Rede von
Gabriele
Fograscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Wir haben diesen 8. Mai heute mit einer Gedenk-
stunde begonnen und beenden die Plenarsitzung heute
mit der Diskussion zum 8. Mai. Auch wenn wir dem An-
trag der Linken nicht zustimmen werden – das muss ich
leider sagen, Herr Ostermann: ganz ausdrücklich nicht
mit der Begründung, die Sie genannt haben; ich werde
das nachher ausführen –, gibt er doch Gelegenheit, die
Bedeutung dieses Tages nochmals zu beleuchten.
Es hat lange gedauert – Professor Dr. Winkler hat das
heute Morgen ausgeführt –, bis der 8. Mai 1945 als „Tag
der Befreiung“ bezeichnet und begriffen wurde. Es war
Richard von Weizsäcker im Jahr 1985, der damals
– auch danach nicht unumstritten – diesen Begriff
prägte. Gerade in diesem Jahr, zum 70. Jahrestag, gab
und gibt es um dieses Datum viele würdige, zum Nach-
denken anregende Veranstaltungen: Gedenkveranstal-
tungen in den KZ-Gedenkstätten oder die Eröffnung des
NS-Dokumentationszentrums in München, die Gedenk-
stunde heute Morgen oder die Debatte gestern zum
Thema „50 Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel“.
Ein Gedenktag würde der Herausforderung des Erin-
nerns und Gedenkens, der aktiven Auseinandersetzung
mit aktuellem Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextre-
mismus, Ausgrenzung, Intoleranz und Vorurteilen nicht
gerecht.
Wie bitter notwendig diese aktive Auseinanderset-
zung auch heute noch ist, zeigt sich ganz aktuell. In die-
ser Woche wurde die Polizeiliche Kriminalstatistik
veröffentlicht. Sie weist erneut Straftaten mit rechts-
extremistischem, fremdenfeindlichem, antisemitischem
Hintergrund auf erschreckend hohem Niveau aus. Die
Vorfälle in Tröglitz, wo ein gewählter Bürgermeister be-
droht und angefeindet wird und sein Amt aufgibt, der or-
ganisierte Angriff von Neonazis auf eine DGB-Veran-
staltung am 1. Mai in Weimar und schließlich die
Razzien und das Aufdecken der sogenannten OSS, der
„Oldschool Society“, offenbar eine rechte Terrorgruppe
– alles Vorfälle der letzten Wochen.
Wichtiger als ein Gedenktag ist es für uns deshalb,
Programme, Projekte und Initiativen zu unterstützen, die
sich aktiv für Demokratieförderung und Demokratiestei-
gerung, die sich aktiv für Toleranz, Respekt und ein gu-
tes Miteinander engagieren.
Die gibt es; aber leider manchmal nicht genug im Blick
der Öffentlichkeit.
Ich konnte zum Beispiel in der letzten Woche Preis-
träger des Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Tole-
ranz“ auszeichnen. Der Wettbewerb wird jedes Jahr vom
Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgerichtet und
rückt das vielfältige Engagement von Bürgerinnen und
Bürger in den Mittelpunkt. Die Preisträger leisten vor
Ort – fantasievoll und kreativ – wertvolle Präventions-
arbeit. Für das Familienministerium konnten wir als Ko-
alition das Programm „Demokratie leben!“ weiter finan-
ziell aufstocken. Das Programm des Innenministeriums
„Zusammenhalt durch Teilhabe“ leistet gute Arbeit. Die
Bundeszentrale für politische Bildung, die politischen
Stiftungen: Sie alle leisten – ausgestattet mit Mitteln des
Bundes – einen unverzichtbaren Beitrag zur Geschichts-
aufarbeitung und zur Demokratiestärkung.
Ich erwarte auch von dem eingesetzten Expertengre-
mium Antisemitismus ganz konkrete Vorschläge, wie
wir dem Phänomen des Antisemitismus, des Rechts-
extremismus und der Intoleranz noch wirksamer und er-
folgreicher entgegentreten können.
Politik und Zivilgesellschaft müssen aktiv, wachsam
und engagiert die Auseinandersetzung mit den Feinden
der Demokratie führen, sich für Demokratie einsetzen –
und das tagtäglich und nicht nur an einem Gedenktag.
Das ist die Lehre, das ist die Verantwortung, die aus dem
Gedenken und Erinnern an den 8. Mai, den Tag der Be-
freiung, für uns und die Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland erwächst.
Herzlichen Dank.