Rede von
Kai
Gehring
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es freut mich, dass ich jetzt ein bisschen mehr Zeit habe .
– Das war nur ein Scherz .
Meine Damen und Herren! Der zügige Transfer von
Ergebnissen der Gesundheitsforschung in die Praxis be-
deutet für viele Menschen eine Verbesserung ihrer Le-
bensqualität . Deshalb ist das Grundanliegen des vorlie-
genden Antrags der Koalitionsfraktionen zu unterstützen .
Es ist aber nicht damit getan, wie Herr Albani es getan hat,
zu sagen: Von der Idee zur Anwendung muss es schneller
gehen . – Nein, wir brauchen Ernsthaftigkeit, Gründlich-
keit, Sicherheit und Qualität in den Zulassungsverfahren .
– Da hätten Sie jetzt auch mitklatschen können .
Ich finde an Ihrem Antrag, den wir seit vorgestern
haben und der wieder sehr lang geraten ist, wirklich an-
strengend, dass die Koalition dem kleinteiligen Lob des
Regierungshandelns so breiten Raum gibt
und dagegen bei den Forderungen so allgemein und vage
bleibt .
Im Antrag verteilen Sie Weihnachtsgeschenke: Die Re-
gierung bekommt Lobeshymnen,
die Gesundheitsindustrie ein Musterzeugnis und der Mit-
telstand einen warmen Händedruck . Einige Probleme
werden benannt, deren Gründe aber weitgehend ausge-
blendet . So erreichen wir weder mehr Patientenorientie-
rung noch einen effizienteren Einsatz der Forschungsmit-
tel .
Beispiel: KMU-Förderung . Sie erwähnen mehrfach
das Rückgrat der Branche, also kleine und mittlere Un-
ternehmen . Unbestritten ist, dass diese von bestehenden
Förderinstrumenten nicht ausreichend erreicht werden .
Das war gestern übrigens auch Thema in der EFI-Debat-
te . Ihnen fällt ein: mehr Wagniskapital und die Erhöhung
der Programmmittel, die bisher noch nicht so gut wirken .
Wir haben mit der Einführung einer steuerlichen For-
schungsförderung für KMU ein wirksames Instrument
vorgeschlagen .
Es ist nicht hinnehmbar, dass dieser fehlende Ausgleich
von Förderdefiziten, die es EU-weit nur noch in Deutsch-
land und Estland gibt, Forschungsaktivitäten hierzulande
hemmt .
Sie fordern weiter blumig mehr Abstimmung der For-
schungs- und Gesundheitspolitik mit der industriellen
Gesundheitswirtschaft . Aber erst drei lange Seiten später
werden dann endlich die Patientinnen und Patienten er-
wähnt .
Unklar bleibt, wie diese unterschiedlichen Akteursinter-
essen fairer als bisher ausbalanciert werden sollen, damit
am Ende nicht erneut steigende Arzneimittelkosten und
René Röspel
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514556
(C)
(D)
höhere Beiträge für die Versicherten stehen . Das gilt es
zu vermeiden .
Sie fokussieren in Ihrem Antrag auf Forschungsfel-
der, aus denen sich unmittelbar wirtschaftlicher Profit
schlagen lässt . Die wichtige und richtige Forderung, ne-
ben technischen auch soziale Innovationen zu fördern,
kommt dagegen leider nur in einem Halbsatz vor . So set-
zen Sie nicht die richtigen Prioritäten; denn die wären:
mehr Prävention und integrierte Versorgungssysteme
zum Wohl der Patientinnen und Patienten .
Sie haben eben gefordert, dass es eine schnellere Zu-
lassung von Medikamenten geben müsse . Das ist gene-
rell ein gutes Ziel . Die Sicherheit darf dabei nicht auf der
Strecke bleiben .
– Das haben Sie ausgeführt . Aber wie konkret soll es
denn dann gehen? – Wie werden das Verfahren und die
Zulassung beschleunigt? Ich finde, da bleiben Sie in Ih-
rem Antrag, der die Grundlage dieser Debatte ist, sehr
nebulös .
Das gilt ebenso für Ihre Forderung, den tatsächlichen
Nutzen für die Gesundheit stärker bei der Förderent-
scheidung zu gewichten . Wie wollen Sie denn den Kos-
tenträgern, wie Sie schreiben, frühzeitig die Möglichkeit
zur Beteiligung an Innovationsprozessen geben? In dem
vorgeschlagenen Dialogverfahren werden die Kranken-
kassen gar nicht erwähnt . Warum greifen Sie nicht unsere
Vorschläge zur Gesundheitsförderung und zur Stärkung
der Versorgungsforschung aus den Haushaltsberatungen
auf? Das wären wichtige Schritte .
Unterstützen möchte ich ausdrücklich die Forde-
rungen nach Stärkung und Evaluation der Verbundfor-
schung . Hierzu muss auch die Rolle der Deutschen Zen-
tren der Gesundheitsforschung reflektiert werden. Deren
Kooperationen, zum Beispiel mit Universitätsklinika,
verlaufen generell gut, aber nicht überall optimal . Die
Unikliniken haben zudem das Problem eines räumlichen
und apparativen Investitionsstaus . Verbesserungen bei
der Grundfinanzierung der Hochschulen und Lösungen
für den Hochschulbau und Universitätsklinikbau sind
somit auch wichtige Bedingungen für einen besseren
Forschungstransfer zum Nutzen der Patientinnen und
Patienten .
Patientenbeteiligung, Angebots- und Kostentranspa-
renz sind hehre Ziele; sie sind aber in der Realität längst
noch nicht verwirklicht . Sie fordern heute die Beteiligung
von Patientenvertreterinnen und -vertretern am Agen-
da-Setting-Prozess . Das ist gut . Bisher hat die Koalition
im Gesundheitswesen dazu wenig zustande gebracht . Es
würde uns daher sehr interessieren, wie genau Sie die
Forschungsförderung tatsächlich und konkret partizipati-
ver gestalten wollen . Wir freuen uns auf Ihre guten Ideen
und bringen eigene ein .
Ihr Antrag bietet auf jeden Fall insgesamt sehr viel
Stoff zur Diskussion . Deshalb freue ich mich auf intensi-
ve Beratungen im Forschungsausschuss .
Schöne Feiertage .