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    Plenarprotokoll 18/29 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2319 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2322 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2328 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2333 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2337 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2341 B Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2343 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2345 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2347 C Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2349 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 2350 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2353 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2354 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2356 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2357 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2358 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2360 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . 2361 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2364 B Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2365 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2366 C Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2367 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2368 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2369 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2370 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2371 C Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2372 B Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 2373 D Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2374 D Tagesordnungspunkt 4: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Beteiligung Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der ge- meinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen Drucksachen 18/984, 18/1067 . . . . . . . . . 2376 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1096 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2376 D Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2377 A Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2378 D Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2380 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2381 B Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2382 C Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2383 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 2384 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2387 D Annette Groth (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2384 D Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2385 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2390 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2391 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2393 D Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2395 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 2397 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2397 D Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2399 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2399 C Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2401 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2402 C Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2404 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2405 B Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2407 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2409 C Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2411 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2412 D Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 2414 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2415 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2416 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2418 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2419 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2420 D Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2422 B Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2423 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2424 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2425 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2425 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 2425 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2426 B Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 2426 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2426 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2427 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2428 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 III Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2428 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleit- schutz bei der Hydrolyse syrischer Chemie- waffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Ta- gesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2428 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur nament- lichen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2429 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2319 (A) (C) (D)(B) 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2425 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 09.04.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 09.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 09.04.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 09.04.2014 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 09.04.2014 Gleicke, Iris SPD 09.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 09.04.2014 Groß, Michael SPD 09.04.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 09.04.2014 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Hellmuth, Jörg CDU/CSU 09.04.2014 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Lezius, Antje CDU/CSU 09.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 09.04.2014 Pronold, Florian SPD 09.04.2014 Rawert, Mechthild SPD 09.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 09.04.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 09.04.2014 Schwabe, Frank SPD 09.04.2014 Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 09.04.2014 de Vries, Kees CDU/CSU 09.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 09.04.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 09.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 09.04.2014 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus- ses zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syri- scher Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemiewaf- fen (Tagesordnungspunkt 4) Ulla Jelpke (DIE LINKE): In diesem Parlament wer- den zurzeit im Wochentakt Militäreinsätze beschlossen. Es wird umgesetzt, was die Große Koalition angekün- digt und was Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert haben: Deutsch- land will militärisch wieder an möglichst vielen Schau- plätzen der Welt mitmischen, Deutschland will zur welt- weiten Militärmacht werden, der bewaffnete Einsatz – früher hat man einfach Krieg gesagt – soll zur norma- len Option deutscher Außenpolitik werden. Ich bin nicht in dieses Parlament gewählt worden, um dieser militaristischen Politik zuzustimmen. Ich habe in den vielen Wahlkämpfen, die ich bislang für die PDS und die Linke geführt habe, immer klargestellt, dass ich gegen jeden deutschen Militäreinsatz bin, so wie es auch heute im Programm der Linkspartei und auch im Wahl- programm verankert ist. Es ist bezeichnend, dass eine kompromisslose Anti- kriegspolitik vom Mainstream der deutschen Medien und von deutlich über 90 Prozent dieses Hauses als „nicht regierungsfähig“ abgetan wird. Ich mache keinen Hehl daraus: Wenn die Bereitschaft zum Krieg, die Be- reitschaft zur Entsendung der Bundeswehr, die Eintritts- karte zum Regieren sein soll, dann bin ich gegen das Mitregieren. Das gilt auch bei der heutigen Abstimmung. Da ist zunächst festzuhalten: Es gibt für die von der Bundesre- gierung geforderte Militärmission nicht einmal ein UN- Mandat. Es gibt keine präzise Gefährdungseinschätzung und keinerlei konkrete Hinweise auf mögliche Angriffe auf das US-amerikanische Schiff, auf dem die Chemie- waffen neutralisiert werden sollen. Die Bundesregierung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2426 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) hat in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage vage auf mögliche „organisierte Kriminalität, Piraterie und Terro- rismus“ verwiesen. Damit lässt sich aber kein Bundes- wehrmandat rechtfertigen. Die aufgezählten „mögli- chen“ Bedrohungen sind allesamt nichtmilitärischer Natur. Ihre Abwehr ist eine Polizeiaufgabe. Das betont die Linke schon in der Kritik des „Antipiraterie“-Einsat- zes vor Somalia, und das gilt es auch jetzt zu betonen. Die EU-Mittelmeeranrainer verfügen über entspre- chende polizeiliche Ressourcen, ihre Küstenwachen und andere Grenzbehörden sind für den Einsatz auch auf See ausgestattet. Davon abgesehen ist das Mittelmeer ohne- hin schon hochmilitarisiert und wimmelt nur so von Kriegsschiffen der NATO. Ein zusätzlicher Bundes- wehreinsatz ist daher auch sachlich unnötig und dient einzig dem politischen Zweck, Deutschland wieder an eine Art vorderster Front zu bringen. Hinzu kommt, dass das Mandat, wie gewohnt, extrem „großzügig“ ist und nicht nur das Mittelmeer, sondern auch bei Bedarf den Nordatlantik mit angrenzenden See- gebieten in internationalen Gewässern umfasst. Mit an die 50 Millionen Quadratkilometer deckt das Mandat da- mit einen äußerst großen Teil der Nordhalbkugel der Erde ab. Das ist sachlich völlig unnötig und nur Aus- druck des Großmachtstrebens, das hinter dem Mandat steckt. Eine Zustimmung zu einem solchen Einsatz würde nicht nur die prinzipielle Haltung der Linken gegen Bun- deswehreinsätze im Ausland durch eine nur scheinbar harmlose Einzelfallentscheidung durchlöchern. Sie würde auch den Einsatz der Bundeswehr zum Zwecke der „Ab- wehr“ einer „Gefahr“ gutheißen, die ganz und gar im Va- gen bleibt. Und sie würde die Mandatierung der Bundes- wehr mit Polizeiaufgaben legitimieren. Das sind viele Gründe, dagegenzustimmen. Stefan Liebich (DIE LINKE): Die Debatte um den Schutz der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird innerhalb meiner Fraktion kontrovers geführt. Ich respektiere viele Argumente derer, die dem vorliegenden Mandat nicht ihre Zustimmung erteilt haben, bin aber zu einem anderen Schluss gekommen. Ich habe dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und möchte hier meine Begründung darlegen. Ich halte den Schutz der Zerstörung von Massenver- nichtungswaffen für den besten Auftrag, den eine Armee erfüllen kann. Als am 27. September 2013 der einstim- mige Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen mit der Zustimmung Russlands und der Volksrepu- blik China für die Ausfuhr und die Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien – Resolution 2118 – gefasst wurde, ist eine weitere Eskalation des Bürgerkriegs ver- hindert worden. Die angekündigte Intervention der Ver- einigten Staaten von Amerika in diesen Krieg konnte so vermieden werden und der erneute Einsatz von Massen- vernichtungswaffen wurde bis zu deren vollständigem Abzug erschwert bzw. danach verhindert. Die Vereinten Nationen haben in der Resolution 2118 des Sicherheitsrates alle Mitgliedstaaten um die Hilfe bei der Beseitigung der Chemiewaffen gebeten. Dänische Schiffe bringen die Chemiewaffen unter dem Schutz rus- sischer und chinesischer Schiffe nach Italien, dort wer- den sie auf die US-amerikanische „Cape Ray“ verladen; es ist unter anderem ein deutsches Schiff, das dann den Prozess der Hydrolyse bewacht. Viele Länder beteiligen sich an diesem wichtigen Prozess. Die Bundesrepublik Deutschland steht durch ihr Han- deln in der Vergangenheit in diesem Konflikt in beson- derer Verantwortung. Die Auslieferung von Dual-Use- Gütern, die zur Herstellung von Chemiewaffen genutzt werden können, an Syrien, ein Land, das zu diesem Zeit- punkt die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert hatte, war falsch. Auch darum ist es jetzt wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich in besonderem Maße bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen engagiert. Ich bin für eine konsequente Abrüstung von Massen- vernichtungswaffen weltweit. Ich bin für eine starke UNO. Ich bin für eine konsequente Einhaltung des Völ- kerrechts. Daher habe ich dem Antrag der Bundesregie- rung zugestimmt. Petra Pau (DIE LINKE): Hiermit erkläre ich, dass ich zur vorliegenden Beschlussempfehlung mit Enthal- tung stimme. Erstens. Zur Abstimmung stand die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses – Drucksache 18/1067 – zu einem Antrag der Bundesregierung – Drucksache 18/984 – zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen“. Ich habe mit Enthaltung votiert. Zweitens. Es geht um die Vernichtung syrischer Che- miewaffen, also um Abrüstung. Das findet meine Zu- stimmung, zumal die Bundesrepublik Deutschland dafür eine große Verantwortung trägt, da sie maßgeblich an der Hochrüstung Syriens – und weiterer Staaten – betei- ligt war bzw. ist. Das spräche für ein Ja. Drittens. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die USA und weitere NATO-Staaten diese Beteiligung der Deutschen Bundeswehr als Entlastung missdeuten, um die angedrohte militärische Eskalation gegen Russland im aktuellen Krim-Konflikt zu forcieren. Das spräche für ein klares Nein. Viertens. Meine gewissenhafte politische Abwägung zwischen einem Ja zum militärischer Abrüstung und ei- nem Nein zu militärischer Eskalation führt mich im kon- kreten Fall zu einer Enthaltung in oben genannter Ab- stimmung. Richard Pitterle (DIE LINKE): Dem Wunsch der Bundesregierung, dem beantragten Mandat meine Zu- stimmung zu geben, kann ich nicht entsprechen. Grundsätzlich befürworte ich den Einsatz der Bundes- wehr im Ausland nicht. Dies nicht aus einer pazifisti- schen, sondern aus einer antimilitaristischen Grundhal- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2427 (A) (C) (D)(B) tung heraus, weil alle Erfahrungen zeigen, dass sich letztlich Probleme in der Welt nicht militärisch lösen las- sen. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass sich Deutschland aus historischen Gründen – aufgrund der bei den europäischen Völkern unvergessenen Verbrechen der Deutschen Wehrmacht – militärisch nicht engagieren sollte. Gegenwärtig erleben wir eine Politik der systemati- schen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die mit der „gewachsenen Verantwortung“ Deutschlands be- gründet wird. Diese lehnt die Linke zu Recht als einzige Fraktion ab. Trotz meiner grundsätzlichen Ablehnung der deut- schen Auslandseinsätze war ich bereit, das vorliegende Mandat auf seine Zustimmungsfähigkeit zu prüfen, weil es sich meines Erachtens um keinen Kriegseinsatz han- delt. Denn eine grundsätzliche Haltung entbindet den Abgeordneten nicht von der Verantwortung, zu prüfen, ob eine Teilnahme der Bundeswehr an Abrüstungsmaß- nahmen sinnvoll wäre. Die Abrüstung und Vernichtung der chemischen Waffen Syriens sind ein positiver Schritt, der von mir und meiner Fraktion als Ganzes be- grüßt wird. Insbesondere die Entsorgung der Waffen in der niedersächsischen Anlage in Munster ist ein wichti- ger Beitrag, den Deutschland leisten kann. Die hingegen von der Bundesregierung beantragte Teilnahme einer Fregatte der Bundeswehr zur Sicherung des Vorgangs der Demontage auf einem Kriegsschiff halte ich für nicht erforderlich und für reine Symbolpoli- tik. Auf Kosten der Steuerzahler soll die Fregatte der Bundeswehr eingesetzt werden, damit Frau von der Leyen ihren Anspruch auf „Mitverantwortung“ unter- streichen kann. Die hierbei von der Bundesregierung ge- nannten Kosten von 7,2 Millionen Euro sind reine Steu- erverschwendung und könnten anderweitig sinnvoller eingesetzt werden. Als Finanzpolitiker muss ich den Einsatz daher bereits aus fiskalischen Gründen ablehnen. Ich habe mich nach gründlicher Abwägung aller Ar- gumente entschieden, mit Nein zu stimmen, aber will festhalten, dass ich ausdrücklich die Entscheidung mei- ner Kolleginnen und Kollegen respektiere, die nach Ab- wägung der Argumente zustimmen oder sich enthalten. Es ist eine Stärke unserer Fraktion, dass wir unsere un- terschiedliche Meinung respektieren und dem anders Entscheidenden nicht andere Motive für seine Entschei- dung unterstellen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Che- miewaffen habe ich nicht zugestimmt. Die nachfolgen- den, im Wesentlichen vom Journalisten René Heilig be- reits im Neuen Deutschland vom 5. April 2014 unter dem Titel „Deutsche Marine als Lückenbüßer“ genann- ten Argumente haben mich zu einem Nein bei der Ab- stimmung bewogen. Erstens. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen im eigenen Land, in Muns- ter. Die Abfallprodukte der Zerstörung auf hoher See werden nach Deutschland transportiert und von einer bundeswehreigenen Gesellschaft am Bundeswehrstand- ort Munster endgültig vernichtet. Diese Beteiligung an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist aus- drücklich zu begrüßen und zu unterstützen. Das Argu- ment, Deutschland würde sich nicht an der Vernichtung beteiligen, gilt demnach nicht. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung. Zweitens. Die „Cape Ray“ ist nicht schutzlos. Für ih- ren Schutz bedarf es der deutschen Marine nicht. Für den Abtransport der syrischen Kampfstoffe aus dem Hafen von Latakia durch den dänischen Frachter „Ark Futura“ und die norwegische „Taiko“ ist eine Nahsicherung vor- gesehen, die von der russischen und der chinesischen Marine gestellt wird. Derzeit sind rund 60 Prozent der syrischen Kampfstoffe, die in der Masse in Tanks gela- gert sind, auf die Schiffe gebracht. Auf hoher See über- nehmen drei Kriegsschiffe aus Norwegen, Dänemark und Großbritannien den Schutz der beiden Frachter. Die sollen die Kampfstoffe in den italienische Containerha- fen Gioia Tauro nördlich der Straße von Messina brin- gen. Dort werden diese unter Schutz der italienischen Sicherheitskräfte auf die „Cape Ray“ umgeladen. Außer- halb der italienischen Hoheitsgewässer wird das US- Spezialschiff durch die US-Navy gesichert. Das Argu- ment, die Vernichtung der Chemiewaffen müsse geschützt werden, ist richtig. Es ist aber nicht erkennbar, dass zum Schutz der Vernichtung die deutsche Marine erforderlich ist. Drittens. Die US-Mittelmeerflotte hat zwei Fregatten ins Schwarze Meer abgestellt, um vor den Krim-Gewäs- sern Manöver mit Verbündeten abzuhalten. Soweit diese beim weiteren Schutz der „Cape Ray“ fehlen sollten, kann und darf dies nicht durch die deutsche Marine aus- geglichen werden. Diese wäre dann tatsächlich Lücken- büßer und legitimiert damit das militärische Manöver vor der Krim. Militärische Manöver statt Schutz von Ab- rüstungsaktivitäten sind keine gute Begründung, um ei- nen Einsatz der deutschen Marine im Ausland als Lü- ckenbüßer zu rechtfertigen. Viertens. Das Mandat umfasst – Punkt 3 – auch Tran- sitfahrten im Mittelmeer und bei Bedarf auch im Nordat- lantik mit angrenzenden Seegebieten – also der Nord- und Ostsee. Damit sollen jene Schiffe eskortiert werden, die die nach der Hydrolyse der syrischen Kampfstoffe auf der „Cape Ray“ anfallenden chemischen Stoffe zu den endgültigen Vernichtungsstätten in Großbritannien, im deutschen Munster und nach Finnland bringen. Diese Fracht ist dann aber gar nicht mehr als Waffe verwend- bar. Ein militärischer Begleitschutz ist hier also gar nicht nötig. Ganz klar will ich aber auch sagen: Es handelt sich nicht um einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Krieg ist etwas anderes. Wer hier von Kriegseinsatz spricht, ver- harmlost Krieg. 2428 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich bin für die Ver- nichtung dieser syrischen und aller anderen Chemiewaf- fen sowie aller weiteren Massenvernichtungswaffen – sie hätten niemals hergestellt werden dürfen –, auch wenn ich den Antrag der Bundesregierung ablehne. Ich begrüße es, dass die endgültige Entsorgung in Deutschland – Munster, GEKA – vorgenommen wird. Mit der Lieferung von Ausgangsstoffen hat Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wesentlichen Anteil an der Existenz dieser Chemiewaffen und leistet durch die Entsorgung einen wichtigen Beitrag zu ihrer Ver- nichtung. Für die Gesamtaktion der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ ist eine Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz aus meiner Sicht völlig entbehrlich. Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass die von Russland im Rahmen des NATO-Russland-Rats angebo- tene Unterstützung mit Begleitschiffen nun seitens der NATO im Zusammenhang mit der Krim-Krise abgewie- sen wurde. Sogar die Bundesverteidigungsministerin spricht von einem eher symbolischen Beitrag, den die deutsche Fregatte hier leiste. Deshalb werde ich den Antrag der Bundesregierung ablehnen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Die Vernichtung syrischer Chemiewaffen ist ein be- deutsamer Beitrag zur Abrüstung und ein notwendiger, jedoch nicht hinreichender Beitrag zum Schutz der syri- schen Zivilbevölkerung in einem anhaltenden, grausa- men Bürgerkrieg, dem bereits Zehntausende zum Opfer gefallen sind. In Übereinstimmung mit unserer Fraktion unterstützen wir die Beteiligung Deutschlands an dieser Aktion durch die Entsorgung der Reststoffe im nieder- sächsischen Munster. Die Entsendung deutscher Solda- tinnen und Soldaten auf der Fregatte „Augsburg“ zum militärischen Begleitschutz im Rahmen der US-geführ- ten Aktion lehnen wir jedoch ab und stimmen deswegen mit Nein. Das von der Bundesregierung vorgelegte Mandat be- gründet unserer Ansicht nach weder die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieses erneuten Bundeswehrein- satzes noch schafft es hinreichende Klarheit über Art und Umfang von Einsatzgebiet und Auftrag. Zudem steht dieser Einsatz symbolisch für eine Politik der syste- matischen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die wir ablehnen. Wir haben uns intensiv mit dieser Frage auseinander- gesetzt und unsere Entscheidung begründet nach Abwä- gung aller Argumente getroffen. Wir erklären ausdrück- lich unseren Respekt vor denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die nach ebenso ernsthafter Abwägung der Argumente und Hintergründe für sich zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen sind. Wir halten das für ei- nen Gewinn an politischer Kultur. Die Linke ist diejenige Fraktion im Bundestag, die sich am deutlichsten für eine Zivilisierung der deutschen Außenpolitik, für umfassende Abrüstung, Vernichtung von Massenvernichtungswaffen und gegen Rüstungs- exporte einsetzt. Das konsequente Nein zu den Kampf- einsätzen der Bundeswehr und das Aufzeigen von Alter- nativen bleibt Grundlage unserer gemeinsamen Politik. Damit vertritt die Linke auch eine Mehrheit in der Be- völkerung, die diese Einsätze ablehnt und ohne uns keine Stimme im Bundestag hätte. Das wird auch so bleiben. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Wir haben heute gegen den Antrag der Bundesregie- rung zur Entsendung eines bewaffneten Kriegsschiffes der Bundeswehr mit 300 Soldatinnen und Soldaten ins Mittelmeer, den Nordatlantik und angrenzende Seege- biete gestimmt. Wir sind für die Vernichtung des syrischen Giftgases und auch dafür, dass die Reststoffe in der bundeswehrei- genen Firma GEKA in Munster vernichtet werden. Den Begleitschutz durch die Fregatte „Augsburg“ lehnen wir ab. Denn er findet nicht im luftleeren Raum statt. Er ist Teil der Neuausrichtung der Bundeswehr, die in immer mehr internationale Einsätze geschickt werden soll. Die Bundesregierung will die Öffentlichkeit weiter an Auslandseinsätze der Bundeswehr gewöhnen. Vor nicht mal einer Woche wurde ein neuer Bundeswehreinsatz in Somalia beschlossen, morgen stimmen wir über einen weiteren neuen Einsatz in der Zentralafrikanischen Re- publik ab. Wir lehnen diese Neuausrichtung ab. Die Bundesregierung nutzt die Vernichtung der Chemiewaf- fen auch, um das schlechte Bild von Auslandseinsätzen zu korrigieren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2429 (A) (C) (D)(B) Die Bundesregierung hat in den Fachausschüssen des Bundestages falsch informiert. Sie hat ein Mandat vor- gelegt, das ein weit über den geplanten Einsatz hinaus- gehendes Einsatzgebiet vorsieht. Dieses Vorgehen zeigt zum wiederholten Mal, dass die Regierung zum Teil keine korrekten Informationen über die Planung von Bundeswehreinsätzen und die Einsätze selbst gibt. Deutsche Unternehmen haben jahrelang Material für Giftgasfabriken und Giftgasbestandteile, sogenannte Dual-Use-Güter, nach Syrien geliefert. Es wäre wichtig, sofort die Lieferung von Dual-Use-Chemikalien an Län- der, die nicht Mitglied der Chemiewaffenkonvention sind, einzustellen. Dies wäre, neben der Beteiligung an der Vernichtung des Chemiewaffenprogramms Syriens in Munster, der wichtigste Beitrag, den zukünftigen Ein- satz von Chemiewaffen zu verhindern, nicht die Entsen- dung der Bundeswehr ins Mittelmeer. Deshalb haben wir heute gegen die Entsendung der Marine gestimmt. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen (Tages- ordnungspunkt 4) Wir haben heute aus prinzipieller Sicht, aber gerade auch angesichts der konkreten Sachlage gegen den An- trag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ gestimmt. Wir teilen die Einschätzung aus der Friedensbewegung, von Friedensaktivisten und Frie- densforschern, dass „kein plausibler Grund erkennbar (ist), den zwischen Syrien und den Vereinten Nationen bzw. der OPCW ausgehandelten Abzug des gesamten syrischen Chemiewaffenarsenals und dessen Vernich- tung mit einer militärischen Komponente vonseiten der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten“ (Stellung- nahme Bundesausschuss Friedensratschlag 08.04.2014). Unsere Antwort muss zivil bleiben. Wir möchten, dass der zivile Beitrag Deutschlands zur Vernichtung der syri- schen Chemiewaffen ausgeweitet wird. Deutschland darf in Zukunft nicht weiter Chemikalien oder Anlagen, die zur Herstellung von Chemiewaffen dienen, in Länder exportieren, die die Chemiewaffenkonvention nicht rati- fiziert haben. Wir haben gegen den Antrag der Bundesregierung ge- stimmt, weil wir überzeugt sind, dass unsere Antwort eben nicht militärisch sein darf. Auslandseinsätze der Bundeswehr lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil schaffen sie ständig neue Probleme. Deutschland ist an der Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien beteiligt, ohne dass es an einem Auslandseinsatz teilnehmen muss: Die sichergestellten Chemiewaffen werden unter anderem nach Munster in Niedersachsen gebracht, wo sie vernichtet werden. Deutschland erbringt damit einen maßgeblichen Beitrag zur Vernichtung der Chemiewaf- fen. Das ist konkrete Abrüstungspolitik. Wir haben heute gegen den Einsatz gestimmt, weil sich zudem eine ganze Reihe von neuen Risiken, die mit dem Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs verbunden sind, ergeben. Gerade auch vor dem Hintergrund der Be- endigung der militärischen NATO-Russland-Koopera- tion, einer neuen Eskalation der USA, Saudi-Arabiens und der Türkei mit False-Flag-Operations und der mög- lichen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Syrien ist äußerste Vorsicht geboten. Auf Nachfragen konnte die Bundesregierung keine schlüssige Erklärung liefern, warum das Mandat nicht nur das Mittelmeer, sondern auch den Nordatlantik und dessen angrenzende Seege- biete umfasst. Unklar ist weiterhin, wie viele Kriegs- schiffe insgesamt überhaupt eingesetzt werden sollen. Auch was die Aufgaben angeht, ist das Mandat einfach unklar. Diese Situation gebietet es, der Bundesregierung nicht eine unwidersprochene Carte blanche für ihren Mi- litäreinsatz zu erteilen. Die Anfrage für die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs kommt direkt von den USA. Die Frage, ob neben einer symbolischen Funktion hier eine deutsche Entlastung der Kriegsmarine der USA für andere Aufgaben nach dem Vorbild der Abstellung deut- scher Wachmannschaften zur Bewachung von US-Ka- sernen im Vorfeld des Irak-Krieges übernommen werden soll, bleibt ungeklärt. Sie stellt sich allerdings aktuell verschärft, da ein weiteres US-amerikanisches Kriegs- schiff ins Schwarze Meer entsandt wurde und die Bundeswehr hier somit eine Entlastungsfunktion für die US-Streitkräfte im Mittelmeer übernimmt. Die 12 Mil- lionen Euro für diesen neuen Militäreinsatz wären für die Aufstockung des Etats des World Food Programme für die syrischen Flüchtlinge besser aufgehoben. So stimmen wir auch deshalb gegen den Einsatz, weil er ne- ben einer symbolischen Funktion dazu beiträgt, Kriegs- schiffe für eine Eskalationspolitik der USA gegen Russ- land freizusetzen. Wir sagen aber nicht zuletzt auch heute Nein zum Einsatz deutscher Kriegsschiffe im Mittelmeer, weil es der Kontext einer verstärkt militarisierten deutschen Au- ßenpolitik ist, der eine Ablehnung des Einsatzes nahe- legt. Seit der Münchner Sicherheitskonferenz und den Erklärungen von Außenminister Steinmeier und Vertei- digungsministerin von der Leyen, mehr deutsche Welt- geltung mit einer Ausweitung deutscher Auslandsein- sätze erreichen zu wollen, wird im Bundestag nahezu in jeder Sitzungswoche über einen neuen Auslandseinsatz abgestimmt. Wie die große Mehrheit der Bevölkerung lehnen wir Auslandsabsätze der Bundeswehr ab. Deutsch- land sollte sich nicht militärisch engagieren, sondern zi- vil. Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 29. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt TOP 4 Bundeswehreinsatz VN/OVCW (Syrische C-Waffen) Epl 14 Verteidigung Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Leutert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Sehr geehrter Herr Minister! Das Bundesministerium für
    wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung will
    dieses Jahr knapp 6,5 Milliarden Euro für Entwicklungs-
    hilfe ausgeben. Sie haben es selber angesprochen: Das
    ist ganz klar zu wenig. Deutschland hat sich internatio-
    nal verpflichtet – dazu standen alle Bundesregierungen,
    egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb –,
    bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandspro-
    dukts für die Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stel-
    len. Das wären aktuell 19 Milliarden Euro. Hier gibt es
    also eine Lücke, die geschlossen werden muss, und zwar
    bis zum nächsten Jahr, also im Haushalt 2015. Mich
    würde interessieren, wie Sie das bis zum nächsten Jahr
    bewerkstelligen wollen.

    Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
    glaube, die Glaubwürdigkeit Deutschlands wird nicht
    am militärischen Engagement Deutschlands oder an der
    Übernahme von mehr Verantwortung auf internationaler
    Ebene gemessen, sondern entscheidend für unsere
    Glaubwürdigkeit wird sein, ob wir Zusagen – insbeson-
    dere diese Zusage – einhalten werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Herr Minister, in Bezug auf die inhaltliche Ausrich-
    tung der Entwicklungshilfe sind wir uns, glaube ich, alle
    einig. Sie haben gerade von der Zukunftscharta „EINE-
    WELT – Unsere Verantwortung“ gesprochen, und in Ih-
    rer Auftaktrede zur Eröffnung der Diskussion darüber
    sagten Sie – Sie haben das gerade auch selbst erwähnt;
    ich möchte es aber gerne noch einmal zitieren –:





    Michael Leutert


    (A) (C)



    (D)(B)

    Wir müssen die Globalisierung so gestalten, dass
    sie den Menschen dient. Markt braucht Regeln und
    Macht braucht Grenzen. Nachhaltigkeit muss das
    Prinzip aller Entwicklung, ja, allen Tuns sein.

    Das könnte in unserem Parteiprogramm stehen und
    kann ich unterschreiben. Ich glaube, hier werden wir uns
    einig.


    (Volkmar Klein [CDU/CSU]: Das bleibt aber trotzdem richtig!)


    – Ja, das bleibt richtig.

    Auch an den Zielen gibt es nichts zu kritisieren: ers-
    tens weltweite Armut bekämpfen, zweitens Frieden si-
    chern und Demokratie verwirklichen, drittens Globali-
    sierung gerecht gestalten und viertens Umwelt schützen.
    All diese Ziele teilt die Linke, und wir unterstützen das
    BMZ dabei, mit dem nicht ausreichenden Geld die Pro-
    jekte zu finanzieren, mit denen diese Ziele verwirklicht
    werden können.

    Allerdings wissen auch Sie – zumindest konnte ich
    das einem Interview auf Zeit Online vom 23. Januar
    2014 entnehmen –: „Mehr Geld allein bringt aber auch
    nichts“. Das Geld muss natürlich auch wirksam einge-
    setzt werden. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen
    und sagen: Es darf auch von anderer Stelle kein Geld
    eingesetzt werden, mit welchem die gesetzten Ziele wie-
    derum untergraben werden.

    Ich möchte hier – das habe ich heute schon einmal ge-
    macht; die Haushälter freuen sich über so etwas immer –
    wiederum einen Vorschlag einbringen, der in der Ent-
    wicklungshilfe viel bewirken könnte und gar kein Geld
    kosten würde. Ich spreche von der Unterbindung von
    Waffenexporten, und zwar von ganz bestimmten Waffen.

    Es ist bekannt, dass Deutschland Waffen in alle mög-
    lichen Länder exportiert. Dabei spielt es derzeit leider
    keine Rolle, ob es demokratische Länder oder Länder
    mit menschenverachtenden Regimen sind. Wir liefern
    genauso selbstverständlich nach Spanien wie nach Katar,
    Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
    Leider werden deutsche Waffen auch in Konfliktregio-
    nen geliefert: Indien und Pakistan stehen genauso selbst-
    verständlich auf der Exportliste wie die Zentralafrikani-
    sche Republik und Nigeria.

    Sie, Herr Minister – das ist jetzt die Klammer zu Ih-
    rem Ministerium –, sind Mitglied des Bundessicherheits-
    rates, der über Waffenexporte entscheiden kann, und der
    verantwortliche Wirtschaftsminister ist der SPD-Vorsit-
    zende Gabriel. Ich glaube, Sie können sich sehr schnell
    einig werden, diese Situation dort zu verändern. Das
    würden wir zumindest sehr begrüßen. Wie gesagt: Das
    würde kein Geld kosten.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das Problem ist ja, dass diese Handfeuerwaffen aus
    deutscher Produktion – es geht hier hauptsächlich um
    Kleinwaffen – immer wieder in Krisengebieten auftau-
    chen. Das ist im Übrigen nicht nur ein Kritikpunkt der
    Linken, sondern das wurde auch von den Kirchen in
    Deutschland immer wieder ganz deutlich kritisiert.
    Allein 2012 hat die Bundesregierung die Ausfuhr von
    67 000 kleinen und leichten Waffen genehmigt. Das Sturm-
    gewehr G36 – die Standardwaffe der Bundeswehr – taucht
    in Konfliktgebieten auf, zum Beispiel in Libyen, Georgien
    und zuletzt auch in Mexiko, wo es auch eine quasi militäri-
    sche Auseinandersetzung gibt, nämlich einen Drogen-
    krieg mit über 70 000 Toten.


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Einzelplan 23!)


    – Ja, jetzt komme ich zum Einzelplan 23, sehr verehrte
    Kollegin.


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


    Mexiko ist nämlich Zielland deutscher Entwicklungs-
    hilfe.

    Ich meine: Das passt nicht zusammen. Auf der einen
    Seite leisten wir Entwicklungshilfe für diese Länder, und
    auf der anderen Seite gibt es Unternehmen bei uns im
    Land – zum Beispiel Heckler & Koch –, die mit ihren
    Waffenlieferungen die Gerüste, die wir durch unsere
    Entwicklungshilfe aufbauen, wieder einreißen. Das ist
    nicht der richtige Weg; das muss und kann geändert wer-
    den.


    (Beifall bei der LINKEN – Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Zusammenarbeit! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wir arbeiten zusammen!)


    Das Problem an diesen Gewehren ist, dass sie relativ
    preiswert sind – ein neues Modell kostet 1 700 Euro –,
    und sie sind leicht zu bedienen und sehr leicht zu heben;
    das G36 wiegt nämlich nur 3,5 Kilogramm. Das können
    Kinder hochheben, und genau das passiert auch in den
    Konfliktgebieten.

    Es sterben nicht nur 25 000 Kinder jeden Tag wegen
    Hungers, sondern weltweit sind auch 250 000 Kinder als
    Kindersoldaten im Einsatz, leider eben auch in Ländern
    – es gibt zum Beispiel auf den Philippinen und in Indien
    Kindersoldaten –, die sowohl Zielländer für unsere Ent-
    wicklungshilfe als auch Zielländer für Waffenexporte – es
    werden unter anderem Kleinwaffen dorthin geliefert – sind.

    Es gibt im Haushalt des Einzelplans 23 den Titel – das
    ist eine Sonderinitiative – „Fluchtursachen bekämpfen“.
    Dafür werden 170 Millionen Euro eingestellt, 100 Mil-
    lionen Euro davon sind Verpflichtungsermächtigungen.
    Eine Fluchtursache – das ist ganz klar – sind bewaffnete
    Konflikte. Das Geld allein wird nicht ausreichen, um
    diese Fluchtursachen zu minimieren.

    Also fordere ich Sie hier noch einmal auf: Helfen Sie
    mit, Herr Minister, die Exporte von Handfeuerwaffen in
    Konfliktregionen zu unterbinden. Damit kommen wir
    dem selbst gesteckten Ziel der Entwicklungspolitik,
    nämlich der Friedenssicherung, ein großes Stück näher,
    und zwar ganz ohne zusätzliche Mittel. Vor allem würde
    man damit Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückge-
    winnen. Die Unterstützung der Linken haben Sie auf
    diesem Weg auf alle Fälle.


    (Beifall bei der LINKEN)







    (A) (C)



    (D)(B)



Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Vielen Dank. – Frau Dr. Bärbel Kofler für die SPD ist

jetzt die nächste Rednerin.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bärbel Kofler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

    gen! Wer heute den ganzen Tag die Debatten zu interna-
    tionaler Politik verfolgt hat, kann viele Themenfelder,
    die der Minister angesprochen hat, nachvollziehen und
    sehen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

    Das Thema Friedenssicherung, Flüchtlinge und der
    Umgang mit ihnen ist angesprochen worden. Klassische
    Entwicklungszusammenarbeit und Armutsbekämpfung
    müssen mittelbar in den Fokus gerückt werden. Wir ha-
    ben uns aber auch mit Fragen von zivilem Staatsaufbau
    zu beschäftigen. Wir haben uns mit dem Aufbau von so-
    zialer Sicherung und Steuersystemen zu beschäftigen.
    Wir stehen vor der Herkulesaufgabe, das Thema Finan-
    zierung des internationalen Klimaschutzes auf eine ver-
    nünftige Grundlage zu stellen. Wer all das sieht, muss
    ehrlich sagen – das möchte ich an dieser Stelle betonen
    und unterstreichen –: Die Mittel dafür reichen nicht.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Sie reichen nicht im Etat für auswärtige Politik. Sie rei-
    chen nicht im Umweltetat. Sie reichen auch nicht in un-
    serem Etat für Entwicklungszusammenarbeit.

    Wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir sagen,
    dass wir uns in den Koalitionsverhandlungen die Sache
    mit der Mittelzusage von 2 Milliarden Euro ein bisschen
    anders gedacht haben. Wir haben diese Summe bewusst
    eingestellt, weil wir wissen, dass es sich hierbei um
    wichtige Aufgaben handelt. Diese 2 Milliarden Euro ha-
    ben wir bewusst nicht unter Finanzierungsvorbehalt ge-
    stellt. Aber ich mahne an – ich bitte als Entwicklungspo-
    litikerin darum, dazu einen Konsens im gesamten Haus
    zu erreichen, über alle Fraktionen und auch über alle
    Ressortgrenzen hinweg –, dass diese Mittel wirklich in
    die Hand genommen werden können und das Ganze
    nicht aufgrund der Niebel-Delle auf ein Nullsummen-
    spiel hinausläuft.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich finde, dafür lohnt es sich, nicht nur in den nächs-
    ten Monaten, sondern auch in den nächsten Jahren zu
    kämpfen. Ich möchte an einigen Beispielen deutlich ma-
    chen, worum es geht. Das Thema Friedensarbeit ist an-
    gesprochen worden. Unser Haushalt enthält dafür sicher-
    lich nicht den größten finanziellen Posten, aber es findet
    sich eine Unterstützung für eine ganz spannende Institu-
    tion, den Zivilen Friedensdienst. Dieser Dienst macht
    genau das, was wir heute in verschiedenen Debatten be-
    tont haben: Er führt Menschen zusammen, er macht Ver-
    söhnungsarbeit – das ist ein ganz schwieriger Prozess –,
    um Konflikte aufzuarbeiten und dazu beizutragen, dass
    Konflikte in Zukunft nicht mehr ausbrechen. Dafür ha-
    ben wir im Haushalt knapp 30 Millionen Euro einge-
    stellt. Diese 30 Millionen Euro stehen seit Jahren – ich
    weiß gar nicht, ob das schon im ersten Jahr dieses Etats
    so war, aber schon sehr lange – so in diesem Haushalt.

    Am Anfang haben wir gesagt: Wir müssen schauen,
    ob dieses Instrument wirkt. – Jetzt haben wir es überprü-
    fen lassen. Dieses Instrument und seine Wirkung sind
    sehr gut beurteilt worden. Nur leider hat sich der Mit-
    telansatz in keiner Weise verändert. Wir müssen dafür
    kämpfen, dass genau solche Institutionen wie die des Zi-
    vilen Friedensdienstes und die damit verbundenen zivi-
    len Prozesse durch Mittel aus unserem Haushalt unter-
    stützt werden können.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr oft redet man im Rahmen von Außenpolitik und
    internationalen Zusammenhängen über die Frage eines
    Militäreinsatzes; zuvor wurde der Verteidigungsetat be-
    raten. Aber ich glaube, den Menschen, die diese zivilen
    Friedensprozesse begleiten, müssen wir sowohl in unse-
    rem Etat als auch in dem des Auswärtigen Amtes – auch
    da gibt es einen spannenden Titel, ZIF, mit dem der
    Staatsaufbau im zivilen Bereich finanziert wird – eine
    ganz andere Aufmerksamkeit zukommen lassen; denn
    Entwicklungshilfe existiert auch noch dann, wenn keine
    Kameras auf das Elend dieser Erde gerichtet sind. Sie
    existiert vor Konflikten, bei Konflikten und danach. Ge-
    nau deshalb müssen diese Friedensprozesse gestützt
    werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ein anderer Punkt, der mich beschäftigt, ist schon
    kurz angesprochen worden, nämlich die Klimapolitik
    und die Finanzierung in diesem Bereich. Wir haben
    letzte Woche den Weltklimabericht debattiert. Wir haben
    die Prognosen gesehen und wissen alle miteinander, dass
    wir als Industrieländer auch finanziell in Vorleistung ge-
    hen müssen.


    (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denn man tau!)


    Denn wir sind die Verursacher.

    Ich finde, als Entwicklungspolitiker muss man zu
    dem Prinzip einer gemeinsamen, aber geteilten Verant-
    wortung stehen. Will heißen: Wir haben den CO2-Aus-
    stoß begonnen. Die Entwicklungsländer leiden unter den
    Folgen der Klimaveränderung. Hier müssen wir auch fi-
    nanziell in Vorleistung gehen und entsprechende Bei-
    träge leisten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    – Ich finde, da darf man klatschen, auch die Grünen.

    Wir können bereits dieses Jahr und auch in den nächs-
    ten Jahren im Haushalt einiges tun. Ich glaube, deshalb
    ist auch die mittelfristige Finanzplanung so wichtig. Wir





    Dr. Bärbel Kofler


    (A) (C)



    (D)(B)

    müssen beim Green Climate Fund einen Pfad aufzeigen,
    wie wir die notwendigen Finanzierungsströme erreichen
    können.

    Wir wissen, wie viel wir aufbauen müssen. Wir ken-
    nen die Summe, die weltweit aus öffentlichen und priva-
    ten Mitteln notwendig ist: 100 Milliarden US-Dollar ab
    2020. Wir wissen, dass wir ab nächstem Jahr einen Pfad
    schaffen müssen, und wir wissen auch, wofür: nämlich
    dafür, dass Entwicklungsländer endlich Energiepolitik
    hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft machen kön-
    nen und dass vor allem auch Anpassungsmaßnahmen fi-
    nanziert werden können, damit die Folgen des Klima-
    wandels und das Leiden der Menschen darunter
    angegangen werden können.

    Wenn wir das nicht tun, dann wissen wir spätestens
    seit Nicholas Stern, dass es für uns auch ökonomisch
    teurer werden wird als alles andere, was wir hier an Mit-
    teln einsetzen können. Auch dafür brauchen wir ein ge-
    meinsames Handeln und ein gemeinsames Werben in al-
    len Ressorts um Verständnis für die Bedeutung dieser
    Finanzierungsaufgaben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es geht um die Haushaltsmittel, aber auch um Regeln.
    Herr Minister, Sie haben es schon angesprochen. Den
    Satz „Markt braucht Regeln“ finde auch ich sehr schön.
    Ich finde, eine Haushaltsdebatte ist eine gute Gelegen-
    heit, über Regeln und Standardsetzungen zu sprechen.
    Auch in diesem Bereich müssen wir zu einem veränder-
    ten Denken und zu einem anderen Handeln kommen.

    Die Frage, wie wir zu verbindlichen Sozial- und Um-
    weltstandards gelangen – ich möchte das Wort „verbind-
    lich“ dreimal unterstreichen –, muss uns umtreiben, und
    zwar nicht nur uns als Entwicklungspolitiker; denn das
    betrifft auch die Wirtschaft, die Justiz und die Arbeits-
    marktpolitik. Hier müssen wir gemeinsam handeln. Ich
    wünsche mir und hoffe, dass die Entwicklungspolitik ein
    Motor dafür sein kann, auch in anderen Ressorts zu ei-
    nem Umdenken zu kommen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Denn Freiwilligkeit allein – das möchte ich an der
    Stelle auch noch einmal klarstellen – bringt uns, glaube
    ich, nicht weiter. Wir hatten und haben bisher viele frei-
    willige Verpflichtungen, die gut gemeint und in manchen
    Teilen auch gut gemacht sind. Aber wer glaubt, mit frei-
    willigen Verpflichtungen Unternehmen, die das nicht
    wollen – das sind beileibe nicht alle –, dazu bringen zu
    können, weltweit ordentliche Produktionsbedingungen
    zu schaffen und dies den Konsumenten transparent nach-
    zuweisen, der irrt meines Erachtens.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dazu gibt es eine Entschließung des EU-Parlaments
    vom Februar dieses Jahres, die ich sehr spannend finde
    und die zwar bezogen auf Konfliktmineralien, aber auf
    den gesamten Themenbereich anwendbar feststellt
    – ich zitiere –, „dass die Vielzahl von Verhaltenskodi-
    zes, Standards und Zertifizierungssystemen mit unter-
    schiedlicher thematischer Ausrichtung im Bereich der
    sozialen Verantwortung von Unternehmen … Bewer-
    tungen, Vergleiche und Überprüfung schwierig, wenn
    nicht unmöglich macht“.

    Wenn wir das wissen, dann müssen wir zu klaren Zer-
    tifizierungen, klaren Regeln und verpflichtenden Trans-
    parenzregeln für Unternehmen kommen.


    (Stefan Rebmann [SPD]: Sehr gut!)


    Ich würde mir wünschen, dass Entwicklungspolitik
    dafür ein Motor sein kann. Es reicht aber nicht, ein Mo-
    tor zu sein. Denn um zum Beispiel solche Regeln umzu-
    setzen, braucht es auch in den Partnerländern starke Ver-
    waltungen, Know-how-Transfer und zivile Kräfte, die
    aufgebaut und ausgebildet werden, um zum Wohle ihrer
    Länder kontrollierend, aber auch regelnd eingreifen zu
    können, damit auch der Ressourcenreichtum der Länder
    den Ländern selbst zugute kommt. Wir brauchen – das
    haben wir gestern als Arbeitsgruppe im Gespräch mit der
    Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel
    Dieckmann, wieder erfahren – den Aufbau sozialer Si-
    cherungssysteme weltweit. Bärbel Dieckmann sagt ganz
    deutlich: Ohne Zugang zu sozialer Sicherung ist Armuts-
    bekämpfung eigentlich nicht möglich.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Weil wir wissen, dass wir das alles brauchen und dass
    das schwierige, große Aufgaben sind, die die Entwick-
    lungspolitik nicht alleine stemmen kann, sondern nur
    eine gesamte Gesellschaft, und zwar in Abstimmung mit
    Partnern, mit anderen engagierten Nationen und Men-
    schen nicht nur in Europa, sondern weltweit, müssen wir
    dafür kämpfen, dass wir für den deutschen Teil, den wir
    leisten sollen, die notwendige Mittelausstattung haben.
    Ich hoffe, dass wir gemeinsam für eine wesentlich bes-
    sere Mittelausstattung, für die Entwicklungszusammen-
    arbeit und die von mir genannten Themenfelder arbeiten
    werden. Dafür müssen wir kämpfen, und zwar nicht nur
    in den nächsten vier Jahren, sondern, wie ich befürchte,
    leider auch noch in den nächsten Jahrzehnten.

    Danke.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)