Rede von
Dr.
Martin
Rosemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der
Linken werden ja viele Aspekte der Grundsicherung für
Arbeitsuchende angesprochen. Deshalb will ich als ers-
ter Redner der SPD auch etwas grundsätzlicher auf die
Reformen und ihre Wirkungen eingehen.
Um es gleich am Anfang klar zu sagen: Die Arbeits-
marktreformen der rot-grünen Bundesregierung waren in
ihrem Grundsatz richtig und notwendig.
Erinnern wir uns einmal zehn Jahre zurück: Die Ar-
beitsmarktreformen wurden nicht aus Jux und Tollerei
gemacht, sondern sie waren die Konsequenz daraus, dass
die Sockelarbeitslosigkeit in unserem Land von Kon-
junkturzyklus zu Konjunkturzyklus immer weiter zuge-
nommen hat. Heute können wir sagen, meine Damen
und Herren: Genau das haben wir mit den Arbeitsmarkt-
reformen beendet.
Deutschland ist damit vom kranken Mann Europas zum
starken Mann Europas geworden, und kein anderes Land
in Europa hat die Finanz- und Wirtschaftskrise so gut
überstanden wie Deutschland.
Darauf sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten stolz.
7404 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014
Dr. Martin Rosemann
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Meine Damen und Herren, die Zusammenlegung von
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war, ist und bleibt rich-
tig, auch schon deshalb, weil wir damit Hunderttausen-
den von Menschen überhaupt erst den Zugang zur Ar-
beitsförderung ermöglicht haben.
Natürlich haben wir auch Fehler gemacht; das bleibt bei
einer solch umfassenden Reform nicht aus.
Es war ein Fehler, nicht bereits mit der Einführung
von Hartz IV einen gesetzlichen Mindestlohn als untere
Auffanglinie einzuführen.
Wir haben diesen Fehler aber erkannt und korrigiert. Ab
dem 1. Januar kommenden Jahres gilt ein flächende-
ckender gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland, und
das ist verdient und nicht geschenkt.
Ja, es war auch ein Fehler, bei der Leiharbeit Ausnah-
men vom Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit im
gleichen Betrieb“ vorzusehen. Auch diesen Fehler haben
wir erkannt. Deshalb werden wir im kommenden Jahr
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die Leihar-
beit regulieren und die Werkverträge gleich mit.
Ja, es ist eine andauernde Aufgabe, im Zusammen-
hang mit dem SGB II die Rechtspraxis für die Jobcenter
handhabbar zu machen und den betroffenen Menschen
immer wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Deswegen
haben wir die Praktiker sprechen lassen, und wir werden
im kommenden Jahr die Vorschläge der Arbeitsgruppe
„Rechtsvereinfachung im SGB II“ umsetzen. Alle Vor-
schläge dienen dem Bürokratieabbau in den Jobcentern.
Viele der Vorschläge verbessern die Situation der Leis-
tungsbeziehenden. Besonders wichtig für meine Frak-
tion ist es, bei den Sanktionen zu einer besseren Praxis
zu kommen und insbesondere die verschärfte Sanktio-
nierung von Jugendlichen zu beenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, wir
müssen auch einmal die Kirche im Dorf lassen. Sie re-
den immer vom Sanktionsregime. Ich glaube, die Öf-
fentlichkeit sollte wissen, dass die Sanktionsquote bei
gerade einmal 3 Prozent liegt.
Ich finde, die größte und wichtigste Aufgabe ist es
– das kommt in Ihren Reden leider immer wieder zu
kurz –, Menschen, die im ALG-II-Bezug sind, wieder
eine wirkliche Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt
zu eröffnen.
Dabei sind wir nicht ganz erfolglos gewesen. Die Quote
der Langzeitarbeitslosen ist von 2007 bis 2013 von
4,1 Prozent auf 2,5 Prozent zurückgegangen. Darauf ru-
hen wir uns aber nicht aus, weil wir erkennen, dass es
seit 2011 kaum noch Verbesserungen gibt. Da wollen wir
ansetzen.
Meine Damen und Herren, Langzeitarbeitslosigkeit
hat viele Gesichter: die Alleinerziehende ohne Ausbil-
dung mit schlechten Deutschkenntnissen, den 55-Jähri-
gen mit gesundheitlichen Einschränkungen und veralte-
ten Qualifikationen oder den unter 25-Jährigen ohne
Ausbildung mit Bewährungsauflagen und Schuldenpro-
blemen. Deshalb brauchen wir individuelle Antworten.
Genau da setzen wir Sozialdemokraten, da setzt unsere
Ministerin mit ihrem Eckpunktepapier zur Bekämpfung
der Langzeitarbeitslosigkeit an.
Das verlangt drei Dinge:
Erstens eine gute Beratung und Betreuung in den Job-
centern. Deswegen haben wir den Personalkörper stabi-
lisiert. Deswegen lassen wir 1 000 Stellen aus dem Pro-
gramm „50plus“ im System. Deshalb setzen wir auf
Personalentwicklung und Qualifizierung.
Zweitens ein besseres und zielgenaueres Fördern. Das
heißt zum Beispiel die Förderung einer Ausbildung über
das Programm „Zweite Chance“. Das heißt zum Beispiel
auch eine engere Verzahnung von Arbeits- und Gesund-
heitsförderung oder die gezielte Akquise von Stellen für
Langzeitarbeitslose mit begleitendem Coaching und
Nachbetreuung.
Drittens Angebote für diejenigen, die trotz aller Be-
mühungen keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt
haben. Deswegen werden wir ein zusätzliches Pro-
gramm mit 10 000 Stellen und Lohnkostenzuschüssen
von bis zu 100 Prozent auflegen.
Meine Damen und Herren, wenn ich den Antrag der
Linken lese, muss ich sagen: Deutlich zu kurz gesprun-
gen. Unsere Arbeitsministerin ist in ihrem Handeln
heute bereits deutlich weiter, als Sie verbal gekommen
sind.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes
Weihnachtsfest.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7405
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