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    Plenarprotokoll 18/27 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Philipp Mißfelder, Sibylle Pfeiffer, Frank Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Niels Annen, Dr. Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Ge- denken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994 Drucksache 18/973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2166 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2167 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2168 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2171 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2172 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2174 B Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2175 B Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 2176 D Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2178 B Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fünf Jahre UN- Behindertenrechtskonvention – Sofort- programm für Barrierefreiheit und ge- gen Diskriminierung Drucksache 18/977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 A b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm zur Be- seitigung von Barrieren auflegen Drucksache 18/972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 C Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2182 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2183 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2184 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2185 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2186 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 2187 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2188 A Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 2188 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2190 A Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2191 A Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2192 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2193 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2194 C Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . 2195 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2197 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2198 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Drucksache 18/984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2200 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2201 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2203 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2204 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2205 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2205 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2207 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2208 C Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deckungslücken der Sozialen Pflegeversicherung schließen und die staatlich geförderten Pflegezusatzversi- cherungen – sogenannter Pflege-Bahr – ab- schaffen Drucksache 18/591 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2209 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2209 D Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2210 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 2211 A Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2212 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2213 C Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2215 B Heiko Schmelzle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2216 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2219 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2220 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2163 (A) (C) (D)(B) 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2219 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.04.2014 Bahr, Ulrike SPD 04.04.2014 Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 04.04.2014 Barthel, Klaus SPD 04.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.04.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.04.2014 Brähmig, Klaus CDU/CSU 04.04.2014 Brase, Willi SPD 04.04.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 04.04.2014 Bülow, Marco SPD 04.04.2014 Dr. Diaby, Karamba SPD 04.04.2014 Ernst, Klaus DIE LINKE 04.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 04.04.2014 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.04.2014 Groß, Michael SPD 04.04.2014 Gunkel, Wolfgang SPD 04.04.2014 Ilgen, Matthias SPD 04.04.2014 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04.04.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 04.04.2014 Krellmann, Jutta DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 04.04.2014 Kühn-Mengel, Helga SPD 04.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 04.04.2014 Roth (Heringen), Michael SPD 04.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 04.04.2014 Schieder (Schwandorf), Marianne SPD 04.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 04.04.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 04.04.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Sitte, Petra DIE LINKE 04.04.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 36 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes Bahn 2013 – Reform zügig umsetzen! Drucksachen 17/14076, 18/641 Nr. 16 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht 2012 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen für den Bereich Eisenbahnen mit Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/356, 18/526 Nr. 1.4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Projektfortschritte beim Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen Drucksachen 18/357, 18/526 Nr. 1.5 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 04.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 04.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 04.04.2014 Zypries, Brigitte SPD 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. C.1 Ratsdokument 9706/13 Drucksache 18/419 Nr. A.2 EuB-BReg 43/2013 Drucksache 18/419 Nr. A.14 Ratsdokument 11396/13 Sportausschuss Drucksache 18/642 Nr. A.1 Ratsdokument 5842/14 Haushaltsausschuss Drucksache 18/544 Nr. A.27 Ratsdokument 5359/14 Drucksache 18/822 Nr. A.15 Ratsdokument 6266/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/642 Nr. A.4 Ratsdokument 5958/14 Drucksache 18/822 Nr. A.24 Ratsdokument 6054/14 Drucksache 18/822 Nr. A.25 Ratsdokument 6445/14 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/419 Nr. A.114 Ratsdokument 10275/13 Drucksache 18/419 Nr. A.122 Ratsdokument 13065/13 Drucksache 18/419 Nr. A.123 Ratsdokument 13234/13 Drucksache 18/419 Nr. A.126 Ratsdokument 13716/13 Drucksache 18/419 Nr. A.127 Ratsdokument 13717/13 Drucksache 18/544 Nr. A.41 Ratsdokument 5166/14 Drucksache 18/544 Nr. A.42 Ratsdokument 17967/13 Drucksache 18/544 Nr. A.43 Ratsdokument 18136/13 Drucksache 18/822 Nr. C.2 Ratsdokument 10154/13 Drucksache 18/822 Nr. C.3 Ratsdokument 10160/13 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/419 Nr. A.170 Ratsdokument 12453/13 Drucksache 18/642 Nr. A.11 Ratsdokument 5855/14 kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 27. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 18 Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda TOP 19 Programm für Barrierefreiheit ZP 3 Bundeswehreinsatz Vernichtung syrischer Chemiewaffen TOP 21 Soziale Pflegeversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Uwe Schummer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Herren!

    Dass Sie die Bundesregierung zum Handeln auffordern,
    und zwar endlich, nachdem die Große Koalition jetzt
    100 Tage an der Regierung ist, finde ich bemerkenswert.


    (Vereinzelt Heiterkeit)


    Es gibt keine Koalitionsvereinbarung, in die mehr Hand-
    lungsempfehlungen zur Inklusion in allen Politikberei-
    chen aufgenommen worden sind als in die jetzt gültige
    zwischen Union und Sozialdemokraten. Diese enthält
    insgesamt zwanzig solcher Handlungsempfehlungen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben ja bereits am Mittwoch im Ausschuss für
    Arbeit und Soziales und in anderen Ausschüssen mit-
    einander diskutiert und überlegt, wie wir die ambitio-
    nierten Ziele der Koalition gemeinsam umsetzen kön-
    nen. Ein Thema war der neue Teilhabebericht. Wir haben
    gesagt: Wir wollen wegkommen vom alten Bericht zur
    Lage der Menschen mit Behinderungen, in dem seit
    1982 Defizite aufgeführt und Subventionen dargestellt
    wurden. – Die Konsequenz war, dass wir im letzten Jahr
    erstmals einen Teilhabebericht zum Thema Inklusion er-
    stellt haben, in dem auch die sehr unterschiedlichen Le-
    benswirklichkeiten der Menschen mit Behinderungen
    dargestellt werden. So differenziert wie die Lebenswirk-
    lichkeiten sind, so differenziert werden auch die politi-
    schen Antworten sein müssen.

    Es war ein guter und wichtiger Erfolg des früheren
    Beauftragten der Bundesregierung für die Belange be-
    hinderter Menschen, von Hubert Hüppe – er ist heute un-
    ter uns –,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    dass mit diesem neuen Teilhabebericht auch die UN-
    Konvention umgesetzt werden konnte, verbunden mit
    der Zielsetzung, für mehr Teilhabe zu sorgen. Der Teil-
    habebericht ist auch eine Grundlage für weitere Politik-
    ansätze, die die Große Koalition in den nächsten drei
    Jahren verfolgen wird, um die Teilhabe insgesamt zu
    verbessern, und zwar in allen Bereichen des Lebens.

    Im Sinne der Grundregel „Nichts über uns ohne uns“
    hat der Deutsche Behindertenrat dafür gesorgt, dass an
    der Erstellung des Teilhabeberichts auch Wissenschaftler
    beteiligt waren, die selber betroffen sind und daher auch
    ihre Lebenswirklichkeit mit einbringen konnten; sie
    machten ein Drittel des gesamten Redaktionsteams aus.
    Kerstin Tack und ich sind wild entschlossen,

    (Kerstin Tack [SPD]: Yes!)


    dafür zu sorgen, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten der
    Verbände der Betroffenen auch bei der Erstellung der
    nächsten Teilhabeberichte noch weiter ausgebaut wer-
    den,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    damit das Motto „Nichts über uns ohne uns“ auch als
    Grundlage des politischen Handelns verankert wird.

    Wir haben damit den Art. 31 der UN-Konvention um-
    gesetzt, der uns in der Politik auffordert, Statistiken und
    Datensammlungen über die Lebenslagen behinderter
    Menschen aufzuarbeiten. In diesen Statistiken und Da-
    tensammlungen sollen sich auch differenziert die unter-
    schiedlichen Lebenswirklichkeiten und Belange der
    Menschen mit Behinderungen oder mit Beeinträchtigun-
    gen wiederfinden.

    Nach dem Teilhabebericht sind 25 Prozent der Bevöl-
    kerung über 18 Jahre betroffen. Das sind 17 Millionen
    Menschen. Davon sind etwa 7 Millionen Menschen an-
    erkannt schwerbehindert. Wir werden aufgrund der De-
    mografie, der Bevölkerungsstruktur, die Frage von Be-
    hinderung und Beeinträchtigung, auch von chronischen
    Krankheiten, in der Zukunft politisch noch weiter auf-
    arbeiten müssen.

    Von daher wird es wichtig sein, dass „barrierefrei“ für
    alle Facetten des Lebens gilt. Wir hatten am Donnerstag
    dieser Woche eine Initiative mit Gehörlosen aus Thürin-
    gen zu Gast, die uns aufgefordert haben, die heutigen
    technischen Standards zu nutzen, beispielsweise für Ge-
    hörlose eine Notruf-App zu entwickeln, mit der man
    wichtige Informationen, wichtige Nachrichten sofort zu-
    spielen kann, damit auch diese Menschen über ihr
    iPhone oder ihr iPad schnell über die aktuelle Sachlage
    informiert werden können. Es sind sehr einfache techni-
    sche Möglichkeiten, die heute schon existieren, die wir
    nur nutzen müssen, um auch in der Kommunikation Bar-
    rieren zu überwinden und mehr Teilhabemöglichkeiten
    zu schaffen.

    Wir müssen aber auch mentale Barrieren, Barrieren in
    den Köpfen, Barrieren dadurch, dass wir etwas nicht ge-
    lernt haben, überwinden. Wenn man nicht weiß, wie man
    mit contergangeschädigten Menschen umgeht, wie man
    ihnen die Hand gibt, dann hat man Bedenken, Schwie-
    rigkeiten, zieht sich zurück, geht nicht auf diese Men-
    schen zu. Das sind unsere Barrieren, die wir aufarbeiten
    müssen, damit wir auf die Menschen zugehen, sie begrü-
    ßen, mit ihnen scherzen können, damit wir sehr ent-
    spannt sein können, wenn wir auf sie zugehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Barrieren haben wir alle miteinander, und wir alle mitei-
    nander sind aufgefordert, sie zu beseitigen. Es ist nor-
    mal, verschieden zu sein, und es ist wichtig, dass wir ler-
    nen, offen miteinander umzugehen, in allen Facetten.





    Uwe Schummer


    (A) (C)



    (D)(B)

    Der Teilhabebericht gibt uns auch Handlungsempfeh-
    lungen. Dazu gehört – das ist auch in unserer Koalitions-
    vereinbarung festgelegt worden –, dass wir unter dem
    Dach der Kinder- und Jugendhilfe die verschiedenen
    Fördermaßnahmen für Eltern, für Kinder, für Jugendli-
    che bündeln, sodass es vor Ort eine Anlaufsituation, eine
    Struktur gibt, die weiterhilft, wenn Fragen entstehen,
    weil zum Beispiel Fördermaßnahmen beantragt werden
    müssen.

    Wir werden das familiäre Umfeld und die Familien
    selbst durch eine Kultur der Nachbarschaft stärken müs-
    sen – durch die Vernetzung mit begleitenden Hilfen, Ta-
    gesstätten, Beratung und Betreuung. Wir wollen ver-
    stärkt die betreuten Werkstätten nutzen. Sie sollen auch
    Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der betreuten Werkstät-
    ten organisieren. Wir sagen: so viel inklusive Arbeit wie
    nur irgend möglich, aber weiterhin so viel Betreuung
    wie nötig. Ich halte nichts davon, eine Struktur abzu-
    schaffen und zu schauen, was dann passiert. Wir werden
    Strukturen miteinander vernetzen müssen, aber immer
    mit der Zielsetzung, für den einzelnen Menschen, an
    dem wir Maß nehmen, möglichst viel auch inklusive Ar-
    beit zu entwickeln.

    In meinem Heimatkreis am Niederrhein fangen auch
    Kinder mit Downsyndrom an, aus der betreuten Werk-
    statt rauszugehen.


    (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hätten da nie reingehört!)


    Gemeinsam mit anderen, mit Handwerksmeistern bauen
    sie in einem offenen Museum eine niederrheinische Lehm-
    kate. Sie sind sehr stolz darauf, eine solche Leistung zu
    erbringen. Man sieht auf einmal, wie stark, wie innova-
    tiv und wie motiviert sie sind.

    Vom Bundesverband der Floristen kam einmal je-
    mand zu mir und beklagte sich über den Fachkräfteman-
    gel. Ich habe ihn gefragt: Haben Sie einmal überlegt,
    beispielsweise verstärkt auch Behinderte einzustellen?
    Die Antwort war erst einmal: Die Kunden haben es im-
    mer so eilig; die haben keine Zeit, zu warten. – Hier geht
    es um Entschleunigung, um Dinge des Miteinanders und
    Füreinanders, über die wir miteinander reden müssen.
    Wir müssen ein Stück weit auch einen Mentalitätswan-
    del, eine Revolution der Herzen erzeugen, damit das
    Miteinander und Füreinander insgesamt verbessert wer-
    den kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die inklusive Bildung endet in Deutschland heute oft
    nach der Kindertagesstätte. 60 Prozent der betroffenen
    Kinder gehen noch gemeinsam mit anderen Kindern in
    eine Regelkita. In der Grundschule sind es nur noch
    34 Prozent. Im weiteren Bildungsverlauf werden es im-
    mer weniger, bis hin zu den Restbeständen in der Ar-
    beitswelt. Da müssen wir stärker werden; da müssen wir
    besser werden.

    Auch mit dem Bundesteilhabegesetz wird diese Ziel-
    setzung verfolgt werden. Es geht hier eben nicht nur um
    ein Sparprogramm für die Kommunen; es geht darum,
    dass für die betroffenen Menschen eine Verbesserung,
    ein Mehrwert an Teilhabe in der Gesellschaft entwickelt
    wird. Sowohl die Kommunen als auch die Länder als
    auch der Bund werden zusammen mit den Trägern wei-
    terhin aktiv sein müssen. Es kann nicht nur um ein Spar-
    programm zwecks Ausgabenentlastung der Kommunen
    gehen, es muss letztendlich um mehr Teilhabe für die be-
    troffenen Menschen gehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Leitidee dieser Großen Koalition – das haben wir
    auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben – ist
    die inklusive Gesellschaft, in der wir gemeinsam lernen,
    arbeiten, spielen, wohnen und mit allen Facetten leben.
    Das wird unser Anspruch sein. Daran, wie wir das mit-
    einander umsetzen werden, können Sie uns gerne in drei
    Jahren – nicht nach 100 Tagen – messen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist

Katrin Werner für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Katrin Werner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

    nen und Kollegen! Seit fünf Jahren gilt in unserem Land
    eine Konvention, die man die modernste Menschen-
    rechtskonvention nennt. Was hat sich für 7 Millionen
    schwerbehinderte Menschen, für mehr als 17 Millionen
    Menschen mit Beeinträchtigungen oder chronischen Er-
    krankungen im Alltag praktisch verbessert, verschlech-
    tert, oder was blieb, wie es war?

    Übereinstimmend sagen viele: Es wird schwieriger,
    den Alltag zu organisieren. Es fehlt an inklusiven Infra-
    strukturen. Mittelfristig fehlen 3 Millionen barrierefreie
    Wohnungen in Deutschland, Defizit steigend. Nur jede
    dritte Arztpraxis ist wenigstens rollstuhlgerecht. Noch
    immer blüht eine Landschaft von Sonderwelten: Heime,
    in denen im Minutentakt verrichtet wird, Werkstätten, in
    denen für Dumpinglöhne auch für Rüstungsunterneh-
    men, wie zum Beispiel in Bremerhaven, gearbeitet wird,
    und Förderschulen, die 75 Prozent der Schüler ohne Ab-
    schluss verlassen.

    Nach der UN-Behindertenrechtskonvention jedoch
    muss Politik Menschen mit Behinderungen absichern,
    fördern und ermutigen, selbstbestimmt zu leben; sie
    muss also Räume für Selbstentfaltung öffnen – wie für
    alle anderen Menschen auch.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Inklusion braucht deshalb „angemessene Vorkehrungen“
    für den Einzelfall im Zusammenspiel mit vielen „geeig-
    neten Maßnahmen“ im Großen.





    Katrin Werner


    (A) (C)



    (D)(B)

    Art. 4 der UN-Behindertenrechtskonvention spricht
    davon, „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-
    und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem
    Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen“. Des-
    halb unterstützen wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
    Die Grünen, zunächst das Behindertengleichstellungsge-
    setz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu
    novellieren.

    Denn es geht in dieser Wahlperiode nicht isoliert um
    ein Bundesteilhabegesetz. Die Gültigkeit des SGB IX
    steht – sagen Wissenschaftler – zu 80 Prozent nur auf
    dem Papier. Auch in diesem Gesetz ist der Behinde-
    rungsbegriff zu ändern. Es geht auch um den arbeitneh-
    merähnlichen Status und ein Recht auf bedarfsgerechte
    Assistenz in allen Lebensphasen und Lebenslagen, und
    zwar unabhängig von Einkommen und Vermögen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Gebraucht wird eine soziale Umwelt, an der alle Men-
    schen mit Beeinträchtigungen teilhaben können. Das
    sind auch ältere Menschen und Menschen mit chroni-
    schen Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern und
    Kinder selbst, nicht nur Menschen mit einem Behinde-
    rungsgrad. Es geht um alle Menschen mit dauerhaftem
    oder zeitweiligem Unterstützungsbedarf.

    Es gibt eben auch thematische Focal Points. Einer da-
    von ist in der UN-Behindertenrechtskonvention die Bar-
    rierefreiheit. Aus Sicht der betroffenen Menschen heißt
    das: im Alltag – zu jeder Zeit – nahezu jeden Ort, jede
    Einrichtung, jedes Angebot und jede Information errei-
    chen, nutzen und verstehen zu können, ohne Bittgänge,
    Kostenvorbehalte oder Vermögensanrechnung.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Schon 2011 forderten die Landesbehindertenbeauf-
    tragten in ihrer Dresdner Erklärung energischere Schritte.
    Der Teilhabebericht von 2013 zeigt, dass diese fehlen.
    Aber inklusive Strukturen wird es ohne Barrierefreiheit
    nicht geben. Ein bisschen Barrierefreiheit ist leider ex-
    klusiv.

    Einzel- und Pilotprojekte reichen nicht. Barrierefreie
    Lösungen im Alltag müssen leider immer wieder ein-
    gefordert, erstritten oder sogar eingeklagt werden.
    Zuletzt kritisierte der Bundesrechungshof, dass vom
    Bundesverkehrsministerium und der Deutschen Bahn
    AG „die Bahnsteige an mehr als 3 900 kleineren Bahn-
    höfen … pauschal als stufenfrei bewertet werden, selbst
    wenn die Bahnsteige ausschließlich über Treppen er-
    reichbar sind“. Zwei Drittel aller Bahnhöfe werden so
    indirekt als barrierefrei ausgegeben, obgleich sie für
    Rollstuhlfahrer oder Menschen mit größeren Mobili-
    tätseinschränkungen kaum nutzbar sind.

    Deshalb fordert die Fraktion Die Linke ein Sofortpro-
    gramm zur Beseitigung bestehender Barrieren in Höhe
    von jährlich 1 Milliarde Euro für einen Zeitraum von
    fünf Jahren.


    (Beifall bei der LINKEN)

    Wir wollen konkrete Taten, die die Lebenslagen von
    Menschen mit Unterstützungsbedarf praktisch verbes-
    sern. Wir wollen ein Signal, dass Teilhabe mehr ist als
    ein einzelner Leistungsanspruch, nämlich Wert und
    Wirklichkeit für alle, ein soziales Gut. Wir wollen diese
    Beseitigung von Barrieren bewusst als Zusatzprogramm,
    neben dem Bundesleistungsgesetz. Dabei betonen wir,
    dass mit dem Teilhabegesetz keine und keiner schlech-
    tergestellt werden darf. Aber wir sehen auch: Die Entlas-
    tung der Kommunen von den Kosten der Eingliede-
    rungshilfe räumt keine einzige Barriere fort. Wir wollen
    ein Programm, das in den Kommunen wirkt: dort, wo
    Menschen zum Arzt gehen oder rollen; dort, wo sie in
    der Schule oder im Theater hören können, was sie nicht
    sehen, oder in Bildern verstehen, was Buchstaben ihnen
    nicht verraten;


    (Beifall bei der LINKEN)


    dort, wo sie ihr Recht selbst vertreten, im Rathaus oder
    im Gericht; dort, wo sie arbeiten und Freunde am
    Stammtisch treffen; dort, wo sie wohnen, daheim statt
    im Heim.

    Wir wollen von Anfang an eine fachkundige Beglei-
    tung durch das Bundeskompetenzzentrum Barrierefrei-
    heit und eine Evaluation dieses Programms, damit es
    nachhaltig wird. Wir wollen eine Regierung mit men-
    schenrechtlichem Tatendrang und beantragen deshalb
    geeignete Maßnahmen, wie sie die UN-Konvention ver-
    steht. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)