Lieber Herr Sarrazin, das Kapitel „Kritik der Grünen
und Kritik von Herrn Draghi an der deutschen Verhand-
lungsposition“ kommt gleich noch. Es wäre nett, wenn
Sie sich etwas gedulden könnten. Wenn ich dazu nichts
sage, können wir gerne in den Dialog eintreten. Das
kommt gleich noch, versprochen.
Ich möchte mit den Leitplanken, die wir gesetzt ha-
ben, weitermachen. Das Subsidiaritätsprinzip war uns
wichtig. Uns war wichtig, dass Banken nur dann Teil
dieses Systems werden, wenn sie einen Stresstest absol-
viert haben. Uns war wichtig, dass die finanziellen Las-
ten fair verteilt werden, und es war uns sehr wichtig,
dass das bewährte Einlagensicherungssystem, insbeson-
dere die Institutssicherung der Sparkassen und Volks-
banken, unberührt bleibt. Ich muss ganz ehrlich sagen,
266 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013
Ralph Brinkhaus
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(B)
dass die Bundesregierung in ihren Verhandlungen – das
waren sehr harte Verhandlungen, die auch sehr viel Kri-
tik hervorgerufen haben; Sie haben es gesagt, Herr
Sarrazin – ziemlich viel erreicht hat: Wir haben ein ein-
heitliches Aufsichtssystem, das im Jahr 2014 an den
Start gehen wird. Das Subsidiaritätsprinzip wird berück-
sichtigt. Die kleineren Banken sind davon ausgenom-
men. Es wird einen Stresstest geben. Die Unabhängig-
keit der EZB wird gewahrt bleiben.
Wir sind auch bei der Schaffung eines einheitlichen
Aufsichtsmechanismus auf der Zielgeraden. Das ist der
Grund, warum Herr Schäuble heute nicht hier ist. Die
Bundeskanzlerin wird den Mechanismus auf dem Gipfel
mit beschließen. Wir werden einen Aufsichtsmechanis-
mus haben. Wir werden auch einen Fonds haben, durch
den es eine Haftungskaskade, also das, was wir immer
gefordert haben, geben wird. Das bedeutet, dass zuerst
die Anteilseigner der Banken herangezogen werden,
dass dann die Gläubiger mit Ausnahme der Kleinanleger
herangezogen werden, dass dann der von Banken finan-
zierte Fonds herangezogen wird und dass erst zum
Schluss der Steuerzahler herangezogen wird. Ich glaube,
dass das gut ist.
Jetzt kommen wir zur Kritik der Grünen und dazu,
warum sie unberechtigt ist. Ihr erster Kritikpunkt ist, das
gehe alles nicht schnell genug, wir seien ja schon andert-
halb Jahre damit beschäftigt. Dazu sagen wir: Qualität
geht vor Schnelligkeit. Es sind so viele Details zu klären.
Wir haben das ja bei unseren Beratungen zur Bankenab-
gabe und zum Restrukturierungsgesetz gesehen. Es ist
gut, dass wir uns die Zeit nehmen. Das ist besser, als
schnell irgendwelchen Unsinn zu verabschieden.
Jetzt kommen wir zum zweiten Kritikpunkt, der Ihnen
besonders am Herzen liegt. Die Grünen sagen – Herr
Draghi hätte das auch gerne –: Banken haben solch eine
Sprengkraft, das überfordert Nationalstaaten, also lasst
uns doch sofort alles auf einen Deckel schreiben, lasst
uns doch für Banken Euro-Bonds durch die Hintertür
einführen. – Wir sind natürlich dagegen. Wir wollen die
Nationalstaaten nicht aus der Verantwortung entlassen;
denn das Schicksal, das Wohl und Wehe von Banken,
wird ja nicht nur durch Regulierung beeinflusst, sondern
auch durch eine falsche Steuerpolitik wie in Frankreich,
dadurch, dass es keine Administration gibt wie in Grie-
chenland, durch eine falsche Wirtschaftspolitik, die Im-
mobilienblasen hervorruft wie in Spanien.
Ganz ehrlich, Herr Sarrazin, wenn ich auf die letzten
vier Jahre zurückblicke, muss ich sagen: Wenn wir seit
2010 immer das gemacht hätten, was die Grünen und an-
dere europäische Staaten von uns gefordert haben, dann
hätten wir Deutschland schon dreimal verschenkt, ohne
irgendeine Reform zu bewirken.
Unter dem Strich bleibt zu sagen: Ich habe am An-
fang darauf hingewiesen, dass ich immer gewisse Be-
denken habe, Kompetenzen nach Europa zu übertragen.
Ich glaube, das hat gute Gründe. Nicht jeder in Brüssel
hat das Subsidiaritätsprinzip verstanden. Die Geschich-
ten von Ölkännchen in Restaurants bis zu Glühbirnen
sind Legion. Aber wenn es an einer Stelle Sinn macht,
Dinge europäisch zu lösen, dann ist das bei der Banken-
union. Insofern ist es gut und richtig, dass wir das ma-
chen.
Es ist ebenfalls gut und richtig, dass sich der Bundes-
tag – übrigens auch aufgrund von Anträgen der damali-
gen Opposition – sehr intensiv mit dieser Sache beschäf-
tigt hat. Ich glaube, es muss zu unserem neuen
Selbstverständnis gehören, dass wir, wenn Dinge auf eu-
ropäischer Ebene geregelt werden, nicht aus der Verant-
wortung entlassen sind. Wir sind dazu aufgerufen, uns
zu positionieren. Wir sind dazu aufgerufen, der Regie-
rung für die Verhandlungen im Rat ein robustes Mandat,
eine robuste Unterstützung mit auf den Weg zu geben.
Das haben wir an dieser Stelle sehr vorbildlich gemacht,
und die Regierung hat das sehr vorbildlich umgesetzt.
Ich glaube, das kann für diese Legislaturperiode stilprä-
gend werden. So wie bei der Bankenunion sollten wir
auch mit anderen europäischen Fragen umgehen.
Mir bleibt an dieser Stelle noch, dem Bundesfinanz-
minister und der Bundeskanzlerin viel Erfolg, viel Glück
und auch einen starken Willen bei diesen Verhandlun-
gen, die tatsächlich sehr hart sind, zu wünschen. Wir alle
wollen eine Bankenunion, weil wir der festen Überzeu-
gung sind, dass eine gut organisierte Bankenunion – ich
betone: gut organisierte – ein weiterer wichtiger Schritt
ist, um die Finanzmärkte sicherer und besser zu machen.
Dafür sind wir alle vor fünf Jahren nach der Finanzkrise
angetreten. Wir haben viel geliefert. An dieser Stelle
müssen wir noch liefern, und das tun wir jetzt.
Danke schön.