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ID1805000700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/50 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 50. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 10. September 2014 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Karin Evers-Meyer, Dr. Angela Merkel, Günter Lach, Dr. Harald Terpe, Dr. Wilhelm Priesmeier, Jürgen Trittin, Max Straubinger, Norbert Brackmann, Dr. Axel Troost, Bartholomäus Kalb, Karsten Möring, Volker Kauder, Hans- Peter Uhl und Wolfgang Gehrcke . . . . . . . . 4547 B Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4547 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4547 C Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4547 D Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 4554 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4560 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 4565 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 4566 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4568 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4570 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4571 A Aydan Özoğuz, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4574 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4577 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4579 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . 4581 A Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4582 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4584 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4585 A Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4586 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4588 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4588 D Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4590 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4594 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4595 C Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . 4598 A Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4598 B Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4600 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 4601 B Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4603 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4603 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2014 Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4605 C Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4606 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4607 B Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4607 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 4609 A Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4610 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4612 A Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4612 C Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4613 C Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 4615 A Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4616 B Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4618 B Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 4620 B Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4621 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4624 A Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 4625 A Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 4627 B Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4628 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4629 D Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4631 B Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4633 A Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4634 A Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 4635 C Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4637 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4639 C Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4641 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4642 C Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4644 A Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4645 C Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4646 C Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4648 B Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4649 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4650 C Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 4651 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4652 D Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4654 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4655 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 4657 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2014 4547 (A) (C) (D)(B) 50. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 10. September 2014 Beginn: 10.31 Uhr
  • folderAnlagen
    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2014 4657 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 10.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 10.09.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 10.09.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 10.09.2014 Connemann, Gitta CDU/CSU 10.09.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 10.09.2014 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 10.09.2014 Färber, Hermann CDU/CSU 10.09.2014 Ferner, Elke SPD 10.09.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 10.09.2014 Hintze, Peter CDU/CSU 10.09.2014 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 10.09.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 10.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2014 Petry, Christian SPD 10.09.2014 Dr. Reimann, Carola SPD 10.09.2014 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 10.09.2014 Steiniger, Johannes CDU/CSU 10.09.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 10.09.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 10.09.2014 Zimmermann, Pia DIE LINKE 10.09.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 50. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2015 – Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 09 Wirtschaft und Energie Epl 14 Verteidigung Einzelplan Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-

    Eckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


    (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,
    noch vor zwei Jahren haben wir mit den Ukrainern die
    Fußballeuropameisterschaft bejubelt; heute herrscht dort
    Krieg. Vor knapp sieben Monaten haben Menschen auf
    dem Maidan ihren Protest gegen ein autokratisches Re-
    gime begonnen. Sie haben es mit dem Leben bezahlt.
    3 000 Menschen sind gestorben. Über 1 Million Men-
    schen sind inzwischen auf der Flucht. Putin hat die Krim
    besetzt und die Ostukraine, und er stellt damit Europas
    Werte knallhart auf die Probe.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


    Deshalb ist es gut, dass die EU stärkere Sanktionen be-
    schlossen hat. Wir wollen, dass sie jetzt auch greifen.
    Der Waffenstillstand ist brüchig. Herr Putin sollte wis-
    sen: Die Sanktionen werden nur aufgehoben, wenn er et-
    was tut, und nicht, wenn er etwas ankündigt. Dafür sind
    die Sanktionen da, und dafür sind sie gut.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist richtig, dass die NATO am Freitag klargemacht
    hat: Wir werden Putins neuen Imperialismus nicht ein-
    fach hinnehmen. Sanktionspolitik und militärische
    Anstrengungen wirken aber nur dann, wenn sie nicht an-
    derweitig untergraben werden. Dass der Verkauf des Ge-
    fechtszentrums von Rheinmetall an Russland widerrufen
    wurde, ist richtig und zeigt, dass diese Geschäfte um-
    kehrbar sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


    Das muss auch für alle anderen Rüstungsexporte nach
    Russland gelten.

    Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. Umso unver-
    ständlicher ist es für mich, dass derselbe Wirtschafts-
    minister, der sich so stark zu den Rüstungsexporten äu-
    ßert, auf der anderen Seite keinerlei Bedenken hat, wenn
    Wingas seine Gasspeicher an Gazprom verteilt. Unser
    Ziel in der Energiefrage muss doch mehr Unabhängig-
    keit sein, meine Damen und Herren, und nicht mehr Ab-
    hängigkeit von Russland; darum geht es.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


    Wer in diesem Zusammenhang wieder die Leier ab-
    spielt, es sei nötig, die Verteidigungsausgaben zu erhö-
    hen, der sei darauf hingewiesen: Unser Beitrag zur
    NATO beträgt 35 Milliarden Euro; damit liegen wir an
    zweiter Stelle. Hier fehlt es nicht an Geld. Hier könnte
    definitiv zurückgeschraubt werden bei der Kalter-Krieg-
    Rhetorik und der Symbolik des Generalsekretärs – das
    ganz bestimmt. Die unbequeme Wahrheit ist: Die aktuell
    laufenden Rüstungsprojekte in Deutschland sind seit
    Vertragsabschluss um 4,3 Milliarden Euro teurer gewor-
    den, und sie haben alles in allem 1 400 Monate Verspä-
    tung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie hatten einmal angekündigt, die Bundeswehrreform
    würde zu Einsparungen führen. Aufstockungen und Ver-
    teuerungen sind das Gegenteil.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    In den letzten Wochen und Monaten wurde viel da-
    rüber geredet, Deutschland solle mehr Verantwortung in
    der Welt übernehmen. In der vergangenen Woche haben
    wir hier im Parlament über die Lieferung von Waffen
    diskutiert. Ich bin sehr froh, dass wir diese Debatte ange-
    regt haben; denn eine Lieferung von Waffen ist nun
    wirklich kein Verwaltungshandeln. Jetzt ist Deutschland
    Teil einer Koalition gegen ISIS. Frau Bundeskanzlerin,
    ich frage Sie – auch nach Ihrer Rede jetzt –: Was genau
    soll eigentlich die deutsche Rolle sein? Wie sollen die
    regionalen Akteure beteiligt werden? Nein, mit Waffen-
    lieferungen und mit humanitärer Hilfe haben wir noch
    längst nicht alles getan. Sich für eine politische Lösung
    einzusetzen, heißt mehr. Das heißt, über Konzepte zu re-
    den, und zwar auch in der Öffentlichkeit, und auch, mit
    den europäischen und den NATO-Partnern über friedli-
    che, politische Lösungen zu debattieren. Wir befinden
    uns nämlich in einer neuen Phase, und die wird schwer





    Katrin Göring-Eckardt


    (A) (C)



    (D)(B)

    und anstrengend werden. Ich verlange von Ihnen, dass
    Sie hier, in aller Öffentlichkeit, darüber sprechen, wie
    Sie sich vorstellen, wie dieser Konflikt befriedet werden
    kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es mag kleinteilig klingen; aber ich sage Ihnen trotz-
    dem: Es ärgert mich, dass Waffen im Wert von 70 Mil-
    lionen Euro geliefert wurden, während für humanitäre
    Hilfe nur 50 Millionen Euro ausgegeben wurden. Das ist
    ein Ungleichgewicht, das uns nicht ansteht. Wir akzep-
    tieren das nicht, meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir auch nicht, weil es anders kommt!)


    – Wenn es anders kommt, Herr Kauder, dann sind wir
    gerne dabei; aber der Vorschlag, den Sie gemacht haben,
    beinhaltete dieses Ungleichgewicht. Ich finde, das zeigt
    auch, dass die Aufmerksamkeit auf dem falschen Punkt
    lag. Das finde ich mehr als bedauerlich.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, vor genau 25 Jahren
    wurde das Neue Forum gegründet. Menschen ganz un-
    terschiedlicher Herkunft und Biografie und mit ganz un-
    terschiedlichen politischen Vorstellungen wurden durch
    die Überzeugung verbunden, dass die Diktatur überwun-
    den werden muss. Die Bürgerinnen und Bürger in der
    DDR haben sich ihre Freiheit mit friedlichen Mitteln er-
    obert, und nicht nur die in der DDR. Ich bin sehr froh,
    dass wir heute gesehen haben, dass es nicht nur in
    Deutschland eine friedliche Revolution gab, sondern
    dass es eine osteuropäische Friedensbewegung war. Das
    war eine gewaltige Leistung. Ich glaube, wir verstehen
    erst heute, dass die Friedfertigkeit dieser Revolution
    keine Selbstverständlichkeit war. Sie war vielmehr eine
    Anstrengung und ein großes Geschenk.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Frau Bundeskanzlerin, Sie und ich, wir beide haben
    diesen Umbruch erlebt, wenn auch sicherlich ganz unter-
    schiedlich; aber wir haben dabei erlebt: Demokratie lebt
    von der Debatte und entsteht im Wettstreit von Meinun-
    gen. Es ist nichts Schlechtes dabei, um Positionen zu rin-
    gen. Es ist auch nichts Schlechtes dabei, sich zu korrigie-
    ren. Das ist das Wesen von Demokratie. Es geht um den
    friedlichen Wettstreit der Meinungen. Über den Kontrast
    und die Alternativen, über die wir reden müssen, werden
    die Bürgerinnen und Bürger in Wahlen entscheiden. Es
    ist eben nichts alternativlos, und es ist bitter, anzusehen,
    wie Sie es zulassen, dass jene Kräfte stärker und stärker
    werden, die sich von rechts als Alternative für Deutsch-
    land darstellen. Wir brauchen diese Auseinandersetzung,
    und dazu gehört es, dass man sagt, was man will, und
    dass man klarmacht, was man nicht will. Diese Alterna-
    tive wollen wir jedenfalls nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

    Sie haben hier eine überwältigende Mehrheit, und
    noch stehen wir wirtschaftlich gut da. Warum nutzen Sie
    diese Chance nicht – wir leben in einem Land, das vor
    gewaltigen Integrationsanstrengungen steht; Sie haben
    darüber gesprochen – für eine Debatte über die Zukunft
    unseres Landes in Europa und in einer Welt der Krisen?
    Meine Damen und Herren, uns geht es heute gut. Jetzt
    wäre der Moment, an den Fundamenten für die Zukunft
    zu bauen. Doch die Bundesregierung deckt auf der einen
    Seite den Mantel des internationalen Krisenmanage-
    ments über die innenpolitischen Notwendigkeiten, und
    auf der anderen Seite gibt es Trippelschritte. Die Ge-
    schenke sind verteilt, die Luft ist raus. Es gibt Streit um
    die Maut, in der Wirtschaftspolitik verfallen Sie nur
    noch ins Klein-Klein, und es erfolgt Dienst nach Vor-
    schrift. Sie nähern sich schon fast – jedenfalls fällt mir
    das auf – dem Niveau der schwarz-gelben Bundesregie-
    rung.


    (Zurufe von der SPD: Oh!)


    Schon beschimpft man sich gegenseitig mit „Kleingeis-
    ter“, „Rumpelstilzchen“ und „Pipifax“. Herr Seehofer
    hat gerade das Ende der „Schonzeit“ angekündigt. Ich
    bin keine Jägerin; aber die Schatten der Wildsäue sind
    anscheinend nicht weit. Viel Erfolg bei der Treibjagd mit
    der CSU!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Deutschland lebt von der Substanz; das sieht jeder. Es
    bröckelt dahin: kaputte Schulen, Universitäten, in denen
    es von der Decke tropft, Schwimmhallen und Bibliothe-
    ken, die schließen, Sportplätze, auf denen das Gras auf
    der Tartanbahn wächst,


    (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Alles in kommunaler Verantwortung!)


    Straßen, auf denen jede Achse bricht, und Brücken, de-
    ren Pfeiler bröseln. Was macht der Finanzminister? Der
    Finanzminister schuldet um. Herr Schäuble, Sie holen
    sich das Geld heute nicht mehr von den Banken, Sie ho-
    len es sich von den Krankenkassen und der Rentenversi-
    cherung.


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ach! Wo denn?)


    Sie holen es sich auf Kosten der Zukunft und der Investi-
    tionen, die Sie nicht tätigen. Diese Politik ist falsch und
    zukunftsvergessen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Bundeskanzlerin, das hat auch nichts mit Gene-
    rationengerechtigkeit zu tun. Das ist das Gegenteil da-
    von. Welches Land und welchen Planeten überlassen wir
    eigentlich den kommenden Generationen? Dass Sie
    keine Schulden mehr bei den Banken machen, ist doch
    nicht entscheidend. Dass die Sozialsysteme funktionie-
    ren, dass die Infrastruktur in Ordnung ist, dass wir in
    Bildung investieren, das gehört dazu, und das verlange
    ich von Ihnen als einer verantwortungsvollen Regierung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






    Katrin Göring-Eckardt


    (A) (C)



    (D)(B)

    Sie haben 111 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Das
    sind 111 Milliarden Euro, die Sie nicht sparen. Das sind
    111 Milliarden Euro, die Sie nicht investieren. Das sind
    111 Milliarden Euro, die Sie verbraten. Ihre ganze Bi-
    lanz basiert auf einer Wette auf eine gute Konjunktur.
    Bleibt sie gut, dann verschulden Sie sich nur bei den So-
    zialkassen; wird sie aber schlecht, dann werden Sie wie-
    der Geld bei den Banken aufnehmen. Ehrlich gesagt: Die
    schwäbische Hausfrau, der ehrbare Kaufmann aus Ham-
    burg, aber auch der junge Start-up-Unternehmer in Thü-
    ringen, der Risikokapital braucht, reiben sich die Augen,
    wenn sie an so viel wirtschaftliche Unvernunft und eine
    so kurzsichtige Wirtschaftspolitik denken. Ich finde, die
    Menschen in Deutschland, denen es jetzt noch gut geht,
    haben eine Regierung verdient, die auch einmal über den
    Tag hinausschaut.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ja, Deutschland braucht Ideen, Innovationen und In-
    vestitionen. Sie haben heute lange über die Herausforde-
    rungen der digitalen Welt gesprochen. Es war ein bisschen
    mühsam, zuzuhören und zu verstehen, über welchen Be-
    reich Sie eigentlich gerade geredet haben, weil Sie im-
    mer davon gesprochen haben, dass man das so und so
    sagt und meint. Ehrlich gesagt: Wenn man sich Ihre digi-
    tale Agenda anschaut, Frau Merkel, Herr Dobrindt, dann
    hat man nicht den Eindruck, dass Sie an einer ganz gro-
    ßen Sache für die Zukunft arbeiten. Es erscheint eher
    wie Copy-and-Paste von ein paar Textbausteinen, die Sie
    zusammengesucht haben. Sie haben noch nicht einmal
    das verwendet, was die Enquete-Kommission des Deut-
    schen Bundestages in der letzten Legislaturperiode erar-
    beitet hat. Damit wären Sie aber drei Schritte weiter ge-
    wesen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ihre digitale Agenda ist nichts weiter als eine müde und
    lahme Eintagsfliege. Sie müssen endlich in den Ausbau
    des Breitbandnetzes für die mittelständischen Unterneh-
    men im ländlichen Raum, die dies dringend brauchen,
    investieren und dürfen dies nicht immer weiter nach hin-
    ten verschieben. Diese wirtschaftlichen Investitionen
    werden wirklich gebraucht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Gleichzeitig bröckeln die Straßen und die Brücken.
    Aber das Geld für die Reparatur fehlt wahrlich nicht we-
    gen der Maut. Was von der CSU einmal als Watschen für
    die Österreicher und Tschechen gedacht war, erweist
    sich jetzt als Komplettwatschen für die Bundesregie-
    rung. Herrn Dobrindt glühen jetzt schon die Ohren:
    rechtlich fragwürdig, finanziell unrentabel und am
    Schluss bürokratisch ohne Ende, eine Abzocke der Bür-
    ger. Die Maut vernebelt schlicht und ergreifend, dass Ih-
    nen ein Plan fehlt, wie Sie die notwendigen Investitionen
    in Deutschland angehen wollen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass man nicht repa-
    riert, sondern lieber neu baut. Es kann doch nicht ernst-
    haft sein, dass man sich Direktmandate in Bayern si-
    chert, indem man Bänder zur Eröffnung einer teuren
    Umgehungsstraße durchschneidet, statt dafür zu sorgen,
    dass die Infrastruktur erhalten bleibt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Merkel, auf sieben fette Jahre sind noch immer
    sieben magere Jahre gefolgt. Das steht schon im Buch
    Genesis. Dort heißen die mageren Jahre allerdings nicht
    einfach „magere Jahre“, sondern „teure Jahre“. Genau so
    wird es kommen: Es wird teuer für die Kommunen, es
    wird teuer für die Bürgerinnen und Bürger, und es wird
    verdammt teuer für die kommende Generation.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nach sieben Jahren Rot-Grün kamen aber fette Jahre! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Zuerst die mageren Jahre!)


    Die Politik Ihrer Regierung lässt sich im Moment nur
    folgendermaßen zusammenfassen: außen Krise, innen
    Maut.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das waren sieben magere Jahre, als ihr regiert habt!)


    Ich frage mich: Wann nehmen Sie sich eigentlich die
    ganz großen Fragen vor? Sie haben heute über Migration
    geredet; dazu komme ich gleich. Wie ist es mit dem Kli-
    maschutz? Das ist eine der zentralen Fragen, um die es
    geht. Wir wissen nicht erst seit Nicholas Stern, dass es
    uns alle teuer zu stehen kommt, wenn wir nicht in den
    Klimaschutz investieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Trotzdem steigt der CO2-Ausstoß in Deutschland. Unser
    Land wird die Klimaziele nicht erreichen. Ehrlich ge-
    sagt, das ist mir peinlich, wenn ich im Ausland unter-
    wegs bin. Wir waren in Sachen Klimaschutz einmal ganz
    vorne; wir waren Vorbild.

    Dazu passt, dass Sie noch nicht einmal zum Klima-
    gipfel reisen werden.


    (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)


    Wenn sich alle Staats- und Regierungschefs zusammen-
    setzen und über Klimaschutz reden, wird der Platz der
    deutschen Bundeskanzlerin frei bleiben. Das zeigt, dass
    Sie diese zentrale Zukunftsfrage, über die Sie einmal ge-
    sagt hatten, sie sei Ihnen wichtig, aus Ihrem Konzept
    verbannt haben. Wenn wir auf diesem Gebiet nichts tun,
    dann versündigen wir uns an uns selbst. Dann versündi-
    gen wir uns an den Menschen, die am anderen Ende der
    Welt inzwischen zu Klimaflüchtlingen geworden sind,
    und erst recht an unseren Kindern und Kindeskindern.
    Deswegen sage ich: Kehren Sie um!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wir brauchen endlich ein Klimaschutzgesetz, das die-
    sen Namen auch verdient. Aber im Moment verhindert
    das die große Kohlekoalition. In Brandenburg kann man
    das ganz gut sehen: SPD, CDU und Linke sind vereint in
    der großen Kohlekoalition. Das ist Politik nicht des letz-
    ten, sondern des vorletzten Jahrhunderts. Kohle ist dre-
    ckig und ineffektiv. Zuletzt baggern Sie den Menschen





    Katrin Göring-Eckardt


    (A) (C)



    (D)(B)

    ihre Heimat weg, ihre Dörfer, und zwar ohne Rücksicht
    auf Verluste. Ich sage Ihnen ganz klar: Hören Sie mit
    dieser rückwärtsgewandten Politik auf! Klimaschutz ist
    das nicht und ernsthafte Politik auch nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Deutschland ist nicht mehr das Land, das ich 1989
    kennengelernt habe. Wir sind ein Einwanderungsland
    geworden. Das hat uns gutgetan. Das ist auch keine Ro-
    mantik, sondern das Leben in Deutschland: Da ist der
    Arzt aus Indien im Landkrankenhaus. Da ist das syrische
    Mädchen in der Kindertagesstätte. Da ist die weißrussi-
    sche Pflegekraft bei der Großtante. – Diese Entwicklung
    wird weitergehen – wir können uns darüber freuen –,
    aber uns auch viel abverlangen.

    Angesichts der aktuellen Entwicklung will ich hier
    vor allem auf die Situation der Flüchtlinge eingehen.
    Seit Monaten habe ich keine Nachrichtensendung mehr
    gesehen, in der nicht die außenpolitischen Krisen an ers-
    ter Stelle standen. Die Welt ist im Wandel, und wir sind
    mittendrin. Wir können die Augen nicht mehr davor ver-
    schließen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Machen wir ja auch nicht!)


    Es hilft auch nicht, wieder zu betonen, dass wir doch
    schon viele Flüchtlinge aufnehmen. Wir können mehr
    aufnehmen, wir sollten mehr aufnehmen, und wir müs-
    sen auch mehr aufnehmen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das Gute in diesem Zusammenhang ist doch, meine
    Damen und Herren, dass wir in unserem Land eine hohe
    Bereitschaft zu helfen und eine Solidarität gegenüber
    Flüchtlingen erleben, wie es sie bisher kaum gegeben
    hat. Aber natürlich stellt die angemessene Unterbrin-
    gung dieser Menschen Länder und Kommunen vor
    große Herausforderungen – ja. Aber wer bitte soll sie
    denn bewältigen, wenn nicht ein Land, dem es so gut
    geht wie unserem?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die zynische Forderung: „Wer betrügt, der fliegt!“,
    zeigt hier ihre ganze Perfidität. Die Menschen haben
    Gründe für ihre Flucht, und sie nehmen unendliche Risi-
    ken auf sich, um bei uns Schutz zu suchen. Jeder
    Mensch, der hierherkommt und Asyl beantragt, hat ein
    Recht darauf, dass sein Antrag sorgfältig und im Einzel-
    nen geprüft wird. Das Asylrecht ist ein Grundrecht,
    meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Die Verfolgung, die Diskriminierung der Menschen
    auf dem Balkan kann und darf nicht leichter wiegen als
    die eines Menschen aus einem anderen Land.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir können uns nicht noch einmal schuldig machen an
    den Roma dort und an den Sinti und Roma hier. Die Ehr-
    lichkeit gebietet es, finde ich, das auch auszusprechen.
    Von jemandem, der keine Schule besuchen kann, der
    keine Aussicht hat, jemals einen Beruf zu ergreifen, der
    Anfeindungen und Gewalt begegnet, und zwar wegen
    seiner Herkunft, weil er zu einer bestimmten Gruppe ge-
    hört, kann man nicht sagen, dass er in einem sicheren
    Land lebt, meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Die Not solcher Menschen gegen die Not anderer auszu-
    spielen, ist auch geschichtsvergessen.

    Wenn Sie genau hinschauen würden – und zwar ohne
    Populismus –, dann würden Sie angesichts der Anzahl
    der Menschen, um die es hier geht, sehen, dass es mit-
    nichten irgendeine Erleichterung bringen würde, wenn
    sie nicht hier wären. Nehmen Sie die Situation der Roma
    in den Balkanstaaten endlich ernst, und betrachten Sie
    sie als das, was sie oft genug ist: ein Grund zu fliehen,
    meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich sage Ihnen auch: Für die Flüchtlinge, die aus dem
    Irak, aus Syrien, aus Afrika kommen, ist es elementar,
    dass sie hier arbeiten dürfen. Das ist übrigens auch gut
    für die Kommunen und für die Unternehmen. Es wäre
    besser, menschlicher und angemessener, wenn Men-
    schen, die vor Krieg fliehen mussten, aber gestern noch
    ganz normal – so wie wir – gelebt haben, in einer Woh-
    nung mit Wohnzimmer und Küche, mit einem kleinen
    Auto vor der Tür und zwei Kindern, endlich eine ausrei-
    chende, menschenwürdige medizinische Versorgung be-
    kämen.

    Wo Sie doch so gern von Bürokratieabbau reden: Das
    Asylbewerberleistungsgesetz ist und bleibt diskriminie-
    rend. Aber es ist auch eine riesige bürokratische Krake.
    Sie können in diesem Zusammenhang noch so viele
    Leute einstellen – Sie könnten viel mehr erreichen, wenn
    dieser Quatsch endlich abgeschafft würde.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Deswegen sage ich Ihnen klar: Legen Sie ein Ver-
    handlungsangebot vor, aber keines, mit dem wir die ei-
    nen gegen die anderen ausspielen. Wir müssen vielmehr
    darüber reden, wie es möglich ist, Flüchtlingen in einem
    Land, dem es gut geht, eine Heimat zu geben, weil ihre
    verloren ist. Das ging nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Meine Großmutter konnte davon erzählen. Sie sollten es
    nicht riskieren, dass Ihre Enkel irgendwann einmal
    Grund zu der Frage haben: Warum habt ihr diesen Men-
    schen nicht geholfen?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ja, das ist anstrengend. Aber ich biete Ihnen aus-
    drücklich an, dass wir diese Anstrengung gemeinsam
    tragen, wenn nicht von den Grundsätzen abgewichen
    wird, dass das Recht auf Asyl ein Grundrecht ist und es
    nicht Flüchtlinge verschiedener Kategorien gibt. Es
    muss der Grundsatz gelten, dass alle Flüchtlinge Men-
    schen wie du und ich sind, aber in großer Not. Es geht
    um Haltung und um Hilfe. Dazu braucht es Geld, und es





    Katrin Göring-Eckardt


    (A) (C)



    (D)(B)

    wird Fantasie brauchen. Hilfsbereitschaft ist schon da,
    und ich bin den Menschen außerordentlich dankbar da-
    für. Es wird auch Kompromisse brauchen, zum Beispiel
    bei der Art der Unterbringung. Was wir aber nicht brau-
    chen, ist, dass jetzt wieder der Stammtisch bedient wird,
    die extremen Rechten und auch die von der angeblichen
    Alternative. Das können wir gemeinsam schaffen, wenn
    Sie wirklich wollen, meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Natürlich kann man an einem solchen Tag nicht zum
    Thema der Bekämpfung des politischen Islamismus
    schweigen. Zehn Jahre hat die Bundesregierung vor al-
    lem auf eines gesetzt: auf Repression. Strafrechtsver-
    schärfung und Überwachung sind aber zu wenig. Das
    wissen wir alle.

    Es reicht jetzt offensichtlich, dass sich ein paar junge
    Männer Warnwesten anziehen, durch die Wuppertaler
    Innenstadt ziehen und sich gerade noch so verhalten,
    dass es keine Volksverhetzung oder Nötigung ist, und
    schon ist Ihr Ansatz ad absurdum geführt. Sie gehen de-
    nen doch auf den Leim. Dieser PR-Trick hat wunderbar
    funktioniert. Die Moschee der islamistischen Westenträ-
    ger aus Wuppertal ist angeblich voll. Das ist die Gefahr.

    Sie sind zweifelsfrei mit Ihrer Art gescheitert. Dabei
    könnten Sie wissen, wie man Extremismus richtig be-
    kämpft: mit Prävention bzw. Vorbeugung. Aber genau
    das passiert eben nicht. Was brauchen wir denn? Wir
    brauchen Aufklärung an Schulen, vor allem Islamunter-
    richt. Wir brauchen auch Beratungsangebote für Fami-
    lien. Es ist doch irre, dass den Eltern, die das Verhalten
    ihrer Kinder häufig genug missbilligen, nur eine Hotline
    beim Verfassungsschutz zur Verfügung steht – also bei
    der Institution, die bei der Aufklärung der NSU-Mordse-
    rie komplett versagt hat. Professionelle Prävention geht
    anders, meine Damen und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


    Es ist auch ein wirksames Aussteigerprogramm not-
    wendig. Von ISIS, seiner einfachen Ideologie und seiner
    aufwendigen Medienstrategie geht für eine Minderheit
    junger Menschen eine gefährliche Faszination aus, der
    man nicht mit Strafandrohungen begegnen kann. Hier
    muss die Bundesregierung ansetzen. Aber ich sage ganz
    klar: Dazu gehören auch die Verbände und die Gemein-
    den. Das wird nicht ohne die Zivilgesellschaft gehen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, die Erwartungen an gutes
    Leben in unserem Land haben sich geändert. Das gilt be-
    sonders dann, wenn es um Gesundheit und um Essen
    geht. Deswegen brauchen wir dringend eine andere Stra-
    tegie in unserer Landwirtschaft. Eigentlich sind Sie im-
    mer gerne die Heimatpartei. Mit Ihrer Landwirtschafts-
    politik zerstören Sie die Heimat allerdings.

    Sie haben in den vergangenen Jahren versucht, die
    deutsche Landwirtschaft komplett auf Industrialisierung
    und Export zu drillen, statt auf regionale Strukturen und
    die Betriebe zu setzen, die anständig produzieren. Na
    klar, ich liebe Thüringer Bratwurst. Aber ich will mir
    doch beim Essen nicht vorstellen müssen, dass dem
    Schwein der Schwanz abgeschnitten wurde und dass die
    Schweine Hunderte von Kilometern durch das Land ge-
    fahren wurden. Ich will mir auch nicht vorstellen müs-
    sen, dass ich gerade Antibiotika mitesse, obwohl weder
    das Schwein noch ich krank sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist eine infame Unterstellung gegenüber der deutschen Landwirtschaft, was Sie da machen! Unerträglich!)


    Deswegen sage ich ganz klar: Es muss Schluss sein
    mit dieser Art der industriellen Massentierhaltung. Es
    muss Schluss sein mit dieser Art von Produktion. Der
    Fleischkonsum ist nicht gestiegen, sondern gesunken.
    Dass über ein Drittel der Rindertransporte in Deutsch-
    land inzwischen beanstandet wird, zeigt, wo wir stehen.
    Sie haben dafür gesorgt, dass ein Drittel der Fördermittel
    aus Brüssel an gerade einmal 2 Prozent der Unterneh-
    men geht. Das ist absurd, und es ist falsch, meine Damen
    und Herren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


    Dieser Haushalt ist zum Selbstzweck geworden. Er ist
    eher eine PR-Aktion. Vielleicht entspricht er irgendwel-
    chen Umfrageergebnissen, die Sie in der vergangenen
    Wahlperiode für 11 Millionen Euro in Auftrag gegeben
    haben. Jetzt ist dieser große Vertuschungsballon ge-
    platzt. An dieser Stelle waren Sie mit dem Datenschutz
    ziemlich klar. Ich bin sehr froh, dass Malte Spitz entspre-
    chende Hartnäckigkeit an den Tag gelegt und gezeigt
    hat, was Sie alles abfragen. Ehrlich gesagt, ist das schon
    ziemlich krass. Den Schülern ist es wichtig, wie viele
    Freunde sie bei Facebook haben. Sie zielen auf ein Ran-
    king der Bundesminister und fragen das bei der Bevölke-
    rung ab. Kriegt man dafür Bonuspunkte, oder hat man in
    Ihrem Kabinett ein Gesetz frei, wenn man dabei gewon-
    nen hat?


    (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


    Wer so arbeitet und regiert, dem geht es vor allem um
    sich selbst. So sieht dann auch der Haushalt aus:


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist ein Haushalt ohne Gestaltungswillen und ohne Zu-
    kunftswillen. Es ist ein Haushalt auf Kredit bei der Zu-
    kunft. Ich kann Sie nur auffordern: Ändern Sie das,
    wenn Sie hier noch einmal von Generationengerechtig-
    keit sprechen wollen!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Petra Pau
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Für die SPD-Fraktion spricht Thomas Oppermann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Vorschusslorbeeren!)







(A) (C)



(D)(B)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Oppermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

    Waffenstillstand, der am vergangenen Freitag für die
    Südostukraine vereinbart worden ist, ist zwar noch im-
    mer brüchig. Wenn es aber gelingen sollte, diese Feuer-
    pause dauerhaft zu stabilisieren, dann wäre das nicht nur
    eine Chance für eine politische Lösung, sondern es wäre
    vor allem auch ein Ende des unerträglichen Leids der Zi-
    vilbevölkerung. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass
    es bei dieser Feuerpause bleibt.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich möchte mich bei der Bundeskanzlerin und dem
    Bundesaußenminister dafür bedanken, dass sie wochen-
    und monatelang unermüdlich auf direkte Gespräche und
    die bereits erwähnte Feuerpause hingearbeitet haben.
    Das ist immer die Voraussetzung für politische Lösun-
    gen. Ich habe gerade eine Agenturmeldung gelesen, wo-
    nach Präsident Poroschenko berichtet, dass 70 Prozent
    der russischen Streitkräfte aus dem Gebiet der Ukraine
    abgezogen seien.


    (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die waren doch gar nicht da!)


    Wenn diese Meldung zutreffen sollte, dann wäre das si-
    cherlich eine Bewegung in die richtige Richtung.


    (Beifall bei der SPD)


    Dass dieser Waffenstillstand zustande kam, hat auch
    damit zu tun, dass auf dem NATO-Gipfel in der vergan-
    genen Woche eine entschiedene, aber maßvolle Antwort
    auf die Situation in der Ukraine gefunden wurde. Alle 28
    NATO-Mitglieder haben bekräftigt, dass sie füreinander
    einstehen. Jedes einzelne NATO-Land kann nur in Si-
    cherheit leben, wenn alle anderen NATO-Länder eben-
    falls in Sicherheit leben. Die Europäische Union und die
    NATO stehen fest zusammen. Das ist, glaube ich, eine
    gute Botschaft für unsere östlichen NATO-Partnerländer.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Jeder, der heute Morgen die bewegende Rede von
    Präsident Komorowski gehört hat, kann nachvollziehen,
    dass die Polen und die Balten in großer Sorge sind. Ich
    muss sagen: Andere haben jahrzehntelang Verantwor-
    tung für uns Deutsche, für unsere Sicherheit übernom-
    men. Dann ist es ganz selbstverständlich, dass wir jetzt
    ebenfalls Verantwortung für andere übernehmen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es war aber auch richtig, maßvoll zu handeln, an der
    NATO-Russland-Grundakte festzuhalten und keine
    NATO-Kampftruppen in Osteuropa dauerhaft zu statio-
    nieren.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zwar hat Putin gegen den Geist dieser Vereinbarung ver-
    stoßen. Aber in einer Zeit, in der wir auf die Einhaltung
    des Völkerrechts sowie die Einhaltung bestehender Ver-
    träge dringen, ist es nicht klug, selbst bestehende Ver-
    träge aufzukündigen. Stattdessen hat die EU weitere
    Sanktionen beschlossen bzw. vorbereitet, die bei Bedarf
    in Kraft treten können und die russische Entscheidungs-
    elite sowie die russische Wirtschaft empfindlich treffen
    bzw., soweit sie noch umgesetzt werden müssen, treffen
    können. Es ist gut, dass es dabei immer eine offene Tür
    für Russland gibt. Manche halten diese Maßnahmen für
    nicht ausreichend und fordern härtere Maßnahmen. Ich
    warne davor, die Wirkungen der Sanktionen kleinzure-
    den und sich über diplomatische Mittel zur Lösung der
    Krise verächtlich zu äußern, wie das teilweise geschieht.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Diesen Stimmen sollten wir nicht nachgeben; denn die-
    ser Konflikt kann – darüber besteht in der NATO große
    Einigkeit – nicht mit militärischen Mitteln gelöst wer-
    den. Wir sollten uns nicht dazu hinreißen lassen, aufzu-
    hören, miteinander zu reden. Wir sollten nichts tun, was
    dazu führt, dass nicht mehr miteinander geredet werden
    kann.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Oppositionsführer Gregor Gysi hat heute eine be-
    merkenswerte Rede gehalten.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Lieber Herr Gysi, Ihre Rede hatte einen roten Faden und
    als einzigen Tenor: Die Bundesregierung macht alles
    falsch, und Herr Gysi hat immer recht.


    (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


    Sie haben nur am Ende Ihrer Rede einen kleinen Fehler
    gemacht, als Sie gesagt haben: Ich will nicht rechthabe-
    risch sein. – Mit diesem Satz haben Sie sich nämlich
    vom gesamten Inhalt Ihrer Rede selbst distanziert.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie hätten
    beim Mindestlohn recht gehabt und sich dafür rühmen,


    (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Ja! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl zu Recht!)


    dann kann ich Sie nur fragen: Wo waren Sie denn, als
    wir vor zwei Monaten über den Mindestlohn abgestimmt
    haben?


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wo waren Sie vor zehn Jahren? Zehn Jahre haben Sie blockiert!)


    Sie haben dem Mindestlohn nicht zugestimmt. Wenn
    alle sich so wie die Linke verhalten hätten, dann gäbe es





    Thomas Oppermann


    (A) (C)



    (D)(B)

    heute keinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in
    Deutschland. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Zehn Jahre haben Sie es abgelehnt!)


    Sie haben hier auch einiges über TTIP erzählt. Man-
    ches davon haben Sie aus aktuellen Debatten aufgegrif-
    fen, aber einiges war auch Unfug.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war gewaltiger Unfug! – Gegenruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Es passt Ihnen bloß nicht!)


    Ich will Ihnen einmal sagen, welche Maßstäbe ein Frei-
    handelsabkommen erfüllen muss.