Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Sarrazin,
ich werde in meiner kurzen Rede nachweisen, dass auf
dem Europäischen Rat eine ganze Menge beschlossen
werden wird – gerade hinsichtlich der Zukunft der Euro-
päischen Union im Zusammenhang mit den wichtigen
Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion.
Ich möchte aber mit der Feststellung starten, dass am
Beginn der Arbeit dieser Bundesregierung auch die Wei-
terarbeit an einem Thema steht, das uns in den letzten
vier Jahren im Deutschen Bundestag in ganz besonderer
Weise und sehr oft betroffen hat, nämlich die sogenannte
Euro-Krise.
Ich denke, dass wir kurz eine Bestandsaufnahme ma-
chen müssen, wo wir in dieser Euro-Krise jetzt stehen.
Meine These ist: Wir sind dabei, diese Euro-Krise zu
überwinden. Die Euro-Zone ist nach außen gesichert. Es
gibt seit Monaten – fast seit Jahren – keine nennenswer-
ten und schon gar keine erfolgreichen Spekulationen ge-
genüber dem Euro. Die Rettungsschirme funktionieren,
und zwar im Wesentlichen so, wie wir das hier im Bun-
destag beraten und beschlossen haben, und die Ergeb-
nisse entsprechen denen, die wir erreichen wollten.
Irland wird im nächsten Jahr als erstes Land den Ret-
tungsschirm verlassen. Irland hat eine hervorragende
und fortschrittliche Entwicklung hinter sich, und es
sieht, zumindest nach jetziger Aussage der irischen Re-
gierung, auch danach aus, dass ein Folgeprogramm nicht
nötig sein wird. Ich will aber dazu sagen, dass die Welt
nicht untergehen würde, wenn sich im nächsten Jahr he-
rausstellen würde, dass die Instrumente des ESM doch
noch genutzt werden müssten.
Irland zeigt aber nach meiner Überzeugung auch Fol-
gendes – das gilt vor allen Dingen für die Euro-Krisen-
länder –: Es ist besser und weniger schmerzhaft, wenn
man schnell und entschlossen Reformen beginnt, wie
das Irland 2010 getan hat. Es wird in jedem Fall schwie-
riger, wenn man längere Zeit zögert und längere Zeit
über Wege nachdenkt, schwierigen Reformen aus dem
Wege zu gehen. Das wäre ein Irrweg.
Aber es ist auch eindeutig: Irland ist längst noch nicht
vollständig aus der Krise heraus. Die Folgen der Krise
werden die irische Politik noch viele Jahre beschäftigen.
Ich glaube, unsere Aufgabe und die Aufgabe der Euro-
päischen Union besonders für die nächsten Jahre ist,
dass wir neben der Sicherung der Euro-Zone nach außen
die Wirtschafts- und Währungsunion festigen, fortentwi-
ckeln und dauerhaft so organisieren müssen, dass solche
Krisen, wie wir sie in den letzten vier Jahren erlebt ha-
ben, nicht mehr ausbrechen können. Unter anderem die-
sen Themen widmet sich der Europäische Rat morgen
und übermorgen.
Ich will ein paar Sätze zur Bankenunion sagen. Wir
haben in der letzten Legislaturperiode viel über den ers-
ten Pfeiler der Bankenunion diskutiert, nämlich eine
funktionierende Bankenaufsicht europaweit, für alle
Bankeninstitute in der Europäischen Union. Die Rege-
lungen dazu sind politisch und parlamentarisch be-
schlossen. Die Bankenaufsicht wird 2014 beginnen.
Ich halte es für wesentlich, dass wir beschlossen ha-
ben, die zentrale Aufsicht zunächst für die 130 größten
Bankinstitute gelten zu lassen. Für genauso wesentlich
halte ich, dass die Aufsicht für kleinere Banken in der
Hoheit der Nationalstaaten bleibt, natürlich mit der
Möglichkeit, dass bei besonderen Vorkommnissen die
zentrale Aufsicht durchgreifen kann. Entsprechende Er-
fahrungen mit kleineren Instituten wurden insbesondere
in Spanien gemacht.
Ich bin auch der Überzeugung, dass es richtig war, die
Europäische Zentralbank als den gemeinsamen Banken-
kontrolleur einzusetzen. Die Europäische Zentralbank
hat sich in den letzten Jahren als einer der entscheiden-
den Stabilitätsanker in der Europäischen Union und vor
258 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013
Michael Stübgen
(C)
(B)
allen Dingen in der Euro-Zone etabliert. Die institutio-
nelle Trennung zwischen Geld- und Aufsichtspolitik der
Europäischen Zentralbank wird funktionieren.
Morgen steht vor allen Dingen die Frage des zweiten
Pfeilers der Bankenunion zur Debatte, nämlich die Ein-
führung eines sogenannten gemeinsamen Abwicklungs-
mechanismus, der es unter geordneten Bedingungen
möglich macht, bestimmte Bankinstitute zu schließen,
wenn sie entweder in eine nicht mehr korrigierbare fi-
nanzielle Schieflage geraten sind oder ein nicht zu-
kunftsfähiges Geschäftsmodell verfolgen.
Natürlich ist in diesem Komplex jede Detailfrage
noch sensibler und noch schwieriger zu klären, als das
bei der gemeinsamen Kontrolle der Fall ist; denn
schließlich kann es auch eigene Banken treffen, in
Deutschland zum Beispiel Landesbanken. Natürlich ist
diese Frage hart umkämpft. Hier müssen vernünftige
Kompromisse gefunden werden.
Nach meiner Einschätzung ist der von der Euro-
Gruppe und vom Ecofin erarbeitete Kompromiss ein
richtiger und guter Kompromiss. Wir werden in Zukunft
mit der Fortführung dieser Lösung in der Lage sein, bei
Bankenproblemen nicht in erster Linie die Steuerzahler
bürgen und zahlen zu lassen, sondern es wird sicherge-
stellt, dass in erster Linie die Eigentümer, die Gläubiger,
die Aktionäre und Vorzugsaktionäre die Hauptlast zu tra-
gen haben, und zwar im Rahmen einer klaren Gewähr-
leistung und Verbesserung der Einlagensicherung zum
Schutz der Bankkunden.
Lassen Sie mich noch auf ein weiteres Thema zu
sprechen kommen, das morgen und übermorgen eine
wesentliche Rolle spielen wird, obwohl nicht abzusehen
ist, dass es schon zu einer endgültigen Klärung kommt,
hoffentlich aber zu politischen Festlegungen. Wir haben
die Situation – das muss man schlichtweg feststellen –,
dass wir in der Bewältigung der Euro-Krise zwar weit
gekommen sind, es als Folge der Krise aber jetzt so ist,
dass nur noch 3 der 17 Euro-Länder den Triple-A-Status
haben. Das sind Deutschland, Luxemburg und Finnland.
Das ist eine klare Folge dieser Krise. Ziel muss es sein
und war es immer in der Wirtschafts- und Währungs-
union, dass alle Euro-Länder den Triple-A-Status be-
kommen.
Wir wissen auch – das hat Mario Draghi vor wenigen
Tagen in Frankreich deutlich gemacht –, dass insbeson-
dere in Frankreich, aber auch in anderen Euro-Ländern
der Reformeifer nachgelassen hat. Mario Draghi hat in
Frankreich erklärt: Erstens. Die Reformanstrengungen
werden nicht mehr ausreichend vorangetrieben. Zwei-
tens. Es wird nicht auf Dauer gehen, dass man nur mit
Steuererhöhungen die Staatsfinanzen saniert. Drittens.
Weil die Reformen nicht vorangehen, gibt es einen In-
vestitionsstau, und die Arbeitslosigkeit verharrt auf ho-
hem Niveau.
Ähnlich ist die Situation im drittgrößten Euro-Land,
in Italien. Auch dort haben – das wissen wir – im Gegen-
satz zu der Zeit der Vorgängerregierung die Reform-
anstrengungen nachgelassen. Wenn das so bleibt, kann
diese Entwicklung wieder die gesamte Euro-Zone ge-
fährden.
Aus der Erwartung, dass es schwierig sein wird, die
Reformen voranzutreiben – denn es handelt sich im We-
sentlichen um unpopuläre Reformen –, ist die Idee der
sogenannten Vertragspartnerschaften entstanden. Die
Vertragspartnerschaften sollen zusätzlich zum Euro-
Plus-Pakt, zum Two-Pack, Six-Pack und Fiskalvertrag
mehr Sicherheit bzw. Umsetzungssicherheit dafür schaf-
fen, dass Länder ihre Reformen angehen, und zwar
durch bilaterale Verträge mit der Europäischen Kommis-
sion, in denen Art, Zeitraum und Zeitpunkt der Refor-
men detailliert geregelt sind. Außerdem soll daran auch
die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung ange-
schlossen werden, um zunächst negative Auswirkungen
dieser Reformen abdämpfen zu können.
In dieser Frage sind die EU-Länder noch ziemlich
weit auseinander. In den Vorbereitungen gibt es klare
Zielsetzungen. Ich unterstütze und halte es für richtig,
was die Bundesregierung in diesem Punkt vorantreiben
will. Ich hoffe und halte es für möglich, dass es morgen
und übermorgen eine politische Einigung dazu geben
wird. Denn es wird entscheidend sein, dass wir in der
jetzigen Situation dafür sorgen, dass die Euro-Länder
ihre Reformen so umsetzen, dass sie mehr Wettbewerbs-
fähigkeit und damit mehr Arbeitsplätze und mehr Kraft
bekommen, um wieder voranzugehen und auch die so-
zialen Probleme in ihren Ländern lösen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir bleibt
am Schluss meiner Rede, der Bundeskanzlerin für den
Europäischen Rat alles Gute zu wünschen. Es geht um
Europa. Es geht um unsere Zukunft.
Danke schön.