Rede:
ID1812000500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. erhält: 1
    4. nun: 1
    5. der: 1
    6. Kollege: 1
    7. Thomas: 1
    8. Oppermannfür: 1
    9. die: 1
    10. SPD-Fraktion: 1
    11. .\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/120 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Inhalt Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 A b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Dr . Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11603 B Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 11609 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 C Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11619 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11622 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11625 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11627 C Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11630 A Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11631 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 11632 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 11634 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11635 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11636 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11637 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11639 B Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11640 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 11642 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11645 C Dr . Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11646 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11647 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11647 D Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11649 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11651 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11652 B Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11653 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11655 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015II Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11655 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11656 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11657 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11659 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . 11661 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11663 D Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11665 A Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11666 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11667 D Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 11669 C Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11671 B Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11672 D Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11674 A Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11675 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11676 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11677 C Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 11678 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11681 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11682 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11683 D Dagmar G . Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11685 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11686 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11688 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11689 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11691 B Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11693 A Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11694 C Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11696 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11697 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11699 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11603 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Beginn 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Stefan Rebmann (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11699 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Becker, Dirk SPD 09 .09 .2015 Brand, Michael CDU/CSU 09 .09 .2015 Brandl, Dr . Reinhard CDU/CSU 09 .09 .2015 De Ridder, Dr . Daniela SPD 09 .09 .2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Groth, Annette DIE LINKE 09 .09 .2015 Hartmann (Wackern- heim), Michael SPD 09 .09 .2015 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 09 .09 .2015 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 09 .09 .2015 Kiziltepe, Cansel SPD 09 .09 .2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Kolbe, Daniela SPD 09 .09 .2015 Lenkert, Ralph DIE LINKE 09 .09 .2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 09 .09 .2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 09 .09 .2015 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 09 .09 .2015 Renner, Martina DIE LINKE 09 .09 .2015 Röspel, René SPD 09 .09 .2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 09 .09 .2015 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Satz: Satzweiss.com, Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de http://www.satzweiss.com http://www.printsystem.de http://www.betrifft-gesetze.de 120. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2016 – Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Epl 23 wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Das Wort erhält nun die Kollegin Katrin Göring-Eckardt

    für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .


    (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-
    gen! Bevor ich auf die Flüchtlinge in unserem Land und
    in Europa und ihre Situation zu sprechen komme, will
    ich gern auf zwei Dinge eingehen, Frau Bundeskanzle-
    rin, die Sie hier in Ihrem Rechenschaftsbericht erwähnt
    haben und die vielleicht wenigstens eines Faktenchecks
    bedürfen .

    Der erste Punkt . Sie haben gesagt, die Bundesregie-
    rung hätte einen Schwerpunkt auf Investitionen gelegt .
    Wir haben in der Tat einen gigantischen Investitionsstau
    in unserem Land . Schienen, Straßen, Brücken, Schulen
    und vieles andere liegen im Argen . Diese Last wird vor
    allen Dingen von den Kommunen und Ländern getragen .
    Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie sich Ihren Haushalt an-
    schauen und wenn Sie sich die mittelfristige Finanzpla-
    nung anschauen, dann sehen Sie: Investitionsquote unter
    10 Prozent mit sinkender Tendenz bis 2019 . Sie sollten
    hier ehrlich sein, Frau Bundeskanzlerin .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Der zweite Punkt . Sie haben sich in einem Nebensatz
    regelrecht verraten, indem Sie gesagt haben, TTIP wäre
    jetzt in diesem Haus nicht das Thema .


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Den Eindruck haben wir auch . Die Unterlagen zu den
    Verhandlungen zum Freihandelsabkommen sind nämlich
    keinem einzigen Bundestagsabgeordneten zugänglich .
    Aber 139 Personen können diese Unterlagen im Auftrag
    der Bundesregierung in der amerikanischen Botschaft
    einsehen . Das verstehe ich nicht unter Parlamentarismus,
    und das verstehe ich nicht unter Transparenz . Dann müs-
    sen Sie sich nicht wundern, wenn die Leute dagegen auf
    die Straße gehen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wir erleben in Deutschland derzeit ein echtes Septem-
    bermärchen: Am Münchner Hauptbahnhof, in Dortmund,
    in Saalfeld


    (Ulli Nissen [SPD]: In Frankfurt!)


    Und auch in vielen anderen Orten stehen Menschen an
    den Bahnsteigen mit Essen und Trinken, mit Rat und Tat .
    Wir sind plötzlich Weltmeister der Hilfsbereitschaft und
    Menschenliebe . „Die Welt zu Gast bei Freunden“ – das
    bekommt plötzlich eine ganz andere Bedeutung . Und ich
    kann zum ersten Mal sagen, dass ich uneingeschränkt
    stolz auf mein Land bin, wären da nicht schon wieder
    Unterkünfte angezündet worden . Doch die Nazis sind in
    der Minderheit, und sie bleiben es auch .

    Was mich bewegt, ist der Ruck, der durch die Zivilge-
    sellschaft geht . Es gibt Menschen, die bei der Bereitstel-
    lung von Unterkünften anpacken und Flüchtlinge bei sich
    zu Hause aufnehmen – wie unser Kollege Martin Patzelt .
    Sie bringen ihnen Deutsch bei, vermitteln sie in Arbeit
    und binden sich sogar lebenslang mit Bürgschaften . Sie
    zeigen, dass Deutschland ein starkes und funktionsfähi-

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    ges Land ist . Davon, Frau Bundeskanzlerin, haben Sie
    die ganze Zeit geredet; aber eigentlich müssten diese
    Menschen Sie auch beschämen . Denn ohne die tausend-
    fache Hilfe, die gerade landauf, landab geleistet wird,
    wären wir nicht in der Lage, die Flüchtlinge angemessen
    zu versorgen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Sie bemühen sich hier, den Eindruck zu erwecken, als
    hätten Sie alles im Griff, als würde der Innenminister ei-
    nen guten Job machen, als hätten die Koalitionspartner
    an diesem Wochenende weitreichende Beschlüsse ge-
    fasst, als könnten Sie die Defizite im Umgang mit den
    Flüchtlingen sozusagen „wegmerkeln“ . Doch Sie ste-
    cken in einem echten Dilemma und in einer Politikkrise .
    Anders kann man es nicht bezeichnen .

    Frau Bundeskanzlerin, Sie waren vor Heidenau kein
    einziges Mal in einer Flüchtlingsunterkunft . Ich gebe
    zu, ich konnte es gar nicht glauben, dass Sie bis dahin
    einen Bogen um die Schicksale derer gemacht haben,
    deren Verwandte im Mittelmeer ertrunken sind, deren
    Geschwister in Aleppo sitzen und am Telefon Schüsse
    hören .

    Sie haben, als Sie in der Schweiz diskutierten, spät,
    sehr spät, aber dann die richtigen Worte gefunden – auch
    zum Islam in unserem Land und zum Christentum . Vie-
    le sehen das Filmchen jetzt im Internet . Sie haben letzte
    Woche Worte gefunden und am Wochenende auch deut-
    lich gemacht: Wir sind aufnahmebereit . Als ich Sie heute
    hier gehört habe, habe ich gedacht, dass Sie schon wie-
    der im Verwaltungsmodus sind . Jetzt müssen aber Taten
    folgen, deutsche Flexibilität, ja, aber noch viel wichtiger
    deutsche Schnelligkeit . Es kann nicht sein, dass jetzt wie-
    der Wochen verstreichen, bis verhandelt wird .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Packen Sie bitte in die Konzepte für morgen nicht
    schon wieder die Rezepte von gestern: Sachleistungen in
    Erstaufnahmeeinrichtungen . Ja, sollen denn demnächst
    tatsächlich Drogeriegutscheine, Fahrkarten oder Ziga-
    retten als Sachleistung ausgegeben werden? Haben die
    Helfer denn wirklich nichts anderes zu tun, meine Damen
    und Herren?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


    Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt: Wir stehen
    vor einem Problem von der Dimension der deutschen
    Einheit . Da gebe ich Ihnen auch recht . Deshalb dürfen
    wir aber die Fehler von damals nicht wiederholen . Der
    Osten besteht heute nicht nur aus blühenden Landschaf-
    ten, und es hat auch mehr als ein paar Pfennige gekostet .
    Genauso wenig lässt sich die Flüchtlingshilfe jetzt mit
    einer Einmalzahlung von 3 Milliarden Euro an die Län-

    der irgendwie begleichen . Das ist eine wirklich große
    Aufgabe .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist nicht einfach . Zu uns kommen Menschen, die
    einen Bürgerkrieg, Diktatur und Verfolgung erlebt haben,
    Menschen aus anderen Kulturen, mit einem viel strenge-
    ren Religionsverständnis, mit Vorstellungen zu Gleich-
    stellung und Homosexualität, die nicht die unsrigen sind .
    Heute geht es darum, winterfeste Quartiere zu organisie-
    ren, aber morgen schon darum, zu vermitteln, was unser
    Grundgesetz ausmacht . Ja, wir werden auch über unsere
    Werte, über unsere Identität diskutieren müssen . Und wir
    werden klarmachen müssen: Unsere Gesetze gelten in
    diesem Land .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Integration, das geht nicht per Koalitionsbeschluss an
    einem Wochenende . Deutschland funktioniert auch nicht
    nach dem Motto „Alte Bundesrepublik, neue Bundeslän-
    der und Flüchtlinge – und das war’s dann“ . Unser Land
    wird sich verändern, und es hat sich schon verändert .
    Heute haben bereits 30 Prozent der Kinder und Jugend-
    lichen einen Migrationshintergrund, und dabei habe ich
    die „Ossis“ noch nicht mitgerechnet .

    Welche Aufmerksamkeit, welche Energie und welche
    Ressourcen lassen wir denen zukommen, die heute schon
    in unserer Gesellschaft chancenlos sind? Auch diese Fra-
    ge müssen Sie beantworten . An den Langzeitarbeitslosen
    in unserem Land droht der Zug der Koalitionsbeschlüsse
    nämlich gänzlich vorbeizuziehen . Ich halte das für un-
    verantwortlich mit Blick auf den Zusammenhalt in der
    Gesellschaft .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Merkel und die Koalition, Sie haben ein So-
    fortprogramm vorgelegt . Aber das reicht nicht . Bei
    Migration und Integration geht es um eine gesamtge-
    sellschaftliche Aufgabe . Deswegen brauchen wir mehr:
    Wir brauchen einen nationalen Flüchtlingspakt . Setzen
    Sie sich mit allen zusammen, die Verantwortung haben
    und übernehmen: mit den Ländern, den Kommunen, den
    Gewerkschaften, den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen
    und den Arbeitgebern! Es muss jetzt um die Frage ge-
    hen, wie Deutschland in 20 Jahren aussieht und was un-
    sere Identität ausmacht, statt darum, zu verwalten und zu
    „merkeln“ .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Warum – diese Frage muss ich stellen, weil ich finde,
    aus der Vergangenheit zu lernen, kann auch einen Erfolg
    für die Zukunft bedeuten – sind wir jetzt in diesem Kri-
    senmodus? Wegen der 800 000 Menschen, die dieses
    Jahr zu uns kommen sollen, wie der Innenminister pro-
    gnostiziert? Vermutlich werden es mehr sein, wie Han-
    nelore Kraft zu Recht sagt . Ja, aber diese Menschen sind
    schon lange unterwegs . Nur ist das der Bundesregierung
    nicht aufgefallen .

    Ich greife willkürlich ein Jahr heraus: 2008 verzeich-
    nete Deutschland 28 000 Anträge auf Asyl . So viele kom-

    Katrin Göring-Eckardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    men derzeit in drei Tagen zu uns . Für 2008 meldete der
    UNHCR 42 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht .
    Heute sind es 60 Millionen . Sie hätten es sehen können .

    Frau Bundeskanzlerin, die Flüchtlingspolitik ist in
    der Krise . Aber Sie haben den Grund dafür bisher nicht
    benannt . Deswegen will ich das tun: Das deutsche
    Sankt-Florians-Prinzip ist in sich zusammengebrochen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das Prinzip, Flüchtlinge sollten möglichst weit weg von
    Deutschland bleiben, am besten in den Herkunftsländern,
    deren Nachbarländern oder jedenfalls in den Staaten der
    EU-Außengrenzen, ist wie ein Dominospiel zusammen-
    geklappt .

    Bevor Deutschland in die Krise kam, haben wir ande-
    re Staaten in dieselbe geschickt . Im Libanon ist heute je-
    der vierte Einwohner ein Flüchtling . In der Türkei leben
    fast 2 Millionen Flüchtlinge . Als Sie mit Herrn Erdogan
    geredet haben, Frau Merkel, haben Sie, hoffe ich, auch
    etwas zum Umgang mit der Halkların Demokratik Partisi

    (HDP) und den Kurden gerade in diesem Land gesagt .



    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Bei uns wird ein Flüchtling auf 100 Einwohner kom-
    men . Wie lange konnte dieses Ungleichgewicht noch
    weitergehen? Dieser Dominostein kippte als erster . Im
    letzten Jahr kamen schon 170 000 Flüchtlinge nach Ita-
    lien und 43 500 nach Griechenland . Das war ein Anstieg
    um 280 Prozent . Jedem kritischen Beobachter war klar:
    Hier bahnte sich ein Kollaps an, und das europäische
    und deutsche Asylsystem kann nicht mehr funktionieren .
    Hier kippte der nächste Dominostein .

    Ich will daran erinnern, was die Antworten des Innen-
    ministers waren: mehr Frontex, mehr scheinbar sichere
    Herkunftsstaaten und eine tödliche lange Zeit keine Un-
    terstützung der italienischen Marine bei Mare Nostrum
    und der Seenotrettung . Es mussten erst an einem Wo-
    chenende 1 000 Menschen ertrinken, bevor die Bun-
    desregierung bereit war, Schiffe und Bundesmarine zu
    mobilisieren . Das war beschämend . Daran muss erinnert
    werden, damit es nie wieder passiert, auch wenn die Bil-
    der von den ersten Seiten der Zeitungen verschwinden .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulli Nissen [SPD])


    In dieser Zeit wurde übrigens auch nicht über gerechte
    Verteilung innerhalb Europas diskutiert . Ich will Sie nur
    daran erinnern: 2013 konnte man sich nicht einigen, ob
    man in Deutschland nun 5 000 oder 10 000 Flüchtlinge
    aus Syrien aufnimmt . Wer heute mit dem Finger auf an-
    dere Länder zeigt, darf sich zumindest daran erinnern .

    Hat sich eigentlich das Bundesinnenministerium je-
    mals gefragt, was passiert, wenn dieser Asylschutzschirm
    zusammenbricht, den Sie über Deutschland gespannt hat-
    ten? Wie haben Sie die Länder und Kommunen in der
    Vorbereitung unterstützt? Welche Krisenpläne hatte das
    BMI eigentlich ausgearbeitet? Die Antwort ist ein vielfa-
    ches Nichts . Stattdessen hat Deutschland gerade einmal
    so viele Entscheider für Asylverfahren wie die Nieder-
    lande: 500 . 250 000 Anträge liegen im Bundesamt für

    Migration und Flüchtlinge . Hinter jedem dieser Anträge
    steht ein Mensch, der nicht weiß, was die Zukunft für ihn
    bringt . Dieses Versagen von Verwaltung, diese Langsam-
    keit und dieses Sich-nicht-darum-Kümmern, dass Men-
    schen dort eingestellt oder dahin versetzt werden – das
    müssen Sie sich sagen lassen, Herr Innenminister –, hat
    diese Krise, in der wir sind, und die Schwierigkeiten, in
    denen die Länder und Kommunen jetzt sind, verstärkt
    herbeigeführt .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist doch Quatsch!)


    Wenn Sie jetzt nicht umkehren und nicht ganz schnell
    dafür sorgen, dass Hunderte zusätzliche Entscheider
    beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Be-
    arbeitung der Anträge eingestellt werden, dann werden
    wir in eine zunehmend schwierigere Situation kommen .
    Das wird dann auf dem Rücken der Flüchtlinge sowie der
    Kommunen und Länder ausgetragen . Das geht so nicht .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Es geht um Flexibilität, wie die Bundeskanzlerin ge-
    sagt hat . Ja, ich bin dafür . Ich bin dafür, Standards abzu-
    senken, wenn es um den Bau von Quartieren geht . Das
    ist nun einmal so in dieser Situation, auch wenn uns das
    nicht gefällt und das nicht von Dauer sein darf . Bund und
    Länder sollen nun 3 Milliarden Euro bekommen . Wofür
    soll das eigentlich reichen? Mit welchen Flüchtlingszah-
    len rechnet man? Soll dieser Betrag für 150 000 Flücht-
    linge, für 300 000 Flüchtlinge, von denen wir zu Beginn
    dieses Jahres ausgingen, oder für 800 000 bzw . 1 Million
    Flüchtlinge, von denen andere ausgehen, reichen? Was
    wir jetzt brauchen, ist Verlässlichkeit . Die Kommunen
    müssen wissen, welchen Betrag pro Flüchtling sie erhal-
    ten und dass sie diesen Betrag vom Bund auf jeden Fall
    bekommen, egal wie viele Flüchtlinge kommen; darauf
    kommt es jetzt an . Es darf kein Geschenk geben, nur weil
    alle wieder einmal laut schreien . Wichtig ist Verlässlich-
    keit . Diese kann man von der Bundesregierung erwarten .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben die Entwicklungen in Europa und die au-
    ßenpolitische Situation angesprochen . Aber es kann doch
    nicht sein, dass wir noch immer keine sicheren Wege nach
    Europa haben . Es kann doch nicht sein, dass man noch
    immer einem Schlepper 1 000 oder sogar 4 000 Euro zah-
    len muss, obwohl ein Flug von Bodrum nach Berlin nur
    77 Euro kostet . Schlepperbekämpfung betreibt man am
    besten mit sicheren Wegen . Das macht man nicht, indem
    man nur so tut, als würde man Schlepper bekämpfen,
    aber letztendlich „Schiffe versenken“ spielt . Schlepper
    bekämpft man, indem man sichere Wege nach Europa
    schafft und diesem Unwesen endlich ein Ende setzt .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


    Ich will noch ein Wort zu den sogenannten Anreizen
    und zur CSU sagen, die von dieser fixen Idee nicht lassen
    will . Ob nun Zäune errichtet werden, Gutscheine einge-
    setzt werden oder abgelehnte Asylbewerber schlechter
    behandelt werden – ich glaube übrigens, dass dieser Vor-

    Katrin Göring-Eckardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    schlag verfassungswidrig ist –, all das ist den Kriegs-
    und Armutsflüchtlingen keinen einzigen Gedanken wert.
    Wenn Horst Seehofer einmal mit den Flüchtlingen in den
    Erstunterkünften gesprochen hätte, wüsste er das . Ange-
    sichts der Äußerungen der CSU am Wochenende habe
    ich mich gefragt: Warum steht der bayerische Minis-
    terpräsident eigentlich nicht am Hauptbahnhof in Mün-
    chen? Gibt es momentan wichtigere Aufgaben als das?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


    Herr Steinmeier, im April letzten Jahres – ich habe das
    extra nachgeschaut – haben wir Sie auf den Schwarzhan-
    del mit Visa in Beirut aufmerksam gemacht . Seither ist
    die dortige Visastelle etwas ausgebaut worden .


    (Dr . Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Etwas?)


    Aber die Wartezeit auf ein Visum beträgt in Beirut noch
    immer ein halbes und in Ankara fast ein ganzes Jahr . Hier
    geht es um Familienzusammenführung und Menschen,
    die unter fürchterlichen Bedingungen leben und zu uns
    kommen dürfen . Sie müssen warten, weil die Adminis-
    tration nicht funktioniert . Ich akzeptiere das nicht und
    erwarte von Ihnen, dass Sie dort Abhilfe schaffen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Bundeskanzlerin, in der Finanzkrise haben Sie
    bemerkenswerte Ruhe und Schnelligkeit – darauf haben
    Sie selbst hingewiesen – an den Tag gelegt . Aber dann
    kam erst einmal nichts, keine Bankenregulierung und
    keine effiziente Aufsicht. Kurze Zeit später stolpert Eu-
    ropa in die Griechenland-Krise . Beispiel Atomausstieg:
    Unter dem Eindruck der Ereignisse in Fukushima korri-
    gierten Sie Ihren Fehler beim Atomausstieg . Aber seither
    dümpelt die Energiewende vor sich hin . Ich kann nur hof-
    fen, dass es diesmal anders ist und dass Sie nun voraus-
    schauend und auf Dauer handeln .

    Ein starkes Land wie unseres kann die Aufnahme von
    Schutzsuchenden stemmen . Wir können das Zusammen-
    leben organisieren und die Menschen mit ihren Befürch-
    tungen und Ängsten mitnehmen . Aber dafür braucht es
    mehr als technokratisches Administrieren, nämlich Em-
    pathie, Überzeugungskraft und eine entschlossene Hal-
    tung gegenüber fremdenfeindlichen Tendenzen, wie Sie
    selber gesagt haben . Ich hoffe sehr, dass das so bleibt .
    Dafür kann ich Ihnen auch die Mitarbeit der Grünen zu-
    sagen .

    Da gibt es ein paar Grundsätze: Jede und jeder hat
    das Recht, überprüfen zu lassen, ob er oder sie Anspruch
    auf Asyl hat . Weil es dieses Grundrecht gibt, meine Da-
    men und Herren, kann es schon rechtslogisch gar keinen
    Asylmissbrauch geben . Deswegen: Hören Sie auf, solche
    Worte zu benutzen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Herr Kollege Straubinger, Ihnen kann ich nur sagen:
    Gehen Sie doch rüber . Gehen Sie einmal nach Damaskus,
    und schauen Sie sich an, wie es sich dort gerade lebt .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Warum? Er ist Deutscher!)


    Treffen Sie doch einmal ein paar Flüchtlinge, statt vom
    Schreibtisch aus die Welt zu erklären . Jetzt zu sagen, man
    könne auch nach Syrien abschieben, das finde ich der Si-
    tuation nicht angemessen. Ich finde, das ist den Flüchtlin-
    gen gegenüber eine Katastrophe . Sie schüren Unsicher-
    heit, und Sie schüren damit zugleich noch Ressentiments .
    Hören Sie damit sofort auf!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das, was uns die Bürgerinnen und Bürger jetzt gerade
    vormachen, können wir nutzen, etwa als Aufbruch . Ich
    meine die Humanität, die Freundlichkeit und auch die
    Bereitschaft, etwas über die eigene Kraft hinaus zu tun .
    Wir können es aber auch nutzen, um klarzumachen: Das
    geht weiter . Ja, wir brauchen ein modernes Einwande-
    rungsgesetz, damit die Neubürger, von denen Sie gespro-
    chen haben, Frau Bundeskanzlerin, irgendwann zu Mit-
    bürgerinnen und Mitbürgern werden können . Ich frage
    mich, wie viel Unterstützung hat eigentlich Ihr General-
    sekretär dafür?

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, so
    groß Ihr Fortschrittsvorsprung gefühlt auch sein mag,
    leider ist Ihnen recht spät aufgefallen, dass Sie wenigs-
    tens ein „Einwanderungsgesetz light“ wollen . Lieber
    Sigmar Gabriel, da müssen Sie sich vielleicht fragen:
    WwTSt? – Was würde Til Schweiger tun? Wir werden
    einen entsprechenden Entwurf hier noch einmal zur Ab-
    stimmung stellen, und dann können auch Sie für ein Ein-
    wanderungsgesetz stimmen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, Flüchtlingspolitik, ja, das
    ist eine europäische Aufgabe . Wir sind das potenteste
    Land in Europa, und aus dieser Stärke folgt dann eben
    auch Verantwortung . Die Verantwortung darf aber eben
    nicht heißen: „Was ist gut für Deutschland?“, sondern
    muss heißen: Was ist gut für Europa? Das ist der qualita-
    tive Schritt, um den es geht . Wir können hier nicht über
    die Lasten der Flüchtlingsaufnahme stöhnen und weiter
    jeden Elan bei der Bekämpfung der Fluchtursachen ver-
    missen lassen .

    Das gilt aber übrigens auch für die Bekämpfung der
    Fluchtursachen auf dem europäischen Kontinent . Wer
    Geld in Staaten mit korrupter Verwaltung gibt, muss kon-
    trollieren, wo und wie dieses Geld ankommt, und zwar
    erst recht, wenn es um die Verbesserung der Situation der
    Schwächsten, nämlich der Roma in einigen Balkanstaa-
    ten, geht .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])


    Wer, wie Herr Juncker das getan hat, das Signal an den
    Westbalkan sendet, dass Europa nicht dorthin kommt,
    muss sich nicht wundern, dass sich die Menschen auf-

    Katrin Göring-Eckardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    machen, um in dieses Europa zu kommen . Deswegen ist
    der Arbeitsmarktzugang für diese Menschen so wichtig .
    Wir helfen an dieser Stelle ja gern mit Ideen . Haben Sie
    sie aufgenommen? Ich hoffe, Sie setzen sie auch so um,
    dass es nicht nur bei Überschriften bleibt, die eine Beru-
    higungspille sein sollen .

    Herr Gysi, vielleicht können Sie das Ihrer Fraktion
    als Abschiedsgeschenk ins Stammbuch schreiben: Wer
    Europa immer nur schlechtredet, kann auf der anderen
    Seite nicht an die europäische Solidargemeinschaft ap-
    pellieren .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Es ist immer viel leichter, das Böse in den USA zu se-
    hen, als sich selber Gedanken über Fluchtursachen und
    über eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa
    zu machen .


    (Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut!)


    Meine Damen und Herren, vor eineinhalb Jahren be-
    gann die Debatte über mehr Verantwortung in der Welt .
    Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung war das
    sehr schnell eine Debatte über den Einsatz militärischer
    Mittel . Da passt es ja ganz prima, wenn der Wirtschafts-
    minister munter im Namen der Wirtschaftsförderung
    Rüstungsgüter in autokratische Staaten und in Krisen-
    regionen exportiert . Ich weiß, dass Sie das nervt, Herr
    Gabriel . Ich werde es trotzdem immer wieder sagen . Ich
    werde es auch laut sagen, weil Sie sich an dem messen
    lassen müssen, was Sie selber überall versprechen und
    wie einen heiligen Gral mit sich herumtragen .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dazu gehört es auch, dass wir mit unseren Expor-
    tüberschüssen verhindern, dass schwächere Länder eige-
    ne rentable Wirtschaftsstrukturen aufbauen können; viel-
    mehr zerstören wir vielerorts die kleinbäuerliche lokale
    Landwirtschaft und lassen durch unser „Geiz ist geil“
    im Fleischkonsum ganze Weltregionen über die Klinge
    springen .

    Vielleicht hoffen Sie ja, dass angesichts der gegenwär-
    tigen Situation und wegen der Aufnahme der Flüchtlinge
    die Klimakrise aus dem Blick gerät . Falsch! Während
    Barack Obama trotz des beginnenden Wahlkampfes sein
    politisches Gewicht mit Blick auf die Klimaschutzab-
    kommen in die Waagschale wirft, verharrt die Bundesre-
    gierung im Mittelmaß .

    Es gibt viele Lichtblicke auf der Welt . – Das haben Sie,
    Frau Bundeskanzlerin, vorhin gesagt . Das stimmt – nur
    leider nicht bei uns . Auf dem internationalen Parkett re-
    den Sie von Klimaschutz, aber dann vergessen Sie auf
    dem Heimweg immer, dass Sie zu Hause auch liefern
    müssen . Jetzt ist die Gefahr riesig, dass Paris auf die letz-
    te Minute ein unbefriedigendes Ergebnis erzielt, weil es
    eben nicht ordentlich vorbereitet ist .

    Sie reden von Dekarbonisierung der Wirtschaft, aber
    Sie scheinen davon auszugehen, dass das irgendwie
    von allein passiert. Stattdessen finden sich auch in die-

    sem Haushaltsentwurf wieder und wieder Milliarden für
    umweltschädliche Subventionen . Energiewende im Ver-
    kehrsbereich? Anstieg statt Reduzierung des Verbrauchs!
    Nur halb so viel Strom aus Erneuerbaren – nicht wie wir,
    wie Sie sich vorgenommen haben –, ja, hat das irgend-
    was mit Energiewende zu tun? Das ist das Gegenteil von
    Energiewende!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn man das Klimaschutzprogramm der Bundes-
    regierung liest, dann muss man Aktionen schon mit
    der Lupe suchen . Prüfauftrag, Prüfauftrag, Gutscheine
    für Sprit-Spar-Training bei Neuwagenkauf – eine wirk-
    lich sehr schöne Maßnahme . Wen soll das eigentlich
    beeindrucken? Stattdessen subventionieren Sie weiter
    Kohledreckschleudern, obwohl die ordentlichen Gas-
    kraftwerke dastehen . Das ist eine Subvention der Koh-
    leindustrie . Das hat nichts mit Versorgungssicherheit
    für die Menschen und Stromkunden zu tun, sondern mit
    Versorgungssicherheit für die Kohleindustrie, meine Da-
    men und Herren . Nein, wir werden dieses Thema nicht
    vergessen


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Schön!)


    und werden Ihnen immer wieder sagen: Sie haben auch
    hier eine Verantwortung .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bleibe dabei, trotzdem: Die Flüchtlingsfrage wird
    die größte Aufgabe sein und bleiben . Ich habe mir den
    Clip angeguckt, Frau Bundeskanzlerin . Sie haben in
    Zürich, als Sie über den Islam sprachen, auch über das
    Christentum geredet und beklagt, dass man in Deutsch-
    land zu wenig Kenntnisse darüber habe, was das Pfingst-
    fest bedeutet . Diese Chance kann ich mir jetzt nicht ent-
    gehen lassen .


    (Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Ich weiß es!)


    – Dass Sie es wissen, ist mir klar .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie auch! Das wissen wir auch!)


    Als der Heilige Geist erschien, begannen die hebrä-
    isch sprechenden Jünger, plötzlich fremde Sprachen zu
    verstehen . Ich schlage vor: Wir nehmen dieses Bild für
    genau das, was Deutschland als Vision gut gebrauchen
    kann . Wir verstehen einander: unterschiedliche Kultu-
    ren, Religionen, Herkunft, Geschichten . Damals war es
    der Geburtstag der Kirche . Ehrlich gesagt, wenn wir es
    schaffen könnten, das Ganze jetzt als Chance zu betrach-
    ten, dann wäre das vielleicht der Geburtstag eines neuen
    Deutschland –


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Neues Deutschland, das hatten wir mal! Das war nichts!)


    wenn Sie es ernst meinen, wenn Sie es tun und wenn Sie
    es nicht nur verwalten .

    Vielen Dank .


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Katrin Göring-Eckardt






    (A) (C)



    (B) (D)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Oppermann

für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Volker Kauder [CDU/CSU])



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Oppermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

    Katrin Göring-Eckardt, ich fand nicht alles falsch, was
    Sie als Kritik gesagt haben, aber angesichts der Größe
    der Aufgabe, mit der wir es zu tun haben, fand ich Ihre
    Kritik insgesamt doch ein bisschen kleinteilig .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Vor allen Dingen habe ich vermisst, dass Sie wenigstens
    an einer Stelle sagen: Wir schaffen das . – Diese Aufgabe
    ist so groß, dass auch die Opposition mithelfen muss .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich gesagt! Da haben Sie wieder nicht zugehört!)


    Meine Damen und Herren, was wir in diesem Som-
    mer, was wir insbesondere am letzten Wochenende erlebt
    haben, das wird uns noch lange in Erinnerung bleiben .
    Nachdem Tausende von Flüchtlingen tagelang, zum Teil
    ohne Trinkwasserversorgung, in Budapest auf öffentli-
    chen Plätzen und Bahnhöfen ausharren mussten, immer
    verzweifelter wurden, einige sich schon aufgemacht
    hatten, um in Fußmärschen über die Autobahn nach
    Deutschland und Österreich zu kommen, hat die Bundes-
    regierung die Entscheidung getroffen, diese Flüchtlinge
    aufzunehmen. Ich finde, das war eine absolut richtige,
    das war die einzig mögliche Entscheidung, die getroffen
    werden konnte .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Möglich waren noch andere, aber richtig war es!)


    20 000 Flüchtlinge an einem Wochenende! Ich finde,
    München hat diese Situation hervorragend gemeistert .
    Während in Budapest das Chaos und die Hilflosigkeit
    dominierten, gab es aus München Bilder der Hilfsbereit-
    schaft, der Solidarität und des gegenseitigen Respekts .
    Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern des öffentlichen
    Dienstes und bei allen Ehrenamtlichen, die das geleistet
    haben, ganz herzlich bedanken .


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


    Dank dieser Helfer zeigt sich Deutschland in diesen Ta-
    gen der ganzen Welt von seiner besten Seite .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Als am Sonntagmorgen um 6 Uhr ein Zug aus Mün-
    chen mit 900 Flüchtlingen in Braunschweig ankam, hat-
    ten Stunden zuvor schon die Malteser, die Johanniter, das
    Rote Kreuz und die freiwillige Feuerwehr aus den Braun-
    schweiger Ortsteilen mitten in der Nacht dafür gesorgt,
    dass die Flüchtlinge aufgenommen werden können, dass

    sie versorgt werden können, bis sie weiterverteilt wer-
    den. Ich finde, das ist großartig.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    In der Griechenland-Krise haben wir gelernt, wie un-
    erlässlich ein funktionierendes Staatswesen ist . In der
    Flüchtlingskrise sehen wir jetzt, wie unschätzbar wert-
    voll eine mitfühlende, aktive und gut organisierte Zivil-
    gesellschaft ist .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Diese Hilfsbereitschaft gehört zu den wertvollsten Tu-
    genden, zu den wertvollsten Ressourcen unserer Gesell-
    schaft . Sie macht unser Land stark, sie hält es zusam-
    men, und sie zeigt uns allen: Wir können es schaffen . Ich
    bin überzeugt: Auf Dauer kann diese Kraft weit über die
    Flüchtlingsfrage hinaus unser Land positiv verändern .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Deutschland ist gewiss ein starkes Land . Daraus er-
    wächst eine besondere Verantwortung . Wir werden auch
    in Zukunft mehr Flüchtlinge aufnehmen als andere . Aber
    zu einer realistischen Bewertung unserer Kräfte gehört
    auch, dass wir sagen: Allein mit Schweden und Öster-
    reich an unserer Seite können wir es nicht schaffen . Ganz
    Europa muss sich der Verantwortung für die Flüchtlinge
    stellen . Das können nicht einzelne Länder schaffen .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Ich finde, der schwedische Premierminister Stefan
    Löfven, der gestern bei der Kanzlerin war, hat recht,
    wenn er sagt: Die Flüchtlingskrise ist eigentlich in Euro-
    pa keine Flüchtlingskrise, sondern eine Verantwortungs-
    krise .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Jedem muss doch klar sein: Wenn sich die Europäische
    Union nicht auf eine faire Verteilung der Flüchtlinge nach
    festen Quoten einigen kann, dann steht eine der größten
    Errungenschaften dieser Union infrage, nämlich die offe-
    nen Grenzen . Wir wollen die offenen Grenzen verteidi-
    gen . Aber dafür brauchen wir eine gemeinsame europäi-
    sche Flüchtlingspolitik, meine Damen und Herren .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Zehntausende Flüchtlinge auf der Balkan-Route, über-
    füllte griechische Inseln – all das zeigt: Die alte Ordnung
    funktioniert nicht mehr, und zwar nicht erst, seitdem
    Deutschland die Anwendung von Dublin III auf syrische
    Flüchtlinge ausgesetzt hat . Es ist doch schon länger klar,
    dass die Ankunftsländer wie Italien, Griechenland oder
    jetzt auch Ungarn damit überfordert sind, die große Zahl
    der Flüchtlinge allein zu bewältigen . Darüber – das muss
    man ehrlicherweise sagen – haben wir selber lange genug
    hinweggesehen .


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ein erster richtiger Schritt ist es jetzt, dass die EU Auf-
    nahmezentren zur Registrierung der Flüchtlinge in den
    Ankunftsländern zusammen mit dem UNHCR aufbaut .
    Aber im Grunde genommen brauchen wir einheitliche






    (A) (C)



    (B) (D)


    Asylregeln in ganz Europa; denn nur wenn Flüchtlin-
    ge innerhalb Europas gleichbehandelt werden, wird der
    Verschiebebahnhof für Flüchtlinge in Europa enden . Ich
    finde, dieser Verschiebebahnhof muss aufhören, meine
    Damen und Herren .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich glaube auch, dass Deutschland mit seinem mu-
    tigen Vorgehen viele in Europa wachgerüttelt hat . Vie-
    le Menschen schauen auf Deutschland und fragen sich:
    Warum sind unsere Regierungen nicht dabei? Immerhin
    will jetzt auch David Cameron Flüchtlinge aufnehmen:
    20 000 Syrer in vier Jahren, so viel wie am vergangenen
    Wochenende in München angekommen sind. Ich finde,
    das darf nicht das letzte Wort von David Cameron sein .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Mit aller Entschlossenheit müssen wir jetzt auch die
    Fluchtursachen bekämpfen; denn Menschen auf der
    Flucht in Europa Asyl zu gewähren, ist immer nur die
    zweitbeste Lösung . Die bessere Lösung ist, dafür zu sor-
    gen, dass sie gar nicht erst fliehen müssen.

    Dabei brauchen vor allem die Anrainerstaaten der
    Herkunftsländer dringend Hilfe . In Jordanien, im Liba-
    non, in der Türkei verlassen jeden Tag Tausende Men-
    schen die Flüchtlingslager, weil dort katastrophale Ver-
    hältnisse herrschen . Das UN-Flüchtlingswerk braucht
    in diesem Jahr 4,5 Milliarden Euro, um die Menschen
    in den Lagern um Syrien herum angemessen zu versor-
    gen . Aber im Augenblick stehen nur 1,7 Milliarden Euro
    zur Verfügung . Wenn der UN-Flüchtlingskommissar aus
    Finanznot die Lebensmittelrationen kürzen muss, dann
    dürfen wir uns nicht wundern, wenn immer mehr Flücht-
    linge aus diesen Lagern weiterziehen nach Europa .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Diese Lücke muss die internationale Staatengemein-
    schaft schließen . Ich bin froh, dass die Koalition dafür
    400 Millionen Euro bereitstellen will . Aber das wird
    nicht reichen . Deshalb bitten wir den Entwicklungshil-
    feminister, zu prüfen, welche Umschichtungen in sei-
    nem Etat möglich sind . Dieser wächst in diesem Jahr
    um 880 Millionen Euro . Aber für die Sonderinitiative
    „Fluchtursachen bekämpfen“ sind bisher nur 40 Millio-
    nen Euro zusätzlich vorgesehen. Ich finde, wir müssen in
    der Entwicklungspolitik einen deutlich stärkeren Akzent
    auf die Fluchtursachen setzen .


    (Beifall bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, mit ihrer großartigen Hilfs-
    bereitschaft sind die Menschen in Deutschland in den
    vergangenen Wochen und Monaten bei der Flüchtlings-
    aufnahme quasi in Vorleistung gegangen . Jetzt müssen
    auch die notwendigen staatlichen Entscheidungen getrof-
    fen werden . Wir müssen zeigen, dass der Staat die Lage
    im Griff hat und fähig ist, die Aufnahme der Flüchtlinge
    so zu gestalten, dass der soziale Zusammenhalt unserer
    Gesellschaft nicht verloren geht .

    Deshalb hat die Koalition am vergangenen Wochen-
    ende ein kräftiges Paket beschlossen . Wir werden die

    Unterbringung der Flüchtlinge verbessern und die Asyl-
    verfahren beschleunigen . Unser Ziel ist es, dass nur noch
    Flüchtlinge mit Bleibeperspektive auf die Kommunen
    verteilt werden, damit sich diese von Anfang an voll und
    ganz auf die Integration konzentrieren können .

    Wir werden neue Erstaufnahmeplätze finanzieren und
    das Abweichen von Baustandards erlauben, um jetzt
    schnell handeln zu können . Am wichtigsten ist natürlich,
    dass wir die Länder und Kommunen mit 3 Milliarden
    Euro unterstützen . Denn wir dürfen die Sorgen der Men-
    schen, die hier leben, nicht vergessen . Die Kommunen
    müssen trotz der Aufnahme von Flüchtlingen handlungs-
    fähig bleiben . Das ist der entscheidende Faktor für den
    sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir haben am Sonntag auch entschieden, dass unser
    Bildungssystem und der Arbeitsmarkt für die Flüchtlin-
    ge schnell geöffnet werden müssen . Das ist von großer
    Bedeutung . Wir dürfen die Fehler nicht wiederholen –
    darauf hat die Bundeskanzlerin auch hingewiesen –, die
    wir bei den Gastarbeitern gemacht haben . Bei ihnen ha-
    ben wir auf schnelle Integration verzichtet in dem Glau-
    ben, sie würden uns bald wieder verlassen . Das war ein
    schwerer, ein folgenreicher Irrtum .

    Auch die meisten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wer-
    den auf Dauer bei uns bleiben . Das dürfen wir nicht nur
    als Belastung sehen . Das müssen wir auch begreifen als
    eine große Chance für eine alternde Gesellschaft, junge
    Fachkräfte zu gewinnen .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn wir es dieses Mal besser machen, dann können
    nicht nur die Flüchtlinge von Deutschland, dann kann
    auch Deutschland von den Flüchtlingen profitieren.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Deshalb müssen wir jetzt unsere volle Konzentration
    richten auf Kita, Schule, Spracherwerb, Ausbildung, Be-
    schäftigung . Bei den Flüchtlingen, die ohne Ausbildung
    zu uns kommen, ist es genauso wie bei denen, die bei uns
    leben und keine Ausbildung haben . Ich bin davon über-
    zeugt, dass sich jeder Euro, den wir heute in Ausbildung
    und Qualifizierung stecken, in Zukunft um ein Vielfaches
    auszahlen wird . Die Frage, wie lebenswert Deutschland
    in 10 oder in 20 Jahren sein wird, hängt davon ab, wie wir
    heute mit den Flüchtlingen umgehen, wie wir sie aufneh-
    men und wie wir sie integrieren .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Zur Wahrheit dieses Sommers gehört aber auch, dass
    nicht nur Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte zu
    uns kommen, sondern auch viele Menschen, insbeson-
    dere aus dem Balkan, die Arbeit und ein besseres Leben
    suchen . Dafür habe ich ganz viel Verständnis . Aber diese
    Leute haben keine Chance, bei uns Asyl zu bekommen .
    Deshalb, finde ich, ist es auch ein Gebot der Fairness,
    ihnen das ganz klar zu sagen, damit sie nicht weiterhin
    immer wieder ihre gesamten Ersparnisse den Schleusern

    Thomas Oppermann






    (A) (C)



    (B) (D)


    anvertrauen . Deswegen ist es auch richtig, dass wir über
    die Anträge aus diesen Ländern in einem vereinfachten
    Verfahren entscheiden .

    Bei der Frage der sicheren Herkunftsländer geht
    es nicht darum, die Flüchtlinge in gute und schlechte
    Flüchtlinge einzuteilen, sondern es geht um unterschied-
    liche Grade der Schutzbedürftigkeit . Weil wir nicht alle
    aufnehmen können, müssen wir uns auf die besonders
    Schutzbedürftigen konzentrieren .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Die richtige Antwort ist deshalb ein Einwanderungsge-
    setz,


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    ein Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Nachfrage
    nach gut ausgebildeten Arbeitnehmern steuern können .
    Ich bin froh, dass wir uns immerhin darauf verständigt
    haben, in begrenzter Zahl Arbeitsvisa für qualifizierte
    Arbeitnehmer aus dem Westbalkan zu vergeben, die in
    Deutschland einen tarifgebundenen Arbeits- oder Ausbil-
    dungsplatz haben . Auch wenn es in der Koalition noch
    keine Einigung über ein Einwanderungsgesetz gibt – das
    ist ein erster Schritt in die richtige Richtung .


    (Beifall bei der SPD)


    Sosehr uns die Hilfsbereitschaft in unserem Land in
    den letzten Wochen beeindruckt hat, so besorgt macht
    uns die rechte Hetze, die sich derzeit in den Kommunen
    und in den sozialen Medien ausbreitet . Das ist unerträg-
    lich, und dagegen müssen wir mit aller rechtsstaatlich
    gebotenen Härte vorgehen. Ich finde gut, dass Heiko
    Maas, unser Justizminister, jetzt auch die Hetzparolen im
    Internet zum Thema gemacht hat . Facebook und Twitter
    müssen stärker prüfen, was gelöscht werden muss .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Freiheit im Netz!)


    Das Internet darf nicht zu einem Ort des Hasses und der
    Hetze gegen Ausländer werden .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


    Die Chancen, rechtsextreme Gewalttäter in Deutsch-
    land politisch zu isolieren, sind heute größer als vor
    20 Jahren . Die ganz überwiegende Mehrheit der Deut-
    schen empfindet eine tiefe Abscheu gegen Menschen,
    die Brandsätze in Flüchtlingswohnheime werfen . Viele
    dieser Gewaltakte werden von der NPD organisiert oder
    gefördert . Das sollte sorgfältig dokumentiert werden, da-
    mit bei den anstehenden Verhandlungen vor dem Bun-
    desverfassungsgericht keine falschen Vorstellungen über
    den gewalttätigen Charakter dieser Partei existieren .


    (Beifall bei der SPD)


    Aber es genügt natürlich nicht, nur die NPD zu ver-
    bieten . Jeder einzelne von uns muss sich den Rechts-
    extremen entgegenstellen, so wie es der Bürgermeister
    von Heidenau gemacht hat, als der rechte Mob durch die
    Straßen seiner Stadt zog und Polizei und Asylbewerber
    bedrohte . Das ist ein vorbildliches Verhalten . Solche mu-

    tigen Menschen wurden in Sachsen viel zu lange allein-
    gelassen . Ich hoffe, das ändert sich jetzt .


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


    Auch wenn die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit
    im Augenblick der Flüchtlingsfrage gilt, dürfen wir da-
    rüber die anderen politischen Fragen nicht vergessen .
    Deutschland ist ein Land mit stabilem Wachstum . Wir
    haben die niedrigste Arbeitslosenquote und den höchsten
    Stand der Beschäftigung seit der deutschen Einheit; wir
    haben wachsende Steuereinnahmen . Aber die Börsentur-
    bulenzen in China zeigen, wie schnell die internationale
    konjunkturelle Lage sich ändern und wie schnell damit
    auch die deutsche Exportwirtschaft unter Druck geraten
    kann . Deshalb ist es gut, dass wir in dieser Koalition mit
    dem Mindestlohn, mit den hohen Tarifabschlüssen


    (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das haben Sie aber nicht gemacht!)


    und mit Investitionen eine starke Binnenwirtschaft als
    zweites wirtschaftliches Standbein geschaffen haben .
    Der Export bleibt natürlich für unser Land eminent wich-
    tig; aber wir haben jetzt durch wachsende Kaufkraft eine
    starke Binnenwirtschaft, und das hilft uns sehr .

    Mit unserem Haushaltsentwurf für 2016 zeigen wir, dass
    diese Koalition die Infrastruktur unseres Landes weiter
    im Auge hat . Wir investieren in Verkehrswege, in schnel-
    le Netze, in unsere Kommunen, in die Sicherheit, und ich
    hoffe, dass sich die Bundesregierung bei ihrer Klausur
    in Meseberg auch darauf verständigen kann, dass wir
    die Finanzierung von jungen, wachsenden Unternehmen
    verbessern . Berlin ist inzwischen bei Unternehmensgrün-
    dungen dynamischer als London . Aber mit der Gründung
    ist es nicht getan . Die Unternehmen brauchen auch Kapi-
    tal, um sich zu größeren mittelständischen Unternehmen
    entwickeln zu können . Das Wachstum neuer Ideen ist
    von entscheidender Bedeutung für unsere Wettbewerbs-
    fähigkeit, und deshalb müssen wir dringend etwas tun,
    um diese Start-ups auch in späteren Phasen gut mit Ka-
    pital auszustatten .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der Haushaltsentwurf 2016 ist der dritte ausgegliche-
    ne Haushalt in Folge . Wir sind zuversichtlich, dass das
    auch am Ende des Jahres so bleibt . Das zeigt, wie richtig
    es war, in guten Jahren für einen ausgeglichenen Haus-
    halt zu sorgen . Damit sind wir heute in der Lage, zusätz-
    liche Herausforderungen wie die Ankunft der Flüchtlinge
    ohne neue Schulden zu bewältigen . Das schafft Spielräu-
    me, die wir nutzen können . Wirtschaftliche Stärke schafft
    Kraft für Solidarität. Ich finde, diesen Weg sollten wir
    weitergehen . Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)