Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wie wir sehen konnten, erinnern wir alle an dieser Stelle
gerne an unseren grundgesetzlichen Auftrag, gleichwer-
tige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen herzustel-
len. Wir sind der festen Überzeugung: Gleichwertige
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7419
Markus Tressel
(C)
(B)
Lebensverhältnisse herzustellen, bedeutet vor allem,
gleiche Startchancen für alle, auch unabhängig von der
Herkunftsregion, zu schaffen.
Wir wollen Teilhabe an der Arbeitswelt, an der Bil-
dung, an der Gesellschaft, an der Politik und nicht zu-
letzt auch an der Digitalisierung ermöglichen. Dafür
müssen wir gerade im ländlichen Raum Jobs erhalten.
Genauso müssen wir aber auch die regionale Infrastruk-
tur stärken; denn weiche Standortfaktoren – auch das ist
hier angesprochen worden – entscheiden letztendlich da-
rüber, ob Fachkräfte vor Ort bleiben, ob sie die Region
für lebenswert halten.
Ein integrierter Politikansatz, also die Betrachtung ei-
ner Region gleichzeitig als Lebens-, Arbeits-, Erho-
lungs- und Naturraum, ist unser Auftrag für eine nach-
haltige Regionalentwicklung, und das haben Sie in
Ihrem Antrag ja auch aufgeschrieben.
Wissen Sie aber, wie viel GRW-Bundesmittel in die
integrierte Entwicklung geflossen sind? Wir haben das
einmal abgefragt: Es waren ganze 50 000 Euro. Das ist
eindeutig zu wenig. Es ist hier angesprochen worden:
Die GRW ist gut, aber sie muss hier weiterentwickelt
werden, um als Grundlage für die Förderperiode nach
2020 zu dienen.
Eine Frage, über die wir streiten werden, lautet: Wie ent-
wickeln wir sie weiter?
Herr Kollege Metzler, Sie haben es angesprochen:
Natürlich müssen wir auch über neue Indikatoren für die
Strukturschwäche sprechen, die über den Arbeitsmarkt
hinausgehen. Ich denke zum Beispiel an den demografi-
schen Wandel. In Schrumpfungsregionen greift der Fo-
kus auf Wachstum und Beschäftigung heute meines Er-
achtens viel zu kurz.
In diesem Zusammenhang würde ich mir zunächst
einmal eine umfassende Evaluation der GRW wünschen,
nicht nur bezogen auf die geschaffenen Arbeitsplätze,
sondern zum Beispiel auch auf den Mittelabfluss in fi-
nanzstärkere und finanzschwächere Regionen und den
langfristigen Nutzen der Investitionen in wirtschaftsnahe
Infrastruktur.
Das hat es meines Wissens bisher nicht gegeben.
Betrachten wir das Beispiel Breitbandversorgung:
Das ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer
Regionen. Das Projekt Industrie 4.0 – das wissen wir
alle; wir alle sprechen davon – bietet Entwicklungschan-
cen für den Mittelstand im ländlichen Raum. Kurzum:
Breitbandausbau ist Wirtschaftsförderung.
Wenn man über den ländlichen Raum spricht, darf
man nicht vergessen, dass schnelles Internet auch
Lücken überbrückt: bei der Nahversorgung, bei der Mo-
bilität, bei der ärztlichen Versorgung, da, wo die Infra-
struktur ausdünnt. Wenn wir uns anschauen, wie viel
GRW-Bundesmittel in den Breitbandausbau geflossen
sind, dann sehen wir: Das waren klägliche 400 000 Euro.
Sie fordern in Ihrem Antrag jetzt einen neuen Förder-
schwerpunkt. Ich muss an dieser Stelle deutlich sagen:
Die GRW kann hier helfen, aber sie ersetzt eben kein
Bundesprogramm für den Breitbandausbau. Hier brau-
chen wir deutlich mehr, nämlich auch eine angemessene
Finanzierung seitens des Bundes.
Wenn man sich die GRW anschaut, dann muss man
auch sagen: Ziel der Förderung muss ganz eindeutig der
Mittelstand sein. Das muss sich auch im Mittelabfluss
widerspiegeln. Auch das hatten wir bei der Bundesregie-
rung abgefragt. Der Mittelstand wirkt für die Region und
setzt auf regionale Belieferungs- und Vermarktungs-
strukturen. Wir Grüne wollen zum Beispiel auch ein
Bundesprogramm Regionalvermarktung, um hier deut-
lich mehr zu stärken.
Das heißt, wir wollen regionale, nachhaltige Struktu-
ren fördern und in Köpfe und Netzwerke investieren.
Das ist der Ort der Innovation. Es gilt, die Potenziale der
ländlichen Räume zu erschließen, eine junge Start-up-
Kultur zu ermöglichen und Synergien zu nutzen statt re-
gional gegeneinanderzuarbeiten.
Regionale Wirtschaftsförderung, liebe Kolleginnen
und Kollegen, richtig gemacht, ist wichtiger denn je. Vo-
raussetzung dafür ist eine öffentliche Debatte über die
Ziele, die die Akteure aus der Zivilgesellschaft bewusst
einschließt und auch mitnimmt.
Wirtschaftsförderung muss die Energiewende flankie-
ren, weil zum Beispiel die Lausitz Strukturen und Ar-
beitsplätze für die Zeit nach der Kohle braucht. Sie muss
aktiven Klimaschutz durch kurze Wege unterstützen, wie
Sie ja selbst in Ihrem Klimaschutzaktionsprogramm fest-
gestellt haben. Schließlich muss sie die Agrarwende hin
zur bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft begleiten,
die nachgelagerte regionale Verarbeitungsstrukturen
braucht.
Hierzu kann die GRW einen großen Beitrag leisten;
denn ihr Ansatz ist richtig. Die Antworten auf diese glo-
balen Fragen liegen in regionalen Lösungen. Da müssen
wir anpacken. Das müssen wir angehen, um das zu ge-
währleisten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.