Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben in der Vergangenheit in der Tat sehr viel über
die Erzeugung von Energie debattiert und auch viel zu
lange über die Bedeutung der Energieeffizienz, aber ihrer
Förderung zu wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen .
Vor allem die Wärme wurde in der Tat ein wenig stief-
mütterlich behandelt . Aber vor diesem Hintergrund wür-
de mich eigentlich dann doch mal interessieren, ob Frau
Verlinden auch definieren kann, was unfaire Wärme ist,
wenn sie sagt, dass es faire Wärme gibt .
Aber weil das so ist, haben wir im Koalitionsvertrag
2013 festgehalten, dass Energieeffizienz die zweite Säule
der Energiewende darstellt, und genau nach dieser Maß-
gabe handeln wir auch .
2014 kam der NAPE mit Sofortmaßnahmen zur Stei-
gerung der Energieeffizienz und einer Vielzahl weiter-
führender Arbeitsprozesse . Für uns galt aber immer:
Nach dem NAPE ist vor dem NAPE . Wir arbeiten des-
halb konsequent an neuen Ideen und Impulsen für die
Energieeffizienz, natürlich auch für die Wärme. Daher
wird allein das im Rahmen des Koalitionsgipfels im Juli
2015 beschlossene Effizienzpaket bis zum Jahr 2020
Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 5,8 Milliarden
Euro für mehr Energieeffizienz bereitstellen. Deswegen
verwundert es mich doch, dass die Grünen jetzt ein Ge-
setz auf den Weg bringen wollen, das sich an einem Lan-
desgesetz orientiert, nämlich an dem Erneuerbare-Wär-
me-Gesetz des Landes Baden-Württemberg, das sich in
der Vergangenheit nicht unbedingt bewährt hat .
– Nein . Im vorliegenden Gesetzentwurf der Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen ist, genauso wie damals in
Baden-Württemberg, eine Pflicht zur anteiligen Nutzung
von Erneuerbaren bei der Wärmeversorgung auch im pri-
vaten Gebäudebestand vorgesehen .
– Genau . Die Grünen möchten folglich, dass Hauseigen-
tümer, wie immer bei Ihnen, beim Tausch der Heizung
bestimmte Dinge nutzen müssen .
Die Bilanz des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes in
Baden-Württemberg ist sehr durchwachsen . Hier haben
viele Hausbesitzer vor Inkrafttreten des Gesetzes schnell
noch ihre Kessel getauscht, um die Pflicht zu umgehen.
Danach gab es dann einen starken Einbruch bei den Um-
sätzen mit Erneuerbaren für die Handwerker und für die
Hersteller .
– Das können Sie nachlesen . Das hat übrigens sogar die
Regierung festgestellt .
Seit der Einführung der Pflicht warten die Hausbe-
sitzer meist darauf, bis ihre Heizung richtig kaputt ist,
bevor sie etwas tun . Das belegt im Übrigen auch der Mo-
dernisierungsindex, der zeigt, das Baden-Württemberg
seit Inkrafttreten des Gesetzes hinter den Bundestrend
zurückfällt .
Im Länderranking zum Ausbau der erneuerbaren
Energien belegt Baden-Württemberg den vierten Platz .
Diese Zahlen haben wahrscheinlich auch dazu geführt,
dass in anderen Bundesländern trotz grüner Regierungs-
beteiligung bislang keine vergleichbaren Regelungen ge-
troffen wurden. Denn: Pflichten funktionieren in diesem
Fall gut nur im Neubau .
Entsprechend handelt auch der Bund .
Im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes
zum Neubau werden auch private Eigentümer zur antei-
ligen Nutzung von erneuerbaren Energien verpflichtet.
Auf dem EEWärmeG fußt außerdem das Marktanreiz-
programm zur Förderung der erneuerbare Energien, mit
dem wir den Ausbau erneuerbarer Wärme im Gebäude-
bestand fördern . Das Marktanzreizprogramm hat inso-
fern das gleiche Ziel, das Sie mit dem vorliegenden Ge-
setzentwurf verfolgen, aber es beschreitet einen anderen
Weg zur Zielerreichung:
Es beruht nämlich auf Freiwilligkeit und nicht auf Be-
vormundung .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14561
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Die Grünen begründen ihre Idee zum Zwang auf na-
tionaler Ebene – das haben Sie eben auch gemacht – vor
allen Dingen mit der Behauptung, dass wir das im EE-
WärmeG formulierte Ziel, nämlich den Anteil der erneu-
erbaren Energien am Wärme- und Kälteverbrauch bis
2020 auf 14 Prozent zu erhöhen, ohne eine Pflicht zum
anteiligen Einbau nicht schaffen könnten . Aber das ist er-
freulicherweise ja nur eine Behauptung .
Denn die Praxis widerlegt Ihre Annahme .
Die Kombination aus gesetzlicher Nutzungspflicht
beim Neubau und dem Marktanreizprogramm für die
Förderung und den Ausbau im Gebäudebestand hat
sich nämlich bewährt . So zeigt der Zweite Erfahrungs-
bericht zum EEWärmeG, der am 18 . November dieses
Jahres vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, dass
der Anteil der Erneuerbaren in der Wärme- und Kälte-
versorgung von 8,5 Prozent im Jahre 2008, also vor dem
Inkrafttreten des EEWärmeG, auf inzwischen 12 Prozent
in 2014 gestiegen ist .
– Nein, wir schummeln überhaupt nicht, sondern das ist
eine saubere Berechnung, die Sie nachvollziehen können .
– Nein, ich könnte genauso gut behaupten, Sie schum-
meln bei Ihrer Interpretation . Wir können die Zahlen bei
Gelegenheit gerne miteinander vergleichen .
Die Prognose des Erfahrungsberichts geht auf Grund-
lage der vorhandenen Zahlen übrigens auch davon aus,
dass der Anteil bis 2020 voraussichtlich auf 16,3 Prozent
ansteigen wird . Damit werden wir unser Ziel, 14 Prozent
in 2020, auch mühelos erreichen, ja wir werden es sogar
übertreffen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
eine ordnungsrechtliche Nutzungspflicht für erneuerba-
re Energien senkt in der Regel die Akzeptanz und die
Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, überhaupt
Maßnahmen zur Heizungsmodernisierung zu ergreifen .
Deshalb setzt die am 18 . November von der Bundesre-
gierung verabschiedete Energieeffizienzstrategie Gebäu-
de auch weiterhin ausdrücklich auf Freiwilligkeit und
eben auf das Marktanreizprogramm, das in diesem Jahr
übrigens ganz hervorragend angenommen wurde . Dieses
Programm wäre aus haushaltsrechtlichen Gründen übri-
gens gar nicht mit einer gesetzlichen Pflicht zum Einbau
kombinierbar; denn das, was Gesetz ist, dürfen Sie über
das Haushaltsrecht nicht mehr fördern . Das kann ja wohl
auch nicht in Ihrem Interesse sein .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr
Vorschlag ist aus meiner Sicht deswegen ein alter Schuh,
der noch nicht mal passt .
– Doch . – Was wir brauchen, sind kreative und innova-
tive Ideen und Konzepte . Wir brauchen Gesetze, Verord-
nungen, Programme und Impulse, die genau aufeinander
abgestimmt sind;
denn sonst behindern sich nicht nur die Maßnahmen
gegenseitig, sondern dann behindern wir auch die Men-
schen, die sie umsetzen wollen .
Da wir schon fast Weihnachten haben und diese De-
batte die letzte vor dem Fest ist, sage ich auch noch ein
paar versöhnende Worte: Als jemand, der seit 1987 Um-
weltpolitik macht und schon bei der Vor- und Nachberei-
tung der Konferenz von Rio dabei war, finde ich Ihr En-
gagement für den Klimaschutz ja grundsätzlich positiv;
aber müssen Sie denn immer gleich die Gesetzeskeule
schwingen
und auf Gebote und Verbote setzen? – Die versöhnlichen
Worte kommen im zweiten Teil . –
Darauf reagieren Menschen nämlich in der Regel aller-
gisch . Dann suchen sie nach Wegen, wie sie diese Ver-
bote umgehen können; denn die Menschen wollen in
der Regel nicht gegängelt werden . Wenn Sie mir das
nicht glauben, dann schauen Sie doch einfach einmal in
die einschlägige psychologische Literatur oder in weih-
nachtlicher Muße – das ist zugegebenermaßen sehr an-
strengend – in die Werke des großen Kirchenlehrers und
Philosophen Thomas von Aquin .
Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam da-
ran arbeiten, dass die Menschen aufgrund von Einsicht
und eigener Erkenntnis im Interesse des Klimaschutzes
handeln .
Lassen Sie uns das neue Jahr in diesem Sinne mit ge-
meinsamem Schwung und energieeffizient nutzen. Ich
Dr. Herlind Gundelach
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514562
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freue mich auf viele fruchtbare Diskussionen mit Ihnen
in den kommenden Monaten .
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein schönes
und friedfertiges Weihnachtsfest und alles Gute für das
kommende Jahr .
Herzlichen Dank .