Rede von
Ralph
Brinkhaus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
chick, ich war wirklich gespannt, wie Sie es schaffen
ürden, diesen sehr komplexen Gesetzentwurf, den Sie
rmuliert haben, hier zu erklären. Ich muss sagen – bei
llem Respekt –: Sie sind gescheitert. Ich glaube, kaum
mand hat verstanden, worauf Sie hinauswollen. Das ist
chade, weil es durchaus ein ernsthaftes Anliegen ist.
Ich möchte meine Ausführungen in drei Teile glie-
ern. Ich möchte auf Ihren Gesetzentwurf eingehen, ich
öchte darlegen, dass er auch etwas mit Ihrer Grund-
instellung zur Verbraucherpolitik zu tun hat, die mit un-
erer Grundeinstellung nicht übereinstimmt, und ich
öchte zum Schluss noch einmal darstellen, was wir in
iesem Jahr im Bereich „Finanzregulierung und Ver-
raucherschutz“ auf den Weg gebracht haben, was gut
nd was schlecht war und was wir vielleicht – da beziehe
h auch uns als Regierungsfraktionen mit ein – besser
achen können.
Kommen wir zu Ihrem Gesetzentwurf. Letztlich geht
s doch darum – ich möchte es am Fall von Lehman er-
utern –, dass Menschen Lehman-Zertifikate gekauft
aben, dass sie über das Risiko nicht aufgeklärt worden
ind und viel Geld verloren haben. Teilweise geht es um
ltere Menschen, die ihre Altersversorgung auf diese
ertifikate aufgebaut und einen erheblichen Schaden er-
tten haben. Diese Menschen haben in ihrem Leben
icht mehr die Chance, das verlorene Geld wieder he-
inzuholen. Sie haben bisher nie etwas mit Gerichten zu
n gehabt. Sie stehen jetzt auf einmal vor der Situation:
as Geld ist weg. Ihre Bank oder ihr Finanzdienstleister
aben sie nicht richtig beraten, nicht richtig aufgeklärt.
Ich habe versucht, mich in die sehr schwierige Situa-
on dieser Menschen hineinzuversetzen, und habe ges-
9240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010
Ralph Brinkhaus
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tern noch einmal im Internet recherchiert. Dort finden
Sie eine Vielzahl von Foren und Rechtsanwälten, die auf
dieses Thema spezialisiert sind. Als normaler Mensch
blicken Sie da gar nicht mehr durch. Ihnen wird nur klar,
dass alle sagen: Wenn Sie eine Klage erheben, kostet das
Geld. Sie müssen Gerichtskosten und Rechtsanwaltskos-
ten bezahlen. – Weil viele nicht wissen, was bei einer
Klage herauskommt, scheuen sie dieses Risiko. Das ist
verständlich; denn bei einem Streitwert von 15 000 Euro
– das werden mir die Anwälte hier im Hause bestätigen –
entstehen schnell Kosten von 4 000 bis 5 000 Euro nur
in der ersten Instanz. Dann fragen sich die betroffenen
Menschen natürlich: Soll ich jetzt auch noch mein letztes
Geld verlieren? – Viele dieser Geschädigten haben des-
halb keine Klage erhoben, sondern warten die Entschei-
dungen von Landgerichten oder Oberlandesgerichten ab;
in einem Fall ist, soweit ich weiß, auch ein Verfahren
beim Bundesgerichtshof anhängig. Sie hoffen auf eine
klare Entscheidung der Gerichte, um ihr Risiko besser
einschätzen und sagen zu können: Wenn ich Klage er-
hebe, dann habe ich auch eine gute Chance und be-
komme eine Erstattung. – Diese Haltung ist verständlich.
Diese Menschen haben jetzt aber ein Problem; denn
für die Klageerhebung gilt bisher eine dreijährige Ver-
jährungsfrist. Diese Verjährungsfrist – Herr Schick hat
es gerade ausgeführt – läuft für viele in den nächsten
Monaten ab. Anfang 2008 war eine besonders wilde
Zeit, zumindest im Bereich Lehman; für diejenigen, die
Anfang 2008 diese Zertifikate erworben haben – 2008
plus drei Jahre –, endet die Verjährungsfrist 2011. Jetzt
fordern Sie eine Verlängerung dieser Frist, damit die be-
troffenen Menschen noch die Chance haben, das Risiko
zu reduzieren. Das hört sich gut an und ist auch nach-
vollziehbar, weil die Menschen sehr stark betroffen sind
und viele Schicksale dahinter stehen;
das muss man ganz klar sagen.
Die andere Seite der Medaille haben Sie in Ihrem An-
trag nicht erwähnt; aber ich glaube, wir müssen so fair
sein, beide Seiten zu betrachten. Die andere Seite der
Medaille ist erstens, dass 2009 einvernehmlich festge-
legt worden ist, dass die Verjährungsfrist für zukünftige
Fälle – nicht für Altfälle – auf eine Regelverjährung von
zehn Jahren – das bedeutet im Übrigen nicht immer zehn
Jahre, wie mir jeder Jurist bestätigen kann – verlängert
wird. Man hat das Gesetz am 5. August 2009 in Kraft
treten lassen und damit den Schnitt gemacht: Alle fol-
genden Fälle unterliegen der Regelverjährung, alle Alt-
fälle unterliegen der verkürzten Verjährung. – Man hat
sich damals auch etwas dabei gedacht; denn man hat ge-
sagt: Wir können nur schwer rückwirkend in Sachver-
halte eingreifen; denn das ist nicht unbedingt mit unse-
rem Rechtssystem vereinbar. Dafür muss man sehr gute
Gründe haben.
Zweitens hat man gesagt, dass Verjährungsfristen
auch einen Sinn haben, nämlich den Sinn, Rechtsfrieden
herzustellen, unabhängig vom Ansehen der Kontrahen-
ten. Deswegen gibt es in allen Rechtsgebieten Verjäh-
rungsfristen.
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kenne an, dass man so etwas in die Anlageentscheidung
mit einbeziehen muss; aber damit hätten wir noch eine
Regelung mehr.
Wir verfolgen hier einen anderen Ansatz. Wir als
Union möchten nicht eine Vielzahl von Einzelregelun-
gen, sondern einen Rahmen für einen fairen und transpa-
renten Markt, auf dem die Verbraucher die Chance
haben, ihre Entscheidungen zu treffen – auch falsche.
Zur Marktwirtschaft, auch zur sozialen Marktwirtschaft,
zu einem freiheitlichen Gesellschaftsbild gehört es, dass
man auch falsche Entscheidungen treffen kann und nicht
vor allen falschen Entscheidungen vom Staat geschützt
wird. Deswegen möchten wir als Union uns mehr darauf
konzentrieren, einen Rahmen für den Markt zu setzen,
anstatt eine Vielzahl von Einzelvorschriften auf den Weg
zu bringen; denn diese Einzelvorschriften würden am
Ende nur dazu führen, dass das System nicht mehr hand-
habbar ist und nicht mehr ernst genommen wird.
Jetzt komme ich zum dritten Punkt. Wir befinden uns
am Ende eines langen Jahres, eines für uns Finanzmarkt-
regulierer und Finanzmarktverbraucherschützer aufre-
genden Jahres. Wir haben, glaube ich, sechs Gesetzes-
vorhaben auf den Weg gebracht. Wir haben EU-
Richtlinien umgesetzt wie im Bereich Rating oder Ver-
gütung. Wir haben uns bei dem Verbot der Leerverkäufe
sehr, sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Wir haben die
Kapitaladäquanzrichtlinie mit den Verbriefungen umge-
setzt.
Wir haben bei der Bankenrestrukturierung Wegweisen-
des auf den Weg gebracht. Im Bereich Anlegerschutz be-
findet sich momentan – das ist auch unser Thema heute –
das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz
im parlamentarischen Prozess. Ich denke, das ist eine
Menge.
Wir haben durchaus einige konstruktive Diskussionen
geführt. Aber ich denke, zwei Dinge müssen wir noch
besser machen. Hier fange ich bei uns, bei den Regie-
rungsfraktionen an.
Ich würde mir wünschen, dass wir die Oppositions-
fraktionen mehr in den Gesetzgebungsprozess einbezie-
hen, dass wir frühzeitiger informieren und dass wir
versuchen, einen weitergehenden Konsens hinzubekom-
men. Das ist nicht immer gelungen. Das lag teilweise an
der Eigendynamik der Entwicklung, dass wir schnell
handeln mussten, dass wir Dinge etwa aufgrund von
Bundesratsvoten auf den Weg bringen mussten. Aber in
dieser Hinsicht haben wir noch Potenzial nach oben.
Das funktioniert aber auch nur, meine Damen und
Herren, wenn Sie konstruktiv mitdiskutieren. Ich würde
mir wünschen, dass wir die Diskussion über die einzel-
nen Gesetzesvorhaben sachlicher führen. Ein Beispiel:
Wir machen ein umfangreiches Gesetzgebungspaket, das
sehr kompliziert ist, mit einer Vielzahl von technischen
Einzelregelungen. Das geht im Regulierungs- und Ver-
braucherschutzbereich manchmal nicht anders. Die Re-
aktion der Opposition, etwa der SPD, darauf lautet: „Mir
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