Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nächs-
te Woche ist Weihnachten, und die Linke verteilt wieder
einmal Geschenke – faule Geschenke; nichts anderes ist
ihr Antrag .
Es sind faule Geschenke, die auf den ersten Blick gut
aussehen; aber auf den zweiten Blick zeigt sich, wer das
Ganze am Ende zu bezahlen hat .
Meine Damen und Herren, wir führen heute wieder
einmal eine sehr aufregende Diskussion über die Fragen:
Wie soll unser Rentensystem künftig aussehen? Wie soll
sich unsere Altersvorsorge künftig gestalten? Wir de-
battieren im Wesentlichen immer wieder über dieselben
Dinge . Ich glaube, man kann es eigentlich nicht oft genug
sagen: Es ist richtig, und es ist auch kein Geheimnis – das
wissen wir schon seit längerem –, dass die gesetzliche
Rente allein künftig nicht mehr ausreichen wird, den Le-
bensstandard auch im Rentenalter abzusichern . Das ist
nichts Neues .
Es ist nicht so lange her, dass wir uns über ganz wich-
tige, ganz entscheidende Schritte in diesem Bereich ver-
ständigt haben: Wir haben uns darauf verständigt, die
Gewichtung in unserem Rentensystem, dem sogenannten
Drei-Säulen-System, etwas zu verschieben, ja, etwas zu
verändern, und zwar zu Recht:
Der demografische Wandel – das ist uns allen be-
kannt – stellt eine existenzielle Gefahr für unsere sozia-
len Sicherungssysteme dar .
Wir leben in einem Land, das auf umlagefinanzierte sozi-
ale Sicherungssysteme zurückgreift. Der demografische
Wandel ist der Hauptgrund dafür, dass dieses System ins
Wanken gebracht wird . Weniger Junge und damit weni-
ger Beitragszahler in unserem Land sowie mehr Ältere
und damit natürlich auch mehr Rentenempfänger brin-
gen unser umlagefinanziertes Sicherungssystem auf die
Dauer in die Schieflage. Unsere Aufgabe ist es, darauf
zu reagieren . Deshalb haben wir uns in den vergangenen
Jahren zu mehreren Schritten entschieden, die weitaus
vernünftiger sind als das, was die Kollegen der Linken
uns heute hier präsentiert haben:
Erstens . Wir sagen den Menschen, dass die Altersvor-
sorge künftig eben nicht mehr allein von der gesetzlichen
Rente getragen werden kann . Zwar soll die gesetzliche
Rentenversicherung weiterhin Kernstück unserer Alters-
vorsorge bleiben, aber auch die betriebliche und private
Altersvorsorge wird für einen guten Ruhestand künftig
unverzichtbar sein .
Zweitens . Wir sagen den Menschen, dass längeres
Arbeiten künftig unverzichtbar ist für den Erhalt unserer
Solidargemeinschaft, nicht nur, um unsere sozialen Si-
cherungssysteme zu finanzieren, sondern auch, um der
Tatsache Rechnung zu tragen, dass wir immer länger le-
ben, dass es den Menschen immer besser geht . Das muss
sich am Ende auch am Arbeitsmarkt abbilden .
Drittens . Im Jahr 2001 gab es eine Rentenreform, die
zur Folge hatte, dass die Beiträge an die gesetzliche Ren-
tenversicherung ansteigen . Gleichzeitig wurde verein-
bart, dass das Rentenniveau bis 2030 absinkt; auch das ist
in der Debatte heute schon mehrfach angeklungen . Aber
nur so konnte sichergestellt werden, dass die gesetzliche
Rentenversicherung eben in keine finanzielle Schieflage
gerät .
Viertens . Im Jahr 2004 wurde der Nachhaltigkeitsfak-
tor eingeführt; auch das ist heute mehrfach angeklungen .
Dadurch wurde dafür gesorgt, dass das Verhältnis der
Zahl der Beitragszahler zur Zahl der Rentner nicht aus
dem Gleichgewicht gerät: Steigt die Zahl der Rentner
überproportional, steigen eben auch die Renten weniger
stark . Ich halte das nur für gerecht .
Fünftens. Wir brauchen natürlich flankierende Maß-
nahmen, die Arbeiten und Ruhestand eben nicht mehr
als zwei gegensätzliche Dinge sehen . Da haben wir in
dieser Legislatur mit den ersten Maßnahmen zur Flexi-
rente schon etwas Gutes auf den Weg gebracht . Da sind
wir schon erste Schritte gegangen, und wir werden das
künftig fortsetzen .
Was unsere Gesellschaft braucht, ist eben ein Umden-
ken, ein Denken weg von einer starren Grenze „von der
Arbeit in den Ruhestand“ hin zu weitaus mehr Flexibi-
lität, durch die man durchaus in der Lage ist, beides zu
vereinen: Ruhestand und Arbeiten im Alter .
Wir haben uns mit dem Koalitionspartner darauf ver-
ständigt, Erleichterungen bei den Hinzuverdienstgrenzen
zu schaffen . Wir wollen Anreize setzen, dass sich län-
geres Arbeiten sowohl für Arbeitgeber als natürlich auch
für Arbeitnehmer lohnt, und wir wollen auch Erleichte-
rungen bei den Sozialbeiträgen durchsetzen . Außerdem
haben wir gemeinsam mit der Deutschen Rentenversi-
cherung darauf hingewirkt, dass die Arbeitnehmer nicht
Dagmar Schmidt
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514540
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mehr nur darüber informiert werden, ab wann man in
Rente gehen darf, sondern dass sie durchaus auch über
alternative Möglichkeiten des Ruhestandes und des Wei-
terarbeitens unterrichtet werden . Das ist mein Verständ-
nis von einer modernen Rentenpolitik, von einem moder-
nen Rentenversicherungssystem .
Meine Damen und Herren, diese Schritte sind nicht
nur notwendig und sinnvoll, sie sind vor allen Dingen
auch generationengerecht . Ich frage mich immer wieder:
Die Vorschläge, die von der Linken kommen, kosten viel
Geld, zielen auf eine Gruppe ab, und keiner fragt: Wie
soll das eigentlich finanziert werden?
Sie insbesondere tun das nicht .
Die junge Generation zahlt . Die Schülerinnen und
Schüler zahlen, die Sie regelmäßig in Ihrem Wahlkreis
treffen, die Sie möglicherweise regelmäßig im Deutschen
Bundestag besuchen . Denen sollten Sie das mal erzählen .
Meine Damen und Herren, so werden die wiederkeh-
renden Forderungen der Linken auch nicht besser und
auch nicht richtiger . Wir haben heute schon eine Vielzahl
Ihrer Wünsche und Vorstellungen gehört . Sie fordern
zum Beispiel, dass die Rente den Löhnen folgen soll .
Demnach hätten die Renten 2009 sinken müssen . Denn
hätte die Bundesregierung in diesem Jahr – das war zu
Zeiten der Wirtschaftskrise – keine Rentengarantie aus-
gesprochen, hätte sich der Einbruch der Löhne auch in
den Renten abgebildet . Das hat er aber nicht, weil es die
Rentengarantie gab .
Entgegen der demografischen Wirklichkeit wollen Sie
zudem das Rentenniveau dauerhaft auf 53 Prozent an-
heben und den Nachhaltigkeitsfaktor abschaffen . Finan-
zieren wollen Sie das natürlich nur mit einem massiven
Anstieg der Rentenbeiträge .
Meine Damen und Herren, was Sie fordern, ist ein
Angriff nicht nur auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in unserem Land, nicht nur auf unsere Leistungs-
träger, sondern das ist auch ein Angriff auf die junge Ge-
neration .
Sie behaupten in Ihrem Antrag, dass sich private und be-
triebliche Altersvorsorge für die Menschen in unserem
Land nicht mehr lohnt . Aber glauben Sie denn ernsthaft,
dass sich die Situation der arbeitenden Bevölkerung im
Alter zum Positiven wenden würde, wenn Sie ihr jetzt
mit massiven Rentenbeiträgen zusätzlich in die Tasche
greifen?
Denken Sie nicht, dass eine Erhöhung der Rentenbei-
träge unsere ohnehin im europäischen Vergleich hohen
Arbeitskosten weiter verteuern würde? Genau das würde
sie tun .
Mein Verständnis von guter Sozialpolitik ist: Am Ende
muss netto mehr übrigbleiben . Wenn wir über Vorsorge
für das Alter sprechen, denken wir einmal nicht nur an
die betriebliche und die private Vorsorge, sondern denken
wir vielleicht auch an das kleine Eigenheim, das sich die
jungen Familien in jungen Jahren errichten . Auch dazu
brauchen sie natürlich mehr netto in der Tasche . Genau
darauf zielt unsere Politik ab; Ihre tut das nicht .
Verlierer Ihrer Politik von Arbeitsplatzverlusten und
nicht geschaffenen Stellen sind ausgerechnet jene, die
Sie mit Ihrem Antrag vorgeben unterstützen zu wollen .
Es sind die Geringqualifizierten. Eines ist Fakt: Die
größte Gefahr von Altersarmut geht immer noch von der
Arbeitslosigkeit aus . Die notwendigen – nicht nur renten-
politischen – Maßnahmen, um im Alter möglichst gut ab-
gesichert zu sein, sollten unseres Erachtens andere sein .
Neben den bisher erläuterten Schritten, die ich Ihnen
lang und breit erklärt habe, haben wir uns natürlich im
Koalitionsvertrag auch auf die Stärkung der betriebli-
chen Altersvorsorge verständigt . Das wollen wir noch
in dieser Legislaturperiode umsetzen . Wir wollen für
Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anreize setzen, Modelle
der betrieblichen Altersvorsorge stärker anzubieten, zu
verbreiten und auch zu nutzen .
Ein weiterer Punkt ist der berufliche Aufstieg. Er ist
nicht nur mit Karriere, sondern auch mit mehr Gehalt
verbunden. Das wiederum erfordert Bildung und Qualifi-
kation . Eine solide Ausbildung und eine kontinuierliche
Erwerbsbiografie sind immer noch die beste Altersvor-
sorge . Daran sollten wir weiterhin arbeiten .
Jana Schimke
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14541
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Auch sollte die Arbeitsmarktpolitik den Unternehmen
in unserem Land genügend Freiraum lassen, um zu in-
vestieren und Arbeitsplätze zu schaffen . Denn Wohlstand
und Wertschöpfung fallen eben nicht vom Himmel . Das
muss man immer wieder sagen, wenn wir über Anträge
der Linken diskutieren .
Von einem robusten Arbeitsmarkt profitieren eben nicht
nur jene, die einer Beschäftigung nachgehen können,
sondern es profitieren auch unsere sozialen Sicherungs-
systeme durch eine Vielzahl von Beitragszahlern .
Lassen Sie mich als letzten Punkt noch etwas ganz
Wichtiges sagen: Es geht um die Familienpolitik . Wir
konnten uns gestern über eine Meldung in den Medien
freuen, dass die Anzahl der Geburten steigt und dass es
mehr Kinder in unserem Land gibt . Ich glaube, das ist
auch Ausdruck unserer guten Familienpolitik, die wir
von CDU und CSU in den letzten Jahren gemacht haben .
Wir haben wahnsinnig viele Maßnahmen auf den Weg
gebracht, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – –