Rede von
Elisabeth
Motschmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! MINUSMA ist das kleinste Mandat, über das
wir heute reden. Nur acht Soldaten sind zurzeit in Mali;
es könnten 150 sein. Warum beschäftigen wir uns so in-
tensiv mit diesem Thema? Egal wie groß der Einsatz ist
und wie viele Soldaten im Ausland sind: Jeder Einzelne
hat es verdient, dass wir uns intensiv Gedanken über
seine Sicherheit machen
und über die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes.
Auf der Grundlage von sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Indikatoren veröffentlicht die amerikanische
NGO The Fund for Peace einmal jährlich einen Index
der fragilen Staaten. Mali belegt in dieser Tabelle mit
178 Nationen den 36. Platz. Das bedeutet: Die Lage ist
alarmierend, aber nicht aussichtslos. Staaten, die noch
schlechter als Mali beurteilt wurden, sind unter anderem
Südsomalia, der Kongo, Tschad und Syrien. Aber Platz
36 ist keineswegs beruhigend. Immer noch befinden sich
135 000 Flüchtlinge in den Nachbarstaaten. In Europa
halten sich etwa 10 000 malische Flüchtlinge auf. „Eu-
ropa oder Tod“, so hat ein junger Flüchtling seine Situa-
tion in der Tagesschau beschrieben. Wir wissen, dass für
viele der Flüchtlinge die Flucht mit dem Tod endet. Vor
diesem Hintergrund müssen wir die Frage beantworten,
warum wir Soldaten nach Mali schicken.
Natürlich ist es zuallererst sinnvoll, dass Menschen in
Freiheit und Sicherheit leben können. Wir haben in den
letzten Wochen und Monaten immer wieder über die
Flüchtlinge und ihre Situation gesprochen. Auch Sie,
Frau Buchholz, haben ja gesagt: Wir wollen die Flucht-
ursachen bekämpfen. – Aber das geht doch nur, indem
wir für Sicherheit und Stabilität in diesen Ländern sor-
gen. Diese Flüchtlinge sind ja keine Auswanderer; sie
fliehen vor Mord, vor Terror, vor Gewalt und Vergewal-
tigung. Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch in Mali
– das ist der kleinste, aber vielleicht auch gefährlichste
Einsatz – mithilfe der Soldaten das Ziel verwirklichen,
Stabilität zu erreichen. Wir wollen nicht, dass Menschen
den schier unüberwindbaren Weg durch die Sahara an-
treten müssen, um sich in Sicherheit zu bringen. Wir
müssen verhindern, dass die Menschen den Weg durch
Staaten suchen, die selbst von Terror und Verfolgung be-
droht sind. Wir müssen verhindern, dass Menschen alles
hinter sich lassen und sich nur mit dem Nötigsten am
Leib, nicht selten auch mit einem Säugling im Arm, auf
diesen gefährlichen Weg begeben.
Die Sicherheit in Mali ist noch lange nicht gewähr-
leistet; wir haben das eben gehört. Der Norden des Lan-
des ist nicht befriedet. Dort gibt es Terroristen aus ganz
verschiedenen islamistischen Organisationen. Sie bedro-
hen die Bevölkerung. Deshalb muss der Einsatz weiter-
gehen. Deshalb müssen wir versuchen, staatliche Autori-
tät wiederherzustellen und die politischen Prozesse
voranzutreiben. Oberstes Ziel – Herr Mißfelder hat es
gesagt – ist die Aussöhnung im Land. Sie schreitet vo-
ran, und das macht uns Hoffnung. Insofern ist dieser
Einsatz in Mali gerechtfertigt.
Die humanitäre Lage hat sich inzwischen verbessert.
Das Land macht politische Fortschritte. 80 Prozent der
Binnenflüchtlinge haben den Weg zurück in die Heimat
antreten können. Frau Buchholz, das sind doch Erfolge
und Ergebnisse.
– Wir wollen nicht, dass diese 135 000 Flüchtlinge nach
Europa kommen,
sondern in ihrer Heimat bleiben können. Aber dafür
müssen wir vor Ort Sicherheit gewährleisten. Ansonsten
werden sie den Weg nach Europa antreten, und dann sind
die Alternativen nur Europa oder Tod. Genau das wollen
wir nicht. Deshalb danke ich den Soldaten, dass sie ver-
suchen, den Menschen diese Überlegung zu ersparen.
„Europa oder Tod“ kann nicht das Lebensmotto der
Menschen in Mali oder anderswo sein. Deshalb bitte ich
um Zustimmung für diesen Einsatz.
Danke schön.