Rede von
Inge
Höger-Neuling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jahr für
Jahr stimmen wir hier im Bundestag über die Fortset-
zung der Beteiligung an dem UNIFIL-Mandat ab. Als
Ergebnis dieses traurigen Rituals entsendet die Bundes-
wehr zwischen 150 und 250 Soldatinnen und Soldaten in
die Kriegs- und Krisenregion Nahost. Die Situation hat
sich dadurch kaum verbessert. Im Gegenteil: Sie hat sich
in den letzten Jahren deutlich zugespitzt.
Der Auftrag des Mandats war von Anfang an eher
symbolischer Natur. Die Bundesmarine hat dort nach
Waffen gesucht, wo höchstens geschmuggelte Zigaretten
zu finden waren. Das einzig greifbare Ergebnis der deut-
schen Beteiligung an UNIFIL ist die völlige Enttabuisie-
rung der militärischen Präsenz von deutschen Soldatin-
nen und Soldaten überall in der Welt.
Das Ziel der UNIFIL-Mission war ursprünglich die
Umsetzung der UN-Resolution 1701, also die Überwa-
chung des Waffenstillstandes zwischen Israel und dem
Libanon. Das Mandat wirkt inzwischen eher wie ein Sy-
rien-Mandat durch die Hintertür.
Die Beteiligung an UNIFIL zusammen mit dem Patriot-
Einsatz in der Türkei ermöglicht es der Bundeswehr, im
Nahen Osten präsent zu sein. Für die Linke ist klar: Wir
wollen keine Auslandseinsätze der Bundeswehr und
ganz besonders keine deutschen Soldaten im Nahen Os-
ten.
Mir ist bewusst, dass Deutschland in den letzten vier
Jahren 247 Millionen Euro als Hilfe für Flüchtlinge zur
Verfügung gestellt hat. Allerdings ist dies völlig unzurei-
chend, um der humanitären Katastrophe in Syrien und
im Irak gerecht zu werden. Für den Nothilfefonds der
Vereinten Nationen für syrische Flüchtlinge sind von den
notwendigen 4,5 Milliarden Dollar bis Anfang Juni 2015
gerade einmal 23 Prozent zusammengekommen.
Durch Verzicht auf das Militär bei UNIFIL könnte
Deutschland seinen Beitrag um 50 Prozent steigern. Noch
besser wäre der Verzicht auf das völlig unsinnige Rüs-
tungsprojekt MEADS.
Mit der möglichen Einsparung von 4 Milliarden Euro
könnte man den gesamten Nothilfetopf auffüllen. Das
wäre aktive humanitäre Hilfe und zugleich aktive Frie-
denspolitik.
Dem Welternährungsprogramm stehen gerade 62 Cent
pro Tag und Flüchtling im Libanon zur Verfügung. Da-
von können die Menschen nicht satt werden,
von ausreichender hygienischer und medizinischer Ver-
sorgung ganz zu schweigen. Die fehlenden Gelder für
die Versorgung von syrischen Flüchtlingen stellen neben
der humanitären Krise auch ein sicherheitspolitisches
Risiko dar. Hier könnte verantwortliche Außenpolitik
wirklich etwas ändern; sonst müssen wir uns über die
weitere Destabilisierung des Libanon und weitere Flücht-
lingstragödien im Mittelmeer nicht wundern.
Der Kampf gegen Waffenlieferungen kann übrigens
statt auf dem Mittelmeer sehr viel erfolgreicher in
Deutschland beginnen. Warum kann die Türkei ohne
Konsequenzen Milizen in Syrien bewaffnen? Warum lie-
fert Deutschland U-Boote an Israel, die atomar bewaff-
net werden können? Warum schickt Deutschland weiter
Waffen in die Golfregion, obwohl die Waffen an terroris-
tische Gruppen wie den IS geliefert werden? Dass Saudi-
Arabien auch die offizielle libanesische Armee ausrüstet,
ist ebenfalls kein Grund zur Entwarnung. Das nutzt al-
lein der Waffenindustrie. Stoppen Sie die Waffenliefe-
rungen in die gesamte Region, und zwar sofort!
Unabhängig davon lohnt es sich, die bisherige Strate-
gie des Einfrierens von Konflikten zu überdenken. Die
militärische Präsenz von UN-Truppen beruhigt besten-
falls kurzfristig die Lage. Die Lösung der zugrundelie-
genden politischen Probleme tritt dadurch allzu oft in
den Hintergrund. Ein glaubwürdiger politischer Prozess
könnte zum Beispiel eine Konferenz für Sicherheit und
Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten nach
dem Vorbild der KSZE sein.
Ohne einen umfassenden politischen Prozess wird es
keinen dauerhaften Frieden und keine Sicherheit im Na-
hen Osten geben, weder für die Menschen im Libanon
noch für die Menschen in Syrien noch für die Menschen
in Israel. Den notwendigen Friedensprozess sollte
Deutschland nicht durch immer mehr Waffen und Solda-
ten erschweren; vielmehr sollte man zu einem glaubwür-
digen politischen Prozess kommen.