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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/190 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 I n h a l t : Nachruf auf den Abgeordneten Jürgen Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf auf die Vizepräsidentin a. D. Liselotte Funcke und den Vizepräsidenten a. D. Georg Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbe- gleitgesetzes 2013 (HBeglG 2013) (Drucksache 17/10588) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22861 B 22861 D 22862 C 22862 C 22862 C 22862 D 22872 C 22874 B 22876 C 22879 B 22881 B 22883 B 22886 B 22887 D 22889 B 22890 A 22891 C 22893 B 22895 B 22897 B 22898 C 22899 D 22900 D 22902 B 22904 B 22906 A 22907 A 22908 C 22909 C 22910 A 22910 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide DIE LINKE) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidun- gen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22912 B 22914 B 22916 B 22917 A 22918 B 22920 D 22921 B 22922 B 22923 C 22924 D 22926 D 22927 B 22927 D 22928 C 22930 A 22931 C 22932 C 22933 B 22935 D 22937 B 22937 D 22938 D 22939 A 22940 C 22941 D 22943 A 22944 A 22945 B 22946 A 22948 A 22949 B 22950 A 22951 B 22952 B 22953 A 22954 D 22955 A 22955 C 22956 A 22956 B 22956 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22861 (A) (C) (D)(B) 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Beginn: 10.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22955 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide die Linke) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Während sich die Mehrheit der Fraktion Die Linke im Bundestag bei dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ von CDU/CSU, FDP und SPD enthält, habe ich diesem zugestimmt. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, „im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperli- chen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzule- gen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.“ Der Antrag ist notwendig ge- worden, nachdem das Kölner Landgericht ein Urteil ge- troffen hat, dass von den jüdischen und muslimischen Ge- meinschaften zurecht als Angriff auf die Ausübung ihrer Religionsfreiheit gesehen wird. Vielmehr hat das Urteil eine – in Teilen rassistisch ge- führte – Debatte ausgelöst, in der scheinbar liberale Mei- nungsmacher die angeblich herzlosen muslimischen und jüdischen Eltern an den Pranger stellen. Eine medizinisch sachgerecht durchgeführte Be- schneidung bei Jungen gleichzusetzen mit weiblicher Genitalverstümmelung, Klitorisentfernung, – die selbst- verständlich vehement abzulehnen ist – ist in keiner Weise gerechtfertigt. Gleichzeitig so zu tun, als würde nur die Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstel- len und nicht auch beispielsweise kosmetische Operatio- nen bei Minderjährigen, vorsorgliche Blinddarm- oder Mandelentfernungen oder beispielsweise Ohrlochste- chen, ist bigott. Die Beschneidung ist in beiden Religio-  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 11.09.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 11.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 11.09.2012 Daub, Helga FDP 11.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 11.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 11.09.2012 Hörster, Joachim CDU/CSU 11.09.2012* Hunko, Andrej DIE LINKE 11.09.2012* Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 11.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 11.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Lach, Günter CDU/CSU 11.09.2012 Mast, Katja SPD 11.09.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 11.09.2012 Mücke, Jan FDP 11.09.2012 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 11.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 11.09.2012 Simmling, Werner FDP 11.09.2012 Spatz, Joachim FDP 11.09.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 11.09.2012* Werner, Katrin DIE LINKE 11.09.2012 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 11.09.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 11.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 22956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 (A) (C) (D)(B) nen ein wesentlicher Initiationsritus für die Zugehörigkeit zum Kollektiv der Gläubigen. Ein Verbot der Beschnei- dung liefe auf ein Religionsverbot für Muslime und Juden in Deutschland hinaus. Wer glaubt, Fragen der religiösen oder kulturellen Identität über das Strafrecht zu regeln, befördert die Kri- minalisierung jüdischer und muslimischer Riten. Praktisch bedeutet das für die betroffenen Jungen nicht weniger, sondern mehr Probleme: Operationen im Ausland, Eingriffe durch Kurpfuscher und eine Stigmati- sierung, die das Zusammenleben in einer multikulturel- len Gesellschaft erschwert. Ich begrüße es, dass mit dem Antrag ein klares Signal an Juden und Muslime in Deutschland gesendet wird und klargestellt wird, dass sie und ihre Religionspraxis ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Ich spreche mich für eine Regelung im Sinne des Antra- ges aus. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesord- nungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch da- raus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfrei- heiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit, Nicht- glauben, Wechsel der Religionen), aber auch körperliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie mitei- nander kollidieren, sind sie abzuwägen und es muss ge- gebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditionen beinhal- ten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und den neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verste- hen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zu- rückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr brin- gen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil un- serer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind kein Eigentum der Eltern, der Reli- gionsgemeinschaften oder des Staates. Sie sind Indivi- duen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewährleis- ten obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzlichen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Ein- griffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Ri- tuale der Religionsgemeinschaften, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – sogar bei Kleinkindern – darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemein- schaften bzw. Eltern zu überlassen ist. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vorder- gründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politische Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irreversi- blen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziolo- gischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung – im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekennt- nis – zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Über- gangskompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen ge- sellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfolgen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22957 (A) (C) (D)(B) den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Das lehne ich ab und stimme deshalb dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu. 190. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2013Finanzplan Epl 08, Epl 20, Epl 32, Epl 60, TOP 2 Allgemeine Finanzdebatte Epl 16 Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Epl 30 Bildung und Forschung Epl 15 Gesundheit Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Bartsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

    Schäuble, Sie haben zu Recht von einer Vertrauenskrise
    gesprochen. Hierzu kann ich nur eines feststellen: Ihre
    Koalition und die Regierung haben zu dieser Vertrau-
    enskrise einen erheblichen Beitrag geleistet.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Erinnern Sie sich an die Äußerungen, die in diesem
    Sommer gefallen sind: Der Bundeswirtschaftsminister
    sagt, die Vorstellung vom Austritt Griechenlands aus der
    Euro-Zone habe ihren Schrecken verloren. Der bayeri-
    sche Finanzminister sagt sogar, man müsse an Griechen-
    land ein Exempel statuieren. Was sind denn das für un-
    verantwortliche Aussagen? Da kann doch kein Vertrauen
    entstehen. Sie sind wesentlich mitverantwortlich dafür,
    dass es diese Vertrauenskrise in Deutschland und in
    Europa gibt.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie sagen, Deutschland sei gut durch die Krise ge-
    kommen. Ja, dieser Haushaltsentwurf bringt zum Aus-
    druck, dass Sie versuchen, bis zum Wahltag im Jahr
    2013 zu kommen. Ich behaupte, dass niemand hier im
    Hause überblicken kann, ob wir nicht vielleicht ganz
    schnell in eine große Krise geraten. Doch nichts von
    dem, was notwendig wäre, ist in diesem Haushaltsent-
    wurf abgebildet. Ja, es gibt eine sehr gute Botschaft im
    Zusammenhang mit diesem Haushaltsentwurf, und das
    ist die Botschaft, dass dies der letzte Haushaltsentwurf
    dieser Regierung ist. Das ist die gute Botschaft.





    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch das stimmt nicht! Es wird 2013 noch einen geben!)


    Das ist Anlass, um eine kritische Bilanz zu ziehen.
    Ich will aus Ihrem Koalitionsvertrag zitieren, in dem
    steht: „Mit Mut zur Zukunft – Für unser Land.“ Wenn
    man sich anschaut, was Sie gemacht haben, stellt man
    fest, dass das ganz knallharte Klientelpolitik war. Daran
    war nichts mutig, daran ist nichts mutig. Da gibt es keine
    Zukunftsorientierung. Sie rennen immer den Entwick-
    lungen in Europa hinterher. Das ist keine Politik für die
    Mehrheit der Menschen in diesem Lande, sondern das ist
    konsequente Klientelpolitik.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich will zum Kern des Haushaltsentwurfs kommen.
    Sie sprechen von soliden Staatsfinanzen, und Sie gerie-
    ren sich in Europa immer als Klassenprimus, aber in
    Wahrheit wird viel Wasser gepredigt und Wein getrun-
    ken. Schauen wir uns die Zahlen an: Auch im nächsten
    Jahr wollen Sie neue Schulden machen: 18,8 Milliar-
    den Euro. Wenn man sich die vier Jahre anschaut, stellt
    man fest, dass das insgesamt 112,2 Milliarden Euro neue
    Schulden sind. Wenn man angesichts dessen von Spar-
    samkeit spricht, Herr Barthle, ist das für mich wirklich
    nicht verständlich. Was hat es mit Sparen zu tun, wenn
    man neue Schulden macht? Ich habe das Sinnbild von
    der „schwäbischen Hausfrau“ immer so verstanden, dass
    man etwas zurücklegt. Das ist hier aber nicht der Fall.
    Sie haben in dieser Legislaturperiode über 100 Milliar-
    den Euro neue Schulden gemacht.

    Um einen Vergleich zu ziehen: In meinem Bundes-
    land, in Mecklenburg-Vorpommern, beträgt der Haushalt
    des gesamten Landes für ein Jahr 7 Milliarden Euro.


    (Otto Fricke [FDP]: Und wie viel davon kommt vom Bund?)


    Das sind die Relationen. Sie haben inzwischen in der
    Bundesrepublik Deutschland auf der Bundesebene
    Schulden in Höhe von 1,2 Billionen Euro angehäuft. Um
    das einmal zu veranschaulichen: Wenn wir jeden Monat
    1 Milliarde Euro zurückzahlen würden, dann wäre diese
    Schuld in 168 Jahren noch nicht getilgt. Und dann sagen
    Sie noch, wir hätten kein Einnahmeproblem. Das ist
    doch abstrus. Wir müssen bei den Einnahmen etwas tun.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will etwas zu dem Punkt sagen, den Sie gelobt ha-
    ben, Herr Schäuble. Sie haben gesagt, dieser Haushalts-
    plan sei hinsichtlich der Investitionen vorbildlich. Ich
    kann nur feststellen: Ja, in der Krise sind Investitionen,
    die den Namen verdienen, also Zukunftsinvestitionen,
    die Arbeitsplätze bringen und vor allem die Binnennach-
    frage stärken, sehr dringend notwendig. Aber hier bleibt
    der Haushaltsentwurf hinter allen Erwartungen und allen
    Anforderungen zurück. Es gibt keine gestaltende

    Finanzpolitik. Es wäre nicht einmal mutig, sondern ein-
    fach nur normal, im Bereich Investitionen mehr zu tun.

    Ich will nur die Themen Städtebauförderung und
    energetische Gebäudesanierung aufrufen. Diesbezüglich
    bleiben Sie sogar hinter den Forderungen, die die CDU-
    Landesminister stellen, zurück.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)


    Warum hören Sie denn nicht einmal auf die? Die CDU-
    Landesminister wollen auch mehr Investitionen, weil da-
    durch das Handwerk vor Ort und die Konjunktur geför-
    dert werden. In diesem Bereich sind Sie aber nicht nur
    zurückhaltend, sondern Sie kürzen sogar. Als weitere
    Beispiele nenne ich den Ausbau der Kitas, der dringend
    notwendig wäre, und die Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
    besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Überall
    bleiben Sie hinter den Anforderungen zurück. Kranken-
    häuser, Schienenwege, all das sind Bereiche, in denen
    mehr getan werden müsste.

    Sie sagen, die Energiewende sei Ihr Anliegen. Abge-
    sehen von der Tatsache, dass es diesbezüglich bisher of-
    fensichtlich nur Fehlstarts gab, frage ich mich: Warum
    kürzen Sie bei der Energieeffizienzforschung? Das ist
    doch völlig irre. Warum kürzen Sie in diesem Bereich,
    obwohl das ein Zukunftsthema ist? Das ist eine völlig
    absurde Investitionspolitik. Das machen Sie falsch. Sie
    setzen weiter auf den Export. Richtig wäre es, die Bin-
    nennachfrage zu stärken.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Zahlen zeigen, dass Sie bei den Investitionen kür-
    zen: 0,8 Prozent weniger. Es sind nur noch 26,1 Milliar-
    den Euro. In den Jahren 2014 bis 2016 wollen Sie noch
    weiter kürzen. Das ist keine zukunftsorientierte Politik,
    Herr Schäuble.


    (Beifall bei der LINKEN)


    In Ihrem Haushaltsentwurf gibt es sehr viel Optimis-
    mus. Kollege Poß hat von Schönfärberei gesprochen. Ich
    glaube, da hat er recht. Alle Risiken wurden ausgeblen-
    det, beispielsweise die Schattenhaushalte und die Zins-
    entwicklung. Glauben Sie denn, dass das Zinsniveau für
    Deutschland so bleiben wird? Das ist doch wirklich eine
    absurde Annahme. Das kann sich ganz schnell auch für
    uns verändern.

    Ich glaube im Übrigen, dass hier endlich die Diktatur
    der Finanzmärkte gebrochen werden muss. Bei der Re-
    gulierung sind wir nicht vorangekommen. Elementare
    Dinge, über die auch Sie geredet haben, sind nicht pas-
    siert. Der Schuldenschnitt Griechenlands kostet letztlich
    den Haushalt 10 Milliarden Euro. Das ist die Realität.
    Die Haftungsgrößenordnungen, die wir haben – über
    400 Milliarden Euro –, können ganz schnell zu einem
    großen Problem für die Haushalte werden.

    Dann sind da noch die vielen Baustellen in Ihrer Ko-
    alition. Das Betreuungsgeld könnte teuer werden. Ich
    hoffe im Übrigen, Herr Schäuble, dass Sie standhaft
    sind, wenn die FDP hier wieder Steuersenkungsvor-
    schläge macht. Es wäre ja noch absurder, jetzt über





    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)


    Steuersenkungen nachzudenken. Viele andere Dinge
    sind risikobehaftet. Deshalb ist diese Haushaltsplanung
    unsolide.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Jetzt will ich Sie einmal zitieren, Herr Schäuble. Es
    ist zwar schon ein bisschen her, aber Sie haben einmal
    erklärt, aufgrund der Struktur des Bundeshaushaltes
    seien Einnahmeverbesserungen zur Haushaltskonsoli-
    dierung unvermeidlich. Heute haben Sie etwas ganz an-
    deres gesagt. Ich kann nur sagen: Natürlich haben wir in
    Deutschland ein Einnahmeproblem. Sie reden nur über
    die Einkommensteuer. Darauf will ich mich jetzt nicht
    einlassen. Aber wir haben doch vor allen Dingen ein
    Problem bei der Vermögensbesteuerung. Bei den vermö-
    gensbedingten Steuern ist Deutschland im Vergleich al-
    ler OECD-Staaten – bezogen auf das Bruttoinlandspro-
    dukt – im unteren Drittel. Daran muss man doch einmal
    etwas ändern.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Zahl der Vermögensmillionäre in Deutschland
    steigt jedes Jahr. Inzwischen haben wir 924 000. Warum
    ist es denn so abstrus, über eine Millionärssteuer nachzu-
    denken? Es gäbe den Freibetrag für Vermögen bis zu
    1 Million Euro, und nur das private Vermögen wäre be-
    troffen. Wir würden nicht den Mittelstand gefährden,
    aber wirklich Einnahmen gerieren.

    Im Übrigen wäre es sinnvoll, diese Steuer europaweit
    durchzusetzen, damit auch in Griechenland Millionäre
    zur Kasse gebeten werden. Das wäre der richtige Ansatz,
    um über Einnahmen nachzudenken.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Selbst in den vergangenen Krisenjahren ist das private
    Geldvermögen noch einmal angestiegen. Warum denken
    wir nicht einmal über eine Veränderung bei der Erb-
    schaftsteuer nach? Bis 2020 werden 2,6 Billionen Euro
    vererbt.


    (Otto Fricke [FDP]: Wer kriegt denn die Erbschaftsteuer?)


    – Die Länder, Herr Fricke; das ist mir bekannt. Aber es
    ist doch sehr wichtig, dass es auch dort Konsolidierung
    gibt. Wir sind es, die die Gesetze dafür verändern. Wir
    müssen das machen. Es ist notwendig, die Einnahmen
    über die jetzigen 4,2 Milliarden Euro hinaus zu erhöhen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Geldvermögen in Deutschland sind in den letzten
    Jahren weiter gestiegen. Sie haben gesagt, wie viel dafür
    bezahlt wird. Aber man muss doch auch einmal feststel-
    len, dass die privaten Geldvermögen in Deutschland im
    letzten Jahr auf 4,7 Billionen Euro gestiegen sind. Das
    ist, bezogen auf die letzten 20 Jahre, eine Verdoppelung.
    Es ist doch etwas nicht in Ordnung, wenn es auf der ei-
    nen Seite diesen obszönen Reichtum gibt und wir auf der
    anderen Seite Rentnerinnen und Rentner haben, die in
    Mülltonnen wühlen, weil sie ihre Rente aufpolieren
    müssen. Da ist doch irgendetwas nicht in Ordnung.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    In Deutschland besitzt 1 Prozent der Bevölkerung
    35,8 Prozent des Vermögens. Da ist doch etwas nicht in
    Ordnung. Warum haben Sie nicht den Mut, hier einmal
    wirklich anzugreifen, um irgendetwas bei denjenigen ab-
    zuholen?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Mit Ihrem Haushaltsentwurf öffnet sich die Schere
    zwischen Arm und Reich immer weiter. Das ist skanda-
    lös, das ist nicht akzeptabel. Im Übrigen ist Deutschland
    auch hier im OECD-Vergleich unrühmlich an der Spitze.
    Reiche sind reicher geworden, und es gibt mehr Men-
    schen in Armut.


    (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie müssen genau gucken, warum! Wir haben mehr Teilzeitbeschäftigte!)


    Sie haben jetzt umfassend von dem Jobwunder
    Deutschland gesprochen. Erst einmal wird es auch von
    der Opposition, von der Linken im Besonderen, begrüßt,
    wenn jemand in Arbeit kommt. Aber es muss gute Ar-
    beit sein. Das Problem in Deutschland ist doch die mas-
    senweise prekäre Beschäftigung. Ich will Ihnen nur sa-
    gen: Vergleichen Sie die Zahl der Arbeitsstunden, als es
    5 Millionen Arbeitslose waren, mit der heutigen Zahl.
    Interessanterweise ist die Zahl der Arbeitsstunden
    gleichgeblieben. Das ist doch ein Ausweis dafür, dass
    wir viel Niedriglohn, viel prekäre Beschäftigung haben.
    Das müssen wir verändern. Es muss gute Arbeit entste-
    hen, damit nicht immer mehr Menschen in Altersarmut
    fallen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dankenswerterweise hat Frau von der Leyen dieses
    Problem ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Da
    muss man wirklich danke sagen. Die Linke spricht da-
    rüber schon lange. Aber in dem Fall waren wir mit unse-
    rer Öffentlichkeitsarbeit nicht ganz so erfolgreich. Das
    wird sich sicherlich verbessern.

    Eines will ich im Zusammenhang mit dem Haushalts-
    entwurf aber sagen: Wie können Sie in einer Situation, in
    der alle zum Thema Altersarmut reden, als Kabinett auf
    die Idee kommen, die Rentenbeiträge zu senken? Warum
    senken Sie in dieser Situation die Rentenbeiträge von
    19,6 auf 19 Prozent? – Nein, wir müssen mehr tun für
    die Rentnerinnen und Rentner. Das ist doch völlig unbe-
    stritten. Es geht um immerhin 71,5 Milliarden Euro. Das
    ist fast ein Viertel des Haushalts, wie wir alle wissen.


    (Otto Fricke [FDP]: Sie wollen also mehr ausgeben?)


    Gerade deshalb müssen wir hier ein anderes Konzept
    fahren. Die Senkung ist wirklich ein absurder Vorschlag.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Im Übrigen will ich auf Folgendes verweisen: Alters-
    armut ist nicht nur ein Zukunftsproblem, sondern auch
    ein aktuelles Problem. Es wird immer so getan, als
    würde dies erst 2030 ein Problem werden und als ob nur
    die sogenannten gebrochenen Erwerbsbiografien davon





    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)


    betroffen wären. Jetzt wissen wir, dass auch Leute, die
    normal beschäftigt sind, in Altersarmut fallen können.
    Schon heute gibt es 800 000 Empfänger von Grund-
    sicherung im Alter. Diese Zahl muss uns doch alle alar-
    mieren. In diesem Bereich müssen wir wirklich mehr
    tun. Natürlich ist ein Mindestlohn wichtig, aber viel
    mehr Maßnahmen sind notwendig. Ich kann sie jetzt
    nicht alle darlegen; sicherlich werden Kollegen aus mei-
    ner Fraktion dies während der Haushaltsberatungen tun.

    Frau Bundeskanzlerin – sie ist nicht mehr da, aber
    egal –, Sie haben einmal zu Recht formuliert: „… Kranke,
    Kinder und … Ältere. Die Menschlichkeit unserer Ge-
    sellschaft entscheidet sich daran, wie wir mit ihnen um-
    gehen.“ Ja, das ist richtig. Ich kann Sie nur auffordern:
    Machen Sie das endlich, und reden Sie nicht nur darüber!
    Lassen Sie nicht zu, dass sich in Deutschland die Schere
    zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Mit diesem Haus-
    haltsentwurf tun Sie das. In diesem Sinne ist es wirklich
    gut, dass es Ihr letzter ist.

    Danke schön.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist er doch gar nicht! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da liegen Sie falsch!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Otto Fricke für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Fricke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kol-

    leginnen und Kollegen! Herr Kollege Bartsch, was ist
    die größte soziale Sicherheit in der Bundesrepublik
    Deutschland? Stabile Haushalte.


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja! Machen!)


    In diesen stabilen Haushalten, Herr Kollege Bartsch, ist
    eine für den Sozialstaat richtige Sozialquote notwendig.
    Da sind wir uns einig. Das ist das, was wir und auch Sie
    als Opposition den Bürgern sagen sollten. Diese Bundes-
    regierung gibt auch weiterhin nahezu 50 Prozent der
    Ausgaben für den Sozialstaat aus. Zu sagen, dass das ein
    Abholzen ist, dass die Schere auseinandergeht,


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist wahr!)


    das ist an dieser Stelle schlichtweg der Versuch, mehr
    Geld zu bekommen. Man hat das genau gesehen. Das
    klang auch bei der SPD an. Es ist der Wunsch der linken
    Seite des Hauses, die Einnahmen zu erhöhen. Dafür ist
    Ihnen jedes Argument recht.


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Bei den Vermögenden!)


    Jeder Bürger, der das hört, sagt: Ja, Mensch, es wäre
    doch toll, wenn der Staat mehr Einnahmen hat. Viel-
    leicht bekomme ich etwas davon.


    (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja!)


    Aber Sie sagen nicht – das ist das Unfaire dabei –, dass
    Sie es sich beim Bürger holen werden. Die SPD hat uns
    doch mit ihrer Mehrwertsteuererhöhung das typische
    Beispiel geliefert. So kann man keine Haushalte sanie-
    ren.


    (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bei den Reichen und Vermögenden! Die Bürger zahlen schon Einkommensteuer, brav und treu!)


    Die rot-grüne Koalition und die Große Koalition haben
    es gezeigt. Was ist passiert? Es gab in der Vergangenheit
    immer wieder wirtschaftlich gute Zeiten. Auch jetzt be-
    findet sich dieses Land in einer wirtschaftlich guten Zeit,
    während es für die Länder im Umfeld schwieriger ist.
    Was machen linke Regierungen in wirtschaftlich guten
    Zeiten? Sie erhöhen erstens die Steuern,


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nicht die Steuern! Nur das Steuervermögen!)


    so wie Sie es gerade beschrieben haben, und zweitens
    – das ist das eigentliche Gift, das wir die ganze Zeit aus
    dem Haushalt herausbekommen wollen – sagen Sie je-
    des Mal, wenn Sie auch nur 1 Euro mehr einnehmen
    können: Holla, wir müssen überlegen, wie wir 2 Euro
    mehr ausgeben können. Das ist der Grund, warum Ihre
    Haushalte nicht gut funktionieren und warum sich un-
    sere Haushalte immer weiter stabilisieren.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Schauen wir auf die Fakten. Es ist schon von allen ge-
    sagt worden, deswegen will ich mich kurzfassen. Wir
    halten uns an alle rechtlichen Vorgaben auf nationaler
    und auf europäischer Ebene. Wenn Sie in das europäi-
    sche Ausland fahren, hören Sie von den Menschen dort:
    Wie schafft ihr das eigentlich? Wir hätten gerne eure
    Zahlen. Hier aber geht die Opposition hin und redet alles
    schlecht, macht alles mies und verbreitet Angst; denn
    – so denkt wohl die Opposition – auf der Basis von
    Angst kann man am besten Politik machen. Nein, es ist
    unsere Aufgabe, auf der Basis von Solidität Politik zu
    machen. Nur so wird bei den Bürgern das Vertrauen er-
    zeugt, das wir als Politiker und Verantwortliche im Staat
    benötigen.

    Ich finde es beachtlich, was diese Koalition geschafft
    hat. Schauen wir uns das einmal an.


    (Zuruf von der SPD: Damit sind Sie schnell durch!)


    Der Haushalt 2013 wird niedrigere Ausgaben haben als
    der Haushalt 2010. Damit gelingt es dieser Koalition,
    dass wir zum ersten Mal seit 30 Jahren am Ende einer
    Legislatur weniger Ausgaben haben als am Anfang einer
    Legislatur. Das hört sich zuerst nicht toll an, aber wir
    wollen doch einmal sehen, wie die SPD das in der Gro-
    ßen Koalition mit ihrem Finanzminister gemacht hat.
    Kleine Zahlenkunde: 30 Milliarden Euro mehr Ausga-
    ben in Zeiten von Peer Steinbrück. In vier Jahren wurden
    die Ausgaben um 30 Milliarden Euro erhöht.





    Otto Fricke


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Grund, es genauso schlecht zu machen! – Rainer Brüderle [FDP]: Was sich liebt, das neckt sich!)


    – Danke an Rot-Grün; auf die Reaktion habe ich gewar-
    tet.

    Was hat Rot-Grün in sieben Jahren gemacht? In sie-
    ben Jahren, liebe Freunde von den Grünen


    (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freundinnen und Freunde, bitte!)


    – irgendwie scheint das zusammenzuhängen; man sieht
    ja in Baden-Württemberg, dass Sie das dort wieder so
    machen wollen –, haben Sie die Ausgaben um 30 Mil-
    liarden Euro erhöht. Das ist ein schlimmes Gift. Zuerst
    werden die Ausgaben erhöht, und dann wundert man
    sich über die Verschuldung.


    (Rainer Brüderle [FDP]: Eben! – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Wir haben die schwierigsten strukturellen Reformen durchgesetzt!)


    Wir halten die Ausgaben stabil, weil wir weiterhin für
    Wachstum sorgen wollen. Außerdem sparen wir nicht
    dumm, sondern überprüfen genau, welche Investitionen
    wir tätigen.


    (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist eigentlich aus dem Betreuungsgeld geworden?)


    Ich weiß, dass zum Beispiel der Verkehrsminister
    gerne 1 Milliarde Euro mehr hätte. Man muss aber klar
    sagen: Auch in diesem Bereich muss man Grenzen set-
    zen. Hier einen Ausgleich hinzubekommen und zu sa-
    gen: „Wir haben Steuermehreinnahmen zu verzeichnen,
    weil die Wirtschaft wächst; allerdings wächst die Wirt-
    schaft auch deshalb, weil wir die Ausgaben nicht hoch-
    fahren“, ist eine Kunst. Das ist eine Kunst, die Sie nicht
    beherrschen.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, ich will erwähnen, worin
    das größte Risiko für den Bundeshaushalt besteht.


    (Manfred Zöllmer [SPD]: In der FDP!)


    Das größte Risiko für den Haushalt sitzt auf der Bundes-
    ratsbank.


    (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! In den Reihen der FDP!)


    Man kann auch heute wieder sehen: Es ist kein Vertreter
    des Bundesrates da. Aber – jetzt appelliere ich an die
    Verantwortung von SPD und Grünen – was wird passie-
    ren, wenn in den nächsten Wochen der Bundesrat zusam-
    menkommt? Dann wird es vonseiten des Bundesrates
    heißen: Es gibt in dem und dem Bereich ein Gesetz, das
    kostet uns zwar nichts; aber wir machen nur mit, wenn
    es Mehrausgaben gibt. – Ist es denn wirklich die Auf-
    gabe des Bundesrates, den Bundeshaushalt, wo man nur
    kann, zu schröpfen?

    Sehen wir uns die Zahlen für das nächste Jahr an. Die
    Bürger fragen uns: Warum schafft ihr es in guten Zeiten
    eigentlich nicht, auf eine schwarz-gelbe Null zu kom-
    men? Zu nennen sind zunächst einmal – ich glaube, da
    sind wir uns einig – die Sonderbelastungen durch den
    ESM in Höhe von 8 Milliarden Euro. Außerdem muss
    man sich fragen: Welche Zusatzbelastungen für den
    Haushalt 2013 entstehen dadurch, dass wir Länder und
    Kommunen entlasten müssen, obwohl sie mit ihren
    Haushalten besser dastehen und mehr Steuereinnahmen
    zu verzeichnen haben als der Bund? Hier kommt man
    auf einen Betrag von 10 Milliarden Euro. Rechnet man
    die durch den ESM bedingten Belastungen in Höhe von
    8 Milliarden Euro und die 10 Milliarden Euro für die
    Freunde von der Ausgeberbank zusammen, kommt man
    auf einen Betrag von 18 Milliarden Euro. Auch die Neu-
    verschuldung des Bundes beträgt im nächsten Jahr etwa
    18 Milliarden Euro. Das heißt, der Kernhaushalt des
    Bundes, mit dem er seine Aufgaben erfüllt, basiert schon
    heute auf einer schwarzen Null.


    (Bernd Scheelen [SPD]: Frickes Märchenstunde!)


    Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit nie erreicht. Wenn
    es nach Ihrer Politik geht, werden Sie das auch nie errei-
    chen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Letzter Punkt. Meine Damen und Herren, nach mir
    spricht zunächst die Kollegin Hinz und dann der Kollege
    Schneider. Ich würde mich freuen, wenn insbesondere
    der Kollege Schneider für seine Fraktion erklären würde,
    dass von seinen Kolleginnen und Kollegen in den Ein-
    zelplandebatten keine weiteren Ausgaben gefordert wer-
    den.


    (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das wäre ja etwas ganz Neues!)


    Ich werde mir seine Rede genau anhören. Eben hat Herr
    Poß für die Sozialdemokratie geredet – er ist jetzt nicht
    da –


    (Manfred Zöllmer [SPD]: Die Kanzlerin ist auch nicht da! Na und?)


    und gesagt, wir würden beim Haushalt nicht richtig han-
    deln und nicht genug sparen. Ich würde mich, wie ge-
    sagt, freuen, wenn die Sozialdemokraten sagen würden:
    Wir werden in den Fachdebatten keine neuen Ausgaben
    fordern. – Das werden Sie aber nicht tun. Sie werden
    Milliardenforderungen aufstellen.


    (Manfred Zöllmer [SPD]: Wir machen aber auch Einsparvorschläge!)


    Sie sagen heute hü und morgen hott und wundern sich,
    dass Ihre Politik genauso wenig konsistent ist wie Ihre
    Antwort auf die Frage, wer bei Ihnen Spitzenkandidat
    wird.

    Meine Damen und Herren, zur Zukunftsfestigkeit.
    Der Hauptvorwurf, der vom Kollegen Schneider wahr-
    scheinlich noch erhoben wird, lautet ja: Der Haushalt ist
    nicht zukunftsfest. – Das ist sehr bemerkenswert; Herr





    Otto Fricke


    (A) (C)



    (D)(B)


    Schäuble hat schon darauf hingewiesen. Einerseits wird
    von Ihnen behauptet, wir würden uns für den Wahlkampf
    ein geheimes Polster zulegen. Ich wette mit Ihnen, dass
    Sie gleich sagen werden, wir hätten uns kein Polster für
    schlechte Zeiten zugelegt. Sie argumentieren, wie es Ih-
    nen gerade gefällt.


    (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Nein! Sie haben keine Vorsorge betrieben!)


    Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben Vorsorge getroffen.
    Die Polster in den Sozialversicherungssystemen sind ge-
    rade schon erwähnt worden. Der Unterschied ist: Wann
    immer Sozialdemokraten an der Regierung waren, wa-
    ren die Puffer in den Sozialkassen gleich null, weil Sie
    immer neue Ausgaben getätigt haben. Das ist übrigens
    auch der Grund, warum Sie keine Beitragssatzsenkung
    wollen. Sie wollen mehr Geld ausgeben. Wir hingegen
    stärken auf der einen Seite die Puffer in allen Sozialver-
    sicherungsbereichen und sorgen auf der anderen Seite
    dafür, dass wir vom Bürger nur das Geld nehmen, das
    der Staat für die Erledigung seiner Aufgaben braucht.

    Dieser Haushalt ist nicht nur ein stabiler, sondern auch
    ein zukunftsorientierter Haushalt, weil er dafür sorgt,
    dass selbst in schlechten Zeiten ausreichende Puffer vor-
    handen sind, um negative Entwicklungen, die möglicher-
    weise auf uns zukommen, denen diese Regierung aber
    entgegenwirkt, abzufangen. Stabile Haushalte sind näm-
    lich die Voraussetzung für weiterhin gutes Wachstum.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)