Rede von
Ralph
Lenkert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Da hatten wir mit der Bahn ja Glück:
Der Castor kam vor dem Schneesturm an, ohne Havarie.
Aber das Wetter ist nur eine Unwägbarkeit, die nicht be-
herrschbar ist. Als Maschinenbauer will ich mich der
Castorsicherheit von der technischen Seite nähern. Am
12. April 1912 ging ein Schiff auf die Reise.
Es war das modernste seiner Zeit und unsinkbar, sagten
Hersteller und Eigner. Am 15. April 1912 bezahlten
1 500 Passagiere der „Titanic“ das blinde Vertrauen in
die Technik mit dem Leben.
Mit stählernen Schiffen gibt es inzwischen mehr als
hundert Jahre Erfahrung. Trotzdem würde kein Minister
Schiffsunglücke ausschließen. Aber beim Castor wollen
Sie uns in Sicherheit wiegen.
Diese falsche Bewertung kann, wie bei der „Titanic“, fa-
tal enden.
Die Sicherheitsanalyse der Castoren beruht nur auf
Berechnungen und Versuchen an Modellen. Nicht ein
Castor wurde komplett getestet. Sogar bekannte Pro-
bleme werden ignoriert. Zum Beispiel gibt es keine
Langzeiterfahrungen mit den neuartigen Metalldichtun-
gen am Deckel. Bleiben diese dauerhaft dicht? Der Her-
steller kann es nicht beweisen; aber er hofft es.
Außerdem gibt es am Deckel Elastomerdichtungen.
Leider weiß man bereits, dass diese mit der Zeit versa-
gen, weil das Material durch die Strahlung zerstört wird.
Aber man weiß nicht genau, wann die Dichtung versa-
gen wird. Vielleicht hält sie ja lange genug. Man kann
die Dichtung doch verwenden, bis man merkt, dass sie
kaputt ist, oder? So denken Sie. Die Linke denkt anders.
In Atomkraftwerken ist jedes System doppelt abgesi-
chert, zur Sicherheit. Im Castor jedoch reicht ein einzi-
ges Messgerät. Dumm ist nur, dass man entstehende
Lecks am Behälter ohne Messgerät nicht erkennen kann.
Beim Füllen eines Castors bleibt trotz Trocknung etwas
Feuchtigkeit im Behälter. Auch beim Zerfall einer Elas-
tomerdichtung werden Wasser und organische Stoffe
freigesetzt. Das ist gut für die Korrosion. Sie beschädigt
dann die metallische Dichtung, und sich bildende Gase
erhöhen den Druck im Behälter. Das Messgerät sollte er-
kennen, wann der Behälter in einen kritischen Zustand
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Bei diesen Risiken bezüglich des Behälters wäre zu-
indest ein Notfallplan für die Lagerzeit wichtig. Aber
der Realität gibt es im Zwischenlager Lubmin keine
ich wiederhole: keine – Vorkehrung, um im Falle eines
ecks eines Castorbehälters das Verseuchen von Greifs-
ald zu verhindern.
Um die Hitze des Castors abzuleiten, steht dieser in
auerhaftem Luftstrom. Die warme Abluft wird ungefil-
rt in die Umgebung abgeleitet. Radioaktive Partikel
erden so verteilt.
aben die Greifswalder Glück mit dem Wind, können
ie noch gesund evakuiert werden.
btransportieren kann man einen kaputten Behälter aber
icht; sonst verseucht man die Umgebung der Transport-
trecke. Wer, wie diese Bundesregierung und vorherige
undesregierungen, so eine Zwischenlagerung plant, ist
ewissenlos.
Sie wissen um die Risiken. Damit im Unglücksfall
us Ihrer Sicht die Folgen minimiert werden, errichten
ie Zwischenlager in dünn besiedelten Randregionen, in
orleben und jetzt in Lubmin. Das ist verantwortungslos
nd zynisch.
Was soll eigentlich mit den strahlenden Behältern
assieren, wenn 2039 die Genehmigung für Lubmin aus-
uft? Falls die Behälter dann noch nicht kaputt sind, ist
as Risiko beim Transport in ein anderes Lager, wie
chon gesagt, viel höher als heute. Also müsste der
tommüll dann in neue, bessere Behälter umgepackt
erden. Ist das Ihr Plan?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9255
Ralph Lenkert
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Jetzt schaffen Sie den Atommüll nach Lubmin. In ei-
nigen Jahren stellen Sie fest: Die Behälter machen Pro-
bleme. Dann bliebe Ihnen nichts anderes übrig, als in
Lubmin eine Umpackanlage für Castoren zu bauen, die
Sie sonst nie durchsetzen könnten. Weil es dann ein
staatliches Zwischenlager wäre, müsste der Steuerzahler
dafür zahlen. Ganz nebenbei lösen Sie damit auch das
Umpackproblem für die Atomlobby.
Fest steht: Das Zwischenlager Nord in Lubmin ist
nicht sicher; es gehört geschlossen.
Fest steht: Jeder Castortransport gefährdet Menschenle-
ben an der Strecke, ob in Heidelberg, in Darmstadt, Er-
furt, Jena oder woanders. Jede zusätzliche Tonne Atom-
müll erhöht die Gefahr eines radioaktiven Unfalls.
Deshalb gibt es für verantwortungsbewusste Politiker
nur einen Weg: Sofortiges Aussetzen der Castortrans-
porte, Abschalten aller Atomkraftwerke und Konzentrie-
rung der Atomforschung auf eine sichere Verwahrung
des Atommülls.
Die Linke wird diesen Weg beschreiten. Folgen Sie
uns!