Rede von
Peter
Stein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Wie soll man die Ergebnisse der 20. Klimakonfe-
renz in Lima bewerten? Ich glaube, wer auf einen klar
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7395
Peter Stein
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umrissenen Entwurf für ein weltweites Klimaabkommen
mit konkreten Zielen und Zusagen gehofft hatte, wurde
enttäuscht. Aber war das wirklich zu erwarten? Aber
auch ein völliges Scheitern der Konferenz, wie es bei
solchen Konferenzen immer droht, ist nicht eingetreten.
Man hat sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ge-
einigt. Das Gesicht des peruanischen Umweltministers
zeigte deutlich die Spuren der Anstrengungen, die al-
leine dazu nötig waren.
Der Klimaprozess geht weiter. Das Abschlussdoku-
ment hält uns als Weltgemeinschaft den Weg frei, um im
nächsten Jahr in Paris zu einer besseren Einigung zu
kommen. Wir in Deutschland sind mit unseren sehr am-
bitionierten Klimazielen sehr gut aufgestellt und wollen
Vorreiter und Vorbild bleiben. Das ist kein leichter Weg;
aber wir stehen unerschütterlich zu diesen Zielen – und
das quer durch alle Ministerien und Fraktionen.
Es ist dringend notwendig, dass es solche selbst aufer-
legten Ziele gibt. Ich fordere hier andere Staaten auf, im
nächsten Jahr ebenso verbindliche Ziele zu benennen.
Wir gestehen dabei selbstverständlich jedem Land das
Recht auf eine eigene Entwicklung zu. Dazu haben wir
ja unsere Konzepte und Projekte in der Entwicklungszu-
sammenarbeit. Schon alleine deshalb wäre es als para-
dox zu bezeichnen, wenn wir bei unserer Hilfe und Un-
terstützung die dafür erforderliche Entwicklungsfreiheit
in den Zielländern und deren staatliche Souveränität
missachten würden.
Diese sind Grundvoraussetzungen des gemeinsamen Ar-
beitens und des gegenseitigen Vertrauens. Verantwor-
tung bedeutet, dass wir aus dem Handeln der Vergangen-
heit lernen und anderen Ländern bessere Lösungen
anbieten, als sie uns selber noch vor Jahren zur Verfü-
gung standen.
Deutschland steht zu seiner Industriegeschichte. Un-
sere Art und Weise der industriellen Entwicklung über
einen Zeitraum von 150 Jahren und der damit einherge-
hende Ressourcenverbrauch darf und muss heute nicht in
gleicher Weise wiederholt werden. Mein Eindruck ist,
dass ein Umdenken eingesetzt hat und dies in Lima vie-
len Ländern bewusst geworden ist, auch wenn man sich
noch nicht auf einen verbindlichen Entwurf für Reduk-
tionsziele einigen konnte. Das kann jedoch auch moti-
vierend wirken, weil alle spätestens in Paris Farbe be-
kennen müssen. Es ist gut, dass der Druck geblieben ist
und dieser nicht durch einen Entwurf mit zu niedrig an-
gesetzten Zielvorgaben wegverhandelt wurde. Das Er-
gebnis von Lima ist nämlich auch, dass das 2-Grad-Ziel
von keinem Teilnehmer mehr infrage gestellt wird.
Aufgabe unserer Entwicklungspolitik ist es, die Fol-
gen des Klimawandels wahrzunehmen und darauf zu re-
agieren. Die Menschen und Kommunen des Südens ha-
ben meistens keine Möglichkeit, die Anpassungskosten
zu bezahlen und auf Katastrophen rechtzeitig reagieren
zu können. Den Entwicklungsländern wurde daher in
Lima zugesichert, dass die Anpassungskosten und der
Umgang mit Schäden und Verlusten durch den Klima-
wandel eine wichtige Rolle im Post-2015-Prozess spie-
len werden. Es ist daher zu begrüßen, dass die starre
Aufteilung in Industrie- und Entwicklungsländer im Ab-
schlussdokument zumindest im Ansatz neu organisiert
wurde.
Was die Schwellenländer betrifft, ist ein differenzier-
ter Blick angebracht. Es ist aus meiner Sicht nicht wirk-
lich schlüssig, dass ein Land wie China darauf besteht,
klimatechnisch immer noch als Entwicklungsland zu
gelten. Ich denke, zu einem weltweiten Einflussstreben
gehört auch, globale Verantwortung zu übernehmen.
China hat im Vorfeld der Konferenz freiwillige Klimazu-
sagen gemacht und will den Anteil der erneuerbaren
Energien steigern. Nichtsdestotrotz ist gerade China ei-
nes der Länder, die bis Paris dringend liefern müssen.
Das werden wir auch einfordern, wenn China weiterhin
globaler Partner bleiben will.
Was müssen wir also tun? Zunächst einmal müssen
wir alle eine Grundverantwortung übernehmen. Das ist
in Lima mit dem Abschlussdokument erneut geschehen.
Dann muss ein Weg gefunden werden, wie Kosten ge-
recht verteilt und Entwicklungskorridore eingerichtet
werden können. Wichtig ist, nicht unsere Art der Ent-
wicklung in der Vergangenheit technisch zu wiederho-
len, sondern es anders, zeitgemäß und besser zu machen
und den nötigen wirtschaftlichen Aufschwung nicht auf
alte Verfahren, sondern auf neue, nachhaltige Technolo-
gien zu stützen. Im Rahmen der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit engagieren wir uns hier bereits
sehr stark bei konkreten Klimaprojekten und wollen dies
auch weiterhin tun. Seit 2013 haben wir dafür knapp
2 Milliarden Euro bereitgestellt. Fast 90 Prozent davon
kamen aus dem Etat des BMZ.
Schließlich haben wir auch Alternativen zu betrach-
ten, zum Beispiel die Verlagerung der Klimapolitik von
der internationalen auf die nationale oder lokale Ebene.
Städte und Regionen machen heute schon selbstständig
Fortschritte in der Klimapolitik, und das wollen wir un-
terstützen.
Ein Beispiel sind für mich die großen Städte – da gibt es
die sogenannte C40-Initiative –, die bereits gemeinsame
Strategien erarbeiten, wie Treibhausgase im urbanen
Raum eingespart werden können. Sie warten dabei nicht
auf nationale Vorgaben ihrer Heimatstaaten. Das ist ein
wichtiger Schritt, denke ich; denn bis zu 80 Prozent der
Emissionen finden in urbanen Räumen statt. Auch das
muss in Paris stärker herausgehoben werden.
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Peter Stein
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Wir müssen uns stets gewiss sein, dass ohne klare Er-
gebnisse beim Klimaschutz gewaltsame Konflikte und
der Kampf um Ressourcen ständige Begleiter unseres
Nichthandelns sein werden. Die Klimaverhandlungen
haben daher auch – das möchte ich unterstreichen; es ist
bereits angeklungen – friedens- und sozialpolitisch ganz
enorme Bedeutung.
Einhergehend mit der Bevölkerungsentwicklung ist
das 2-Grad-Ziel die vielleicht größte Herausforderung
der Menschheitsgeschichte. Die werden wir nur gemein-
sam bestehen können. Auf dem Weg wünsche ich uns
und unserer Bundesregierung alles erdenklich Gute.
Viele schöne Tage, vor allem schöne Feiertage und
guten Rutsch!
Danke, dass Sie mir zugehört haben.