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ID1719100600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/191 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 23 Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister  BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22959 A 22959 B 22959 B 22961 B 22963 A 22965 B 22966 C 22967 D 22968 D 22970 B 22971 B 22972 A 22973 A 22973 D 22974 D 22975 D 22977 A 22978 A 22978 D 22980 A 22985 A 22992 C 22997 C 23002 A 23006 A 23008 B 23010 B 23011 C 23012 D 23015 B 23016 B 23017 D 23019 B 23020 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23022 A 23023 D 23025 D 23028 B 23029 B 23031 A 23031 D 23033 C 23034 D 23036 A 23037 B 23038 B 23039 A 23041 A 23043 C 23045 A 23046 C 23047 D 23049 A 23050 C 23052 A 23053 B 23054 C 23055 A 23056 B 23057 D 23059 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 22959 (A) (C) (D)(B) 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Beginn: 10.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 23059 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 12.09.2012 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 12.09.2012 Binder, Karin DIE LINKE 12.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 12.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 12.09.2012 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 12.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 12.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 12.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 12.09.2012 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 12.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 12.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Mast, Katja SPD 12.09.2012 Mücke, Jan FDP 12.09.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 12.09.2012 Scheelen, Bernd SPD 12.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 12.09.2012 Simmling, Werner FDP 12.09.2012 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 12.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 191. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dagmar G. Wöhrl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

    Frau Kofler, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Wäh-
    rend Ihrer Rede habe ich mir gedacht: Wo sind denn Ihre
    Lösungsvorschläge? Sie haben Probleme angesprochen;
    das ist verständlich. Sie haben, wie es sich für die Oppo-
    sition gehört, angegriffen. Das ist normal; das macht
    jede Opposition. Aber wo sind Ihre Lösungsvorschläge?
    Ich erwarte von einer Opposition auch, dass sie sagt, wie
    sie die Probleme, die sie selbst anspricht, lösen will.


    (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Es kommen noch drei Redner!)


    Frau Dr. Kofler, wir alle haben Wünsche. Auch wir
    würden in diesen Haushalt gern noch mehr Geld einstel-
    len; das ist doch überhaupt kein Thema. Aber Sie müs-
    sen uns eines zugestehen: Wir konnten diesen Haushalt
    verstetigen. Wir konnten einen leichten Zuwachs errei-
    chen. In diesen Zeiten, in denen Haushaltskonsolidie-
    rung das Ziel ist, ist diese Entwicklung gut, wichtig und
    positiv.

    Sie müssen doch auch berücksichtigen: Wenn Sie
    mehr Geld wollen, um Wünsche und Vorstellungen zu
    realisieren, müssen Sie auch sagen, woher das Geld
    kommen soll.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Hoteliers! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Millionärssteuer!)


    Es müsste an einer anderen Stelle aus dem Haushalt ge-
    nommen werden. Das heißt, an einer anderen Stelle wäre
    wieder ein Loch; dort würde dann das Geld fehlen.

    Sie haben von Effizienz gesprochen. Es ist wahr: Wir
    müssen mit dem Geld die richtigen Akzente setzen. Wir
    müssen darauf achten, dass wir dieses Geld effizient ein-
    setzen. Wir müssen die richtigen Strategien entwickeln
    und immer wieder überprüfen.

    Wir wissen, dass Entwicklungspolitik und wirtschaft-
    liche Zusammenarbeit von Nachhaltigkeit leben. Wir ha-
    ben viel erreicht. Wir sind auf einem guten Weg. Die Ko-
    alitionsvereinbarung trägt maßgeblich die Handschrift
    der Union, vor allen Dingen die des Kollegen Ruck – ich
    sehe ihn hier gerade in der ersten Reihe sitzen –, der die
    Koalitionsverhandlungen zu diesem Thema mitgeführt
    hat. Wir haben viel erreicht. Alles, was von uns in die
    Vereinbarung geschrieben worden ist, ist auf einem gu-
    ten Weg: eine bessere Ergebnisorientierung, mehr Betei-
    ligung der privaten Wirtschaft, Verbesserung und Re-
    form der Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit.

    International werden wir hinsichtlich der Durchfüh-
    rungsorganisationen gelobt. Gestern war der Präsident

    der Weltbank zu Besuch. Er war voll des Lobes dafür,
    wie wir die Strukturen in diesem Bereich verändert
    haben. Das kommt doch nicht von ungefähr. Sie müssen
    zugeben, dass wir inzwischen besser aufgestellt sind,
    auch hinsichtlich Notsituationen, zum Beispiel Dürren
    und Katastrophen, mit denen wir nicht rechnen können,
    wenn wir den Haushalt aufstellen. In einer solchen Si-
    tuation muss man flexibel reagieren und ganz schnell
    Geld zur Verfügung haben. Nehmen Sie das Beispiel
    Syrien. Über 200 000 Menschen sind auf der Flucht in
    die Nachbarländer, über 50 000 allein nach Jordanien.
    Auch da müssen wir aktiv werden. Beim Aufstellen des
    letzten Haushalts konnten wir das noch nicht ahnen.
    Trotzdem haben wir hier Geld zur Verfügung gestellt,
    weil es notwendig war, die Gesundheitsversorgung und
    die Trinkwasserversorgung in den Flüchtlingslagern auf-
    rechtzuerhalten.

    Entwicklungspolitik heißt immer, Strategien auf den
    Prüfstand zu stellen. Das ist richtig. Entwicklungspolitik
    wird sich immer verändern, sie wird nie so bleiben, wie
    sie heute ist. Deswegen finde ich es gut, dass wir ver-
    schiedene neue Institutionen auf den Weg gebracht
    haben, zum Beispiel „Engagement Global“. Wir haben
    jetzt eine Servicestelle für Bürgerengagement. Wir wis-
    sen, dass die Politik viel erreicht hat, aber die Politik ist
    nichts ohne die Organisationen. Sie ist nichts ohne die
    Kirchen, ohne die Stiftungen und ohne die vielen NGOs,
    die auf der Welt aktiv sind und die bestimmt viel größe-
    ren Anteil an funktionierenden Projekten haben, als wir
    Politiker überhaupt haben können. Ich glaube, man muss
    diesen vielen Organisationen, deren Mitarbeiter größten-
    teils ehrenamtlich tätig sind, ein Dankeschön sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wir alle kommen aus Städten und Kommunen. Wir
    wissen: Alle unsere Städte und Kommunen haben Part-
    nerschaften, und viele haben Partnerschaften mit Städten
    und Kommunen in Entwicklungsländern. Die Kommu-
    nen machen hier eine sehr gute Arbeit. Sie geben dorthin
    ihr Wissen und ihr Know-how. Sie tragen mit dazu bei,
    dass sich dort eine gewisse Stabilität entwickelt. Deswe-
    gen finde ich es richtig, dass wir Geld in die Hand neh-
    men, um die Kommunen hierbei erstmals zu unterstüt-
    zen. Es könnte ein bisschen mehr sein; das ist klar. Aber
    es ist ein erster Schritt, den wir richtigerweise gemacht
    haben.

    Partnerschaften sind wichtig. Sie, Frau Dr. Kofler,
    haben das angesprochen. Es ist vollkommen richtig: Wir
    brauchen Partnerschaften mit den Entwicklungsländern
    und mit den Schwellenländern, und keiner soll auf den
    anderen herabschauen. Für diese Partnerschaften brau-
    chen wir aber auch die Wirtschaft. Denn nur zusammen
    mit der Wirtschaft können wir in der Zukunft das Ziel
    „Handel statt Hilfe“ erreichen. Nehmen Sie als Beispiel
    Afrika. In Afrika sind inzwischen 700 deutsche Unter-
    nehmen aktiv. Sie machen keinen schlechten Umsatz; er
    liegt bei etwa 32 Milliarden Euro. Aber viel wichtiger
    ist, dass sie dort 200 000 Arbeitsplätze schaffen. Damit
    können viele Familien ernährt werden, Kinder können in





    Dagmar G. Wöhrl


    (A) (C)



    (D)(B)


    die Schule gehen, es gibt eine Gesundheitsversorgung
    usw.

    Es kann doch nicht schlecht sein, diese Entwicklung
    zu fördern und noch mehr Betriebe, vor allem mittelstän-
    dische, zu ermutigen, in diesen Ländern aktiv zu werden.
    Deswegen ist es richtig, dass wir an den Handwerkskam-
    mern Trainingsmaßnahmen durchführen und dass wir
    entsprechende Scouts haben. Ich spreche viel mit mittel-
    ständischen Unternehmern. Ich merke, dass wir in die-
    sem Bereich noch viel mehr machen müssen. Hier tut
    Aufklärung not. Manche von ihnen wissen nämlich
    überhaupt nicht, welche Chancen sich in den Entwick-
    lungsländern eröffnen.

    Trotz aller Erfolge, die wir zu verzeichnen haben,
    stellen wir fest, dass oft ein explosives Gemisch entsteht:
    aus Katastrophen, Dürren, Hungerkrisen, Klimawandel
    und vielem mehr. Sicherlich haben wir inzwischen
    gelernt, auf Katastrophen besser zu reagieren als in der
    Vergangenheit, und wir handeln präventiver. Trotzdem:
    Es gibt immer noch 18 Millionen Menschen in Mali, in
    Burkina Faso und im Tschad, die hungern. Es leben
    925 Millionen Menschen auf der Welt, die unterernährt
    sind. Die Hälfte von ihnen sind Kleinbauern; das kann
    man sich oft gar nicht vorstellen. Man fragt sich: Wieso
    Bauern? Bauern müssen doch etwas anpflanzen können.
    Wieso leben sie unterhalb der Armutsgrenze? Das muss
    uns zu denken geben. Das zu ändern, ist unsere Aufgabe
    und unsere Herausforderung.

    Die Welternährungsorganisation, die FAO, und viele
    Experten sagen voraus, dass wir in den nächsten Jahren
    infolge von Nahrungsmittelengpässen und Wasser-
    knappheit mit gewaltsamen Auseinandersetzungen – ich
    wiederhole: mit gewaltsamen Auseinandersetzungen –
    rechnen müssen. Auch dies ist eine große Herausforde-
    rung, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Das
    schafft keine Regierung allein. Diese Herausforderung
    können wir nur gemeinsam als Parlament in Zusammen-
    arbeit mit internationalen Organisationen bewältigen.

    Wir wissen um die Probleme, die mit Preissteigerun-
    gen bei Nahrungsmitteln einhergehen; Sie haben sie an-
    gesprochen. Man muss sich nur vor Augen führen, dass
    der Reispreis in den letzten Tagen teilweise um 30 Pro-
    zent gestiegen ist. Auch der Weltbankpräsident hat, als
    er gestern in Berlin war, vor dem Riesenproblem stei-
    gender Nahrungsmittelpreise gewarnt.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2,9 Milliarden
    Menschen auf der Welt müssen von weniger als 2 Dollar
    pro Tag leben. Sie müssen 50 bis 80 Prozent ihres Ein-
    kommens für Nahrungsmittel ausgeben; in Deutschland
    sind es im Vergleich dazu 10 Prozent. Preissprünge bei
    Nahrungsmitteln sind für diese Menschen also lebens-
    bedrohlich. Sie stecken sie nicht so einfach weg. Um
    sich auch in Zukunft ernähren zu können, müssen sie
    beispielsweise ihre Kinder von der Schule nehmen oder
    darauf verzichten, zu einem Arzt zu gehen.

    Diese Probleme haben natürlich viele Ursachen; das
    ist klar. Wir alle wissen: Dazu gehören insbesondere
    Dürren und Ernteausfälle, wie sie derzeit auch in den
    USA oder in Osteuropa zu beobachten sind. Außerdem

    muss man bedenken, dass die Zahl der Menschen auf der
    Welt immer weiter steigt. Tag für Tag kommt es zu
    einem Zuwachs um 231 000 Menschen. Das entspricht
    einer Steigerung um 78 Millionen Menschen pro Jahr.
    Auch diese Menschen brauchen Nahrung.

    Hinzu kommt: Heute haben die Menschen ganz
    andere Konsumgewohnheiten als in der Vergangenheit.
    Wie Sie wissen, hat sich in manchen Schwellenländern
    wie Indonesien und China ein Mittelstand entwickelt;
    das hätte man sich vor einigen Jahren überhaupt nicht
    vorstellen können. Die Eltern und Großeltern der heute
    lebenden Generation hatten ganz andere Nahrungsge-
    wohnheiten. So wurden im Jahre 1990 in China jährlich
    26 Kilogramm Fleisch pro Person verbraucht; inzwi-
    schen sind es jährlich 56 Kilogramm pro Person. Das hat
    natürlich auch zur Folge, dass die für den Futteranbau
    notwendigen Agrarflächen heutzutage größer sind als
    damals.

    Die Biospritpflanzen sind bereits angesprochen wor-
    den. Es ist gut, dass diese Diskussion geführt wird. Auf
    eines möchte ich allerdings hinweisen: In Deutschland
    wurden im vergangenen Jahr nur 4 Prozent der hiesigen
    Getreideernte für die Produktion von Biosprit genutzt;
    das entspricht einem Anteil an der weltweiten Getreide-
    ernte in Höhe von 0,1 Prozent. Deutschland ist also nicht
    das Problem. Es ist gut, dass die Europäische Union vor
    kurzem einen entsprechenden Entwurf vorgelegt hat;
    denn wir müssen auf diesem Gebiet weitere Fortschritte
    erzielen. Aber auch die USA müssen ihrer Verantwor-
    tung gerecht werden; denn dort werden fast 40 Prozent
    der Maisernte für die Herstellung von Biosprit genutzt.

    Ich möchte zum Schluss ganz kurz auf ein Thema zu
    sprechen kommen, das mir und, wie ich glaube, auch der
    Opposition sehr am Herzen liegt: die Spekulationen mit
    Agrarrohstoffen. Diese Spekulationen haben sich inzwi-
    schen zu einem Preistreiber entwickelt, der überhand-
    nimmt und dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden
    darf.


    (Beifall des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    Warenterminbörsen sind wichtig; überhaupt kein Thema.
    Es hat sie immer gegeben. Gerade für Landwirte sind sie
    von Bedeutung, weil sie ein Mittel sind, um Preis-
    schwankungen vorzubeugen. So wissen die Landwirte,
    welche Preise sie, wenn sie ernten, auf dem Markt erzie-
    len. Inzwischen haben Spekulationen mit Agrarrohstof-
    fen allerdings exzessive Ausmaße angenommen. Man
    kann es auch so sagen: Ein wirklich sinnvolles Marktin-
    strument ist zu einer Perversion verkommen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    80 Prozent der Anleger haben mit physischen Roh-
    stoffen wie Getreide, Hirse und Mais überhaupt nichts
    zu tun. Die Zahl der Terminkontrakte an der Chicago
    Board of Trade hat sich in den vergangenen zehn Jahren
    allerdings verfünffacht, während die Erntemenge im
    gleichen Zeitraum gleich geblieben ist. 2011 wurden
    76 Millionen Tonnen Weizen gehandelt und damit fast





    Dagmar G. Wöhrl


    (A) (C)



    (D)(B)


    das 8,5-Fache der Jahresernte, die nämlich nur 9 Millio-
    nen Tonnen betrug.

    Hier müssen wir aktiv werden, vor allem auch inter-
    national bei unseren Partnern. Frau Dr. Kofler, Sie haben
    vollkommen recht: Hier müssen wir den Finger in die
    Wunde legen und schauen, dass die Märkte für Derivate
    auf Agrarprodukte transparenter und die Kontrollmecha-
    nismen verstärkt werden. Wie gesagt: Ich hoffe, dass wir
    dieses Thema weiterhin gemeinsam auf der Agenda ha-
    ben und dass wir hier weiterhin den Finger in die Wunde
    legen.


    (Beifall des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die
    Zusammenarbeit bedanken – auch im Ausschuss. Es ist
    ganz klar: Wir führen hier Debatten, in denen man sich
    angreifen muss. Ich glaube aber, wir sind ein Ausschuss,
    der – und das zeichnet ihn aus – ein gemeinsames Ziel
    hat und der an diesem gemeinsamen Ziel arbeitet. Sicher
    hat der eine oder andere eine andere Vorstellung davon,
    wie man dieses Ziel erreichen kann; aber es ist ein pro-
    duktiver Ausschuss, der wirklich im Interesse der Ärms-
    ten handelt, und dafür möchte ich mich herzlich bedan-
    ken.

    Vielen Dank fürs Zuhören.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dagmar Wöhrl. –

Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Frak-
tion Die Linke unsere Kollegin Frau Heike Hänsel. Bitte
schön, Frau Kollegin Hänsel.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heike Hänsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir

    diskutieren heute den Entwicklungshaushalt. Parallel
    dazu sind aber alle Augen nach Karlsruhe gerichtet, um
    das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu hören.
    Auch unsere Fraktion, Die Linke, hat geklagt, um die de-
    mokratischen Grundrechte, auch die des Parlaments, zu
    verteidigen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Herr Niebel, Sie haben gestern in der Leipziger Volks-
    zeitung gesagt, die Euro-Stabilisierung geschehe auch,
    um mehr Geld für die Entwicklungsländer zur Verfü-
    gung zu haben. Ein stabiler Euro sei auch für die Ent-
    wicklungs- und Schwellenländer wichtig. Sie lassen da-
    bei aber einfach weg, dass die europäischen Staaten jetzt
    irrwitzige Milliardenbeträge für diese sogenannte Euro-
    Stabilisierung zahlen und diese Mittel langfristig binden,
    dass die eingeführte Schuldenbremse auch dazu führen
    wird, dass in den nächsten Jahren viel weniger Geld für
    Entwicklung und für Soziales zur Verfügung stehen
    wird, und dass diese Politik vor allem Vermögende und
    Banken sowie das System der Spekulation und der
    Zockerei an den Finanzmärkten weiter stabilisiert, wor-
    unter gerade die Entwicklungsländer leiden, zum Bei-

    spiel aufgrund von Nahrungsmittelspekulationen, und
    die Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter vertieft
    wird.

    Laut Le Monde diplomatique gibt es heute weltweit
    etwa 63 000 Personen, deren Privatvermögen zusammen
    40 Billionen Dollar und damit dem gesamten jährlichen
    Bruttoinlandsprodukt aller Staaten der Welt entspricht.
    Was kann hier nur die Antwort sein? Sie lautet: Umver-
    teilen von Reichtum in Deutschland, in Europa und welt-
    weit,


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    und zwar durch Vermögensabgaben, eine Millionärs-
    steuer und eine Finanztransaktionsteuer und natürlich
    durch das Schließen von Steueroasen; denn dort liegt ein
    Großteil dieser Billionen. Das wäre die beste Form von
    Entwicklungspolitik.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Unter dem Stichwort „Umfairteilen“ wird es am
    29. September 2012 in vielen Städten Deutschlands ei-
    nen bundesweiten Aktionstag geben. Ich kann nur alle
    einladen: Beteiligen Sie sich daran! Vergessen Sie die
    Telefonnummer von Herrn Niebel! Gehen Sie auf die
    Straße!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Übrigens fordern auch die Vereinten Nationen in ih-
    rem Weltwirtschafts- und Sozialbericht, Milliardäre end-
    lich zur globalen Bekämpfung von Armut, Hunger und
    Klimawandel heranzuziehen. Sie, Herr Niebel, haben
    aber die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Sie glauben wei-
    terhin an die Finanzmärkte, erzählen uns das Märchen
    von der Euro-Rettung, setzen in der Entwicklungsfinan-
    zierung immer mehr auf Marktmittel und machen sich
    von Spekulationen abhängig. Sie entwickeln eine virtu-
    elle ODA-Quote – sie entspricht gar nicht mehr dem rea-
    len Geld –, weil Sie sie mit Hebelung und Marktmitteln
    immer mehr aufblähen, aber real sinkt der Entwick-
    lungsetat. Damit streuen Sie Sand in die Augen der Be-
    völkerung.

    Unabhängig von der Höhe des Etats setzen Sie vor al-
    lem falsche Prioritäten. Ich möchte hierzu beispielhaft
    die Förderung der entwicklungspolitischen Bildungs-
    arbeit in Deutschland erläutern. Das ist ein relativ klei-
    ner Posten – leider –, dessen Etatmittel auch noch ge-
    kürzt werden, obwohl die entwicklungspolitische
    Bildungsarbeit ein ganz wichtiges Feld ist. Denn wir
    werden Entwicklung nur erreichen, wenn wir auch die
    Strukturen hier im Norden, in unseren Ländern verän-
    dern. Über die Bildungsarbeit erreichen wir viele Ju-
    gendliche. Wir können sie anstoßen, einmal darüber
    nachzudenken, in welcher Welt wir leben, und sich zu
    engagieren.

    Das ist ein wichtiges Feld. Sie aber ziehen immer
    mehr Geld aus diesem Bereich für aufwendige Großver-
    anstaltungen ab, für Ihre Auftritte, die groß inszeniert
    werden, auch die von anderen FDP-Ministern. Das dient





    Heike Hänsel


    (A) (C)



    (D)(B)


    mehr der Profilierung Ihrer Partei, aber eben nicht dazu,
    das Bewusstsein für Entwicklung zu fördern.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie, Herr Niebel, setzen mit den Steuergeldern ein Jahr
    vor der Bundestagswahl auf Werbung statt auf Bildung
    und Aufklärung.

    Sie waren vor kurzem in Afghanistan. Sie haben in
    diesem Zusammenhang festgestellt – das habe ich gele-
    sen –, dass mittlerweile alle vereinbarten Ziele der Ent-
    wicklungszusammenarbeit in Afghanistan erreicht wor-
    den seien. Das ist ja unglaublich und eine reine
    Gesundbeterei. Egal ob Sie sich den Human Develop-
    ment Index, der den Grad menschlicher Entwicklung
    misst, anschauen, oder ob Sie sich die Daten zu Lebens-
    erwartung, Kindersterblichkeit oder Wasserversorgung
    ansehen: Afghanistan belegt nach wie vor überall einen
    der letzten Ränge weltweit. Von Fortschritt kann da
    keine Rede sein – und das mehr als zehn Jahre nach dem
    ISAF-Einsatz und dem sogenannten Wiederaufbau in
    Afghanistan. Für diese Politik sind Sie mitverantwort-
    lich.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Bundesregierung setzt nämlich in Afghanistan
    auf die Verbesserung der Bedingungen für die Privat-
    wirtschaft, auf die Liberalisierung der Märkte. Davon
    profitieren vor allem die Eliten in Afghanistan, aber we-
    niger die breite Bevölkerung, die nach wie vor in großer
    Armut lebt. Sie haben als Kriegspartei die korrupte af-
    ghanische Regierung, verbrecherische Warlords und
    Fundamentalisten im Land noch gestärkt. Deshalb gilt
    nach wie vor: Dieses geschundene Land Afghanistan
    braucht den Abzug der Truppen sofort und eine neue
    Afghanistan-Politik, die sich endlich den demokrati-
    schen, fortschrittlichen Kräften dieses Landes zuwendet.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Bundesregierung hätte dazu die Möglichkeit:
    Jetzt, im September, hat sie den Vorsitz im Sicherheitsrat
    der Vereinten Nationen inne und könnte eine Friedens-
    politik anstoßen. Das wäre die beste Form von Entwick-
    lungspolitik.

    Stattdessen, Herr Niebel, setzen Sie und die Bundes-
    regierung weiterhin auf weltweite Militäreinsätze, auf
    Rüstungsexporte in Krisenregionen mit massiven Men-
    schenrechtsverletzungen. Sie schütteln schon einmal
    gern als Erster einem Putschpräsidenten die Hand wie in
    Paraguay. Sie sind für die Durchsetzung von Wirt-
    schaftsinteressen, auch mit militärischem Einsatz.


    (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Pfui, Herr Niebel!)


    Wir brauchen aber keine weitere Militarisierung, Herr
    Niebel. Wir brauchen auch keine alten Bundeswehrmüt-
    zen in Afrika, die militärisches Denken exportieren. Wir
    brauchen eine aktive Friedens- und Entwicklungspolitik.


    (Beifall bei der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das war aber billig!)