Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2425
        (A) (C)
        (B)
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        (D)
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Alpers, Agnes DIE LINKE 09.04.2014
        Bätzing-Lichtenthäler,
        Sabine
        SPD 09.04.2014
        Ehrmann, Siegmund SPD 09.04.2014
        Ernstberger, Petra SPD 09.04.2014
        Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 09.04.2014
        Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 09.04.2014
        Gleicke, Iris SPD 09.04.2014
        Gohlke, Nicole DIE LINKE 09.04.2014
        Groß, Michael SPD 09.04.2014
        Hardt, Jürgen CDU/CSU 09.04.2014
        Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        09.04.2014
        Hellmuth, Jörg CDU/CSU 09.04.2014
        Keul, Katja BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        09.04.2014
        Lezius, Antje CDU/CSU 09.04.2014
        Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        09.04.2014
        Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 09.04.2014
        Pronold, Florian SPD 09.04.2014
        Rawert, Mechthild SPD 09.04.2014
        Rüthrich, Susann SPD 09.04.2014
        Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        09.04.2014
        Schlecht, Michael DIE LINKE 09.04.2014
        Schwabe, Frank SPD 09.04.2014
        Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 09.04.2014
        de Vries, Kees CDU/CSU 09.04.2014
        Wunderlich, Jörn DIE LINKE 09.04.2014
        Zech, Tobias CDU/CSU 09.04.2014
        Ziegler, Dagmar SPD 09.04.2014
        Anlage 2
        Erklärungen nach § 31 GO
        zur namentlichen Abstimmung über die Be-
        schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
        ses zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei-
        ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am
        maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syri-
        scher Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY
        im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis-
        sion zur Vernichtung der syrischen Chemiewaf-
        fen (Tagesordnungspunkt 4)
        Ulla Jelpke (DIE LINKE): In diesem Parlament wer-
        den zurzeit im Wochentakt Militäreinsätze beschlossen.
        Es wird umgesetzt, was die Große Koalition angekün-
        digt und was Bundespräsident Joachim Gauck bei der
        Münchner Sicherheitskonferenz gefordert haben: Deutsch-
        land will militärisch wieder an möglichst vielen Schau-
        plätzen der Welt mitmischen, Deutschland will zur welt-
        weiten Militärmacht werden, der bewaffnete Einsatz
        – früher hat man einfach Krieg gesagt – soll zur norma-
        len Option deutscher Außenpolitik werden.
        Ich bin nicht in dieses Parlament gewählt worden, um
        dieser militaristischen Politik zuzustimmen. Ich habe in
        den vielen Wahlkämpfen, die ich bislang für die PDS
        und die Linke geführt habe, immer klargestellt, dass ich
        gegen jeden deutschen Militäreinsatz bin, so wie es auch
        heute im Programm der Linkspartei und auch im Wahl-
        programm verankert ist.
        Es ist bezeichnend, dass eine kompromisslose Anti-
        kriegspolitik vom Mainstream der deutschen Medien
        und von deutlich über 90 Prozent dieses Hauses als
        „nicht regierungsfähig“ abgetan wird. Ich mache keinen
        Hehl daraus: Wenn die Bereitschaft zum Krieg, die Be-
        reitschaft zur Entsendung der Bundeswehr, die Eintritts-
        karte zum Regieren sein soll, dann bin ich gegen das
        Mitregieren.
        Das gilt auch bei der heutigen Abstimmung. Da ist
        zunächst festzuhalten: Es gibt für die von der Bundesre-
        gierung geforderte Militärmission nicht einmal ein UN-
        Mandat. Es gibt keine präzise Gefährdungseinschätzung
        und keinerlei konkrete Hinweise auf mögliche Angriffe
        auf das US-amerikanische Schiff, auf dem die Chemie-
        waffen neutralisiert werden sollen. Die Bundesregierung
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Anlagen
        2426 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014
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        hat in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage vage auf
        mögliche „organisierte Kriminalität, Piraterie und Terro-
        rismus“ verwiesen. Damit lässt sich aber kein Bundes-
        wehrmandat rechtfertigen. Die aufgezählten „mögli-
        chen“ Bedrohungen sind allesamt nichtmilitärischer
        Natur. Ihre Abwehr ist eine Polizeiaufgabe. Das betont
        die Linke schon in der Kritik des „Antipiraterie“-Einsat-
        zes vor Somalia, und das gilt es auch jetzt zu betonen.
        Die EU-Mittelmeeranrainer verfügen über entspre-
        chende polizeiliche Ressourcen, ihre Küstenwachen und
        andere Grenzbehörden sind für den Einsatz auch auf See
        ausgestattet. Davon abgesehen ist das Mittelmeer ohne-
        hin schon hochmilitarisiert und wimmelt nur so von
        Kriegsschiffen der NATO. Ein zusätzlicher Bundes-
        wehreinsatz ist daher auch sachlich unnötig und dient
        einzig dem politischen Zweck, Deutschland wieder an
        eine Art vorderster Front zu bringen.
        Hinzu kommt, dass das Mandat, wie gewohnt, extrem
        „großzügig“ ist und nicht nur das Mittelmeer, sondern
        auch bei Bedarf den Nordatlantik mit angrenzenden See-
        gebieten in internationalen Gewässern umfasst. Mit an
        die 50 Millionen Quadratkilometer deckt das Mandat da-
        mit einen äußerst großen Teil der Nordhalbkugel der
        Erde ab. Das ist sachlich völlig unnötig und nur Aus-
        druck des Großmachtstrebens, das hinter dem Mandat
        steckt.
        Eine Zustimmung zu einem solchen Einsatz würde
        nicht nur die prinzipielle Haltung der Linken gegen Bun-
        deswehreinsätze im Ausland durch eine nur scheinbar
        harmlose Einzelfallentscheidung durchlöchern. Sie würde
        auch den Einsatz der Bundeswehr zum Zwecke der „Ab-
        wehr“ einer „Gefahr“ gutheißen, die ganz und gar im Va-
        gen bleibt. Und sie würde die Mandatierung der Bundes-
        wehr mit Polizeiaufgaben legitimieren. Das sind viele
        Gründe, dagegenzustimmen.
        Stefan Liebich (DIE LINKE): Die Debatte um den
        Schutz der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
        wird innerhalb meiner Fraktion kontrovers geführt. Ich
        respektiere viele Argumente derer, die dem vorliegenden
        Mandat nicht ihre Zustimmung erteilt haben, bin aber zu
        einem anderen Schluss gekommen. Ich habe dem Antrag
        der Bundesregierung zugestimmt und möchte hier meine
        Begründung darlegen.
        Ich halte den Schutz der Zerstörung von Massenver-
        nichtungswaffen für den besten Auftrag, den eine Armee
        erfüllen kann. Als am 27. September 2013 der einstim-
        mige Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
        nen mit der Zustimmung Russlands und der Volksrepu-
        blik China für die Ausfuhr und die Vernichtung der
        Chemiewaffen aus Syrien – Resolution 2118 – gefasst
        wurde, ist eine weitere Eskalation des Bürgerkriegs ver-
        hindert worden. Die angekündigte Intervention der Ver-
        einigten Staaten von Amerika in diesen Krieg konnte so
        vermieden werden und der erneute Einsatz von Massen-
        vernichtungswaffen wurde bis zu deren vollständigem
        Abzug erschwert bzw. danach verhindert.
        Die Vereinten Nationen haben in der Resolution 2118
        des Sicherheitsrates alle Mitgliedstaaten um die Hilfe bei
        der Beseitigung der Chemiewaffen gebeten. Dänische
        Schiffe bringen die Chemiewaffen unter dem Schutz rus-
        sischer und chinesischer Schiffe nach Italien, dort wer-
        den sie auf die US-amerikanische „Cape Ray“ verladen;
        es ist unter anderem ein deutsches Schiff, das dann den
        Prozess der Hydrolyse bewacht. Viele Länder beteiligen
        sich an diesem wichtigen Prozess.
        Die Bundesrepublik Deutschland steht durch ihr Han-
        deln in der Vergangenheit in diesem Konflikt in beson-
        derer Verantwortung. Die Auslieferung von Dual-Use-
        Gütern, die zur Herstellung von Chemiewaffen genutzt
        werden können, an Syrien, ein Land, das zu diesem Zeit-
        punkt die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert
        hatte, war falsch. Auch darum ist es jetzt wichtig, dass
        die Bundesrepublik Deutschland sich in besonderem
        Maße bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
        engagiert.
        Ich bin für eine konsequente Abrüstung von Massen-
        vernichtungswaffen weltweit. Ich bin für eine starke
        UNO. Ich bin für eine konsequente Einhaltung des Völ-
        kerrechts. Daher habe ich dem Antrag der Bundesregie-
        rung zugestimmt.
        Petra Pau (DIE LINKE): Hiermit erkläre ich, dass
        ich zur vorliegenden Beschlussempfehlung mit Enthal-
        tung stimme.
        Erstens. Zur Abstimmung stand die Beschlussempfeh-
        lung des Auswärtigen Ausschusses – Drucksache 18/1067 –
        zu einem Antrag der Bundesregierung – Drucksache
        18/984 – zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
        kräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse
        syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im
        Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver-
        nichtung der syrischen Chemiewaffen“. Ich habe mit
        Enthaltung votiert.
        Zweitens. Es geht um die Vernichtung syrischer Che-
        miewaffen, also um Abrüstung. Das findet meine Zu-
        stimmung, zumal die Bundesrepublik Deutschland dafür
        eine große Verantwortung trägt, da sie maßgeblich an
        der Hochrüstung Syriens – und weiterer Staaten – betei-
        ligt war bzw. ist. Das spräche für ein Ja.
        Drittens. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die
        USA und weitere NATO-Staaten diese Beteiligung der
        Deutschen Bundeswehr als Entlastung missdeuten, um
        die angedrohte militärische Eskalation gegen Russland
        im aktuellen Krim-Konflikt zu forcieren. Das spräche
        für ein klares Nein.
        Viertens. Meine gewissenhafte politische Abwägung
        zwischen einem Ja zum militärischer Abrüstung und ei-
        nem Nein zu militärischer Eskalation führt mich im kon-
        kreten Fall zu einer Enthaltung in oben genannter Ab-
        stimmung.
        Richard Pitterle (DIE LINKE): Dem Wunsch der
        Bundesregierung, dem beantragten Mandat meine Zu-
        stimmung zu geben, kann ich nicht entsprechen.
        Grundsätzlich befürworte ich den Einsatz der Bundes-
        wehr im Ausland nicht. Dies nicht aus einer pazifisti-
        schen, sondern aus einer antimilitaristischen Grundhal-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2427
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        tung heraus, weil alle Erfahrungen zeigen, dass sich
        letztlich Probleme in der Welt nicht militärisch lösen las-
        sen. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass
        sich Deutschland aus historischen Gründen – aufgrund der
        bei den europäischen Völkern unvergessenen Verbrechen
        der Deutschen Wehrmacht – militärisch nicht engagieren
        sollte.
        Gegenwärtig erleben wir eine Politik der systemati-
        schen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die mit
        der „gewachsenen Verantwortung“ Deutschlands be-
        gründet wird. Diese lehnt die Linke zu Recht als einzige
        Fraktion ab.
        Trotz meiner grundsätzlichen Ablehnung der deut-
        schen Auslandseinsätze war ich bereit, das vorliegende
        Mandat auf seine Zustimmungsfähigkeit zu prüfen, weil
        es sich meines Erachtens um keinen Kriegseinsatz han-
        delt. Denn eine grundsätzliche Haltung entbindet den
        Abgeordneten nicht von der Verantwortung, zu prüfen,
        ob eine Teilnahme der Bundeswehr an Abrüstungsmaß-
        nahmen sinnvoll wäre. Die Abrüstung und Vernichtung
        der chemischen Waffen Syriens sind ein positiver
        Schritt, der von mir und meiner Fraktion als Ganzes be-
        grüßt wird. Insbesondere die Entsorgung der Waffen in
        der niedersächsischen Anlage in Munster ist ein wichti-
        ger Beitrag, den Deutschland leisten kann.
        Die hingegen von der Bundesregierung beantragte
        Teilnahme einer Fregatte der Bundeswehr zur Sicherung
        des Vorgangs der Demontage auf einem Kriegsschiff
        halte ich für nicht erforderlich und für reine Symbolpoli-
        tik.
        Auf Kosten der Steuerzahler soll die Fregatte der
        Bundeswehr eingesetzt werden, damit Frau von der
        Leyen ihren Anspruch auf „Mitverantwortung“ unter-
        streichen kann. Die hierbei von der Bundesregierung ge-
        nannten Kosten von 7,2 Millionen Euro sind reine Steu-
        erverschwendung und könnten anderweitig sinnvoller
        eingesetzt werden. Als Finanzpolitiker muss ich den
        Einsatz daher bereits aus fiskalischen Gründen ablehnen.
        Ich habe mich nach gründlicher Abwägung aller Ar-
        gumente entschieden, mit Nein zu stimmen, aber will
        festhalten, dass ich ausdrücklich die Entscheidung mei-
        ner Kolleginnen und Kollegen respektiere, die nach Ab-
        wägung der Argumente zustimmen oder sich enthalten.
        Es ist eine Stärke unserer Fraktion, dass wir unsere un-
        terschiedliche Meinung respektieren und dem anders
        Entscheidenden nicht andere Motive für seine Entschei-
        dung unterstellen.
        Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Der Beteiligung
        bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Be-
        gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen
        an Bord der „Cape Ray“ im Rahmen der gemeinsamen
        VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Che-
        miewaffen habe ich nicht zugestimmt. Die nachfolgen-
        den, im Wesentlichen vom Journalisten René Heilig be-
        reits im Neuen Deutschland vom 5. April 2014 unter
        dem Titel „Deutsche Marine als Lückenbüßer“ genann-
        ten Argumente haben mich zu einem Nein bei der Ab-
        stimmung bewogen.
        Erstens. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung
        der syrischen Chemiewaffen im eigenen Land, in Muns-
        ter. Die Abfallprodukte der Zerstörung auf hoher See
        werden nach Deutschland transportiert und von einer
        bundeswehreigenen Gesellschaft am Bundeswehrstand-
        ort Munster endgültig vernichtet. Diese Beteiligung an
        der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist aus-
        drücklich zu begrüßen und zu unterstützen. Das Argu-
        ment, Deutschland würde sich nicht an der Vernichtung
        beteiligen, gilt demnach nicht. Deutschland beteiligt sich
        an der Vernichtung.
        Zweitens. Die „Cape Ray“ ist nicht schutzlos. Für ih-
        ren Schutz bedarf es der deutschen Marine nicht. Für den
        Abtransport der syrischen Kampfstoffe aus dem Hafen
        von Latakia durch den dänischen Frachter „Ark Futura“
        und die norwegische „Taiko“ ist eine Nahsicherung vor-
        gesehen, die von der russischen und der chinesischen
        Marine gestellt wird. Derzeit sind rund 60 Prozent der
        syrischen Kampfstoffe, die in der Masse in Tanks gela-
        gert sind, auf die Schiffe gebracht. Auf hoher See über-
        nehmen drei Kriegsschiffe aus Norwegen, Dänemark
        und Großbritannien den Schutz der beiden Frachter. Die
        sollen die Kampfstoffe in den italienische Containerha-
        fen Gioia Tauro nördlich der Straße von Messina brin-
        gen. Dort werden diese unter Schutz der italienischen
        Sicherheitskräfte auf die „Cape Ray“ umgeladen. Außer-
        halb der italienischen Hoheitsgewässer wird das US-
        Spezialschiff durch die US-Navy gesichert. Das Argu-
        ment, die Vernichtung der Chemiewaffen müsse geschützt
        werden, ist richtig. Es ist aber nicht erkennbar, dass zum
        Schutz der Vernichtung die deutsche Marine erforderlich
        ist.
        Drittens. Die US-Mittelmeerflotte hat zwei Fregatten
        ins Schwarze Meer abgestellt, um vor den Krim-Gewäs-
        sern Manöver mit Verbündeten abzuhalten. Soweit diese
        beim weiteren Schutz der „Cape Ray“ fehlen sollten,
        kann und darf dies nicht durch die deutsche Marine aus-
        geglichen werden. Diese wäre dann tatsächlich Lücken-
        büßer und legitimiert damit das militärische Manöver
        vor der Krim. Militärische Manöver statt Schutz von Ab-
        rüstungsaktivitäten sind keine gute Begründung, um ei-
        nen Einsatz der deutschen Marine im Ausland als Lü-
        ckenbüßer zu rechtfertigen.
        Viertens. Das Mandat umfasst – Punkt 3 – auch Tran-
        sitfahrten im Mittelmeer und bei Bedarf auch im Nordat-
        lantik mit angrenzenden Seegebieten – also der Nord-
        und Ostsee. Damit sollen jene Schiffe eskortiert werden,
        die die nach der Hydrolyse der syrischen Kampfstoffe
        auf der „Cape Ray“ anfallenden chemischen Stoffe zu
        den endgültigen Vernichtungsstätten in Großbritannien,
        im deutschen Munster und nach Finnland bringen. Diese
        Fracht ist dann aber gar nicht mehr als Waffe verwend-
        bar. Ein militärischer Begleitschutz ist hier also gar nicht
        nötig.
        Ganz klar will ich aber auch sagen: Es handelt sich
        nicht um einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Krieg ist
        etwas anderes. Wer hier von Kriegseinsatz spricht, ver-
        harmlost Krieg.
        2428 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014
        (A) (C)
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        Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich bin für die Ver-
        nichtung dieser syrischen und aller anderen Chemiewaf-
        fen sowie aller weiteren Massenvernichtungswaffen
        – sie hätten niemals hergestellt werden dürfen –, auch
        wenn ich den Antrag der Bundesregierung ablehne.
        Ich begrüße es, dass die endgültige Entsorgung in
        Deutschland – Munster, GEKA – vorgenommen wird.
        Mit der Lieferung von Ausgangsstoffen hat Deutschland
        mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wesentlichen Anteil
        an der Existenz dieser Chemiewaffen und leistet durch
        die Entsorgung einen wichtigen Beitrag zu ihrer Ver-
        nichtung.
        Für die Gesamtaktion der Vernichtung der syrischen
        Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ ist eine Beteili-
        gung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen
        Begleitschutz aus meiner Sicht völlig entbehrlich. Das
        gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass die von
        Russland im Rahmen des NATO-Russland-Rats angebo-
        tene Unterstützung mit Begleitschiffen nun seitens der
        NATO im Zusammenhang mit der Krim-Krise abgewie-
        sen wurde. Sogar die Bundesverteidigungsministerin
        spricht von einem eher symbolischen Beitrag, den die
        deutsche Fregatte hier leiste.
        Deshalb werde ich den Antrag der Bundesregierung
        ablehnen.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias
        W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina
        Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur
        namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
        empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
        dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung
        bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti-
        men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer
        Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im
        Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission
        zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
        (Tagesordnungspunkt 4)
        Die Vernichtung syrischer Chemiewaffen ist ein be-
        deutsamer Beitrag zur Abrüstung und ein notwendiger,
        jedoch nicht hinreichender Beitrag zum Schutz der syri-
        schen Zivilbevölkerung in einem anhaltenden, grausa-
        men Bürgerkrieg, dem bereits Zehntausende zum Opfer
        gefallen sind. In Übereinstimmung mit unserer Fraktion
        unterstützen wir die Beteiligung Deutschlands an dieser
        Aktion durch die Entsorgung der Reststoffe im nieder-
        sächsischen Munster. Die Entsendung deutscher Solda-
        tinnen und Soldaten auf der Fregatte „Augsburg“ zum
        militärischen Begleitschutz im Rahmen der US-geführ-
        ten Aktion lehnen wir jedoch ab und stimmen deswegen
        mit Nein.
        Das von der Bundesregierung vorgelegte Mandat be-
        gründet unserer Ansicht nach weder die Notwendigkeit
        und Verhältnismäßigkeit dieses erneuten Bundeswehrein-
        satzes noch schafft es hinreichende Klarheit über Art
        und Umfang von Einsatzgebiet und Auftrag. Zudem
        steht dieser Einsatz symbolisch für eine Politik der syste-
        matischen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die
        wir ablehnen.
        Wir haben uns intensiv mit dieser Frage auseinander-
        gesetzt und unsere Entscheidung begründet nach Abwä-
        gung aller Argumente getroffen. Wir erklären ausdrück-
        lich unseren Respekt vor denjenigen Kolleginnen und
        Kollegen, die nach ebenso ernsthafter Abwägung der
        Argumente und Hintergründe für sich zu einer anderen
        Schlussfolgerung gekommen sind. Wir halten das für ei-
        nen Gewinn an politischer Kultur.
        Die Linke ist diejenige Fraktion im Bundestag, die
        sich am deutlichsten für eine Zivilisierung der deutschen
        Außenpolitik, für umfassende Abrüstung, Vernichtung
        von Massenvernichtungswaffen und gegen Rüstungs-
        exporte einsetzt. Das konsequente Nein zu den Kampf-
        einsätzen der Bundeswehr und das Aufzeigen von Alter-
        nativen bleibt Grundlage unserer gemeinsamen Politik.
        Damit vertritt die Linke auch eine Mehrheit in der Be-
        völkerung, die diese Einsätze ablehnt und ohne uns
        keine Stimme im Bundestag hätte. Das wird auch so
        bleiben.
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Christine Buchholz und
        Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur na-
        mentlichen Abstimmung über die Beschluss-
        empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
        dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung
        bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti-
        men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer
        Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im
        Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission
        zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
        (Tagesordnungspunkt 4)
        Wir haben heute gegen den Antrag der Bundesregie-
        rung zur Entsendung eines bewaffneten Kriegsschiffes
        der Bundeswehr mit 300 Soldatinnen und Soldaten ins
        Mittelmeer, den Nordatlantik und angrenzende Seege-
        biete gestimmt.
        Wir sind für die Vernichtung des syrischen Giftgases
        und auch dafür, dass die Reststoffe in der bundeswehrei-
        genen Firma GEKA in Munster vernichtet werden. Den
        Begleitschutz durch die Fregatte „Augsburg“ lehnen wir
        ab. Denn er findet nicht im luftleeren Raum statt. Er ist
        Teil der Neuausrichtung der Bundeswehr, die in immer
        mehr internationale Einsätze geschickt werden soll.
        Die Bundesregierung will die Öffentlichkeit weiter an
        Auslandseinsätze der Bundeswehr gewöhnen. Vor nicht
        mal einer Woche wurde ein neuer Bundeswehreinsatz in
        Somalia beschlossen, morgen stimmen wir über einen
        weiteren neuen Einsatz in der Zentralafrikanischen Re-
        publik ab. Wir lehnen diese Neuausrichtung ab. Die
        Bundesregierung nutzt die Vernichtung der Chemiewaf-
        fen auch, um das schlechte Bild von Auslandseinsätzen
        zu korrigieren.
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2429
        (A) (C)
        (D)(B)
        Die Bundesregierung hat in den Fachausschüssen des
        Bundestages falsch informiert. Sie hat ein Mandat vor-
        gelegt, das ein weit über den geplanten Einsatz hinaus-
        gehendes Einsatzgebiet vorsieht. Dieses Vorgehen zeigt
        zum wiederholten Mal, dass die Regierung zum Teil
        keine korrekten Informationen über die Planung von
        Bundeswehreinsätzen und die Einsätze selbst gibt.
        Deutsche Unternehmen haben jahrelang Material für
        Giftgasfabriken und Giftgasbestandteile, sogenannte
        Dual-Use-Güter, nach Syrien geliefert. Es wäre wichtig,
        sofort die Lieferung von Dual-Use-Chemikalien an Län-
        der, die nicht Mitglied der Chemiewaffenkonvention
        sind, einzustellen. Dies wäre, neben der Beteiligung an
        der Vernichtung des Chemiewaffenprogramms Syriens
        in Munster, der wichtigste Beitrag, den zukünftigen Ein-
        satz von Chemiewaffen zu verhindern, nicht die Entsen-
        dung der Bundeswehr ins Mittelmeer. Deshalb haben wir
        heute gegen die Entsendung der Marine gestimmt.
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra
        Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike
        Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander
        Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia
        Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank,
        Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur namentli-
        chen Abstimmung über die Beschlussempfeh-
        lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
        Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be-
        waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen
        Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che-
        miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen
        der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver-
        nichtung der syrischen Chemiewaffen (Tages-
        ordnungspunkt 4)
        Wir haben heute aus prinzipieller Sicht, aber gerade
        auch angesichts der konkreten Sachlage gegen den An-
        trag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter
        deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei
        der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der
        „Cape Ray“ gestimmt. Wir teilen die Einschätzung aus
        der Friedensbewegung, von Friedensaktivisten und Frie-
        densforschern, dass „kein plausibler Grund erkennbar
        (ist), den zwischen Syrien und den Vereinten Nationen
        bzw. der OPCW ausgehandelten Abzug des gesamten
        syrischen Chemiewaffenarsenals und dessen Vernich-
        tung mit einer militärischen Komponente vonseiten der
        Bundesrepublik Deutschland zu begleiten“ (Stellung-
        nahme Bundesausschuss Friedensratschlag 08.04.2014).
        Unsere Antwort muss zivil bleiben. Wir möchten, dass
        der zivile Beitrag Deutschlands zur Vernichtung der syri-
        schen Chemiewaffen ausgeweitet wird. Deutschland darf
        in Zukunft nicht weiter Chemikalien oder Anlagen, die
        zur Herstellung von Chemiewaffen dienen, in Länder
        exportieren, die die Chemiewaffenkonvention nicht rati-
        fiziert haben.
        Wir haben gegen den Antrag der Bundesregierung ge-
        stimmt, weil wir überzeugt sind, dass unsere Antwort
        eben nicht militärisch sein darf. Auslandseinsätze der
        Bundeswehr lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil
        schaffen sie ständig neue Probleme. Deutschland ist an
        der Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien beteiligt,
        ohne dass es an einem Auslandseinsatz teilnehmen
        muss: Die sichergestellten Chemiewaffen werden unter
        anderem nach Munster in Niedersachsen gebracht, wo
        sie vernichtet werden. Deutschland erbringt damit einen
        maßgeblichen Beitrag zur Vernichtung der Chemiewaf-
        fen. Das ist konkrete Abrüstungspolitik.
        Wir haben heute gegen den Einsatz gestimmt, weil
        sich zudem eine ganze Reihe von neuen Risiken, die mit
        dem Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs verbunden
        sind, ergeben. Gerade auch vor dem Hintergrund der Be-
        endigung der militärischen NATO-Russland-Koopera-
        tion, einer neuen Eskalation der USA, Saudi-Arabiens
        und der Türkei mit False-Flag-Operations und der mög-
        lichen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Syrien
        ist äußerste Vorsicht geboten. Auf Nachfragen konnte
        die Bundesregierung keine schlüssige Erklärung liefern,
        warum das Mandat nicht nur das Mittelmeer, sondern
        auch den Nordatlantik und dessen angrenzende Seege-
        biete umfasst. Unklar ist weiterhin, wie viele Kriegs-
        schiffe insgesamt überhaupt eingesetzt werden sollen.
        Auch was die Aufgaben angeht, ist das Mandat einfach
        unklar.
        Diese Situation gebietet es, der Bundesregierung
        nicht eine unwidersprochene Carte blanche für ihren Mi-
        litäreinsatz zu erteilen. Die Anfrage für die Entsendung
        des deutschen Kriegsschiffs kommt direkt von den USA.
        Die Frage, ob neben einer symbolischen Funktion hier
        eine deutsche Entlastung der Kriegsmarine der USA für
        andere Aufgaben nach dem Vorbild der Abstellung deut-
        scher Wachmannschaften zur Bewachung von US-Ka-
        sernen im Vorfeld des Irak-Krieges übernommen werden
        soll, bleibt ungeklärt. Sie stellt sich allerdings aktuell
        verschärft, da ein weiteres US-amerikanisches Kriegs-
        schiff ins Schwarze Meer entsandt wurde und die
        Bundeswehr hier somit eine Entlastungsfunktion für die
        US-Streitkräfte im Mittelmeer übernimmt. Die 12 Mil-
        lionen Euro für diesen neuen Militäreinsatz wären für
        die Aufstockung des Etats des World Food Programme
        für die syrischen Flüchtlinge besser aufgehoben. So
        stimmen wir auch deshalb gegen den Einsatz, weil er ne-
        ben einer symbolischen Funktion dazu beiträgt, Kriegs-
        schiffe für eine Eskalationspolitik der USA gegen Russ-
        land freizusetzen.
        Wir sagen aber nicht zuletzt auch heute Nein zum
        Einsatz deutscher Kriegsschiffe im Mittelmeer, weil es
        der Kontext einer verstärkt militarisierten deutschen Au-
        ßenpolitik ist, der eine Ablehnung des Einsatzes nahe-
        legt. Seit der Münchner Sicherheitskonferenz und den
        Erklärungen von Außenminister Steinmeier und Vertei-
        digungsministerin von der Leyen, mehr deutsche Welt-
        geltung mit einer Ausweitung deutscher Auslandsein-
        sätze erreichen zu wollen, wird im Bundestag nahezu in
        jeder Sitzungswoche über einen neuen Auslandseinsatz
        abgestimmt. Wie die große Mehrheit der Bevölkerung
        lehnen wir Auslandsabsätze der Bundeswehr ab. Deutsch-
        land sollte sich nicht militärisch engagieren, sondern zi-
        vil.
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        sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K
        kerei, Bessemerstraße 83–91, 1
        öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        22
        29. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
        Epl 05 Auswärtiges Amt
        TOP 4 Bundeswehreinsatz VN/OVCW (Syrische C-Waffen)
        Epl 14 Verteidigung
        Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
        Anlagen