Rede von
Dr.
Kirsten
Tackmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Für viele Menschen in Ost und
West ist das heutige Thema sehr emotional – Sie merken
das sicherlich –; denn Bodeneigentum hat eine beson-
dere Bedeutung: Boden ist Grundlage für ein existenziel-
les Gut der Menschheit, nämlich die Nahrungsmittel,
und Boden ist nicht vermehrbar. Im Gegenteil: Wir ver-
lieren noch heute jeden Tag 100 Hektar Ackerboden,
beispielsweise durch den Straßenbau. Boden wird also
dringend gebraucht. Er ist knapp, und er kann nur einmal
verteilt werden. Deshalb war und ist die Bewirtschaftung
der eigenen Scholle eine der sensibelsten Fragen der
Menschheit.
Wir tragen als Gesetzgeber an dieser Stelle große Verant-
wortung.
Gemessen an diesem strategischen Anspruch an die
Bodenpolitik ist die vorliegende Gesetzesnovelle ein Ar-
mutszeugnis dieser Regierung;
denn sie begünstigt nicht landwirtschaftlich tätige Alt-
eigentümer gegenüber aktiven Landwirtschaftsbetrieben
in Ostdeutschland beim Bodenerwerb, und das ohne Not.
Der Bundestag hatte 1994, auch wenn es schwierig war,
eine Regelung gefunden: Alteigentümer können als Aus-
gleichsleistung begrenzt verbilligt ostdeutschen Acker
erwerben. Das können sie noch heute, wenn auch zeit-
lich verzögert.
Die PDS hatte diese Regelung damals als Einstieg aus
dem Ausstieg aus der Bodenreform abgelehnt. Offen-
sichtlich hatte sie damals recht. Heute ist es eine
schwarz-gelb-grüne Koalition, die das weiterverfolgt
und die Bodenreform infrage stellt. Ich sage für die
Linke an dieser Stelle ganz klar: Wer die Bodenreform
infrage stellt, der legt die Axt an eine der wesentlichen
Grundlagen des Einigungsvertrages. Das ist nicht hin-
nehmbar.
Zum Beispiel können die Alteigentümer nicht zur
Hälfte, wie ursprünglich, sondern in voller Höhe der
Ausgleichsleistungen Boden erwerben. Ab heute können
sogar Erben bis zum vierten Verwandtschaftsgrad Boden
erwerben.
ragen Sie sich einmal, wie das auf die 70 000 ostdeut-
chen Bodenreformerben wirkt, die nach bundesdeut-
chem Recht entschädigungslos enteignet wurden, nur
eil sie nicht landwirtschaftlich tätig waren. Das sind
ie Alteigentümer heute auch nicht; aber sie werden be-
ünstigt. Das ist eine grobe Ungleichbehandlung.
Damit die Alteigentümer trotz stark gestiegener Bo-
enpreise mehr Fläche kaufen können, soll der Boden-
reis vom 1. Januar 2004 gelten. Für den kommenden
undeshaushalt bedeutet das – das ist schon gesagt wor-
en – mindestens 370 Millionen Euro weniger Einnah-
en.
Dabei ist das Problem hausgemacht: Die drastischen
reissteigerungen für ostdeutsche Äcker kommen zu-
tande, weil die Koalition nichts gegen spekulative Bo-
enkäufe tut, obwohl im Koalitionsvertrag die Überprü-
ng der gegenwärtigen Verkaufspraxis der BVVG
ereinbart ist. Ein Motor der extremen Bodenpreisstei-
erung ist das politisch verordnete Preisfindungssystem
er BVVG. Sie verkauft im Auftrag des Bundes ehemals
olkseigene Äcker in Ostdeutschland zum Höchstgebot
ach europaweiter Ausschreibung. Das heißt, aktive
andwirtschaftsbetriebe konkurrieren beim Flächenkauf
it landwirtschaftsfremdem Kapital, das nur nach siche-
n Renditen sucht.
Ich gebe Ihnen einmal zwei aktuelle Beispiele für das,
as dabei herauskommt: In meiner Heimat, der Prignitz,
ingen gerade knapp 23 Hektar mit recht mageren
5 Bodenpunkten für fast 15 000 Euro pro Hektar über
en Tisch der BVVG. In der Uckermark kosteten knapp
7 Hektar mit 45 Bodenpunkten 21 000 Euro pro Hektar.
as sind Boden- und Pachtpreise, die durch landwirt-
chaftliche Arbeit nicht mehr erwirtschaftet werden kön-
en.
s gibt nur einen gerechten Weg aus dieser schwierigen
ituation: die Verhinderung spekulativer Bodenkäufe,
nd zwar in Ost und in West.
tattdessen verschenkt Schwarz-Gelb heute an Alteigen-
mer und ihre Nachkommen Weihnachtsgutscheine
r „Ostäcker zum Schnäppchenpreis“, wie selbst die
inancial Times Deutschland schreibt.
Das lehnt die Linke ab. Sie fordert ganz klar: Kein
auernland in Spekulantenhände!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9219
Dr. Kirsten Tackmann
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Wie das geht, steht in unserem Entschließungsantrag.
Beenden Sie endlich Ihre Klientelpolitik zum Nachteil
der aktiven Landwirtschaft in Ostdeutschland!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.