Rede von
Eckhard
Pols
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe, dass viele Ju-
gendliche auf der Tribüne sind. Das freut mich bei die-
sem Debattenpunkt natürlich besonders.
Die UN-Kinderrechtskonvention hat vor 25 Jahren
erstmals die Rechte von Kindern international verbrieft.
Ihre Umsetzung ist Auftrag und natürlich Maßstab zu-
gleich. Bevor ich jedoch in die Debatte zur Umsetzung
in Deutschland einsteige, einiges vorweg:
Kindern in Deutschland geht es gut. Einigen geht es
sogar sehr gut, anderen leider weniger. Um diese müssen
wir uns natürlich weiter kümmern. Für Kinder zu sorgen
und sie zu schützen, ist unser aller Auftrag: als Gesetz-
geber, als Eltern und als Mitglieder dieser Gesellschaft.
Grundsätzlich aber gilt: Den allermeisten Kindern geht
es gut; sie fühlen sich wohl und sie sind gesund. Das hat
nicht zuletzt die KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kin-
dern und Jugendlichen in Deutschland bestätigt.
Ich finde diesen Punkt wichtig – auch das unter-
streicht den Stellenwert der UN-Kinderrechtskonvention
in Deutschland –: Schutz, Wohlbefinden, Förderung,
Wahrung der Rechte von Kindern, all dies ist bereits ge-
lebte Praxis in Deutschland. Das heißt allerdings nicht,
dass wir uns zum Jubiläum zurücklehnen. Wir müssen
Kinderrechte jeden Tag aufs Neue verwirklichen und
achten.
Vielfach wird aus der Kinderrechtskonvention abge-
leitet, dass Kinderrechte nur durchsetzbar wären, wenn
sie auch im Grundgesetz stehen. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, Kinderrechte in Deutschland werden geachtet,
auch wenn sie nicht explizit im Grundgesetz genannt
werden.
Durch das Ratifizierungsgesetz hat Deutschland 1992
seine Zustimmung zur Konvention zum Ausdruck ge-
bracht. Damit ist klar, dass die Konvention geltendes
Recht in Deutschland ist.
Bei einem Treffen mit dem Aktionsbündnis Kinder-
rechte in der letzten Woche habe ich erneut klar zum
Ausdruck gebracht, dass die UN-Kinderrechtskonven-
tion Deutschland nicht automatisch verpflichtet, die da-
rin normierten Kinderrechte auch in der Verfassung fest-
zuschreiben. Vielmehr verlangt sie eine Umsetzung in
die gesetzliche Praxis aller Rechtsbereiche. Ich möchte
hier nur exemplarisch auf das Kinder- und Jugendhilfe-
recht verweisen; denn SGB VIII sagt in § 8:
Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem
Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Ent-
scheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteili-
gen.
Ein richtiger und wichtiger Schritt. Ergänzt wird er da-
durch, dass Kinder auch allein das Jugendamt um Hilfe
bitten können, wenn sie sich in ihrer Entwicklung oder
ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen.
Nun ist es, meine Damen und Herren, ein offenes Ge-
heimnis, dass ich den Einbezug der Kinderrechte ins
Grundgesetz für einen Ansatz halte, über den man disku-
tieren und den man bedenken kann. Die Vorschläge, bei-
spielsweise vom Kinderhilfswerk oder vom Deutschen
Anwaltverein, liegen auf dem Tisch. Das Kinderhilfs-
werk spricht sich für einen Zusatz zu Artikel 2 a des
Grundgesetzes aus, der Deutsche Anwaltverein ist für
eine Ergänzung von Artikel 6 des Grundgesetzes um die
Worte „die Kinder“.
Inhaltlich halte ich daher die Debatte um Kinder-
rechte für wichtig. Ich denke, dass wir sie weiterhin ak-
tiv führen sollten. So hat sich die Kinderkommission des
Deutschen Bundestages noch einmal vertieft mit der
Umsetzung des Übereinkommens befasst. Dabei haben
wir auch über die Einrichtung einer Beschwerdestelle
diskutiert, wie die Konvention sie fordert. Norwegen
zum Beispiel hat diesen Weg gewählt und eine Kinder-
ombudsperson eingesetzt. Frau Rüthrich, wir beide hät-
ten das vielleicht in den Koalitionsvertrag geschrieben;
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014 7113
Eckhard Pols
(C)
(B)
denn wir, die Mitglieder der Kinderkommission, haben
uns bereits 2011 vor Ort in Oslo über die Arbeit des Kin-
derombudsmanns informiert und einige interessante
Aspekte mitnehmen dürfen.
Ob also am Ende dieser Diskussion Kinderrechte tat-
sächlich im Grundgesetz stehen oder ob wir uns für eine
andere Lösung entscheiden, ist für mich offen. Entschei-
dend ist für mich, dass wir Kindern in Deutschland sub-
stanziell zu ihrem Recht verhelfen. Das fängt überall
dort an, wo die Lebenswelten von Kindern berührt wer-
den: in der Familie, in Kitas, in Schulen, in Sportverei-
nen und im kommunalen Umfeld.
Die 3. World Vision Kinderstudie hat gezeigt, dass
insbesondere Elternhäuser einen ganz wesentlichen Bei-
trag zum Gelingen von Beteiligung leisten. Kinder ma-
chen in ihren Familien die Erfahrung der Wertschätzung,
dass sie angehört und in die gemeinsame Beratung all-
täglicher Fragen eingebunden werden. Eltern leisten da-
mit einen konkreten und enorm wichtigen Beitrag zur
Umsetzung der Kinderrechte. Sie machen die Familie zu
einem lebendigen Ort der Verhandlung.
Nun wissen wir alle, dass es leider Familien gibt, die
nicht immer ein Hort des liebevollen und respektvollen
Umgangs sind. Es gibt in allen Schichten der Bevölke-
rung Familien, in denen die Rechte des Kindes auf kör-
perliche und seelische Unversehrtheit, sein Recht auf
Respekt und freie Entwicklung nicht realisiert werden.
Doch machen wir uns nichts vor, meine Damen und Her-
ren: Diese Familien erreichen wir auch nicht mit einer
Änderung des Grundgesetzes.
Ich möchte noch einmal deutlich machen: Entschei-
dend ist, dass wir Kindern in Deutschland substanziell
zu ihrem Recht verhelfen. Frau Dr. Brantner, auch ich
habe anlässlich des 25. Geburtstags der Kinderrechts-
konvention mit Schülern aus meinem Wahlkreis über die
Rechte, die sie haben, diskutiert. Bei dieser Diskussion
drehten sich die Fragen der Kinder nicht darum: „In wel-
chem Artikel finden wir diese Rechte im Grundgesetz
wieder?“, sondern die Kinder haben gefragt, wie sie
selbst ihre Rechte im Alltag wahrnehmen können und an
wen sie sich wenden könnten, wenn sie nicht entspre-
chend gehört werden. Das war den Kindern wichtig. Ich
meine, über diese Fragen einmal vertieft nachzudenken,
lohnt sich. In den nächsten Jahren, aber nicht erst in
25 Jahren – aber natürlich können wir den 50. Jahrestag
der Kinderrechtskonvention zum Anlass nehmen, uns
wieder einmal zu fragen, wie weit wir gekommen sind –
sollten wir uns daran messen lassen.
Vielen Dank.