Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachhaltigkeit
ist wirklich eine Überlebensfrage für die Menschheit . Es
ist aber gleichzeitig eine Chance auf mehr Lebensqualität
für Menschen, denen es deutlich schlechter geht als den
Menschen bei uns . Und auch bei uns gibt es Menschen,
denen es schlecht geht . Wirtschaftlichen Wohlstand, die
Bewahrung der Schöpfung und das soziale Miteinander
in Einklang zu bringen, dafür intelligente Lösungen zu
finden und über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten:
Das ist wirklich ein großes Versprechen und ein Ansporn
für uns in der Politik .
Ich zitiere jetzt einmal etwas:
Nachhaltige Entwicklung heißt, mit Visionen, mit
Fantasie und Kreativität die Zukunft zu gestalten,
Neues zu wagen und unbekannte Wege zu erkunden .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht
von Greenpeace oder WWF, sondern von der Bundesre-
gierung .
Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine kritische Refle-
xion unseres Arbeitens: Wie häufig ist ein Kompromiss,
den wir finden, dann doch nur ein bisschen etwas von
dem einen und etwas von dem anderen und eben noch
nicht die intelligentere Lösung, die wir brauchen? Ge-
rade jetzt am Jahresende erleben wir, wie Kolleginnen
und Kollegen von einem Termin zum anderen hetzen . Ich
frage uns einmal: Wo ist denn der Raum für Fantasie und
Kreativität im politischen Bereich?
Dr. Valerie Wilms
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14519
(C)
(D)
Nehmen wir einmal den Begriff der Nachhaltigkeit .
Für diesen Begriff könnten wir hier wahrscheinlich sehr
viele unterschiedliche Definitionen finden, aber in einem
stimmen wir doch überein: Es geht um Langfristigkeit,
um etwas, das auf Dauer angelegt ist . Wie sehr sind wir
auch im politischen Betrieb bei dem, was wir tagtäglich
tun, von der Nachrichtenlage beeinflusst?
Ich glaube, wir brauchen gar nicht zu streiten, ob das
Glas zurzeit halb leer oder halb voll ist, sondern wir
können, wie es auch schon angeklungen ist, gemeinsam
feststellen: Beim Thema Nachhaltigkeit ist noch viel Luft
nach oben, auch in Deutschland .
Gleichzeitig ist jetzt ein guter Zeitpunkt, über Nach-
haltigkeit zu sprechen; denn gerade haben wunderbare
Ereignisse wie der Gipfel in New York und der Klima-
gipfel in Paris stattgefunden . Das gibt uns Rückenwind .
Ich will auch sagen, dass die Flüchtlinge, die zu uns
kommen, uns zeigen, dass die Probleme, die es auf dieser
Welt gibt, eben nicht weit weg sind, sondern auch mit uns
etwas zu tun haben, und dass diese Probleme, wenn wir
unserer Verantwortung nicht gerecht werden – so gut wir
das als eine starke Nation und ein starkes Europa eben
können –, auch zu unseren Problemen werden .
Außerdem ist unsere Bevölkerung derzeit auf Mitma-
chen getrimmt, wie wir das nie zuvor – abgesehen von
der Zeit, als das Land in Trümmern lag – erlebt haben .
Diesen guten Zeitpunkt für eine Fortschreibung der na-
tionalen Nachhaltigkeitsstrategie müssen wir engagiert
nutzen .
Da bald Weihnachten ist, wünsche ich mir etwas: Ich
wünsche mir, dass wir ehrgeizige Ziele finden, dass wir
wirklich aufgreifen, was in New York verabschiedet wur-
de, und dass wir nicht Ziele definieren, die wir ohnehin
erreichen, weil wir stark sind, sondern dass wir ehrgeizi-
ge Ziele erarbeiten, mit denen wir wirklich einen Beitrag
zur Erreichung der globalen Ziele leisten .
Ich wünsche mir, dass wir an 1992 anknüpfen und et-
was schaffen, was es damals gegeben hat, nämlich einen
wirklichen gesellschaftlichen Aufbruch zu mehr Nach-
haltigkeit . Ich denke an die Lokale Agenda 21 . Wir brau-
chen so etwas wie eine Lokale Agenda 2 .0, die wir jetzt
ausgehend von der Diskussion über die nationale Nach-
haltigkeitsstrategie starten müssen .
Und wir müssen uns als Parlament – das ist auch
schon angeklungen – das Thema Nachhaltigkeit stärker
aneignen, als das in der Vergangenheit geschehen ist .
Es ist doch so: Das Thema Nachhaltigkeit fristet eher ein
Nischendasein, als dass es wirklich Leitbild und Zentrum
der nationalen Politik ist . Darum lautet meine Forderung,
dass wir die nationale Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur
zur Kenntnis nehmen, sondern dass sie einem Beschluss
des Deutschen Bundestages zugeführt wird, dass wir sie
hier im Parlament diskutieren und verabschieden .
Wir haben aufgrund der Gipfelergebnisse Grund, opti-
mistisch zu sein, und wir haben, wie es Karl Popper sagt,
sogar die Pflicht, optimistisch zu sein. Es ist kein Opti-
mismus im Sinne von „Es wird schon werden“, sondern
ein Optimismus der Tat . Vielleicht nicht mehr vor Weih-
nachten, aber im nächsten Jahr wollen wir damit enga-
giert weitermachen .
Alles Gute und vielen Dank allen, die sich für dieses
Thema engagieren .