Rede von
Dagmar
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Kol-
leginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke! Niemand
bestreitet, dass das Rentenniveau in der von Ihnen be-
schriebenen Weise sinken wird . Das hat bisher niemand
getan .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514538
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Das Rentenniveau sinkt auch nicht erst, wie gerne
und auch dieses Mal wieder von Ihnen behauptet, seit
Gerhard Schröders Kanzlerschaft, sondern bereits seit
Anfang der 80er-Jahre . Dass es nicht endlos weitersinken
kann, ist auch klar . Ich glaube, alle Fraktionen – nicht nur
Sie – beschäftigen sich mit dieser Frage .
Wenn wir aber sagen, dass das Rentenniveau sinkt,
dann meinen wir das theoretische Modell mit dem so-
genannten Eckrentner . Die Wahrheit über die reale so-
ziale Lage der Rentnerinnen und Rentner in Deutsch-
land erzählt uns der Eckrentner aber nicht; denn seine
Erwerbsbiografie gibt es nicht. 45 Jahre Vollzeit und
Durchschnittsverdienst, das ist ein zutiefst hypotheti-
sches Arbeitsleben . Einige arbeiten länger . Viele schaffen
keine 45 Jahre . Manche verdienen mehr, andere weniger .
So ist das nun einmal mit dem Durchschnitt .
Das Standardrentenniveau kennzeichnet als statis-
tische Maßzahl die relative Einkommensposition der
Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zu den Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern . Es sagt uns aber nichts
über die realen Altersrenten realistischer und tatsächli-
cher Erwerbsbiografien. Diese sehen anders aus. Denn
zur ganzen Wahrheit der Rente gehört: Schlechte Löhne
führen zu schlechten Renten . Deswegen haben wir den
Mindestlohn eingeführt und haben damit 4 Millionen
Menschen die Löhne erhöht .
Der Mindestlohn allein reicht aber nicht . Deswegen
stärken wir die Tarifpartnerschaft . Das haben wir zum
Beispiel getan mit der Erleichterung der Allgemeinver-
bindlichkeitserklärung von Tarifverträgen .
Wir wollen die Tarifpartnerschaft aber auch im Zuge der
Regelungen von Leiharbeit und Werkverträgen stärken .
Klare und starre gesetzliche Regelungen als Grundlage,
aber flexible Handhabungsmöglichkeiten im Rahmen
von Branchentarifverträgen, also Mindestlohn als An-
standsgrenze und starke Anreize, tarifpartnerschaftlich
zu agieren, das stärkt die Löhne insgesamt .
Teilzeitarbeit und kurze Erwerbsbiografien führen
ebenfalls zu schlechten Renten . Wie Sie bereits gesagt
haben, beschreibt das die Situation vieler Frauen . Des-
wegen werden wir noch in dieser Legislaturperiode das
Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit umsetzen .
Wir fördern Partnerschaftlichkeit und Flexibilität bei der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Beispiel durch
das Elterngeld Plus und verringern damit die Rentenlü-
cke zwischen Männern und Frauen .
Genauso führen gebrochene Erwerbsbiografien, Ar-
beit ohne Alterssicherung, zum Beispiel Soloselbst-
ständigkeit, oder andere schlecht versicherte oder un-
versicherte selbstständige Arbeit zu schlechten Renten .
Wir wollen erreichen, dass keine Erwerbstätigkeit ohne
Absicherung im Alter bleibt . Das betrifft vor allem Solo-
selbstständige . Aber am Ende steht für uns als SPD eine
Erwerbstätigenversicherung für alle, auch wenn wir das
in dieser Legislaturperiode noch nicht erreichen werden .
Auch Krankheit und früher Renteneintritt führen zu
schlechten Renten . Deshalb haben wir im Rahmen der
AG „Flexible Übergänge“ vieles beschlossen, was die
Gesundheitsprävention und die Unterstützung von Men-
schen mit besonders schwerer Arbeit verbessert .
Das alles verbessert die Basis für die Rente deutlich .
Von alledem haben viele Menschen in der Vergangenheit
aber noch nicht profitieren können. Deswegen verstehe
ich nicht, wieso Sie in Ihrem Antrag abschätzig über un-
ser Vorhaben der Einführung einer Solidarrente reden .
Denn Sicherheit vor Altersarmut erlangt man nicht über
die Anhebung des Rentenniveaus . Bei der solidarischen
Lebensleistungsrente werden wir geringe Anwartschaf-
ten aufwerten . Das kann zu Anhebungen von bis zu
50 Prozent führen für diejenigen, die es am meisten brau-
chen . Das erreichen Sie mit Ihrer Forderung nach 53 Pro-
zent Rentenniveau, also einer Steigerung um 11 Prozent,
für alle aber nicht .
– Legen Sie einmal alles vor und erklären uns dann, wie
Sie das finanzieren. Dann diskutieren wir noch einmal.
Ich verstehe auch nicht, warum Sie in Ihrem Antrag
abschätzig darüber schreiben, dass wir die betriebliche
Altersversorgung stärken, verbessern und verbreitern
wollen . Aber dazu wird mein Kollege Ralf Kapschack
gleich noch etwas sagen .
Rentenpolitik ist eine dauerhafte Aufgabe . Kein Ren-
tenkonzept dieser Welt wird auf alle Zeiten für alle eine
gute Antwort geben . Unsere Gesellschaft, unsere Wirt-
schaft und unser Arbeitsleben verändern sich nicht nur
durch die Digitalisierung . Frauen arbeiten mehr, Männer
wollen weniger arbeiten. Der demografische Wandel hat
seine schwierigen Auswirkungen . Genauso kann aber die
Zuwanderung unsere Gesellschaft positiv beeinflussen.
Wir haben viel Gutes auf den Weg gebracht . Seien Sie
Dagmar Schmidt
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14539
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versichert: Genauso erfolgreich werden wir alle weiteren
Herausforderungen in der Rentenpolitik annehmen .
„Ein gutes Gewissen ist ein ständiges Weihnachten“,
sagte Benjamin Franklin . Wir haben nicht nur ein gutes
Gewissen; wir sind auch stolz auf das, was wir in den
letzten zwei Jahren erreicht haben . Ich wünsche Ihnen
allen ein schönes, fröhliches und vor allem ein friedliches
Weihnachtsfest .