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ID1800200600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/2 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 2. Sitzung Berlin, Montag, den 18. November 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Brigitte Zypries . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 23 D Begrüßung der Botschafterin der Philippinen, Frau Maria Natividad . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D Wirbelsturm auf den Philippinen . . . . . . . . . . 23 D Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: Gipfel der Östlichen Part- nerschaft am 28./29. November 2013 in Wilna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 24 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 27 A Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 29 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 32 B Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . 34 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 36 B Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 37 D Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 39 A Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 40 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 41 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B Tagesordnungspunkt 2: Vereinbarte Debatte: zu den Abhöraktivitä- ten der NSA und den Auswirkungen auf Deutschland und die transatlantischen Be- ziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . 45 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 47 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 C Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU). . . . . . . 52 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 55 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 56 A Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A Dr. Günter Krings (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . 58 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 C Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 61 C Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . 66 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 Jan Korte (DIE LINKE)  (zur Geschäftsordnung). . . . . . . . . . . . . . . . 67 C Thomas Oppermann (SPD)  (zur Geschäftsordnung). . . . . . . . . . . . . . . . 68 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung von Ausschüssen  (Drucksache 18/54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 18/53). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 73 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 23 (A) (C) (D)(B) 2. Sitzung Berlin, Montag, den 18. November 2013 Beginn: 13.30 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 73 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D)  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Agnes Alpers (DIE LINKE) 18.11.2013 Sabine Bätzing- Lichtenthäler (SPD) 18.11.2013 Heidrun Bluhm (DIE LINKE) 18.11.2013 Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) 18.11.2013 Klaus Brähmig (CDU/CSU) 18.11.2013 Marco Bülow (SPD) 18.11.2013 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 18.11.2013 Dr. Lars Castellucci (SPD) 18.11.2013 Roland Claus (DIE LINKE) 18.11.2013 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Alois Gerig (CDU/CSU) 18.11.2013 Nicole Gohlke (DIE LINKE) 18.11.2013 Monika Grütters (CDU/CSU) 18.11.2013 Wolfgang Gunkel (SPD) 18.11.2013 Uda Heller (CDU/CSU) 18.11.2013 Wolfgang Hellmich (SPD) 18.11.2013 Josip Juratovic (SPD) 18.11.2013 Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) 18.11.2013 Dr. Bärbel Kofler (SPD) 18.11.2013 Anette Kramme (SPD) 18.11.2013 Michael Kretschmer (CDU/CSU) 18.11.2013 Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 18.11.2013 Silke Launert (CDU/CSU) 18.11.2013 Michael Leutert (DIE LINKE) 18.11.2013 Dr. Jan-Marco  Luczak (CDU/CSU) 18.11.2013 Daniela Ludwig (CDU/CSU) 18.11.2013 Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) 18.11.2013 Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 18.11.2013 Dietrich Monstadt (CDU/CSU) 18.11.2013 Marlene Mortler (CDU/CSU) 18.11.2013 Dietmar Nietan (SPD) 18.11.2013 Johannes Röring (CDU/CSU) 18.11.2013 Dr. Dorothee  Schlegel (SPD) 18.11.2013 Bernhard Schulte- Drüggelte (CDU/CSU) 18.11.2013 Sonja Steffen (SPD) 18.11.2013 Wolfgang Tiefensee (SPD) 18.11.2013 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) 18.11.2013 Beate Walter- Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 18.11.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Wilna TOP 2 Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA ZP 1 Antrag auf Einsetzung von Ausschüssen ZP 2 Antrag zur Berechnung der Stellenanteile Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Bartsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

    freue mich, für meine Fraktion auf die Bundeskanzlerin
    antworten zu können. Die Reihenfolge der Redner ist
    schon so, wie sie bei einer eventuellen Großen Koalition
    sein wird. Offensichtlich gehen CDU/CSU und SPD da-
    von aus, dass ihre Verhandlungen wie auch der Mitglie-
    derentscheid der SPD erfolgreich sein werden, obwohl
    man im Moment vom Koalitionsvertrag vor allen Din-
    gen viel Nebel kennt. Die Oppositionsführerschaft bringt
    für die Fraktion Die Linke eine besondere Verantwor-
    tung. Ich kann den Menschen in unserem Land verspre-
    chen, dass wir alles daransetzen werden, dieser Verant-
    wortung gerecht zu werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Beginnen will ich damit, dass es ein Unding ist, dass
    wir heute die erste Sitzung des Bundestages – einmal ab-
    gesehen von der Wahl des Präsidiums – seit Juni haben.


    (Widerspruch des Abg. Michael GrosseBrömer [CDU/CSU])


    Ja, wir hatten eine Bundestagswahl. Ich hoffe, dass das
    Gerücht nicht stimmt, dass die Frau Bundeskanzlerin
    eine geheime Absprache mit der FDP hat, so lange zu
    verhandeln, bis die Legislaturperiode zu Ende ist. Ich
    hoffe, dass das wirklich nicht den Tatsachen entspricht.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mal mit dem Thema?)


    Fakt ist: Sie machen mit Ihren Koalitionsverhandlun-
    gen das Parlament zur Geisel. Sind das bereits die Vor-
    boten der Großen Koalition? Wir erwarten nichts ande-
    res als Respekt gegenüber dem Parlament. Nicht die
    amtierende Bundesregierung und auch nicht eine Bun-
    desregierung in spe, sondern der Deutschen Bundestag
    ist der Souverän.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wie wollen Sie den Menschen, die uns gewählt haben,
    erklären, dass Sie uns nicht arbeiten lassen? Dies trifft
    im Übrigen auf die Oppositionsabgeordneten wie auch
    auf die meisten Regierungsabgeordneten zu. Wir alle
    werden hier nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Ich sehe nicht,
    dass der heutige Sitzungstag dem Anspruch, als Parla-
    mentarier aktiv zu werden, gerecht wird.

    Es ist gut, vor dem Gipfel über die osteuropäische
    Partnerschaft zu sprechen.


    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ah!)


    Es muss jedoch die Frage erlaubt sein, warum wir uns
    heute damit beschäftigen, jedoch nicht mit den Themen,
    die vielen, vielen Menschen noch viel mehr auf den Nä-
    geln brennen, abgesehen von der NSA-Debatte, die ja,
    seitdem es das Handy der Bundeskanzlerin betrifft, von
    der Regierung nicht mehr totgeschwiegen oder für been-
    det erklärt werden kann. Das ist aber bei weitem nicht
    das einzige Thema, dem wir uns widmen müssen.

    Dringend wäre geboten, die schwache Binnenkon-
    junktur in Deutschland zu behandeln, die Gefahr einer
    dauerhaften Depression oder Deflation in Europa, die
    Enteignung der Kleinsparer durch negative Realzinsen,
    die Bankenunion oder – die Bundeskanzlerin hat ein
    paar Worte dazu gesagt – das Freihandelsabkommen mit
    den USA. Darüber müssen wir wirklich einmal reden,
    und zwar auch kontrovers. Das alles sind Themen, die
    die Mehrheit der Menschen in Deutschland bewegen.

    Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Euro-Krise
    vorbei ist, wenn sich Irland und Spanien demnächst das
    Geld wieder teuer auf dem Finanzmarkt leihen müssen!
    Das vermehrt vielleicht sichere Profite für Banken, die
    sich das Geld momentan quasi umsonst von der Europäi-
    schen Zentralbank leihen können. Aber die Krise macht
    doch keine Pause. Sie wird derzeit nur mit billigem Geld
    zugeschüttet.

    Morgen soll eine neue Kredittranche aus dem soge-
    nannten Rettungsschirm an Portugal freigegeben wer-
    den. Wollen Sie das den Menschen verschweigen? Wol-
    len Sie verhindern, dass Ihre Europapolitik debattiert
    wird? Darüber muss geredet werden! Aus diesem Grund
    haben wir eine etwas kreative Aufsetzungsarbeit betrie-
    ben und einen Entschließungsantrag zur Krisenpolitik
    gegenüber Portugal in die heutige Debatte eingebracht,
    zu dem ich gleich noch ein paar Worte sagen werde.

    Aber nun zur europäischen Partnerschaft


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na endlich!)


    und zum diesbezüglichen Gipfel in Vilnius. Natürlich
    begrüßen wir als Linke eine engere Zusammenarbeit


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mit Russland!)


    mit den östlichen Nachbarn der EU. Ja, vielleicht muss
    man auch im deutschen Parlament noch einmal deutlich
    sagen, dass Europa bis zum Ural geht und dass viele ehe-
    malige Sowjetrepubliken und Russland genauso zu Eu-
    ropa gehören wie Frankreich, Spanien oder Griechen-
    land.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deshalb ist es gut, dass es mehr Handel, mehr Austausch
    geben soll, dass diese Beziehungen den Menschen in
    ganz Europa zugutekommen sollen.

    Ja, Frau Bundeskanzlerin, wir aus den neuen Ländern
    haben da eine besondere Verantwortung. Für die neuen
    Länder ist das auch eine Chance. Wir wissen, dass viele
    traditionelle Verbindungen in diese Länder zusammen-
    gebrochen sind. Es gibt sie aber noch. Vor allen Dingen
    – das wissen wir beide – gibt es einen Erfahrungsvor-
    sprung, insbesondere was Sprachkenntnisse und kultu-
    relle Beziehungen betrifft. Entscheidend wird aber sein,
    dass bei der osteuropäischen Partnerschaft nicht die
    Dinge, die Europa in die Krise gezwungen haben, ganz
    oben stehen: wie die Liberalisierung des Kapitalver-





    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)

    kehrs, der Freihandel, die Konkurrenz um Löhne nach
    unten oder die Konkurrenz um die schlechtesten Arbeits-
    bedingungen. Nein, das wäre der falsche Weg.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Es muss vor allen Dingen um Integration gehen; es
    darf nicht nur um knallharte Interessenpolitik und nicht
    nur um mehr Export aus der EU in diese Länder gehen.
    Ein sehr, sehr wichtiger Punkt wären zum Beispiel er-
    leichterte Visabedingungen für die Menschen aus der
    Ukraine, aus Belarus, Moldau, Georgien, Armenien und
    Aserbaidschan.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wenn es für Menschen, die zum Beispiel unter
    Lukaschenko leiden müssen – Sie haben das geschildert –,
    nur ganz schwer möglich ist, ein Visum erteilt zu be-
    kommen, dann ist das ein Problem. Wir können durch
    mehr Offenheit dabei helfen, dass dort Mauern fallen.
    Deswegen ist die Visafrage eine zentrale Frage. Tun Sie
    etwas, damit diese Menschen leichter nach Deutschland
    kommen können!


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Verbessern Sie die Visabedingungen, Frau Bundeskanz-
    lerin! Wenn ich mich recht entsinne, regieren Sie seit
    acht Jahren. Jetzt fordern Sie Verbesserungen ein. Das ist
    aus meiner Sicht etwas komisch.


    (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber nur aus Ihrer Sicht!)


    – Immerhin.

    Ein sehr wesentlicher Punkt bei diesem Gipfel ist na-
    türlich – Sie haben darauf hingewiesen – das Verhältnis
    zu Russland. Es kann nicht das Ziel sein, die osteuropäi-
    schen Länder dem Einfluss Russlands zu entziehen und
    die traditionsreichen Sonderbeziehungen zu kappen. Ge-
    genteiliges muss das Ziel sein, nämlich gleichzeitig die
    Beziehungen zu Russland auszubauen und gemeinsam
    mit Russland die Beziehungen zu den osteuropäischen
    Ländern zu entwickeln. Das sollte einhergehen mit deut-
    lichen Positionen, zum Beispiel zum unsäglichen Agie-
    ren der Putin-Regierung gegenüber Schwulen und Les-
    ben.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es ist doch klar, dass Russland dieses Projekt mit Ar-
    gusaugen beobachtet. Es passt zur NATO-Osterweite-
    rung. Es ist ein Baustein zur Unterstützung transatlanti-
    scher Eliten. Es geht der EU offensichtlich nicht um eine
    Partnerschaft auf Augenhöhe. Eine Beitrittsperspektive
    steht im Moment überhaupt nicht zur Debatte. Man
    möchte die eigenen Regeln durchsetzen, wo es günstig
    ist, jedoch keine Einflussnahme der anderen Seite riskie-
    ren. Es geht darum, beste Bedingungen fürs Kapital zu
    schaffen und die Absatzmärkte für die eigenen Produkte
    zu erweitern, gerne auch auf Kosten der Wirtschaft der
    Partnerländer. Die vielgepriesene Demokratieförderung
    dient der EU als Mittel, ihre neoliberale Hegemonial-
    politik in den osteuropäischen Ländern fortzuführen.
    Das schulmeisterliche Auftreten der EU gegenüber den
    osteuropäischen Partnern würde man sich andersherum
    selbstverständlich verbitten. Es geht der EU viel zu we-
    nig um Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit oder Demo-
    kratie


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen!)


    und viel zu viel um Einflussnahme und Machtpolitik.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das bedeutet dann auch, dass die EU kein Interesse da-
    ran hat, etwa soziale oder ökologische Standards auf ho-
    hem Niveau festzuschreiben. So wird eine große Chance
    verpasst.

    Mir scheint, dass die EU auch bei der osteuropäischen
    Partnerschaft unverdrossen weiter auf genau die Rezepte
    setzt, die uns in die Krise geführt haben: Liberalisierung,
    Freihandel, Lohnkonkurrenz. Im Ergebnis sind zahlrei-
    che Volkswirtschaften Osteuropas der Deindustrialisie-
    rung und spekulativen Kapitalflüssen ausgesetzt.

    Eine wahrhaftige Östliche Partnerschaft, die diesen
    Namen verdient, muss den osteuropäischen Staaten er-
    möglichen, ihre Wirtschaft zu schützen und sie zu entwi-
    ckeln, und sollte nicht gegen Russland gerichtet sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Nun ein paar Bemerkungen zu unserem Entschlie-
    ßungsantrag. Die Euro-Krise ist, wie ich gesagt habe,
    nicht verschwunden und erst recht nicht überwunden. In
    Kürze soll eine neue Kredittranche für Portugal in Höhe
    von 5,6 Milliarden Euro, davon 3,7 Milliarden Euro
    durch die EFSF, bewilligt werden. Dafür haften auch die
    Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland. Un-
    ser Steuergeld wird verbrannt, weil Portugal aufgrund
    der Schuldenlast und der wachstumsfeindlichen Kür-
    zungsdiktate diese Kredite niemals wird bedienen kön-
    nen. Das Memorandum of Understanding sieht gar vor,
    dass die Unternehmensbesteuerung in Portugal sinken
    soll. Das ist doch alles nicht mehr zu fassen! Portugal
    wird nicht gerettet, sondern die Banken und Gläubiger
    werden freigekauft; Demokratie und Sozialstaat werden
    zerstört. Darum geht es in Wahrheit. Seit Beginn der so-
    genannten Euro-Rettung stieg die Staatsverschuldung
    Portugals auf etwa 128 Prozent des Bruttoinlandspro-
    dukts. Das ist das Niveau, das die Staatsverschuldung in
    Griechenland bei Ausbruch der Krise hatte. Die Arbeits-
    losigkeit ist in Portugal auf über 17 Prozent gestiegen.

    Dass die bisherige Europapolitik gescheitert ist, er-
    kennt man, wenn man sich einmal anschaut, wie sich die
    Arbeitslosenquote in den europäischen Ländern bei jun-
    gen Menschen unter 24 Jahren entwickelt hat: Sie liegt
    in Portugal bei 42 Prozent, in Griechenland bei erschre-
    ckenden 57,3 Prozent, in Spanien bei 56,5 Prozent. Aber
    auch in den Ländern, die später dazugekommen sind, ist
    die Situation katastrophal: In Bulgarien liegt die Jugend-
    arbeitslosigkeit bei 28,3 Prozent, in der Slowakei bei
    31,1 Prozent, in Kroatien bei sagenhaften 52,8 Prozent.
    Das alles sind Fakten, die in der Politik einen Aufschrei
    hervorrufen müssten


    (Beifall bei der LINKEN)






    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)

    und zu einem Nachdenken über die bisherige Politik füh-
    ren müssten. Vor allem darf das kein Muster für die ost-
    europäische Partnerschaft sein, meine Damen und Her-
    ren.

    Die Linke fordert daher eine andere, eine verantwor-
    tungsvolle Europapolitik. Wir beantragen mit unserem
    Entschließungsantrag, dass der deutsche Vertreter im Di-
    rektorium der EFSF der Bewilligung der Kredite seine
    Zustimmung versagt.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir wollen die privaten Gläubiger Portugals durch einen
    Schuldenschnitt in die Pflicht nehmen. Die Eigentümer
    der Banken, die Inhaber der Bankanleihen sowie die
    Einlagen von ausländischen Banken und Geldmarkt-
    fonds sind für die Verluste der Banken heranzuziehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Nur die Einlagen der Kleinsparer und das gewerbliche
    Kreditgeschäft müssen abgesichert werden.

    Portugal braucht Investitionsprogramme statt Ban-
    kenrettungspakete.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Dafür brauchen wir eine EU-weite Vermögensabgabe für
    Millionäre. Allein das Vermögen der europäischen Milli-
    onäre – 14 Billionen Euro – übertrifft die gesamte
    Staatsverschuldung aller 28 EU-Mitgliedstaaten.

    Korrigieren Sie diese Europapolitik! Weisen Sie beim
    Gipfel in Vilnius darauf hin, dass diese Fehler nicht wie-
    derholt werden dürfen, sondern dass es eine Kehrtwende
    in der Europapolitik geben muss!

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Gernot Erler für die

SPD-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Mit Ihrer Genehmigung komme ich

    gleich auf den Tagesordnungspunkt „Östliche Partner-
    schaft“ zu sprechen; ich habe auch vor, dabei zu bleiben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Östliche Part-
    nerschaft hat sich aus der EU-Strategie der ENP, der Eu-
    ropäischen Nachbarschaftspolitik, heraus entwickelt, die
    ihren Beginn 2003 hatte. Damit ordnet sich die ÖP in
    eine der wichtigsten EU-Strategien neben der EU-Erwei-
    terung ein, nämlich die Schaffung von Regionen koope-
    rierender Staaten rund um die Europäische Union mit
    dem Ziel, Stabilität in der EU-Nachbarschaft vor allem
    durch gutnachbarschaftliche Zusammenarbeit und Ver-
    trauensbildung zu erreichen. Zu diesem Programm ge-
    hörten und gehören neben der Östlichen Partnerschaft
    die Ostseekooperation, der Stabilitätspakt für Südost-
    europa, die EMP, der Barcelona-Prozess, die Union für
    das Mittelmeer, die Black Sea Synergy und die Zentral-
    asienstrategie der EU, zuletzt auch die Donauraumstrate-
    gie.

    Der Ansatz ist immer derselbe: Die EU prämiert
    – auch mit finanzierten Programmen und Projekten – die
    grenzüberschreitende Zusammenarbeit und wirbt dabei
    auch für europäische Werte und Verhaltensweisen. So
    steht das auch in dem Programm der Östlichen Partner-
    schaft, die im Mai 2009 auf dem Gipfel in Prag auf den
    Weg gebracht wurde.

    Hier war sehr deutlich, dass es da ein besonderes Inte-
    resse von Polen gab, das auch noch etwas anderes im
    Sinn hatte, nämlich möglichst die Ukraine, das Nachbar-
    land von Polen, näher an die europäische Integration he-
    ranzuführen. Offiziell sollte die Östliche Partnerschaft
    aber eben gerade nicht eine Beitrittsperspektive für die
    sechs beteiligten Länder schaffen. Das haben Sie, Frau
    Bundeskanzlerin, eben auch noch einmal unterstrichen.

    Es gibt einen Arbeitsrhythmus der ÖP mit Gipfeln
    alle zwei Jahre und jährlichen Außenministertreffen. Es
    gab schon zwei Gipfel, und wir stehen jetzt vor dem drit-
    ten in Vilnius. Viereinhalb Jahre sind jetzt vergangen.
    Deshalb ist es vielleicht sinnvoll, einmal eine kritische
    Zwischenbilanz zu ziehen, und das will ich versuchen.

    Dabei will ich zunächst die regionalen Konflikte be-
    trachten. Es war ein Anspruch der Östlichen Partner-
    schaft, diese Konflikte zumindest zu entschärfen. Ich
    muss feststellen, dass die Probleme bei den drei soge-
    nannten Frozen Conflicts weiter virulent sind: Das gilt
    für Nagornij Karabach, wo die beiden Konfliktpartner
    Armenien und Aserbaidschan eher auf Aufrüstung set-
    zen, als dass es Fortschritte bei dem sogenannten Minsk-
    Prozess gegeben hätte. Das gilt leider auch für Ab-
    chasien und Südossetien, wo es nach wie vor starre
    Fronten zwischen Russland und Georgien gibt; vielleicht
    können wir jetzt Hoffnung haben, dass sich durch die
    Veränderungen in Georgien im Verhältnis der beiden
    Länder etwas ändert. Das gilt auch für den Transnistrien-
    Konflikt, in den die Meseberg-Initiative zunächst Bewe-
    gung gebracht hat – es hat auch wieder die Fünf-plus-
    Zwei-Verhandlungen gegeben –; die meisten Beobachter
    sind sich jedoch darin einig, dass das Momentum der
    Meseberg-Initiative allmählich ausläuft, aber zumindest
    war das ein Teilerfolg.

    In der Summe kann man bezogen auf die Konflikte
    nicht sagen, dass die regionale Zusammenarbeit beson-
    ders gestärkt wurde.

    Ganz anders sieht das bei der Heranführung an die
    EU aus: Hier setzt Brüssel auf eine Verbindung von As-
    soziationsagreements mit Freihandelsabkommen, über
    die jahrelang verhandelt wurde, verbunden mit einer ver-
    lockenden Zugabe, nämlich der Visaliberalisierung. Herr
    Bartsch, das, was Sie hier fordern, gehört also ganz offi-
    ziell längst zur EU-Politik vor Ort. Daneben gibt es auch
    eine vertiefte Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften,
    der Civil Societies, der beteiligten Länder. Näheres dazu
    wird gleich meine Kollegin Katarina Barley sagen.





    Dr. h. c. Gernot Erler


    (A) (C)



    (D)

    Von Anfang an war Belarus wegen der innenpoliti-
    schen Situation und auch wegen der Zugehörigkeit zur
    Zollunion aus diesen Angeboten ausgenommen. Aser-
    baidschan musste als Nicht-WTO-Land zunächst auch in
    den Wartestand und bekommt jetzt so etwas wie eine
    strategische Modernisierungspartnerschaft. Mit den an-
    deren vier Ländern – Ukraine, Moldova, Georgien und
    Armenien – wurden erfolgreich entsprechende Assoziie-
    rungsabkommen ausgehandelt. Armenien entschied sich
    allerdings kürzlich, im Oktober, doch dafür, der Zoll-
    union von Putin beizutreten.

    Der Höhepunkt des Gipfels sollte die Unterzeichnung
    des Abkommens mit der Ukraine sein. Dieser Erfolg
    – das wissen wir leider aus den aktuellen Mitteilungen –
    ist im Augenblick alles andere als gesichert, weil nicht
    klar ist, ob die Werchowna Rada, also das ukrainische
    Parlament, in letzter Minute noch über einige wichtige
    Gesetze, zum Beispiel ein Gesetz über die Reform des
    Wahlrechts und ein Gesetz über die Reform der Staats-
    anwaltschaft, sowie eine Lösung für Frau Timoschenko
    entscheidet. Es gibt eigentlich nur noch den morgigen
    Tag als Chance dafür, und die Außenminister in Brüssel
    schauen im Augenblick tatsächlich nach Kiew, ob das
    noch gelingt.

    Wie konnte die Östliche Partnerschaft in eine solch
    kritische Situation geraten, und wie lässt sich erklären,
    dass wir hier womöglich vor einem regelrechten Schei-
    tern der Ostpolitik der EU stehen, wenn morgen in Kiew
    nicht noch ein kleines Wunder passiert?

    Bei dieser Frage stößt man sehr schnell auf den Fak-
    tor Russland. Viereinhalb Jahre nach dem verheißungs-
    vollen Auftakt der Östlichen Partnerschaft muss man
    feststellen: Die EU ist nicht müde geworden, zu versi-
    chern, dass sich ihre Annäherungspolitik gegenüber den
    sechs östlichen Nachbarn nicht gegen die Interessen
    Russlands richtet – Frau Bundeskanzlerin, auch Sie ha-
    ben das eben noch einmal bestätigt –, aber es ist leider
    nicht gelungen, die russische Führung davon zu überzeu-
    gen. Diese hat sich in einem Denken in geopolitischen
    Einflusskonkurrenzen als Nullsummenspiel verfestigt.
    Danach versucht die EU ganz einfach, den russischen
    Einfluss in dieser Region zulasten von Russland zurück-
    zudrängen.

    Der EU ist es auch nicht gelungen, die Russische Fö-
    deration von Anfang an in die Aktivitäten der Östlichen
    Partnerschaft zum eigenen Nutzen einzubinden. Insofern
    steht hier die Zollunion in einer Konkurrenz zu den As-
    soziationsabkommen der EU. Vielleicht ist es auch nicht
    immer von Anfang an klar geworden, dass es hierbei ei-
    nen logischen Unterschied bzw. ein logisches Entweder-
    oder gibt: Man kann nicht beiden Organisationen ange-
    hören.

    Dieser Konflikt wurde durch das verstärkt, was
    Wladimir Putin im Wahlkampf mit der sogenannten
    Eurasischen Union und dem Plan entwickelt hat, bis
    2015 eine erweiterte Zollunion zu schaffen und dafür
    weitere Mitglieder zu gewinnen. Das ist zwar vielleicht
    jetzt mit Armenien und Kirgistan gelungen, aber es ist
    völlig klar: Die Ukraine spielt eine entscheidende Rolle
    dabei, ob diese Idee einer Neuorganisation des post-
    sowjetischen Raumes gelingen kann oder nicht.

    Vor diesem Hintergrund ist zu bedauern, dass sich tat-
    sächlich eine Art geopolitisches Ringen zwischen Russ-
    land und der EU entwickelt hat. Wir sehen auch mit gro-
    ßem Bedauern, in welcher Weise Russland hier Druck
    ausübt. Es gibt eine Person namens Gennadij Onischenko,
    die es zu einer traurigen Berühmtheit gebracht hat. Das
    ist der oberste russische Lebensmittelkontrolleur. Er hat
    plötzlich festgestellt, dass es bei ukrainischer Schoko-
    lade, bei Wein aus Moldova und bei Milchprodukten aus
    Litauen schwerwiegende Probleme gibt, die allerdings
    bisher kein anderer Lebensmittelkontrolleur weltweit
    festgestellt hat. Natürlich hat das zu Embargosituationen
    geführt. Das Signal ist klar: Wer mit der EU kooperiert,
    hat Nachteile im Handel mit Russland.

    Es gibt auch ein zweites Instrument: den Gaspreis.
    Ganz plötzlich hat Armenien, als es sich für die Zoll-
    union entschieden hat, eine Reduktion des Gaspreises in
    erheblichem Umfang gewährt bekommen. Der stellver-
    tretende Ministerpräsident Rogosin hat dem kleinen
    Land Moldova, nebenbei bemerkt dem ärmsten Land in
    ganz Europa, mit einem kalten Winter gedroht. Dieser
    Hebel wird also ebenso eingesetzt wie schließlich auch
    der Sicherheitshebel. Armenien hat sich auch deshalb so
    entschieden, weil es nicht weiß, wie es anders zu einer
    größeren Sicherheit in Bezug auf den Konkurrenten
    Aserbaidschan kommen soll. Es gibt auch Angebote für
    erhebliche Waffenlieferungen an Kiew von russischer
    Seite.

    Nach viereinhalb Jahren Östlicher Partnerschaft steht
    also die EU leider vor einer ziemlich deprimierenden Al-
    ternative: Entweder es gibt einen Rückschlag für die
    Ostpolitik der EU, oder es gibt einen Dauerkonflikt zwi-
    schen Russland und den Ländern der Östlichen Partner-
    schaft, die dann auch zu Konflikten mit der EU werden.

    Insofern brauchen wir tatsächlich eine Initiative auch
    von Deutschland aus, uns kreativ mit dieser Entwicklung
    auseinanderzusetzen. Wir brauchen Ideen, wie wir aus
    dieser Konfliktlage herauskommen. Denn die Östliche
    Partnerschaft ist wertvoll. Sie muss unterstützt werden,
    und sie braucht Unterstützung in dieser schwierigen Si-
    tuation.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)