Rede von
Nina
Warken
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist eine traurige
Realität: Menschenhandel und die systematische Aus-
beutung der Opfer sind immer noch ein erhebliches Pro-
blem, auch bei uns in Deutschland. Skrupellose Täter,
die in kriminellen Netzwerken weltweit agieren, machen
sich die Not vieler Menschen aus ärmeren Ländern zu-
nutze und locken sie mit falschen Versprechungen auf il-
legalen Wegen nach Europa. Was folgt, ist ein Leben
voller Abhängigkeit, Erniedrigung und Armut. Damit ist
Menschenhandel in der Tat ein komplexes Problem. In
diesem Punkt gebe ich dem Gesetzentwurf der Grünen
recht.
Statt sich aber nur mit den Folgen zu beschäftigen,
wollen wir als Union mit einem ganzheitlichen Ansatz
die Ursachen des Menschenhandels bekämpfen.
Den Betroffenen hilft man doch damit am meisten, in-
dem man dafür Sorge trägt, dass sie erst gar nicht Opfer
werden. Als Union setzen wir uns deshalb für eine ver-
stärkte Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transit-
ländern ein, um dort die Lebensbedingungen zu verbes-
sern. Dadurch verlieren die falschen Versprechungen der
Menschenhändler bereits viel von ihrem Reiz. Gleich-
zeitig geht es in der Zusammenarbeit mit den Herkunfts-
und Transitländern darum, dass kriminelle Schleuser und
Menschenhändler schon dort strafrechtlich stärker ver-
folgt und bestraft werden. Auf diese Weise wollen wir
dem Menschenhandel bereits in seinem Ursprung die
Grundlage entziehen.
Ein nächster Schritt muss die konsequente Strafver-
folgung in Deutschland sein. Nur wenn auch die Täter
mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats hart
bestraft werden, wird es am Ende weniger Kriminalität
und weniger Opfer geben. Das Bundesinnenministerium
und unsere Strafverfolgungsbehörden haben deshalb
zahlreiche Initiativen wie gezielte Sonderermittlungen
und grenzüberschreitende Kooperationen mit anderen
EU-Ländern ins Leben gerufen.
Trotzdem gab es 2013 im Bereich Menschenhandel
zum Zweck der sexuellen Ausbeutung rund 13 Prozent
weniger Ermittlungsverfahren in Deutschland als im
Vorjahr. Was im ersten Moment wie eine positive Ent-
wicklung wirkt, geht leider nicht darauf zurück, dass
etwa weniger Opfer oder Täter vorhanden wären. Nein,
vielmehr fehlen viel zu oft ausreichende Anhaltspunkte,
um ein Ermittlungsverfahren einleiten zu können. Häu-
fig sind es die Opfer, die als einzige Zeugen sachdienli-
che Hinweise zu den Tätern liefern können. Ein effekti-
ves Strafverfahren durch unsere Gerichte ist mangels
anderer Beweise oft gar nicht möglich. Deshalb ist die
Mitwirkung der Opfer der Verbrechen, die zweifelsohne
in vielen Fällen viel Leid und Gewalt erfahren haben, bei
der Strafverfolgung von so entscheidender Bedeutung.
Genau deshalb muss das weiterhin gesetzlich verankert
bleiben.
Wenn man wie Sie in Ihrem Gesetzentwurf sagt, dass
die Opfer von Menschenhandel aus Angst vor Repressa-
lien besser nicht am Strafverfahren mitwirken sollen,
hilft das nicht den Opfern, sondern nur den Tätern, die
dann weiter ihre menschenverachtenden Geschäfte ma-
chen können.
Genau das gilt es doch mit allen Mitteln zu verhindern.
Stattdessen müssen wir meiner festen Überzeugung nach
mit allem, was wir hier beschließen, dazu beitragen, dass
die Opfer ermutigt werden, gegen diejenigen auszusa-
gen, die sie gequält und ausgebeutet haben, damit nicht
andere dasselbe Schicksal erleiden müssen.
In einem sind wir uns einig: Wir wollen und wir müs-
sen mehr für die Opfer tun. In unserem Entwurf eines
Gesetzes zur Neuordnung des Bleiberechts und der Auf-
enthaltsbeendigung werden wir deshalb veranlassen,
dass Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung nach
der Mitwirkung im Strafverfahren ein Bleiberecht be-
kommen sollen.
Bisher hatten die Betroffenen nur ein vorübergehendes
Aufenthaltsrecht für den Zeitraum des Strafverfahrens.
Mit der neuen Regelung soll die Geltungsdauer der Auf-
enthaltserlaubnis über die Beendigung des Strafverfah-
rens hinaus verlängert werden können.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014 7125
Nina Warken
(C)
(B)
Eine Verlängerung kann es auch geben, wenn es zu kei-
nem Strafverfahren kommt, weil etwa der Täter trotz der
Mithilfe des Opfers nicht ermittelt werden kann.
Ein weiterer Ansatz ist, dass im Rahmen eines Projekts
des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zusammen
mit verschiedenen Menschenrechtsorganisationen die zu-
ständigen Mitarbeiter speziell geschult wurden, um Op-
fer von Menschenhandel früh zu erkennen. Damit soll
erreicht werden, dass sie schnellstmöglich die notwen-
dige Versorgung und einen besonderen Schutz erhalten.
Für die Opfer bringen diese Neuregelungen und Maß-
nahmen erhebliche Verbesserungen. Mit ihnen bekom-
men sie eine Zukunftsperspektive in Deutschland aufge-
zeigt, frei von Zwang, Erniedrigung und Ausbeutung.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber auch klarstel-
len, dass Opfer von Menschenhandel schon heute ohne
Mitwirkung am Strafverfahren ein Aufenthaltsrecht be-
kommen können, wenn dies aus persönlichen oder hu-
manitären Gründen erforderlich ist. So und nicht anders
fordert es übrigens auch die Europaratskonvention gegen
Menschenhandel, die Sie, sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen, in Ihrem Gesetzentwurf ansprechen. In der
Konvention wird die Erteilung des Aufenthaltstitels aus-
drücklich von der persönlichen Situation des Opfers
abhängig gemacht. Ob diese einen Aufenthaltstitel er-
forderlich macht, muss die zuständige Behörde entschei-
den. Das hat einen guten Grund; denn bei einem gesetz-
lichen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht, unabhängig
von der Situation des Opfers, besteht die Gefahr, dass
dies gezielt von Schleusern und Menschenhändlern aus-
genutzt wird.
Ein solcher Anspruch könnte sie ermutigen, noch mehr
Menschen mit der Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht in
Deutschland illegal ins Land zu bringen und auszubeu-
ten.
Das wäre nicht im Interesse der Opfer, und es kann da-
mit auch nicht in unserem Interesse sein.
Meine Damen und Herren, wir sind der Überzeugung,
dass der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen sich kei-
neswegs dazu eignet, wirksam etwas gegen Menschen-
handel zu tun. Wir als Koalition haben dagegen mit der
Neuregelung des Bleiberechts, mit der verstärkten Zu-
sammenarbeit mit den Herkunftsländern und mit der
frühzeitigen Erkennung der Opfer Gesetzesinitiativen
und Maßnahmen auf den Weg gebracht, die einen ganz-
heitlichen Ansatz verfolgen, die den Opfern wirklich
helfen und die gleichzeitig die Ursachen von Menschen-
handel konsequent bekämpfen. Lassen Sie uns gemein-
sam dafür sorgen, dass dieser Ansatz weiterverfolgt
wird, indem wir nach dem Jahreswechsel den Gesetzent-
wurf zur Neuregelung der Aufenthaltsbeendigung und
des Bleiberechts beschließen.
Vielen Dank.