Rede von
Klaus
Mindrup
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir alle haben uns vor wenigen Tagen über
das Ergebnis des Klimagipfels in Paris gefreut . Aber wir
alle wissen auch, dass die praktische Arbeit erst jetzt be-
ginnt .
– Danke für den Applaus von den Grünen .
– Ihr wart zu schnell . – Wir wissen auch, dass die Minde-
rungspläne, die die Staaten eingereicht haben, überhaupt
nicht ausreichen werden, um das 2-Grad-Ziel zu errei-
chen . Wir wissen also, dass man sich überall in der Welt
anstrengen muss . In Deutschland wollen wir ja Vorreiter
sein . Wir wissen, dass wir uns sehr anstrengen müssen,
um das Ziel von 40 Prozent CO2-Minimierung bis 2020
zu erreichen und erst recht das 95-Prozent-Ziel bis 2050 .
Wenn wir die Begrenzung des Anstiegs der Erderwärm-
ung auf 1,5 Grad anstreben – das wollen wir –, dann müs-
sen für uns in Deutschland 95 Prozent das Ziel sein .
Wir in Deutschland sind ja sehr erfolgreich beim Aus-
bau der Erneuerbaren im Strombereich . Da liegen wir bei
über 33 Prozent . Ich denke, die Erfolgsgeschichte da-
hinter ist, dass es bei den Bürgerinnen und Bürgern eine
hohe Akzeptanz für dieses Vorgehen und auch eine breite
Bürgerbeteiligung gibt . In der Gesamtbilanz liegen wir
deutlich schlechter . Da dürften wir bei ungefähr 14 Pro-
zent liegen, wahrscheinlich auch, weil die Akzeptanz in
den anderen Sektoren nicht so hoch ist .
Dass Sie von den Grünen jetzt sagen, dass wir die Be-
standsgebäude in die Überlegung einbeziehen müssen,
ist von daher richtig .
Die Bundesregierung tut das ja auch im Nationalen Akti-
onsplan Energieeffizienz und in den zahlreichen Förder-
programmen . Auch das ist hier schon deutlich geworden .
Wenn man sieht, dass man 20 Millionen Bestandsgebäu-
de in Deutschland hat, ist es auch richtig, dass man nicht
nur über Neubau diskutiert, sondern auch über die Be-
standsgebäude .
Sie schlagen jetzt vor, dass man das Erneuerbare-Energi-
en-Wärmegesetz auf die Bestandsgebäude überträgt . Die
Diagnose ist ungefähr richtig, aber die Therapie ist leider
falsch .
– Ja, hören Sie sich das einmal an . – Der entscheidende
Fehler, den Sie machen, ist: Sie setzen wieder beim Ein-
zelgebäude an .
Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die erfolgreiche
Sanierung immer im Quartier erfolgen muss .
Es gibt dazu unter anderem den Bericht der Töpfer-Kom-
mission beim Deutschen Verband für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumordnung . Es gibt aber auch andere
wissenschaftliche Untersuchungen dazu .
Fünf Dinge sind entscheidend:
Sie brauchen ein klares Energiekonzept, wenn Sie so
etwas in den Quartieren umsetzen wollen . Das muss in
ein Stadtentwicklungskonzept eingebunden sein, und die
Akteure vor Ort müssen das umsetzen, seien es Stadt-
werke, Energiegenossenschaften oder auch Wohnungs-
baugesellschaften; Vivawest, habe ich eben gehört, ist da
sehr vorbildlich .
Sie brauchen Sachverständige vor Ort, die eine gute
und unabhängige Beratung durchführen; der sogenannte
Kümmerer-Ansatz .
Man braucht Zeit dafür . Das geht nicht in zwei bis drei
Jahren .
Die Zielrichtung muss zehn Jahre sein .
Dr. Andreas Lenz
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14567
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Sie brauchen Anreize, Förderung und natürlich auch
immaterielle Anreize, sprich: Der Nachbar macht es, und
man zieht dann nach .
Sie brauchen auch soziale Akzeptanz sowohl bei Mie-
terinnen und Mietern als auch bei Hauseigentümern, die
zum Teil natürlich auch nicht immer viel Geld haben .
Lassen Sie uns doch einmal anschauen, was bei dem
vorbildlichsten Projekt in Deutschland – das ist die Inno-
vationCity Ruhr, Modellstadt Bottrop – in der Umsetzung
passiert . Dort gibt es im Augenblick eine Sanierungsrate
von durchschnittlich 3 Prozent im Jahr . Das ist dreimal
so hoch wie der Durchschnitt in Deutschland . Sie werden
bis 2020 38 Prozent CO2 einsparen . Die Basis ist hier
nicht 1990, sondern das Jahr 2010 . Das ist enorm gut .
Das ist sozusagen der richtige Ansatz .
Also nicht das Einzelgebäude, sondern das Quartier soll-
ten wir angehen . Wir haben ein Quartiersprogramm, das
wir auch ausweiten; da gehen wir weiter .
Im nächsten Jahr werden wir die Diskussion bekom-
men, wie wir die EnEV und das Erneuerbare-Energi-
en-Wärmegesetz besser verzahnen .
Das hat die Baukostensenkungskommission empfohlen,
aber auch die Konferenz der Bauminister auf Länder-
ebene . Also, das wird sowieso angegangen . Insofern sind
wir hier auf dem richtigen Weg, aber wir müssen das be-
schleunigen .
Ich denke, wir müssen zukünftig auch noch stärker
darüber nachdenken, wie wir die Nutzer – es geht um
das Nutzerverhalten – und die Immobilieneigentümer
mitnehmen können . Die Immobilieneigentümer bekla-
gen sich völlig zu Recht über die steuerliche Diskrimi-
nierung, die sie erleben, wenn sie Strom erzeugen und
diesen zum Beispiel an ihre Mieter verkaufen wollen .
Das muss anders werden .
Wir brauchen zukünftig auch stärker eine ökologische
Gesamtbilanz, sprich: Wir dürfen nicht nur Wärme oder
Kälte betrachten, sondern wir müssen Wärme, Kälte,
Strom und auch den ökologischen Rucksack des Gebäu-
des betrachten . Dann kommen wir weiter .
Der letzte Punkt ist: Ich möchte nicht 15 Prozent er-
neuerbare Energien, wie die Grünen, sondern ich möchte
100 Prozent erneuerbare Energien .
Hier liegen die großen Chancen im Bereich der Photo-
voltaik . Es ist zu überlegen, wie man die Photovoltaik
zukünftig stärker in Quartierskonzepte einbinden kann
und wie die Wärmeversorgung über Wärmepumpen zu
gewährleisten ist . Daneben ist auch der Bereich Elek-
tromobilität sehr wichtig . Denn die zukünftige Welt wird
viel stärker von elektrischer Energie und erneuerbaren
Energien geprägt sein als die augenblickliche Welt .
In diesem Sinne hoffe ich auf weitere konstruktive Be-
ratungen im nächsten Jahr . Ich wünsche Ihnen allen frohe
Weihnachten und ein gutes neues Jahr .
Danke schön .