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ID1719106000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/191 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 23 Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister  BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22959 A 22959 B 22959 B 22961 B 22963 A 22965 B 22966 C 22967 D 22968 D 22970 B 22971 B 22972 A 22973 A 22973 D 22974 D 22975 D 22977 A 22978 A 22978 D 22980 A 22985 A 22992 C 22997 C 23002 A 23006 A 23008 B 23010 B 23011 C 23012 D 23015 B 23016 B 23017 D 23019 B 23020 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23022 A 23023 D 23025 D 23028 B 23029 B 23031 A 23031 D 23033 C 23034 D 23036 A 23037 B 23038 B 23039 A 23041 A 23043 C 23045 A 23046 C 23047 D 23049 A 23050 C 23052 A 23053 B 23054 C 23055 A 23056 B 23057 D 23059 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 22959 (A) (C) (D)(B) 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 23059 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 12.09.2012 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 12.09.2012 Binder, Karin DIE LINKE 12.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 12.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 12.09.2012 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 12.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 12.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 12.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 12.09.2012 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 12.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 12.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Mast, Katja SPD 12.09.2012 Mücke, Jan FDP 12.09.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 12.09.2012 Scheelen, Bernd SPD 12.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 12.09.2012 Simmling, Werner FDP 12.09.2012 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 12.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 191. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Frank-Walter Steinmeier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Nicht nur wir, sondern ganz Europa wird heute Morgen
    nach Karlsruhe geschaut haben. Die Entscheidung ist,
    vermute ich, in ihrer Bedeutung für die Zukunft Europas
    überhaupt nicht zu unterschätzen. Wir ahnen wahr-
    scheinlich alle miteinander, welche Last auf dem Gericht
    und den Richtern in den letzten Tagen gelegen hat.

    Ich will es einmal so sagen: Politisch können und
    müssen wir über den richtigen Weg aus der europäischen
    Krise streiten. Aber wir müssen es auf verfassungsrecht-
    lich gesichertem Grund tun. Diese Klarheit, liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen, haben wir seit heute wieder, und
    das ist gut an der Entscheidung.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bin froh über diese Entscheidung, weil sie erstens
    den Weg für den Start des ESM freimacht, weil sie zwei-
    tens die Parlamentshoheit über den Haushalt bestätigt,
    weil es dadurch drittens keine Entscheidung im Rahmen
    des ESM geben darf, die die Haftung Deutschlands ver-
    ändert, und weil dadurch viertens – wir haben in den
    Verhandlungen über Fiskalpakt und ESM darum ge-
    kämpft – das Informationsrecht des Bundestages, so das
    Bundesverfassungsgericht in meinen Worten, Vorrang
    haben muss vor den Vertraulichkeitsgrundsätzen der
    ESM-Gremien. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Europäische Integration kann es nur mit demokrati-
    scher Kontrolle und Beteiligung geben. Das ist die Kern-
    botschaft, die wir heute aus Karlsruhe vom Bundesver-
    fassungsgericht erhalten haben. Das ist die gute
    Botschaft aus Karlsruhe. Die Botschaften, die wir ges-
    tern von der Bundesregierung gehört haben, sind hinge-
    gen nicht gut.

    Auch ich weiß seit einigen Jahren, dass Generaldebat-
    ten über den Haushalt oft vieles sind, nur nicht Debatten
    über den Haushalt. Natürlich wird auch heute Bilanz
    gezogen nach drei Jahren erfolglosen Bemühens einer
    Koalition, zu einer Regierung zu werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Über Arbeitsplätze, über Wirtschaftsergebnisse!)


    Der Haushalt, den diese Regierung vorlegt, ist ein
    Dokument, das schon vieles vorwegnimmt. Man stelle
    sich das einmal vor: Ein Finanzminister im Glück – drei
    Jahre gute Konjunktur, ein Füllhorn, durch steigende
    Steuereinnahmen immer wieder aufgefüllt, zusätzlich
    10 Milliarden Euro durch den historisch niedrigen Zins
    als Zusatzgewinn –, und was machen Sie damit? Was ist
    Ihr ehrgeiziges Ziel? Sie hätten die erste Regierung seit
    Jahrzehnten sein können, die die Neuverschuldung auf
    null bringt. Stattdessen verdaddeln Sie die Chance zwi-
    schen unseriöser Steuersenkungspolitik und Klientel-
    befriedigung,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    zwischen Mövenpick und Betreuungsprämie. Das ist ge-
    nau das, was ich seit drei Jahren bei dieser Regierung
    feststelle: Sie, Union und FDP, wollten gemeinsam re-
    gieren. Aber Sie hatten nie ein gemeinsames Projekt, nie
    ein gemeinsames Ziel. Sie wollten die Regierung, aber
    Sie konnten damit nichts anfangen. Das ist „Politik ohne
    Morgen“, so hat Franz Müntefering vor kurzem ge-
    schrieben. Dafür war Ihre Rede gestern, Herr Schäuble,
    ein erschütternder Beweis.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auf eines – auch das muss gesagt werden – ist in die-
    ser Koalition immer Verlass: Jeden Sommer versinkt sie
    regelmäßig in Streit und Chaos. Da kämpft jeder gegen
    jeden. Verlässlich war bisher auch immer: Anfang Sep-
    tember kündigt dann die Bundeskanzlerin den Neustart
    an. Dann geht alles wie nach dem alten Motto von
    Wiktor Tschernomyrdin: Wir wollten alles besser ma-
    chen, aber am Ende kam es wie immer.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich rechne jetzt nicht drei Jahre auf, sage aber einfach
    nur mit Blick auf diesen einzigen Sommer: nicht nur
    Streit über Griechenland, nicht nur Streit über Europa,
    sondern auch Streit über die Energiewende und die
    Kosten, Streit über die Zuschussrente, Streit über das
    Betreuungsgeld, Streit über die gleichgeschlechtliche





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Ehe und steuerrechtliche Diskriminierung, Streit – selbst
    darüber – über die Verfolgung von Steuersündern; und
    neben alledem spielt der Innenminister mit den Sicher-
    heitsbehörden „Reise nach Jerusalem“. Das ist der
    Sommer dieser Regierung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Da ist keine Linie, da ist keine Führung, da ist keine
    Entscheidung. Im Kabinett ist jeder gegen jeden. Kaum
    kommt aus dieser Regierung einmal ein Vorschlag ans
    Tageslicht, ist entweder die CSU dagegen oder die FDP
    oder beide, und die CDU ist gespalten. Nichts geht mehr
    in dieser Regierung. Das ist die bittere Wahrheit über
    diese Koalition, und die muss heute zur Sprache kom-
    men.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann mal los!)


    Mein Eindruck ist: Diese Regierung wirkt ein biss-
    chen wie ein schwer angeschlagener Boxer, der in der
    nächsten Runde dem Ende entgegentaumelt. Ich sage
    nur: Deutschland braucht mehr. Deutschland braucht et-
    was anderes als ein weiteres Jahr diese schwarz-gelbe
    Agonie, die wir jetzt gesehen haben. Das geht so nicht
    weiter.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Frank-Walter Steinmeier als Klitschko! Da lachen wir! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: FrankWalter Klitschko!)


    Nun ahne ich, Herr Kauder: Wenn das nur der Vorsit-
    zende der Oppositionspartei sagt, dann lässt Sie das im
    Zweifel kalt. Aber ich ahne auch: Sie alle miteinander
    wissen sehr genau, das ist bittere Wahrheit. Wir haben
    keine Zeit für diesen Dauerstreit innerhalb der Koalition.
    Die Uhr tickt. Mit dieser Regierung läuft uns die Zeit
    davon.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum läuft uns die Regierung nicht davon?)


    Noch geht es uns gut; Gott sei Dank. Noch sind die So-
    zialkassen gut gefüllt. Noch sprudeln die Steuereinnah-
    men. Aber wenn ich die Vorzeichen richtig deute, dann
    ist doch eines ganz gewiss, liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen: Die fetten Jahre, die wir hatten, sind ganz eindeutig
    vorbei.

    Dass es uns noch vergleichsweise gut geht – Gott sei
    Dank; ich freue mich darüber –,


    (Zuruf von der FDP: Das merkt man!)


    ist im Übrigen überhaupt nichts, worauf diese Koalition
    in irgendeiner Weise stolz sein könnte.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Schon klar! Das hat die Opposition gemacht!)


    Dass es uns heute besser geht als anderen, ist das Ergeb-
    nis von Entscheidungen aus der Vergangenheit. Sie
    ernten auf Feldern, auf denen Sie nie gesät und nie ge-
    pflanzt haben. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Der Willy Brandt war es!)


    Ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht: Es waren in
    diesem Land eben Sozialdemokraten und Grüne, die die
    Weichen neu gestellt haben:


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


    mit viel Streit mit Ihnen, mit viel Streit in den eigenen
    Reihen. Aber es waren Sozialdemokraten und Grüne, die
    das Fundament für den Erfolg von heute gelegt haben,
    niemand anders.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dazu stehen Sie aber nicht mehr! Alles wollen Sie rückgängig machen!)


    Wir sind damals darangegangen und haben einen Vor-
    rat angelegt.


    (Widerspruch bei der FDP)


    – Sie wissen ja, dass ich recht habe. Deshalb schreien
    Sie doch so.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben damals den Vorrat angelegt, der uns einen
    Vorsprung vor anderen verschafft hat.


    (Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])


    Aber dieser Vorrat – das wissen Sie auch, Herr Fricke –
    bleibt nicht ewig, weil Sie die Vorräte, die wir hatten,
    nicht ergänzen, sondern sie verfrühstücken.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn man nicht endlich etwas für die Zukunft tut, dann
    ist der Vorsprung, den wir hatten, bald aufgebraucht.

    Eine Lehre aus den schwierigen zehn Jahren, die wir
    hinter uns haben, sollten Sie mitnehmen: Hätten wir uns
    damals, vor zehn Jahren, so in die Furche gelegt wie Sie
    jetzt, dann wäre Deutschland das geblieben, was wir
    nach den 90er-Jahren waren: das Schlusslicht in der
    europäischen Wachstumstabelle oder, wie die Zeitungen
    geschrieben haben, der „kranke Mann Europas“.

    Wir haben damals dafür gesorgt, dass dieses Land
    wieder auf Wachstumskurs geht. Das war Mut zur Ver-
    antwortung. Sie machen das genaue Gegenteil. Ihr einzi-
    ges Ziel ist Machterhalt, und das ist zu wenig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Geschichtsklitterung im großen Stil!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Meine Frage an diese Regierung und an die Bundes-
    kanzlerin ist deshalb: Was tun Sie, damit unser Land
    auch in zehn Jahren noch Arbeit und Wohlstand hat?
    Was tun Sie gegen den drohenden Fachkräftemangel,
    gegen die Zunahme von prekärer Beschäftigung, gegen
    die Ungleichbehandlung von Mann und Frau im Beruf,
    gegen die ungelösten Probleme bei der Integration? Was
    tun Sie gegen die wachsende Undurchlässigkeit unseres
    Bildungssystems? Und: Was tun Sie angesichts des
    Desasters, in das Sie sich selbst mit Ihrer kopflosen
    Energiepolitik geführt haben?

    Wenn es uns nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass
    Deutschland auch in zehn Jahren noch ein attraktiver
    Industriestandort mit bezahlbaren Energiepreisen ist,
    dann können wir uns die ganzen gegenwärtigen Renten-
    debatten sparen. Ohne funktionierende Unternehmen
    wird auch der Sozialstaat ausbluten. Dann wird es keine
    Beschäftigung geben, jedenfalls nicht für 41 Millionen
    Menschen wie gegenwärtig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unser Land hat ein Zukunftsproblem; das habe ich
    eben kurz skizziert. Aber es hat auch ein Gerechtigkeits-
    problem, und ich behaupte: Das eine hat mit dem ande-
    ren zu tun. Frau von der Leyen hat mit großem Eifer in
    den letzten Wochen das Problem der Altersarmut ent-
    deckt. Inzwischen hat die Regierung gegen Frau von der
    Leyen beschlossen, dass es doch keine Altersarmut gibt
    und damit auch keinen Handlungsbedarf. Weil nicht sein
    kann, was nicht sein darf, versuchen Sie, eine Debatte,
    die Sie zunächst begonnen haben, jetzt wieder möglichst
    schnell zu beerdigen, weil sie Ihnen schlicht unwillkom-
    men ist.

    Aber ich sage Ihnen voraus: Es gibt eine Wahrheit, an
    der sich auch eine Koalition von Union und FDP nicht
    vorbeidrücken kann. Wir müssen in dem Bereich der
    drohenden Altersarmut etwas tun. Nur, Frau von der
    Leyen, wie Sie es anfangen, geht es am Ende auch nicht.
    Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Armut im Alter
    folgt der Armut im Erwerbsleben. Die Ursache von
    Altersarmut ist Erwerbsarmut.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deshalb ist das beste Rezept gegen Altersarmut: gute
    Löhne, entschiedener Kampf gegen Missbrauch von
    Zeit- und Leiharbeit und – auch wenn Sie es nicht mehr
    hören können; ich sage es trotzdem noch einmal – ein
    bundesweit verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn. Das
    brauchen wir.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen mindestens 14 Euro sein! 15 Euro, mein Lieber! 12 reichen doch noch lange nicht!)


    Über all das muss man reden – über einen wirklichen
    Zukunftsentwurf, wenn Sie so wollen, der Arbeitsmarkt
    und Demografie endlich zusammenbringt –, aber eben
    nicht über ein allzu dürftiges Zuschussrentenkonzept,

    das noch nicht einmal in der eigenen Partei, geschweige
    denn in der Koalition auf Zustimmung stößt. Damit kön-
    nen Sie keine Angebote machen, über die man ernsthaft
    reden kann, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber, Herr Schäuble, nachdem ich Ihnen gestern
    zugehört habe, ist es auch gar nicht nötig, darüber zu
    reden. Sie haben gesagt, der Gegensatz zwischen Arm
    und Reich in Deutschland, der da herbeigeredet werde,
    sei – ich zitiere Sie wörtlich – „ein Hirngespinst“. Das
    haben Sie geruht uns mitzuteilen. Wenn das Ihre Haltung
    ist, dann brauchen wir in der Tat auch keine Vorsorge
    gegen Armut im Alter. Dann brauchen wir in diesem
    Land keinen Kinderzuschuss für Alleinerziehende. Dann
    brauchen wir auch keinen Mindestlohn. Ich sage Ihnen
    nur: Wer so denkt, der versteht auch nicht, warum die
    normalen Leute in unserem Land es satt haben, immer
    wieder zur Kasse gebeten zu werden für die Folgen von
    manchen Maßlosigkeiten und Verantwortungslosigkei-
    ten bei den wirtschaftlichen Eliten dieses Landes.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie werden nicht verstehen, warum die Menschen ein-
    fach nicht mehr kapieren und akzeptieren, dass, wenn
    wir über die Systemrelevanz von Banken reden, immer
    Opfer des Steuerzahlers gemeint sind, die anschließend
    eingefordert werden. Da gibt es entgegen Ihrer gestrigen
    Aussage, Herr Schäuble, ganz viel Ungerechtigkeit in
    unserem Land. Das ist kein Hirngespinst. Ich sage, es ist
    im Gegenteil so: Soziale Balance ist systemrelevant für
    Demokratie. Wir werden das eine nicht ohne das andere
    haben. Das ist die Lehre, die wir aus der Krise auf den
    Finanzmärkten ziehen sollten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Nicht nur diesen Zusammenhang haben Sie gestern
    geleugnet. Der Haushalt, den Sie diese Woche präsentie-
    ren, ist eigentlich ein Dokument von Mutlosigkeit und
    auch von Kurzsichtigkeit. Sie stellen sich einfach hin
    und sagen den Leuten überall in Europa: Nehmt euch ein
    Beispiel an uns! Wir sind ein Muster an Haushaltsdiszi-
    plin. – Nur, die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Sie
    predigen Wasser und trinken Wein. Sie setzen die Neu-
    verschuldung jetzt mit 18,8 Milliarden Euro an. Das ist
    sogar noch mehr – daran führt kein Weg vorbei – als die
    17,3 Milliarden Euro im Jahr 2011. Wir haben Ihnen
    gestern ja zugehört. Aber Sie können noch so kreativ mit
    Vergleichszahlen umgehen und hier herumdozieren, es
    bleibt dabei: Trotz jährlich steigender Steuereinnahmen
    in den letzten drei Jahren steigt Ihre Neuverschuldung.
    Ich möchte einmal wissen, wem Sie das in Europa als
    Beweis für Haushaltsdisziplin durchgehen lassen wür-
    den – vermutlich niemandem.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die Ausgaben sinken!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Auch wenn Sie es gestern von hier aus noch einmal
    bestritten haben, Herr Barthle: Nicht nur die SPD und
    die anderen Oppositionsfraktionen haben den Verdacht,
    dass Sie sich mit all dem eine Sparbüchse – allerdings
    eine milliardenschwere Sparbüchse – angelegt haben,
    um dann im nächsten Jahr, im Wahljahr, dem einen oder
    anderen schwächelnden Minister noch ein bisschen unter
    die Arme greifen zu können. Das ist doch der Grund,
    weshalb nicht nur die Bundesbank, sondern auch der
    Bund der Steuerzahler Ihnen sagt: Dieser Haushalt zeugt
    von mangelndem Ehrgeiz. – Und das ist der Grund, wes-
    halb wir sagen: Dieser Haushalt stellt vielleicht die Vor-
    bereitung auf ein Wahljahr dar, nicht aber die Vorberei-
    tung auf ein Haushaltsjahr; denn das Haushaltsjahr
    hätten Sie angesichts der enormen Steuereinnahmen
    ganz anders, viel besser, viel ehrgeiziger angehen kön-
    nen, als Sie es tun.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die größte Gefahr ist allerdings nach wie vor die
    europäische Krise, zu deren Lösung Sie in den letzten
    drei Jahren nichts Entscheidendes haben beitragen kön-
    nen, noch nicht einmal zu deren Eindämmung. Im
    Gegenteil: Drei Jahre werkeln Sie herum. Die Krise
    eskaliert von Jahr zu Jahr. In diesen drei Jahren ist die
    Krise – an den Zahlen kann niemand vorbei – vor allen
    Dingen in südeuropäischen Staaten größer geworden. In
    diesen drei Jahren ist auch das Risiko für Deutschland
    gestiegen. Ich weiß nicht, ob Sie das über den Sommer
    hinweg verfolgt haben: Das sind schon dramatische
    Wachstumseinbrüche, die wir in einigen südeuropäi-
    schen Staaten haben, vor allen Dingen in einem Land,
    das hier relativ selten zur Sprache kommt, nämlich in
    Spanien. Deshalb darf man sich mit Blick auf die
    gesamte Währungszone nicht wundern, dass es inner-
    halb der Euro-Zone alles in allem einen Auftragsrück-
    gang von 15 Prozent gibt. Ich spreche nicht von Grie-
    chenland. Ich spreche von der gesamten Währungszone.
    Sie haben auch gesehen, dass das mittlerweile in einzel-
    nen Branchen bei uns ankommt. Kurzarbeit bei Ford in
    Köln ist nicht das einzige Signal.

    Ich bin nicht hier, um schlechte Laune zu machen,


    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das gelingt Ihnen auch gar nicht!)


    sondern das sind schlicht und einfach die Zahlen, mit
    denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn Sie ein-
    mal einen Blick auf diese Zahlen werfen – das sollten
    Sie nach der Haushaltsdebatte ernsthaft tun –, dann wis-
    sen Sie auch: Bei diesem europäischen Krisenszenario,
    über das wir hier jetzt zum wiederholten Male sprechen,
    ist Matthäi am Letzten. Jetzt mit dem Finger auf andere
    zu zeigen, wie sich das in den vergangenen Monaten und
    Jahren immer bewährt hat, hilft nicht mehr, weil jeder
    sieht: Der Werkzeugkasten, auch der Werkzeugkasten
    dieser Regierung, ist leer.

    Jetzt landen Sie genau da, wo ich es Ihnen in meiner
    vorletzten Rede hier im Deutschen Bundestag vorausge-
    sagt habe. Ich habe gesagt: „Sie werden am Ende beim

    Anleihekauf der EZB landen“ – und das jetzt unbe-
    grenzt. Das ist die grandiose Leistung, für die Sie sich,
    Herr Schäuble, gestern hier mit Selbstlob überschüttet
    haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bin – da können Sie sicher sein – nicht mit den
    Klagezielen des Kollegen Gauweiler einverstanden.
    Aber in einem hat er recht: Es waren am Ende auch Sie,
    diese Bundesregierung, Frau Merkel, die die EZB nach
    und nach in diese Richtung geschoben haben. Nur, jetzt,
    am Ende dieser Entwicklung, können Sie sich doch nicht
    hinstellen und rufen: Haltet den Dieb. – Das geht nicht.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es hat einige Jahre ganz gut funktioniert, sich hier
    und in der deutschen Öffentlichkeit immer als der deut-
    sche und europäische Sparfuchs hinzustellen. Als Grie-
    chenland ein 40-Milliarden-Euro-Problem war, haben
    Sie posaunt: Keinen Cent für Griechenland! – Dann
    haben Sie den ersten Rettungsschirm aufgespannt, dann
    den zweiten und dann immer neue, immer zu spät,
    immer zu klein. Sie haben rote Linien gezogen, um
    anschließend, nach dem Überschreiten der roten Linien,
    das Gegenteil von dem zu machen, was am Tag vorher
    noch in Stein gemeißelt war. Was Sie gemacht haben,
    war – vermutlich wird sich das zeigen, wenn wir in eini-
    gen Jahren zurück auf diese Jahre schauen – die teuerste
    Variante der Antikrisenpolitik.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Jetzt, da Rettungsschirme in Milliardenhöhe gefüllt,
    verteilt, wieder aufgefüllt und wieder verteilt worden
    sind, kommt oben drauf, was vor einem Jahr für Sie alle
    noch der Gottseibeiuns war. Mit Verlaub, Frau Merkel,
    das war aus unserer Sicht immer ein wenig scheinheilig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nur „ein wenig“?)


    Was einen ärgert – auch das sage ich Ihnen ganz offen –:
    Sie haben sich oft auch von diesem Podium aus den
    Mund über Alternativen zu Ihrer Politik zerrissen, die
    auch von anderen ja durchaus vorgestellt worden sind.
    Sie haben sich über Ideen empört, selbst wenn sie aus
    Ihrem eigenen Sachverständigenrat, dem Rat der Wei-
    sen, kamen, etwa die Idee des europäischen Schuldentil-
    gungsfonds. Sie haben sich nicht nur darüber empört,
    sondern Sie haben das geradezu als Verrat an deutschen
    Interessen dargestellt. Jetzt, nach dem Scheitern der gan-
    zen Rettungsschirmpolitik, irrt dieser Teil des Plenums
    samt der Regierung einigermaßen plan- und ziellos
    herum. Jetzt auf einmal, am letzten Wochenende – ich
    traue meinen Augen nicht –, wird umstandslos gutgehei-
    ßen, was vor zwölf Monaten noch der Untergang des
    Abendlandes war.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zinssozialismus!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Das können Sie doch der deutschen Öffentlichkeit nicht
    vorführen. So kann man doch Glaubwürdigkeit in der
    Politik nicht erlangen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Damit ich nicht missverstanden werde: Der EZB ist
    dabei überhaupt nichts vorzuwerfen. Sie tut das, was
    jetzt noch zu tun ist, als die einzig noch verbliebene
    handlungsfähige europäische Institution. Sie muss das
    jetzt tun, weil kein anderer mehr in Europa verhindert,
    dass die Währungsunion den Bach runtergeht. Aber dass
    sie das so tut, wie es am Freitag beschlossen wurde,
    zukünftig ohne jede Begrenzung nach oben und ohne
    jede demokratische Kontrolle, liegt in der Verantwor-
    tung auch dieser deutschen Regierung, und das werden
    wir der Öffentlichkeit sagen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich habe es ja geahnt – Herr Schäuble, Sie haben es
    gestern auch hier vom Podium gesagt –: Sie haben erklärt,
    es werde deshalb alles ganz anders, weil ja sichergestellt
    sei, dass die Länder, denen durch die Anleihekäufe der
    EZB Hilfe gewährt werde, erst einmal Programmland
    werden müssten. Im Übrigen könne ja nichts passieren,
    weil die EZB selbst auf den sogenannten Primärmärkten
    überhaupt nicht tätig werden dürfe. Ich habe es geahnt,
    dass diese Versicherung von heute an die deutsche Öf-
    fentlichkeit und auch hier an das Parlament geht.

    Nur, es gibt ja schon Papiere Ihrer Regierung, die be-
    schreiben, wie das in Zukunft anders aussehen könnte:
    dass die EZB spanische Anleihen auf dem Sekundär-
    markt kauft, der ESM Anleihen auf dem Primärmarkt,
    der ESM dann die gekauften Anleihen an Drittbanken
    weiterverkauft und die EZB dieser Drittbank die Anlei-
    hen wieder abkauft. Im Ergebnis jedenfalls landen alle
    diese Anleihen bei der EZB, deren Anleihenportfolio auf
    diese Weise mit schlechten Anleihen immer mehr
    wächst. Das ist das Ergebnis der Entscheidung, die am
    Freitag getroffen worden ist, auch wenn das Handeln der
    EZB in dieser Situation notwendig ist.


    (Beifall bei der SPD)


    Ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht – wenn Sie
    es heute bestreiten, dann werden wir uns in sechs Mona-
    ten hier wieder darüber unterhalten –: Das ist nichts an-
    deres als so etwas Ähnliches wie eine Banklizenz durch
    die Hintertür. Das ist natürlich unvermeidbar auch Ver-
    gemeinschaftung von Schulden, allerdings – das ist der
    Unterschied zu uns – ohne demokratische Kontrolle,
    ohne klare, nachvollziehbare Regeln und Auflagen, oder
    ganz kurz: Das, was Sie der deutschen Bevölkerung in
    den letzten Jahren immer als Ziel Ihrer Politik vor Augen
    geführt haben, wird jedenfalls durch die Entscheidun-
    gen, die Sie jetzt neuerdings begrüßen, ins Gegenteil
    verkehrt. Das müssen wir der Öffentlichkeit sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Schäuble, bei alledem, worüber wir reden: Was
    ist eigentlich mit der Besteuerung der Finanzmärkte?


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja! Dazu hat er keinen Ton gesagt!)


    Was die EZB jetzt zur Währungsstabilisierung in Eu-
    ropa tut und tun muss – ich sage es noch einmal –, das
    ist, ob man es beabsichtigt oder nicht – das muss gar
    nicht das Hauptziel sein –, ganz nebenbei, natürlich auch
    ein Bankensanierungsprogramm, weil auf diese Weise
    die Banken die Möglichkeit haben, schlechte Papiere,
    zum Beispiel über den eben beschriebenen Weg, bei der
    EZB zu deponieren. Deshalb ist es auch kein Wunder,
    dass die Märkte im Augenblick so reagieren. Die Ban-
    kenaktien schießen natürlich im Augenblick mit dieser
    Erwartung durch die Decke. Ich sage noch einmal: Das
    kann man vielleicht gar nicht vermeiden, dass sich die
    Banken auf diese Weise mit sanieren. Die Frage ist nur:
    Wo bleibt denn Ihre Forderung, dass der Bankensektor
    spätestens jetzt auch ernsthaft besteuert wird? Ich habe
    den ganzen Sommer über dazu von Ihnen nichts gesehen
    und gehört.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es gab keinen Druck, der irgendwie sichtbar geworden
    wäre, keine Forderungen an die europäischen Partner,
    von denen ich gehört hätte.

    Deshalb frage ich noch einmal mit Blick auf Ihre
    gestrige Rede, in der Sie sich ja für die Konditionalität
    so gelobt haben: Wo ist denn diese Konditionalität, wenn
    es einmal nicht um Sparprogramme bei der Sozialpolitik
    geht, sondern wenn es um die Beteiligung der Finanz-
    märkte an der Bewältigung der Kosten der Krise geht?
    Dazu haben wir hier etwas vermisst.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich verstehe es nicht. Ich verstehe dieses dröhnende
    Schweigen nicht, weil wir uns gemeinsam nach schwie-
    rigen Verhandlungen darauf verständigt haben, dass dies
    Ziel unserer gemeinsamen Politik ist. Was ich mich
    frage: Wann, wenn nicht in einer solchen Situation,
    wann, wenn nicht an einer solchen Schwelle, an der wir
    sozusagen die Methode der Auswege aus der europäi-
    schen Krise völlig umstellen, wann, wenn nicht jetzt, da
    die Europäische Zentralbank mit Ihrer Billigung neue
    Aufgaben erhält, wann, wenn nicht jetzt, gäbe es die
    Chance, die Skeptiker innerhalb der Währungsunion da-
    von zu überzeugen, den Weg in die Finanzmarktbesteue-
    rung mitzugehen? Jetzt wäre der Weg gegeben, und jetzt
    wäre Konditionalität gefragt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass irgendwelche
    Initiativen in diese Richtung unternommen worden sind.
    Das ist in meinen Augen auch in diesem Bereich ohne
    jeden Ehrgeiz. Es ist bei der Finanzmarktbesteuerung
    wie bei den anderen politischen Feldern, über die ich ge-
    sprochen habe: Es ist die Haltung dieser Regierung,
    möglichst die Ziele nicht ehrgeizig zu setzen, sondern ir-
    gendwie darauf zu vertrauen, dass man schon durch-
    kommt. Ich sage am Ende nur: Das ist zu wenig für





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Deutschland. Das ist zu wenig für Europa. So kommen
    wir eben gerade nicht durch.

    Herzlichen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist für die Opposition auch zu wenig! Zero!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela

Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Meine Damen und Herren! Deutschland sendet heute
    einmal mehr ein starkes Signal nach Europa und darüber
    hinaus.


    (Zuruf von der SPD: Aber Sie nicht!)


    Deutschland nimmt seine Verantwortung als größte
    Volkswirtschaft und verlässlicher Partner in Europa ent-
    schlossen wahr – wie sehr, das haben nicht nur die Bun-
    desregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundes-
    rat in allen Entscheidungen der letzten Monate mit zum
    Teil überwältigender Mehrheit, auch in diesem Hause,
    deutlich gemacht – dafür möchte ich mich auch aus-
    drücklich bedanken –, sondern das hat heute auch unser
    oberstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht, der Hü-
    ter unserer Verfassung, mit seiner Entscheidung deutlich
    gemacht, indem es den Weg für den ESM und den Fis-
    kalvertrag frei gemacht hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das Gericht macht den Weg genau in dem Geiste frei,
    der uns und mich auch ganz persönlich immer geleitet
    hat, und das ist das Zusammenwirken aller Institutionen,
    insbesondere auch mit dem Deutschen Bundestag. Die
    Bekräftigung der Rechte des Parlaments


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür musste Sie niemand verklagen!)


    gibt allen, diesem Haus, aber auch den Steuerzahlern,
    den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande, Sicher-
    heit, und diese Sicherheit ist wichtig für den Kurs, den
    wir einzuschlagen haben. Deshalb sage ich: Das ist ein
    guter Tag für Deutschland, und es ist ein guter Tag für
    Europa, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir können das in dem Bewusstsein heute hier debat-
    tieren: Deutschland ist Stabilitätsanker, und Deutschland
    ist Wachstumsmotor.


    (Zuruf von der SPD: Wie geht denn das zusammen, „Anker“ und „Motor“? Deutschland geht es gut, obwohl wir natürlich auch nicht abgekoppelt von den anderen Ländern in Europa leben können. Deutschland hat in all den Krisenjahren seit 2008 gezeigt, was in unserem Land steckt. Deutschland hat, nachdem die Wirtschaft im Jahr 2009 um 5 Prozent eingebrochen war, das damalige Wirtschaftsniveau wieder erreicht. Wir hatten letztes Jahr 3 Prozent Wachstum, und wir sind auch robust in dieses Jahr gestartet. Die Arbeitslosigkeit liegt unter 3 Millionen. Es ist im Augenblick die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist zurückgegangen. Die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahren hat sich seit 2005 mehr als halbiert. Die Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den geringsten Jugendarbeitslosigkeiten in Europa. Das zeigt: Gerade junge Menschen haben in Deutschland eine Chance. Wir haben immer wieder gesagt: Wir wollen stärker aus der Krise hervorgehen, als wir hineingegangen sind. – Genau das ist uns gelungen. Das ist vor allen Dingen der Erfolg der Menschen in diesem Lande, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Unternehmer. Aber es ist auch der Erfolg der christlich-liberalen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was?)


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Unsere Politik folgt dabei drei Prinzipien: solide Finan-
    zen, Solidarität mit den Schwachen


    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, um die Zukunft
    zu sichern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie da nicht rot werden!)


    Das gilt sowohl – da sprechen wir immer mit der glei-
    chen Stimme – für unser Vorgehen in Europa als auch
    für unsere Politik hier bei uns zu Hause,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo denn?)


    und zwar ist das gespeist aus der festen Überzeugung,
    dass es Deutschland auf Dauer nur gut geht, wenn es
    auch Europa gut geht.

    Deshalb sagen wir: Wir haben eine schwere Krise,
    eine Krise, die mit Staatsschulden zu tun hat, eine Krise,
    die mit unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit zu tun
    hat.


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Finanzmärkte!)


    Wir haben diese Krise noch nicht überwunden. Wir wer-
    den sie auch niemals mit einem Paukenschlag überwin-
    den. Aber ich sage auch: Wir haben erste Fortschritte bei
    der Krisenbewältigung erreicht.





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Wir haben Solidaritätsmechanismen – das sind der ESM
    und die EFSF – und auch Fortschritte bei der Wettbe-
    werbsfähigkeit. Das heißt, wir haben auf der einen Seite
    Solidarität und auf der anderen Seite die Verbesserung
    der Wettbewerbsfähigkeit immer zusammen gesehen.

    Die Schwierigkeiten, die wir zurzeit haben, sind ganz
    wesentlich in den einzelnen Mitgliedsländern, insbeson-
    dere der Euro-Zone, entstanden. Deshalb müssen die
    Probleme, auch wenn es hart ist, auch wenn es den Men-
    schen in diesen Ländern viel abverlangt und auch wenn
    schon sehr viel dabei erreicht wurde, ganz vorrangig in
    den einzelnen Ländern gelöst werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Herr Steinmeier, Sie haben es so hingeworfen, Grie-
    chenland sei ein 40-Milliarden-Problem. Ich weiß nicht,
    ob Sie das ernsthaft glauben.


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gewesen!)


    – Ja, ja, damals. – Schauen Sie sich bitte einmal die
    strukturellen Probleme Griechenlands an! Ich glaube,
    verantwortliche Politiker in Griechenland, die es gut mit
    Griechenland meinen und die die Probleme sehen – vom
    Katasteramt bis zum Eintreiben von Steuern und vielem
    anderen mehr –, würden einen solchen Satz nicht sagen,
    dass Griechenland ein 40-Milliarden-Problem ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb sage ich, dass die Dinge an der Wurzel ange-
    gangen werden müssen. Neben der Frage der Überwin-
    dung der Schuldenkrise zeigt sich immer mehr – das
    macht die Schwierigkeit aus –, dass wir gleichzeitig eine
    unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit in Europa haben.
    Das ist das eigentliche Problem. Da stellt sich die Frage:
    Wohin wollen wir denn mit unserem europäischen Kon-
    tinent? Wollen wir vorne mit dabei sein, oder wollen wir
    uns durch eine schnelle Haftungsunion in der Mitte tref-
    fen und dann alle von den Weltmärkten und den Schwel-
    lenländern abgekoppelt sein? Das wollen wir nicht, die
    christlich-liberale Koalition. Das ist der Unterschied,
    meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Es ist doch verständlich: Wir in der Europäischen
    Union sind weniger als 10 Prozent der Bevölkerung der
    Welt. Wir produzieren ein Viertel des Bruttoinlandspro-
    dukts der Welt. Wir geben 50 Prozent der Sozialausga-
    ben in der Welt aus. Das muss miteinander in Einklang
    gebracht werden, entweder indem wir wettbewerbsfähi-
    ger werden oder indem wir kürzen müssen. Ich möchte,
    dass wir wettbewerbsfähiger, innovativer, kreativer wer-
    den. Dieser Weg muss beschritten werden, und daran ar-
    beiten wir.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    In dieser schwierigen Krise hat jede Institution ihre
    Verantwortung. Da ist es richtig, dass der Europäische
    Rat, die Parlamente der Mitgliedstaaten des Euro-Raums,
    die Europäische Kommission und das Europäische Parla-

    ment ihre Verantwortung wahrnehmen. Aber dazu gehört
    auch, dass die Europäische Zentralbank im Rahmen ihrer
    Verantwortung – sie gründet auf Unabhängigkeit


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weiß das der Dobrindt?)


    und ist auf die Erhaltung der Geldwertstabilität begrenzt –
    ihre Pflichten wahrnimmt. Das tut sie, und, meine Da-
    men und Herren, sie tut es mit einer Maßgabe, die unse-
    ren Kurs unterstützt, nämlich mit der Maßgabe, dass die
    Ursachen ganz wesentlich in den Mitgliedstaaten selbst
    liegen und dass deshalb eine strenge Konditionalität die
    Maßnahmen der Europäischen Zentralbank begleiten
    muss. Das hat die Europäische Zentralbank gesagt, und
    nicht die, die ihre Unabhängigkeit zu respektieren haben.
    Deshalb sage ich: Wir empfinden das als Unterstützung
    unseres Kurses.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Das ist ja wohl nicht wahr!)


    Im Kern geht es in Europa um noch etwas anderes.
    Das, was ich genannt habe, sind die Indikatoren; aber
    insgesamt geht es um die Rückgewinnung von verloren
    gegangenem Vertrauen. Die Glaubwürdigkeit unseres
    Handelns in der Europäischen Union und ganz beson-
    ders in der Euro-Zone ist angekratzt; sie ist erschüttert
    worden und muss wiedergewonnen werden. Man kann
    drum herumreden, wie man will: Das Zurückgewinnen
    von Vertrauen dauert. Das ist ein schwieriger Prozess,
    und an dem arbeiten wir.

    Neben all den Maßnahmen, die in den Nationalstaaten
    zu passieren haben, neben den Solidaritätsmechanismen,
    die wir etabliert haben, brauchen wir natürlich auch et-
    was, das die Gründungsdefizite der Wirtschafts- und
    Währungsunion, das, was damals nicht geleistet wurde,
    ausgleicht. Deshalb müssen wir auch die Wirtschafts-
    und Währungsunion fortentwickeln. Wir haben dabei
    wichtige Schritte schon erreicht: Der Fiskalpakt ist heute
    vom Bundesverfassungsgericht genehmigt worden. Wir
    haben erreicht, dass wir einen Euro-Plus-Pakt haben, in
    dem wir sagen: Wir müssen koordinierter zusammenar-
    beiten. Aber ich sage, dass die Verbindlichkeit dieser Zu-
    sammenarbeit in beiden Bereichen noch nicht ausreicht.
    Deshalb wird sich Deutschland aktiv daran beteiligen,
    wenn es um die Fortentwicklung der Wirtschafts- und
    Währungsunion geht, wie wir es bereits tun.

    Das Prinzip dabei muss sein, dass wir nicht möglichst
    viel nach Europa geben, sondern nur das verbindlich ma-
    chen, was unbedingt notwendig ist, auf der anderen Seite
    aber das bei den Nationalstaaten lassen, was bei den Na-
    tionalstaaten bleiben kann, aber dass das, was wir unter-
    einander versprechen, auch wenn es zwischen den Re-
    gierungen ist, auch wirklich eingehalten wird. Was soll
    die Welt denn davon halten, wenn wir vor Jahr und Tag
    – im Übrigen unter meinem Vorgänger – beschlossen
    haben, dass jedes europäische Land 3 Prozent seines
    Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung
    ausgibt, und man heute in Europa zwischen 0,7 Prozent





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)


    und 3,5 Prozent alles finden kann, sich also keiner an das
    hält, was man beschlossen hat? Das muss aufhören,
    meine Damen und Herren. Deshalb müssen die nationa-
    len Politiken verbindlicher werden; es muss von der
    Kommission eingefordert werden können, dass diese na-
    tionalen Politiken auch durchgesetzt werden. Darum
    geht es.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wir werden deshalb in diesem Deutschen Bundestag
    bis Dezember über weitere Schritte zu einer Fortent-
    wicklung der Wirtschafts- und Währungsunion spre-
    chen. Ich sage noch einmal: Dabei geht es nicht um die
    Form – brauchen wir eine Vertragsänderung: ja oder
    nein? –, sondern um das Funktionieren der Wirtschafts-
    und Währungsunion. Was dafür notwendig ist, wird ge-
    macht, und dann wird man auch den rechtlich notwendi-
    gen Weg finden. Es geht zunehmend – das sage ich aus-
    drücklich – auch um die demokratische Legitimierung
    dieser Schritte. Wir werden uns darüber zu unterhalten
    haben: Welche Rolle spielt das Europäische Parlament?
    Welche Rolle spielen die nationalen Parlamente? – Das
    ist ganz wichtig, um Akzeptanz in der Bevölkerung für
    unsere Weiterentwicklung zu schaffen, meine Damen
    und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Arfst Wagner [Schleswig] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Es ist auch vollkommen richtig, sich noch einmal da-
    ran zu erinnern, wie die ganze Krise eigentlich entstan-
    den ist,


    (Zurufe von der SPD: Ja!)


    und zu fragen: Was haben wir denn in der Finanzmarkt-
    regulierung erreicht, was haben wir im Bereich der Ban-
    ken erreicht? Die Krise ist von Bankenversagen ausge-
    gangen, und deshalb ist es richtig, dass wir festgestellt
    haben: In Europa – auch das müssen wir sehen – haben
    die nationalen Bankenaufsichten nicht ausreichend
    Handlungsfähigkeit bewiesen. Deshalb ist es gut und
    richtig, jetzt insbesondere im Euro-Raum Vorschläge für
    eine gemeinsame Bankenaufsicht zu machen. Die Kom-
    mission hat Vorschläge vorgelegt. Dazu wird die Bun-
    desregierung Stellung nehmen; darüber werden wir uns
    im Parlament unterhalten. Aber auch hier sage ich: Es
    geht vor allen Dingen darum, dass diese Aufsicht quali-
    tativ funktioniert, nicht darum, dass sie möglichst
    schnell in Kraft tritt, aber dann nicht funktioniert. Es
    geht auch nicht darum, dass möglichst jeder überwacht
    wird – das kann die Europäische Zentralbank gar nicht
    leisten –; es geht um die Qualität der Überwachung und
    nicht allein um die Quantität. Das wird der Maßstab un-
    serer Prüfung sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Ich darf sagen, dass wir natürlich einiges bei der Re-
    gulierung erreicht haben, zum Beispiel schärfere Eigen-
    kapitalregeln. Wir haben längst die für die Restrukturie-
    rung der Banken in Deutschland notwendigen
    rechtlichen Grundlagen erarbeitet; jetzt werden sie in
    Europa erarbeitet. Wir haben einzelne Finanzgeschäfte,

    zum Beispiel die Leerverkäufe, eingeschränkt; Europa
    ist nachgezogen. Wir werden jetzt im Bereich Hochfre-
    quenzhandel tätig, und auch hier wird Deutschland
    Motor sein. Auf internationaler Ebene wird zurzeit ins-
    besondere über die Schattenbanken gesprochen. Auch
    hier sage ich: Deutschland und Europa müssen Motor
    sein, um diese internationale Finanzmarktregelung vo-
    ranzutreiben. Es gibt Tendenzen, die zeigen, dass andere
    daran nicht so interessiert sind, und dagegen müssen wir
    uns mit aller Macht stemmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wir haben hier im Zusammenhang mit der Ratifizie-
    rung des Fiskalpakts miteinander davon gesprochen,
    dass wir eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der
    Finanztransaktionsteuer wollen. Der Bundesfinanz-
    minister wird natürlich alles tun und tut alles, um dies
    umzusetzen. Dass die Kommission im August nicht ge-
    arbeitet hat, Herr Steinmeier, können Sie uns nicht anlas-
    ten. Aber schon beim nächsten Treffen der Finanzminis-
    ter wird das Thema wieder auf die Tagesordnung
    kommen; denn wir wollen die Finanztransaktionsteuer.
    Tatsache ist, dass sich bei den Ländern, die im Augen-
    blick akute Schwierigkeiten mit ihren Banken haben, die
    Euphorie, eine Finanztransaktionsteuer einzuführen, im
    Augenblick etwas in Grenzen hält. Das heißt, wir wer-
    den in dieser Frage Treiber sein; aber wir müssen auch
    zur Kenntnis nehmen, dass es Länder gibt, die dazu eine
    andere Meinung haben. Es ist gut, dass es dem Finanz-
    minister gelungen ist, eine Gruppe von Ländern zusam-
    menzubringen, die sich für eine verstärkte Zusammenar-
    beit einsetzen will. Selbstverständlich werden wir Ihnen
    regelmäßig darüber berichten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Jahrelang blockiert!)


    Meine Damen und Herren, unsere nationale Politik
    findet jetzt in einem international schwierigen Umfeld
    statt. Das weltweite Wirtschaftswachstum ist schwach;
    das europäische Wachstum zeigt leicht rezessive Ten-
    denzen, wenngleich wir das nicht kleinreden sollten. Als
    wir jüngst in Spanien auf der großen Investorenkonfe-
    renz waren, ist etwas sehr Interessantes berichtet wor-
    den; ich finde, man muss den Ländern auch ein bisschen
    Mut machen. Die Spanier haben gesagt: Die Absätze in
    der Industrie, insbesondere im Bereich Export, wachsen. –
    Der Einbruch beim Wirtschaftswachstum rührt natürlich
    daher, dass im öffentlichen Sektor erhebliche Reduktio-
    nen vorgenommen werden. Aber wollen Sie denn allen
    Ernstes sagen, dass das nicht gemacht werden soll, nur
    um kurzfristig gute Wachstumszahlen zu haben? Diese
    Anpassungen sind notwendig; gleichzeitig muss die
    Wettbewerbsfähigkeit für den unternehmerischen Sek-
    tor gestärkt werden, und genau das macht Spanien. Auf
    diesem Weg wünschen wir Spanien allen Erfolg.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Unsere nationale Politik entspricht den Prinzipien von
    soliden Finanzen, Solidarität mit den Schwachen und
    Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Aber wir tragen
    auch im europäischen Umfeld Verantwortung. Immer
    wieder wird uns gesagt: Versucht, durch eine gute Bin-





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)


    nennachfrage einen Beitrag zur Ankurbelung der Welt-
    wirtschaft zu leisten, weil ihr es euch aufgrund eurer
    Haushaltssituation leisten könnt. – Genau das spiegelt
    sich in unserem Haushalt wider.

    Ich bin etwas traurig, erschüttert und durcheinander,


    (Zurufe von Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


    weil Sie zwischen Soll und Ist immer noch nicht unter-
    scheiden können


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    und deshalb falsche Informationen über die Haushalte
    verbreiten. Aber wir werden nicht nachlassen, unsere
    Statistiken immer wieder sorgsam nachzureichen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Lesen Sie Zeitung?)


    Wir werden Ihnen unsere Statistiken immer wieder zur
    Verfügung stellen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Lesen Sie eigentlich Zeitung, Frau Merkel?)


    Auf jeden Fall werden wir schon im nächsten Jahr, also
    drei Jahre früher, als nach Vorgabe des Grundgesetzes
    erforderlich, die Schuldengrenze von 0,35 Prozent des
    Bruttoinlandsprodukts erreichen. In dieser schwierigen
    Situation werden die Haushalte 2014 bis 2016 auf
    nahezu dem gleichen Niveau bleiben – das zeigt die mit-
    telfristige Finanzplanung –, und bei gutem Verlauf ist ein
    ausgeglichener Haushalt wieder in Reichweite gerückt.
    Wenn man einmal überlegt, dass wir 2009 mit einem
    veranschlagten Defizit von über 80 Milliarden Euro in
    die Debatte gegangen sind, kann ich nur sagen: Die
    christlich-liberale Koalition hat hier wunderbar gearbei-
    tet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war denn da Kanzler?)


    – Dieser Haushalt war, soweit es die Bundeskanzlerin
    betrifft, von mir zu verantworten. Ich finde nur, wir ha-
    ben super gearbeitet. Wenn ich mit einem Defizit von
    über 80 Milliarden Euro gestartet bin und jetzt bei
    18 Milliarden Euro angekommen bin, dann ist das doch
    eine tolle Arbeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Entschuldigung, das wird man doch einmal sagen dür-
    fen.

    Wir wollen, dass Deutschland menschlich und wirt-
    schaftlich erfolgreich ist. Deshalb setzen wir vor allen
    Dingen auf Investitionen in die Zukunft. Das ist es, wo-
    ran wir uns auch messen lassen. Deshalb haben wir Jahr
    für Jahr mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus-
    gegeben: 13 Milliarden Euro insgesamt in dieser Legis-
    laturperiode. Meine Damen und Herren, man denkt: Da,
    wo nicht geklagt wird, passiert nichts. Ich kann Ihnen
    nur sagen, dass wir im gesamten Forschungsbereich
    – durch die Hightech-Strategie, durch unsere Bildungs-
    ausgaben, durch den Ausbildungspakt und durch vieles

    andere mehr – Dinge geschafft haben, die man vor Jah-
    ren noch nicht für möglich gehalten hätte. Wir haben be-
    nachteiligten Kindern und Jugendlichen mehr Chancen
    gegeben. Wir haben mehr Studierende an den Hochschu-
    len. Wenn der Bund nicht durch den Hochschulpakt hel-
    fen würde, hätten wir riesige Probleme. Benachteiligten
    Kindern helfen wir durch das Bildungspaket.


    (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen die Kinder das schon?)


    Wir haben die berufliche Bildung modernisiert und
    neu strukturiert. Ich will an dieser Stelle noch einmal sa-
    gen: Egal wohin wir kommen in Europa – ob das Portu-
    gal ist, ob das Italien ist, ob das Spanien ist, ob das
    Frankreich ist –, wir werden um unser duales Ausbil-
    dungssystem beneidet; denn es ist für eine moderne In-
    dustriegesellschaft das geeignete Ausbildungssystem.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb ist es auch unsere gemeinsame Aufgabe, bei der
    OECD dafür zu sorgen, dass, neben den vielen guten und
    richtigen Aufforderungen, dass mehr Menschen studie-
    ren, das Berufsbildungssystem nicht einfach abgeschla-
    gen zur Seite gestellt wird, sondern die Priorität hat und
    die Anerkennung bekommt, die diesem System in hoch-
    entwickelten Industriegesellschaften zukommt.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Das müssen Sie den Brüsselern sagen und nicht uns!)


    – Ich habe doch nur gesagt: Lassen Sie uns das gemein-
    sam bei der OECD angehen. Ich bin schon in Brüssel
    vorstellig geworden und habe gesagt: Man kann auch
    eine gute Pflegekraft werden, wenn man nur zehn Jahre
    zur Schule gegangen ist und drei Jahre Ausbildung ge-
    macht hat. Man muss nicht Abitur haben. – Das müssen
    wir gemeinsam vertreten. Das ist es, woran wir arbeiten
    müssen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Der Bericht „Bildung in Deutschland“ zeigt, dass wir
    heute weniger Kinder mit sozialem und wirtschaftlichem
    Bildungsrisiko haben, dass wir bei der Bildungsbeteili-
    gung von Migrantinnen und Migranten Fortschritte ma-
    chen. Unsere Integrationsgipfel – das ist übrigens die
    Arbeit nicht allein der Bundesregierung, sondern auch
    der Länder und Kommunen – haben sich bewährt. Das
    Niveau der Schulabschlüsse ist gestiegen. Mehr junge
    Menschen studieren Ingenieurwissenschaften, als wir es
    vor Jahr und Tag hatten. Das alles sind Entwicklungen,
    die sich in der Zukunft für uns auszahlen werden. Dabei
    leitet uns das Ziel: Jedes Kind soll die gleichen Chancen
    auf eine hervorragende Bildung haben. Ich habe in mei-
    nem Bürgerdialog, bei dem ich mit vielen Menschen ge-
    sprochen habe, die sich online beteiligt haben, immer
    wieder gehört, dass der Wunsch geäußert wird, den
    Menschen eine Chance auf Bildung zu geben, und dass
    Bund, Länder und Kommunen eng zusammenarbeiten.
    Deswegen unterstütze ich das, was Annette Schavan
    sagte, nämlich einen Bildungsrat einzurichten





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch ein Gipfel! Hilfe!)


    und alle Akteure zusammenzunehmen, um hier voranzu-
    kommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sigmar Gabriel [SPD]: Das meinen die nicht! Die meinen die Ganztagsschule!)


    Meine Damen und Herren, Investitionen in die Zu-
    kunft, das heißt auch, sich auf die augenblicklichen und
    zukünftigen Entwicklungen vorzubereiten. Wir alle wis-
    sen, dass der demografische Wandel, die Veränderung
    der Altersstruktur unserer Gesellschaft, das Thema der
    nächsten Jahre und Jahrzehnte sein wird. Wir müssen zur
    Kenntnis nehmen, dass Deutschland heute schon das
    Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt in der Welt
    ist. Diese Tendenz wird sich verstärken. Was bedeutet
    das? Das bedeutet, dass die schleichende Veränderung,
    die wir gar nicht jeden Tag mitbekommen, dazu führt,
    dass sich in Zukunft Lebenszeit anders verteilen wird,
    dass sich in den ländlichen und städtischen Regionen der
    Bundesrepublik Deutschland die Bevölkerungsstruktu-
    ren verändern werden. Das heißt, die Frage: „Wie ge-
    stalte ich meine Lebenszeit?“ wird das tragende Thema
    der nächsten Zeit werden. Genau deshalb haben wir ge-
    sagt: Darauf brauchen wir Antworten. Deshalb haben
    wir unsere Demografiestrategie begonnen: zuerst mit ei-
    nem Bericht über die Fakten im Oktober 2011, dann hat
    der Bundesinnenminister zusammen mit den anderen be-
    teiligten Ressorts ein Aufgabenpaket vorgestellt.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


    Danach sind wir auf Länder, Kommunen, Sozialpartner
    und Bürgergesellschaft zugegangen und haben gesagt:
    Wir wollen sechs Handlungsfelder definieren und in Ar-
    beitsgruppen darüber sprechen, was wir hier erreichen
    können. Am 4. Oktober wird der Demografiegipfel statt-
    finden; im Mai/Juni 2013 werden wir dann über die Er-
    gebnisse berichten. Das Erstaunliche ist, dass alle, die
    wir ansprechen und mit denen wir reden, mehr als bereit
    sind, sich dieses Themas anzunehmen, und sagen: Wir
    wollen dabei mitwirken.

    Natürlich haben wir auch eigene Aufgaben. Dazu ge-
    hört die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kin-
    dertagesstättenplatz. Am 1. August 2013 muss dieses
    Ziel erreicht sein. Die Bundesregierung hat jetzt noch
    einmal 580 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit
    wir dieses Ziel wirklich erreichen können. Das war
    wichtig, weil die Zahl derer, die ein solches Angebot in
    Anspruch nehmen wollen, in unserer Gesellschaft zu-
    nimmt. Ich sage aber auch: Jetzt sind alle verpflichtet,
    dies umzusetzen, damit wir diesen Rechtsanspruch am
    1. August nächsten Jahres einlösen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    In diesem Zusammenhang werden wir für diejenigen,
    die staatliche Betreuungsangebote nicht in Anspruch
    nehmen wollen, im Herbst ein Betreuungsgeld verab-
    schieden. Für uns gehört beides zusammen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Oh! – Sigmar Gabriel [SPD]: Das haben Sie wohl schnell abhandeln wollen!)


    Wir haben auch in einem anderen Bereich gehandelt.
    Wir haben gesagt: Wir müssen die Pflegeversicherung
    reformieren. Dabei waren zwei Dinge wichtig: Zunächst
    brauchen wir eine bessere Betreuung von Menschen mit
    Demenzerkrankungen. Wir brauchen auch eine bessere
    Betreuung der Personen, die in Pflege sind. Jeder weiß,
    wie viele Familien in unserem Lande umtreibt, wie das
    zu organisieren ist. Wir werden aber auch Anreize zur
    privaten Vorsorge setzen, weil wir glauben, dass das
    Pflegerisiko in der Zukunft steigen wird, und weil wir
    Menschen ermuntern wollen, für den Pflegefall Vorsorge
    zu treffen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Noch eine Zweiklassengesellschaft!)


    – Private Vorsorge anzubieten, ist wie bei der Alterssi-
    cherung – darauf komme ich gleich noch – auch im Be-
    reich Pflege sehr vernünftig.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Sie scheinen sich da nicht richtig auszukennen, Frau Bundeskanzlerin!)


    Sie haben damals die Riester-Vorsorge als private Vor-
    sorge vorgeschlagen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Ich lade Sie mal ins Pflegeheim ein!)


    Es gibt, glaube ich, gute Gründe, so auch in Bezug auf
    andere Lebensrisiken vorzugehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Weil wir wissen, dass die Rentenversicherung und die
    Altersarmut ebenfalls wichtige Themen sind, haben wir
    bereits in unserer Koalitionsvereinbarung verankert,
    dass wir uns genau mit diesen Fragen beschäftigen wol-
    len. Deshalb ist es richtig, dass die zuständige Ministerin
    dazu Vorschläge gemacht hat. Dieses Risiko haben wir
    nicht erst vor drei Tagen gesehen. Vielmehr haben wir
    dies bereits zu Beginn unserer Regierungstätigkeit als
    ein Risiko notiert, bei dem Handlungsbedarf besteht.


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was haben Sie gemacht?)


    Dass das ein sehr komplexes Fragenpaket ist, werden Sie
    erkennen, wenn Sie sich die Fakten anschauen. Hier sage
    ich: Wir brauchen unbedingt Antworten auf diese Fra-
    gen, vor allem für diejenigen, die wenig verdienen, die
    eine unterbrochene Erwerbsbiografie haben – hierunter
    übrigens viele Menschen in den neuen Bundesländern –,
    und zwar nicht erst in 30 Jahren, sondern relativ bald,
    weil schon 20 Jahre lang eine hohe Arbeitslosigkeit
    herrscht. Das betrifft vor allen Dingen diejenigen, die
    heute niedrige Einkommen haben.

    Zur Debatte gehört aber auch – und darauf werden
    wir achten –, dass sie realistisch geführt wird. Wer den
    Eindruck erweckt, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)


    oder 8,50 Euro eine Antwort auf das Problem der Alters-
    armut ist,


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht das in Richtung Frau von der Leyen?)


    der wird sich nicht um eine reale Betrachtung der Fakten
    verdient machen, sondern weiß, dass er mit Argumenten
    kommt, die nicht stimmen. Schauen Sie sich die Fakten
    an, und dann können wir darüber reden. Ich bin sehr da-
    für.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Auch bei uns in der Koalition gibt es Diskussionen über
    die Frage: „Brauchen wir Lohnuntergrenzen, ja oder
    nein?“ Aber den Eindruck zu erwecken, dass das Kon-
    zept eines einheitlichen Mindestlohns von 8,50 Euro
    eine Antwort auf das Problem der Altersarmut ist, ist
    nicht redlich. Deshalb müssen wir dagegen angehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Die Koalition wird Vorschläge unterbreiten, so wie wir
    es in der Koalitionsvereinbarung als Aufgabe definiert
    haben,


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Die gibt es noch, die Koalitionsvereinbarung?)


    und zwar relativ bald.

    Wegen des demografischen Wandels werden wir uns
    weiterhin mit dem Thema Fachkräftemangel beschäfti-
    gen. Hier hat die Bundesregierung in zwei Bereichen ge-
    handelt: auf der einen Seite mit der Anerkennung auslän-
    discher Berufsabschlüsse – diese Maßnahme beginnt
    jetzt zu wirken – und auf der anderen Seite mit der Um-
    setzung von Maßnahmen zur verbesserten Zuwanderung
    von Hochqualifizierten. Auch hier haben wir nicht nur
    weitreichende Vorschläge gemacht, sondern auch die
    entsprechenden Beschlüsse gefasst.


    (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Fachkräftemangel im Kabinett!)


    Wenn wir über Zukunft sprechen, dann sprechen wir
    auch über die Zukunft des Industriestandorts Deutsch-
    land. Natürlich war die Energiewende, natürlich waren
    die Beschlüsse, die wir im Juni 2011 im Lichte der Er-
    eignisse von Fukushima gefällt haben, eine Zäsur. Ich
    möchte noch einmal daran erinnern: Damals haben wir
    diese Beschlüsse in großer Gemeinsamkeit in diesem
    Hohen Hause gefällt. Es steht uns gut an, über dieses
    wirklich große Projekt, dieses große Ziel, bei dem viele
    Menschen auch außerhalb Deutschlands auf uns schauen
    und fragen: „Könnt ihr es schaffen, das Zeitalter der er-
    neuerbaren Energien schnell zu erreichen und trotzdem
    ein guter Industriestandort zu bleiben?“, weiter gemein-
    sam zu diskutieren und nicht Scheinbarrieren aufzu-
    bauen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht ums Diskutieren!)


    Man muss sagen: Wir haben gewusst, dass das kein
    einfacher Weg wird. Wir haben auch gewusst, dass wir
    dabei Neuland beschreiten.


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Chaos ist das!)


    Deshalb sage ich Ihnen: Sie werden noch in diesem Jahr
    den ersten Monitoringbericht über das, was geschafft
    wurde, bekommen. Darüber wird dann hier diskutiert. Es
    gibt inzwischen – ich will Ihnen berichten, was gesche-
    hen ist – eine Arbeitsstruktur mit vielen Unterarbeits-
    strukturen.


    (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber keinen Masterplan! – Weitere Zurufe von der SPD: Oh!)


    – Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Schauen Sie, die
    Energiewende kann der Bund alleine nicht schaffen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Das merken wir!)


    Bund und Länder müssen zusammenarbeiten.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Dass Ihnen das schon auffällt!)


    Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir viele Plattformen
    haben, auf denen diese gemeinsame Arbeit zwischen
    Bund und Ländern stattfindet.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Fangen Sie einmal mit der gemeinsamen Arbeit in der Regierung an!)


    Ich spüre den Willen der Ministerpräsidenten, der Ener-
    gieminister und der Umweltminister der Länder – der
    Wirtschaftsminister und der Bundesumweltminister sind
    hier viel unterwegs –, dieses für Deutschland so wichtige
    Problem gemeinsam zu lösen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Für die Länder trifft das zu!)


    Ich biete Ihnen, den Oppositionsfraktionen, an, Sie in
    diese Gemeinsamkeit einzubeziehen.


    (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind schon dabei!)


    Es wäre schön. Je gemeinsamer wir das machen, desto
    besser.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Der Ausbau der Netze kommt voran. Es gibt viele
    Projekte im Zusammenhang mit dem sogenannten
    EnLAG-Gesetz, die sich verzögert haben; ich will das
    hier nicht weiter ausführen. Der Netzbedarfsplan wird
    jetzt aber erstellt durch die Bundesnetzagentur, durch die
    Betreiber. Das entsprechende Gesetz werden wir vor
    Jahresende vorlegen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Donnerwetter!)


    Dabei geht es um die großen Gleichspannungsübertra-
    gungsleitungen, die die Grundlage dafür sind, dass wir
    mehr Strom aus erneuerbaren Energien an die Industrie-
    produktionsstandorte bekommen.


    (Ulrich Kelber [SPD]: Das haben Sie 2007 noch abgelehnt!)






    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)


    Der Ausbau im Bereich erneuerbarer Energien geht
    zügig voran. Die Probleme der Offshorewindenergieer-
    zeugung sind gelöst worden. Die entsprechenden Kabi-
    nettsbeschlüsse dazu gibt es. Wir haben eine EEG-
    Novelle auf den Weg gebracht, die sich mit der Reduk-
    tion der Förderung der Solarenergie befasst. Jetzt kommt
    ein Punkt, der zur Redlichkeit wirklich dazugehört,
    wenn wir das Projekt erfolgreich abschließen wollen:
    Der Ausbau im Bereich der Solarenergie überschreitet
    alle Prognosen, die wir jemals gehabt haben. Ich erin-
    nere an die wichtigen Studien von Prognos usw., die wir
    bekommen haben. Es hat technische Entwicklungen ge-
    geben – das ist genau das, was ich mit „Neuland“ meine –,
    die man so nicht hat absehen können. Wir werden Ende
    des nächsten Jahres wahrscheinlich um die 40 Gigawatt
    Leistung im Solarbereich haben. Um einen Vergleich zu
    geben: An einem normalen Tag braucht Deutschland
    eine zur Verfügung gestellte Leistung von 60 Gigawatt.
    40 Gigawatt werden wir mit Solarenergie erreichen –
    nur dass die Sonne nicht den ganzen Tag scheint. Wir ha-
    ben einen Kompromiss gefunden: Wir haben den Aus-
    bau im Bereich Solarenergie bei 50 Gigawatt gedeckelt.

    Meine Damen und Herren, erst dafür zu sein, dass der
    Bereich der Solarenergie stärker gefördert wird, und sich
    anschließend, jetzt, im Herbst, darüber zu beklagen, dass
    die Umlage stärker steigen wird, als wir gedacht haben,
    das geht nicht zusammen, wenn man es mit der Energie-
    wende ehrlich meint.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Es geht auch nicht, dass man verschweigt, dass Unter-
    nehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von
    der Umlage befreit werden müssen, weil sie sonst die
    Menschen, die dort beschäftigt sind, entlassen müssten.
    Man kann nicht dafür eintreten, dass auch diese Unter-
    nehmen die EEG-Umlage zahlen müssen, nur um sich
    bei Bürgerinnen und Bürgern lieb Kind zu machen. Das
    werden wir nicht durchgehen lassen; denn zur Redlich-
    keit gehört: Wir wollen eine effiziente Wirtschaft, wir
    wollen Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie,
    und wir wollen die Energiewende schaffen. Das muss
    zusammengebracht werden, und da muss man auch die
    unangenehmen Wahrheiten aussprechen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Es wird im Verlaufe des Herbstes auf noch etwas an-
    kommen. Wir haben nicht nur sehr große Kapazitäten im
    Solarbereich, sondern Planungen für Windenergie, nach
    denen wir, wenn wir sie addieren, um 60 Prozent über
    dem liegen, was wir an Windenergie in den nächsten
    Jahren brauchen werden. Deshalb müssen wir auch hier
    mit den einzelnen Ländern darüber sprechen: Wie bauen
    wir die Windenergie so aus, dass wir den richtigen Pfad
    von Preisgünstigkeit und Schaffung von mehr Kapazität
    für erneuerbare Energien hinbekommen?


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal Ihrem Herrn Altmaier!)


    Auch das geht ohne Absprachen zwischen Bund und
    Ländern nicht. Darauf werden wir im Laufe des Herbstes
    zurückkommen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich sage Ihnen: Kassandrarufe bei dem Thema
    Energiewende sind völlig unangebracht. Neulich hat je-
    mand in der Zeitung Die Zeit geschrieben: Wir sind auf
    einem 10 000-Meter-Lauf, und wer nach 1 000 Metern
    schreit: „Das ist alles nicht zu schaffen“, der hat die Auf-
    gabe nicht verstanden. – Wir fühlen uns dieser Aufgabe
    verpflichtet – der Wirtschaftsminister, der Umweltminis-
    ter, die ganze Bundesregierung, die Koalitionsfraktio-
    nen.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allen voran Herr Brüderle!)


    Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass wir das
    schaffen. Es wird eines der ganz gelungenen Projekte für
    Deutschland werden; ich bin davon zutiefst überzeugt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine Damen und Herren, wir sind uns alle schnell
    darin einig, wenn es heißt: Der Aufschwung, das, was
    wir uns erarbeitet haben, muss bei den Menschen an-
    kommen. Deshalb möchte ich noch zwei bzw. drei The-
    men ansprechen; eines hängt mit dem Umweltschutz zu-
    sammen.

    Wir wissen, der große Markt, auf dem wir CO2 ein-
    sparen können, auf dem wir Wachstum generieren kön-
    nen, ist die Gebäudesanierung. Seit über einem Jahr ver-
    handeln wir nun über die steuerliche Förderung der
    Gebäudesanierung. Es gibt Rechnungen über Rechnun-
    gen, in denen nachgewiesen wird, dass die Zunahme bei
    den Mehrwertsteuereinnahmen die Ausfälle bei der Ein-
    kommensteuer um ein Vielfaches übersteigt. Die Um-
    weltverbände, das deutsche Handwerk, alle Gruppen, die
    mir überhaupt bekannt sind, haben sich vielfach flehent-
    lich an die SPD-regierten Bundesländer gewandt, sie
    mögen hier doch bitte gemeinsam mit uns eine Lösung
    finden. Deshalb sage ich ganz einfach: Tun Sie etwas
    Gutes für die Energiewende, indem Sie endlich der Ge-
    bäudesanierung das Tor öffnen, damit wir hier handeln
    können.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine Damen und Herren, wir sollten gerade die Ar-
    beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die so wesentlich
    dazu beigetragen haben, dass wir so gut durch die Kri-
    senjahre gegangen sind, die zu Flexibilität bereit waren
    – wenn man sich einmal die Arbeitszeitkonten anschaut,
    dann sieht man, welche Flexibilität wir da gewonnen ha-
    ben –, fair an den ansteigenden Einnahmen beteiligen.
    Es ist absolut unverständlich, dass es so schwierig ist,
    über einen ansteigenden Grundfreibetrag und die Verrin-
    gerung der kalten Progression mit der Sozialdemokratie
    und den Grünen zu diskutieren.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir haben vorgeschlagen, dass der Bund von den
    Steuerausfällen einen größeren Anteil übernimmt, als es
    eigentlich unsere Aufgabe wäre. Dass Sie den Arbeit-
    nehmerinnen und Arbeitnehmern nicht das geben wol-
    len, was ihnen zusteht, wenn sie die verdiente Lohnerhö-
    hung bekommen, das werden wir thematisieren, wenn
    Sie Ihre Meinung nicht ändern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)


    Wir erleben täglich, dass sich Menschen in unserem
    Lande den Veränderungen stellen. Die Arbeitnehmerin-
    nen und Arbeitnehmer haben das in der Krise getan. Wir
    sehen, dass die Soldatinnen und Soldaten es tun, wenn es
    um die Umstrukturierung der Bundeswehr geht. Wir ha-
    ben über die Maßen bei der Aussetzung der Wehrpflicht
    das erfreuliche Erlebnis gehabt, dass der Zivildienst
    durch einen Bundesfreiwilligendienst ersetzt werden
    konnte, weil Menschen sich eingebracht haben. Es gibt
    ein überwältigendes ehrenamtliches Engagement in un-
    serem Lande. All das macht es möglich, auf eine sich
    verändernde Welt überhaupt reagieren zu können.

    Die Menschen erheben auch ihre Stimme, wenn es
    um die Grundlagen unseres freiheitlichen demokrati-
    schen Zusammenlebens geht. Das haben wir bei den
    schrecklichen Attentaten im Zusammenhang mit den
    NSU-Morden erlebt. Ich wiederhole hier – auch ange-
    sichts der Vorgänge von gestern –: Wir tun alles – wenn
    ich „wir“ sage, dann meine ich die gesamte Bundes-
    regierung –, um die Dinge aufzuklären, und der Bundes-
    innenminister tut alles, um die Sicherheitsstrukturen so
    zu formen, wie es notwendig ist, damit sich in Zukunft
    solche Dinge nicht wiederholen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außer de Maizière und Friedrich!)


    Wir wollen, dass die Menschen in diesem Lande,
    auch wenn sie verschiedenen Religionen angehören,
    friedlich zusammenleben können. Deshalb wird die
    Bundesregierung auch das einlösen, worum sie der Bun-
    destag gebeten hat, nämlich einen Gesetzesvorschlag für
    die Beschneidung vorlegen. Das ist uns wichtig. Das ist
    die Grundlage: Gewaltlosigkeit, Integration. Deshalb
    sage ich: Die Bundesregierung wird das alles unterstüt-
    zen. Ich freue mich zum Beispiel darüber, dass die Bun-
    desligavereine an diesem Samstag nicht mit ihren nor-
    malen Trikots spielen werden, sich für die Integration
    von Migranten einsetzen und sagen: Geh deinen Weg,
    egal woher du kommst. Wir wollen, dass du Erfolg in
    diesem Land hast. – Diese Bestrebungen wollen wir
    unterstützen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Die Politik setzt Leitplanken – das tun wir –, aber die
    Politik ist auch darauf angewiesen, dass die Menschen in
    diesem Lande ihr Land gern haben, ihr Land lieben und
    ihren Beitrag für das Gelingen dieses Landes leisten. Ich
    habe Ihnen berichtet, welche Leitplanken wir setzen, und
    ich freue mich, das für ein Land zu tun, in dem die Men-
    schen so aktiv, so bereit sind, eine gute Zukunft für ihre
    Kinder und Enkel zu gestalten. In diesem Sinne ist mir
    nicht bange um die Zukunft Deutschlands.

    Herzlichen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)