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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/27 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Philipp Mißfelder, Sibylle Pfeiffer, Frank Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Niels Annen, Dr. Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Ge- denken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994 Drucksache 18/973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2166 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2167 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2168 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2171 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2172 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2174 B Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2175 B Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 2176 D Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2178 B Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fünf Jahre UN- Behindertenrechtskonvention – Sofort- programm für Barrierefreiheit und ge- gen Diskriminierung Drucksache 18/977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 A b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm zur Be- seitigung von Barrieren auflegen Drucksache 18/972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 C Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2182 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2183 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2184 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2185 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2186 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 2187 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2188 A Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 2188 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2190 A Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2191 A Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2192 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2193 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2194 C Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . 2195 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2197 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2198 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Drucksache 18/984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2200 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2201 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2203 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2204 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2205 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2205 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2207 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2208 C Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deckungslücken der Sozialen Pflegeversicherung schließen und die staatlich geförderten Pflegezusatzversi- cherungen – sogenannter Pflege-Bahr – ab- schaffen Drucksache 18/591 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2209 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2209 D Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2210 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 2211 A Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2212 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2213 C Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2215 B Heiko Schmelzle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2216 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2219 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2220 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2163 (A) (C) (D)(B) 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2219 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.04.2014 Bahr, Ulrike SPD 04.04.2014 Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 04.04.2014 Barthel, Klaus SPD 04.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.04.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.04.2014 Brähmig, Klaus CDU/CSU 04.04.2014 Brase, Willi SPD 04.04.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 04.04.2014 Bülow, Marco SPD 04.04.2014 Dr. Diaby, Karamba SPD 04.04.2014 Ernst, Klaus DIE LINKE 04.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 04.04.2014 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.04.2014 Groß, Michael SPD 04.04.2014 Gunkel, Wolfgang SPD 04.04.2014 Ilgen, Matthias SPD 04.04.2014 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04.04.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 04.04.2014 Krellmann, Jutta DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 04.04.2014 Kühn-Mengel, Helga SPD 04.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 04.04.2014 Roth (Heringen), Michael SPD 04.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 04.04.2014 Schieder (Schwandorf), Marianne SPD 04.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 04.04.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 04.04.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Sitte, Petra DIE LINKE 04.04.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 36 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes Bahn 2013 – Reform zügig umsetzen! Drucksachen 17/14076, 18/641 Nr. 16 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht 2012 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen für den Bereich Eisenbahnen mit Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/356, 18/526 Nr. 1.4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Projektfortschritte beim Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen Drucksachen 18/357, 18/526 Nr. 1.5 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 04.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 04.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 04.04.2014 Zypries, Brigitte SPD 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. C.1 Ratsdokument 9706/13 Drucksache 18/419 Nr. A.2 EuB-BReg 43/2013 Drucksache 18/419 Nr. A.14 Ratsdokument 11396/13 Sportausschuss Drucksache 18/642 Nr. A.1 Ratsdokument 5842/14 Haushaltsausschuss Drucksache 18/544 Nr. A.27 Ratsdokument 5359/14 Drucksache 18/822 Nr. A.15 Ratsdokument 6266/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/642 Nr. A.4 Ratsdokument 5958/14 Drucksache 18/822 Nr. A.24 Ratsdokument 6054/14 Drucksache 18/822 Nr. A.25 Ratsdokument 6445/14 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/419 Nr. A.114 Ratsdokument 10275/13 Drucksache 18/419 Nr. A.122 Ratsdokument 13065/13 Drucksache 18/419 Nr. A.123 Ratsdokument 13234/13 Drucksache 18/419 Nr. A.126 Ratsdokument 13716/13 Drucksache 18/419 Nr. A.127 Ratsdokument 13717/13 Drucksache 18/544 Nr. A.41 Ratsdokument 5166/14 Drucksache 18/544 Nr. A.42 Ratsdokument 17967/13 Drucksache 18/544 Nr. A.43 Ratsdokument 18136/13 Drucksache 18/822 Nr. C.2 Ratsdokument 10154/13 Drucksache 18/822 Nr. C.3 Ratsdokument 10160/13 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/419 Nr. A.170 Ratsdokument 12453/13 Drucksache 18/642 Nr. A.11 Ratsdokument 5855/14 kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 27. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 18 Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda TOP 19 Programm für Barrierefreiheit ZP 3 Bundeswehreinsatz Vernichtung syrischer Chemiewaffen TOP 21 Soziale Pflegeversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Das Wort erhält nun die Kollegin Kordula Schulz-

    Asche für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


    (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab
    viele Ereignisse, Bilder und Gefühle im Jahr 1994, die
    ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Eine kleine
    Auswahl:

    Am Abend des 6. April 1994 hatten wir in Kigali ei-
    nen portugiesischen Arbeitskollegen zu Besuch. Meine
    dreijährige Tochter lag schon schlafend im Bett, als um
    20.20 Uhr ein lauter Knall aus Richtung Flughafen zu
    hören war. Wenig später erfuhren wir über Telefon und
    Funkgeräte vom Abschuss des Flugzeugs des damaligen
    ruandischen Präsidenten. In dieser Nacht auf den 7. Ap-
    ril begann der systematische Völkermord an den Tutsi
    und die Ermordung von moderaten und oppositionellen
    Hutu.

    Am 7. April erhielten wir den Anruf der Ehefrau eines
    Arbeitskollegen, beide Tutsi, die uns verzweifelt um
    Hilfe bat, weil Soldaten versuchten, in das Haus einzu-
    dringen. Plötzlich hörten wir Krachen im Hintergrund
    und kurz darauf Schreie; dann brach das Gespräch ab.
    Später haben wir erfahren, dass an diesem Tag die ge-
    samte Familie ermordet worden war.

    Am 9. April fuhren wir im ersten Konvoi im Rahmen
    der Evakuierung Richtung Burundi. Als wir uns der klei-
    nen Stadt Gitarama näherten, kam uns ein alter, sehr
    hoch gewachsener Mann, ein Bauer, entgegen. Er
    schaute auf den Konvoi, begriff, dass die Ausländer ge-
    rade dabei waren, das Land zu verlassen, ließ seinen
    Stab fallen und schlug verzweifelt die Hände vor das Ge-
    sicht. In diesem Moment dachte ich wieder einmal: Wir
    werden es wahrscheinlich schaffen, aber diese Menschen
    hier lassen wir zurück. Müsste man nicht bleiben?
    Müsste man nicht irgendetwas tun? – Ein Gefühl, meine
    Damen und Herren, das man nie wieder vergisst.

    Im September und Oktober 1994, nach dem Völker-
    mord, kehrte ich nach Ruanda zurück und erfuhr von
    vielen Kolleginnen und Kollegen, die unter den Opfern
    waren, aber auch von jenen Kolleginnen und Kollegen,
    von denen es hieß, dass sie gemordet haben. So fuhr ich
    bis 1998 regelmäßig zu der Nichtregierungsorganisation,
    in der ich vor dem Völkermord gearbeitet hatte, um die
    Einarbeitung neuer Mitarbeiter zu begleiten.

    Die Frage „Warum habt ihr nicht geholfen?“ konnte
    ich allerdings nicht beantworten. Aber seitdem bin ich
    der festen Überzeugung, dass es eine Verantwortung der
    internationalen Gemeinschaft gibt, aus den Fehlern in
    Ruanda zu lernen, um eine Zivilbevölkerung tatsächlich
    wirksam vor Völkermord zu schützen und vor allem alle
    Möglichkeiten der Prävention zu erkennen, dann aber
    auch zu nutzen.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)






    Kordula Schulz-Asche


    (A) (C)



    (D)(B)

    Im Mittelpunkt der heutigen Debatte steht für mich
    das Gedenken an die vielen Opfer des Völkermords in
    Ruanda. Wir gedenken auch jener, die, sich selbst größ-
    ter Gefahr aussetzend, anderen geholfen haben. Wir ha-
    ben aber auch ausdrücklich des Leids derjenigen zu ge-
    denken, die überlebt haben, die Verwandte verloren
    haben – manche haben ihre ganze Familie verloren –,
    die, selbst traumatisiert, verstümmelt, vergewaltigt, nun
    ihren Platz in der heutigen ruandischen Gesellschaft fin-
    den müssen. Sie gehören oft zu den Vergessenen dieses
    Völkermords. Die Konzentration, die richtige Konzen-
    tration auf die juristische Verurteilung der Täter vernach-
    lässigt nach wie vor die Frage, wie die Opfer, wie die
    Zeugen besser unterstützt werden können. Hier, meine
    Damen und Herren, sehe ich auch international noch
    großen Handlungsbedarf, auch für die Zukunft.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


    Der fraktionsübergreifende Antrag erwähnt die ruan-
    dischen Bemühungen zur Aufarbeitung, die Arbeit des
    Arusha-Tribunals, den Aufbau eines geordneten Staats-
    wesens, unterstützt auch durch die Zusammenarbeit mit
    Deutschland, mit dem Ziel einer guten demokratischen,
    rechtsstaatlichen und nachhaltig sozioökonomischen
    Entwicklung in der Region der Großen Seen. Wirkliche
    Partnerschaft heißt aber auch, immer dann in den Dialog
    zu treten, wenn Menschenrechte verletzt werden. Die
    nachhaltige Entwicklung eines Landes ist nur möglich,
    wenn sich der Rechtsstaat auf eine aktive vielfältige Zi-
    vilgesellschaft stützen kann, die keine Angst vor Verfol-
    gung haben muss.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


    Auch hier könnte Ruanda zu einem Vorbild werden. Die
    Bereitschaft, dies zu unterstützen, besteht – da bin ich
    mir sicher – im gesamten Haus.

    Die bisherige Aufarbeitung des Völkermords in Ru-
    anda – ich denke an seine Genese, seine Mechanismen
    und seine Akteure – hat bereits geholfen, internationale
    Instrumente der Frühwarnung und Prävention zu entwi-
    ckeln, auch wenn es – das wird uns immer wieder be-
    wusst – schwere Rückschläge gibt. Besonders die Res-
    ponsibility to Protect, die durch die Vereinten Nationen
    2005 entwickelt und etabliert wurde, geht auch auf die
    Erfahrungen in Ruanda zurück.

    Heute ist daher eine entscheidende Frage, ob wir
    wirklich bereits alle Erfahrungen aufgearbeitet und wirk-
    lich alle Konsequenzen gezogen haben. Die Antwort ist:
    offensichtlich nein. Es ist immer leicht, auf andere zu
    zeigen. Die Verantwortlichen für das Versagen der inter-
    nationalen Gemeinschaft während des Völkermords hat-
    ten einige schnell identifiziert: die USA mit ihrem Schei-
    tern in Somalia, Belgien als ehemalige Kolonialmacht,
    Frankreich als starker Verbündeter der Regierung
    Habyarimana, die Vereinten Nationen, weil sie es ver-
    säumt hatten, früher einzugreifen.

    Und Deutschland? Vor dem Hintergrund der sich hin-
    ziehenden Friedensverhandlungen in Arusha häuften
    sich seit 1992 immer mehr Informationen über Trai-
    ningscamps von Milizen, Waffenverteilung, Todeslisten
    mit Namen von Tutsi und oppositionellen Hutu, über
    Massaker, auch in großem Ausmaß, an der Bevölkerung.
    Was wurde aufgrund all dieser Warnungen getan? Wa-
    rum wurden geheimdienstliche Erkenntnisse Deutsch-
    lands nicht an die UN-Ruanda-Mission weitergeleitet?
    Warum wurde die Bitte der UN im Mai 1994 auf Sani-
    tätssoldaten abgeschlagen? Warum wurden 147 Flücht-
    linge, für die Rheinland-Pfalz sogar die Übernahme aller
    Kosten zugesagt hatte, nicht in Deutschland aufgenom-
    men? Warum dauerte es so lange, bis der damalige Au-
    ßenminister das Wort „Völkermord“ in den Mund nahm,
    und warum hatte es, als er es tat, keinerlei Folgen? Wa-
    rum hat der Bundestag 1994 kein einziges Mal über Ru-
    anda diskutiert? – Das sind nur einige offene Fragen.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


    „Wo wart ihr? Warum habt ihr uns nicht geholfen?“
    Bartholomäus Grill sagt in dieser Woche in einem sehr
    beeindruckenden Artikel im Spiegel:

    Ich schäme mich bei solchen Fragen bis heute.

    Er hinterfragt die eigene Rolle als Journalist und seine
    1994, wie er selbst sagt, „flott hingeschriebene Fernana-
    lyse“.

    Weiter sagt Herr Grill:

    Am Ende schrieb ich, dass eine Intervention von
    außen wohl zwecklos sei. Der Text enthält die un-
    verzeihlichsten Irrtümer, die mir in meinem Berufs-
    leben unterlaufen sind.

    Hoffentlich ist dieser Artikel ein Auslöser der Aufar-
    beitung von journalistischer Seite der Art und Weise von
    Berichterstattung, aber zum Beispiel auch der Ausbil-
    dung von Journalisten der Zeitschrift Kangura oder des
    Senders Radio-Télévision Libre des Mille Collines.

    Es ist auch überfällig, die Verantwortung der deut-
    schen Entwicklungs-, Verteidigungs-, Außen- und In-
    nenpolitik aufzuarbeiten. In den 20 Jahren vor dem Völ-
    kermord war Deutschland der zweitgrößte Geber.
    Ruanda erhielt Ausstattungshilfe für die Streitkräfte, und
    seit 1978 gab es auch vor Ort eine Beratergruppe der
    Bundeswehr – bis zum April 1994. DED, GTZ, die
    Deutsche Welle, politische Stiftungen, die beiden großen
    Kirchen und viele Nichtregierungsorganisationen wirk-
    ten vor Ort. Die enge Partnerschaft zwischen Rheinland-
    Pfalz und Ruanda bestand in den 1990er-Jahren aus über
    650 Projekten. Und wieder die Fragen: Wo wart ihr?
    Warum habt ihr uns nicht geholfen?

    Die Prävention von Völkermorden bedarf der Ent-
    schiedenheit der Vereinten Nationen. Diese Entschieden-
    heit wird immer auch geprägt vom Engagement einzel-
    ner Nationen. Im Ruanda vor dem Völkermord hielten
    Politiker aus fast allen Parteien Ausschau nach dem En-
    gagement eines neutralen Partners, und ihre Hoffnung
    richtete sich auf Deutschland. Dass es wiederholt und
    zunehmend dringlicher den Wunsch nach einer deut-
    schen Vermittlungsinitiative gab, wissen wir vom Hö-
    rensagen. Ob dies stimmt und ob die Bundesrepublik je-
    mals erwogen hatte, diesem Wunsch nachzukommen,
    wird man heute ohne eine gründliche historische Auf-
    arbeitung kaum noch belegen können.





    Kordula Schulz-Asche


    (A) (C)



    (D)(B)

    Nach dem Völkermord war Deutschland eines der
    ersten Länder, die in Ruanda wieder aktiv wurden. Mit
    wesentlicher deutscher Unterstützung haben die afrika-
    nischen Partnerländer mit dem Ausbau von Frühwarn-
    systemen und der Unterstützung von Friedensmissionen
    beginnen können, die es vor dem Völkermord in Ruanda
    überhaupt nicht gegeben hat. Was nun fehlt, ist eine sys-
    tematische, unabhängige wissenschaftliche Aufarbei-
    tung der deutschen Politik in den Jahren 1990 bis 1994.
    Dies betrifft auch die Politik im Verhältnis zu anderen
    europäischen Partnern; Frankreich ist bereits genannt
    worden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


    Das Ziel einer solchen Aufarbeitung sollte es sein,
    dass wir für die Zukunft weitere Lehren daraus ziehen
    und wirklich sagen können: Unser Ziel ist: Nie wieder
    Völkermord! Lassen Sie uns alle gemeinsam, auch vor
    dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte, eine Ant-
    wort auf die Frage finden: Warum habt ihr uns nicht ge-
    holfen?

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Niels Annen für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Niels Annen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten

    Damen und Herren! Liebe Kollegin Schulz-Asche, ich
    möchte Ihnen für Ihre eindrücklichen, sehr persönlichen
    Worte recht herzlich danken.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Am 6. April 1994 wurde die Maschine des ruandi-
    schen Präsidenten im Landeanflug auf Kigali abgeschos-
    sen. Dabei kamen alle Insassen ums Leben. Nur wenige
    Minuten später begann der Mord an Hunderttausenden
    Tutsi, aber auch an moderaten Hutu, die sich schützend
    vor ihre Nachbarn gestellt hatten. Es war keine spontane
    Eruption von Gewalt, sondern ein von langer Hand orga-
    nisatorisch und ideologisch vorbereiteter Mord. In den
    Reden ist darauf hingewiesen worden: Die Verantwortli-
    chen dafür – meine Damen und Herren, das macht es be-
    sonders schwer zu verstehen – waren bekannt.

    Auch für mich hat die Erinnerung an den Genozid in
    Ruanda einen sehr persönlichen Bezug: Am 6. April
    1994 habe ich meinen 21. Geburtstag gefeiert. Die Trag-
    weite der Ereignisse, die wir eher beiläufig über das Ra-
    dio erfahren haben, habe ich damals, wie so viele andere
    auch, nicht erfasst.
    In Ruanda sind zwischen April und Juli 1994 syste-
    matisch unvorstellbare Verbrechen begangen worden,
    Verbrechen, die unser Fassungsvermögen auf eine harte
    Probe stellen; der Außenminister hat dazu die richtigen
    Worte gefunden. Ich glaube – ohne unpassende Verglei-
    che anstellen zu wollen –: Für uns Deutsche stellt dieser
    Gedenktag eine besondere – wie soll man sagen? – He-
    rausforderung dar. Wir wissen, wie schwer es ist, zu den
    dunklen Seiten der eigenen Vergangenheit zu stehen. Ich
    bin deshalb dankbar und ich freue mich darüber, dass es
    CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gelungen
    ist, einen gemeinsamen Antrag vorzulegen, den wir
    heute verabschieden wollen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heutige Ge-
    denktag erinnert uns nicht nur an den von Deutschen be-
    gangenen Völkermord an den Juden, sondern auch an
    das Versagen der internationalen Gemeinschaft, dem
    Morden in Ruanda ein Ende zu bereiten; auch darauf ist
    zu Recht hingewiesen worden. Dieses – man kann das
    gar nicht häufig genug betonen – Versagen der interna-
    tionalen Gemeinschaft ist auch unser Versagen, ist auch
    ein Versagen der deutschen Politik gewesen.

    Seit dem Völkermord in Ruanda stellen wir uns in
    diesem Parlament, in der deutschen Öffentlichkeit bei
    Nachrichten über massive Menschenrechtsverletzungen
    die Frage: Ist unsere Antwort angemessen? Der häufig
    ausgesprochene, manchmal aber auch unausgesprochene
    Maßstab für die Antwort ist Ruanda; in gewisser Weise
    ist Ruanda somit zum Synonym für Menschheitsverbre-
    chen geworden.

    Wenn wir heute der Opfer gedenken, müssen wir uns
    auch die Frage stellen, ob wir aus diesem gemeinschaft-
    lichen Versagen die notwendigen, die richtigen Lehren
    gezogen haben. Krisen betreffen häufig nicht nur ein
    Land – wir haben häufig nicht mehr die klassischen
    Akteure innerstaatlicher Konflikte –, Konfliktursachen
    kennen oftmals keine Staatsgrenzen mehr. Das stellt uns
    vor große Herausforderungen. Gerade die aktuellen Kri-
    sen in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik und im
    Südsudan, die den Deutschen Bundestag und die deut-
    sche Öffentlichkeit beschäftigen, machen allesamt nicht
    an – manchmal aus der Kolonialzeit stammenden, will-
    kürlichen – Grenzen halt, und sie können leicht über
    diese Grenzen hinaus Auswirkungen haben. Unsere
    Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss darauf an-
    gemessen reagieren. Wir alle wissen: Das ist nicht im-
    mer einfach.

    Ruanda hat, auch wenn uns einige innenpolitische
    Entwicklungen durchaus Sorgen bereiten, in den letzten
    Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht. Wir ermu-
    tigen die Regierung, auf diesem Wege weiterzugehen.
    Ich möchte die Gelegenheit deshalb gerne nutzen, den
    Generalkonsul Ruandas in Vertretung der Botschafterin
    heute auf der Bühne zu begrüßen: Seien Sie uns herzlich
    willkommen!


    (Beifall)


    Der Genozid in Ruanda hat in der Zwischenzeit sehr
    konkrete politische, aber auch völkerrechtliche Konse-
    quenzen ausgelöst. So wurde die sogenannte Schutzver-





    Niels Annen


    (A) (C)



    (D)(B)

    antwortung als Kategorie des Völkerrechts entwickelt.
    Das ist ein Fortschritt, weil Staaten, die massive Men-
    schenrechtsverletzungen zu verantworten haben, sich
    nicht mehr hinter der nationalen Souveränität verstecken
    können. Natürlich ist auch diese Norm nicht perfekt, und
    die Diskussion über den Einsatz der NATO in Libyen
    zeigt uns, wie schmal der Grat zwischen berechtigtem
    – auch militärischem – Eingreifen auf der einen und der
    Überinterpretation eines auf der Schutzverantwortung
    basierenden Mandates der Vereinten Nationen auf der
    anderen Seite ist.

    Gerade deshalb sei hier ausdrücklich daran erinnert:
    Die eigentliche Bedeutung der Schutzverantwortung
    liegt in der Verpflichtung, Staaten in die Lage zu verset-
    zen, Massengewalttaten im Vorfeld solcher Ereignisse zu
    verhindern. Ich halte es für eine zentrale Aufgabe der
    deutschen Politik, diese Fähigkeiten aufzubauen und da-
    bei mit den afrikanischen Staaten und der Afrikanischen
    Union zusammenzuarbeiten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen möchte
    ich dem Bundesaußenminister dafür danken, dass er aus-
    drücklich darauf hingewiesen hat, wie wichtig diese Ko-
    operation mit den afrikanischen Staaten ist. Ich will das
    hier einmal vielleicht auch etwas salopp formulieren: In
    der Wahrnehmung der deutschen Politik, aber auch in
    der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit wird
    Afrika manchmal wie ein Land behandelt, und dabei
    vergessen wir, wie unterschiedlich die Entwicklungen in
    Afrika sind. Wir müssen die positiven Entwicklungen
    unterstützen, und ich glaube, dazu können wir als Parla-
    mentarier beitragen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Heute – und das ist ein Fortschritt – herrscht ein weit-
    gehender Konsens darüber, dass die Staatengemein-
    schaft in Ruanda versagt hat. Der ehemalige amerikani-
    sche Präsident Bill Clinton, der sein Wegschauen in
    Ruanda als das schwerste Versäumnis seines Lebens be-
    zeichnet hat, hat in einer Rede in Kigali Folgendes for-
    muliert – ich zitiere –: Wir haben nicht schnell genug re-
    agiert, die Verbrechen nicht das genannt, was sie waren:
    ein Genozid. Wir können die Vergangenheit nicht än-
    dern, aber alles in unserer Macht Stehende tun, um eine
    Zukunft ohne Angst, aber voller Hoffnung zu bauen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bleibt auch wei-
    terhin unsere Aufgabe.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)