Rede von
Sonja
Steffen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Paul, mit einer Aus-
age haben Sie recht: Eigentlich ist alles ganz schön in
ubmin bzw. Rubenow. Denn abseits von Lärm, Stress
nd Hektik, unberührt von Massentourismus erwarten
omfortable Hotels und gemütliche Pensionen ihre
äste. Ganz in der Nähe gibt es ein Atommüllzwischen-
ger, das noch immer kaum entdeckt ist: Lubmin. Wieso
ur hat sich bislang kaum jemand für die abgelegenste
tommüllhalde Deutschlands interessiert?
Auch der Sozialismus setzte auf Atomkraft. In Lub-
in entstand – das haben wir schon gehört – in den 70er-
ahren das größte Atomkraftwerk der DDR. Das Kern-
raftwerk „Bruno Leuschner“ in Lubmin bei Greifswald
ersorgte bis 1990 die Nordbezirke mit Strom. Dann
urde es – auch das kam schon zur Sprache – wegen Si-
herheitsbedenken abgeschaltet. Gott sei Dank!
in 3,2 Milliarden Euro teures vom Bund finanziertes
tilllegungsprogramm begann. Die strahlende Hinterlas-
enschaft – es sind immerhin mehr als 5 000 Brennele-
ente – lagert seit 2006 verpackt in 65 Castoren im bun-
eseigenen Zwischenlager in Lubmin, das eigens für die
DR-Kraftwerke gebaut wurde.
Die Zwischenlagerung der Abfälle in Lubmin ist bis
039 befristet. Angesichts des Endlosstreits über ein ato-
ares Endlager für hochradioaktive Abfälle gibt es
doch Befürchtungen, dass der Atommüll über den Ge-
ehmigungszeitpunkt hinaus in Lubmin lagern wird.
ollege Bockhahn und meine Kollegin Ute Vogt haben
arauf schon hingewiesen. Diese Bedenken sind ernst zu
ehmen. Die Befürchtungen scheinen nicht ganz unbe-
ründet zu sein. Denn selbst die Energiewerke Nord als
etreiber des Zwischenlagers schließen angesichts der
9252 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010
Sonja Steffen
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Endlagerdebatte eine längere Lagerung in Lubmin in-
zwischen nicht mehr aus.
Noch 2009 hat das Bundesamt für Strahlenschutz in
seinem Statusbericht zur Atomenergienutzung ausge-
führt, dass das Zwischenlager Lubmin der Aufnahme
von abgebrannten Brennelementen, Kernbrennstoffen
und sonstigen radioaktiven Abfällen aus den ostdeut-
schen Reaktoren Rheinsberg und Greifswald dient. Es
scheint so, dass derzeit bevorzugt Standorte in struktur-
schwachen Gegenden gewählt werden, in denen mit we-
nig Protest zu rechnen ist.
Hier wird nach einem Prinzip gehandelt, das wir auch
aus anderen Bereichen, zum Beispiel Gentechnik oder
Tiermastfabriken, kennen: Man geht immer dorthin, wo
der Widerstand als am geringsten einzustufen ist.
Sie werden sich hier aber kräftig irren.
Die Proteste gegen das Bombodrom und die Proteste ge-
gen das ursprünglich geplante Kohlekraftwerk in Lub-
min haben gezeigt, dass Widerstand auch im struktur-
schwachen Osten möglich und erfolgreich sein kann.
Am letzten Wochenende haben 3 000 Atomkraftgeg-
ner – das mag gesamtdeutsch betrachtet wenig sein, aber
für den Osten war es die größte friedliche Demonstration
gegen Atomkraft, die wir bislang erlebt haben – friedlich
in Greifswald demonstriert. Sie alle wissen – meine Kol-
legin Ute Vogt hat schon eindrücklich darauf hingewie-
sen –, dass sich die Proteste auch und vor allem gegen
die von der schwarz-gelben Regierung beschlossene
Laufzeitverlängerung richten.
Das geschieht mit gutem Grund. Mit der Atomlobby
wurde ein Deal vereinbart, der den Konzernen Milliar-
dengewinne bringt und durch den weitere Tausende von
Tonnen hochradioaktiver Abfälle angehäuft werden. Wir
hatten einmal einen Kompromiss in Deutschland, in dem
die Beendigung der Laufzeiten festgelegt wurde.
Es war von dieser Bundesregierung mehr als unklug,
diesen Konsens auszuhebeln. Die Bürger protestieren
nicht grundlos.
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h muss Ihnen sagen: Ich war sehr stolz, dass zu den
eilnehmern auch unser Ministerpräsident Erwin
ellering, der Bischof der Pommerschen Evangelischen
andeskirche, Hans-Jürgen Abromeit, und viele Vertre-
r der Gewerkschaften gehörten. Die Demonstration
erlief absolut friedlich. Laut Polizei gab es keine Zwi-
chenfälle.
Wenn der Kollege Ahrendt von der FDP in der gestri-
en Debatte zum Widerstand gegen Vollstreckungsbe-
mte behauptet, dass der Ministerpräsident des Landes
ecklenburg-Vorpommern „geistige Beihilfe zum Wi-
erstand gegen Polizeibeamte“ geleistet habe, so ist dies
icht nur eine Diffamierung, sondern auch eine Missach-
ng der Rechte der Menschen, die durch den Protest ih-
n Unmut an der derzeitigen Politik der schwarz-gelben
egierung friedlich zum Ausdruck brachten.
ber vielleicht entschuldigen Sie sich ja gleich noch, Sie
ind ja im Anschluss meiner Rede an der Reihe. Die
rundrechte der Meinungsfreiheit und der Demonstra-
onsfreiheit stehen unter einem besonderen Schutz. Es
t das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger, gegen
ie Transporte von Atommüll nach Lubmin zu demon-
trieren.