Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden
heute einmal mehr über die Zeitarbeit in Deutschland.
Das ist sicherlich ein Thema, an dem sich die Geister
scheiden, und eine Debatte, bei der sich die Gemüter er-
hitzen. Das haben wir heute einmal mehr erlebt.
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as sind immerhin mehr als 800 000 Menschen in
eutschland. Liebe Frau Müller-Gemmeke und lieber
err Gysi, ich bitte Sie, endlich einmal zur Kenntnis zu
ehmen, dass diese Menschen in einem regulären Ar-
eitsverhältnis stehen.
eitarbeit ist eine Beschäftigung im ersten Arbeits-
arkt. Ein Zeitarbeitnehmer ist bei einem Zeitarbeits-
nternehmen beschäftigt und wird lediglich an unter-
chiedlichen Arbeitsorten eingesetzt. Er befindet sich in
inem ganz normalen, regulären Arbeitsverhältnis mit
gulären Arbeitnehmerrechten.
r hat Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung im
rankheitsfall und genießt Kündigungsschutz, genau
ie jeder andere Arbeitnehmer auch. Ich würde Sie bit-
n, das endlich zur Kenntnis zu nehmen.
Die gesamte Debatte ist durchzogen von Ideologie,
lischees und Vorurteilen, die nicht der Wirklichkeit
nd der Wahrheit entsprechen. Das war anders, als Sie
003 das Gesetz, über das wir heute sprechen, geschaf-
n haben. Damals hatten Sie drei Ziele. Die Bundesre-
ierung hat jetzt bei der Vorlage ihres Gesetzentwurfes
eprüft, ob genau diese Ziele erreicht worden sind. Da-
n hat sie gut getan, denn es geht nicht um Vorurteile,
ondern um Zahlen und Fakten.
Das erste Ziel, das Sie, meine Damen und Herren von
ot und Grün, erreichen wollten, war die Schaffung zu-
ätzlicher Arbeitsplätze. Heute können wir sagen: Ja, ge-
au das hat die Zeitarbeit erreicht.
Januar 2004 gab es 326 000 Zeitarbeitnehmer, heute
ind es um die 800 000 Zeitarbeitnehmer. Es geht dabei
m reguläre Arbeitsplätze, und zwar um neue Arbeits-
lätze.
Liebe Frau Kramme, Sie sagen, wir würden nicht da-
uf eingehen, dass Stammarbeitsplätze verdrängt wor-
en sind. Das tun wir in der Tat nicht, und zwar deshalb,
eil diese Behauptung falsch ist. Nehmen Sie bitte zur
enntnis, dass die Zeitarbeit nur bei 2 Prozent der Be-
iebe dazu geführt hat, dass Stammarbeitsplätze abge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9213
Gitta Connemann
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schafft worden sind. Bei 98 Prozent der Betriebe ist das
nicht geschehen. Die Zeitarbeit hat also erheblich dazu
beigetragen, den Arbeitsmarkt in Deutschland zu verbes-
sern. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
Das zweite Ziel, das Sie erreichen wollten, war es,
Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zu schlagen. Genau
das hat die Zeitarbeit geleistet. Nehmen Sie bitte auch
zur Kenntnis, dass 62 Prozent der Beschäftigten, die neu
eingestellt worden sind, vorher ohne Beschäftigung ge-
wesen sind. Von diesen Menschen sind übrigens
32 Prozent ohne Berufsausbildung oder Abschluss. Das
sind Menschen, die sonst keine Chance auf dem Arbeits-
markt haben. Wir sind nicht bereit, zuzulassen, dass ih-
nen diese Chance durch Ihr Handeln kaputtgemacht
wird.
Das dritte Ziel war: Die Unternehmen sollen einen
Flexibilitätspuffer erhalten. Genau das hat die Zeitar-
beit bewirkt. Die Zahlen besagen, dass 50 Prozent der
Einsätze kürzer als drei Monate sind. Unter dem Strich
wird damit die Zeitarbeit genau für die Fälle gebraucht,
für die sie gedacht war, nämlich für Auftragsspitzen und
Auslastungsschwankungen.
Die Bilanz zeigt: Die Zeitarbeit hat positive Effekte.
Daran ändert die aktuelle Entscheidung des Bundesar-
beitsgerichts nichts; denn diese hat nur die Tariffähigkeit
einer einzigen Gewerkschaft, aber nicht das Instrument
der Zeitarbeit zum Gegenstand. Zur Zeitarbeit wird darin
nichts gesagt, und dazu könnte darin auch nichts gesagt
werden. An der Zeitarbeit ist nichts zu bemängeln. Auf
dieser Grundannahme beruht der Gesetzentwurf der
Bundesregierung.
Dazu hat die SPD in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
in dieser Woche einen neuen Antrag vorgelegt.
Zu diesem Antrag lässt sich sagen: Er ist überholt. Sie
fordern zu Recht zum Beispiel eine Umsetzung der EU-
Leiharbeitsrichtlinie. Wenn Sie in den Gesetzentwurf der
Bundesregierung geschaut hätten, dann hätten Sie fest-
gestellt, dass das darin steht. Einfach einmal den Gesetz-
entwurf lesen!
Darin steht unter anderem, dass Zeitarbeitnehmer Zu-
gang zu Gemeinschafteinrichtungen der Einsatzbetriebe
erhalten sollen.
Wenn Sie sich mit der Gesetzeslage auseinanderge-
setzt hätten, wüssten Sie auch, dass schon heute Fakt ist,
was Sie fordern, nämlich dass auch Zeitarbeitnehmer
Betriebsräte wählen können. Unterhalten Sie sich einmal
mit der Firma Randstad! Da sind mehr als 50 Mitarbeiter
als Betriebsräte freigestellt. Nehmen Sie doch einfach
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Zu Ihrer Begrifflichkeit. „Dumpinglöhne“ ist bei Ih-
en ein sehr beliebter Begriff, wenn es um die Zeitarbeit
eht.
ich erschüttert an dieser Stelle besonders, dass Sie in
rem Antrag von Menschen als „Niedriglohn-Reserve“
prechen.
h persönlich verwahre mich dagegen, dass Menschen,
ie hart arbeiten, von Ihnen als „Niedriglohn-Reserve“
lassifiziert und disqualifiziert werden. Das ist einfach
ur unanständig.
Wenn wir auf die Lohnhöhen zu sprechen kommen
ollen, bitte ich Sie einfach, das Tarifgefüge zur Kennt-
is zu nehmen.
ie Tarifabschlüsse, die heute einen deckungsgleichen
ariflohn festlegen, sind von uns allen völlig zu Recht
egrüßt worden. Aber nehmen Sie bitte auch zur Kennt-
is, dass der Tariflohn in der untersten Lohngruppe für
ngelernte Arbeiter in der Zeitarbeitsbranche heute bei
,40 Euro im Osten und 7,60 Euro im Westen liegt. Ich
etone: ungelernte Arbeiter, unterste Lohngruppe.
Schauen wir doch einmal über den Tellerrand, in an-
ere Branchen. Sie wiederholen immer monoton, in der
eitarbeitsbranche würde schlechter bezahlt als in ande-
n Branchen. Das ist schlichtweg nicht der Fall.
h darf nur einige wenige Tarifabschlüsse der letzten
onate nennen. Unter anderem hat die IG Metall im
anuar 2010 in der Pfalz, übrigens ein SPD-geführtes
and, einen Tarifvertrag für die Bekleidungsindustrie
it einer untersten Lohngruppe von 6,18 Euro abge-
chlossen. Das liegt bei fast 1,50 Euro unter dem ent-
prechenden Lohn in der Zeitarbeitsbranche.
h nenne weiter den Einzelhandel in Bremen. Da hat
er DGB einen Tarifvertrag mit einer untersten Lohn-
ruppe von 7,37 Euro abgeschlossen. Für das nordrhein-
estfälische Fleischerhandwerk wurde ein Tarifvertrag
it 6,45 Euro abgeschlossen.
9214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010
Gitta Connemann
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Ich könnte weitere nennen. Es sind alles Tarifverträge,
die aktuell vom DGB, von der IG Metall oder von Verdi
abgeschlossen worden sind.
In allen diesen Betrieben werden Zeitarbeitnehmer
eingesetzt. Ihre Forderung nach Equal Pay würde für
diese Arbeitnehmer bedeuten, dass sie in der untersten
Lohngruppe nicht mehr 7,60 Euro, sondern eben zum
Beispiel nur noch 6,18 Euro bekommen. Das ist die
Wirklichkeit. Auch das muss an dieser Stelle einmal ge-
sagt werden.
Das ist das Gefährliche bei Forderungen zum Beispiel
nach einem undifferenzierten Equal Pay. Man sollte dif-
ferenzieren, und genau das wird beispielsweise mit dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung getan. Das Einzige,
was mir an Ihrem Antrag wirklich gefällt, ist die Über-
schrift: „Missbrauch der Leiharbeit verhindern“. Das
wollen auch wir. Im Gegensatz zu Ihnen tun wir das
auch,
indem wir jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem
wir Fällen wie zum Beispiel Schlecker und Schleckers
Genossen entgegentreten. Ich finde, dass der Fall der
AWO, der heute hier von Peter Weiß präsentiert worden
ist, einem den Atem stocken lassen kann. Aber ich habe
von Ihnen immer noch nichts in Bezug auf Ihre Beteili-
gung an Medienverlagen gehört, die genau das machen,
was Sie hier kritisieren. Da stehen Sie persönlich in der
Verantwortung. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich
dieser Verantwortung endlich stellen.
Nicht nur schöne Worte, sondern gute Taten sind ent-
scheidend. Genau dafür stehen wir mit diesem Gesetz-
entwurf. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Stimmen Sie
einfach zu!