        nicht sein, dass zwischen der zu prüfenden Gesellschaft
        und der Prüfungsgesellschaft eine Partnerschaft auf
        Lebenszeit entsteht . Ein solches Verhältnis kann – aus
        welchen Gründen auch immer – blindmachen und dazu
        führen, dass wichtige Probleme der zu prüfenden Gesell-
        schaft nicht erkannt werden . Deshalb ist es wichtig, dass
        in einem angemessenen zeitlichen Abstand andere Ab-
        schlussprüferinnen und Abschlussprüfer das betroffene
        Unternehmen auf Fehler und Probleme überprüfen . Wel-
        che Zeiträume dafür richtig sind, müssen wir noch klären .
        Ich bin der Meinung, dass hier ein differenzierter Ansatz
        gerechter ist . Es ist legitim, Banken und Versicherungen,
        aber auch Schattenbanken, die eine wichtige Rolle in un-
        serem Finanzsystem spielen, anders zu behandeln als die
        übrigen Betroffenen . Ich erhoffe mir von der öffentlichen
        Anhörung mehr Aufschluss zu diesem Punkt .
        Zweitens . Wichtig ist auch die Frage, in welchem Um-
        fang wir Prüfungsgesellschaften gestatten wollen, das zu
        prüfende Unternehmen gleichzeitig steuerlich zu bera-
        ten . Mag sein, dass Prüfungsgesellschaften ein Interesse
        an diesem Geschäft haben . Das darf aber am Ende nicht
        bedeuten, dass Prüfungsgesellschaften die Bilanz prüfen,
        deren Gestaltung sie durch Steuerberatung bewirkt ha-
        ben. Der entstehende Interessenkonflikt ist aus meiner
        Sicht evident . Die eigene Steuerberatungsleistung darf
        nicht zum Prüfungsgegenstand werden . Auch hier kann
        die öffentliche Anhörung wichtige Hinweise liefern .
        Ein dritter wichtiger Punkt betrifft die Rolle der un-
        ternehmerischen Aufsichtsorgane bei der Begleitung der
        Abschlussprüfung . Der vorgelegte Gesetzentwurf macht
        Vorgaben für die Tätigkeit der Aufsichtsräte und Prü-
        fungsausschüsse in den zu prüfenden Unternehmen . Ver-
        stöße werden stärker sanktioniert . Ich gehe davon aus,
        dass die Aufsichtsorgane der Unternehmen hinsichtlich
        der Prüfung sorgfältiger agieren werden . Die Aufsichts-
        tätigkeit wird künftig ernster genommen werden müssen .
        Als Aufsichtsrat wird man sich künftig nicht auf ein-
        wandfreie Prüfungsergebnisse berufen können, wie wir
        es im Falle der HSH Nordbank erlebt haben . In Zukunft
        muss auch der Nachweis geführt werden, dass der Prü-
        fungsprozess ordnungsgemäß beaufsichtigt wurde . Den
        Aufsichtsrat hier weiter in die Pflicht zu nehmen, ist rich-
        tig .
        Inwieweit wir bezüglich des Regierungsentwurfs Än-
        derungsbedarf haben, können wir nach der öffentlichen
        Anhörung besser einschätzen .
        Für mich steht eines fest: Wir müssen auch in Zukunft
        wachsam sein für Entwicklungen, die zu großen Verwer-
        fungen auf dem Finanzmarkt führen können . Wir dürfen
        nicht den Fehler der Vergangenheit wiederholen und uns
        zu sicher fühlen . Wir sollten stets kritisch bleiben – bei
        jedem Gesetz .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615048
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss .
        Richard Pitterle (DIE LINKE): In der Finanzkrise
        ab 2007 kämpften urplötzlich Unternehmen und Banken
        mit existenzbedrohenden Verlusten und Risiken, die sich
        in den Jahresabschlüssen und Lageberichten zuvor nicht
        oder nicht in diesem Umfang widergespiegelt haben . Da-
        mit kam auch eine Berufsgruppe in den Fokus der Ursa-
        chenforschung, die nur selten im Rampenlicht steht: die
        Abschlussprüfer . Fast ausnahmslos jedes größere Unter-
        nehmen muss seine Bücher von diesen Spezialisten un-
        tersuchen lassen . Ziel ist der Bestätigungsvermerk, mit
        dem der Abschlussprüfer die Einhaltung der kaufmänni-
        schen Buchführungsregeln und eine richtige Darstellung
        der Geschäftsentwicklung testiert .
        Diese Pflicht dient dem Schutz von Gesellschaftern,
        Gläubigern und auch der Öffentlichkeit . Eine seriöse
        Kontrolle setzt aber voraus, dass die Untersuchung un-
        abhängig vom Unternehmen und objektiv erfolgt . Fi-
        nanzielle und geschäftliche Interessen, die das Urteil der
        Prüfer beeinflussen können, müssen vermieden werden.
        Die zunehmende Komplexität der Prüfung bei großen
        Unternehmen und das dafür erforderliche Maß an Spe-
        zialisierung haben zu einer Konzentration des Marktes
        auf wenige global agierenden Prüfungsgesellschaften
        geführt . In einem milliardenschweren Markt sind Unab-
        hängigkeit und Objektivität aber rare Güter .
        Der europäische Gesetzgeber hat nach Konsultation
        der Öffentlichkeit 2010 mit dem Grünbuch „Weiteres
        Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus
        der Krise“ mit einer reformierten Abschlussprüferrichtli-
        nie (RL 2014/56/EU) sowie der Abschlussprüferverord-
        nung (VO 537/2014) reagiert .
        Nachdem kürzlich mit dem Abschlussprüferauf-
        sichtsreformgesetz – kurz APAReG – die berufs- und
        aufsichtsrechtlichen Regelungen verabschiedet wurden,
        soll mit dem vorliegenden Entwurf eines Abschlussprü-
        fungsreformgesetzes – kurz AReG – die Umsetzung der
        europäischen Normen zur Art und Weise der Prüfung er-
        folgen .
        Der Entwurf erreicht an wesentlichen Stellen das Ziel
        einer objektiveren und unabhängigeren Abschlussprü-
        fung nicht . Dazu nutzt er entgegen der Ankündigung,
        eine Eins-zu-eins-Umsetzung vorzunehmen, die mit-
        gliedstaatlichen Spielräume extensiv aus, um den Status
        quo zu erhalten .
        So sieht Artikel 17 der Abschlussprüferverordnung
        vor, dass eine externe Rotation, also der Wechsel der
        Abschlussprüfer, nach zehn Jahren erfolgen muss . Die
        Begrenzung ist nachvollziehbar . Bereits die Aussicht auf
        eine möglichst langfristige, lukrative Geschäftsbezie-
        hung birgt die Gefahr, den Prüfauftrag nicht allzu kritisch
        zu erfüllen . Je länger der Prüfauftrag andauert, desto grö-
        ßer wird die wechselseitige Abhängigkeit . Dabei nimmt
        die Wahrscheinlichkeit zu, dass Fehler und Nachlässig-
        keiten übersehen werden . Es ist aber gerade der kritische
        Blick des Unvoreingenommenen, der Fehler erkennt .
        Der Entwurf nutzt die Möglichkeit, die Höchstdauer auf
        24 Jahre auszudehnen, und konterkariert damit den Sinn
        der Pflichtrotation vollständig.
        Auch die Erlaubnis, neben der Prüfungstätigkeit an-
        dere sogenannte Nichtprüfungsleistungen für das Unter-
        nehmen zu erbringen, schränkt der Entwurf nicht in dem
        Umfang ein, wie es nach Artikel 5 Absatz 2 der Verord-
        nung möglich wäre . Stattdessen reizt er auch an dieser
        Stelle die Grenzen der Verordnung maximal aus .
        Ein wesentlicher Teil des Entwurfes regelt Straf- und
        Bußgeldtatbestände für Mitglieder des Prüfungsaus-
        schusses . Es ist zwar grundsätzlich richtig, auch Fehl-
        verhalten aufseiten der Unternehmensverantwortlichen
        bei der Auswahl- und Überwachung der Abschlussprü-
        fer zu sanktionieren . Ob dafür überhaupt eigenständige
        Regelungen im Hinblick auf den jüngst reformierten
        § 299 StGB erforderlich sind, ist schon fraglich . Kon-
        krete Vorgaben dazu gibt es jedenfalls nicht in den euro-
        päischen Regelungen . Kritisch ist aber in jedem Fall die
        Unbestimmtheit der Vorschriften . In der Strafrechtslite-
        ratur höchst umstrittene Begriffe wie „beharrlich“ zu ver-
        wenden, ist genauso problematisch, wie die Strafbarkeit
        einzelner Mitglieder des Prüfungsausschusses aufgrund
        der Verletzung von Pflichten des gesamten Ausschusses
        begründen zu wollen, indem undifferenziert ohne klare
        Tatbestandsdefinition auf Artikel der Verordnung verwie-
        sen wird .
        Nicht zuletzt dürfte sich die obligatorische Veröf-
        fentlichung von Strafurteilen auf der Internetseite der
        Abschlussprüferaufsichtsstelle nicht im Einklang mit
        geltendem Datenschutzrecht, dessen Anwendung die
        Abschlussprüferrichtlinie explizit anmahnt, realisieren
        lassen .
        Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        So sieht ein glatter Sieg der Lobby aus . Gestartet war
        die Reform der Abschlussprüfung einmal mit richtigen
        Erkenntnissen und hehren Zielen . Als Lehre aus der Fi-
        nanzkrise sollte die Reform eigentlich die Unabhängig-
        keit der Wirtschaftsprüfer verbessern und das Oligopol
        der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf-
        brechen . Was Sie als Bundesregierung hier vorlegen,
        ist aber ein Big-Four-Protektionsgesetz . Sie nutzen alle
        Wahlklauseln, die das EU-Recht zulässt, um die großen
        Prüfgesellschaften zu schützen .
        Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gab es große
        Einigkeit darüber, dass mangelnde Qualität und fehlen-
        de Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer erheblich zum
        Crash beigetragen haben . In der Finanzkrise haben wir
        nämlich schmerzlich erfahren, dass die gängigen Prüf-
        vermerke der namenhaften Wirtschaftsprüfer nahezu
        wertlos waren . Wie konnte es dazu kommen, dass zahl-
        reiche Banken von 2007 bis 2009 sowohl bei Bilanz-
        posten als auch bei außerbilanziellen Positionen gewal-
        tige Verluste verzeichnet haben, obwohl namenhafte
        Prüfgesellschaften den Banken für diese Zeiträume ein
        „sauberes“ Prüfsiegel ausgestellt haben? Das war eine
        entscheidende Frage, die man als Lehre aus der Kri-
        se angehen wollte . Die unabhängige Abschlussprüfung
        soll die Nachvollziehbarkeit und Richtigkeit der Bilan-
        zen sicherstellen, um frühzeitig Fehlentwicklungen und
        Schieflagen bei einem Unternehmen sichtbar zu machen.
        Genau dies hat die Abschlussprüfung nicht geleistet; das
        hat die Finanzkrise uns schonungslos vor Augen geführt .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15049
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ohne eine unabhängige und gute Abschlussprüfung kann
        der Finanzmarkt nicht funktionieren . Es kommt zu fata-
        len Fehlallokationen des Kapitals . Am Ende musste und
        muss der Steuerzahler die Zeche zahlen, auch weil die
        Abschlussprüfer ihren Job schlecht gemacht haben .
        Eine unabhängige und solide Abschlussprüfung
        schützt Eigentümer, Investoren, aber auch die Ge-
        sellschaft vor zu hohen Kosten einer Insolvenz . Die
        EU-Kommission veröffentlichte 2010 ein Grünbuch zur
        Abschlussprüfung, das Lehren aus der Finanzkrise für
        die Abschlussprüfer zusammenfasste . Jahrzehntelange
        Prüfmandate ein und derselben Prüfgesellschaft wurden
        darin als Grundübel der mangelnden Unabhängigkeit der
        Abschlussprüfer erkannt . Im ersten Verordnungsentwurf
        der Kommission war deshalb eine maximale Laufzeit der
        Prüfungsmandate von sechs Jahren vorgesehen; für den
        Fall des Joint Audits sah der Entwurf eine Obergrenze
        von neun Jahren vor . Auf EU-Ebene hat der Druck der
        Lobby offensichtlich dazu geführt, dass die Verordnung
        als Obergrenze nicht mehr sechs Jahre, sondern zehn Jah-
        re vorschreibt . Darüber hinaus lässt die Verordnung den
        Mitgliedstaaten aber das Wahlrecht, die zeitliche Ober-
        grenze für die Prüfmandate abzusenken oder zu erhöhen .
        Die Bundesregierung vervielfacht mit ihrem Gesetzent-
        wurf die maximale Laufzeit auf sage und schreibe 20
        bzw . 24 Jahre! Für Banken und Versicherungen bleibt es
        nach dem Gesetzentwurf zwar bei einer Rotation nach
        einem Jahrzehnt, auch das ist aber deutlich zu lange . Der
        von der Kommission ursprünglich vorgeschlagene Zeit-
        raum von sechs Jahren ist bereits länger als jede Wahl-
        periode einer Regierung auf Bundes- oder Landeseben
        und berücksichtigt doch bereits, dass eine gewisse Dauer
        des Prüfmandats auch zur Qualität der Prüfleistung bei-
        trägt . Ihre 20 bzw . 24 Jahre sind hingegen nichts ande-
        res als ein Geschenk an die Big Four . Sie handeln hier
        gegen den gesunden Menschenverstand; Sie ignorieren
        die Lehren aus der Finanzkrise! Das Wohlergehen einiger
        weniger mächtiger Wirtschaftsakteure ist Ihnen offenbar
        wichtiger als ein stabiler Finanzmarkt .
        Die zweite wichtige Erkenntnis, die das Grünbuch der
        Kommission im Jahr 2010 als Lehre der Finanzkrise er-
        kannte, bezieht sich auf die Nichtprüfungsleistungen der
        Prüfgesellschaften. Wirtschaftliche Verflechtungen des
        Abschlussprüfers zum geprüften Unternehmen hebeln
        die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers aus . Wer sich
        als Abschlussprüfer eines Unternehmens auch um ande-
        re Beratungsmandate desselben Unternehmens bewirbt
        oder sogar selbst Steuerberatungs- und Bewertungsleis-
        tungen für das zu prüfende Unternehmen erbringt, ist ei-
        nes gerade nicht: unabhängig . Genau diese fatale Interes-
        senverquickung ist bei Wirtschaftsprüfern aber bis heute
        gang und gäbe . Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist
        einfach: Abschlussprüfer sollten für dasselbe Unterneh-
        men keine prüfungsfremden Leistungen erbringen dür-
        fen . Genau dies sieht die EU-Verordnung als Grundregel
        vor. Leider eröffnet die Verordnung ein Schlupfloch. Mit-
        gliedstaaten dürfen die klare und notwendige Regel näm-
        lich abwählen . Genau dies tut die Bundesregierung in
        ihrem Gesetzentwurf . Die Grundregel wird für Deutsch-
        land weitestgehend außer Kraft gesetzt . Prüfungsfremde
        Bewertungs- und Steuerberatungsleistungen bleiben in
        Deutschland bis zum maximal zulässigen Rahmen er-
        laubt . Lassen Sie uns diese Entscheidung der Koalition
        als das bezeichnen, was sie ist: Es ist eine Entscheidung
        gegen die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer und für
        unheilvolle Interessenkonflikte der Wirtschaftsprüfer.
        Dasselbe gilt für die Aufweichung der Honorargrenze
        für prüfungsfremde Leistungen der Prüfgesellschaften .
        Die Verordnung sieht eine Begrenzung des Gesamthono-
        rars für anderweitige Beratungsmandate des Abschluss-
        prüfers beim selben Unternehmen von 70 Prozent vor,
        bezogen auf das durchschnittliche Abschlussprüfungsho-
        norar . Auch hier konterkarieren Sie die Wirkung des
        Gesetzes durch eine Ausnahme: Die Aufsichtsstelle
        für Abschlussprüfer kann die Schwelle auf Antrag auf
        140 Prozent erhöhen .
        Wir sehen: Die Bundesregierung nutzt alle Umset-
        zungsspielräum der EU-Verordnung, um das Ziel, die
        unheilvolle Marktmacht der Big Four zu brechen und die
        Abschlussprüfungen wirklich unabhängig zu machen, zu
        torpedieren . Der Gesetzentwurf ist damit ein Musterbei-
        spiel für die Machtwirtschaft: die Verdrängung des Ge-
        meinwohlinteresses durch die Lobbyinteressen kleiner
        einflussreicher Gruppen.
        Indem die Bundesregierung die notwendige Rotation
        bei der Abschlussprüfung und ein konsequentes Verbot
        von prüfungsfremden Beratungsmandaten bis zur Wir-
        kungslosigkeit verwässert, schreibt sie ein System fort,
        in dem zwischen Kontrolleuren, kontrollierten Indus-
        triekonzernen und Banken die notwendige Distanz durch
        eine symbiotische Beziehung ersetzt wird . Erinnern Sie
        sich bitte an die Bilanzskandale, die wir in Deutschland
        gesehen haben . Ob FlowTex, Siemens, HRE, IKB oder
        Sachsen LB: In all diesen Fällen sind Betrug, Korrupti-
        on bzw . giftige Kredite auch deshalb nicht rechtzeitig
        entdeckt worden, weil Wirtschaftsprüfer fehlerhafte Bi-
        lanzen testiert haben . Auch aktuell bei Volkswagen stellt
        sich die Frage, ob Wirtschaftsprüfer nicht so genau hin-
        geschaut haben .
        Die Abschlussprüfung ist zum Vehikel der großen
        Wirtschaftsprüfer verkommen, um andere, lukrativere
        Dienstleistungen für Großkonzerne und Banken zu er-
        bringen . Die Big Four haben sich zu einer organisierten
        Steuervermeidungsindustrie entwickelt . Die Abschluss-
        prüfung verschafft den Zugang und das notwendige
        Wissen, um transnationale Steuersparmodelle für Groß-
        konzerne zu entwickeln, mit denen der Fiskus in vielen
        Ländern geschädigt wird . Das müsste dringend durch
        harte und klare Regeln für die Laufzeit der Prüfmandate
        und die Unvereinbarkeit der Abschlussprüfung mit an-
        derweitigen Beratungsleistungen geändert werden . Der
        Gesetzentwurf der Bundesregierung leistet das nicht . Es
        bleibt zu hoffen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Re-
        gierungskoalitionen, dass der Gesetzentwurf an diesen
        Stellen hier im Bundestag substanzielle Veränderungen
        erfährt und nicht einfach durchgewunken wird .
        Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun-
        desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die
        Abschlussprüfung der Unternehmensabschlüsse ist ein
        zentrales Element, um das Vertrauen der Finanzmärkte
        zu stärken .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615050
        (A) (C)
        (B) (D)
        Mit dem Gesetzentwurf, der Ihnen jetzt vorliegt, wird
        die überarbeitete EU-Abschlussprüferrichtlinie in deut-
        sches Recht umgesetzt . Gleichzeitig wird das deutsche
        Recht so geändert, dass die unmittelbar geltende Ab-
        schlussprüferverordnung problemlos ab dem 17 . Juni
        2016 angewandt werden kann .
        Wir nehmen dieses Vorhaben einmal mehr zum An-
        lass, EU-Vorgaben eins zu eins umzusetzen . Darüber hi-
        naus nutzen wir weitgehend die Spielräume, die uns das
        EU-Recht bietet, das heißt dort, wo wir es für sachgerecht
        halten, um das bewährte deutsche Recht aufrechtzuer-
        halten . Wir nehmen dabei etwa Rücksicht darauf, dass
        beispielsweise bei Banken und Versicherungen aufgrund
        ihrer Bedeutung für den Finanzmarkt strengere Regeln
        gelten sollen, damit sie ihren Abschlussprüfer häufiger
        als andere Unternehmen wechseln .
        Häufig nicht angesprochen wurde bisher in der öffent-
        lichen Diskussion um die Reform der Abschlussprüfung
        ein Aspekt, den ich hier besonders hervorheben möchte .
        Es geht um die stärkere Rolle und Verantwortung, die die
        Reform dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsausschuss
        etwa in börsennotierten Unternehmen zumisst . Diesen
        Punkt sollten wir nicht unterschätzen . Die unternehmens-
        internen Gremien müssen sich in Zukunft noch mehr als
        bisher mit der Begleitung der Abschlussprüfung und
        deren Ergebnissen auseinandersetzen . Das begrüße ich
        sehr, auch weil damit die Corporate Governance der Un-
        ternehmen gestärkt wird .
        Mit dem Gesetzentwurf nehmen wir auch die nur
        punktuelle Kritik am Referentenentwurf auf und geben
        den bisherigen Grundsatz des sogenannten einheitli-
        chen Bestätigungsvermerks auf . Heute kennen wir in
        Deutschland ein einheitliches Konzept dessen, was der
        Abschlussprüfer bei jeder Abschlussprüfung sagen muss .
        Das wird sich in Zukunft ändern . Bei Unternehmen von
        öffentlichem Interesse wird erheblich mehr gesagt wer-
        den müssen . Wie sich diese neue Berichterstattung ent-
        wickeln wird, ist sicher „work in progress“ . Wir haben
        daher vorgeschlagen, die Anwendung der Verordnung
        zunächst zu beobachten und uns dann erneut mit der Fra-
        ge des einheitlichen Berichtsformats zu beschäftigen .
        Wir haben uns bei diesem Gesetzentwurf darauf kon-
        zentriert, das EU-Recht so eng wie möglich umzusetzen
        und Entlastungsmöglichkeiten zu nutzen . Ich weiß, dass
        es noch andere Reformwünsche gibt . Aber es gibt auch
        eine klare Vorgabe, bis wann wir diese Richtlinie umset-
        zen müssen .
        Deshalb sollten wir diesen Gesetzentwurf jetzt zügig
        beraten .
        Anlage 12
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung
        der Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die
        Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
        tung des Bundes (WSV-Zuständigkeitsanpassungs-
        gesetz – WSVZuAnpG) (Tagesordnungspunkt 20)
        Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Die Reform
        der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist auf dem rich-
        tigen Weg . Das Zuständigkeitsanpassungsgesetz, das
        wir heute debattieren, ist dabei ein kleiner Baustein . Es
        schafft rechtliche Klarheit bezüglich der neuen Führungs-
        struktur in der WSV . Dieses Gesetz bedarf eigentlich kei-
        ner Debatte bei der ersten Lesung . Deshalb befasst sich
        die Stellungnahme des Bundesrates auch an keiner Stelle
        mit dem Gesetzentwurf selbst . Offensichtlich hat aber
        auch die Opposition grundsätzlichen Redebedarf zur
        WSV-Reform . Gleich werden wir die altbekannten Argu-
        mente hören, die uns seit langer Zeit begleiten .
        Herr Behrens wird über die Anliegen der Beschäftig-
        ten sprechen . Wie überall im linken Weltbild sollen be-
        stehende Probleme mit mehr Planstellen gelöst werden .
        Das ist jedoch kein wirksames Rezept für eine effiziente
        moderne Verwaltung . Wer glaubt, mit einer Rückkehr zu
        den Beschäftigtenzahlen von vor 30 Jahren sei die WSV
        fit für die Zukunft, ist gewaltig auf dem Holzweg. Es
        stimmt zwar, dass die WSV an einigen Stellen durchaus
        Personalbedarf hat, insbesondere im Planungsbereich .
        Bei dieser Frage sind wir jedoch längst aktiv .
        In den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre
        hat die Koalition hier bereits wichtige Tatsachen geschaf-
        fen . Bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsaus-
        schuss, insbesondere bei Eckhardt Rehberg, hat die WSV
        einen dicken Stein im Brett . Gezielt wurden daher wich-
        tige Stellen genehmigt, um die WSV zu stärken . Aber
        linke Personalpolitik mit der Gießkanne hilft der WSV
        nicht weiter .
        Das wissen übrigens auch die Beschäftigten der WSV .
        Denen ist der Reformbedarf durchaus bewusst . Nach al-
        lem, was ich aus den Gesprächen vor Ort mitnehme, kön-
        nen die Beschäftigten mit dem aktuellen Reformkurs gut
        leben . Es ist gelungen, auf die Bedürfnisse der Beschäf-
        tigten einzugehen und sie bei der Reform zu beteiligen .
        Viele Bedenken konnten ausgeräumt werden . Natürlich
        bleiben Differenzen . Aber, Kollege Behrens, bei der Re-
        form der WSV geht es auch nicht um ein Wunschkonzert
        der diversen Personalvertreter, sondern darum, die WSV
        endlich auf Vordermann zu bringen . Die Vorwürfe der
        Linken laufen daher ins Leere . Ich würde mir von dieser
        Seite konstruktivere Vorschläge wünschen .
        Die Kritik der Grünen sieht anders aus . Frau Dr . Wilms
        dauert alles viel zu lange . Das Ministerium hätte dieses,
        die GDWS jenes tun müssen . Stünde hingegen sie in der
        Verantwortung, wäre die WSV längst ein Musterbeispiel
        an Effizienz, und die Bundeswasserstraßen wären in bes-
        tem Zustand . Aber das ist Seemannsgarn . Die Wahrheit
        ist nämlich eine andere .
        Auch die Grünen haben vor sehr langer Zeit einmal
        Regierungsverantwortung getragen . In dieser Zeit ist
        sehr viel über eine Reform der WSV geredet worden . Wir
        wissen auch, was damals passiert ist – nämlich nichts!
        Der Zustand der WSV unter grüner Regierungsbeteili-
        gung wurde zusehends schlechter . Gegenmaßnahmen?
        Fehlanzeige! Für die WSV waren die Jahre 1998 bis
        2005 verlorene Jahre . Fahrt aufgenommen hat die drin-
        gend notwendige Modernisierung der WSV erst unter
        den Verkehrsministern Ramsauer und Dobrindt .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15051
        (A) (C)
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        Zwar ist es richtig, dass es noch viel zu tun gibt . Ich
        denke da zum Beispiel an die Frage der Reviergrenzen,
        die Ausgestaltung der Aufgabenbereiche der Wasser- und
        Schifffahrtsämter und die Personalstruktur . Ein dicker
        Pott wie die WSV beschleunigt nun einmal langsamer als
        ein Sportboot . Außerdem reden wir nicht über ein paar
        Einzelmaßnahmen . Über die Jahre ist bei der WSV viel
        Reformbedarf entstanden . Mit einem neuen Anstrich ist
        es da nicht getan .
        Schon die Schaffung der Generaldirektion für Wasser-
        straßen und Schifffahrt ist ein großer Wurf . Bei Beginn
        der Reform vor einigen Jahren war keinesfalls absehbar,
        dass eine derart tiefgreifende Reform folgen würde . Die
        beteiligten Verkehrsminister haben an dieser Stelle Mut
        bewiesen . Denn es war klar, dass gerade die Zusam-
        menfassung der Direktionen zu einer Generaldirektion
        großen Widerspruch ernten würde . Dennoch ist das der
        richtige Schritt .
        Schließlich schaffen wir mit dem Gesetz Klarheit . Ex-
        emplarisch für zahlreiche sinnvolle Gesetzesänderungen
        nenne ich hier die Anpassungen des Bundeswasserstra-
        ßengesetzes, des Verkehrsleistungsgesetzes oder auch
        des Telekommunikationsgesetzes .
        Durch die Möglichkeiten der modernen Kommunika-
        tion, insbesondere des digitalen Datenaustauschs, ist es
        möglich, die Verwaltung zu zentralisieren und zugleich
        in der Fläche präsent zu sein . Es wäre fahrlässig gewe-
        sen, nicht an dieser Stelle anzusetzen und die sieben Di-
        rektionen zusammenzufassen .
        Diese unnötigen Parallelstrukturen haben nun ein
        Ende . Die WSV wird straffer organisiert und unabhängi-
        ger vom Ministerium, das sich künftig auf die zentralen
        Steuerungsaufgaben konzentrieren kann . Dieser Reform-
        prozess ist aber noch nicht abgeschlossen . Denn eine
        über Jahrzehnte gewachsene Struktur umzubauen, geht
        nicht von heute auf morgen . Schließlich muss die Ar-
        beitsfähigkeit durchgehend gewährleistet sein . Wir brau-
        chen eben keinen Schnellschuss, Frau Kollegin Wilms,
        sondern eine Reform für die kommenden Jahrzehnte .
        Der Unterstützung durch die Unionsfraktion kann sich
        unser Minister Alexander Dobrindt dabei sicher sein .
        Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute mit der
        Drucksache 18/7316 in erster Lesung den Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Anpassung der Zuständigkeiten von
        Bundesbehörden an die Neuordnung der Wasser- und
        Schifffahrtsverwaltung des Bundes, kurz: WSV-Zustän-
        digkeitsanpassungsgesetz .
        Als Kontrapunkt zu diesem unglaublich sperrigen
        Titel möchte ich den Slogan der Wasserstraßen- und
        Schifffahrtsverwaltung (WSV) setzen: „Wir machen
        Schifffahrt möglich .“ Diese knappe und dabei zutref-
        fende Selbstbeschreibung möchte ich in den Mittelpunkt
        meiner Rede stellen, denn das Gesetz an sich bietet außer
        Gesetzestechnik wenig politischen Inhalt . Als Folge wer-
        den dabei vor allem Adressen neu zugeordnet, Türschil-
        der ausgetauscht, Briefköpfe und Visitenkarten neu ge-
        druckt . Die tatsächlichen Veränderungen erfolgen durch
        Weisungen des Ministeriums .
        Daher nutze ich die Gelegenheit, um den vielen Mitar-
        beiterinnen und Mitarbeitern der WSV nicht nur für ihren
        Einsatz und ihr Engagement zu danken, sondern auch da-
        für, dass sie der WSV und der Schifffahrt in Deutschland
        nach wie vor treu zur Seite stehen .
        Der politische Reformwille übt seit vielen Jahren gro-
        ßen Druck auf die Verwaltung aus; nicht immer war er
        jedoch stringent ausgerichtet und konstruktiv in der Sa-
        che . Seit Jahren wird das Personal reduziert, die Ausga-
        ben vermehrten sich, um dann mit weniger Mitteln mehr
        Leistung und Projekte durchzusetzen .
        Der „ganz große Hammer“ erfolgte jedoch im Okto-
        ber 2010 – dem „Herbst der Entscheidungen“ – , als die
        schwarz-gelbe Regierungsmehrheit mit Unterstützung
        der Grünen und Linken aus der 35 . Sitzung des Haus-
        haltsausschusses heraus die Axt an die WSV gelegt hat .
        Die Maßgabebeschlüsse des Haushaltsausschusses lassen
        sich auf einige Punkte zusammenfassen: Personalabbau,
        Schrumpfung des Netzes durch eine hochumstrittene
        Kategorisierung, Privatisieren und Ausschreibungsver-
        pflichtungen selbst ureigener Aufgaben. Hier hat die FDP
        sich verewigt, und mit den Folgen kämpfen wir noch
        heute . Mit der Gründung der Generaldirektion Wasser-
        straßen und Schifffahrt (GDWS) und der Abwicklung der
        sieben Direktionen wurde die sogenannte Reform mit der
        Brechstange vorangetrieben, ohne Hinterlegung mit in-
        haltlichen Strukturen, ohne Mitnahme der Beschäftigten
        und gegen die im eigenen Hause vorhandene fachliche
        Kompetenz . Selbst gegen die Wirtschaft und auch gegen
        alle Bundesländer .
        Am Ende kam es, wie es kommen muss, wenn man
        im laufenden Betrieb groben Kies ins Getriebe wirft .
        Verwaltungsschritte wurden unterbrochen, neue Schnitt-
        stellen brachten viel Unruhe hinein, die Beschäftigten
        wurden zum Streik gezwungen, und die WSV hat sich
        vor allem als Arbeitgeber nicht gerade attraktiv gemacht .
        Mit der Folge, dass uns heute umso mehr die Ingenieure
        fehlen, die unsere Investitionsmaßnahmen der Zukunft
        planen und bauen sollen . Eine knappe Milliarde Euro
        Mittel im Haushalt für die Wasserstraßen konnten wir in
        den vergangenen fünf Jahren nicht verbauen, weil nicht
        ausreichend geplant und verbaut werden konnte . So or-
        ganisiert man keine Daseinsvorsorge! Die verkehrliche
        Infrastruktur – gerade die der Wasserstraße – braucht
        langfristig Verlässlichkeit und Planungssicherheit .
        Mit dem Koalitionsvertrag haben wir den Dampfer
        WSV wieder auf Kurs gebracht . Wir konnten als SPD
        durchsetzen, den weiteren Reformprozess in enger Ab-
        stimmung mit den Beschäftigten einzuleiten . Nur um
        eines klarzustellen: Die Beschäftigten und ihre Personal-
        vertretungen waren nie die Blockierer; sie selber wollten
        eine Strukturreform, weil die bisherige Struktur von den
        tatsächlichen Bedingungen und Aufgaben überholt wur-
        de . Sie wollten nur mit ihrem Know-how mitgenommen
        werden .
        Wir wollen die Kompetenz dorthin verlagern, wo
        sie hingehört; Aufgaben sollen vom Ministerium in die
        GDWS und von der GDWS in die Reviere abgeschich-
        tet werden . Wir bauen Personal auf, wo wir es brauchen,
        um unsere Wasserstraßeninfrastruktur nachhaltig planen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615052
        (A) (C)
        (B) (D)
        und Investitionen zügig umsetzen zu können . Regionale
        Entscheidungen sollen regional entschieden und Quer-
        schnittsentscheidungen zentral in der GDWS getroffen
        werden . Die WSV muss wieder ein attraktiver Arbeitge-
        ber werden und die hohen Ausbildungsquoten der Ver-
        gangenheit auch in Zukunft umsetzen . Dazu braucht es
        attraktive Angebote, die wir mit dem neuen Reformkurs
        ermöglicht haben .
        Herrn Minister Dobrindt möchte ich an dieser Stelle
        noch einmal ausdrücklich persönlich danken . Die zügi-
        ge Umsetzung der Vorgaben des Koalitionsvertrages, die
        klaren Vorgaben für den 6 . Bericht und damit der dau-
        erhafte und lebensfähige Erhalt aller Standorte waren
        ganz wichtige Signale! Nicht nur in die Verwaltung hi-
        nein wurde damit klar, dass wir einen Kurswechsel vor-
        genommen haben, sondern auch die Wirtschaft begrüßte
        das Handeln .
        Unzufrieden bin ich als Berichterstatter jedoch mit
        dem weiteren Umsetzungstempo . Der 1 . Fortschrittsbe-
        richt aus dem Sommer 2015 ist trotz Fristverlängerung
        mehr eine Sammlung von Dingen, die gemacht werden
        müssen und weniger ein Bericht, der strukturiert auf-
        zeigt, was bereits selbstbewusst umgesetzt wurde .
        Selbst heute liegen weder die konkreten Grenzen der
        18 – oder werden es 17? – Reviere vor, noch gibt es die
        ausgearbeitete und abgestimmte innere Struktur der Äm-
        terebene auf dem Tisch des Verkehrsausschusses . Das
        geht mir alles viel zu langsam, und ich erhoffe mir vom
        Ministerium und der GDWS, dass hier schneller Ergeb-
        nisse erzielt werden . Hilfreich wäre hier zum Beispiel
        die ein oder andere Vollzugsmeldung vor Abschluss der
        zweiten und dritten Lesung!
        Wobei festzuhalten ist, dass nicht das Parlament für
        die jüngsten Verzögerungen verantwortlich zeichnet . Mir
        kam zu Ohren, dass ein aufgeregter Unionsministerprä-
        sident hier wieder einmal mit eigenen Interessen auf der
        Bremse stand . Das geht nicht . Es ist eine Bundesverwal-
        tung, und bei allem Respekt vor den Belangen einzelner
        Länder: Die Entscheidungen trifft der Bund . Die Länder
        sind stets aufgefordert und ja auch gerne bereit, den Re-
        formprozess im konstruktiven Dialog zu begleiten; er
        darf aber nicht im föderalen Dickicht stecken bleiben .
        Herbert Behrens (DIE LINKE): Im Mai 2013 wurde
        offiziell die Bonner Zentrale der neuen Generaldirektion
        Wasserstraßen und Schifffahrt eingerichtet . Es musste
        kurz vor Auslaufen der letzten Wahlperiode wenigstens
        der Anschein des Fortschritts bei der bereits 20 Jahre an-
        gekündigten Reform der WSV erweckt werden .
        Doch zweieinhalb Jahre später wird immer noch daran
        herumgedoktert, die Generaldirektion Wasserstraßen und
        Schifffahrt in Gang zu bringen . Offensichtlich läuft in
        der Bonner Zentrale noch gar nichts . Seit mehr als einem
        Jahr versucht mein Büro, die Bonner Zentrale telefonisch
        zu erreichen . Doch niemals hat dort jemand das Telefon
        abgenommen . Die Generaldirektion in Bonn ist eher eine
        Art Briefkastenfirma als eine arbeitende Behörde, die in
        der Lage ist, die ihr übertragenen Aufgaben zu bewerk-
        stelligen .
        Also steht die Umsetzung der WSV-Reform immer
        noch in den Startlöchern . Sieben Berichte hat es bedurft,
        um über den Stand des WSV-Reformprozesses zu berich-
        ten . Wir haben mindestens 20 Debatten hier im Plenum
        und im Ausschuss dazu geführt . Doch im Wesentlichen
        ist nichts passiert . Die Gewerkschaft Verdi schreibt zu
        Recht, dass das Verkehrsministerium es nach der Zer-
        schlagung der Direktionen offenbar nicht mehr eilig hat-
        te, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen .
        Der eigentliche Grund für den fehlenden Fortschritt
        ist jedoch, dass frühere Regierungen mit der Reform
        ganz andere Absichten hatten, als die, die heutzutage
        aufgeführt werden . Mit dem Auftrag, die WSV umzu-
        bauen, ist folgende Androhung verbunden gewesen: Wir
        machen aus der WSV als einer Ausführungsverwaltung
        eine Gewährleistungsverwaltung . Auf Wunsch der letz-
        ten schwarz-gelben Regierung sollten nur noch wenige
        Zuständigkeiten in den Händen der WSV-Beschäftigten
        bleiben .
        Die Vergabe von Ausführungsaufgaben sollte einen
        massiven Personalabbau ermöglichen: Nachdem seit
        1993 die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bereits jede
        dritte Stelle verlor, sollte zusätzlich jede fünfte Stelle
        verschwinden . Bei der Planung blieben die Beschäftig-
        tenvertretungen außen vor . Glücklicherweise haben die
        Beschäftigten diese Kahlschlagpläne im Jahr 2013 mit
        ihrem Arbeitskampf weitgehend abwehren können . Die
        Große Koalition nahm den Umbau zur reinen Auftrags-
        vergabestelle und den weiteren Personalabbau zurück .
        Die WSV-Reform wurde im Koalitionsvertrag und dem
        sechsten Bericht zur reinen Verwaltungsreform umge-
        tauft . Aus dem Abbau der Schifffahrtsämter wurde eine
        verpfuschte Verwaltungsreform .
        Doch die Personalengpässe aufgrund des Abbaus der
        letzten Jahrzehnte und die damit verbundenen Engpäs-
        se für die Binnenschifffahrt bleiben . Das bestätigt Eddi
        Weinert vom Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin: „Wenn
        einer Urlaub hat oder krank wird, können wir nur dicht-
        machen . Wie soll es anders funktionieren, wenn eine
        Schleuse nur mit drei Personen besetzt ist, die Schleuse
        aber im Sommer von 6 bis 20 Uhr geöffnet sein soll? Frü-
        her waren hier noch sechs Beschäftigte tätig, dann wurde
        Personal eingespart .“ Tatsächlich waren zur Wende beim
        Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin etwa 900 Beschäftig-
        te eingestellt . Jetzt sind es nur noch 403 fertig ausgebil-
        dete Kräfte, die aber die gleiche Arbeit erledigen müssen .
        Die Folgen des Personalabbaus für den Schiffsverkehr
        wurden am Beispiel des Berliner Raums im vergangenen
        Jahr wieder deutlich . Seit dem 1 . April 2015 schließt die
        WSV die Schleusen Neue Mühle, Kummersdorf, Stor-
        kow und Wendisch Rietz im Osten Brandenburgs im
        Sommer schon um 18 Uhr statt wie bisher um 22 Uhr .
        Morgens fangen die Schichten außerdem erst ab 8 .30
        statt ab 7 Uhr an . Da die Schleusen Kummersdorf, Stor-
        kow und Wendisch Rietz ebenfalls um 18 Uhr schließen,
        sind Wochenendausflüge für Berufstätige in Berlin nahe-
        zu unmöglich gemacht worden .
        Auch fehlen den Neubauämtern etwa 100 Ingenieu-
        re, die für Erhalt- und Ausbaumaßnahmen an den Was-
        serstraßen dringend erforderlich sind . Der andauernde
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15053
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        Mangel an qualifiziertem Personal hat in den letzten
        Jahren dazu geführt, dass Hunderte Millionen Euro für
        an Um- und Ausbaumaßnahmen nicht abgerufen werden
        konnten . Auch relativ „kleine“ Investitionen mit großer
        Kapazitätswirkung bleiben auf der Strecke, wie zum
        Beispiel der Ausbau der Schleusen in Fürstenwalde und
        Kleinmachnow .
        Die Bundesregierung hat bis heute nichts unternom-
        men, um die Personalengpässe, die aufgrund der Alters-
        struktur der Belegschaft der WSV noch einmal erschwert
        werden, zu verringern .
        Herr Minister, es genügt nicht, den Umbau der Was-
        serstraßen und Schifffahrtsverwaltung auf Papier zu be-
        schließen und Namen in den Gesetzen und Verordnun-
        gen zu ändern . Wenn Sie die eigentlichen Engpässe für
        die Binnenschifffahrt beheben wollen, müssen Sie die
        Schifffahrtsämter wieder zu attraktiven und verlässlichen
        Arbeitgebern machen . Fangen Sie endlich damit an .
        Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwal-
        tung (WSV) ist eine nicht enden wollende Geschichte .
        1994 im damaligen Koalitionsvertrag erstmals erwähnt,
        wurden immer wieder neue – leider meist glücklose –
        Reformversuche gestartet . Es dauerte oft nicht lange, bis
        sie wieder scheiterten . So erging es auch dem jetzigen
        Reformvorhaben, das BM Ramsauer 2012 vorstellte .
        Es geht um die Reform einer verkrusteten Verwaltung,
        die seit dem Kaiserreich überdauert hat . Bei der Wasser-
        straßen- und Schifffahrtsverwaltung müssen dringend
        die Aufgaben überprüft und neue Strukturen geschaffen
        werden . Nur dann können wir Herausforderungen wie
        den Abbau des gewaltigen Sanierungsstaus meistern .
        Deshalb brauchen wir dringend ein Umdenken bei der
        WSV und die konsequente Fortsetzung der Reform .
        Kernpunkte der Reform von 2012 sollten sein:
        – Zusammenführung der bis dahin sieben Direktionen
        auf nur noch eine Generaldirektion in Bonn;
        – Kategorisierung der Wasserstraßen, in für den Aus-
        bau wichtige und weniger wichtige Streckenabschnitte;
        – Anpassung der Ämterstruktur;
        – Ermittlung, wie viel Personal benötigt wird;
        – Einführung bzw . Ausbau von Kosten- und Leis-
        tungsrechnung und Controllingsystemen;
        – Zeithorizont damals: bis 2020 .
        Mit blumigen Worten stellte Herr Ramsauer das Vor-
        haben der Presse vor: Die Verwaltung werde „schlanker
        und schlagkräftiger“ . Doch schon kurz danach war die
        Luft wieder raus: Anscheinend möchte es die heutige
        Bundesregierung dabei belassen .
        Denn nur wenig später, mit Herrn Dobrindt, hieß es
        schon gleich: Das „enorme Reformprojekt“ stünde „kurz
        vor dem Abschluss“ . Das spricht von geringer Sach-
        kenntnis des Ministers . Denn mit der großen Stillstands-
        koalition kam auch eine Verlängerung der inzwischen
        stark verwässerten Reformschritte bis 2025 . Der Weg
        scheint also noch weiter und steiniger zu werden – von
        einem Abschluss der Reform kann keine Rede sein .
        Die einzelnen Reformziele stehen seit 2012 nur auf
        dem Papier, aber umgesetzt und gelebt werden sie nicht .
        Vor allem die Sozialdemokraten haben sich einem Re-
        formprozess verweigert und sind seit 2013 voll auf die
        Bremse getreten .
        Darunter leiden heute die Beschäftigten der WSV .
        Eigentlich müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
        ter motiviert und für gute Ideen belohnt werden . Aber
        mit dem Beamtenapparat und den preußischen Verwal-
        tungsstrukturen bleibt erst einmal alles beim Alten . Was
        wir dringend brauchen, ist mehr Verantwortung in den
        Ämtern vor Ort; nur dann kann die WSV ihre Aufgaben
        auch ordentlich erfüllen . Was wir nicht brauchen, ist eine
        überbordende neue Verwaltungsebene in der Generaldi-
        rektion GDWS, die für viel Parallelarbeit verantwortlich
        ist. Effiziente Verwaltung sieht anders aus.
        Die Kommunen machen es vor . So ist es sehr sinn-
        voll, die geschaffenen Werte in einem Anlagevermögen
        auszuweisen, wie uns das die kommunalen Verwaltun-
        gen bereits vormachen . Nur dann haben wir auch einen
        Überblick, wie sich die Werte der Bundeswasserstraßen
        verändern – und an welchen Stellen Bedarf besteht, Er-
        satzinvestitionen zu tätigen . Aber, werte Kollegen der
        Koalition, nachhaltige Investitionspolitik haben Sie noch
        nicht verstanden .
        Der vorliegende Gesetzentwurf kommt reichlich spät .
        Denn schon bei Schwarz-Gelb sollte die Reform in ei-
        nem Gesetz festgeschrieben werden; aber das hat sich
        damals niemand getraut .
        Die große Stillstandskoalition legt jetzt zwar den Ge-
        setzentwurf endlich vor – aber die wirklich wichtigen
        Reformschritte bleiben weiter auf der Strecke .
        Ankündigungsminister Dobrindt, packen Sie die Re-
        form jetzt endlich an!
        Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
        Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
        Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        152. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 3 Regierungserklärung – Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016
        TOP 4 Mietpreisentwicklung
        TOP 6 Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)
        TOP 8 Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak
        TOP 28, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
        TOP 29, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
        TOP 7 Menschenrechte in Saudi-Arabien
        TOP 5 Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2016
        TOP 9 Erziehungsleistung von Adoptiveltern in der Rente
        ZP 4 - 6 Ausbau der Rheintalbahn
        TOP 11 Programm für Klima- und Klimafolgenforschung
        TOP 10 Änderung des Hochschulstatistikgesetzes
        TOP 13 Offenlegung der Herkunft von Konfliktrohstoffen
        TOP 12 Elektronische Zigaretten und Shishas
        TOP 15 Sport- und Fankultur
        TOP 14 EU-Richtlinie zur Anlegersicherheit (OGAW-V)
        TOP 16 Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt
        TOP 17 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
        TOP 18 Abschlussprüfungsreformgesetz
        TOP 19 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda
        TOP 20 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
        Anlagen
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11
        Anlage 12